Nr. 72895
Recht und Steuern

Wachstumschancengesetz

Der Deutsche Bundestag hat am 23. Februar 2024 das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) mit dem Inhalt der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 22. März 2024 zugestimmt. 
Einen Überblick über einige für Unternehmen relevanten Neuregelungen finden Sie nachfolgend. Am Schluss weisen wir nachrichtlich auch auf die in der ersten Beschlussfassung am 17. November 2023 vom Deutschen Bundestag zunächst verabschiedeten Änderungen hin, die in der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses allerdings gestrichen und vom Deutschen Bundestag am 23. Februar 2024 nicht mehr beschlossen worden sind. 
Über die Änderungen der Regelungen zum Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen nach §§ 4h EStG, 8a KStG (Zinsschranke), die bereits Ende 2023 durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz an die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU angepasst worden sind, wird hier nicht berichtet.     

Änderungen des Einkommensteuergesetzes

Änderungen bei Abschreibungen

  • Die Möglichkeit zur degressiven Abschreibung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach § 7 Absatz 2 EStG wird auf nach dem 31. März 2024 und vor dem 1. Januar 2025 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erweitert. Der Umfang der degressiven AfA verringert sich insoweit aber und beträgt höchstens den zweifachen Prozentsatz der linearen AfA und nicht mehr als 20 Prozent.
  • Nach dem neu eingeführten § 7 Abatz 5a EStG können Anschaffungs-/Herstellungskosten für Wohngebäude wahlweise degressiv (in Höhe von 5 Prozent des jeweiligen Restbuchwertes) abgeschrieben werden, wenn der Steuerpflichtige nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 mit ihrer Herstellung begonnen oder sie in diesem Zeitraum angeschafft hat. Solange die degressive AfA vorgenommen wird, sind Sonderabschreibungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung nicht zulässig. Ein Übergang zur linearen AfA ist zulässig. 
  • Der Anwendungsbereich für Sonderabschreibungen im Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG (zusätzlich zur linearen AfA nach § 7 Absatz 4 EStG) wird erweitert. Tatbestandlich sind nun u.a. Bauanträge zur Errichtung neuer Wohnungen, die vor dem 1. Oktober 2029 gestellt werden (bisher vor dem 1. Januar 2027), wenn die planmäßigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten maximal 5.200,00 Euro/qm Wohnfläche betragen (bisher 4.800,00 Euro/qm). Die Bemessungsgrundlage für die Sonder-AfA beträgt in diesen Fällen zukünftig max. 4.000,00 Euro/qm Wohnfläche (bisher 2.500,00 Euro/qm). Die Neuregelung gilt ab Veranlagungszeitraum 2023.
  • Künftig sind Sonderabschreibungen nach § 7g Absatz 5 EStG (zusätzlich zur linearen oder degressiven AfA nach § 7 Absatz 1 oder 2 EStG) durch kleinere Unternehmen für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft oder hergestellt werden, bis zur Höhe von insgesamt 40 Prozent der Investitionskosten zulässig (bisher 20 Prozent). Voraussetzung ist, dass der Betrieb im letzten Wirtschaftsjahr vor der Investition die Gewinngrenze von 200.000,00 Euro nicht überschritten hat und dass das Wirtschaftsgut im Wirtschaftsjahr der Investition und im darauffolgenden Jahr vermietet oder (fast) ausschließlich in einer inländischen Betriebstätte betrieblich genutzt wird. 

Weitere Änderungen für Unternehmen

  • Die reduzierte Bemessungsgrundlage von ¼ des Bruttolistenpreises bei der Besteuerung der Privatnutzug von betrieblichen Kfz mit rein elektrischem Antrieb im Wege der 1%-Regelung gilt für nach dem 31. Dezember 2023 angeschaffte Kfz mit einem Bruttolistenpreis von nicht mehr als 70.000,00 Euro (bisher 60.000,00 Euro). Entsprechend werden bei einer Besteuerung der Privatnutzung nach tatsächlichen Aufwendungen nur ¼ der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen berücksichtigt. 
  • Die Voraussetzungen für die niedrigere Besteuerung der Privatnutzung von Hybrid-Kfz (Ansatz von ½ des Bruttolistenpreises bzw. der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen, vergleiche § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 Nummer 5 und Satz 3 Nummer 5 EStG) werden entgegen der zunächst vom Bundestag beschlossenen Gesetzesfassung nicht verschärft. Die niedrigere Besteuerung wird für nach dem 31. Dezember 2024 und vor dem 1. Januar 2031 angeschaffte Kfz gewährt, wenn das Kfz eine CO2-Emission von höchstens 50g je gefahrenen Kilometer hat, und wie bereits bisher auch dann, wenn es eine Mindestreichweite von 80 km mit rein elektrischem Antrieb hat.
  • Geschenke an andere Personen als Arbeitnehmer können steuerlich als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der einem Empfänger in einem nach dem 31. Dezember 2023 beginnenden Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände 50,00 Euro (bisher 35,00 Euro) nicht übersteigen.
  • Im Rahmen des Verlustvortrages nach § 10d Absatz 2 EStG wird mit Wirkung für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 die Mindestgewinnbesteuerung gesenkt, indem über den Sockelbetrag von 1 Million Euro (bei Ehegatten 2 Millionen Euro) hinaus bis zu 70 Prozent der Einkünfte (regelmäßig nur 60 Prozent) mit negativen Einkünften aus Vorjahren, die nicht im Verlustrücktrag abgezogen worden sind, verrechnet werden dürfen. Diese Änderungen gelten auch für die Körperschaftsteuer.

Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes

  • Zukünftig können neben den Personenhandels- und den Partnerschaftsgesellschaften auch eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach § 1a KStG zur Körperschaftsteuer optieren
  • Der Zeitpunkt der Ausschüttung von Gewinnen durch eine optierende Personengesellschaft an ihre Gesellschafter wird stärker an den Zufluss gekoppelt (entsprechend der Systematik bei Kapitalgesellschaften). Gewinnanteile gelten künftig nur noch als ausgeschüttet, wenn sie tatsächlich entnommen werden und kein Eigenkapital der Gesellschaft mehr darstellen (durch Auszahlung, Verrechnung mit Verbindlichkeiten des Gesellschafters oder Verbuchung auf einem Darlehenskonto), § 1a Absatz 3 KStG, und nicht bereits dann, wenn die Auszahlung verlangt werden kann.

Änderungen des Gewerbesteuergesetzes

  • Mit Wirkung bereits ab Erhebungszeitraum 2023 sind Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen im Sinne des § 3 Nummer 21 EEG oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder -fahrräder in Verbindung mit der Nutzung des eigenen Grundbesitzes unschädlich für die erweiterte Kürzung von Gewerbeerträgen aus der Nutzung und Verwaltung von eigenem Grundbesitz gemäß § 9 Nummer 1 GewStG, wenn diese Einnahmen nicht höher als 20 Prozent (bisher 10 Prozent) der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind.
  • Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Miet- oder Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Nutzung von Hybrid-Kfz, die im Eigentum eines Dritten stehen, gemäß § 8 Nummer 1 lit. d) GewStG wird nicht verschärft. Wie bisher wird die Hinzurechnung weiterhin auf die Hälfte reduziert, wenn das Kfz über eine Mindestreichweite von 80 km mit rein elektrischem Antrieb verfügt oder wenn die CO2-Emission des Hybrid-Kfz pro gefahrenen Kilometer nicht mehr als 50g beträgt. 

Änderungen des Umsatzsteuergesetzes

  • Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2025 sind im B2B-Bereich grundsätzlich elektronische Rechnungen auszustellen, wenn sowohl das leistende Unternehmen als auch der Leistungsempfänger im Inland ansässig sind (vorbehaltlich der nachfolgend dargestellten Übergangsfristen). 

    In anderen Fällen, also im B2C-Bereich und im grenzüberschreitenden B2B-Bereich können weiterhin uneingeschränkt Papierrechnungen oder – vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – elektronische Rechnungen in einem anderen Format (im Sinne des UStG zukünftig „sonstige Rechnung genannt“) versendet werden. Dasselbe gilt stets für Kleinbetragsrechnungen im Sinne von § 33 UStDV.

    Die Einführung der elektronischen Rechnung erfolgt im Vorgriff auf ein später zu etablierendes transaktionsbezogenes elektronisches System zur Meldung von Umsätzen und EU-seitige ViDA-Maßnahmen. Eine elektronische Rechnung im Sinne der Gesetzesänderung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden kann und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Ein strukturiertes elektronisches Format ist ein Format, das

    - den Anforderungen der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 für die elektronische Rechnungstellung entspricht. Diese Anforderrungen sind in der EN 16931 umgesetzt. Gemäß einer Stellungnahme des BMF v. 2. Oktober 2023 erfüllen auch die Formate XRechnung und ZUGFeRD die Voraussetzungen der EN 16931,

    - Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbaren und die richtige und vollständige Extraktion der nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung in ein Format ermöglicht, das der EN 16931 entspricht oder mit dieser interoperabel ist. Durch diese technologieoffene Alternative soll grundsätzlich auch eine langfristige Fortnutzung der etablierten EDI-Formate ermöglicht werden. 

    Das Gesetz sieht Übergangsfristen für die Einführung elektronischer Rechnungen vor:

    Unternehmen dürfen für zwischen dem 1. Januar 2025 und dem 31. Dezember 2026 ausgeführte Umsätze noch bis zum 31. Dezember 2026 sonstige Rechnungen (Rechnungen in Papierform oder – vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – anderen elektronischen Formaten) ausstellen.

    Diese Frist verlängert sich um ein Jahr für Unternehmen, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000,00 Euro betragen hat: Solche Unternehmen dürfen für zwischen dem 1. Januar 2027 und dem 31. Dezember 2027 ausgeführte Umsätze noch bis zum 31. Dezember 2027 sonstige Rechnungen ausstellen.

    Darüber hinaus dürfen Unternehmen für Umsätze, die im Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 31. Dezember 2027 ausgeführt werden, noch bis zum 31. Dezember 2027 in jedem Fall – vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – elektronische Rechnungen im EDI-Verfahren ausstellen (also ohne Möglichkeit zu einer Extraktion in eine elektronische Umwandlung gemäß EN 16931).
Beachte: Es steht allen Unternehmen im inländischen B2B-Bereich frei, die Übergangsfristen nicht in Anspruch zu nehmen und ab 1. Januar 2025 elektronische Rechnungen zu versenden. Dementsprechend müssen unternehmerische Leistungsempfänger ab dem 1. Januar 2025 grundsätzlich in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten.
  • Unternehmen können künftig mit erstmaliger Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2025 von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen befreit werden, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000,00 Euro (bisher 1.000,00 Euro) betragen hat.
  • Gemäß § 19 Absatz 1 Satz 4 UStG ist mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 ausdrücklich festgelegt, dass Kleinunternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen befreit sind. Ausgenommen von der Befreiung sind die in § 18 Absatz 4a UStG genannten Fälle (Steuerschuldnerschaft im Reverse Charge, Versteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs, innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte). Die Finanzbehörde kann den Unternehmen zudem weiterhin nach § 149 AO zur Abgabe einer Erklärung auffordern.
  • Die Befugnis zur Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (Ist-Besteuerung) kann ab Veranlagungszeitraum 2024 auf Antrag erteilt werden, wenn der Gesamtumsatz des Unternehmens im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000,00 Euro (bisher 600.000,00 Euro) betragen hat.  

Änderungen der Abgabenordnung

  • Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen, besteht eine originär steuerrechtliche Plicht zur Buchführung nach § 141 Absatz 1 Nummer 1 AO für Gewerbetreibende erst, wenn sie nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb einen Gesamtumsatz von mehr als 800.000,00 Euro im Kalenderjahr (bisher 600.000,00 Euro) oder einen Gewinn in Höhe von 80.000,00 Euro (bisher 60.000,00 Euro) gehabt haben. 

    Die handelsrechtlichen Schwellenwerte gemäß § 241a HGB werden entsprechend angehoben. Überschreitet ein Einzelkaufmann nach näherer Maßgabe von § 241a HGB die Schwellenwerte nicht, ist er nicht verpflichtet, eine kaufmännische Buchführung mit Bilanz und Gewinn- und Verlust-Rechnung zu erstellen.

Gestrichene Regelungen

Regelungen, die in der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses gestrichen und vom Bundestag am 23. Februar 2024 nicht beschlossen worden sind und die daher nicht in Kraft treten (kursiv gedruckt):
  • Das ursprünglich geplante Klimaschutz-Investitionsprämiengesetzes entfällt. Durch das Gesetz sollten Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs im betrieblichen Bereich unabhängig von Branche und Umfang der Tätigkeit gefördert werden. Steuerpflichtige, die Gewinneinkünfte erzielen, sollten unter den gesetzlichen Voraussetzungen eine Investitionsprämie in Höhe von 15 Prozent der Kosten für die Anschaffung oder Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern erhalten, wenn durch die Investition die Energieeffizienz im Betrieb verbessert worden wäre.
  • Anschaffungs- oder Herstellungskosten von geringwertigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft werden, sollten sofort in voller Höhe abgezogen werden können, wenn die Kosten nicht mehr als 1.000,00 Euro (netto) betragen (Wertgrenze bleibt bei 800,00 Euro). 
  • Zukünftig sollten Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs-/Herstellungskoten von wie bisher mindestens 250,00 Euro bis künftig maximal 5.000,00 Euro (netto) (Wertgrenze bleibt wie bisher bei maximal 1.000,00 Euro) in den Sammelposten nach § 6 Absatz 2a EStG einbezogen werden. Der Sammelposten sollte linear über 3 Jahre gewinnmindernd aufgelöst werden (Auflösungszeitraum bleibt wie bisher bei 5 Jahren).
  • Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 sollte der erstattungsfähige Mehraufwand für Verpflegung bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit im Inland (bzw. der entsprechende Ansatz von Werbungskosten) erhöht werden:

    - 32,00 Euro (bleibt bei 28,00 Euro) bei Abwesenheit des Arbeitnehmers von 24 Stunden von Wohnung und erster Tätigkeitsstätte,
    - 16,00 Euro (bleibt bei 14,00 Euro) für den An- und Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung übernachtet,
    - 16,00 Euro (bleibt bei 14,00 Euro), wenn der Arbeitnehmer ohne Übernachtung mehr als 8 Stunden von Wohnung und erster Tätigkeitsstätte abwesend ist.
  • Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 sollte sich der Freibetrag für Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung je Arbeitnehmer erhöhen auf € 150,00 (bleibt wie bisher bei € 110,00 pro Veranstaltung). Zuwendungen bis zur Höhe des Freibetrages gehören nicht zum steuerpflichtigen Arbeitsentgelt und fallen daher nicht in die Bemessung des Lohnsteuerabzugs und des Beitrages zur Gesamtsozialversicherung.
  • Mit Wirkung für nicht ausgeglichene negative Einkünfte aus Veranlagungszeiträumen ab 2024 sollte der Zeitraum für den Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 EStG auf die letzten 3 vorangegangenen Veranlagungszeiträume erstreckt werden (bleibt bei den letzten 2 vorangegangenen Veranlagungszeiträumen). 
  • Die gewerbesteuerliche Mindestgewinnbesteuerung sollte mit Wirkung für die Erhebungszeiträume 2024 bis 2027 gesenkt werden, indem über den Sockelbetrag von 1 Millionen Euro hinaus der maßgebliche Gewerbeertrag bis zu 75 Prozent um noch nicht berücksichtigte Fehlbeträge aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen kürzbar sein sollte. Insoweit sollte ursprünglich ein Gleichlauf mit der Regelung zum Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG erzeugt.
  • Die Regelbesteuerung (19 Prozent) für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz wird nicht um einen Monat vorverlegt. Die befristete Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent gilt weiterhin bis zum 31. März 2024.
  • Die ursprünglich vorgesehene Verpflichtung zur Anzeige bestimmter innerstaatlicher Steuergestaltungen entfällt. Meldepflichtig sollten danach bestimmte Gestaltungen sein, durch die steuerliche Vorteile generiert werden sollen.
Stand: März 2024
Steuer-Ticker - 22. März 2024

Bundesrat stimmt Wachstumschancengesetz zu

Der Deutsche Bundestag hat am 23. Februar 2024 das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) mit dem Inhalt der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 22. März 2024 zugestimmt.
Eine Übersicht über einige für Unternehmen relevante Änderungen durch das Wachstumschancengesetz finden Sie auf unserem Merkblatt.
Aufgrund der Entlastungen durch das Wachstumschancengesetz geht der Senat von steuerlichen Mindereinnahmen für die Freie und Hansestadt Hamburg in Höhe von circa 20 Miollionen Euro im Haushaltsjahr 2024, circa 68 Miollionen Euro im Haushaltsjahr 2025, circa 87 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2026, circa 74 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2027 und circa 49 Millionen Euro 2028 im Haushaltsjahr, aus.
Steuer-Ticker - 21. März 2024

Öffnungszeiten der Annahme- und Informationsstellen

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg informiert darüber, dass die Informations- und Annahmestellen der Hamburger Finanzämter am 28. März 2024 (Gründonnerstag) abweichend von den üblichen Öffnungszeiten nur bis 14 Uhr geöffnet sind. Zum Besuch der Informations- und Annahmestellen sei im Übrigen keine vorherige Terminvereinbarung erforderlich.
Recht und Steuern

Umsatzsteuerumrechnungskurse Februar 2024

Kommunale Steuern

Gewerbesteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg

Nach § 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) erheben die Gemeinden eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer. Sie legen dafür einen Gewerbesteuerhebesatz fest, der für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen gleich sein und mindestens 200 Prozent betragen muss. Der Gewerbesteuerhebesatz beeinflusst die Höhe der Gewerbesteuer, die auf den Gewerbeertrag erhoben wird und sich aus dem Produkt von bundeseinheitlicher Steuermesszahl (3,5 Prozent; bei Personenunternehmen ist ein Freibetrag von 24.500 Euro pro Jahr zu berücksichtigen) und  Gewerbesteuerhebesatz ergibt. 
Hinweis: Einzelheiten zur Berechnung der Gewerbesteuer entnehmen Sie bitte dem Artikel "Die Gewerbesteuer".
Nach § 16 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG) ist der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Gewerbesteuerhebesatzes bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet, kann auch nach diesem Zeitpunkt über die Höhe des Hebesatzes beschlossen werden. 
Wie hoch sind die Gewerbesteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2022? 
Folgende Gewerbesteuerhebesätze hat unsere Handelskammer für das Jahre 2019, 2020, 2021 und 2022 in den Städten und Gemeinden der Metropolregion Hamburg (ab ca. 10.000 Einwohnern) ermittelt (Stand Dezember 2023):

1. Hamburg

Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Hamburg, Freie
und Hansestadt
1.875.180
470
470
470
470
Tipp: Die Entwicklung der Realsteuerhebesätze  in Hamburg können Sie dem Dokument "Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze" entnehmen.

2. Schleswig-Holstein

Kreis Dithmarschen
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Brunsbüttel, Stadt
12.518
380
390
390
390
Heide, Stadt
21.919
380
380
380
380
Kreis Herzogtum Lauenburg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Geesthacht,
Stadt
32.080
400
400
400
400
Lauenburg/
Elbe, Stadt
11.848
395
395
395
395
Mölln, Stadt
19.403
370
370
370
390
Ratzeburg,
Stadt
14.676
370
370
370
380
Schwarzenbek,
Stadt
17.274
395
395
395
395
Wentorf bei
Hamburg
13.569
390
390
390
390
Hansestadt Lübeck
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Lübeck,
Hansestadt
217.799
450
450
450
450
Neumünster
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Neumünster,
Stadt
79.889
410
410
410
410
Kreis Ostholstein
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Bad Schwartau,
Stadt
20.345
330
330
380
380
Eutin, Stadt
17.097
370
380
380
380
Fehmarn, Stadt
13.377
360
360
360
360
Malente
10.921
380
380
380
380
Neustadt in
Holstein, Stadt
15.358
400
400
400
400
Ratekau
15.298
350
350
350
350
Scharbeutz
11.736
360
360
360
360
Stockelsdorf
17.158
340
340
340
340
Kreis Pinneberg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Elmshorn,
Stadt
50.594
390
400
400
400
Halstenbek
18.152
380
400
400
400
Pinneberg,
Stadt
43.807
390
390
390
390
Quickborn,
Stadt
22.187
390
390
390
390
Rellingen
14.577
320
320
320
320
Schenefeld,
Stadt
19.646
350
380
380
380
Tornesch,
Stadt
14.254
390
390
390
390
Uetersen,
Stadt
18.538
390
390
390
390
Wedel,
Stadt
34.395
380
380
380
420
Kreis Segeberg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Bad Bramstedt,
Stadt
15.266
390
390
390
390
Bad Segeberg,
Stadt
17.551
390
390
390
390
Henstedt-Ulzburg
28.294
336
336
336
336
Kaltenkirchen,
Stadt
23.479
380
380
380
380
Norderstedt,
Stadt
81.324
440
440
440
440
Kreis Steinburg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Glückstadt,
Stadt
10.781
380
380
380
380
Itzehoe,
Stadt
32.163
380
380
380
380
Kreis Stormarn
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Ahrensburg,
Stadt
34.477
380
380
380
380
Bad Oldesloe,
Stadt
24.919
370
370
380
385
Bargteheide,
Stadt
16.118
350
350
370
370
Barsbüttel
13.075
390
390
390
390
Glinde, Stadt
18.479
400
400
400
400
Reinbek, Stadt
28.511
390
390
390
390

3. Niedersachsen

Landkreis Cuxhaven
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Beverstedt
13.725
390
390
390
390
Cuxhaven,
Stadt
48.636
435
435
435
435
Geestland, Stadt
31.491
380
380
380
380
Loxstedt
16.595
380
380
380
380
Schiffdorf
14.849
350
350
350
350
Landkreis Harburg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Buchholz i.d.
Nordheide, Stadt
40.578
400
400
400
400
Neu Wulmstorf
22.210
420
420
420
420
Rosengarten
13.786
360
390
390
390
Seevetal
42.291
390
390
390
390
Stelle
11.507
400
400
400
400
Tostedt
14.431
380
380
380
380
Winsen (Luhe),
Stadt
36.028
380
380
380
380
Landkreis Heidekreis
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Bad Fallingbostel,
Stadt
12.306
390
390
390
390
Munster, Stadt
15.297
380
380
380
380
Schneverdingen,
Stadt
19.151
380
380
380
380
Soltau, Stadt
21.824
380
380
380
380
Walsrode, Stadt
30.767
410
410
410
410
Landkreis Lüchow-Dannenberg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Lüchow
(Wendland), Stadt
9.547
420
420
420
420
Landkreis Lüneburg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Adendorf
10.957
390
390
390
390
Lüneburg,
Hansestadt
75.891
420
420
420
420
Landkreis Rotenburg (Wümme)
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Bremervörde,
Stadt
18.718
380
380
380
380
Rotenburg
(Wümme), Stadt
22.439
390
390
390
390
Scheeßel
13.019
370
370
370
370
Visselhövede,
Stadt
  9.751
380
380
380
380
Zeven, Stadt
13.964
380
380
380
380
Landkreis Stade
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in % 
2019
2020
2021
2022
Buxtehude,
Hansestadt
40.585
410
410
410
410
Drochtersen
11.207
400
400
400
400
Harsefeld,
Flecken
14.526
410
410
410
410
Jork
12.295
420
420
420
420
Stade,
Hansestadt
47.787
420
420
420
420
Landkreis Uelzen
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Uelzen, Hansestadt
33.751
435
435
435
435

4. Mecklenburg-Vorpommern

Ludwigslust-Parchim
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Boizenburg/
Elbe, Stadt
10.818
350
350
350
350
Hagenow, Stadt
12.274
360
360
360
360
Ludwigslust,
Stadt
12.182
350
350
350
350
Landkreis Nordwestmecklenburg
Ort
Einwohnerzahl
Gewerbesteuerhebesatz in %
2019
2020
2021
2022
Grevesmühlen,
Stadt
10.563
365
365
365
365
Wismar,
Hansestadt
43.402
450
450
450
450
Tipp: Informationen zu den Grundsteuerhebesätzen A und B finden Sie im Dokument "Grundsteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg".
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Dezember 2023
Steuern

Grundsteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg

Nach § 25 Abs. 3 Grundsteuergesetz (GrStG) ist der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Grundsteuerhebesatzes bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet, kann auch nach diesem Zeitpunkt über die Höhe des Hebesatzes beschlossen werden. Der Hebesatz muss jeweils einheitlich sein für die in einer Gemeinde liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie für die in einer Gemeinde liegenden Grundstücke.
Regelmäßig fasst unsere Handelskammer bei den Gemeinden (ab ca. 10.000 Einwohnern) der Metropolregion Hamburg in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen folgende Daten zusammen:
  • Grundsteuerhebesätze A (Land- und Forstwirtschaft)
  • Grundsteuerhebesätze B (bebaute und bebaubare Grundstücke)
  • Einwohnerzahlen.
Die kommunalen Grundsteuerhebesätze sind zur Berechnung der Grundsteuer erforderlich; Einzelheiten zu dieser Berechnung finden sie unter www.hk24.de im Dokument Nr. 14758.
Im Folgenden finden Sie die Hebesätze im Jahr 2022 von insgesamt 77 Gemeinden. Neben Hamburg sind dies 40 Gemeinden in Schleswig-Holstein, 31 Gemeinden in Niedersachsen und 5 Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern. Die Gemeinde Rellingen ist auch 2022 mit einem Hebesatz von 220% für die Grundsteuer A und 250% für die Grundsteuer B die Gemeinde mit den niedrigsten Grundsteuerhebesätzen in der Metropolregion Hamburg. Die höchsten Grundsteuerhebesätze finden sich auch 2022 für die Grundsteuer A mit 690% in Bremervörde (Stadt) und für die Grundsteuer B mit 580% in Wismar. Bei der Grundsteuer B belegte Hamburg 2022 mit unverändert 540% einen der Spitzenplätze. Von 2021 auf 2022 haben von 77 Gemeinden 7 ihre Grundsteuerhebesätze angehoben; dabei fällt Wedel mit einer Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 425% auf 540% besonders auf. Keine Gemeinde hat ihre Grundsteuerhebesätze in diesem Zeitraum gesenkt. Der Durchschnitt der Höhe der Grundsteuerhebesätze stieg von 2021 bis 2022 bei der Grundsteuer A von 392,86% auf 393,77% und bei der Grundsteuer B von 416,84% auf 420,05%.
Hinweis: Mit Urteil vom 10. April 2018, Az. 1 BvL 11/14, hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber ist der Auflage des Bundesverfassungsgerichts eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen nachgekommen. Während künftig u.a. in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern das verhältnismäßig komplexe Bundesmodell gilt, haben sich Hamburg mit dem Wohnlagemodell und Niedersachen mit dem Flächen-Lage-Modell einfachere Regelungen gegeben. Die alten Regelungen gelten noch bis zum 31. Dezember 2024 fort. Gleichwohl müssen Steuerpflichtige in Hamburg zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober 2022 Feststellungserklärungen für die Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022 abgeben. Informationen zur bisherigen Rechtslage in Hamburg finden Sie auf unserem Merkblatt “Grundsteuer” und zur neuen Rechtslage auf unserem Merkblatt “Die neue Grundsteuer”. Informationen zur neuen Rechtslage in den übrigen Ländern finden Sie auf der einheitlichen Landingpage der Länder zur Grundsteuer.
1. Hamburg:
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A (Land- und Forstwirtschaft) in % Grundsteuerhebesatz B (bebaute und bebaubare Grundstücke) in %
Hamburg, Freie und Hansestadt
1.875.180
225
540

2. Schleswig-Holstein:
Kreis Dithmarschen
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Brunsbüttel, Stadt
12.518
380
425
Heide, Stadt
21.919
380
430

Kreis Herzogtum Lauenburg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Geesthacht, Stadt
32.080
400
425
Lauenburg/Elbe, Stadt
11.848
470
470
Mölln, Stadt
19.403
400 (+30)
425 (+35)
Ratzeburg, Stadt
14.676
380
425 (+25)
Schwarzenbek, Stadt
17.274
450
450
Wentorf bei Hamburg
13.569
395
395

Hansestadt Lübeck
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Lübeck, Hansestadt
217.799
400
500

Neumünster
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Neumünster, Stadt  
79.799
390
480

Kreis Ostholstein
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Bad Schwartau, Stadt
20.345
380
425
Eutin
17.097
380
425
Fehmarn, Stadt
13.377
350
350
Malente
10.921
380
425
Neustadt in Holstein, Stadt
15.358
400
425
Ratekau
15.298
360
360
Scharbeutz
11.736
330
350
Stockelsdorf
17.158
325
330

Kreis Pinneberg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Elmshorn, Stadt
50.594
380
425
Halstenbek
18.152
380
425
Pinneberg, Stadt
43.807
380
450
Quickborn, Stadt
22.187
380
425
Rellingen
14.577
220
250
Schenefeld, Stadt
19.646
380
380
Tornesch, Stadt
14.254
390
425
Uetersen, Stadt
18.538
390
415 (+5)
Wedel, Stadt
34.395
380
540 (+115)

Kreis Segeberg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Bad Bramstedt, Stadt
15.266
380
425
Bad Segeberg, Stadt
17.551
390
425
Henstedt-Ulzburg
28.294
311
311
Kaltenkirchen, Stadt
23.479
315
315
Norderstedt, Stadt
81.324
300
410

Kreis Steinburg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Glückstadt, Stadt
10.781
380
425
Itzehoe, Stadt
32.163
380
425

Kreis Stormarn
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Ahrensburg, Stadt
34.477
350
350
Bad Oldesloe, Stadt
24.919
435 (+10)
435 (+10)
Bargteheide, Stadt
16.118
370 (+30)
370 (+30)
Barsbüttel
13.075
380
380
Glinde, Stadt
18.479
400
400
Reinbek, Stadt
28.511
390
390

3. Niedersachsen:
Landkreis Cuxhaven
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Beverstedt
13.725
470
470
Cuxhaven, Stadt
48.636
430
505
Geestland
31.491
490
490
Loxstedt
16.595
480
440
Schiffdorf
14.849
500
415

Landkreis Harburg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Buchholz i.d. Nordheide, Stadt
40.578
365
400
Neu Wulmstorf
22.210
390
460
Rosengarten
13.786
370
390
Seevetal
42.291
410
410
Stelle
11.507
400
400
Tostedt
14.431
465
465
Winsen (Luhe), Stadt
36.028
380
380

Landkreis Heidekreis (früher LK Soltau-Fallingbostel)
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Bad Fallingbostel, Stadt
12.306
450
450
Munster, Stadt
15.297
450
450
Schneverdingen, Stadt
19.151
380
380
Soltau, Stadt
21.824
380
380
Walsrode, Stadt
30.767
375
375

Landkreis Lüchow-Dannenberg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Lüchow (Wendland), Stadt
9.547
420
420

Landkreis Lüneburg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Adendorf
10.957
400
400
Lüneburg, Hansestadt
75.891
310
490

Landkreis Rotenburg (Wümme)
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Bremervörde, Stadt
18.718
690
470
Rotenburg (Wümme), Stadt
22.439
390
390
Scheeßel
13.019
455
390
Visselhövede, Stadt
 9.751
585
416
Zeven, Stadt
13.964
500
390

Landkreis Stade
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Buxtehude, Stadt
40.585
310
415
Drochtersen
11.207
450
450
Harsefeld, Flecken
14.526
420
420
Jork
12.295
455
455
Stade, Hansestadt
47.787
490
490

Landkreis Uelzen
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Uelzen, Stadt
33.751
450
450

4. Mecklenburg-Vorpommern
Landkreis Altkreis Ludwigslust
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Boizenburg/Elbe, Stadt
10.818
310
400
Hagenow, Stadt
12.274
310
380
Ludwigslust, Stadt
12.182
310
400

Landkreis Nordwestmecklenburg
Ort Einwohnerzahl Grundsteuerhebesatz A in % Grundsteuerhebesatz B in %
Grevesmühlen, Stadt
10.563
334
427 (+27)
Wismar, Hansestadt
43.402
310
580
Veränderung der Hebesätze von 2021 auf 2022 in Klammern.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Dezember 2023
Steuer-Ticker - 22. Dezember 2023

BMF veröffentlicht neues AStG-Anwendungsschreiben

Die Überarbeitung des AStG-Anwendungsschreibens vom 14. Mai 2004 ist durch die zwischenzeitlichen Änderungen des Außensteuergesetzes erforderlich geworden und betrifft insbesondere die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 13 AStG), die auch den Schwerpunkt des Anwendungsschreibens bilden.
Das Anwendungsschreiben enthält zahlreiche Klarstellungen, wie sich die Finanzverwaltung zu bestimmten Themen positioniert sowie konkrete Fallbeispiele.
Steuer-Ticker - 19. Dezember 2023

Finanzämter wahren Weihnachtsfrieden

Während der Festtage wird dort – wo dies möglich ist – von belastenden Maßnahmen abgesehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter werden in dieser Zeit weitgehend auf Vollstreckungsmaßnahmen und die Einleitung von Betriebsprüfungen verzichten. Ausnahmen gelten, wenn schnelles Handeln der Steuerverwaltung angezeigt ist, um Steuerausfällen zuvorzukommen. Steuerbescheide werden demgegenüber durchgehend verschickt. Auf diese Weise können auch Steuererstattungen schnellstmöglich erfolgen. Fällige Steuern sind jedoch pünktlich zu entrichten.
Weitere Informationen hier.
Steuer-Ticker - 22. Dezember 2023

Steuersatz in der Gastronomie zum Jahreswechsel

Zum Auslaufen der ermäßigten Besteuerung von Restaurant- und Verpflegungsleistungen zum 31. Dezember 2023 hat das BMF ein Schreiben veröffentlicht, welches die Anwendung der unterschiedlichen Steuersätze in der Silvesternacht regelt. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird demnach zugelassen, dass auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken, die in der Nacht vom 31. Dezember 2023 zum 1. Januar 2024 ausgeführt werden, der bis zum 31. Dezember 2023 geltende ermäßigte Steuersatz von 7 % angewandt wird. Das BMF-Schreiben vom 21. Dezember 2023 ist direkt auf der Webseite des BMF abrufbar.
Anforderungen

Elektronische Aufzeichnungssysteme /-registrierkassen

Einführung

Ein elektronisches Aufzeichnungssystem ist die zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzte Hardware und Software, die elektronische Aufzeichnungen zur Dokumentation von Geschäftsvorfällen und somit Grundaufzeichnungen erstellt. Als elektronische Aufzeichnungssysteme gelten auch elektronische Vorsysteme mit externer Geldaufbewahrung. Welche dieser elektronischen Aufzeichnungssysteme zusätzlich die besonderen Anforderungen des § 146a AO erfüllen müssen (Pflicht zur Aufzeichnung anderer Vorgänge, Schutz durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung) bestimmt sich nach § 1 KassenSichV.
Die ordnungsgemäße Kassenführung ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Steuersystems, um anhand der Dokumentation Steuerhinterziehungen zu vermeiden bzw. aufzudecken. Sie dienen der Transparenz von Geschäftsabläufen und der Einhaltung der steuerlichen Vorgaben.
Hinweis: Das folgende Merkblatt soll Ihnen einen ersten Einstieg in das Thema geben. Ergänzend lesen Sie bitte auch das DIHK Info-Blatt: Steuerliche Anforderungen an Registrierkassen.

Anwendungsbereich

Es besteht keine allgemeine Registrierkassenpflicht für Unternehmen, allerdings gilt eine Pflicht zur Führung einer Registrierkasse grundsätzlich für alle gewerbetreibende Unternehmen, die buchführungspflichtig i.S.d. § 238 ff. HGB sind. Die Aufzeichnungspflicht ergibt sich aus § 22 UStG und §§ 140 f. AO. Zudem besteht gem. § 141 AO eine Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger, deren Buchführungspflicht sich nicht aus § 140 AO ergibt. Das Gesetz nennt in § 141 Abs. 1 Nr. 1 AO beispielsweise gewerbliche Unternehmer, die einen Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 S. 1 des UStG von mehr als 600 000 € im Kalenderjahr erwirtschaftet haben.
Die Aufzeichnungspflichten entfallen bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 22 Abs. 3 UStG.
Unternehmer, die ihren Gewinn durch eine sog. Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, sind nur zur Einzelaufzeichnung i.S.d. § 22 UStG verpflichtet (geordnete, vollständige und chronologische Ablage von Belegen). Sofern auf freiwilliger Basis ein Kassenbuch geführt wird, sind die gesetzlichen Anforderungen in vollem Umfang einzuhalten.

Grundlagen

Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, Einzelaufzeichnungspflicht

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erfordern grundsätzlich die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls unmittelbar nach seinem Abschluss und in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem oder eine offene Ladenkasse verwendet.
Da die Erfassung von tatsächlichen Geschäftsvorfällen vollständig erfolgen muss, sind Buchungsabbrüche nicht zulässig. Außerdem müssen alle Umsätze von Trainingsbedienern (Stichwort: Trainee-Taste) auf dem Tagesendsummen-Bon ausgewiesen werden. Gleiches gilt für die vollständige Nachvollziehbarkeit von Storno-Buchungen.
Für Buchungen gilt der Grundsatz der Unveränderbarkeit, d. h. zwischenzeitlich erfolgte Änderungen müssen protokolliert werden und der ursprüngliche Inhalt muss erkennbar bleiben. Dieses gilt u. U. auch für Änderungen in Vorsystemen (Warenwirtschaft etc.) und im Stammdatensystem.
Grundsätzlich ist es möglich, dass die Einzelaufzeichnungspflicht aus Gründen der Zumutbarkeit entfällt. Die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls ist nur dann nicht zumutbar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen, AEAO zu § 146 Nr. 2.2.1. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch den Steuerpflichtigen nachzuweisen.
Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung gilt laut AEAO zu § 146 Nr. 2.2.2 die Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO aus Zumutbarkeitsgründen nicht, wenn kein elektronisches Aufzeichnungssystem, sondern eine offene Ladenkasse verwendet wird (§ 146 Abs. 1 Satz 3 und 4 AO, vgl. AEAO zu § 146, Nr. 2.1.4). Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 Satz 3 AO ist die Zumutbarkeit nicht gesondert zu prüfen. Wird hingegen ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, gilt die Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig davon, ob das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen nach § 146a Abs. 3 AOi. V. m. der KassenSichV mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung zu schützen sind.

Exkurs: Offene Ladenkasse

Neben den elektronischen Registrierkassen gibt es zudem noch die Form der offenen Ladenkasse. Dabei werden die Geschäftsvorfälle manuell (Bareinnahmen/Barausgaben) in einer physischen Kasse erfasst. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sind dabei in den Kassenbüchern zu erfassen. Diese Form der Erfassung eignet sich für Unternehmen, deren Transaktionen überschaubar sind.
Die offene Ladenkasse wird ohne technische Unterstützung geführt und deshalb auch „Schubladenkasse“ genannt. Diese ist häufig bei Kleinstbetrieben oder Marktbeschickern anzutreffen. Da durch die Nichterfassung von Einnahmen ein besonderes Betrugsrisiko gegeben ist, sollten die Nutzer besonderes Augenmerk auf einen fortlaufend nummerierten, täglichen Kassenbericht legen, siehe AEAO zu § 146 Nr. 3.3. Dabei müssen die Tageseinnahmen durch Rückrechnung (retrograd) aus dem gezählten Kassenbestand richtig und nachvollziehbar ermittelt werden können (Kassensturzfähigkeit). Es empfiehlt sich überdies, die Unterzeichnung mit Datum und Uhrzeit (nach Geschäftsschluss) vorzunehmen. Das so ermittelte Tagesergebnis sollte in einem Kassenbuch vermerkt werden.
Beispiel eines Kassenberichts:
   Tagesendbestand (Endbestand zum Geschäftsschluss)
./. Anfangsbestand (Kassenbestand am Ende des Vortages)
= Zwischensumme
+ Kassenausgaben des Tages
+ Geldtransit auf das betriebliche Konto oder weitere Kassen
+ Privatentnahmen
./. Privateinlagen
./. sonstige Tageseinnahmen
= Summe der Kasseneinnahmen
Zu weiteren Details der Aufzeichnungspflichten bei Verwendung einer offenen Ladenkasse siehe AEAO zu § 146 Nr. 3 ff.

Meldepflicht

Seit dem 1. Januar 2020 müssten Steuerpflichtige ihr elektronisches Aufzeichnungssystem (Kassensysteme/Registrierkassen) nach § 146a Absatz 4 Abgabenordnung grundsätzlich auch an das für sie zuständige Finanzamt melden. Grundlage ist das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen („Kassengesetz“). Die Mitteilungspflicht gilt für elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. d. § 146a Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 1 Satz 1 KassenSichV.
Die Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme des elektronischen Aufzeichnungssystems zu erstatten. (Zu den Einzelheiten der Mitteilung siehe § 146a Abs. 4 AO sowie den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146a, Nr. 9).
Grundsätzlich soll diese Meldung mittels eines amtlich vorgeschriebenen (Papier-) Vordrucks erfolgen. Das für die Mitteilung vorgesehene elektronische Übermittlungsverfahren steht jedoch noch nicht zur Verfügung; eine entsprechende Meldung nach § 146a Absatz 4 AO ist für die betroffenen Steuerpflichtigen daher gegenwärtig noch nicht möglich. Der Zeitpunkt des Einsatzes des Übermittlungsverfahrens wird noch gesondert bekannt gegeben.

Die Zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (tSE)

Ende 2016 wurde das neue Kassengesetz beschlossen, das unter anderem die Umstellung von elektronischen Registrierkassen auf ein fälschungssicheres System vorsah. Sogenannte elektronische Aufzeichnungssysteme müssen durch zertifizierte Sicherheitseinrichtungen, bestehend aus einem Sicherheitsmodul, einem Sicherheitsmedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle geschützt werden, so dass eine Löschung von Umsätzen nicht mehr möglich ist. Die technischen Anforderungen definiert und zertifiziert das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI). Die Aufzeichnungen sind auf einem Speichermedium zu sichern und verfügbar zu halten (§ 146 Abs. 1 AO). Neue Registrierkassen werden in der Regel bereits mit integriertem tSE angeboten.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des BS I.
Zur steuerlichen Behandlung der Kosten der erstmaligen Implementierung einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung siehe Schreiben des BMF vom 21. August 2020.

Aufbewahrung digitaler Aufzeichnungen

Hinsichtlich elektronischer Registrierkassen hat das Bundesministerium der Finanzen die besonderen Anforderungen und Aufbewahrungsmodalitäten in einem BMF-Schreiben vom 26. November 2010 festgelegt.
Unterlagen i. S. des § 147 Abs. 1 AO sind während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren, sofern sie mithilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind. Dieses betrifft Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxameter und Wegstreckenzähler.
Die Aufbewahrungsdauer beträgt regelmäßig 10 Jahre, wobei eine Verlängerung insbesondere durch eine Betriebsprüfung eintreten kann. Grundsätzlich sind alle steuerlich relevanten Einzeldaten einschließlich der elektronisch erzeugten Rechnungen i. S. von § 14 UStG unveränderbar und vollständig aufzubewahren.
Hinweis: Weitere Informationen zu Aufbewahrungsfristen finden Sie auf unserem Merkblatt Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen.

Verfahrensdokumentation

Vorzuhalten ist auch eine Verfahrensdokumentation, die neben einer allgemeinen Beschreibung der eingesetzten Kasse (Bedienungs- und Programmieranleitungen) auch eine technische Systemdokumentation sowie eine Dokumentation über Betriebszeiten und Anwender (Nutzungsprotokolle, Datenänderungen etc.) enthält.

Belegausgabepflicht

Mit dem Kassengesetz wurde zum 1. Januar 2020 zudem die Belegausgabepflicht eingeführt. Jeder Unternehmer, der mit der elektronischen Kassenführung arbeitet, ist grundsätzlich dazu verpflichtet, seinen Kunden einen Beleg über den Geschäftsvorfall auszuhändigen. Dies soll der Transparenz dienen und Steuerbetrug vorbeugen.
Befreiung von der Belegausgabepflicht: Gemäß § 146a Abs. 2 AO kann bei einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen auf Antrag und mit Zustimmung der zuständigen Behörde nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht abgesehen werden. Die Möglichkeit der Befreiung besteht unter den gleichen Voraussetzungen auch bei Dienstleistungen. Eine Befreiung i. S. d. § 148 AO kann nur für den jeweiligen Einzelfall beantragt und gewährt werden. Eine Befreiung kommt nur dann in Betracht, wenn nachweislich eine sachliche oder persönliche Härte für den einzelnen Steuerpflichtigen besteht. Die mit der Belegausgabepflicht entstehenden Kosten stellen für sich allein keine sachliche Härte im Sinne des § 148 AO dar. Die Befreiung von der Belegausgabepflicht nach § 146a Abs. 2 AO entbindet den Unternehmer nicht von dem Anspruch des Kunden auf die Ausstellung einer Quittung nach § 368 BGB.
Weitere Informationen zur Belegausgabepflicht finden Sie in der Orientierungshilfe für die Anwendung des § 146a AO und der KassenSichV sowie im AEAO zu § 146a Abschn. 6

Die Kassennachschau

Die Finanzverwaltung ist gem. einer sog. Kassen-Nachschau (§ 146b AO) berechtigt, die Kassensysteme in den Geschäftsräumen des Betriebsinhabers ohne vorherige Ankündigung zu überprüfen. Dabei kann eine Einsichtnahme in kassenrelevante Aufzeichnungen, Bücher und sonstigen Organisationsunterlagen verlangt werden. Die Finanzverwaltung ist zudem befugt, diese Unterlagen und Belege zu scannen und zu fotografieren. Ein Prüfungsbericht ist nicht zu fertigen. Steuerpflichtige, deren gesetzliche Vertreter bzw. rechtlich befugte Mitarbeiter sind zur Mitwirkung verpflichtet. Bei möglichen Beanstandungen kann zu einer Außenprüfung gem. § 193 AO übergegangen werden.
Weitere Details und Informationen zur Kassennachschau finden Sie in AEAO zu § 146b.

Sanktionen

Die Einhaltung der Anforderungen an die ordnungsgemäße Führung der Registrierkassen ist notwendig, um Sanktionen wie Bußgelder bzw. Strafverfahren zu vermeiden. Die Finanzbehörden können sowohl im Rahmen einer Betriebsprüfung als auch unangekündigt die Aufzeichnungen aus den Registrierkassen einsehen und die ordnungsgemäße Dokumentation prüfen. Bei Betriebsprüfungen legen die Finanzbehörden einen besonderen Fokus auf Registrierkassen bzw. Kassensysteme und überprüfen sehr genau die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung, insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben wie z. B. Gaststätten und Einzelhandel. Erfahrungsgemäß sind Beanstandungen bei Kassenprüfungen nicht selten. Das führt in der Regel zu Hinzuschätzungen. Sie können eine Höhe von 10 % des Jahresumsatzes plus Sicherheitszuschlag erreichen. Im schlimmsten Fall kann es zur Einleitung eines Strafverfahrens kommen.
Bei Fragen und Problemen sollten Sie Ihren Steuerberater bzw. Kassenfachhändler ansprechen.

Ausblick

Der Anwendungserlass zu § 146a der Abgabenordnung (AO) wird ab dem 1. Januar 2024 neu gefasst. Einzelheiten finden Sie hier: Neufassung des Anwendungserlasses zu § 146a AO
Linkliste:
Hinweis: Dieses Infoblatt ist ein Service der IHK-Organisation für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der fachlichen und rechtlichen Grundlagen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es kann eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Obwohl das Infoblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Januar 2024
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Recht und Steuern

Steuerinfo August 2023

Diese Steuerinfo informiert Sie u.a. über das Wachstumschancengesetz, den Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen und zur globalen Mindestbesteuerung.

Wachstumschancengesetz

Mit rund 50 steuerpolitischen Maßnahmen soll das "Wachstumschancengesetz" die Betriebe entlasten.
In dem Gesetzentwurf wird eine Reihe von vielversprechenden Maßnahmen angekündigt, mit denen die steuerlichen Rahmenbedingungen des hiesigen Standorts verbessert werden sollen. Die Maßnahmen umfassen positive Anreize für mehr Investitionen und Innovationen und zielen insgesamt darauf ab, das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu stärken. Die Verbände sehen allerdings auch Nachjustierungsbedarf. Es handle zumindest um ein geeignetes Instrument, um Investitionen der Unternehmen in Energieeffizienz anzuregen.“
Die im Referentenentwurf vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere die Investitionsprämie, die Verbesserungen bei der Verlustverrechnung, bei der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung und bei der Thesaurierungsrücklage nach § 34a Einkommensteuergesetz (EStG), die Erhöhung der Grenzen für die Sofortabschreibung bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) sowie die Anhebung der Sonderabschreibung im Rahmen des § 7g EStG sind dem Grunde nach zu begrüßen.
Die für die Summe aller Maßnahmen geschätzte jährliche Entlastung für die gesamte deutsche Wirtschaft in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro ist aus Unternehmenssicht ein positives Signal, dem aber noch weitere folgen sollten, um bei den angesprochenen Herausforderungen eine Trendwende zu schaffen. Zu bedenken ist bei dieser Bewertung, dass sich derzeit weitere Gesetze im parlamentarischen Verfahren befinden, die die Unternehmen belasten dürften, wie beispielsweise das Gebäudeenergie- und das Energieeffizienzgesetz.
Leider beinhaltet der Gesetzentwurf auch Verschärfungen. Die Stellungnahme spricht sich insbesondere gegen die vorgesehenen Änderungen der Zinsschranke und des Umwandlungsgesetzes aus. Auch die Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen wird angesichts des bei den Unternehmen entstehenden zusätzlichen Compliance-Aufwands kritisch gesehen.
Die positiven Maßnahmen des vorliegenden Entwurfs eines Wachstumschancengesetzes ändern im Übrigen wenig daran, dass Deutschland im internationalen Vergleich noch immer mit die höchste Unternehmensteuerbelastung hat. Eine Reduzierung dieser Belastung hin zu einem im internationalen Vergleich konkurrenzfähigen Niveau gehört weiterhin auf die steuerpolitische Agenda. Das gilt auch für die hohe Belastung mit Energiekosten beziehungsweise konkret für die hohen Strompreise, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am hiesigen Standort erheblich einschränken.
Erfreulich ist, dass im Gesetzentwurf eine Reihe von Vereinfachungen bei der Steuererhebung vorgesehen sind. Die Reduzierung der Erklärungspflichten von Kleinunternehmern oder die Anhebung der Ist-Besteuerungsgrenze sind Schritte in die richtige Richtung. Auch die Anhebung der Grenzen für die Sofortabschreibung bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) und der Beträge bei Poolabschreibungen entlasten die Betriebe von Bürokratie. Diese Maßnahmen sollten allerdings noch konsequenter ausgestaltet werden, damit die angestrebten Investitionsanreize auch in der Breite der Wirtschaft wirken können.
Die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung (eRechnung) bei B2B-Geschäften, ergänzt um ein Meldesystem an die Finanzbehörden, kann zu einer effizienteren Rechnungsabwicklung führen. Zu dem im Frühjahr dieses Jahres vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Diskussionsentwurf gab es bereits eine eigene, ausführliche Stellungnahme von Mai 2023, in der die dringend erforderlichen Änderungen angeführt wurden. Artikel 27 des nun vorliegenden Gesetzentwurfs ist zu entnehmen, dass allerdings nur wenige dieser Hinweise aus der Praxis berücksichtigt wurden.
Die Stellungnahme der IHK-Organisation zum Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes führt aus, dass für die Unternehmen die Herstellung einer allgemeinen, verpflichtenden Empfangsbereitschaft von eRechnungen zum Jahresbeginn 2025 nicht darstellbar ist, insbesondere so lange die angekündigte staatliche eRechnungsplattform nicht arbeitsfähig ist. Für eine erfolgreiche Einführung sollte das technische Rahmenwerk für den Rechnungsaustausch und für das Meldesystem mindestens ein Jahr vor Beginn der verpflichtenden Anwendung der eRechnung durch die Verwaltung veröffentlicht werden. Unverständlich ist, warum bewährte Standards zum Austausch von elektronischen Rechnungen spätestens 2028 ohne nachvollziehbaren Grund abgeschafft werden sollen. Durch dieses Vorgehen entstehen bei allen Unternehmen – sei es durch die erstmalige Implementierung oder die Umstellung auf ein anderes System – hohe Aufwendungen, die pro Unternehmen zwei- bis dreistellige Millionenbeträge erreichen können. Um für die Unternehmen einen doppelten Aufwand zu vermeiden, sollte die Einführung der obligatorischen eRechnung zwingend zusammen mit dem geplanten Meldesystem diskutiert werden. Außerdem bedarf es dringend eines Projektmanagements für die technischen Komponenten des Gesetzes.
Der Referentenentwurf befindet sich nun in der weiteren Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Die bisherigen Planungen sehen einen Kabinettsbeschluss noch im August 2023 vor.

Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen

In seinem Urteil vom 10. Mai 2023, V R 16/21 – veröffentlicht am 27. Juli 2023 – versagt der Bundesfinanzhof (BFH) den Vorsteuerabzug für ein „Kochevent“ im Rahmen einer Weihnachtsfeier. Seiner Auffassung nach dienten die bezogenen Leistungen ausschließlich dem privaten Bedarf der Mitarbeiter. Die Absicht, durch gemeinsame Freizeitgestaltung das Betriebsklima zu verbessern, führe nicht zu einem vorrangigen Unternehmensinteresse, das die Entnahmebesteuerung ausschließt. Da die 110 Euro-Freigrenze für Aufmerksamkeiten überschritten sei, komme auch auf dieser Basis ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht.
Im Vorlagefall mietete der Kläger für eine betriebliche Weihnachtsfeier ein Kochstudio. Dort bereiteten die Teilnehmer unter Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Der Kläger beantragte den gesamten Vorsteuerabzug mit dem Hinweis, der volle Abzug bestehe auch dann, wenn die Kosten der Veranstaltung die Freigrenze von 110 Euro je Arbeitnehmer überstiegen. Das Finanzamt lehnt den Vorsteuerabzug mit Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 14. Oktober 2015 ab. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieb erfolglos. Das Kochevent stelle eine einheitliche Leistung dar; die Kosten des sogenannten „äußeren Rahmens“ seien daher bei der Berechnung der Freigrenze für Aufmerksamkeiten von 110 Euro zu berücksichtigen. Im Ergebnis schließt sich der BFH dieser Einordnung an.
Der BFH stellt in seiner Entscheidung nochmals heraus, dass Leistungen, die ein Unternehmer für sogenannte Betriebsveranstaltungen bezieht, nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn die bezogenen Leistungen nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit veranlasst sind. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Danfoss und AstraZeneca (EuGH-Urteil vom 11.12.2008, C-371/07) die unentgeltliche Abgabe einer Mahlzeit an das Personal als überwiegend betrieblich motiviert eingestuft. Allerdings sollte damit vermieden werden, eine Arbeitssitzung durch eine private Mahlzeit unterbrechen zu müssen. Das unternehmerische Motiv nach ungestörter Fortsetzung der Sitzung ohne allzu großen Zeitverlust stand im Vordergrund und drängte das private Bedürfnis der Arbeitnehmer deutlich in den Hintergrund.
Demgegenüber diente die Betriebsveranstaltung nach Ansicht des BFH lediglich dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern. Die Abgabe der Speisen und Getränke erfolge gerade nicht während der Arbeitszeit und damit im außerunternehmerischen Bereich. Zudem lasse die besondere Qualität der Speisen und Getränke die Zuwendung an die Arbeitnehmer nicht als bloßen Reflex eines überwiegenden betrieblichen Eigeninteresses und damit „nebensächlich“ erscheinen. In einem solchen Fall liege ein ausschließlicher Zusammenhang der für die Betriebsveranstaltung bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des Personals und damit zu einer Entnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Dem Unternehmer würde der Vorsteuerabzug erhalten bleiben, sofern es sich lediglich um eine "Aufmerksamkeit" im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt und entsprechend die Entnahmebesteuerung unterbleibt. Allerdings überschreiten die Aufwendungen pro Arbeitnehmer die Grenze von 110 Euro. Der BFH orientiert sich insoweit am Einkommensteuerrecht – aber weiterhin als Freigrenze. Die Umwandlung in einen Freibetrag scheitert nach Ansicht des BFH am Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG. Der dort verwendete Begriff "sofern" bedeutet nach seinem Wortsinn "vorausgesetzt" im Sinne einer Bedingung, die entweder erfüllt sein kann oder nicht. Auch der Sinn und Zweck der Entnahmeregelung, wonach lediglich geringfügige Zuwendungen von der Besteuerung ausgenommen werden sollten, spreche für eine Freigrenze.
Der BFH folgt dem FG in seiner Feststellung, dass es sich bei dem Kochevent um eine einheitliche Leistung handelt. Diese könne nicht in einzelne Kostenbestandteile aufgespalten werden. Einheitliche ("komplexe") Leistungen liegen unter anderem dann vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Das Kochevent stelle ein marktgängiges Gesamtpaket dar, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit und dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt werde. Die Raummiete aus diesem Gesamtpaket herauszulösen, würde zu einer künstlichen Aufspaltung führen.
Letztlich bekräftigt der BFH, dass es bei der Berechnung auf die Anzahl der teilnehmenden Arbeitnehmer ankomme.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Deutschland erhält Erlaubnis für verpflichtende elektronische Rechnungsstellung

Die Pläne der Ampel-Koalitionäre zur Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung nehmen Fahrt auf. Am 25. Juli 2023 hat der Rat der Europäischen Union Deutschland die beantragte Erlaubnis erteilt.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat bereits im November 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL gestellt, um von den gegenwärtigen Regelungen zur Rechnungsstellung abweichen zu dürfen. Für nationale Umsätze zwischen Unternehmen soll die elektronische Rechnung verpflichtend eingeführt werden.
Der Beschluss vom 25. Juli 2023 erlaubt Deutschland, im Inland ansässigen Steuerpflichtigen die Ausstellung von elektronischen Rechnungen für nationale Umsätze vorzuschreiben. Voraussetzung ist, dass auch der Empfänger ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger (= Unternehmer) ist. Der Zustimmung des Rechnungsempfängers bedarf es nicht mehr.
Die Ermächtigung gilt ab dem 1. Januar 2025 und ist befristet bis zum 31. Dezember 2027. Deutschland kann damit deutlich vor der mit dem sogenannten „ViDA“-Vorschlag („VAT in the Digital Age“) zum 1. Januar 2028 von der EU-Kommission geplanten elektronischen Rechnung eine nationale Verpflichtung einführen. Sollte die EU-weite elektronische Rechnung 2028 nicht an den Start gehen, kann Deutschland eine Verlängerung der Ermächtigung beantragen.
Das BMF hatte im April 2023 einen Diskussionsvorschlag zur Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung in Deutschland vorgelegt. In leicht modifizierter Form ist dieser in den Referentenentwurf eines sogenannten Wachstumschancengesetzes aufgenommen worden. Der Gesetzesentwurf soll planmäßig noch im August vom Bundeskabinett beschlossen werden. Allerdings ist er dem Vernehmen nach bislang noch nicht final innerhalb der Koalition abgestimmt. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Änderungen für eine verpflichtende elektronische Rechnung noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Das Gesetzgebungsverfahren sollte aufmerksam verfolgt werden.
Auf Basis der geltenden Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ist die Einführung einer verpflichtenden eRechnung nicht möglich. Art. 218 MwStSystRL definiert eine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinn als „alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen“. Die aufgeführte Papierrechnung steht der eRechnungspflicht mithin entgegen. Zudem knüpft Art. 232 MwstSystRL die Verwendung der elektronischen Rechnung bislang noch an die Zustimmung des Rechnungsempfängers. Beide Artikel sollen zwar im Rahmen des Rechtssetzungsvorschlags „VAT in the digital age“ (ViDA) der EU-Kommission geändert werden, der harmonisierte Regelungen für die elektronische Rechnung innerhalb der EU enthält. Derzeit ist der zeitliche Abschluss des Verfahrens auf EU-Ebene jedoch offen.

Stellungnahme der IHK-Organisation zum BMF-Schreiben zu § 4k Einkommensteuergesetz

Die IHK-Organisation hat gemeinsam mit den Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft am 10. August 2023 eine Eingabe zum Entwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) eines Anwendungsschreibens zu § 4k Einkommensteuergesetz (EStG) abgegeben und darin Nachbesserungen hinsichtlich einer besseren Handhabung für Unternehmen gefordert. Die Behandlung von sogenannten „Hybrids“ stellt ein besonderes Problem bei grenzüberschreitenden Sachverhalten dar und kann erheblichen Einfluss auf ausländische Investitionsvorhaben in Deutschland, zum Beispiel aus den USA beziehungsweise in umgekehrter Richtung haben.
Die Vorschrift des § 4k EStG ist eine Spezialvorschrift im Internationalen Steuerrecht, welches den „Betriebsausgabenabzug bei Besteuerungsinkongruenzen“ betrifft. Diese regelt die Behandlung von sogenannten „Hybrids“: Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann es dazu kommen, dass der ausländische Staat eine andere steuerrechtliche Qualifizierung als Deutschland vornimmt, zum Beispiel, dass Zahlungen zwischen Mutter- und Tochterunternehmen nicht als Zinszahlungen, sondern als Gewinnausschüttungen angesehen werden. Das hat zur Folge, dass die Zinszahlungen bei der deutschen Tochtergesellschaft Betriebsausgaben darstellen und die deutsche Steuer mindern. Qualifiziert das Ausland hingegen die Zahlungen als Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft, so sind diese dort regelmäßig steuerfrei. In diesem Fall liegt eine sogenannte „Besteuerungsinkongruenz“ vor, da den abzugsfähigen Betriebsausgaben in einem Land, hier Deutschland, nicht entsprechende steuerbare Einnahmen im anderen Land gegenüberstehen. Daher behält sich Deutschland vor, in entsprechenden Fällen den Betriebsausgabenabzug zu versagen und regelt dies in § 4k EStG. Besteuerungsinkongruenzen können jedoch auch in den Fällen vorliegen, in denen ein Unternehmen von einem Staat als eigenständiges Steuerrechtssubjekt qualifiziert wird, der andere Staat dieses jedoch als „transparentes“ Gebilde ansieht und die dahinterstehenden Personen (die gegebenenfalls in einem ganz anderen Staat ansässig sind) steuerlich erfasst.
Die Regelungen des § 4k EStG basieren ihrerseits auf den beiden sogenannten Anti-Steuervermeidungs-Richtlinien der Europäischen Union (kurz: ATAD I und ATAD II vom 12. Juli 2016 beziehungsweise 29. Mai 2017), die in den Artikeln 9 bis 9b Regelungen zur Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen aufgrund hybrider Gestaltungen vorsehen. Der mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz vom 30. Juni 2021 in das deutsche Steuerrecht eingefügte § 4k EStG ist erstmals für Aufwendungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 entstanden sind.
Die Bestimmungen des § 4k EStG sind äußerst komplex, auch für Steuerfachleute schwer verständlich und haben seit ihrer Einführung in der unternehmerischen Praxis zahlreiche Fragen und Unsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung aufgeworfen.
Das BMF hat nunmehr die zahlreichen, unter anderem von der IHK-Organisation vorgebrachten Hinweise aufgegriffen und am 13. Juli 2023 einen ersten Entwurf eines Anwendungsschreibens zu § 4k EStG zur Diskussion gestellt. Der Entwurf sieht nunmehr zahlreiche Definitionen, Beispiele und Erläuterungen zu relevanten Gesetzesbegriffen vor, die Hilfestellung bei der Anwendung der Norm geben können. So können zum Beispiel die im Entwurf enthaltenen 18 Fallbeispiele nebst Lösungen maßgeblich zur Verdeutlichung der Wirkungsweise des § 4k EStG und zum tieferen Verständnis der äußerst komplexen Vorschrift beitragen.
Da es sich bei § 4k EStG um eine Übernahme des übergeordneten Europäischen Richtlinienrechts handelt, ist es für unsere Unternehmen wichtig, dass das BMF-Schreiben deutlich auf die Umsetzung der Artikel 9 und 9b der ATAD-Richtlinien Bezug nimmt, wodurch eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 4k EStG durch die Finanzverwaltung sichergestellt werden soll.
Dennoch verbleiben noch offene Fragen zu bestimmten auslegungsbedürftigen Fallkonstellationen, wie zum Beispiel zur Nichtbesteuerung/tatsächlichen Besteuerung bei ausländischen Regimes (unter anderem GILTI) oder zum „abgestimmten Verhalten“ gemäß § 4k Abs. 6 Satz 2 EStG, zu denen im kommenden BMF-Schreiben weitergehende Erläuterungen sinnvoll wären. Zudem weisen wir darauf hin, dass die nunmehr präzisierten erweiterten Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen nicht zu einer faktischen Beweislastumkehr führen dürfen und besser ausbalanciert werden sollten. Dieses gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nachgeordnete Tochter-/Enkelgesellschaften regelmäßig keinen Einblick in die Besteuerungsunterlagen der Obergesellschaft/Konzernspitze haben.

Globale Mindestbesteuerung auf der Zielgeraden

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hatte am 10. Juli 2023 den Referentenentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindeststeuer veröffentlicht. Dieser hat gegenüber dem zuvor veröffentlichten „Diskussionsentwurf“ weitergehende Präzisierungen und flankierende Maßnahmen wie eine Absenkung der Niedrigsteuergrenze und die Abschaffung der Lizenzschranke aufgenommen. Die IHK-Organisation hat gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft hierzu erneut Stellung genommen und dabei für die Unternehmen wichtige Nachbesserungen gefordert.
Mit dem neuen Mindeststeuergesetz (MinStG) soll eine globale Mindeststeuer für große Konzerne geschaffen werden, welche ab dem 1. Januar 2024 eine Besteuerung von zunächst niedrig besteuerten Gewinnen von 15 Prozent vorsieht. Grundlage hierfür ist die sogenannte Mindestbesteuerungsrichtlinie der EU vom 15. Dezember 2022, welche inhaltlich auf den aktuellen Arbeiten der OECD/Inclusive Framework (IF) aufbaut.
Der Mindeststeuer unterliegen inländische Geschäftseinheiten von großen Unternehmensgruppen mit einem Gruppenumsatz oberhalb von 750 Millionen Euro. Erfasst werden sowohl international als auch nur national tätige Unternehmensgruppen. Die Mindestbesteuerung erfolgt durch drei Instrumente: einer (vorrangigen) „Primärergänzungssteuer“, einer „Sekundärergänzungssteuer“ und einer „nationalen Ergänzungssteuer“. Die Berechnung der Mindeststeuer erfolgt auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung (zum Beispiel IFRS) sowie bestimmter steuerlicher Anpassungen. Um den Bürokratieaufwand der betroffenen Unternehmen zu reduzieren und das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen, sind umfangreiche „Safe-Harbour-Regelungen“ vorgesehen, das heißt reduzierte Anforderungen, bei deren Erfüllung der Steuerpflichtige von der Vollanwendung der Regeln befreit ist. Bei einer nicht ordnungsmäßigen Übermittlung des Mindeststeuer-Berichts können Geldbußen von bis zu 30.000 Euro verhängt werden. Der Referentenentwurf sieht – über die Mindeststeuer hinaus – noch weitere Maßnahmen vor, wie zum Beispiel die Absenkung der Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) in § 8 Abs. 5 Außensteuergesetz (AStG) von 25 Prozent auf 15 Prozent oder die Abschaffung der Lizenzschranke in § 4j Einkommensteuergesetz (EStG).
In unserer Stellungnahme vom 21. Juli 2023 haben wir darauf hingewiesen, dass die neue Mindeststeuer erhebliche technische und bürokratische Belastungen bei den betroffenen Unternehmen auslöst und die hierzu erforderlichen Umstellungsarbeiten in den Unternehmen nur schwer bis Jahresende abgeschlossen werden können.
Zwar wurden wichtige Verbesserungen gegenüber dem „Diskussionsentwurf“ vorgenommen und verschiedene Praxisfragen durch die Einarbeitung von Leitlinien des Inclusive Framework on BEPS (IF) gelöst. Dennoch sind noch Fragen zu Detailbestimmungen offen geblieben, welche im Verlauf des nun beginnenden Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden müssen.
Wichtig für die Unternehmen ist es, das vorhandene Vereinfachungspotenzial zu nutzen: So sollten zum Beispiel die für die Konzernrechnungslegung erstellten sogenannten Reporting Packages möglichst ohne aufwändige Korrekturen für Mindeststeuerzwecke nutzbar sein. Auch bedarf es praxistauglicher Lösungen für den Umgang mit latenten Steuern, um den hiermit verbundenen enormen Ermittlungsaufwand zu reduzieren. Wichtig wäre auch, dass der temporäre (CbCR)-Safe-Harbour als Vereinfachungslösung dauerhaft bestehen bleibt sowie nachgebessert und ergänzt wird. Letzteres könnte insbesondere durch eine White List erfolgen, die alle Hochsteuerländer erfasst, die unstreitig über dem Mindeststeuerniveau liegen.
Frühzeitige Rechtssicherheit ist für die Unternehmen angesichts der Komplexität der Regelungen dringend erforderlich. Das bedeutet, dass Auslegungsfragen direkt im Gesetzestext geregelt werden sollten. Wichtig ist auch eine einheitliche Anwendung der internationalen Musterregelungen durch alle beteiligten Länder inklusive abgestimmter Verjährungsfristen. Zudem müssen effektive Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsverfahren vorhanden sein, auf die sich Unternehmen berufen können, um Konflikte mit anderen Staaten beziehungsweise deren Finanzverwaltungen schnell und effizient zu lösen.
In jedem Fall bleibt die Umsetzung der Mindeststeuer eine enorme Herausforderung für Unternehmen und Finanzverwaltung. Insofern ist es erforderlich, schon bestehende Regelungen des nationalen Steuerrechts im Zuge der Einführung der Mindeststeuer zu evaluieren und abzubauen. So sollten die in Deutschland bereits bestehenden Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuergesetz für die von der Mindeststeuer betroffenen Unternehmen wegfallen. Ebenso sind die vorgesehene Abschaffung der Lizenzschranke und vor allem die vorgesehene Absenkung der Niedrigsteuergrenze auf 15 Prozent sowie die Herausnahme der Hinzurechnungsbeträge aus der Gewerbesteuer wichtige Beiträge. Die derzeitige Niedrigsteuergrenze führt zu erheblichem Befolgungsaufwand, liegt oberhalb der Körperschaftsteuersätze vieler Industriestaaten und geht weit über das von der EU-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) geforderte Maß hinaus.

Neue Geldmittel zur Finanzierung der Europäischen Union

Am 27. März 2023 hatten sich sechs Abgeordnete der Grünen-Fraktion (Vertes/AGE) mit einer Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission gewandt und sich nach deren Einstellung zu einer „wirksamen Mindestkapitalertragsteuer in der Union“ erkundigt. Darüber hinaus wollten sie wissen, ob sich eine solche Steuer nicht als neues EU-Eigenmittel eignet.
Nach dreieinhalb Monaten erhielten die Abgeordneten nun die Antwort der Kommissionspräsidentin von der Leyen, stellvertretend für die gesamte Kommission. Die Ablehnung der von den Abgeordneten geäußerten Idee erfolgte im Wesentlichen mit folgender Begründung:
„(…) Nach heutigem EU-Recht fällt die Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Wesentlichen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die ihre eigenen Steuersysteme gestalten und entscheiden können, wer, was, wann und zu welchem Satz besteuert wird, vorausgesetzt, Steuerpflichtige aus anderen Mitgliedstaaten werden nicht diskriminiert. In einigen Mitgliedstaaten unterliegen Veräußerungsgewinne der Einkommens- oder Körperschaftssteuer, in anderen werden sie getrennt besteuert. Die Besteuerung der Veräußerungsgewinne ist nur ein Bestandteil der viel umfassenderen Kategorie der Kapitalertragssteuer. Erzielte Veräußerungsgewinne machen nur einen Bruchteil der gesamten Steuerbemessungsgrundlage aus, weshalb die Auswirkungen der Besteuerung nur dieser Gewinne auf das Funktionieren des Binnenmarkts offenbar begrenzt sind. (…)“

Vermögenssteuern in der EU

Am 12. Juli hat die EU-Kommission beschlossen, eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) mit dem Titel "Einführung einer Vermögenssteuer" zu registrieren. Damit ist weder entschieden, dass die Initiative erfolgreich durchgeführt wird, noch wie die EU-Kommission auf eine möglicherweise erfolgreiche Initiative reagieren wird.
Die Organisatoren der Initiative fordern die EU-Kommission auf, eine europäische Vermögenssteuer zugunsten des ökologischen und sozialen Wandels einzuführen. Ziel der Initiative ist laut Initiatoren, zur Bekämpfung des Klimawandels und der Ungleichheit in der gesamten EU beizutragen und sicherzustellen, dass die europäischen Bürger ihren gerechten Anteil zur Verwirklichung dieser Ziele leisten. Das Beispiel zeigt, dass die Zivilgesellschaft mit dem Instrument der Bürgerinitiative grundsätzlich Entwicklungen anstoßen kann, die Auswirkungen auf die steuerliche Situation von Wirtschaftsbeteiligten in der EU haben.
Der Beschluss zur Registrierung bedeutet zunächst, dass die Initiative die formalen Anforderungen für ihre Durchführung erfüllt und damit rechtliche zulässig ist. Die Organisatoren haben nun sechs Monate Zeit, mit der Sammlung von Unterschriften zu beginnen. Wenn sie danach innerhalb von zwölf Monaten mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten einsammeln, muss die EU-Kommission reagieren. Entweder sie kommt der Aufforderung nach oder sie muss begründen, warum sie es nicht tut.
Mit der Registrierung durch die EU-Kommission als zulässig ist keine inhaltliche Prüfung des Vorschlags verbunden. Selbst wenn die Mindestzahl an Unterstützern am Ende tatsächlich zusammenkommen sollte, heißt das nicht, dass die Kommission eine gesetzgeberische Initiative ergreifen wird. Schließlich besitzt sie nach den EU-Verträgen im Bereich der Besteuerung von natürlichen Personen und von Unternehmen lediglich das Recht, Regeln vorzuschlagen, die für das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich sind.
Die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Europäische Bürgerinitiative (So funktioniert's) ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern Europas, ein bestimmtes Thema auf die politische Tagesordnung der EU-Kommission setzen zu lassen. Zulässig ist eine Initiative, wenn die geplanten Maßnahmen weder offenkundig außerhalb der Kompetenzgrenzen der Kommission liegen noch offenkundig missbräuchlich, unseriös oder schikanös sind und auch nicht offenkundig gegen die Werte der Union verstoßen.
Bislang wurden 127 Europäische Bürgerinitiativen gestartet. 102 davon erfüllten alle Voraussetzungen für ihre Registrierung. Anfang Juli 2023 hat die Kommission ihre Reaktion auf die achte bislang erfolgreiche Bürgerinitiative übermittelt.

Mögliche Vertragsverletzung bei Berichterstattung zu Ertragsteuern

Der Nachweis über die Umsetzung der Pflicht zur öffentlichen länderspezifischen Berichterstattung (Public Country-by-Country-Reporting) auch über Ertragsteuerfragen wurde von zahlreichen Mitgliedstaaten nicht fristgerecht erbracht.
Gemäß der Richtlinie (EU) 2021/2101 müssen alle im EU-Binnenmarkt tätigen und in der Europäischen Union dauerhaft präsenten multinationalen Unternehmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro einen Bericht unter anderem darüber veröffentlichen, wieviel Körperschaftsteuer sie in jedem einzelnen Mitgliedstaat sowie in nicht kooperativen Ländern und Gebieten (sogenannten „Steueroasen“) zahlen. Daneben enthalten diese Berichte auch Informationen über die Zahl der Beschäftigten oder den Umsatz pro Land, weshalb man bei diesem Transparenzvorgang auch von der länderspezifischen öffentlichen Berichtspflicht oder dem Public Country-by-Country-Reporting spricht.
Bis zum Ablauf der Frist am 22. Juni 2023 hatten folgende 17 Mitgliedstaaten keinen Nachweis darüber erbracht, welche nationalen Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie sie ergriffen haben: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, die Tschechische Republik und Zypern. Daher richtete die Kommission am 20. Juli 2023 Aufforderungsschreiben an die genannten Staaten. Diese sind der erste Schritt in einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren („Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtmitteilung“). Die betroffenen Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Aufforderungsschreiben zu antworten und die Umsetzung der Richtlinien abzuschließen. Anderenfalls kann die Kommission beschließen, mit Gründen versehene Stellungnahmen zu übermitteln.
Recht und Steuern

Steuerinfo Juli 2023

Die aktuelle Steuerinfo von Juli 2023 informiert Sie u.a. über eine EuGH-Entscheidung zur Umsatzsteuer bei Aufladen von Elektrofahrzeugen, die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen, dem Referentenentwurf für ein Wachstumschancengesetz, und möglicher Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes.

EuGH-Urteil zur Umsatzsteuer beim Aufladen von Elektrofahrzeugen

Der EuGH (Urteil vom 20. April 2023, C-282/22) kommt zu dem Ergebnis, dass die Verschaffung von Strom auch dann als einheitliche Lieferung einzuordnen ist, wenn der Strom über eine Ladesäule abgegeben wird und der Empfänger weitere Leistungskomponenten erhält, die für sich betrachtet als sonstige Leistungen einzuordnen wären. Er stützt dies darauf, dass im Vorlagefall im Ergebnis für den Nutzer die Lieferung von Strom im Vordergrund steht. Die technischen Unterstützungskomponenten hätten zudem keinen eigenen Zweck, sondern dienen aus Sicht des EuGH nur dazu, die Abgabe von Ladestrom zu erleichtern und bereitzustellen.
Im Ausgangsverfahren ging es um eine Kombination von Umsätzen, die in der Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen und der Erbringung verschiedener Dienstleistungen bestehen. Die Klägerin stellte öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zur Verfügung, die sowohl mit Schnellladeanschlüssen als auch Langsamladeanschlüssen ausgestattet sind. Neben der Verschaffung des Stroms erbrachte die Klägerin bei jedem Ladevorgang weitere Dienstleistungen. Diese umfassten je nach Bedarf des betreffenden Nutzers grundsätzlich die Bereitstellung von Ladevorrichtungen einschließlich der Verbindung des Ladegeräts mit dem Betriebssystem des Fahrzeugs, Übertragung von Elektrizität mit entsprechend angepassten Parametern an die Batterie des Elektrofahrzeugs, notwendige technische Unterstützung sowie Bereitstellung von IT-Anwendungen (spezielle Plattform, Website oder App), die die Reservierung eines Anschlusses, die Verfolgung des Umsatzverlaufs und die Bezahlung der Umsätze ermöglichen. Für diese Leistungen rechnete die Klägerin einen einheitlichen Preis ab, der sich in Anhängigkeit von der Ladezeit bestimmte.
Das vorlegende polnische Gericht hatte die Lieferung und die Dienstleistungen aus umsatzsteuerlicher Sicht als einen einheitlichen Umsatz eingestuft. Dieser Einordnung ist der EuGH gefolgt.
Der EuGH stellt in seiner Entscheidung nochmals heraus, dass bei der Prüfung, ob eine komplexe einheitliche Leistung als „Lieferung von Gegenständen“ oder als „Dienstleistung“ einzustufen ist, auf deren charakteristische und dominierende Bestandteile abzustellen sei. Dazu sei die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu beurteilen. Dabei sei auf die Sicht des durchschnittlichen Nutzers von Ladestationen abzustellen. Zudem dürften nur diejenigen Dienstleistungen berücksichtigt werden, die nicht bereits notwendig mit der Vermarktung des betreffenden Gegenstands verbunden seien.
Die Bereitstellung der Ladevorrichtung inklusive der Verbindung mit dem Betriebssystem des Elektrofahrzeugs ist aus Sicht des EuGH ohnehin eine für die Abgabe des Stroms zwingend notwendige Komponente und daher bei der Charakterisierung als Lieferung oder Dienstleistung nicht zu berücksichtigen. Die technische Unterstützung und die IT-Komponenten wiederum haben nach seiner Auffassung keinen eigenen Zweck, sondern dienen lediglich zur Abwicklung, Erleichterung und Verbesserung des gesamten Ladevorgangs. Insgesamt beurteilt der EuGH die Übertragung von Elektrizität als den charakteristischen und dominierenden Bestandteil der einheitlichen und komplexen Leistung; die erbrachten Dienstleistungen teilen als Nebenleistungen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung.
Das Urteil des EuGH entspricht der bisherigen deutschen Handhabung und bringt erfreuliche Klarheit. E-Charging wurde innerhalb der EU nicht von allen Mitgliedstaaten als Lieferung betrachtet: Zwar war der Mehrwertsteuerausschuss der Europäischen Kommission bislang der Auffassung, dass die Tätigkeit eines Ladestationsbetreibers als Lieferung von Gegenständen im Sinne der Artikel 14 und 15 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie (MwSt-RL) einzustufen sei. Der Mehrwertsteuerausschuss kann jedoch keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen.
Nicht abschließend geklärt ist aber, ob in der klassischen Konstellation, in der zwischen Ladesäulenbetreiber und Nutzer ein sogenannter E-Mobilitätsbetreiber (E-Mobility Provider – EMP) eingeschaltet ist von einer Lieferkette auszugehen ist oder der EMP nur eine Dienstleistung erbringt.

Grundlage für deutsche Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung

Die Pläne der Ampel-Koalitionäre zur Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung stehen und fallen mit einer europäischen Grundlage. Diese Umsetzung der Pläne rückt nun in greifbare Nähe, denn die EU-Kommission hat den Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss für eine entsprechende Sondermaßnahme veröffentlicht. Der erforderliche Beschluss des EU-Rates steht noch aus.
Mitte April hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Diskussionsvorschlag zur obligatorischen Verwendung von elektronischen Rechnungen (sogenannten „eRechnungen“) für inländische B2B-Umsätze den Wirtschaftsverbänden übersandt.
Auf Basis der geltenden Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ist die Einführung einer verpflichtenden eRechnung nicht möglich. Art. 218 MwStSystRL definiert eine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinn als „alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen“. Die aufgeführte Papierrechnung steht der eRechnungspflicht mithin entgegen. Zudem knüpft Art. 232 MwstSystRL die Verwendung der elektronischen Rechnung bislang noch an die Zustimmung des Rechnungsempfängers. Beide Artikel sollen im Rahmen des Rechtssetzungsvorschlags „VAT in the Digital Age“ (ViDA) der EU-Kommission geändert werden, der harmonisierte Regelungen für die elektronische Rechnung innerhalb der EU enthält. Derzeit ist der zeitliche Abschluss Verfahrens auf EU-Ebene aber noch offen. Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland bereits im November 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL gestellt, um vom geltenden Recht abweichen zu dürfen.
Der EU-Beschlussvorschlag vom 23. Juni 2023 enthält zum einen die Ermächtigung vorzuschreiben, dass Rechnungen, die von im deutschen Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellt werden, nur dann akzeptiert werden, wenn die jeweiligen Dokumente oder Mitteilungen elektronisch übermittelt werden. Zum anderen darf Deutschland bestimmen, dass die Verwendung entsprechender elektronischer Rechnungen nicht von der Zustimmung eines im deutschen Hoheitsgebiet ansässigen Rechnungsempfängers abhängig ist.
Die Ermächtigung soll ab dem 1. Januar 2025 gelten und ist befristet bis zum 31. Dezember 2027, es sei denn der Rechtssetzungsvorschlag „VAT in the digital age“ (ViDA) tritt zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft. Es liegt nun beim Rat der Europäischen Union, über den Vorschlag zu entscheiden. Da sich der Antrag Deutschlands stark an den Überlegungen auf EU-Ebene zur elektronischen Rechnungsstellung orientiert, darf mit dessen Zustimmung gerechnet werden.

Diskussionsentwurf zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

Auf Einladung von Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, hat die DIHK am 27. Juni 2023 an einem Gespräch zu einer möglichen Änderung des Grunderwerbsteuerrechts teilgenommen.
Ziel des kurzfristigen Austauschs mit Katja Hessel war die Abgabe einer ersten Einschätzung zu den an die IHK-Organisation übermittelten Eckpunkten einer Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Hintergrund sind die Arbeiten des Arbeitskreises zur Modernisierung des Grunderwerbsteuerrechts am Institut für Steuerrecht der Universität Leipzig.
In der Grundkonzeption sieht das Reformmodell vor, bei den grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbeständen die starren Prozentgrenzen durch unbestimmte, rechtsformneutrale Rechtsbegriffe (Erwerbergruppe/dienendes Interesse) zu ersetzen.  
Die IHK-Organisation hat in der Besprechung keine abschließende Bewertung des Reformmodells abgegeben, weil wegen der kurzen Einladungsfrist eine umfassende Befragung der Unternehmen nicht möglich war. Außerdem lag noch kein ausformulierter Entwurf eines Gesetzestextes vor. Die IHK-Organisation hat in der Online-Besprechung darauf hingewiesen, dass das aktuelle GrEStG mit den Ergänzungstatbeständen schwer zu vollziehen sein dürfte und der Entwurf für die Unternehmen erhebliche Rechtsunsicherheiten enthalte.
Außerdem hat die IHK-Organisation betont, dass vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) zum 1. Januar 2024 und dem vorgesehenen Wegfall der (zivilrechtlichen) Gesamthand eine Änderung der §§ 5 bis 7 GrEStG angezeigt sei. Parlamentarische Staatssekretärin Katja Hessel hat hierzu eine Lösung bis Jahresende in Aussicht gestellt – unabhängig vom Fortkommen des Reformmodells. 
Die Abstimmung mit den Bundesländern zur Modernisierung der Grunderwerbsteuer sei, so Hessel, bereits im Gange. Es gibt jedoch noch keinen konkreten Zeitplan für das Reformvorhaben. 

Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen

Das Bundesfinanzministerium hat am 17. Juli 2023 ein weiteres BMF-Schreiben (IV C 6 - S 2121/23/10001 :001) zur Steuerbefreiung von Photovoltaikanlagen gem. § 3 Nr. 72 S. 1 EStG veröffentlicht. Darin werden unter anderem der persönliche und sachliche Anwendungsbereich für die Steuerbefreiung, sowie der Umfang der Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen festgelegt. Zudem wird definiert, welche Photovoltaikanlagen begünstigt werden, und welche nicht. Das BMF-Schreiben bestimmt den zeitlichen Anwendungsbereich und die zeitliche Zuordnung.
Alle Einzelheiten können Sie dem BMF-Schreiben vom 17. Juli 2023 entnehmen.

Referentenentwurf für ein Wachstumschancengesetz

Das Bundesfinanzministerium hat den Referentenentwurf für das sog. Wachstumschancengesetz („Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen, Innovationen, Steuervereinfachung und Steuerfairness“) veröffentlicht.
Dieses Gesetz soll in Zeiten multipler Krisen aus steuerlicher Sicht die Rahmenbedingungen für Wachstum, Investitionen und Innovationen der deutschen Wirtschaft fördern. Folgende Maßnahmen sieht der Referentenentwurf vor:
  1. Einführung einer Investitionsprämie für Investitionen, die zur Minderung des Energieverbrauchs beitragen. Bemessungsgrundlage: Maximal 200 Millionen Euro. Maximal Investitionsprämie: 30 Millionen Euro.
  2. Ausweitung der förderfähigen Kosten einer Auftragsforschung von 60 Prozent auf 70 Prozent im Rahmen der steuerlichen Forschungsförderung. Entfristung der auf 4 Millionen Euro angehobenen Bemessungsgrundlage und gleichzeitige Erhöhung von 4 auf 12 Millionen Euro.
  3. Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags von 2 auf 3 Jahr ab 2024. Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung von 2024 bis 2027.
  4. Anhebung der GWG-Grenze von 800 auf 1.000 Euro. Erhöhung der Anschaffungs-, bzw. Herstellungskosten bei Poolabschreibungen von 1.000 auf 5.000 Euro, bei einer Verkürzung des Abschreibungszeitraums von 5 auf 3 Jahre. Anhebung der Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 EStG von 20 auf 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
  5. Reform der Thesaurierungsbegünstigung (Entfall der (fiktiven) Entnahme durch Zahlung der betrieblichen Gewerbesteuer als auch der betrieblich induzierten Einkommensteuer).
  6. Anhebung der Schwellenwerte in § 141 AO auf 80.000 bzw. 800.000 Euro.
  7. Erhöhung des Schwellenwertes zur Befreiung von der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von 1.000 Euro auf 2.000 Euro.
  8. Ausweitung der Pflicht zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen auf innerstaatliche Steuergestaltungen.
  9. Einführung einer eRechnungspflicht für alle Unternehmen bis 1.1.2026.
  10. Zinsschranke: Streichung des Eigenkapital-Escape (EK-Escape) für konzernzugehörige Betriebe. Umwandlung der in § 4h Abs. 2 S. 1lit. a) EStG genannten Freigrenze von 3 Mio. Euro in einen Freibetrag.
Weitere Einzelheiten unter: www.bundesfinanzministerium.de

Steuerliche Folgen der Löschung einer britischen Limited aus dem britischen Handelsregister nach dem 31. Dezember 2020

Das Bundesfinanzministerium hat ein neues BMF Schreiben am 19. Juli 2023 (IV C 2 - S 2701/19/10001 :004) veröffentlicht.
Eine britische Limited kann sich nach dem Brexit nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 und 54 AEUV berufen. Zivilrechtlich wird sie in Deutschland wie eine Drittstaatengesellschaft behandelt. Die sog. „Sitztheorie“ findet Anwendung, wonach dasjenige Recht des Staates anwendbar ist, in dem die betroffene Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat. Sofern dieser also in Deutschland ist, wird deutsches Gesellschaftsrecht angewendet. Eine britische Limited wird wie eine GbR, OHG oder im Falle eines Alleingesellschafters, als natürliche oder juristische Person mit persönlicher Haftung behandelt. Ertragssteuerlich ist eine Limited mit statuarischem Sitz im Vereinigten Königreich und Ort der Geschäftsleitung im Inland, die nicht im Companies House gelöscht ist, nach dem Rechtstypenvergleich weiterhin als Kapitalgesellschaft zu beurteilen.
Sofern die britische Limited im Companies House gelöscht wurde, hat dies keinen Einfluss auf die in Deutschland existierende GbR, OHG oder dem Einzelunternehmen. Die Löschung im Companies House führt daher bei der Limited zu einer Schlussbesteuerung unter Aufdeckung der stillen Reserven und zu einer Auskehrung des nach der Aufdeckung der stillen Reserven vorhandenen Eigenkapitals der Limited.
Das Schreiben ist auf alle Sachverhalte anzuwenden, in denen die Löschung der Limited im Companies House nach dem 31. Dezember 2020 erfolgt. Die BMF-Schreiben vom 6. Januar 2014, BStBl I S. 111, und vom 19. Oktober 2017, BStBl I S. 1437, sind weiterhin in Fällen anzuwenden, in denen die Limited vor dem 1. Januar 2021 im Companies House gelöscht wurde.
Weitere Einzelheiten unter: www.bundesfinanzministerium.de

Digitaler Gewerbesteuerbescheid – IHK-Arbeit zahlt sich aus

Ein Vorhaben im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist die elektronische Abrufbarkeit des Gewerbesteuerbescheides, der digitale Gewerbesteuerbescheid. Hintergrund ist, dass jede hebeberechtigte Gemeinde in Deutschland bisher die Gewerbesteuerbescheide an die Betriebe Ihres Gemeindegebietes beziehungsweise dortige Betriebsstätten in Papierform versendet. Diese Bescheide sehen zum Teil sehr unterschiedlich aus. Das beeinträchtigt ihre Maschinenlesbarkeit erheblich.
Zum Jahreswechsel 2022/2023 wurde nun der digitale Gewerbesteuerbescheid implementiert, der vor allem die Auswertung der Gewerbesteuerbescheide für Unternehmen mit Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden erleichtert. Bisher nehmen allerdings nur wenige Gemeinden und Unternehmen diese Möglichkeit in Anspruch. Umso erfreulicher ist es, dass die IHK-Organisation hier unterstützen konnte, indem sie Pilot-Unternehmen in den Bundesländern gewinnen konnte. Auf diese sehenswerten Unterstützungsleistungen weist der „Newsletter Digitaler Gewerbesteuerbescheid“ für das zweite Quartal 2023 von der init AG hin:
„Durch die Einbindung der Industrie- und Handelskammern ist es gelungen, unter anderem jeweils sieben Pilotunternehmen je Bundesland bis zum Sommer sicherzustellen. In Verbindung mit Aktivitäten der kommunalen Verbände, mindestens sieben Testkommunen je Bundesland zu erreichen, können wir sicherstellen, dass alle länderspezifischen Besonderheiten - wie beispielsweise unterschiedliche Gesetze beziehungsweise Regelungen zu den Verbandsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften - in unserem Projekt in der Spezifikation/Datensatz berücksichtigt werden.“
Das ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche IHK-Arbeit in den Regionen. Wir hoffen, dass sich noch mehr Unternehmen und vor allem Kommunen von den Vorteilen des digitalen Gewerbesteuerbescheides überzeugen lassen. Der Newsletter kann mit formloser Mail an gewerbesteuer-newsletter@init.de abonniert werden.

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Die EU-Kommission hat am 19. Juni neue Vorschriften vorgeschlagen, um die Quellensteuerverfahren der EU-Mitgliedstaaten besser aufeinander abzustimmen. Dadurch sollen Anleger, Vermittler von Finanzprodukten und nationale Steuerverwaltungen künftig Anträge auf Reduzierung von noch nicht gezahlten oder Erstattung von gezahlten Quellensteuern leichter und rechtssicher stellen beziehungsweise bearbeiten können.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bieten grenzüberschreitend tätigen Anlegern die Möglichkeit, ihre in einem anderen Mitgliedstaat zu viel gezahlten Steuern zurückzufordern. Bislang wendet jeder EU-Mitgliedstaat eigene Quellensteuerverfahren an – insgesamt circa 450 verschiedene – die sich zum Teil stark voneinander unterscheiden. Oftmals führt das zu doppelt gezahlten Steuern auf Dividenden- und Zinsausschüttungen grenzüberschreitend tätiger Anleger oder zumindest zu überlangen Verfahren. Beides passt nicht zu einer funktionierenden Kapitalmarktunion. Im Ergebnis sollen grenzüberschreitende Investitionen unterstützt und obendrein Steuerbetrug bekämpft werden.
Eine standardisierte Meldepflicht, eine gemeinsame digitale EU-Ansässigkeitsbescheinigung sowie zwei Schnellverfahren sollen dabei laut Vorschlag - Faster Initiative (europa.eu)  https://taxation-customs.ec.europa.eu/taxation-1/corporate-taxation/faster-initiative_de#legislative-texts– zum Einsatz kommen. Insgesamt sollen Anleger durch die Umsetzung des Pakets jährlich um mehr als 5 Milliarden Euro entlastet werden:
  • Ein gemeinsamer digitaler Nachweis über den Steuerwohnsitz, in Landessprache und innerhalb eines Tages, soll auch Anlegern mit einem breit gestreuten Portfolio künftig zu einem einzigen digitalen Nachweis über den Steuerwohnsitz verhelfen, mit dem sie im selben Kalenderjahr mehrere Erstattungen beantragen können.
  • Zwei Schnellverfahren, eines für die "Steuererleichterung an der Quelle" und eines zur "Quellensteuer-Erstattung":  Beim ersten Verfahren wird zum Zeitpunkt der Ausschüttung von Zinsen oder Dividenden ein ermäßigter Steuersatz gemäß DBA angewandt. Im Rahmen des "Schnellerstattungsverfahrens" hingegen werden zunächst Dividenden oder Zinsen unter Berücksichtigung des Quellensteuersatzes des Mitgliedstaats gezahlt, in dem die Ausschüttung erfolgt. Zu viel gezahlte Steuern werden innerhalb von 50 Tagen nach Zahlung erstattet. Mitgliedstaaten können sich entweder für eines der beiden Verfahren oder für eine Kombination von beiden entscheiden.
Durch die Einführung einer standardisierten Meldepflicht erhalten die nationalen Steuerverwaltungen die erforderlichen Instrumente, um zu prüfen, ob Anleger den ermäßigten Steuersatz tatsächlich in Anspruch nehmen dürfen. Zertifizierte Finanzintermediäre müssen der zuständigen Steuerverwaltung zwecks Rückverfolgung die Ausschüttung von Dividenden oder Zinsen melden.
Daraus entstehen der Berufsgruppe allerdings Belastungen, deren Umfang noch zu prüfen sein wird. Vermittler einer bestimmten Größe werden sogar verpflichtet, sich in einem nationalen Register zertifizierter Finanzintermediäre zu registrieren.
Für den "Rahmen einer Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert, BEFIT" und den "Aktionsplan für die Kapitalmarktunion" sind die Vorschläge zentral. Sie müssten von den Mitgliedstaaten angenommen werden und könnten zum 1. Januar 2027 in Kraft treten.

Entwicklung internationaler und europäischer Unternehmensbesteuerung

Die Europäische Kommission hat am 30. Juni einen an den Rat gerichteten Bericht zu den Fortschritten der Arbeiten an der "Säule I" zu steuerlichen Herausforderungen auf Ebene der OECD erstellt. Artikel 57 der EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung verpflichtet die Kommission dazu.
In dem Bericht geht es um eine Bewertung der Umsetzung des ersten Teils einer zweiteiligen Erklärung von annähernd 140 Staats- und Regierungschefs vom Oktober 2021. Teil oder Säule I regelt die Neuverteilung von Besteuerungsrechten zwischen sogenannten Sitzstaaten, in denen sich die Sitze großer multinationaler Unternehmen befinden, und den "Marktstaaten", wo sich die Käufer befinden. In dem Bericht unterstreicht die Kommission die bisher erzielten Fortschritte und fordert alle Teilnehmer auf, letzte Anstrengungen zu unternehmen, um eine Einigung über die Umsetzung dieser ersten Säule zu erzielen. Ein Teil der Arbeiten soll noch bis zum 12. Juli abgeschlossen werden. Hierzu sind regelmäßige Beratungen angesetzt.
Das Verhandlungsergebnis soll durch die Gruppe der Unterzeichnerstaaten mittels eines mehrseitigen internationalen Vertrages (multi-lateral convention, MLC) und nicht bilateral umgesetzt werden. Während das OECD-Sekretariat das Paket aus MLC und der erläuternden Erklärung noch im Juli vorlegen will, so die EU-Kommission, soll die Unterzeichnung erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, voraussichtlich Ende 2023. Die Kommission hat ebenso erklärt, dass sie alles dafür tun werde, um eine rechtzeitige Umsetzung der ersten Säule auf EU-Ebene zu gewährleisten.
Die OECD-Initiative bringt weitreichende Änderungen des internationalen Ertragsteuersystems für Unternehmen mit sich. Für Unternehmen in der EU ist es aus Wettbewerbsgründen wichtig, dass die Regeln beider Säulen sowohl zusammen als auch einheitlich umgesetzt werden. Bei der Mindestbesteuerung ist die Europäische Union gleichsam in Vorleistung gegangen. Umso aufmerksamer verfolgt sie nun, dass ihre außereuropäischen Vertragspartner bei der Umsetzung in nationales Recht nachziehen.

Unternehmen benötigen Erleichterungen bei der Globalen Mindestbesteuerung

Unternehmen, Bundesfinanzministerium, Politik und Wissenschaft haben auf der IHK-Organisation-Fachtagung am 16. Juni 2023 über die Details der globalen Mindeststeuer beraten und wichtige Nachbesserungen gefordert. Angesichts der Komplexität und der Notwendigkeit, neue IT-Strukturen zu implementieren, ist eine Umsetzung bis Jahresende kaum möglich. Im Gesetzgebungsverfahren sollte die Komplexität der Detailbestimmungen und die bürokratischen Belastungen der Unternehmen durch Vereinfachungen sowie Übergangsregelungen reduziert werden. Mit Blick auf die kurze Umsetzungsfrist sollte sich die Bundesregierung für einen zeitlichen Aufschub um mindestens ein Jahr einsetzen.
Bereits zum Jahresbeginn 2024 soll die neue „Globale Mindeststeuer“ für Unternehmen in Kraft treten. Hierzu hatte das Bundesministerium der Finanzen im März 2023 einen 242 Seiten umfassenden Diskussionsentwurf eines „Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes" vorgelegt, der große Diskussionen ausgelöst hatte: Die Detailregelungen sind äußerst komplex und basieren zudem nicht auf steuerrechtlichen, sondern auf IFRS-Rechnungslegungsstandards, die überdies noch aufwändigen steuerrechtlichen Anpassungen unterzogen werden müssen. Zur Berechnung der neuen Steuer müssen künftig über 220 Datenpunkte bereitgestellt werden, die bislang jedoch noch gar nicht in den IT-, Rechnungslegungs- und Steuersystemen vorhanden sind. Folglich müssen Unternehmen konzernweit neue IT-Prozesse implementieren, was mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden und angesichts der Knappheit an Steuer-, IT- und Buchhaltungsexperten bis Jahresende kaum möglich ist.
Auf der IHK-Organisation-Fachtagung am 16. Juni 2023 haben Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unter dem Motto „Von Unternehmen für Unternehmen“ wichtige Hilfestellung für eine Umsetzung in den Unternehmen gegeben und den Handlungsbedarf für die Betriebe erörtert. Dabei wurde deutlich, dass weitreichende Erleichterungen mit Blick auf eine praxistaugliche Umsetzung erforderlich sind:
  • Zumindest für eine Übergangszeit sollten die bislang bestehenden Vereinfachungen (sog. „Safe-harbour-Regelungen“) ausgeweitet und deren Anwendungszeitraum verlängert werden.
  • Bei der Berechnung der neuen Steuer (sog. „Top-up Tax“) sollten die hierfür erforderlichen Datenpunkte reduziert und nur auf solche Daten zurückgegriffen werden, die in den bestehenden Buchhaltungs- und IT-Systemen der Unternehmen vorhanden sind.
  • Das Besteuerungsverfahren sollte stärker die Besonderheiten von Personengesellschaften berücksichtigen, welche gerade in Deutschland von großer Bedeutung sind.
  • Rechtssicherheit ist für die betroffenen Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Daher sollten die gesetzlichen Regelungen klarer gefasst und zeitnah durch BMF-Schreiben präzisiert werden.
Im nun beginnenden Gesetzgebungsverfahren müssten grundlegende Vereinfachungen und Nachbesserungen erzielt werden, um die Regelungen praxistauglich auszugestalten und die überbordenden bürokratischen Belastungen der Unternehmen auf ein akzeptables Niveau zu senken; so das eindeutige Votum der Expertinnen und Experten.
Im parlamentarischen Verfahren wird sich die IHK-Organisation gemeinsam mit ihren Unternehmen für weitgehende Erleichterungen einsetzen.

Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Deutschland schreitet voran

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 10. Juli 2023 den Referentenentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindeststeuer veröffentlicht. Bereits im März 2023 hatte das BMF einen ersten sogenannten Diskussionsentwurf vorgelegt, zu dem die IHK-Organisation gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft Stellung genommen hatte. Im Referentenentwurf werden weitere Detailbestimmungen getroffen und zudem flankierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Absenkung der Niedrigsteuergrenze des § 8 AStG auf 15 Prozent, die Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen oder die Abschaffung der Lizenzschranke (§ 4j EStG) vorgeschlagen.
Mit dem Mindeststeuergesetz (MinStG) wird die sogenannte Mindestbesteuerungsrichtlinie der EU vom 15. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt, wobei der Referentenentwurf neben konkreten Detailbestimmungen auch flankierende Maßnahmen in anderen Gesetzen vorsieht.
Zentrale Elemente des Mindeststeuergesetzes sind unter anderem:

Steuerpflicht

Der Mindeststeuer unterliegen inländische Geschäftseinheiten von großen Unternehmensgruppen mit einem Gruppenumsatz oberhalb von 750 Millionen Euro (§ 1 MinStG). Erfasst werden sowohl international als auch nur national tätige Unternehmensgruppen.

Umfang der Besteuerung

Der Mindestbesteuerung unterliegen alle in- und ausländischen Gewinne.
  • Mit der sogenannten „Primärergänzungssteuerregelung“ werden nachgeordnete Geschäftseinheiten, welche in Niedrigsteuerländern angesiedelt sind, zentral auf Ebene der Muttergesellschaft nachversteuert („top-down approach“).
  • Der zweite Mechanismus, die sogenannte „Sekundärergänzungsregelung“, wirkt als „Backstop“, der eine Mindestbesteuerung dort sicherstellt, wo die Primärergänzungssteuerregelung keine Anwendung findet.
  • Drittens sieht der Referentenentwurf eine nationale Ergänzungssteuer für die Bundesrepublik Deutschland vor. Hierdurch kann Deutschland einen Ergänzungssteuerbetrag selbst vereinnahmen und damit den Zugriff der Primär und Sekundärergänzungssteuern von anderen Staaten verhindern.

Berechnungsgrundlagen

Die Berechnung der Mindeststeuer erfolgt auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung (zum Beispiel IFRS) sowie bestimmter steuerlicher Anpassungen und schleust niedrig besteuerte Gewinne auf 15 Prozent hoch. Auch die nationale Ergänzungssteuer wird auf Basis dieser Berechnungsgrundlagen ermittelt.

Minimierung des Bürokratieaufwands

Das BMF versucht, den Bürokratieaufwand der betroffenen Unternehmen zu reduzieren und das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen und sieht hierzu eine Zentralisierung des Besteuerungsverfahrens mit einem zentralen Akteur (§ 3 MinStG-E) sowie umfangreichen „Safe-Harbour-Regelungen“.

Sanktionen

Bei einer nicht ordnungsmäßigen Übermittlung des Mindeststeuer-Berichts (§ 92 MinStG) können Geldbußen von bis zu 30.000 Euro verhängt werden.

Flankierende Maßnahmen in anderen Gesetzen

Hierzu sieht der Gesetzentwurf
  • Änderungen im Finanzverwaltungsgesetz (Art. 3) (Zuständigkeiten des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt);
  • Anpassungen der Abgabenordnung (Art. 2) (Verspätungszuschlag des § 152 AO);
  • Änderungen im Außensteuergesetz (Art. 5), wie zum Beispiel die Absenkung der Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) in § 8 Abs. 5 AStG von 25 Prozent auf 15 Prozent oder die Möglichkeit einer elektronischen Datenübermittlung der Mitteilungen und Erklärungen;
  • die Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen (Art. 6) sowie
  • eine Abschaffung der Lizenzschranke in §§ 4j EStG
vor.

Aufkommenswirkungen

Das BMF rechnet mit Steuermehreinnahmen aus der Mindeststeuer in Höhe von 910 Millionen Euro für das Jahr 2026, wobei in den darauffolgenden Jahren 2027 und 2028 die Einnahmen rückläufig sein werden (535 Millionen Euro beziehungsweise 285 Millionen Euro). Für das Jahr 2025, das erste Jahr nach Inkrafttreten der Maßnahme, prognostiziert das BMF Mindereinnahmen in Höhe von 50 Millionen Euro.

Zeitplan

Da das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren bis Jahresende 2023 abgeschlossen sein muss, ist zu erwarten, dass Ende August ein Gesetzentwurf vom Bundeskabinett verabschiedet und das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wird.
Endredaktion: Viola Friedrichs
Recht und Steuern

Anwendung neuer BFH-Entscheidungen

In einem finanzgerichtlichen Verfahren ergangene und rechtskräftig gewordene Entscheidungen binden nur die am Rechtsstreit Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter und im Fall des § 60a FGO die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben (§ 110 Abs. 1 S. 1 FGO).
Durch eine Veröffentlichung von Urteilen bzw. Beschlüssen des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II werden aber die Finanzämter angewiesen, diese Entscheidungen auch in vergleichbaren Fällen anzuwenden.
Die Finanzverwaltung hat beschlossen, die folgenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs mit Stand vom 4. Juli 2023 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 55 KB) in Kürze im Bundessteuerblatt Teil II zu veröffentlichen. Damit werden zugleich die Finanzbehörden die Entscheidungen allgemein anwenden.
Der Text der Entscheidungen ist auf den Internetseiten des Bundesfinanzministeriums abrufbar.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023
Recht und Steuern

Steuerinfo Juni 2023

EuGH zur Umsatzsteuer bei Vermietung von Betriebsvorrichtungen

Ist die Vermietung von Betriebsvorrichtung immer steuerpflichtig? Muss ein einheitliches Entgelt für die (steuerfreie) Vermietung eines Grundstücks und die (steuerpflichtige) Vermietung der Betriebsvorrichtung stets aufgeteilt werden? Oder ist im Fall einer einheitlichen Leistung das Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht anwendbar? Der EuGH hat sich jüngst zu dieser Fragestellung geäußert.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kommt in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2023 in der Rs. C-516/21 zu dem Ergebnis, dass die Beurteilung einer einheitlichen Leistung Vorrang vor dem Aufteilungsgebot nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) MwStSystRL (entspricht § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) hat. Wird die Vermietung von Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung zur Gebäudeverpachtung eingestuft, findet das Aufteilungsgebot keine Anwendung und die Vermietung kann insgesamt der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG unterliegen.
Im Entscheidungsfall scheint der EuGH zwar von einer einheitlichen Leistung auszugehen; letztlich obliegt aber dem Bundesfinanzhof (BFH) die abschließende Prüfung, ob es sich im vorgelegten Fall tatsächlich um Haupt- und Nebenleistungen handelt, die eine einheitliche Leistung bilden. Die Auffassung, dass die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen auch dann als steuerpflichtig anzusehen sind, wenn sie wesentlicher Bestandteil des Gebäudes sind, dürfte nach der Entscheidung des EuGH allerdings nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden können.
Gespannt sein darf man, wie sich die Entscheidung des EuGH auf weitere beim BFH anhängige Verfahren auswirken wird. Auch bei Beherbergungsumsätzen enthält das Gesetz ein Aufteilungsgebot. Entsprechend § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG muss zwischen Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen und solchen, die hierfür nicht unmittelbar erforderlich sind (zum Beispiel Frühstück) unterschieden werden. Der BFH hatte bereits ernstliche Zweifel an diesem Aufteilungsgebot geäußert und das entsprechende Verfahren mit Blick auf die nun vorliegende EuGH-Entscheidung ausgesetzt. Der Folgeentscheidung des BFH kann damit weitreichende Wirkung zukommen.
Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden ist grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG). Hingegen ist die Vermietung und Verpachtung sogenannter Betriebsvorrichtungen gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. Unter Betriebsvorrichtungen sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art zu verstehen, die zu einer Betriebsanlage gehören und in einer so engen Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, dass dieser unmittelbar mit ihnen betrieben wird.
Bei der Vermietung eines Grundstücks beziehungsweise Gebäudes inklusive Betriebsvorrichtungen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob entsprechend dem Aufteilungsgebot stets eine Aufteilung zu erfolgen hat. Wird hingegen eine einheitliche steuerfreie Vermietungsleistung angenommen, bei der die Überlassung der Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung der Vermietung angesehen wird, würde diese „das umsatzsteuerliche Schicksal“ der steuerfreien Vermietungsleistung teilen.
In dem deutschen Vorlagefall hatte der Kläger die Verpachtung eines Stallgebäudes zur Putenzucht als steuerfreien Umsatz nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG erklärt. Das einheitliche Entgelt umfasste auch die Überlassung spezieller Fütterungsvorrichtungen sowie besonderer Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen. Diese auf Dauer in das Gebäude eingebauten Vorrichtungen und Maschinen dienten der konkreten Nutzung als Putenaufzuchtstall. Mit Hinweis auf das Aufteilungsgebots (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) teilte das Finanzamt das einheitliche Entgelt auf und unterwarf den aus seiner Sicht auf die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen entfallenden Teil der Umsatzsteuer.
Der EuGH geht im Ausgangsverfahren davon aus, dass es sich um die Verpachtung eines Zuchtstalls und der in diesem Gebäude auf Dauer eingebauten Anlagen handelt, die speziell an diese Zucht angepasst sind, wobei der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen ist und ein einheitliches Entgelt vorliegt. Gleichzeitig betont der EuGH, dass dem vorlegenden BFH die Prüfung obliegt, ob diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen. Sofern dies der Fall ist, hat die Einheitlichkeit der Leistung Vorrang vor dem Aufteilungsgebot.

Mehr Transparenz bei Kryptowährungen und E-Geld

Auf seiner Sitzung am 16. Mai in Brüssel hat der Rat der EU-Finanzministerinnen und -minster eine Position zum DAC 8-Vorschlag der EU-Kommission gefunden.
Der Richtlinientext sieht eine stärkere Zusammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten vor, wenn es um zusätzliche steuerliche Berichtspflichten für Händler unter anderem von Kryptowerten geht und um den Austausch der dabei erlangten Daten.
Durch die Aktualisierung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (Directive on Administrative Cooperation – DAC) werden die Meldepflichten und der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden in der EU auf Einnahmen bzw. Umsätze ausgeweitet, die in der EU ansässige Nutzer mit Kryptowerten erzielen. Im Ergebnis soll die gesteigerte Transparenz es den Inhabern von "Krypto-Geld" erschweren, dieses für Zwecke der Steuerverkürzung oder -hinterziehung zu nutzen. Bislang fehlen den Steuerbehörden Informationen zur Überwachung von Erlösen, die mithilfe von Kryptowerten erzielt werden, die sich problemlos grenzüberschreitend handeln lassen. Die Bestimmungen des DAC8-Vorschlags sollen weltweit gelten, das heißt für alle Unternehmen, die Dienstleistungen für in der EU ansässige Personen erbringen – unabhängig davon, wo diese Dienstleister ihren Sitz haben.
Die zu ändernden Regeln stehen in Einklang mit der OECD-Initiative für einen Melderahmen für Kryptowerte (Crypto-Asset Reporting Framework – CARF) sowie den Änderungen des gemeinsamen Meldestandards (Common Reporting Standards oder CRS) der OECD. Sie ergänzen die Bestimmungen der  Verordnung über Märkte für Kryptowerte  (MiCA) und der Verordnung über Geldtransfers (TFR). Allerdings ist der Anwendungsbereich von DAC-8 weiter als die MiCA-Verordnung, da er sich sowohl auf Anbieter von Krypto-Dienstleistungen, die unter die MiCA fallen, erstreckt als auch für andere.  Im Einzelnen erlegen sie den Marktteilnehmern folgende Verpflichtungen auf:
  • Verpflichtung aller Anbieter von Krypto-Dienstleistungen – unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Standort – zur Meldung von Transaktionen von in der EU ansässigen Kunden (sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Transaktionen). In einigen Fällen gelten die Meldepflichten auch für NFT (Non-fungible Tokens).
  • Verpflichtung der Finanzinstitute zur Meldung von Transaktionen mit E-Geld und digitalen Zentralbankwährungen.
  • Ausweitung des Anwendungsbereichs des automatischen Austauschs auf grenzüberschreitende Vorbescheide für vermögende Privatpersonen. Dies betrifft Personen, die über ein finanzielles bzw. investierbares Vermögen oder verwaltete Vermögenswerte von mindestens 1.000.000 Euro verfügen. Die Mitgliedstaaten werden rückwirkend Informationen über grenzüberschreitende Vorbescheide austauschen, die zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2025 ausgestellt, geändert oder verlängert wurden.
  • Festlegung eines gemeinsamen Mindeststrafmaßes für besonders schwerwiegende Versäumnisse (zum Beispiel keine Rückmeldung trotz mehrfacher Mahnung).
Die Befürworter von DAC-8 kalkulieren einen begrenzten Mehraufwand, speziell für kleine und mittlere Unternehmen, durch die neuen Regeln. Im Vergleich zu den Folgekosten eines möglichen Flickenteppichs nicht aufeinander abgestimmter nationaler Meldepflichten würden sich KMU besserstellen. 
Die neuen Meldepflichten sollen am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Vor einem formellen Beschluss des Rates erhält das Europäische Parlament Gelegenheit zur Stellungnahme.        

Anzeigepflicht von Steuergestaltungen: 26.921 Meldungen seit 1. Juli 2020 erfolgt

Seit dem 1. Juli 2020 müssen sogenannte Intermediäre und Nutzer bestimmte grenzüberschreitende steuerliche Gestaltungen gegenüber den Steuerbehörden melden. Auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung nunmehr bekannt gegeben, dass seit Inkrafttreten der Regelung insgesamt 26.921 Meldungen an das Bundesamt für Steuern (BZSt) übermittelt wurden. Nach einer Auswertung wurden nunmehr 24 Gestaltungsmodelle identifiziert, bei denen ein gewisser rechtspolitischer Handlungsbedarf gesehen wird.
Mit der Europäischen Richtlinie (EU) 2018/822 zur „Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen“ vom 25. Mai 2018 (sogenannte DAC 6-Richtlinie) wurde eine Meldepflicht geschaffen, nach der bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen den Finanzbehörden der Mitgliedstaaten mitzuteilen und dann zwischen diesen automatisch auszutauschen sind. Die Meldepflicht gilt ab dem 1. Juli 2020, umfasst aber auch solche Fälle, in denen der erste Umsetzungsschritt nach dem 24. Juli 2018 erfolgt ist. Ziel der Richtlinie ist es, dass Mitgliedstaaten frühzeitig auf unerwünschte Steuergestaltungen reagieren und durch Gesetzesänderungen sogenannte „Schlupflöcher“ schließen können. Auch sollen die Finanzverwaltungen die durch die Mitteilungen erlangten Erkenntnisse im konkreten Veranlagungsverfahren der Nutzer verwenden können, sei es durch allgemeine Verwaltungsanweisungen oder durch individuelle Ermittlungsmaßnahmen.
Die Europarechtlichen Bestimmungen wurden in Deutschland durch das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ vom 21. Dezember 2019 umgesetzt und hierzu die §§ 138d bis 138k AO ( BGBl 2019 I S. 2875) in die Abgabenordnung aufgenommen. Hierzu hatte das BMF bereits am 29. April 2020 Bestimmungen zur Verwendung eines amtlich vorgeschriebenen Datensatzes erlassen und am 29. März 2021 auf 71 Seiten weitere Anwendungsregeln veröffentlicht.
Angesicht der komplexen Definitionen und der sich daraus ergebenden Abgrenzungsfragen, welche Sachverhalte nun als „meldepflichtige Steuergestaltung“ (sogenannte Hallmarks“) zu qualifizieren sind, aber auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Flut an Meldungen war offen, ob die Finanzbehörden in der Lage sein werden, die Meldungen auszuwerten und im Weiteren „Gestaltungsmodelle mit rechtspolitischem Handlungsbedarf“ zu identifizieren. Dieses gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Unternehmen hierdurch hohe Befolgungskosten entstehen.
Auf die sogenannte „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 20/6734; Drucksache 20/6734) hat die Bundesregierung am 8. Mai 2023 geantwortet und erstmals genauere Informationen zur Verfügung gestellt. Demzufolge sind bis zum 31. März 2023 insgesamt 26.921 Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen i. S. d. §§ 138d ff. AO beim Bundeszentralamt für Steuern eingegangen. Zusätzlich wurden gemäß § 7 Abs. 14 des EU-Amtshilfegesetzes (EUAHiG) insgesamt 1.967 Mitteilungen aus dem Zentralverzeichnis der Europäischen Union heruntergeladen, die Deutschland als betroffenen Mitgliedstaat kennzeichnen. Diese Mitteilungen wurden vom BZSt gesammelt, sortiert, zugeordnet und nach § 138j Absatz 1 AO unter Einbeziehung und Mitwirkung der Finanzbehörden der Länder ausgewertet.
Insgesamt wurden 206 Gestaltungsmodelle identifiziert, wobei jedoch bestimmte Regelungslücken zwischenzeitlich zum Beispiel durch das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vom 25. Juni 2021 (Steueroasen-Abwehrgesetz) geschlossen wurden. Konkret wurden 24 grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle mit verbleibendem rechtspolitischem Handlungsbedarf identifiziert, welche sich in 4.268 Einzelmeldungen wiederfanden. Zudem wurden 140 Gestaltungsmodelle identifiziert, bei denen jedoch kein (irgendwie gearteter) rechtspolitischer Handlungsbedarf angenommen wird.
Ob und inwieweit die Finanzverwaltung der Länder ihrerseits die Informationen genutzt und darauf aufbauend Außenprüfungen oder Ermittlungsverfahren eingeleitet haben und inwieweit hierdurch Steuermehrergebnisse erzielt wurden, konnte die Bundesregierung aufgrund der Länderzuständigkeit nicht beantworten.
Die Koalitionsfraktionen haben vereinbart, in der aktuellen Legislaturperiode die Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen hinaus auch auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen auszuweiten. Konkrete Gesetzesvorschläge wurden bislang aber noch nicht veröffentlicht.

Veranstaltungshinweis: Infotag zur Existenzgründung

Am Montag, den 10. Juli 2023 findet von 10 bis 13.15 Uhr der Infotag zur Existenzgründung unserer Handelskammer statt. Der Infotag wird virtuell über Microsoft Teams durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Weitere Details sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie auf unserer Website.

EU-Budget für 2024

Die EU-Kommission hat einen EU-Jahreshaushalt in Höhe von 189,3 Milliarden Euro für 2024 vorgeschlagen. Damit liegt er etwas höher als der Kommissionsvorschlag für 2023 mit 185,6 Milliarden Euro. Zusätzliche Mittel, voraussichtlich 113 Milliarden Euro, kommen aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm NextGenerationEU (NGEU).
Die EU will unter anderem den Kampf gegen den Klimawandel und den digitalen Wandel vorantreiben. Folgende Mittelzuweisungen sind im Haushalt für die europäischen Prioritäten vorgesehen:
  • 53,8 Milliarden Euro für die Gemeinsame Agrarpolitik;
  • 47,9 Milliarden Euro für regionale Entwicklung und Kohäsion zur Unterstützung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union sowie für Investitionen in die Infrastruktur;
  • 11,4 Milliarden Euro im Rahmen des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI bzw. Europa in der Welt), zusätzlich 2,1 Milliarden Euro als Heranführungshilfe sowie noch einmal 1,7 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe;
  • 13,6 Milliarden Euro für Forschung und Innovation, davon 12,8 Milliarden Euro für Horizont Europa als Leitprogramm der Union für Forschung. Aus diesem Programm - und durch Umschichtungen aus anderen Programmen - soll auch das Europäische Chip-Gesetz finanziert werden;
  • 10,3 Milliarden Euro für "Menschen, sozialen Zusammenhalt und Werte", davon 3,96 Milliarden Euro zur Deckung steigender Zinskosten für NextGenerationEU, 3,7 Milliarden Euro für Erasmus+ (Investitionen in Bildung und Mobilität);
  • 4,6 Milliarden Euro für europäische strategische Investitionen, davon 2,7 Milliarden Euro für die Fazilität "Connecting Europe" zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Infrastruktur (CEN), 1,3 Milliarden Euro für das Programm "Digitales Europa" zur Gestaltung der digitalen Zukunft der Union und 348 Millionen Euro für InvestEU (Forschung und Innovation, ökologischer und digitaler Wandel, strategische Technologien und das Gesundheitswesen);
  • 2,4 Milliarden Euro für Umwelt- und Klimapolitik, davon 745 Millionen Euro für das LIFE-Programm (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) und 1,5 Milliarden Euro für den Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund);
  • 2,2 Milliarden Euro für den Schutz der EU-Außengrenzen;
  • 1,7 Milliarden Euro für Ausgaben im Zusammenhang mit Migration.
Endredaktion: Viola Friedrichs, Henning Raddatz
Recht und Steuern

Steuerinfo Mai 2023

Die aktuelle Steuerinfo von Mai 2023 informiert Sie über das Voranschreiten der Digitalisierung durch Einführung der elektronischen Rechnung für Umsatzsteuerzwecke, Reihengeschäfte im Umsatzsteuerrecht sowie Neuigkeiten zur Einführung der globalen Mindeststeuer und einer dazugehöriger Veranstaltung.

Impuls für Digitalisierung – Einführung der elektronischen Rechnung für Umsatzsteuerzwecke geplant

Die Digitalisierung in Deutschland könnte im unternehmerischen Bereich einen neuen Impuls durch die Einführung der elektronischen Rechnung für Umsatzsteuerzwecke erhalten. Ab dem 1. Januar 2025 könnten Unternehmen, die Rechnungen an andere Unternehmen für Inlandsumsätze stellen, verpflichtet sein, diese als elektronische Rechnung (eRechnung) zu stellen. Rechnungen müssten dann in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt werden. Die bisher als elektronische Rechnungen akzeptierten reinen word- oder pdf-Formate wären dann in diesem Segment nicht mehr erlaubt.
Der Koalitionsvertrag der Ampel sieht die Einführung eines bundesweiten einheitlichen Meldesystems zur Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen vor. Auf EU-Ebene werden derzeit Rechtsetzungsvorschläge zur „VAT in the Digital Age (ViDA)“ diskutiert, mit denen unter anderem ein transaktionsbezogenes Meldesystem für EU-Umsätze verbunden mit einer E-Rechnungspflicht eingeführt werden soll. Ab 2028 sind diese Regelungen EU-weit verpflichtend.
Als erster Schritt hin zu der späteren Einführung eines transaktionsbezogenen Meldesystems beabsichtigt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Gesetzgeber, die obligatorische Verwendung von elektronischen Rechnungen (eRechnungen) für inländische B2B-Umsätze vorzuschlagen. Dazu hat das BMF einen Diskussionsvorschlag zur Änderung des § 14 UStG an Wirtschaftsverbände versandt.
Die elektronische Rechnung soll künftig an den Vorschlag der Europäischen Kommission „VAT in the Digital Age (ViDA)“ angelehnt werden und auf dem europäischen E-Rechnungsstandard CEN 16931 basieren. Sie soll demnach in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden und ihre elektronische Verarbeitung möglich sein. Diese neue so genannte „eRechnung“ soll für die Inrechnungstellung inländischer B2B-Umsätze eines in Deutschland ansässigen Unternehmens künftig obligatorisch sein. Papier- und elektronische Rechnungen, die nicht den Anforderungen der neuen eRechnung entsprechen, sollen unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst werden. Darunter würden voraussichtlich unter anderem per Mail versandte Rechnungen in word- oder pdf-Formaten fallen.
Mit der Pflicht zur Ausstellung von eRechnungen im B2B-Bereich entfällt das bisherige Zustimmungserfordernis des Kunden. Bei Rechnungsstellung gegenüber Endkunden (B2C) bleibt dessen Zustimmung weiterhin Voraussetzung für die Übermittlung elektronischer Rechnungen.
Die künftige Pflicht zur Ausstellung von eRechnungen und deren Empfang wird für alle Unternehmen zu Anpassungen ihrer internen Systeme führen. Das gilt vor allem, wenn durch die Digitalisierung mögliche Vereinfachung und Automatisierung aktiv genutzt werden sollen. Es gibt daher Überlegungen zu zeitlich befristeten Übergangsregelungen, die sich an der Unternehmensgröße oder dem Rechnungsbetrag orientieren beziehungsweise lediglich die Erteilung von eRechnungen, nicht aber deren Empfang, ausschließen könnten. Auch über – zeitweise oder dauerhafte – Ausnahmen beispielsweise für Kleinbetragsrechnungen und/oder Fahrausweise wird derzeit nachgedacht.
Die eRechnung soll Voraussetzung für ein transaktionsbezogenes Meldesystem sein, dessen Einführung nicht Gegenstand des Diskussionsentwurfs ist. Um die Belastungen für die Wirtschaft möglichst gering zu halten, soll sowohl für die nationalen als auch für die grenzüberschreitenden Transaktionen ein einheitliches elektronisches Meldesystem angestrebt werden, das sich daher an den ViDA-Vorgaben (EU- Rechtsetzungsvorschlag „VAT in the digital age“ ) orientieren muss. Nationale Überlegungen hängen daher stark von den weiteren Beratungen auf europäischer Ebene ab.
Derzeit ist beabsichtigt für die Einführung des Meldesystems, den Rechnungsaustausch zwischen Rechnungssteller und -empfänger wahlweise über eine staatliche eRechnungs-Plattform oder über private eRechnungs-Plattformen abwickeln zu lassen. Die Plattformen könnten Plausibilitätsprüfungen an den Rechnungen durchführen; zeitgleich sollen aus der eRechnung die relevanten Meldedaten extrahiert und im Rahmen des transaktionsbasierten Meldeverfahrens an das staatliche Portal übermittelt werden. In diesem Verfahren müssten Unternehmen nur eine und nicht zwei sukzessive Übermittlungen in Gang setzen.
Auf Basis der geltenden Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ist die Einführung einer verpflichtenden eRechnung nicht möglich. Die Bundesrepublik Deutschland hat deshalb im November 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL gestellt. Parallel finden Beratungen zum Rechtsetzungsvorschlag „VAT in the Digital Age“ (ViDA) der EU-Kommission statt, der ebenfalls harmonisierte Regelungen für die elektronische Rechnung und ein Meldesystem vorsieht. Derzeit ist nicht klar, auf welche Basis die geplante Gesetzesänderung gestützt werden wird. Es scheint jedoch sicher, dass die rechtlichen Grundlagen rechtzeitig vorliegen werden. Unternehmen sollten die Entwicklungen im Auge behalten und sich schon jetzt mit den geplanten Änderungen befassen. Interne Abläufe sollten gegebenenfalls bereits überprüft werden, um Handlungsfelder zu identifizieren.

Reihengeschäfte im Umsatzsteuerrecht – was gilt seit Umsetzung der so genannten Quick Fixes?

Wie wird die bewegte Lieferung im Reihengeschäft bestimmt? Was erfordert das Verwenden der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.)? Wann wird der Zwischenhändler zum Lieferer? Und was gilt bei so genannten fiktiven Lieferketten beim Fernverkauf über Online-Marktplätze? Das sind nur einige Fragen, die Unternehmen nach der gesetzlichen Neuregelung von Reihengeschäften beschäftigen.
Seit 1. Januar 2020 sind so genannte Reihengeschäfte erstmals im EU-Mehrwertsteuerrecht geregelt. Auch wenn das EU-Recht in weiten Teilen der bis dahin in Deutschland geltenden Auffassung der Finanzverfassung entspricht, sahen sich Unternehmen Zweifeln gegenüber, ob die bisherigen Regelungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) 1:1 auf die neue Rechtslage anzuwenden sind. Das BMF hat nun mit Schreiben vom 25. April 2023 die entsprechenden Passagen angepasst.
Mit dem so genannten Jahressteuergesetz 2019 wurde ein neuer § 3 Abs. 6a UStG eingeführt. Bei der Umsetzung ist der deutsche Gesetzgeber über den EU-Rahmen hinausgegangen, der lediglich EU-Reihengeschäfte mit Transport durch einen Zwischenhändler regelt. § 3 Abs. 6a UStG enthält demgegenüber auch Vorschriften für Fälle, in denen der erste Lieferer beziehungsweise der letzte Abnehmer in einer Kette transportiert sowie für Drittlandsfälle, in denen Waren aus Drittstaaten importiert beziehungsweise in diese exportiert werden.
Wesentlich für die Bestimmung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft ist, durch wen der Transport erfolgt beziehungsweise ihn veranlasst hat (so genannte Transportverantwortlichkeit). Auf EU-Ebene ist diese nicht immer leicht zu bestimmen, wenn sie nicht mit eigenen Transportmitteln erfolgt. Die deutsche Finanzverwaltung stellt dafür primär auf die Auftragserteilung ab. Weist der Unternehmer nach, dass der Transport auf Rechnung eines anderen Unternehmers erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstandes während des Transports getragen hat, ist auch eine abweichende Zuordnung möglich (vgl. Abschnitt 3.14 Abs. 7 UStAE).
Beim Transport durch den Zwischenhändler (= ein in der Kette stehender Abnehmer, der zugleich Lieferer ist) ist die Warenbewegung grundsätzlich der Lieferung an ihn zuzuordnen. Er hat jedoch die Möglichkeit, diese Fiktion zu widerlegen (Abs. 9 UStAE).
Die Ausübung des Wahlrechts ist bei innergemeinschaftlichen Reihengeschäften an die Verwendung seiner USt-IdNr. geknüpft. Verwendet der Zwischenhändler eine ihm vom Abgangsmitgliedstaat der Ware erteilte USt-IdNr., wird die Warenbewegung seiner Lieferung an seinen Kunden zugeordnet. Die Verwendung muss bis zum Beginn der Beförderung erfolgen; spätere Änderungen sind aus Sicht der Finanzverwaltung nicht mehr zu berücksichtigen (Abs. 10 UStAE).
Die Finanzverwaltung hält daran fest, dass das Verwenden ein aktives Tun des Leistenden erfordert. Die verwendete USt-IdNr. soll im jeweiligen Auftragsdokument festgehalten werden. Bei mündlicher Verwendung müssen die USt-IdNr. sowie der Zeitpunkt dokumentiert werden. Auch eine einmalige ausdrückliche Verwendung für alle zukünftigen Leistungen ist möglich. Ausnahmsweise ist auch ein konkludentes Verwenden möglich, wenn alle Parteien die Beurteilung einheitlich getroffen haben und sie ihre jeweiligen Dokumentations- und Erklärungspflichten vollständig erfüllt haben.
In Ausfuhrfällen kann der Zwischenhändler durch Verwendung seiner USt-IdNr bzw. Steuernummer des Abgangsmitgliedstaates die Warenbewegung auf seine eigene Lieferung an seinen Kunden verlagern. In Fällen der Einfuhr kann die Lieferung des Zwischenhändlers zur bewegten Lieferung werden, wenn die Ware in seinem Namen oder i.R.d. indirekten Stellvertretung für seine Rechnung zum freien Verkehr eingeführt wird.
Ergänzt wird Abschnitt 3.14 Abs. 20 UStAE, der klarstellt, dass die Absätze zu Reihengeschäften nicht auf Lieferketten unter Einbeziehung von elektronischen Schnittstellen als sogenannter fiktiver Lieferer anzuwenden sind.
Die neue Auslegung gilt in allen offenen Fällen. Hinsichtlich der Zuweisung der Transportverantwortlichkeit enthält das Schreiben eine Nichtbeanstandungsregelung. Für Umsätze, die bis zur Veröffentlichung dieses Schreibens ausgeführt wurden, wird es demnach nicht beanstandet, wenn diese von den Beteiligten übereinstimmend abweichend von Abschnitt 3.14 Absätze 7 bis 11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses bestimmt wurde.
Den gesamten Text des BMF-Schreibens vom 25. April 2023 finden Sie auf der Seite des Bundesfinanzministeriums.

Steuerschätzung unter dem Eindruck der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung

Die deutsche Wirtschaft wird 2023 kaum wachsen. Das hat Konsequenzen für die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Der Arbeitskreis "Steuerschätzungen" des Bundesfinanzministeriums sagt für dieses Jahr ein Minus von 16,8 Milliarden Euro gegenüber der Schätzung vom vergangenen November voraus, die Grundlage für die Haushaltsplanungen war. Noch deutlichere Korrekturen nach unten gibt es für 2024 und die Folgejahre bis 2027. Wichtig dennoch: Im Ergebnis legen die Steuereinnahmen jedes Jahr zu – auf nunmehr 1.079 Milliarden Euro im Jahr 2027 – aber ihr Anstieg fällt deutlich schwächer aus als noch Ende 2022 erwartet.
In der Breite der deutschen Wirtschaft ist, trotz der bescheidenen Wachstumsaussichten, eine weiterhin stabile Beschäftigung zu sehen. Die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer steigen deshalb laut Schätzungen am stärksten: von 227 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf gut 304 Milliarden Euro im Jahr 2027. Die Schwäche des inländischen Konsums hinterlässt hingegen Spuren bei der Steuer mit dem höchsten Aufkommen, der Umsatzsteuer. Trotz der hohen Inflation soll ihr Aufkommen in diesem Jahr nur um 1,6 Prozent wachsen, 2022 waren es noch 13,6 Prozent.
Angesichts des schwierigen konjunkturellen Umfelds wird auch bei den Gewinnsteuern ein nur unterdurchschnittliches Plus erwartet. Das Aufkommen der veranlagten Einkommensteuer, die von Selbstständigen und Personenunternehmern gezahlt wird, klettert um 0,8 Prozent in diesem und 0,4 Prozent im kommenden Jahr. Die Körperschaftsteuer erzielt nach der aktuellen Prognose im Jahr 2023 nur ein Mehraufkommen von 0,4 Prozent.
Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer fallen laut Prognose noch geringer aus als ohnehin im vorigen Herbst erwartet. Hohe Immobilienpreise, hohe Preise für Baustoffe und letztlich deutlich gestiegene Zinsen für Baufinanzierungen führen zu mehr und mehr Stornierungen von Bauprojekten, auch von gewerblichen Kunden. Das belastet die Haushalte der Länder, die die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer erhalten. Mit einem prognostizierten Rückgang um 24,1 Prozent im Vergleich zu 2022 bricht die Grunderwerbsteuer regelrecht ein. Zusammen mit den Einbußen bei den gemeinschaftlichen Steuern – also den Steuern, die an Bund, Länder und Gemeinden verteilt werden wie zum Beispiel die Einkommensteuer – sorgt dies dafür, dass auch die Einnahmesituation der Länder in den kommenden Jahren angespannter wird.
Das dürfte sich auch auf die Haushalte der Gemeinden auswirken, weil die Länder eine auskömmliche Mittelausstattung der Gemeinden sicherstellen müssen. Die wichtigste eigene Einnahmequelle der Kommunen ist die Gewerbesteuer, die sehr sensibel auf konjunkturelle Veränderungen reagiert. Wegen der schwachen Wachstumsprognosen steigen auch die Gewerbesteuereinnahmen in den kommenden Jahren nur langsam an.
Die Mai-Steuerschätzung bildet die Richtschnur für die Aufstellung des ersten Entwurfes zum Bundeshaushalt 2024, den die Bundesregierung noch nicht vorgelegt hat. Entgegen des noch Ende 2022 erwarteten zusätzlichen Spielraums fallen die geplanten Einnahmen um 13 Milliarden Euro geringer aus und die Haushaltsplanung muss sich daran anpassen. Es wird also mehr denn je darauf ankommen, mit den vorhandenen Mitteln das Richtige zu tun. Dabei gilt es, mit den Ausgaben der öffentlichen Haushalte einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung in Gang zu setzen, der Investitionen am Standort Deutschland auch in Zukunft attraktiv macht und damit Arbeitsplätze sichert.
Investive Ausgaben in die Zukunft sollten Vorrang haben. Dazu gehören neben der Sicherung einer langfristig wettbewerbsfähigen Energieversorgung, schnellere Fortschritte bei der Digitalisierung, die Umsetzung der verabschiedeten Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie mehr und effektivere Investitionen in Bildung und Forschung. Diese strategischen Herausforderungen sollten nur vorübergehend aus kreditfinanzierten Sondervermögen finanziert werden. Bereits heute belasten die Zinsausgaben die öffentlichen Kassen deutlich stärker als noch vor der Corona-Pandemie. Tilgungsverpflichtungen bestehen ohnehin bereits aus den Nettokreditaufnahmen zur Bewältigung von Corona-Pandemie und Energiekrise.
Ende dieses Jahrzehnts werden die Finanzierungskosten für diese Kredite jährlich mit Milliardenbeträgen im Bundeshaushalt zu Buche schlagen. Die Inflationsprognosen lassen außerdem erwarten, dass eine Rückkehr zu den niedrigen Zinsen der letzten Jahre nicht so schnell eintreten wird. Neue Schulden können auf Dauer nicht der Ausweg sein. Eine starke Wirtschaft ist die beste Garantie für einen zuverlässig finanzierten, handlungsfähigen Staat.

Steuerliche Beihilfeverfahren vor dem EuGH

Die EU-Kommission – und in der Nachfolge das Europäische Gericht – hatten entschieden, dass der Staat Luxemburg der ENGIE-Gruppe in einem Steuerbescheid selektive Steuervorteile und damit eine staatliche Beihilfe gewährt habe. Diese Entscheidungen seien jeweils rechtswidrig gewesen. So schlägt es Generalanwältin beim EuGH, Juliane Kokott, dem Gerichtshof in ihren Schlussanträgen vom 4. Mai 2023 vor (Fälle C-451/21 P und C-454/21 P). Der EuGH ist an Kokotts Rechtsgutachten (CURIA - Dokumente (europa.eu)) nicht gebunden.
Laut der Generalanwältin könnte für die Frage, ob ein unrechtmäßiger Steuervorteil bestehe, nur das nationale - in diesem Fall luxemburgische Recht - Bezugsrahmen sein. Ein “Hineininterpretieren” von in anderen Rechtsordnungen gültigen Grundsätzen in das nationale Recht sei demgegenüber unzulässig. Insbesondere gebe es die Regel im luxemburgischen Recht nicht, dass die Freistellung von Einkünften auf Ebene des obersten Mutterunternehmens („Ultimate Parent Entity“) zwingend zu einer Besteuerung dieser Einkünfte auf Ebene eines Tochterunternehmens („subsidiary“) führen müsse. Und nur, wenn ein Steuervorbescheid (“tax ruling”) offensichtlich falsch sei, könne er – nach Ansicht der Generalanwältin – einen selektiven Vorteil im Sinne des EU-Beihilfenrechts darstellen. Unterhalb dieser Grenze seien Tax rulings ein wichtiges Instrument zur Herstellung von Rechtssicherheit, sofern sie Normen des einzelstaatlichen (Steuer-) Rechts nicht widersprechen und jedem Steuerpflichtigen grundsätzlich offenstehen.
Im Juni 2018 hatte die EU-Kommission auf eine staatliche Beihilfe in Höhe von 120 Millionen Euro an die Engie-Gruppe erkannt und von Luxemburg die Rückforderung dieser Summe verlangt. Das von Engie und von Luxemburg dagegen angerufene Europäische Gericht hielt diese Entscheidung aufrecht.
Frau Kokott schlägt nun hingegen vor, der EuGH solle der Klage stattgeben und sowohl die Ausgangsentscheidung als auch das erstinstanzliche Urteil aufheben. Wenn der Gerichtshof dem folgt, würde sich das Urteil in eine Reihe von gerichtlichen Niederlagen der Kommission in vergleichbaren Fällen (Fiat Finance, Starbucks, Amazon und Apple) einfügen. Nicht alle sind hingegen letztinstanzliche Entscheidungen.

Einführung der globalen Mindeststeuer verursacht erhebliche Probleme

Bereits zum 1. Januar 2024 soll die neue globale Mindeststeuer für Unternehmen in Kraft treten. Die Umsetzung der neuen Besteuerungsregeln ist jedoch für die betroffenen Unternehmen mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden und innerhalb der vorgegebenen Zeit kaum zu bewältigen. Die IHK-Organisation hat gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft auf insgesamt 113 Seiten die Probleme und Schwierigkeiten in einer Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) dargelegt und weitergehende Verbesserungen gefordert. Hierzu sollten praxistaugliche und bürokratiearme Lösungen entwickelt und im Lauf des beginnenden Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt werden, so die Forderung der IHK-Organisation.
Das Bundesfinanzministerium hatte am 20. März 2023 den lang erwarteten Diskussionsentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. (Wir berichteten bereits in der April-Ausgabe unseres Newsletters.) Der Entwurf basiert auf den Ausarbeitungen des OECD/Inclusive Framework und den Vorgaben der EU-Richtlinie vom 14. Dezember 2022. Mit dem weltweit unter über 140 Staaten abgestimmten Vorhaben wird ein zusätzliches, neues Besteuerungssystem geschaffen, welches als GloBE (Global Anti-Base Erosion Rules) bekannt ist. Ziel ist es, eine Mindeststeuerbelastung von 15 Prozent für große Unternehmensgruppen herzustellen. Hierzu werden Unternehmenseinheiten, die in ausländischen Staaten einer Steuerbelastung unterhalb von 15 Prozent unterliegen, zum Beispiel im Sitzstaat der Konzernmutter einer zusätzlichen Besteuerung unterworfen.
Mit dem Diskussionsentwurf wurden auf 242 Seiten erstmals die konkreten gesetzlichen Regelungen vorgestellt, welche in einem neuen „Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz - MinStG)“ festgeschrieben werden. Die neue Mindeststeuer wird dabei nicht in das bestehende Unternehmenssteuerrecht (EStG/KStG) integriert, sondern als eigenständiges Besteuerungssystem neben das weiterhin geltende Ertragssteuersystem gestellt. Als Instrumentarium sind drei Instrumente vorgesehen: 1.) die sogenannte Primärergänzungssteuer (Income Inclusion Rule), 2.) die Sekundärergänzungssteuer (Undertaxed Profit Rule) und 3.) die nationale Ergänzungssteuer (Qualified Undertaxed Profit Rule), wobei die Ergänzungssteuer (Top-up Tax) auf Basis handelsrechtlicher Daten berechnet wird. Das BMF wird auf Basis der eingegangenen Rückmeldungen einen weitergehenden Referentenentwurf erarbeiten, mit dem dann das formale Gesetzgebungsverfahren eröffnet wird. Geplant ist, dass bereits im Juni 2023 das formale Gesetzgebungsverfahren mit der Vorlage eines Referentenentwurfs eingeleitet und unter Beteiligung von Bundestag und Bundesrat Ende des Jahres 2023 abgeschlossen wird.
Hierzu wollen wir gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen am Freitag, dem 16. Juni 2023 in der IHK-Organisation Berlin eine Fachtagung durchführen, um notwendige Korrekturen und Anpassungen zu erörtern sowie Unternehmen bei der Implementierung der erforderlichen Prozesse unterstützen zu können. Eine Einladung mit Anmeldemöglichkeit finden Sie am Ende dieses Newsletters.
Die IHK-Organisation hat gemeinsam mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft auf insgesamt 119 Seiten wichtige Punkte gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen adressiert, wobei diese angesichts der Komplexität dieses völlig neuen Besteuerungssystems und der Kürze der Bearbeitungszeit nicht abschließend, sondern nur eine erste Bestandsaufnahme sein können.
Die Umsetzung der GloBE in Deutschland stellt die betroffenen Unternehmen vor große Probleme, da sie bis zum 1. Januar 2024 die komplexen Prozesse zur Datenerfassung, -aufbereitung und -erklärung sowie zur Berechnung der jeweiligen Ergänzungssteuern konzernweit implementieren müssen. Dieses ist jedoch angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie und der Notwendigkeit, neue IT-Strukturen zu entwickeln, kaum möglich. Gleiches gilt für die Finanzverwaltungen, die das neue Steuerverfahren administrieren müssen.
In unserer Stellungnahme haben wir darauf hingewiesen, dass die Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Deutschland einen erheblichen Zusatzaufwand für die betroffenen Unternehmen hervorruft und so weit wie möglich durch praxistaugliche Vereinfachungen und Übergangsregelungen begrenzt werden sollte. Dabei stellt die komplexe Datenerfassung eine der größten Herausforderungen dar, welche zur Durchführung des neuen Besteuerungsverfahrens erforderlich ist und bei Fehlern zu weitreichenden Sanktionen führen kann. Wichtig ist es daher aus Sicht unserer Unternehmen, weitergehende Datenanforderungen und vor allem umfangreiche Anpassungen der bisherigen Jahresabschlüsse beziehungsweise IFRS-Packages zu vermeiden.
Grundsätzlich sinnvoll sind die temporären Safe-Harbour-Regelungen, da diese mit verhältnismäßig akzeptablem Aufwand im Unternehmen administriert werden können. Es wäre jedoch wichtig, diese in zeitlicher Hinsicht auf permanente Safe-Harbour-Vorschriften auszudehnen.
Wir haben auch darauf hingewiesen, dass angesichts der enormen Komplexität der Neuregelungen und der zeitaufwendigen Implementierungsprozesse in den betroffenen Unternehmen eine fehlerfreie Anwendung der Mindeststeuer bereits ab dem Jahr 2024 kaum möglich ist. Sollte sich im Rahmen der EU-weiten Umsetzung herausstellen, dass dies auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten der Fall ist, sollte sich die Bundesregierung für eine globale Verschiebung des Inkrafttretens auf den 1. Januar 2025 einzusetzen. Falls dies nicht erreichbar ist, dürfen Fehler, welche durch den hohen Zeitdruck bedingt sind, in einer Übergangszeit nicht mit Sanktionen der Finanzverwaltung und Strafbehörden belegt werden.
Darüber hinaus verwendet das Gesetz unbestimmte Rechtsbegriffe oder verwendet Begriffe uneinheitlich zu anderen nationalen Steuervorschriften. Im Sinne einer systematischen Kongruenz und der Rechtssicherheit sollten diese gesetzesübergreifend einheitlich ausgelegt, angewendet und im Gesetzestext erläutert werden. Gleiches gilt für die Übernahme von Begrifflichkeiten der OECD und der EU, welche in dem nationalen Gesetz identisch verwendet werden sollten. Auch sollte zumindest ein dynamischer Verweis auf die von dem Inclusive Framework on BEPS anerkannte „Administrative Guidance“ erfolgen, um eine weltweit einheitliche Anwendung und Auslegung zu gewährleisten.

Fazit

Die Umsetzung der GloBE in Deutschland stellt die betroffenen Unternehmen vor große Probleme, da sie bis zum 1. Januar 2024 die komplexen Prozesse zur Datenerfassung, -aufbereitung und Erklärung konzernweit implementieren müssen. Dieses ist jedoch angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie und der Notwendigkeit, neue IT-Strukturen zu entwickeln, kaum möglich. Gleiches gilt für die Finanzverwaltungen, die das neue Steuerverfahren administrieren müssen.
Das neue Besteuerungssystem sieht zudem eine Vielzahl an neuen Begrifflichkeiten und Regelungsinstrumenten vor. Genannt seien hier nur die „Primärergänzungssteuer“, die „Sekundärergänzungssteuer“ oder die „nationale Ergänzungssteuer“. Es ist daher von besonderer Bedeutung, diese neuen Regelungen passgenau in das bestehende deutsche Unternehmenssteuerrecht einzufügen, welches ohnehin schon äußerst komplex ist – man denke nur an die Hinzurechnungsbesteuerung, Lizenzschranke, Zinsschranke etc.

DIHK-Fachtagung zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer am 16. Juni 2023 in Berlin

Die IHK-Organisation veranstaltet am 16. Juni 2023, 10 bis 15 Uhr, eine weitere Fachtagung zur neuen globalen Mindeststeuer, die bereits am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Die betroffenen Unternehmen sehen sich dabei erheblichen Problemen gegenüber, die inhaltlich begründet sind, die aber auch wegen der absehbar zu kurzen Umsetzungsfrist entstehen. Gemeinsam mit Experten/innen aus dem Bundesministerium der Finanzen, aus Unternehmen, Wissenschaft und Politik wollen wir über die Details der neuen Regelungen informieren und den sich konkret ergebenden Handlungsbedarf beziehungsweise die erforderlichen Umsetzungsschritte für Unternehmen erörtern.
Zugleich möchten wir mit Vortragenden und Tagungsteilnehmern gemeinsam beraten, wie die Regelungen des zurzeit vorliegenden BMF-Diskussionsentwurfs beziehungsweise des Mitte Juni wahrscheinlich vorliegenden Gesetzentwurfes im Verlauf des anschließenden Gesetzgebungsverfahrens verbessert und praxistauglich ausgestaltet werden können. Auch wollen wir diskutieren, wie die neuen Steuerregelungen widerspruchsfrei in das deutsche Steuersystem eingefügt werden können und welche weitergehenden Anpassungen erforderlich sind, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen am Standort Deutschland zu verbessern.

Programm

Die Fachtagung gliedert sich in insgesamt vier Themenblöcke:
  1. Regelungsgefüge der neuen Maßnahmen,
  2. ausgewählte Problembereiche (zum Beispiel Datenpunkte im Konzern, IT-Systeme, Steuerberechnung, Safe-Harbour, etc.),
  3. Verfahrensfragen (Erklärungspflichten, Bußgelder, Betriebsprüfung und Auswirkungen von rückwirkenden Änderungen, Rechtsschutzmöglichkeiten) und
  4. Zusammenspiel mit bestehenden Regelungen (zum Beispiel Hinzurechnungsbesteuerung etc.).
Es wird keine Gebühr für die Teilnahme an der DIHK-Fachtagung erhoben.
Wir würden uns über Ihr Interesse sehr freuen.
Das Programm der Fachtagung sowie ein Online-Anmeldeformular finden Sie auf unserer Website.

Veranstaltungshinweis: Arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Fallstricke beim e-work

Die nach der Corona-Pandemie neue Normalität des flexiblen Arbeitens sowie andere Gründe, wie die Gewinnung von Fachkräften im Ausland, der Wiedereintritt in die Arbeit nach dem Ur-laub vom Urlaubsort aus sowie allgemein die Vereinbarkeit von Beruf und Familie können für Unternehmen Gründe sein, ihren Mitarbeitenden das Arbeiten jenseits des eigenen Büros zu ermöglichen.
Doch was gibt es beim Thema Homeoffice zu beachten? Welche Möglichkeiten der Flexibilisie-rung der Arbeitszeit und der mobilen Arbeit bestehen? Können Mitarbeitende ins Homeoffice geschickt werden oder haben sie sogar einen Anspruch darauf? Wer trägt die Kosten der Aus-stattung und Einrichtung? Gibt es gar Kontrollen seitens der Behörden?
Im Rahmen der Gewährung von “Homeoffice” sind zwingende Vorkehrungen des Arbeitsrechts und auch des Datenschutzrechtes zu beachten. Dass bei internationalen Sachverhalten zu-dem steuerliche Fallstricke bis hin zu einer möglichen Veranlagung im Ausland drohen, wird dabei ebenfalls oft übersehen.
Mit unseren Referenten, Herrn Lars Behrendt und Herrn Prof. Dr. Daniel Graewe, haben wir für unsere Veranstaltung Experten gewinnen können, die Ihnen die gängigsten Problemfelder aufzeigen und Lösungsansätze für Ihr Unternehmen präsentieren.
Die Veranstaltung findet in Präsenz am 8. Juni 2023 von 15 bis 17 Uhr statt. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie in unserer Veranstaltungsdatenbank.
Endredaktion: Viola Friedrichs
Recht und Steuern

Steuerinfo April 2023

Zwei neue Entscheidungen des BFH zur Organschaft im Umsatzsteuerrecht

Erfordert die so genannte finanzielle Eingliederung die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft? Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig? Die Vorlage an den EuGH zu den Innenumsätzen könnte zur Gretchenfrage für die Unternehmen werden.
Die umsatzsteuerliche Organschaft war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, was deren rechtskonforme Anwendung für alle Beteiligten nicht immer vereinfacht hat. Auf zwei Vorlagen des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang Dezember 2022 in wegweisenden Entscheidungen reagiert. Der XI. Senat hat auf dieser Basis seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung in Bezug auf das Kriterium der Willensdurchsetzung geändert. Für den V. Senat ergeben sich neue Fragen zur Behandlung von Innenumsätzen. Die Entscheidung des EuGH werden die Unternehmen mit großer Spannung erwarten, da sie über die Zukunft der Organschaft entscheiden dürfte.
Zur Frage, wer Steuerpflichtiger der Organschaft ist, hatte der EuGH Anfang Dezember 2022 entschieden, dass grundsätzlich zwar die Mehrwertsteuergruppe (in Deutschland: Organschaft) der Steuerpflichtige ist. Gleichwohl könne auch ein Mitglied dieser Gruppe – nämlich wie in Deutschland vorgesehen ihr Organträger – zum einzigen Steuerpflichtigen für Mehrwertsteuerzwecke bestimmt werden. Geknüpft ist diese Ausnahme daran, dass der Organträger in der Lage sein muss, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen. Zudem darf daraus keine Gefahr von Steuerverlusten resultieren (Urteile C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022).
Der XI. Senat des BFH sieht im Entscheidungsfall beide Kriterien als erfüllt an. Eine Gefahr für das Steueraufkommen sei nicht gegeben, da die Organgesellschaft nach § 73 Abgabenordnung (AO) für die Umsatzsteuer des Organträgers hafte.
Hinsichtlich der Willensdurchsetzung ändert der BFH seine Rechtsprechung. Er sieht die finanzielle Eingliederung auch dann als gegeben an, wenn dem Gesellschafter zwar nur 50 Prozent der Stimmrechte zustehen. Allerdings sei die Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft dadurch gewährleistet, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. Die schwächere finanzielle Eingliederung werde durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung in Form der Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen ausgeglichen. Der Organträger könne seinen Willen in der laufenden Geschäftsführung durchsetzen und eine abweichende Willensbildung durch die 50 Prozent Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung verhindern (Rz. 37 des Urteils). Schwestergesellschaften können weiterhin allein keine Organschaft bilden (Rz. 38 des Urteils).
Nachdem der EuGH Anfang Dezember 2022 die Selbständigkeit der Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe / Organschaft hervorgehoben hat, steht die Frage nach der Steuerbarkeit der Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern (so genannte Innenumsätze) im Raum. Mit der aktuellen Vorlage des V. Senats des BFH soll dies nunmehr geklärt werden. Dabei unterscheidet der BFH,
  • ob entgegen der bisherigen BHF-Rechtsprechung sämtliche entgeltlichen Leistungen zwischen Organgesellschaft und Organträger steuerbar sind (siehe Vorlagefrage 1) und
  • ob dies zumindest dann der Fall ist, wenn es sich um Umsätze an einen Leistungsempfänger handelt, der nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da dann die Gefahr von Steuerverlusten bestehe (siehe Vorlagefrage 2).
Die Gefahr von Steuerverlusten besteht nach Ansicht des Senats, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger – wie im Vorlagefall – nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, da er steuerfreie Krankenhausleistungen erbringt. Im Fall der Steuerbarkeit der Innenumsätze werde die Umsatzsteuer für die Leistungen der Organgesellschaft beim Organträger definitiv, während sie bei der Nichtsteuerbarkeit der Umsätze gar nicht erst entstehe. Insoweit könne auch die Haftungsregelung des § 73 AO entsprechende Steuerverluste nicht vermeiden.
Seine Zweifel an der Nichtsteuerbarkeit stützt der V. Senat unter anderem auf die EuGH-Entscheidungen vom 1. Dezember 2022 sowie die dazu ergangenen Schlussanträge der Generalanwältin Medina.
Die Entscheidung des EuGH zum neuerlichen Vorlageverfahren wird die Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft bestimmen. Sollten Innenumsätze steuerbar sein, wird sie für das Gros der Unternehmen ihren Hauptnutzen – keine umsatzsteuerlich korrekten Rechnungen stellen zu müssen – verlieren. Die vielzitierten Besteuerungsvorteile nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigter Leistungsempfänger besteht für die meisten Organschafts-Konstellationen gerade nicht. Ein Antragsverfahren wird auch für diese Unternehmensgruppen noch wichtiger.

Studie des DMZ e.V. zur Einfuhrumsatzsteuer

In einer Studie, die durch das Deutsche Maritime Zentrum vergeben wurde, wurden die unterschiedlichen Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in einigen EU-Mitgliedstaaten untersucht. Ergebnis der Studie ist unter anderem, dass das aktuell in Deutschland praktizierte Erhebungsverfahren insbesondere gegenüber jenen Mitgliedstaaten einen Wettbewerbsnachteil bedeute, die ein sog. Verrechnungsmodell eingeführt haben. Ein solches Modell erlaubt es, die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung zu verrechnen. Dieses führt zur Schonung von Liquidität von Unternehmen. Deutschland hat ein solches Verfahren – anders als praktisch alle anderen EU-Mitgliedstaaten – noch nicht eingeführt. Aus diesem Grund setzt sich die Handelskammer Hamburg gemeinsam mit der übrigen IHK-Organisation seit Jahren für eine Reform des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer ein.  
Weitere Informationen erhalten Sie unter: Evaluierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer

Nachweis kürzerer Nutzungsdauer bei Immobilien

Ursprünglich hatte der BFH geurteilt, dass jede geeignete Möglichkeit des Nachweises einer kürzeren als die gesetzlich vorgegebene Nutzungsdauer zulässig sei. Dies schränkt das BMF nun ein wenig ein.
Dem BMF-Schreiben ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19, BFH/NV 2022,108) voraus, in dem der BFH klarstellte, dass sich Steuerpflichtige zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer als der bei Gebäuden gesetzlich unterstellten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)) jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall geeignet erscheint. Es müssten nur Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sein.
Seitens der Finanzverwaltung wurde diese Nachweismöglichkeit als teilweise zu weitgehend erachtet. Dem Vernehmen nach wurde befürchtet, dass die gesetzlich normierte Ausnahme des Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer zum Regelfall werden könne. Dementsprechend schlug das BMF im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 noch eine Streichung dieser Nachweismöglichkeit, einen Wegfall von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, vor. Aufgrund deutlicher Kritik aus wurde diese Streichung letztlich nicht vorgenommen. Das BMF „antwortet“ nunmehr mit einem BMF-Schreiben auf das oben genannte BFH-Urteil.
In dem BMF-Schreiben wird noch einmal der Grundsatz der Abschreibung von Gebäuden nach typisiert festen Abschreibungssätzen dargestellt. Je nach Gebäudebaujahr und -nutzung beträgt der Abschreibungssatz 2/2,5/3 oder 4 Prozent jährlich.
Die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer und damit die Inanspruchnahme von höheren Abschreibungssätzen wird in dem Schreiben ausführlich dargestellt. Das BMF weist darauf hin, dass in diesen Fällen der Steuerpflichtige in der Nachweispflicht beziehungsweise der Pflicht zur Glaubhaftmachung steht.
Hinsichtlich des Umstandes der Abbruchabsicht genügt nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht die bloße Nennung einer solchen Absicht. Vielmehr müssen Vorbereitungen zum Abbruch des Gebäudes schon angelaufen sein, beziehungsweise der Steuerpflichtige sich verbindlich zum Abbruch des Gebäudes verpflichtet haben.
Für den Fall, dass besondere Betriebsgebäude oder bestimmte Gebäudeteile vorliegen, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (zum Beispiel Hallen in Leichtbauweise, Ställe beziehungsweise Schuppen) kann gegebenenfalls auf die allgemeinen amtlichen AfA-Tabellen zurückgegriffen werden. Dies kann auch für Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten und ähnliches gelten.
Bei Gebäuden kann im Übrigen in begründeten Ausnahmefällen eine kürzere Nutzungsdauer anzunehmen sein. Als Kriterien benennt das Bundesministerium der Finanzen, wie auch schon der Bundesfinanzhof, den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes ist die Tragstruktur des Bauwerks (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer müssen Schäden der tragenden Teile die Nutzungsfähigkeit des Gebäudes in seiner Gesamtheit beeinträchtigen.
Eine wirtschaftliche Entwertung kann dann vorliegen, wenn das Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, das heißt, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, anderweitige Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.
Als Nachweismöglichkeiten stellt die Finanzverwaltung auf ein Bausubstanzgutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken ab. Die Übernahme einer kürzeren Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten sei kein geeigneter Nachweis im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Referentenentwurf des BMF zum Zukunftsfinanzierungsgesetz

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll der private Vermögensaufbau unterstützt und mehr privates Kapital für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und Digitalisierung mobilisiert werden. Eckpunkte dazu hatten das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) gemeinsam vorgelegt. Nun hat das BMF das Vorhaben mit dem Referentenentwurf für das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) auf den Weg gebracht.
Aus steuerlicher Sicht enthält der Gesetzentwurf im Wesentlichen Änderungen bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung:
So soll durch Änderungen in § 3 Nr. 39 EStG die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausgebaut werden. Der steuerliche Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG soll mit Wirkung ab 2024 von 1.440 Euro auf 5.000 Euro angehoben werden (§ 3 Nr. 39 Satz 1 EStG-E). Der Freibetrag soll zukünftig jedoch an die Zusätzlichkeitsvoraussetzung („zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“) geknüpft werden (§ 3 Nr. 39 Satz 2 EStG-E). Nach Auffassung des BMF unerwünschte Gestaltungen wie Entgeltumwandlungen sollen so vermieden werden.
Mit § 20 Abs. 4b EStG-E soll eine Haltefrist eingeführt werden, damit die steuerlich begünstigten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nicht ohne Verlust der Steuerfreiheit unmittelbar nach der Überlassung veräußert werden können. Demnach gehören die steuerfreien geldwerten Vorteile nicht zu den Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Gewinns bei den Kapitaleinkünften, wenn die Vermögensbeteiligung innerhalb von drei Jahren veräußert oder unentgeltlich übertragen wurde. Im Ergebnis wird dann Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent nicht nur auf einen etwaigen Veräußerungsgewinn, sondern auch auf den bisher steuerfrei belassenen Lohnanteil erhoben. Die Regelungen des § 20 Abs. 4b EStG sollen auch für Fälle gelten, in denen der Arbeitnehmer zu 1 Prozent oder mehr am Unternehmen des Arbeitgebers beteiligt ist (§ 17 Abs. 2a Satz 6 EStG).
Die Regelungen zur aufgeschobenen Besteuerung in § 19 a EStG sollen deutlich erweitert werden. Künftig soll nicht mehr auf den einfachen, sondern auf den doppelten KMU-Schwellenwert abzustellen sein. Die Unternehmen müssen danach weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen und dürfen einen Jahresumsatz von höchstens 100 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Millionen Euro erzielen (§ 19a EStG Abs. 3 EStG-E).
Der Zeitraum für die unschädliche KMU-Schwellenwert-Überschreitung soll von zwei auf sieben Jahre ausgedehnt werden. § 19a EStG kann demnach zukünftig angewendet werden, wenn die oben genannten Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten wurden. Der maßgebliche Gründungszeitpunkt des Unternehmens soll zukünftig bis zu 20 Jahre (bislang 12 Jahre) vor dem Beteiligungszeitpunkt liegen dürfen (§19a Abs. 3 EStG-E).
§ 19a EStG soll auf Fälle erweitert werden, in denen die Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von Konzerngesellschaften gewährt werden. Als Unternehmen des Arbeitgebers sollen dementsprechend zukünftig auch Unternehmen im Sinne des § 18 AktG gelten (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG-E).
Die finale Besteuerung des geldwerten Vorteils soll zukünftig nicht nach zwölf Jahren, sondern erst nach 20 Jahren erfolgen. Die Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts soll auch für Vermögensbeteiligungen gelten, die vor 2024 übertragen werden beziehungsweise wurden (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG-E).
Über einen neuen Absatz 4a in § 19a EStG-E soll die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung mit 25 Prozent geschaffen werden. Schuldner dieser pauschalen Lohnsteuer ist der Arbeitgeber. Eine Abwälzung auf den Arbeitnehmer soll bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen möglich sein.
Zur weiteren Entschärfung der sogenannten „dry-income“-Problematik soll eine neue optionale Haftungsregelung (§ 19a Abs. 4b neu EStG-E) eingeführt werden. Diese tritt auf, weil die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) bei den Arbeitnehmern führt, ohne dass ihnen liquide Mittel zugeflossen sind. Durch die Neuregelung findet für die Tatbestände „Ablauf von 20 Jahren“ und „Beendigung des Dienstverhältnisses“ (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG-E) keine Besteuerung mehr statt, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt. In diesen Fällen löst somit erst der spätere Tatbestand „Verkauf“ eine Besteuerung aus (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG-E). Die Erklärung des Arbeitgebers soll mit der Lohnsteuer-Anmeldung erfolgen.

Bundesverfassungsgerichtsvorlage zur Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung von Neuregelungen zum Unterschiedsbetrag bei der Tonnagesteuer

Mit Beschluss vom 24. November 2022 (Aktenzeichen 6 K 68/21) hat der 6. Senat des Finanzgerichts Hamburg das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, um die Verfassungsmäßigkeit von § 52 Abs. 10 S. 4 EStG überprüfen zu lassen. Das Finanzgericht Hamburg ist der Ansicht, dass diese Regelung eine unzulässige echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) von § 5a Abs. 4 S. 5, 6 und 7 EStG sei. Diese Regelung gehe zu Lasten der Steuerpflichtigen und habe keine Rechtfertigung. Hintergrund dieses Beschlusses ist eine Klage gegen einen Feststellungsbescheid des Finanzamtes wegen eines Unterschiedsbetrags, der wegen eines Rückwechsels einer Schiffsgesellschaft von der Gewinnermittlung nach der Tonnage (§ 5a EStG) zur normalen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensausgleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG) geltend gemacht wurde.
Den Volltext des Beschlusses finden Sie unter: www.landesrecht-hamburg.de

Urteil des Finanzgerichts Hamburg zum gewerblichen Grundstückshandel

(16.01.2023- 5 K 89/22)

Der 5. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat entschieden, dass ein gewerblicher Grundstücksmangel mangels nachhaltiger Tätigkeit nicht vorliegt, wenn nur ein Objekt (im Fall ein Einzelhandels-Kaufhaus) erworben, saniert und später veräußert wird. Der Umfang darf nicht über das hinaus gehen, was beim Bau eines jeden Gebäudes erforderlich ist.
In der Entscheidung geht es um eine (erweiterte) Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Der Antrag auf diese Kürzung kann bis zur Rechtskraft des Gewerbesteuermessbetragsbescheid beantragt werden.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie unter: www.landesrecht-hamburg.de

Mehrwertsteuer: Klarstellendes Urteil für Plattformbetreiber

Im Ausgangsverfahren vor einem Gericht des Vereinigten Königreichs ging es um die Frage, ob der Betreiber eines sozialen Netzwerks (Fenis International), der Kunden und Service-Anbieter auf seiner Plattform (OnlyFans) für Geschäftsabschlüsse zusammenbringt, der Finanzverwaltung die 20-prozentige Mehrwertsteuer lediglich auf seine Kommission (ebenfalls 20 Prozent) schulde oder auf den gesamten Rechnungsbetrag. Der britische Fiskus hatte die Durchführungsverordnung des Rates der EU (1042/2013), die die MwSt-Systemrichtlinie konkretisiert, so ausgelegt, dass die Fenis International die Steuer auf den Gesamtbetrag abführen müsse. Diese wehrte sich dagegen unter anderem mit dem Argument, dass der jeweilige Kunde selbständig handele und folglich Schuldner des Mehrwertsteuerbetrages sei. Falls der Rat der EU die Mehrwertsteuerpflicht zu ihren Ungunsten weit auslege, habe er bei der Schaffung der Norm seine Kompetenzen überschritten.
Dem ist der Europäische Gerichtshof nicht gefolgt. Mit dem Urteil vom 28. Februar 2023 wird klargestellt: Eine steuerbare Person, die - wie die Plattform im zu entscheidenden Fall – im Rahmen eines Dienstleistungsaustauschs im eigenem Namen (als „OnlyFans“), aber auf fremde Rechnung handelt, gilt als Erbringer der Dienstleistung i. S. der MwSt-Systemrichtlinie. Und die Durchführungsverordnung gestalte diese Pflicht insofern weiter aus, als sie vermute, derjenige, welcher diesen Austausch über seine Plattform vermittelt, handele im eigenen Namen, aber auf Rechnung des tatsächlichen Erbringers der Dienstleistung. Das gelte zumindest dann, wenn die Plattform weitere Leistungen erbringe, wie die Rechnungslegung gegenüber dem Kunden und/oder die Formulierung der Bedingungen, zu denen der Leistungsaustausch stattfindet.
Der Rat der EU habe beim Erlass der Durchführungsverordnung und bei der Aufstellung der gesetzlichen Vermutung seine Kompetenzen nicht überschritten.

Umsatzsteuer-Umrechnungskurse

Die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse werden jeden Monat vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht. Diese finden Sie unter: www.ihk.de/hamburg/ 

Einführung der globalen Mindeststeuer zum 1. Januar 2024

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 20. März 2023 den lang erwarteten Diskussionsentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung von großen Unternehmen veröffentlicht. Der Entwurf basiert auf den entsprechenden Ausarbeitungen des OECD/Inclusive Framework und den Vorgaben der EU-Richtlinie vom 14. Dezember 2022. Geplant ist, dass bereits im Juni 2023 das Gesetzgebungsverfahren mit der offiziellen Vorlage eines Referentenentwurfs eingeleitet wird.
Mit dem weltweit unter über 140 Staaten abgestimmten Vorhaben wird ein zusätzliches, neues Besteuerungssystem für große Unternehmensgruppen geschaffen, welches als GloBE (Global Anti-Base Erosion Rules) bekannt ist. Ziel ist es, eine Mindeststeuerbelastung von 15 Prozent für große Unternehmensgruppen herzustellen. Hierzu werden Unternehmenseinheiten, die in ausländischen Staaten einer Steuerbelastung unterhalb von 15 Prozent unterliegen, zum Beispiel im Sitzstaat der Konzernmutter einer zusätzlichen Besteuerung unterworfen.
Der nunmehr vorgelegte Diskussionsentwurf für ein „Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union“ (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) enthält in Artikel 1 die hierzu erforderlichen Regelungen zur Einführung der globalen Mindeststeuer in Deutschland. Das neue Steuersystem wird nicht in das bestehende Unternehmenssteuerrecht (EStG/KStG) eingefügt, vielmehr wird mit dem „Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz - MinStG)“ ein eigenständiges Besteuerungssystem geschaffen.
Die Umsetzung der GloBE in Deutschland stellt die betroffenen Unternehmen vor große Probleme, da sie bis zum 1. Januar 2024 die komplexen Prozesse zur Datenerfassung, -aufbereitung und Erklärung konzernweit implementieren müssen. Dieses ist jedoch angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie und der Notwendigkeit, neue IT-Strukturen zu entwickeln, kaum möglich. Gleiches gilt für die Finanzverwaltungen, die das neue Steuerverfahren administrieren müssen.
Das neue Besteuerungssystem sieht zudem eine Vielzahl an neuen Begrifflichkeiten und Regelungsinstrumenten vor. Genannt seien hier nur die „Primärergänzungssteuer“, die „Sekundärergänzungssteuer“ oder die „nationale Ergänzungssteuer“. Es ist daher von besonderer Bedeutung, diese neuen Regelungen passgenau in das bestehende deutsche Unternehmensteuerrecht einzufügen, welches ohnehin schon äußerst komplex ist – man denke nur an die Hinzurechnungsbesteuerung, Lizenzschranke, Zinsschrank etc.
Um Unternehmen bei der Implementierung der notwendigen Maßnahmen zu unterstützen und Lösungen für eine passgenaue Eingliederung des neuen Besteuerungsregimes in das deutsche Steuerrecht zu diskutieren, wird die IHK-Organisation am 16. Juni 2023 in Berlin eine Fachtagung zu den konkreten Detailfragen veranstalten. Das Programm der Fachtagung sowie ein Online-Anmeldeformular werden in Kürze auf der Website (www.dihk.de) abrufbar sein. Eine Anmeldung ist erforderlich.

UN-Resolution zu Steuern

Die EU-Kommission hat sich an der Konsultation der Vereinten Nationen über Steuerfragen beteiligt. Sie hat sich überwiegend kritisch geäußert sowie vor doppelten Bemühungen und Standards auf internationaler Ebene gewarnt.
Die EU-Stellungnahme ist ein Beitrag zur öffentlichen Befragung der UN-Generalversammlung mit dem Titel "Promotion of inclusive and effective international tax cooperation at the United Nations". Zwar erkennt die EU die Rolle der Vereinten Nationen für die Beförderung der internationalen steuerlichen Zusammenarbeit an. Sie weist aber zugleich darauf hin, dass die OECD, in der die hochentwickelten Wirtschaftsnationen zusammengeschlossen sind, bei der Steuerkooperation bereits wesentliche Standards, zum Beispiel durch die Erschaffung ihrer Zwei-Säulen-Lösung, gesetzt haben. Diese Reformvorhaben verdienten Unterstützung auch durch Organe der UN. Eine Doppelung von Reformversuchen und von nicht-aufeinander abgestimmten Verpflichtungen sollte vermieden werden. Im Gegensatz zu Kritikern, die eine Nichtberücksichtigung der Interessen weniger entwickelter Länder im Reformprozess bemängeln, sieht die EU diese Staaten als wirksam beteiligt an. Das Problem von doppelten Steuer-Standards und nicht aufeinander abgestimmten Regeln ist, dass sie die Kosten für Unternehmen in die Höhe treiben.
Vor wenigen Monaten hat der Ausschuss der UN-Generalversammlung den Weg für eine Reform der globalen Steuerpolitik geebnet. Die von ihm vorbereitete Resolution soll die internationale Steuerarchitektur weiterentwickeln. Vor knapp achtzig Jahren wurden die Vereinten Nationen in der Nachfolge des Völkerbundes gegründet. Allerdings gründeten die wirtschaftlich am weitesten entwickelten Staaten zwanzig Jahre später die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und bestimmten sie zum Standardsetzer – auch in Fragen des Steuerrechts. In der Folge haben sich Bemühungen seit den 1990er Jahren, ein wirklich globales Steuergremium bei den Vereinten Nationen einzusetzen, nicht durchsetzen können. Gleiches könnte mit dem aktuellen Versuch geschehen, eine UN-Steuerkonvention auszuhandeln.

Veranstaltungshinweis: „Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce“

Am 24. Mai 2023 von 10 bis 11:30 Uhr findet ein kostenloses Webinar der Handelskammer Hamburg zum Thema „Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce“ statt. Das Webinar gibt einen Überblick über die grundlegenden Vorschriften und klassischen Problemkreise sowohl beim elektronischen Warenhandel als auch bei elektronisch erbrachten Dienstleistungen. Dabei finden die Vorschriften des “Mehrwertsteuer-Digitalpakets” für Onlinehändler und Online-Marktplätze besondere Beachtung. Auch umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit den neuen Meldepflichten für digitale Plattformen (DAC7) sowie Transaktionen im Metaverse werden beleuchtet. Erläuterungen zum Richtlinienentwurf “VAT in the Digital Age” (ViDA) runden das Thema ab.
Endredaktion: Viola Friedrichs
Recht und Steuern

Steuerinfo März 2023

Umsatzsteuer: Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen

Seit 1. Januar 2023 gilt für die Lieferung und Installation bestimmter Photovoltaikanlagen ein so genannter Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer. Die Neuregelung hat bei Unternehmen und Kunden zu vielen Fragen geführt. Welche Anlagen fallen darunter? Welche damit in Zusammenhang stehende weitere Arbeiten werden auch begünstigt besteuert? 
Der neue § 12 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) legt für die Lieferung und Installation bestimmter Solarmodule einschließlich weiterer „wesentlicher Komponenten“ an den Betreiber einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) eine Umsatzsteuer von Null (0) Prozent fest. Der neue Nullsteuersatz bedeutet, dass bei entsprechenden Umsätzen keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wird, gleichwohl kann der Lieferant beziehungsweise Installateur den Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsleistungen, wie zum Beispiel aus dem Einkauf von Solarmodulen, geltend machen. Sie muss also nicht eingepreist werden. Dieses für Deutschland völlig neue System hat bei den betroffenen Unternehmen in der praktischen Anwendung zu einer Vielzahl von Fragen geführt. Das Bundesfinanzministerium erläutert im Anwendungsschreiben vom 27. Februar 2023 die Neuregelung. Die Ausführungen fließen in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) ein.
Die Lieferung einer PV-Anlage umfasst auch so genannte Nebenleistungen. In Abschnitt 12.18 Abs. 1 UStAE werden unter anderem die Übernahme der Anmeldung in das Marktstammdatenregister (MaStR), die Bereitstellung von Software zur Steuerung und Überwachung der Anlage, die Montage von Zweirichtungszählern wie auch die Bereitstellung von Gerüsten, Lieferung von Befestigungsmaterial oder unter Umständen auch die Erneuerung eines Zählerschranks als mögliche Nebenleistungen aufgeführt, die unter den Nullsteuersatz fallen können.
Auch für die Lieferung so genannter Aufdachphotovoltaikanlagen durch einen Bauträger soll die Neuregelung gelten. Selbst wenn der Bauträger auch das Gebäude liefert, auf dem sich die Anlage befindet, wird eine eigenständige Lieferung der Anlage angenommen, was die Anwendung des Nullsteuersatzes ermöglicht, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 1 S. 5f UStAE.
Leasing- und Mietkaufverträge sind je nach Vertragsgestaltung als Lieferung oder sonstige Leistung einzustufen. Die Vermietung von PV-Anlagen wird explizit vom Anwendungsbereich der Regelung ausgeschlossen (Abschnitt 12.18 Abs. 1 Satz 7 UStAE).
Die Lieferung muss zudem unmittelbar an den Betreiber der PV-Anlage erfolgen. Lieferungen innerhalb einer Lieferkette, zum Beispiel an Zwischenhändler, Leasinggeber oder Mietkäufer, unterliegen dem Regelsteuersatz (Abschnitt 12.18 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Der Begriff des Betreibers wird in Abschnitt 12.18 Abs. 2 UStAE erläutert. Betreiber einer PV-Anlage sind natürliche Personen, juristische Personen oder Personenzusammenschlüsse, die dem Grunde nach zum Leistungszeitpunkt als Betreiber der jeweiligen Anlage im MaStR registrierungspflichtig sind oder voraussichtlich werden. Dabei soll es weder auf die tatsächliche Einspeisung oder Förderung nach dem EEG noch auf die Unternehmereigenschaft des Betreibers ankommen, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 2 UStAE.
Der Nullsteuersatz ist auf PV-Anlagen beschränkt, die auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Die Finanzverwaltung gibt Beispiele und Abgrenzungshilfen zur Unterscheidung zwischen einer begünstigten beziehungsweise nicht begünstigten Gebäudenutzung. Bei gemischter Nutzung sei grundsätzlich von einem begünstigten Gebäude auszugehen. Auch Container sollen als Gebäude im Sinne der Regelung in Betracht kommen.
Die Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage lt. MaStR maximal 30 kW (peak) beträgt (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG). Die Finanzverwaltung stellt klar, dass diese Vereinfachungsregelung nicht für die Beurteilung der Betreibereigenschaft gilt. Bei einer späteren Erweiterung ist die Vereinfachungsregelung nicht anwendbar, wenn Alt-Anlage zuzüglich Erweiterung zum Überschreiten der 30 kW-Grenze führt; bezüglich der Alt-Anlage ändert sich dadurch allerdings nichts, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 5 UStAE.
Lieferanten und Installateure von PV-Anlagen müssen künftig unterscheiden, ob es sich um entsprechende Anlagen handelt, für die der Nullsteuersatz anzuwenden ist oder nicht. Aufgrund der 30 kW-Vermutungsregelung müssen sie sich in diesen Fällen nicht beim Erwerber über die Nutzungsart des Gebäudes informieren. Allerdings sieht das BMF-Schreiben in Abschnitt 12.18 Abs. 6 UStAE die Pflicht zur Nachweisführung vor. Eine Erklärung des Erwerbers soll dafür ausreichend sein. Darin soll bestätigt werden, dass er Betreiber der PV-Anlage ist und es sich entweder um ein begünstigtes Gebäude handelt oder die installierte Bruttoleistung der Anlage laut MaStR die 30 kW-Grenze nicht übersteigen wird. Für PV-Anlagen mit einer maximalen Leistung von 600 Watt entfällt die Nachweispflicht, sofern es sich dabei nicht um Lieferungen durch Hersteller beziehungsweise im Großhandel handelt.
Neben den Solarmodulen umfasst die Neuregelung auch die Lieferung „wesentlicher Komponenten“ und Speicher, die dazu dienen, den erzeugten Strom zu speichern. Hierzu sowie zu deren Installation enthält das BMF-Schreiben weitere Erläuterungen und Beispiele zur Klärung von Abgrenzungsfragen in Abschnitt 12.18 Abs. 7 bis 10 UStAE.
Die Einführung des Nullsteuersatzes soll für die Betreiber zu einer Bürokratieentlastung führen. Der Anlagenbetreiber muss künftig nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, um sich die bislang anfallende Umsatzsteuer von 19 Prozent als Vorsteuer zurückzuholen. Dies bedeutet aber auch, dass er für mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, wie jeder andere Unternehmer Umsatzsteuererklärungen abzugeben.
Die Regelungen des Anwendungsschreibens sind erstmalig auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 bewirkt werden. Es wird nicht beanstandet werden, wenn die Vorschriften bei Leasing- oder Mietkaufverträgen über den Teil des Entgelts, der auf zusätzliche Serviceleistungen entfällt, erst ab dem 1. April 2023 angewendet werden.
Der gesamte Text des Schreibens steht auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.

Anwendung von BMF-Schreiben

Mit Schreiben vom 10. März 2023 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium mehrere Anlagen, u.a. die aktuelle sog. Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder mit Stand 9. März 2023. Darin sind die aktuellen BMF-Schreiben enthalten, die mit Erscheinungsdatum, dem Aktenzeichen, der Fundstelle sowie dem Betreff aufgeführt sind. Diese Listen können dazu beitragen, sich über die Aktualität der BMF-Schreiben zu informieren.
Hinweis: Das BMF-Schreiben vom 10. März 2023 und die dazugehörigen Anlagen können Sie direkt von der Webseite des BMF abrufen.

Steuerfreie Zahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Durch ein BMF-Schreiben ist eine Nichtbeanstandungsregelung geschaffen worden, so dass Arbeitgeber in Abweichungsfällen, die eine gewisse Betragsgrenze nicht übersteigen, keine Korrektur- und Anzeigepflichten i. S. d. § 41c Einkommensteuergesetz treffen.
Arbeitnehmende, die sich - ohne krank zu sein - auf Anordnung des Gesundheitsamts als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in Quarantäne begeben müssen oder einem Tätigkeitsverbot unterliegen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls im Regelfall eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Absatz 1 IfSG).
Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern bis zum 12. Lebensjahr oder Kindern mit Behinderung diese selbst betreuen, erhalten sie ebenfalls eine Entschädigung für den dadurch bedingten Verdienstausfall (§ 56 Abs. 1a IfSG).
Die Verdienstausfallentschädigungen sind steuerfrei (§ 3 Nr. 25 EStG). Das gilt sowohl beim Lohnsteuerabzug als auch bei der anschließenden Steuererklärung. Die Zahlungen unterliegen aber dem steuererhöhenden Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. Buchst. e EStG).
Die Verdienstausfallentschädigungen werden zunächst vom Arbeitgeber ausgezahlt und anschließend auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet. Bei der Rückerstattung treten aber immer wieder lohnsteuerliche Differenzen und Schwierigkeiten auf. Mit Verzögerung hat die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 25. Januar 2023 dazu ausführlich Stellung genommen und eine Bagatellregelung für die Jahre 2020 bis 2023 getroffen, soweit der Lohnsteuerabzug zu gering ausgefallen ist.
Die Zahlung einer Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz ist nach § 3 Nummer 25 EStG steuerfrei. Behält der Arbeitgeber zu viel Lohnsteuer ein, unterliegt er in der Regel keiner lohnsteuerlichen Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt. Insbesondere liegt kein Fall der sogenannten haftungsbefreienden Anzeige des Arbeitgebers nach § 41c Absatz 4 EstG vor, da zu viel und nicht zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurde. Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitgeber zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer daher nur im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung geltend machen (H 41c.1 Erstattungsantrag) LStH).
Soweit der Lohnsteuerabzug zu gering ausgefallen ist („unzutreffende Steuerfreistellung“), sieht das BMF-Schreiben drei Möglichkeiten vor:
Fordert der Arbeitgeber eine zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung zurück, mindert der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die für das Kalenderjahr zu bescheinigenden Leistungen. Übersteigt der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die entsprechenden Leistungen, so ist der Negativbetrag mit Minuszeichen unter Nummer 15 der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.
Verzichtet der Arbeitgeber auf die Rückforderung, so hat der Arbeitgeber seinem Betriebsstättenfinanzamt die betroffenen Fälle unter Angabe der persönlichen Daten der Beschäftigten sowie der zutreffenden Werte unverzüglich schriftlich anzuzeigen (§ 41c Abs. 4 EStG, R 41c.2 LStR). Hierfür kann der unter http://www.formulare-bfinv.de eingestellte Vordruck "Anzeige über nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug" genutzt werden. Die Richtigstellung erfolgt dann regelmäßig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Das Finanzamt wird die fehlende Steuer also als Nachzahlung oder als Minderung einer eventuellen Einkommensteuererstattung einfordern. Ausnahmsweise kommt auch ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid in Betracht.
Sofern die Differenz zwischen der dem/der Beschäftigten gezahlten Verdienstausfallentschädigung und der dem Arbeitgeber bewilligten Erstattung 200 Euro pro Quarantänefall nicht übersteigt, hat die Finanzverwaltung nun eine Bagatellregelung erlassen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber von seiner Anzeigepflicht absehen. Insoweit haftet er auch nicht für die nicht einbehaltene Lohnsteuer. Auch eine Korrektur der unzutreffenden Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Beschäftigten unterbleibt. Nachforderungsbescheide werden ebenfalls nicht verschickt.

BMF: Nähere Erläuterungen zur Abschreibungsdauer bei Gebäuden

Mit Schreiben vom 22. Februar 2023 hat sich das BMF ausführlich dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen und vor allem mit welchen Nachweisen die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer – respektive höheren jährlichen Abschreibung – bei Gebäuden möglich ist.
Dem BMF-Schreiben ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19, BFH/NV 2022,108) voraus, in dem der BFH klarstellte, dass sich Steuerpflichtige zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer als der bei Gebäuden gesetzlich unterstellten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)) jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall geeignet erscheint. Es müssen nur Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sein.
Seitens der Finanzverwaltung wurde diese Nachweismöglichkeit als teilweise zu weitgehend erachtet. Dem Vernehmen nach wurde befürchtet, dass die gesetzlich normierte Ausnahme des Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer zum Regelfall werden könne. Dementsprechend schlug das BMF im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 noch eine Streichung dieser Nachweismöglichkeit, einen Wegfall von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, vor. Aufgrund deutlicher Kritik aus der Wirtschaft wurde diese Streichung letztlich nicht vorgenommen. Das BMF „antwortet“ nunmehr mit einem BMF-Schreiben auf das oben genannte BFH-Urteil.
In dem BMF-Schreiben wird noch einmal der Grundsatz der Abschreibung von Gebäuden nach typisiert festen Abschreibungssätzen dargestellt. Je nach Gebäudebaujahr und -nutzung beträgt der Abschreibungssatz 2/2,5/3 oder 4 Prozent jährlich.
Die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer und damit die Inanspruchnahme von höheren Abschreibungssätzen wird in dem Schreiben ausführlich dargestellt. Das BMF weist darauf hin, dass in diesen Fällen der Steuerpflichtige in der Nachweispflicht beziehungsweise der Pflicht zur Glaubhaftmachung steht.
Hinsichtlich des Umstandes der Abbruchabsicht genügt nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht die bloße Nennung einer solchen Absicht. Vielmehr müssen Vorbereitungen zum Abbruch des Gebäudes schon angelaufen sein beziehungsweise der Steuerpflichtige sich verbindlich zum Abbruch des Gebäudes verpflichtet haben.
Für den Fall, dass besondere Betriebsgebäude oder bestimmte Gebäudeteile vorliegen, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (zum Beispiel Hallen in Leichtbauweise, Ställe beziehungsweise Schuppen) kann gegebenenfalls auf die allgemeinen amtlichen AfA-Tabellen zurückgegriffen werden. Dies kann auch für Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten und ähnliches gelten.
Bei Gebäuden kann im Übrigen in begründeten Ausnahmefällen eine kürzere Nutzungsdauer anzunehmen sein. Als Kriterien benennt das Bundesministerium der Finanzen, wie auch schon der Bundesfinanzhof, den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes ist die Tragstruktur des Bauwerks (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer müssen Schäden der tragenden Teile die Nutzungsfähigkeit des Gebäudes in seiner Gesamtheit beeinträchtigen.
Eine wirtschaftliche Entwertung kann dann vorliegen, wenn das Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, das heißt wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, anderweitige Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.
Als Nachweismöglichkeiten stellt die Finanzverwaltung auf ein Bausubstanzgutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken ab. Die Übernahme einer kürzeren Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten sei kein geeigneter Nachweis im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Hamburger FAQs zu steuerlichen Hilfsmaßnahmen

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat ihre FAQs zu den steuerlichen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie aktualisiert. In den FAQs wird nun klargestellt, dass wenn eine Arbeitskraft nur pandemiebedingt vorübergehend im Homeoffice arbeitete, durch diese Homeoffice-Tätigkeit regelmäßig keine neue Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründet. Dieses gelte unabhängig von der Funktion der Arbeitskraft im Unternehmen, dem 
Umfang ihrer Befugnisse oder der Art der von ihr ausgeübten Tätigkeit. Aus der Pandemie folgende Anweisungen des Arbeitgebers, vorübergehend im Homeoffice zu arbeiten, könnten aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Situation nicht dahingehend verstanden werden, dass der Arbeitgeber Verfügungsmacht über entsprechend genutzte Räumlichkeiten der 
Arbeitskraft erlangte oder dort eine „gewöhnliche“ Ausübung von Tätigkeiten im Sinne des Artikel 5 Absatz 5 OECD-Musterabkommen stattfand.
Zu beachten ist das Adjektiv “regelmäßig”, welches vermuten lässt, dass die Auslegung der Finanzverwaltung im Einzelfall auch anders ausfallen kann. Zudem ist die Auslegung nur auf Sachverhalte anzuwenden, die im Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. Juni 2022 verwirklicht wurden.
Neben redaktionellen Änderungen enthalten die FAQs weitere Ergänzungen zum Thema Homeoffice. Zudem werden einige Maßnahmen im Gemeinnützigkeitssektor verlängert. Details entnehmen Sie bitte den FAQs.

Hindernisse für Unternehmen im Binnenmarkt

Die Studie des Europäischen Parlaments "Overview on the tax compliance costs faced by European enterprises – with a focus on SMEs" vom 22. Februar ermittelte die steuerlich induzierten Kosten, welche privaten Unternehmen – grenzüberschreitend tätig oder nicht – entstehen, die entweder in einem der 27 EU-Mitgliedstaaten oder im ehemaligen Mitglied Vereinigtes Königreich niedergelassen sind.
Die Kosten für das Befolgen von Steuerregeln steigen mit der Unternehmensgröße – wenn auch nicht proportional – und reichen von knapp 13.900 Euro für die Gruppe der Kleinstunternehmen bis zu gut 33.900 Euro für große Unternehmen. Die Untersuchung hat kleine und mittlere Unternehmen besonders in den Blick genommen und stellt gut funktionierende Steuersysteme in der EU ("best practices") besonders heraus. Deutschland befindet sich mehrfach nur auf einem der hinteren Plätze: Mit einer Bearbeitungszeit, ausgelöst durch Steuerbürokratie, pro Unternehmen von mehr als 200 Stunden im Jahr findet sich das Land im letzten Drittel wieder. Beim Körperschaftsteuer-Regelsatz liegt es mit 29,8 Prozent sogar auf dem letzten Platz.
In diesem Zusammenhang legt die Studie dar, dass jede – schrittweise oder zumindest teilweise – Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage, wie sie jetzt erneut mit dem BEFIT-Projekt der EU-Kommission über Unternehmenssteuern verfolgt wird, die jährlichen Befolgungskosten senkt. Weniger kostensenkend wirken sich demgegenüber solche Steuerreformen aus, die entweder nur Mindeststandards setzen, über welche die Staaten hinausgehen können oder solche, die der nationale Ebene (zahlreiche) Ausnahmen erlauben. Auch Regeln, die nur auf eine kleine Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern Anwendung finden, schöpfen das Potenzial zur Reduzierung von Komplexität und Kosten nicht annähernd aus.

Inflation Reduction Act der USA

Mit dem Inflation Reduction Act, kurz IRA, haben die USA ein 738 Milliarden Dollar schweres Investitionsprogramm aufgesetzt, welches neben Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und einer Neuausrichtung der US-amerikanischen Wirtschaft auf erneuerbare Energien auch umfassende steuerliche Neuregelungen vorsieht. Auf besondere Kritik aus Deutschland und Europa stießen dabei insbesondere Steueranreize in Höhe von voraussichtlich 270 Milliarden US-Dollar, welche teilweise an den Erwerb von Produkten aus US-amerikanischer Produktion geknüpft sind.
Gegenstand der Kritik sind u.a. die weitreichenden Lokalisierungspflichten bei Förderprogrammen: So wird die Steuergutschrift in Höhe von 7.500 US-Dollar für die Anschaffung neuer Elektrofahrzeuge nur dann gewährt, wenn eine Endmontage in den USA und eine Verwendung von US-amerikanischen Batterierohstoffen erfolgte. Diese Restriktionen stellen einen Verstoß gegen Welthandelsregeln dar und benachteiligen deutsche Unternehmen im Wettbewerb. Zudem könnten diese langfristig Europa und dem Industriestandort Deutschland schaden, da Unternehmen zunehmend mit Produktionsverlagerungen in die USA reagieren.
Bei Ihren Gesprächen in Washington am 10. März 2023 hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zumindest einen kleinen Durchbruch erzielt: So sei man übereingekommen, dass zum Beispiel zeitnah die konkreten Verhandlungen über ein Abkommen zu kritischen Mineralien für E-Autos und Batterien beginnen könnten. 
Zur Gegenfinanzierung der Ausgabenprogramme wird eine 15-prozentige Mindeststeuer für große Kapitalgesellschaften und eine 1-prozentige Steuer auf den Erwerb eigener Anteile eingeführt.
  • Corporate Alternative Minimum Tax (Corporate AMT)
    In den USA ansässige Unternehmen unterliegen für Steuerjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 beginnen, einer „Corporate Alternative Minimum Tax“ (oder auch „Book Minimum Tax“, BMT). Voraussetzung ist, dass das auf Grundlage des modifizierten US-GAAP-Abschlusses ermittelte „adjusted financial statement income“ (AFSI) bezogen auf einen Dreijahreszeitraum mehr als 1 Milliarde US-Dollar beträgt. Zulässig ist ein Abzug von Verlustvorträgen von maximal 80 Prozent des AFSI. Der Steuersatz beträgt 15 Prozent. Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, sofern diese die Summe aus regulärer Steuerschuld und sogenannten BEAT übersteigt. Mit der Base Erosion and Anti-Abuse Tax (BEAT) werden steuerliche Gewinnminderungen eingeschränkt, die entstehen, wenn US-Unternehmen Zahlungen ins Ausland tätigen. Sofern eine Corporate AMT erhoben wird, kann diese als sogenannte "tax credit" (Steuergutschriften) in den Folgejahren auf die reguläre Steuer angerechnet werden. Hierdurch sollen circa 222 Milliarden US-Dollar Steuermehreinnahmen in den kommenden zehn Jahren ausgelöst werden.
  • Excise tax bei Anteilsrückkäufen
    Mit Blick auf den exponentiellen Anstieg von Anteilsrückkäufen in den vergangenen Jahren wurde für in den USA ansässige, börsennotierte Unternehmen eine Steuer auf den Rückkauf von eigenen Anteilen ab dem 1. Januar 2023 eingeführt. Der Steuersatz beträgt 1 Prozent auf Basis des Marktwertes. Das Steuermehraufkommen wird auf ca. 74 Milliarden US-Dollar für zehn Jahre geschätzt.
Zugleich soll durch umfangreiche steuerliche Fördermaßnahmen mit einem Volumen von ca. 270 Milliarden US-Dollar (zehn Jahre) eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 60 Prozent (Bezugszeitraum 2005) bewirkt werden. Hierzu wurden verschiedene „tax credits“ neu eingeführt beziehungsweise erweitert. Diese sind regelmäßig mit einer „Direct pay-Option“ versehen, so dass anstelle einer Anrechnung auf die Steuerschuld eine direkte Erstattung wahlweise möglich ist. Diese können zudem gegen eine Geldzahlung steuerneutral (einmalig) auf einen Erwerber übertragen werden, der als anspruchsberechtigt gilt.
  • Förderung von Elektrofahrzeugen und Batterien
    Der bislang schon bestehende „Qualified Plug-in Electric Drive Motor Vehicle Credit“ nach IRC Sec 30D (kurz: Clean Vehicle Credit) wurde durch den IRA um eine weitere Anforderung ergänzt:
  • Für neue Elektro-, Brennstoffzellen- und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge ist eine Endmontage (final assembly point) in Nordamerika (USA, Puerto Rico, Kanada, Mexiko) erforderlich. Zudem gelten für Fahrzeuge, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen werden, aktualisierte Richtlinien des IRS.
  • Die Gewährung des tax credit (gesamt: 7.500 US-Dollar) ist dabei von weiteren, batteriespezifischen Faktoren abhängig: Ein Teilbetrag in Höhe von 3.750 US-Dollar erfordert, dass mindestens 40 Prozent (ansteigend auf 80 Prozent ab 2026) der kritischen Batteriemineralien aus den USA oder Länder stammen, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen geschlossen haben. Mit der EU existiert kein Freihandelsabkommen.  Der verbleibende Teilbetrag von 3.750 US-Dollar ist davon abhängig, dass mindestens 50 Prozent (ansteigend auf 100 Prozent nach 2028) des Wertes der Batteriekomponenten in Nordamerika (siehe oben) hergestellt oder montiert werden. Damit sollen die nationalen Wertschöpfungsketten für Batterien gestärkt und Abhängigkeiten von ausländischen Zulieferern verringert werden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Streitigkeiten mit der EU-Kommission wegen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen hatte das US-Finanzministerium unlängst eine Neuregelung avisiert. Demzufolge sollen als Gewerbefahrzeuge, die weniger strengen Anforderungen unterliegen, auch solche Fahrzeuge gelten, die von Leasinggesellschaften gekauft und auch an Privatkunden verleast werden. Leasinggesellschaften kämen dann in den Genuss des tax credit und könnten diesen an private Leasingnehmer weitergeben. Hiergegen haben jedoch die Republikaner Widerstand angekündigt.
  • Maßnahmen zur Förderung der klimafreundlichen Transition der US-Wirtschaft
    Das Gesetz sieht eine zehnjährige Verlängerung der bestehenden Steuergutschriften für Wind- und Solarenergie sowie für autonome Energiespeicher, Dachsolaranlagen und Wärmepumpen vor. Außerdem enthält der IRA Steueranreize für erneuerbare Energien für Technologien der nächsten Generation wie sauberen Wasserstoff und fortschrittliche Kernkraft.
Mit einem „Production Tax Credit“ in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar für die nächsten fünf Jahre werden Unternehmen, die saubere Energien herstellen, darunter Solarzellen, Windturbinen, Batterien und die Verarbeitung wichtiger Mineralien, gefördert. Zugleich wird das US-Energieministerium ermächtigt, bis September 2026 Darlehen in einem Gesamtvolumen von 250 Milliarden US-Dollar für saubere Energieprojekte auszureichen.
Endredaktion: Viola Friedrichs
Steuerpolitik

Übersicht einiger steuerlicher und fiskalischer Maßnahmen auf Bundesebene

Einige steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung waren stark davon geprägt, auf die multiple Krisenlage der letzten Monate zu reagieren. Hier finden Sie eine kompakte alphabetische Übersicht ausgewählter Themen mit weiteren Informationen.
Hinweis: Informationen zu steuergesetzlichen Maßnahmen, die zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind, finden Sie auf unserem Merkblatt Steuergesetzliche Änderungen 2023.

Abgabefrist für Steuererklärungen

Die sogenannten prüfenden Dritten, also Steuerberaterinnen und Steuerberater, Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüferinnen und Buchprüfer sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte waren im Rahmen der Corona-Pandemie mit stark erhöhtem Arbeitsaufkommen durch die zu bearbeitenden Anträge auf Unterstützungsleistungen konfrontiert. Um dem abzuhelfen wurden die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen verlängert, zuletzt mit dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz. Gleichwohl wurden auch für Fälle ohne Einbindung einer Steuerberatung (sog. Nicht-beratene Fälle) die Abgabefristen verlängert.

1. Nicht beratene Fälle

Steuer- und Feststellungserklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen und nicht von einer Person, einer Gesellschaft, einem Verband, einer Vereinigung, einer Behörde oder einer Körperschaft im Sinne der §§ 3 und 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erstellt werden (nicht beratene Fälle), sind grundsätzlich spätestens sieben Monate nach Ablauf des Kalenderjahres oder sieben Monate nach dem gesetzlich bestimmten Zeitpunkt abzugeben (§ 149 Absatz 2 Satz 1 AO). Anstelle des 31. Juli des jeweiligen Folgejahres gelten nunmehr:
  • für den Besteuerungszeitraum 2020: der 1. November 2021 (Unter Berücksichtigung des § 108 Absatz 3 AO. Soweit dieser Tag in dem Land, zu dem das Finanzamt gehört, ein gesetzlicher Feiertag ist: der 2. November 2021),
  • für den Besteuerungszeitraum 2021: der 31. Oktober 2022 (soweit dieser Tag in dem Land, zu dem das Finanzamt gehört, ein gesetzlicher Feiertag ist, was in Hamburg mit dem Reformationstag der Fall ist: der 1. November 2022),
  • für den Besteuerungszeitraum 2022: der 2. Oktober 2023 (unter Berücksichtigung des § 108 Absatz 3 AO) und
  • für den Besteuerungszeitraum 2023: der 2. September 2024 (unter Berücksichtigung des § 108 Absatz 3 AO).

2. Beratene Fälle

Sofern Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften i. S. d. §§ 3 und 4 StBerG mit der Erstellung der in § 149 Absatz 3 AO genannten Erklärungen beauftragt sind (beratene Fälle), sind diese Steuer- und Feststellungserklärungen - vorbehaltlich einer Vorabanforderung nach § 149 Absatz 4 AO grundsätzlich spätestens bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abzugeben. Anstelle des letzten Tages des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres gelten nunmehr:
  • für den Besteuerungszeitraum 2020: der 31. August 2022,
  • für den Besteuerungszeitraum 2021: der 31. August 2023,
  • für den Besteuerungszeitraum 2022: der 31. Juli 2024,
  • für den Besteuerungszeitraum 2023: der 2. Juni 2025 (unter Berücksichtigung des § 108 Absatz 3 AO) und 
  • für den Besteuerungszeitraum 2024: der 30. April 2026

3. Land- und Forstwirtschaft

Auch für die Land- und Forstwirtschaft werden die Abgabefristen verlängert. Details dazu entnehmen Sie bitte dem BMF-Schreiben vom 23. Juni 2022.

Abgeltungssteuer

Der sog. Sparerfreibetrag für Kapitalerträge steigt zum 1. Januar 2023 von 801,- Euro (1.602,- Euro bei Zusammenveranlagung) auf 1.000,- Euro (2.000,- Euro bei Zusammenveranlagung). Darauf haben sich die Koalitionsparteien bereits im Koalitionsvertrag geeinigt. Das ist die erste Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages seit seiner Einführung am 1. Januar 2009. Für 2023 wird von einer Minderung der Steuereinnahmen durch diese Maßnahme von 320 Mio. Euro ausgegangen.

Abschreibung

Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der degressiven AfA wurde durch das 4. Corona-Steuerhilfegesetz um ein weiteres Jahr verlängert. Diese ist damit auch für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens möglich, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt worden sind. Die Maßnahme war zunächst auf in den Wirtschaftsjahren 2020 und 2021 angeschaffte, bzw. hergestellte Wirtschaftsgüter beschränkt (2. Corona-Steuerhilfegesetz). Die degressive Abschreibung kann anstelle der linearen Abschreibung in Höhe des bis zu 2,5-fachen der linearen Abschreibung genutzt werden und ist auf höchstens 25% beschränkt.
Die lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) neuer Gebäude, die Wohnzwecken dienen und nach dem 31.12.2022 fertig gestellt werden, beträgt 3 Prozent (Anhebung der linearen AfA um einen Prozentpunkt). 
Der zeitliche Anwendungsbereich für Sonderabschreibungen im Mietwohnungsneubau gemäß § 7b EStG wurde erweitert. Begünstigt sind künftig auch Wohnungen, die aufgrund eines nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2027 gestellten Bauantrags hergestellt werden, wenn sie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

Altersvorsorgeaufwendungen

Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 können Altersvorsorgeaufwendungen in voller Höhe als Sonderausgaben abgezogen werden. Die Regelung ersetzt die ratierliche Erhöhung des abzugsfähigen Teilbetrags um 2 Prozent jährlich.

Arbeitnehmerpauschbetrag, Werbungskostenpauschale

Die Werbungskostenpauschale (Arbeitnehmer-Pauschbetrag) wurde mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 rückwirkend zum 1. Januar 2022 von 1.000,- Euro auf 1.230,- Euro angehoben. Die letzte Erhöhung erfolgte zum 1. Januar 2011 von 920,- Euro auf dann 1.000,- Euro.

Arbeitszimmer

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind zukünftig nur noch steuerlich abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Unter dieser Voraussetzung können die tatsächlichen Aufwendungen oder stattdessen eine Pauschale in Höhe von max. € 1.260,00 jährlich abgezogen werden. Die Neuregelung gilt für die nach dem 31.12.2022 im häuslichen Bereich ausgeübten Tätigkeiten

Außenprüfungen

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts sieht neben der Umsetzung der Richtlinie auch Änderungen der Vorschriften der Abgabenordnung vor, durch die eine Beschleunigung der steuerlichen Außenprüfung und die Reduzierung ihrer Dauer vom Beginn bis zum Abschluss erreicht werden soll. Insoweit sind auch Regelungen vorgesehen, durch welche die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen verschärft werden, wie z.B. kurze Vorlagefristen für Verrechnungspreisdokumentationen, Möglichkeiten zur Vereinheitlichung von digitalen Schnittstellen und das neue Institut eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens (einschließlich Zwangsgeld).

Bewertungsrecht

Für Bewertungsstichtage nach dem 31. Dezember 2022 werden die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) zur Bewertung von bebauten Grundstücken, in Erbbaurechtsfällen und von Bauten auf fremdem Grund und Boden an die Bestimmungen der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) angepasst. Die Änderungen können insbesondere bei Übertragungen von Ein- und Mehrfamilienhäusern und Wohneigentum zu höheren Grundbesitzwerten und so zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer führen.

EEG-Umlage

Die EEG-Umlage wurde zum 1. Juli 2022 abgeschafft.

Einkommensteuertarif, Abmilderung der „kalten Progression“

Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 werden neben dem Grundfreibetrag die übrigen Tarifeckwerte für den Eingangssteuersatz, die Steuersätze in der Progressionsphase und für den Spitzensteuersatz von 42 Prozent verschoben. Dadurch soll in Anbetracht einer hohen Inflation erreicht werden, dass die Bürger(innen) von Lohnerhöhungen tatsächlich profitieren und diese nicht durch einen progressionsbedingt höheren Durchschnittsteuersatz gemindert werden (Abmilderung der “kalten Progression“). Die sogenannte „Reichensteuer“ (45 Prozent) bleibt ausgenommen. Ihre Tarifeckwerte bleiben unverändert. 

Energiepreispauschale (EPP)

Die Energiepreispauschale (EPP) soll bestimmte Bevölkerungsgruppen von den stark gestiegenen Energiepreisen entlasten. Sie beträgt 300,- Euro und soll ab September 2022 allen Steuerpflichtigen zugute kommen, die 2022 in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren und Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG), selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) hatten, bzw. haben. 
Bei selbstständig Tätigen Steuerpflichtigen wurde die Energiepreispauschale grundsätzlich über eine Verringerung der Einkommensteuervorauszahlung für das 3. Quartal 2022 „ausgezahlt“ sofern diese nicht gleichzeitig Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt haben. Ist die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer geringer als 300,- Euro, wurde diese auf 0,- Euro herabgesetzt. Der verbleibende, also nicht genutzte Teil der Energiepreispauschale wird dann im Rahmen der einkommensteuerlichen Veranlagung für 2022 vom Finanzamt berücksichtigt.
Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfolgte eine Auszahlung in der Regel über die Lohnabrechnung im September. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die vierteljährlich die Lohnsteuer-Anmeldung abgeben, konnten wählen, ob sie die Energiepreispausche erst im Oktober auszahlten. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die jährliche Lohnsteuer-Anmeldungen abgeben, konnten auf die Auszahlung der Energiepreispauschale ganz verzichten; die Energiepreispauschale wird dann im Rahmen der einkommensteuerlichen Veranlagung des jeweiligen Arbeitnehmers für VZ 2022 berücksichtigt
Hinweis: Weitere Informationen finden Sie auf unserem Merkblatt Energiepreispauschale (EPP)
Um eine Vorfinanzierung der Energiepreispauschale durch Arbeitgeber zu vermeiden, hatte die IHK-Organisation eine Klarstellung angeregt, dass die Verrechnung der Energiepreispauschale bei monatlicher Anmeldung grundsätzlich in der Lohnsteuer-Anmeldung am 10. September 2022 erfolgt. Für Fälle, in denen die Verrechnung der Energiepreispauschale den Gesamtbetrag der abzuführenden Lohnsteuer überschreitet, wurde von der IHK-Organisation eine kurzfristige Auszahlung durch die Länder angeregt, deren Finanzverwaltungen dafür zuständig sind.

Energiesteuer

Die Energiesteuer wurde vom 1. Juni 2022 für drei Monate bis zum 31. August 2022 gesenkt. Grundlage ist das Gesetz zur Änderung des Energiesteuerrechts zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe (Energiesteuersenkungsgesetz), welches der Bundestag am 19. Mai 2022 verabschiedet hatte. Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern sollten mit dieser Maßnahme von gestiegenen Treibstoffpreisen entlastet werden. Der Gesetzesentwurf geht von Steuermindereinnahmen für den Bundeshaushalt in Höhe von 3,15 Mrd. Euro aus. Die Energiesteuer wird dabei nicht komplett abgeschafft, sondern auf die Höhe der Mindeststeuersätze der Energiesteuerrichtlinie (Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom) reduziert. 

Fernpendlerpauschale

Eigentlich sollte die sog. Fernpendlerpauschale ab dem 1. Januar 2024 gelten. Diese wurde nun mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 auf den 1. Januar 2022 vorgezogen. Pendler erhalten damit ab dem 21. Kilometer eine Pendlerpauschale von 0,38 Euro je gefahrenem Kilometer, statt 0,35 Euro.

Gaslieferungen, Umsatzsteuer

Bundestag und Bundesrat haben am 30.9. bzw. am 7.10.2022 das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz verabschiedet. Rückwirkend zum 1.10.2022 wurde damit der Umsatzsteuersatz auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz für den Zeitraum bis zum 31.3.2024 von 19 auf 7 Prozent gesenkt.

Gas- und Strompreisbremse

Gaspreisbremse

Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 1,5 Millionen kWh wird für 80 % des Verbrauches, der sich wiederum an dem Verbrauch, welcher der Abschlagszahlung von September 2022 zugrunde liegt, der Gaspreis auf 12 ct/kWh gedeckelt. Gleiches gilt für Fernwärme, allerdings mit einem Preisdeckel von 9,5 ct/kWh. Für die weiteren 20 % des Verbrauchs gelten die vertraglich mit dem jeweiligen Versorger vereinbarten Konditionen; hiermit möchte die Bundesregierung Anreize zum Sparen von Energie erhalten.
Für industrielle Verbraucher soll es eine weitere Maßnahme geben: Für ein Kontingent von 70% des Jahresverbrauchs von 2021 wird ein Beschaffungspreis von 7ct/kWh vorgeschlagen. Gleiches gilt beim Wärmeverbrauch, dessen Preis auf 7,5 ct/kWh gedeckelt wird. Darüber hinaus gelten die mit den jeweiligen Versorgern vereinbarten Konditionen. Diese Maßnahme soll für Verbraucher mit einer geregelten Lastgangvermessung und einem Verbrauch von jährlich über 1,5 Mio. kWh gelten. Ausgenommen sein sollen Gaskraftwerke.
Hinweis: Weitere Informationen zur Gaspreisbremse finden Sie auf der Webseite der DIHK.

Strompreisbremse

Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen wird für 80 % des Verbrauches, der sich wiederum an dem Verbrauch, welcher dem historischen Verbrauch – i.d.R. der Verbrauch des Vorjahres - zugrunde liegt, der Strompreis auf 40 ct/kWh gedeckelt. Für die weiteren 20 % des Verbrauchs gelten die vertraglich mit dem jeweiligen Versorger vereinbarten Konditionen; hiermit möchte die Bundesregierung Anreize zum Sparen von Energie erhalten. Für mittlere und große Unternehmen gilt ein Strompreisdeckel von 13 ct/kWh. Als mittlere und große Unternehmen in diesem Sinne gelten solche mit einem Stromverbrauch von über 30.000 kWh, i.d.R. gemessen am Vorjahr.
Hinweis: Weitere Informationen zur Strompreisbremse finden Sie auf der Webseite der DIHK.

Steuerliche Behandlung der Dezember-Soforthilfe

Die finanziellen Hilfen, die Letztverbraucher (natürliche und juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen) von Erdgas und Wärme durch das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) erhalten (sogenannte „Dezember-Soforthilfe“), werden den Einkünften des Beziehers der finanziellen Hilfe in Abhängigkeit von der Höhe seines zu versteuernden Einkommens anteilig oder vollständig hinzugerechnet. Laut der FAQ-Liste des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist dieser Abschlag für Steuerpflichtige, die die Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer (Solidaritätszuschlag) entrichten, mit der Abrechnung der Versorger und Verwalter frühestens für den Veranlagungszeitraum 2023 zu versteuern. Nähere Details werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Gas- und Wärmepreisbremse geregelt.
Hinweis: Die FAQ-Liste zur Dezember-Soforthilfe finden Sie auf der Webseite des BMWK.

Grundfreibetrag

Der Grundfreibetrag (steuerliches Existenzminimum) wird im Veranlagungszeitraum 2023 von € 10.347,00 auf € 10.632,00 und im Veranlagungszeitraum 2024 auf € 10.932,00 angehoben. Die letzte Anhebung des Grundfreibetrages wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 rückwirkend zum 1. Januar 2022 von 9.984,- Euro auf 10.347,- Euro angehoben.
Hinweis: Siehe auch Einkommensteuertarif, Abmilderung der „kalten Progression“

Homeoffice-Pauschale

Der Tagessatz der sogenannten „Homeoffice-Pauschale“ beträgt weiterhin € 6,00. Der Gesamtbetrag der Pauschale wird erhöht und beträgt für nach dem 31.12.2022 ausgeübte Tätigkeiten max. € 1.260,00 jährlich. Die Tagespauschale kann für jeden Tag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, abgezogen werden. Der Abzug ist ausgeschlossen, soweit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abgezogen oder die Kosten der Wohnung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend gemacht werden. 

Inflationsprämie

Seit dem 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 können Arbeitgeber den Arbeitnehmern steuer- und sozialversicherungsfrei Zuschüsse und Sachbezüge zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von maximal € 3.000,00 gewähren. Die Unterstützung kann auch in Tranchen (durch mehrere Leistungen zu verschiedenen Zeitpunkten) gewährt werden. Der Betrag von € 3.000 ist ein Freibetrag, d.h. dass im Falle einer höheren Unterstützungsleistung lediglich der € 3.000,00 übersteigende Betrag steuer- und sozialversicherungspflichtig ist. Der Steuerfreibetrag wird pro Beschäftigungsverhältnis gewährt. Arbeitgeber müssen daher nicht prüfen, ob ein(e) Arbeitnehmer(in) bereits im Rahmen eines anderen Beschäftigungsverhältnisses steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschüsse oder Sachbezüge erhält. 

Photovoltaikanlagen

Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen, die nach dem 31.12.2021 erzielt worden sind bzw. werden, sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Einkommensteuer befreit. Die Befreiung gilt für
  • auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 kW (peak), und für
  • auf, an oder in sonstigen Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit.
Befreit sind Einnahmen aus dem Betrieb von (mehreren) Anlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu max. 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft. Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung der erzeugten Elektrizität (Einspeisung in das Stromnetz oder Eigenverbrauch). Da die Einnahmen aufgrund der Steuerbefreiung nicht in die Gewinnermittlung einfließen, gehören sie auch nicht zum Gewerbeertrag und sind von der Gewerbesteuer befreit.
Mit Wirkung ab dem 1.1.2023 tritt ein Null-Steuersatz für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen in Kraft, die auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Diese räumliche Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt. Durch die Neuregelung ist der Betreiber der Anlage nicht mehr mit Umsatzsteuern belastet und kann er ohne finanzielle Nachteile die Steuerbefreiung als Kleinunternehmer für seine Ausgangsumsätze (mit dem durch die Anlage erzeugten Strom) in Anspruch nehmen. Gleichzeitig bleibt der Unternehmer, der die Anlage liefert oder installiert zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Reinvestitionsfristen

Gem. Schreiben des BMF vom 20. September 2022 werden die in R 6.6 Absatz 4 Satz 3 bis 6, Absatz 5 Satz 5 und 6 sowie Absatz 7 Satz 3 und 4 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung oder Reparatur bei Beschädigung nach Bildung einer Rücklage nach R 6.6 Absatz 4 EStR jeweils um drei Jahre verlängert, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29. Februar 2020 und vor dem 1. Januar 2021 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre. Die genannten Fristen verlängern sich um zwei Jahre, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31. Dezember 2020 und vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre. Sie verlängern sich um ein Jahr, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31. Dezember 2021 und vor dem 1. Januar 2023 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.

Übergewinnsteuer, EU-Energiekrisenbeitragsgesetz (EU-EnergieKBG)

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022) hat der Gesetzgeber zur Umsetzung der Verordnung (EG) 2022/1854 die Einführung eines EU-Energiekrisenbeitrages in Deutschland beschlossen. Der EU-Energiekrisenbeitrag wird für das nach dem 31.12.2021 beginnende volle Wirtschaftsjahr (Besteuerungszeitraum 1) und das darauffolgende volle Wirtschaftsjahr (Besteuerungszeitraum 2) erhoben, also regelmäßig für die Jahre 2022 und 2023. Steuerpflichtig sind Unternehmen, die im jeweiligen Besteuerungszeitraum mindestens 75 Prozent ihrer Umsätze durch die in der Verordnung (EG) 1893/2006 genannten Wirtschaftsaktivitäten in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt haben. Bemessungsgrundlage ist der steuerliche Gewinn des Unternehmens im jeweiligen Besteuerungszeitraum, soweit er den um 20 Prozent erhöhten durchschnittlichen steuerlichen Gewinn des Unternehmens im Vergleichszeitraum von 2018-2021 übersteigt. Der EU-Energiekrisenbeitrag beträgt 33 Prozent der Bemessungsgrundlage. Der EU-Energiekrisenbeitrag ist eine Steuer im Sinne der Abgabenordnung, die der Steuerpflichtige selbst zu berechnen und anzumelden hat. Die Abschöpfung von etwaigen Übergewinnen der Stromproduzenten ist nicht Gegenstand des EU-EnergieKBG.

Verlustrücktrag

Der Zeitraum für den Verlustrücktrag wurde mit dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz dauerhaft auf 2 Jahre ausgeweitet. Siehe Corona-Informationen der Handelskammer. Die Betragsgrenzen für den Verlustrücktrag sinken ab Veranlagungszeitraum 2024 wieder auf 1.000.000 Euro, bzw. 2.000.000 Euro bei Zusammenveranlagung.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Ihr Unternehmen örtlich zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2023
Kommunale Steuern

Hamburgische Kultur- und Tourismustaxe

Seit dem 1. Januar 2013 erhebt die Freie und Hansestadt Hamburg eine Kultur- und Tourismustaxe zur Besteuerung von entgeltlichen Übernachtungen. Die Einnahmen aus der Kultur- und Tourismustaxe sollen nach dem Willen des Hamburger Senats touristischen, kulturellen und sportlichen Projekten zu Gute kommen.
Hinweis: Zum 1. Januar 2023 wurden bei der Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe einige wesentliche Änderungen eingeführt. Seit dem unterliegen nicht nur private, sondern auch beruflich veranlasste Übernachtungen der Kultur- und Tourismustaxe. Die bisherige Verpflichtung der Betreiber eines Beherbergungsbetriebes zum Nachweis der zwingenden Erforderlichkeit der Übernachtungen für eine beruflich oder betrieblich veranlasste Übernachtung entfällt, sofern nicht ausnahmsweise die Übergangsregelung einschlägig ist (siehe folgenden Gliederungspunkt). Für kleinere Beherbergungsbetriebe mit einer Kultur- und Tourismustaxe im vorangegangenen Kalenderjahr von weniger als 1.000 Euro verlängert sich der Anmeldezeitraum auf das Kalenderjahr (siehe Gliederungspunkt “Wer ist Steuerschuldner?”).

Was wird durch die Kultur- und Tourismustaxe besteuert?

Die Kultur- und Tourismustaxe betrifft alle entgeltlichen Beherbergungen (Übernachtungen)  zum Beispiel in Hotels, Gasthäusern, Pensionen, Jugendherbergen oder Privatzimmern. Dabei ist es unerheblich, ob die Beherbergungsmöglichkeit tatsächlich für eine Übernachtung genutzt wird. Das heißt, auch sogenannte Tageszimmer werden erfasst. Von der Steuer werden nur kurzzeitige Beherbergungen erfasst, die sich über einen Zeitraum von unter zwei Monaten erstrecken. Ob Übernachtungen privat oder beruflich veranlasst sind, spielt seit dem 1. Januar 2023 grundsätzlich keine Rolle mehr.
Allerdings gibt es für zwingend beruflich veranlasste Reisen eine Übergangsregelung. Demnach fällt die Kultur- und Tourismustaxe auch bei einer zwingend beruflich veranlassten Übernachtung 2023 nicht an, wenn diese vor dem 1.1.2023 vereinbart, also gebucht worden ist. Wichtig ist dabei, dass diese Übernachtung vom Betreiber des Beherbergungsbetriebs korrekt gebucht wird und dieser die berufliche oder betriebliche Veranlassung einer Übernachtung eines Gastes gegenüber dem Finanzamt durch geeignete Belege nachweist. Die bisherigen Regelungen gelten also insofern fort, so dass im Falle der Übergangsregelung der Nachweis durch den Gast wie folgt erbracht werden kann:
  • Der Gast legt eine Arbeitgeberbestätigung  nach § 1 Abs. 1 S. HmbKTTG nach amtlichen Vordruck vor.
  • Als Nachweis ist ausreichend, wenn die Rechnung auf den Arbeitgeber ausgestellt und unmittelbar durch den Arbeitgeber bezahlt wird oder wenn die Buchung durch den Arbeitgeber erfolgt.
  • Bei eigenberuflicher Tätigkeit wird ein Eigenbeleg nach amtlichen Vordruck akzeptiert. Dabei ist zu beachten, dass hierfür derzeit die Umsatzsteueridentifikationsnummer des Unternehmers verlangt wird.
Hinweis: Die Übergangsregelung ist nicht anwendbar, wenn bspw. vom Arbeitgeber des Gastes zwar bereits 2022 ein Zimmerkontingent für einen Zeitraum im Jahr 2023 reserviert worden ist, die tatsächliche Buchung der Übernachtung des Gastes aber erst 2023 erfolgt, die Übernachtung also erst nach dem 31.12.2022 vereinbart wird.

Wie hoch ist die Steuer?

Die Steuer bemisst sich nach dem Nettoentgelt (also ohne Umsatzsteuer), das pro Person für eine „Übernachtung“  gezahlt wird. Nebenleistungen - wie z.B. Frühstück - werden nicht erfasst.
Hinweis: Der Senat hat im August 2023 beschlossen, die Sätze der Kultur- und Tourismustaxe zum 1. Januar 2025 um jeweils 20 % zu erhöhen. Der folgenden Tabelle können Sie sowohl die aktuellen, als auch die ab 2025 vom Senat geplanten Sätze entnehmen. Die Erhöhung der Kultur- und Tourismustaxe steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bürgerschaft (Stand August 2023).
Nettoentgelt für Übernachtungsleistung
Kultur- und Tourismustaxe
(geplant bis Ende 2024)
Kultur- und Tourismustaxe
(geplant ab 2025)
bis zu   10 Euro
0      Euro
0 Euro
bis zu   25 Euro
0,50 Euro
0,60 Euro
bis zu   50 Euro
1      Euro
1,20 Euro
bis zu 100 Euro
2      Euro
2,40 Euro
bis zu 150 Euro
3      Euro
3,60 Euro
bis zu 200 Euro
4      Euro
4,80 Euro
über 200 Euro
4 Euro plus je 1 Euro je weitere angefangene 50 Euro
4,80 Euro plus je 1,20 Euro je weitere angefangene 50 Euro
Bei Entgelten über 200 Euro erhöht sich die Steuer je weitere angefangene 50 Euro Nettoentgelt um jeweils einen Euro (ab 2025 sind jeweils 1,20 Euro geplant).
Wird ein Zimmer durch mehrere Personen genutzt, ist der Gesamtpreis des Zimmers grundsätzliche nach Personen aufzuteilen. Beispiele finden Sie auf dem Merkblatt der Finanzverwaltung zu den häufig gestellten Fragen zur Erhebung der Kultur- und Tourismustaxe in Hamburg.
Die Umsatzsteuer bemisst sich grundsätzlich nach dem Entgelt, das der Gast für die Übernachtung aufwenden muss. Nebenleistungen, wie bspw. Frühstück werden dabei nicht erfasst. Wird die Kultur- und Tourismustaxe an den Gast weiterberechnet, ist diese auch in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer in der für Beherbergungsleistungen geltenden Höhe (derzeit 7 %) einzubeziehen.

Wer ist Steuerschuldner?

Die Betreiber der Beherbergungsstätte sind Schuldner der Steuer. Sie haben die Möglichkeit, die Kultur- und Tourismustaxe an die Gäste weiter zu berechnen. Die Betreiber der Beherbergungsbetriebe sind verpflichtet, die Steuer vierteljährlich beim Finanzamt anzumelden und abzuführen. Stichtage sind der 15. April, der 15. Juli, der 15. Oktober und der 15. Januar. Das zuständige Finanzamt vergibt für die Erhebung der Kultur- und Tourismustaxe eine separate Steuernummer.
Für kleinere Beherbergungsbetriebe wurde zum 1. Januar 2023 eine Vereinfachungsregelung eingeführt. Für diese Betriebe ist das Kalenderjahr der Anmeldungszeitraum. Die Steuer ist dann am fünfzehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums anzumelden und an das Finanzamt abzuführen. Als kleinere Beherbergungsbetriebe gelten Betriebe, für welche die Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr weniger als 1.000 Euro betragen hat. Eine Ausnahme von dieser Vereinfachungsregelung gilt insbesondere für neu gegründete Beherbergungsbetriebe: Diese haben die Steuer im Jahr der erstmaligen Anmeldung in jedem Fall vierteljährlich anzumelden und abzuführen.
Hinweis: Sofern die Kultur- und Tourismustaxe im Kalenderjahr 2022 weniger als 1.000 Euro betragen hat und im Jahr 2023 voraussichtlich nicht übersteigen wird, ist für kleinere Beherbergungsbetriebe das Kalenderjahr der Anmeldungszeitraum. Bei der Berechnung der voraussichtlichen Kultur- und Tourismustaxe für das Kalenderjahr 2023 ist auch eine zu schätzende Kultur- und Tourismustaxe auf die bisher von der Besteuerung ausgenommenen Übernachtungen aus beruflichen oder betrieblichen Anlass mit einzubeziehen.
Es besteht keine Verpflichtung die Kultur- und Tourismustaxe separat in einer Rechnung auszuweisen. Der Beherbergungsbetrieb kann in der Rechnung jedoch auf die weitergegebene Kultur- und Tourismustaxe hinweisen, z. B.
„Netto Preis Übernachtung 46,- Euro (darin enthalten 1,- Euro Kultur- und Tourismustaxe)“.

Zuständiges Finanzamt

Zuständig für die Erhebung der Kultur- und Tourismustaxe ist das
Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz     
Gorch-Fock-Wall 11 
20355 Hamburg
Telefon: 040 / 42843 -6915
Fax: 040 / 4279 -22650

Weitere Informationen und Formulare

Vordrucke erhalten Sie über Mein ELSTER auf www.elster.de und auf www.hamburg.de/fb/formulare
Weitere Informationen und Unterlagen zur Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe erhalten Sie auf der Webseite der Freien und Hansestadt Hamburg.
Für weitere Fragen zur Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe steht Ihnen unter 040 / 42843 –6915 eine Telefonauskunft zur Verfügung.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder recherchieren.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand:  August 2023
Steuern

Pauschbeträge für Sachentnahmen 2024

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 12. Februar 2024 die Pauschbeträge für Sachentnahmen (Eigenverbrauch) für das Jahr 2024 veröffentlicht.
Wer beispielsweise eine Gaststätte, Bäckerei, Fleischerei oder einen Lebensmitteleinzelhandel betreibt, entnimmt in der Regel Waren für den Privatgebrauch. Das muss jedoch als Betriebseinnahme erfasst werden, da die Privatentnahmen den betrieblichen Gewinn nicht mindern dürfen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG)). Vielen Unternehmern ist es jedoch zu aufwendig, alle Warenentnahmen gesondert aufzuzeichnen. In diesem Fall sind die jährlich vom BMF herausgegebenen Pauschbeträge anzuwenden. Dabei wird zwischen Entnahmen unterschieden, die mit dem ermäßigten Steuersatz und jenen, die mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sind. Der Eigenverbrauch des Unternehmers und seiner Familie, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist sowohl für die Einkommensbesteuerung, § 12 Nr. 3 EStG als auch für die Umsatzsteuer von Bedeutung.
Die  von der Finanzverwaltung vorgegebenen Pauschbeträge, die auf Erfahrungswerten beruhen, dienen der vereinfachten Erfassung des Eigenverbrauchs beispielsweise im Einzelhandel, in der Gastronomie oder in Bäckereien. Die Warenentnahmen für den privaten Bedarf können damit monatlich pauschal verbucht werden und entbinden den Steuerpflichtigen so von der Aufzeichnung einer Vielzahl von Einzelentnahmen.
Die Pauschbeträge sind Jahreswerte für eine Person. Für Kinder bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr entfällt der Ansatz eines Pauschbetrages. Bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr ist die Hälfte des jeweiligen Wertes anzusetzen. Die Regelung lässt keine Zu- oder Abschläge wegen individueller persönlicher Ess- oder Trinkgewohnheiten zu. Auch Krankheit oder Urlaub rechtfertigen keine Änderungen der Pauschalen.
Sollte das Unternehmen des Unternehmers mehreren Gewerbezweigen zugeordnet werden können (gemischter Betrieb), wie beispielsweise eine Metzgerei oder Bäckerei mit Lebensmittelangebot, so ist der jeweils höhere Pauschbetrag der entsprechenden Gewerbeklasse anzusetzen. Alle Werte berücksichtigen in der jeweiligen Gewerbeklasse das allgemein übliche Warensortiment. Mit dem Ansatz der Pauschale ist der gesamte Eigenverbrauch in dem jeweiligen Gewerbezweigs abgegolten. Bei gemischten Betrieben (Metzgerei oder Bäckerei mit Lebensmittelangebot oder Gastwirtschaft) ist nur der jeweils höhere Pauschbetrag der entsprechenden Gewerbeklasse anzusetzen.
Gewerbezweig
Jahreswert für eine Person ohne Umsatzsteuer
1. Januar bis 31. Dezember 2024
ermäßigter Steuersatz €
voller Steuersatz €
insgesamt €
Bäckerei
1.605
206
1.811
Fleischerei/Metzgerei
1.429
545
1.974
Gaststätten aller Art
a) mit Abgabe von kalten Speisen
1.399
1.016
2.415
b) mit Abgabe von kalten und warmen Speisen
2.253
1.723
3.976
Getränkeeinzelhandel
118
266
384
Café und Konditorei
1.547
575
2.122
Milch, Milcherzeugnisse, Fettwaren und Eier (Eh.)
693
0
693
Nahrungs- und Genussmittel (Eh.)
1.340
354
1.694
Obst, Gemüse, Südfrüchte und Kartoffeln (Eh.)
369
162
531
Die Entnahme von Tabakwaren ist in den Pauschbeträgen nicht enthalten. Daraus folgt grundsätzlich eine Aufzeichnungspflicht für jedes entnommene Tabakprodukt. Das BMF-Schreiben sieht jedoch vor, dass der Unternehmer diese Entnahmen schätzen darf. Der Schätzwert erhöht dann den Pauschbetrag.
Darüber hinaus muss der Eigenverbrauch umsatzsteuerlich erfasst werden. Hierzu wird der Verbrauch des Unternehmers für solche Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (hier der Eigenverbrauch) einer sonstige Leistung gegen Entgelt gleichgestellt (§ 3 Abs. 9a Umsatzsteuergesetz (UStG)), wenn diese dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Für diese Fälle muss eine entsprechende "Vorsteuerkorrektur" vorgenommen werden.
Weitere Informationen zur Richtsatz-Sammlung 2022 finden Sie hier.
Stand: Februar 2024
Umsatzsteuer

Steuerfreie Umsätze für die Luftfahrt 2023

Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die zur Verwendung durch Unternehmer bestimmt sind, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken durchführen, sind von der Umsatzsteuer befreit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)). Diese Befreiung ist davon abhängig, dass der Unternehmer keine oder höchstens in unbedeutendem Umfang steuerfreie, auf das Inland beschränkte Beförderungen nach § 4 Nr. 17 b) UStG durchführt. Dies bezieht sich auf den Transport von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind.
Zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs und zur Sicherheit aller Beteiligten veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen (BMF) jährlich  eine Liste der Unternehmer, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich im Ausland gelegenen Strecken durchführen. Das Schreiben vom 3. Mai 2023 enthält die Liste gültig für das Jahr 2023. Die Schreiben der Vorjahre finden Sie am Ende des Dokumentes zum Download.
Die folgenden Umsätze an die in der Liste genannten Unternehmen sind steuerbefreit:
  • Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeuge (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG);
  • Lieferungen, Instandsetzungen, Wartungen und Vermietungen von Gegenständen, die zur Ausrüstung dieser Luftfahrzeuge bestimmt (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 UStG);
  • Lieferung von Gegenständen, die zur Versorgung von Luftfahrzeugen bestimmt sind (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 UStG) sowie
  • sonstige Leistungen für den unmittelbaren Bedarf von Luftfahrzeugen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 UStG). Unter letzteres fallen insbesondere die Flughafennutzung, Flugzeugreinigung sowie Fluggastkontrollen (8.2 Abs. 7 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)).
Tipp: Weitere Informationen können Sie dem § 8 Abs. 2 UStG entnehmen sowie dem Abschnitt 8.2 des UStAE. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch das Dokument "Pflichtangaben in Rechnungen".
Stand: Juli 2023
Formulare

Umsatzsteuer-Voranmeldung 2023 und Umsatzsteuer­jahres­erklärung 2022

Um die Umsatzsteuer zu erklären oder den Vorsteuerabzug anzumelden, sind bestimmte amtliche Formulare nötig. Diese Formulare werden in der Regel einmal jährlich durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder angepasst und veröffentlicht.

Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2023

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2022 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 250 KB) hat das BMF die Vordruckmuster für die Umsatzsteuer-Voranmeldung und das Vorauszahlungsverfahren für das Kalenderjahr 2023 bekanntgegeben. Das Schreiben beinhaltet die nachfolgenden Anlagen.
Der Unternehmer muss die Umsatzsteuer für den Voranmeldezeitraum selbst berechnen. Er hat die Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2022 sowie den Antrag auf Dauerfristverlängerung und die Anmeldung der Sondervorauszahlung 2022 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz  auf elektronischem Weg nach Maßgabe der §§ 87a Abs. 6 bis 87e Abgabenordnung (AO) zu übermitteln (vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)). Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten (§ 18 Abs. 1 S. 2 UStG). Informationen zur elektronischen Übermittlung erhalten Sie im Internet unter www.elster.de und www.finanzamt.de sowie auf ELSTER für Unternehmer.
Hinweis: Ältere Formulare finden Sie am Ende dieses Artikels.

Umsatzsteuererklärung 2022

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 472 KB) hat das BMF die Vordruckmuster zur Umsatzsteuererklärung 2022 veröffentlicht. Das Schreiben beinhaltet die nachfolgenden Anlagen. Sie können dieses Schreiben samt Anlagen hier herunterladen:
Zur Umsatzsteuererklärung gehören der sechsseitige Hauptvordruck USt 2 A und die Anlage UN sowie entsprechende Anleitungen. Die Anlage UN ist nur von Unternehmern abzugeben, die im Ausland ansässig sind. Weitere Anlagen können in besonderen Fällen erforderlich sein.
Stand: August 2023
Abgabenrecht

Betriebsprüfung - Einordnung in Größenklassen

Die Betriebsprüfungsordnung (BpO) gilt für Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden und des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt). Zweck der Außenprüfung ist die Ermittlung und Beurteilung der steuerlich bedeutsamen Sachverhalte, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen, § 2 Abs. 1 BpO. Für Zwecke der Außenprüfung werden die Steuerpflichtigen in verschiedene Größenklassen eingeteilt. Bei den Größenklassen handelt es sich um
  • Großbetriebe (G)
  • Mittelbetriebe (M)
  • Kleinbetriebe (K) und
  • Kleinstbetriebe (Kst)
Die Größenklassen werden regelmäßig neu festgelegt, so geschehen für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2019 mit BMF-Schreiben vom 13. April 2018 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB). Mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 hat das BMF nunmehr die ab dem 1. Januar 2024 gültige Einordnung in Größenklassen bekannt gegeben. Die jeweilige Einordnung in Größenklassen können Sie direkt den BMF-Schreiben entnehmen.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Ihr Unternehmen zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: August 2023
Einkommensteuer und Lohnsteuer

Pauschbeträge für Auslandsreisen

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 23. November 2022 aktualisierte Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten bei Auslandsreisen bekanntgemacht. Sie gelten ab dem 1. Januar 2023.
Hinweis: Pandemiebedingt wurden die Auslandstage- und Auslandsübernachtungsgelder nach dem Bundesreisekostengesetz zum 1. Januar 2022 nicht neu festgesetzt. Die zum 1. Januar 2021 veröffentlichten Beträge galten somit ebenfalls für das Kalenderjahr 2022. Demzufolge sind die durch BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2020 veröffentlichten steuerlichen Pauschbeträge auch für das Kalenderjahr 2022 anzuwenden.
Bei Reisen vom Inland in das Ausland bestimmt sich der XXX Pauschbetrag nach dem Ort, den der Steuerpflichtige vor 24 Uhr Ortszeit erreicht hat. Für eintägige Reisen ins Ausland und für Rückreisetage aus dem Ausland in das Inland ist der Pauschbetrag des letzten Tätigkeitsortes im Ausland maßgebend.
Für die in der Übersicht nicht erfassten Länder ist der für Luxemburg geltende Pauschbetrag maßgebend, für nicht erfasste Übersee- und Außengebiete eines Landes ist der für das Mutterland geltende Pauschbetrag maßgebend.
Die Pauschbeträge für Übernachtungskosten sind ausschließlich in den Fällen der Erstattung durch den Arbeitgeber anwendbar (R 9.7 Absatz 3 Lohnsteuerrichtlinien und Rz. 123 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014). Für den Abzug als Werbungskosten (Arbeitnehmer) oder als Betriebsausgaben (Unternehmer) können nur die tatsächlichen Übernachtungskosten geltend gemacht werden (R 9.7 Absatz 2 Lohnsteuerrichtlinien und Rz. 112 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014).
Änderungen gegenüber den bislang geltenden Beträgen sind im Schreiben des BMF fett gedruckt.
Recht und Steuern

Umsatzsteuerumrechnungskurse 2022

Recht und Steuern

Steuergesetzliche Änderungen 2023

In diesem Dokument stellen wir Ihnen die steuergesetzlichen Änderungen zum 1. Januar 2023 vor.

1. Senkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen und Inflationsausgleichsprämie

Bundestag und Bundesrat haben am 30. September bzw. am 7. Oktober 2022 das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz verabschiedet:
  • Rückwirkend zum 1. Oktober 2022 wurde der Umsatzsteuersatz auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz für den Zeitraum bis zum 31. März 2024 von 19 auf 7 Prozent gesenkt.
  • Seit dem 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 können Arbeitgeber den Arbeitnehmern steuer- und sozialversicherungsfrei Zuschüsse und Sachbezüge zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von maximal 3.000,00 Euro gewähren. Der Steuerfreibetrag wird pro Beschäftigungsverhältnis gewährt. Arbeitgeber müssen daher nicht prüfen, ob ein(e) Arbeitnehmer(in) bereits im Rahmen eines anderen Beschäftigungsverhältnisses einen begünstigten Zuschuss oder Sachbezug erhält.

2. Inflationsausgleichsgesetz

Bundestag und Bundesrat haben am 10. bzw. am 25. November 2022 das Inflationsausgleichsgesetz verabschiedet:
  • Der Grundfreibetrag (steuerliches Existenzminimum) wird im Veranlagungszeitraum 2023 von 10.347,00 Euro auf 10.632,00 Euro und im Veranlagungszeitraum 2024 auf 10.932,00 Euro angehoben.
  • Zusätzlich werden ab dem Veranlagungszeitraum 2023 die übrigen Tarifeckwerte für die Steuersätze verschoben. Dadurch soll die sogenannte „kalte Progression“ abgemildert und erreicht werden, dass die Bürger(innen) von Lohnerhöhungen tatsächlich profitieren.

3. Jahressteuergesetz (JStG) 2022

Bundestag und Bundesrat haben am 2.12. bzw. am 16.12.2022 das Jahressteuergesetz 2022 beschlossen. Verkündet wurde das Gesetz am 20.12.2022. Es bringt u.a. die folgenden Änderungen:

a) Steuern vom Einkommen und Ertrag

  • Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 können Altersvorsorgeaufwendungen in voller Höhe als Sonderausgaben abgezogen werden.
  • Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 werden der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 924,00 Euro auf 1.230,00 Euro, der Sparer-Pauschbetrag von 801,00 Euro auf 1.000,00 Euro (bei Zusammenveranlagung von 1.602,00 Euro auf 2.000,00 Euro) und der Ausbildungsfreibetrag von 924,00 Euro auf 1.200,00 Euro angehoben.
  • Die lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) neuer Gebäude, die Wohnzwecken dienen und nach dem 31. Dezember 2022 fertig gestellt werden, beträgt 3 Prozent.
  • Die Möglichkeit des Nachweises einer im Vergleich zur linearen AfA geringeren tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, mit der Folge einer höheren AfA, bleibt entgegen den ursprünglichen Planungen bestehen.
  • Der zeitliche Anwendungsbereich für Sonderabschreibungen im Mietwohnungsneubau gemäß § 7b EStG wurde erweitert auf Wohnungen, die aufgrund eines nach dem 31. Dezember 2022 und vor dem 1. Januar 2027 gestellten Bauantrags hergestellt werden, wenn sie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
  • Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind ab 1. Januar 2023 nur noch steuerlich abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Unter dieser Voraussetzung können die tatsächlichen Aufwendungen oder stattdessen eine Pauschale in Höhe von maximal 1.260,00 Euro jährlich abgezogen werden.
  • Der Tagessatz der sogenannten „Homeoffice-Pauschale“ beträgt weiterhin 6,00 Euro. Der Gesamtbetrag der Pauschale wird erhöht und beträgt für nach dem 31. Dezember 2022 ausgeübte Tätigkeiten maximal 1.260,00 Euro jährlich. Der Abzug ist ausgeschlossen, soweit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abgezogen oder die Kosten der Wohnung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend gemacht werden
  • Nach dem 31. Dezember 2021 erzielte Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen
    • auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 kW (peak), oder
    • auf, an oder in sonstigen Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit
    • sind von der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer befreit. Die Befreiung ist pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft begrenzt auf Einnahmen aus dem Betrieb von (mehreren) Anlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu maximal 100 kW (peak).
  • Mit erstmaliger Anwendung für den Veranlagungszeitraum 2022 treten die Regelungen zur Besteuerung der Gas-/Wärmepreisbremse in Kraft. Die finanziellen Hilfen, die ein Letztverbraucher (natürliche und juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen) von Erdgas und Wärme durch das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) erhält (sogenannte „Dezember-Hilfe“), werden seinen ihren Einkünften in Abhängigkeit von der Höhe des zu versteuernden Einkommens anteilig oder vollständig hinzugerechnet.

b) Umsatzsteuer  

  • Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 tritt ein Null-Steuersatz für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen in Kraft, wenn sie auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Diese räumliche Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt. Durch die Neuregelung kann der Betreiber der Anlage in Zukunft ohne finanzielle Nachteile die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen.
  • Ebenfalls mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 wird die Definition der Unternehmereigenschaft dahingehend ergänzt, dass sie unabhängig davon gilt, ob der Unternehmer nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Dadurch ist geklärt, dass auch Bruchteilsgemeinschaften und andere nicht rechtsfähige Personenzusammenschlüsse Unternehmer im Sinne des UStG sein können.  
  • Bei der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 4 Nr. 1 b) UStG entfällt ab dem 1. Januar 2023 der Verweis in Satz 2 auf § 18a Abs. 10 UStG. Die Abgabe einer richtigen Zusammenfassenden Meldung bleibt damit zwar immer noch eine Voraussetzung für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen. Die Monatsfrist gem. § 18a Abs. 10 UStG ist nun jedoch nur noch für die Vermeidung von Bußgeldern relevant.

c) Bewertungsrecht

Für Bewertungsstichtage nach dem 31. Dezember 2022 werden die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) zur Bewertung von bebauten Grundstücken, in Erbbaurechtsfällen und von Bauten auf fremdem Grund und Boden an die Bestimmungen der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) angepasst. Die Änderungen können insbesondere bei Übertragungen von Ein- und Mehrfamilienhäusern und Wohneigentum zu höheren Grundbesitzwerten und so zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer führen.

4. Übergewinnsteuer für bestimmte Energieunternehmen

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 hat der Gesetzgeber zur Umsetzung der Verordnung (EG) 2022/1854 die Einführung eines EU-Energiekrisenbeitrages in Deutschland beschlossen. Durch das EU-Energiekrisenbeitragsgesetz (Energie-KBG) wird (nach näherer Maßgabe des Gesetzes) für Zeiträume nach dem 31.12.2021 von Unternehmen, die mindestens 75 Prozent ihrer Umsätze durch die in der Verordnung (EG) 1893/2006 genannten Wirtschaftsaktivitäten in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt haben, eine Steuer auf überdurchschnittlich hohe Gewinne erhoben (in Höhe von 33 Prozent der Bemessungsgrundlage). Die Abschöpfung von etwaigen Übergewinnen der Stromproduzenten ist nicht Gegenstand des EU-EnergieKBG.

5. Beschleunigung von Außenprüfungen

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts (sog. DAC 7-Umsetzungsgesetz) wurde am 29. Dezember 2022 verkündet (BGBl. I S. 2730). Das Gesetz sieht neben der Umsetzung der Richtlinie auch Änderungen der Vorschriften der Abgabenordnung vor, durch die eine Beschleunigung der steuerlichen Außenprüfung und die Reduzierung ihrer Dauer vom Beginn bis zum Abschluss erreicht werden soll. Insoweit sind auch Regelungen vorgesehen, durch welche die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen verschärft werden, wie z.B. kurze Vorlagefristen für Verrechnungspreisdokumentationen, Möglichkeiten zur Vereinheitlichung von digitalen Schnittstellen und das neue Institut eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens (einschließlich Zwangsgeld).
Recht und Steuern

Steuerinfo Dezember 2022

EuGH entscheidet zur deutschen Organschaft im Umsatzsteuerrecht 

Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig? Diese für die Zukunft der Organschaft aus Sicht der Unternehmen entscheidende Frage bleibt offen. Hierzu müssen die Folgeentscheidungen des BFH abgewartet werden. Klarheit schafft der EuGH zur Frage des Steuerpflichtigen und zur Beurteilung der so genannten finanziellen Eingliederung.
Die umsatzsteuerliche Organschaft war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, was deren rechtskonforme Anwendung für alle Beteiligten nicht immer vereinfacht hat. Nunmehr hatte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in zwei so genannten Vorabentscheidungsverfahren mehrere Fragen vorgelegt, die die deutschen Vorschriften zur Organschaft und deren Zukunft für Unternehmen und Finanzverwaltung in den Grundfesten erschüttern konnten.
Auf die Frage, ob das deutsche Recht den Organträger als Steuerpflichtigen der Gruppe vorsehen darf oder aber ausschließlich die Mehrwertsteuergruppe als solche den Steuerpflichtigen bilden kann, bestätigte der EuGH das deutsche Recht. Er führt in beiden Entscheidungen (Urteile C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022) fast wortgleich aus, dass grundsätzlich zwar die Mehrwertsteuergruppe (in Deutschland: Organschaft) an sich der Steuerpflichtige ist. Gleichwohl kann auch ein Mitglied dieser Gruppe – nämlich wie in Deutschland vorgesehen ihr Organträger – zum einzigen Steuerpflichtigen für Mehrwertsteuerzwecke bestimmt werden. Geknüpft ist diese Ausnahme daran, dass der Organträger in der Lage sein muss, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen. Zudem darf daraus keine Gefahr von Steuerverlusten resultieren.
Eine Absage erteilte der EuGH der restriktiven deutschen Regelung, das Vorliegen einer Organschaft unter anderem an die Bedingung knüpft, dass der Organträger zusätzlich zu einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft über eine Stimmrechtsmehrheit bei ihr verfügen muss. Damit dürfte die bisherige nationale Verwaltungsregelung zur finanziellen Eingliederung in Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 2 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) nicht mehr haltbar sein. Ebenso wird das von der nationalen Verwaltungsauffassung geforderte Über-/Unterordnungsverhältnis beziehungsweise die Eingliederung mit Durchgriffsrechten vom EuGH als zu restriktiv betrachtet.
Offen lässt der EuGH allerdings, wie der Organträger seinen Willen bei den anderen Mitgliedern der Gruppe durchsetzen können soll, wenn er nicht über eine Stimmrechtsmehrheit verfügt.
Trotz der Zugehörigkeit zur Organschaft sieht der EuGH die Mitglieder der Gruppe dennoch als selbständig an. Ob sich das auf die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen zwischen Mitgliedern der Mehrwertsteuergruppe auswirkt, bleibt offen. In einem der Urteile geht der EuGH zwar davon aus, dass die Organgesellschaft an den Organträger entgeltliche Leistungen erbringen kann. Er trifft aber keine ausdrückliche Aussage zur Steuerbarkeit dieser Leistungen. Zugleich betont der EuGH, dass in einer Mehrwertsteuergruppe alle Mitglieder zu einem Steuerpflichtigen „verschmelzen“ und nur eine Mehrwertsteuernummer erhalten. Dies dürfte aber der Annahme entgegenstehen, dass die Leistungen Umsatzsteuer auslösen können. Denn auf beiden Seiten stünde sich derselbe Steuerpflichtige gegenüber.
Die Hoffnung liegt nun bei den Folgeentscheidungen des BFH. Im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen sind zwar keine gravierenden Abweichungen zu den von diesen aufgestellten Grundsätzen zu erwarten. Insbesondere zur Frage der Nicht-Steuerbarkeit von Innenumsätzen wird entscheidend sein, wie der BFH die Grundsätze des EuGH ganz konkret ausfüllt. Es bleibt also weiterhin spannend.

Jahressteuergesetz 2022 im parlamentarischen Verfahren zum Teil entschärft und verbessert 

Der Bundestag hat am 1. Dezember 2022 in zweiter und dritter Lesung dem Jahressteuergesetz 2022 in Gestalt der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zugestimmt.
Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ist, dass weiterhin für betriebliche Immobilien die Möglichkeit besteht, von der gesetzlich vorgegebenen Nutzungsdauer von 33 Jahren Weise abzuweichen. Ursprünglich sollte diese Nachweismöglichkeit gestrichen werden.
Weiterhin sieht der Entwurf eine Erhöhung der maximalen Arbeitszimmerpauschale auf 1260 Euro und der früheren Home-Office Pauschale von fünf auf sechs Euro vor.
Wesentliche Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf ergaben sich zwischenzeitlich durch die Steuerpflicht der Entlassungen seitens der Gaspreisbremse. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Übergewinne aus den Bereichen Öl, Gas und Raffinerie mit 33 Prozent zu versteuern. Der Referenzwert hierfür sollen bei den entsprechenden Unternehmen die Gewinne der Jahre 2018-2021 zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 20 Prozent sein.

Nullsteuersatz für kleine Photovoltaikanlagen 

Manche Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen haben die Option der Umsatzsteuer gewählt, um den Vorsteuerabzug aus Anschaffung und Installation ihrer Anlage zu erhalten. Um ihnen damit verbundene und nicht unerheblichen Erklärungspflichten in den Folgejahren zu ersparen, hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2022 eine Steuerbefreiung auf den Weg gebracht. Das Gesetz muss noch vom Bundesrat gebilligt werden; danach können die Betreiber umsatzsteuerrechtlich aufatmen.
Auf die Lieferung und Installation bestimmter Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) wird ab dem Jahr 2023 keine Umsatzsteuer fällig. Gleichwohl kann der Lieferant beziehungsweise Installateur den Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsleistungen wie zum Beispiel aus dem Einkauf von Solarmodulen und Speicher geltend machen. Um diese echte Befreiung von der Umsatzsteuer zu erreichen, wird ein so genannter Nullsteuersatz eingeführt – ein Novum im deutschen Umsatzsteuerrecht.
Der Nullsteuersatz ist auf kleine PV-Anlagen beschränkt, die auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage laut Marktstammdatenregister maximal 30 kW (peak) beträgt. Neben den Solarmodulen umfasst die Neuregelung auch die Lieferung und Installation wesentlicher Komponenten und Speicher, die dazu dienen, den erzeugten Strom zu speichern.
Lieferanten und Installateure von PV-Anlagen müssen künftig unterscheiden, ob es sich um entsprechend kleine Anlagen handelt, für die der Nullsteuersatz anzuwenden ist oder nicht. Aufgrund der 30 kW-Vermutungsregelung müssen sie sich in der Regel nicht beim Erwerber über die Nutzungsart des Gebäudes informieren.
Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es ist derzeit unter anderem noch nicht abschließend geklärt, ob für die zeitliche Anwendung gegebenenfalls auf die Abnahme beziehungsweise Betriebsbereitschaft der Anlage maßgeblich ist – dann könnten auch bereits 2022 gelieferte, aber noch nicht betriebsbereit installierte Anlagen unter die Neuregelung fallen. Zu diesen und weiteren auch den inhaltlichen Anwendungsbereich der Regelung betreffenden Fragen wird sich die IHK-Organisation für eine möglichst kurzfristige Klarstellung einsetzen.
Die Einführung des Nullsteuersatzes soll für die Betreiber zu einer Bürokratieentlastung führen. Der Anlagenbetreiber muss künftig nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, um sich die bislang anfallende Umsatzsteuer von 19 Prozent als Vorsteuer zurückzuholen. Dieser Verzicht bedeutet auch immer, dass er für mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, wie jeder andere Unternehmer Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Der Nullsteuersatz zwingt ihn künftig nicht mehr faktisch, diesen Aufwand auf sich zu nehmen.

Inflationsausgleichsprämie § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz 

Das Bundesfinanzministerium hat 24 Fragen und die dazugehörigen Antworten zum persönlichen und sachlichen Umfang der Inflationsausgleichsprämie gem. § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz (EStG) veröffentlicht.
Bei der Inflationsausgleichsprämie handelt es sich um einen Betrag von bis zu 3.000,00 €, den Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in dem Zeitraum vom 26.10.22 bis 31.12.2024 steuer- und sozialabgabenfrei gewähren können.
Unter folgendem Link gelangen Sie zu der Seite:
Bundesfinanzministerium - FAQ zur Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz

Elektronische Kassensysteme: Zertifikatsablauf für D-TRUST/Cryptovision-TSE zum 8. Januar 2023 

Das Zertifikat der durch die D-Trust GmbH vertriebene „D-TRUST TSE Version 1.0“ verliert seine Gültigkeit mit Ablauf des 7. Januar 2023. Elektronische Kassen(systeme), welche mit dieser Technischen Sicherheitseinrichtung abgesichert sind, erfüllen daher ab dem 8. Januar 2023 nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch angeordnet, dass entsprechende Systeme bis zum 31. Juli 2023 genutzt werden dürfen, wenn die Weiterverwendung gegenüber dem Finanzamt angezeigt wird.
Mit dem sog. Kassengesetz“ [Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016] wurde in § 146a AO die Verpflichtung eingeführt, dass ab dem 1. Januar 2020 elektronische Kassen(systeme) beziehungsweise Aufzeichnungssysteme i.S.v. § 146a Abs. 1 S. 1 AO i. V. m. § 1 S. 1 KassenSichV sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen sind.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat darauf hingewiesen, dass die Zertifizierung der Version 1 der TSE der Firma cv cryptovision GmbH mit Ablauf des 7. Januars 2023 ausläuft, so dass diese TSE ab diesem Zeitpunkt nicht mehr den Anforderungen des § 146a Abs. 1 S. 1 AO genügt und der Weiterbetrieb des entsprechend abgesicherten Kassen(systems) nicht mehr zulässig wäre.
Mit Blick auf die besonderen Härten für Unternehmen, die ihre Kassen(systeme) mit einer derartigen TSE abgesichert haben, hat die IHK-Organisation gemeinsam mit dem ZDH und den Handelsverbänden HDE und BGA gegenüber den Finanzbehörden von Bund und Ländern auf eine unkomplizierte Lösung gedrängt. Um genügend Vorlauf für den erforderlichen Austausch dieser nicht mehr zertifizierten TSE zu schaffen, hat das Bundesfinanzministerium eine bis zum 31. Juli 2023 befristete Nichtbeanstandungsregelung verfügt. Demnach muss zwar der Austausch unverzüglich in Angriff genommen werden, jedoch können Unternehmen die bisher verwendete, nicht mehr zertifizierte TSE [TSE Version 1 der Firma cv cryptovision GmbH, vertrieben unter dem Namen DTRUST TSE-Modul] bis zum 31. Juli 2023 weiternutzen, wenn diese vor dem 7. Juli 2022 erworben und eingebaut wurde. Für diesen Zeitraum werden aus dem Fehlen der Zertifizierung keine nachteiligen Folgen gezogen. Allerdings muss die Weiternutzung dem zuständigen Finanzamt schriftlich oder elektronisch angezeigt werden.
Empfehlung: Unternehmen, welche eine entsprechende TSE zur Sicherung ihres Kassen(systems) verwenden, sollten sich umgehend mit ihrem Kassenhändler in Verbindung setzen, bei dem das TSE-Modul erworben wurde, und gemeinsam über eine sachgerechte, betriebsbezogene Lösung beraten (gegebenenfalls Austausch, anderer Hersteller, Umstellung auf Cloud-TSE etc.). Zugleich sollte formlos das Finanzamt über den Weiterbetrieb informiert werden.

Beschluss des Bundesfinanzhofs: Entgelt für mietvertragliche Werbefläche beim Arbeitnehmer für Werbung des Arbeitgebers unterfällt der Lohnsteuer 

Der Bundesfinanzhof hat in einem Revisionsverfahren mit Beschluss vom 21. Juni 2022 (VI R 20/20) entschieden, dass ein Entgelt an den Arbeitnehmer für mietvertragliche Werbeflächen des Arbeitgebers der Lohnsteuer unterliegt.
 
Die Revisionsklägerin schloss als mittelständiges Unternehmen mit einer Vielzahl ihrer Mitarbeiter einen Mietvertrag über Werbeflächen ab. Vertragsgegenstand war das Anbringen eines Werbeschriftzuges für die Revisionsklägerin an die privaten Pkws ihrer Mitarbeiter gegen ein jährliches Entgelt i.H.v. 255 €. Die Revisionsklägerin hat für dieses Entgalt keine Lohnsteuer abgeführt und wurde durch das Finanzamt (Revisionsbeklagte) aufgrund eines Haftungsbescheids vom 05.07.2017 i.H.v. 2.214,80 € für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.05.2017 in Anspruch genommen.
Einspruch und Klage gegen diesen Haftungsbescheid blieben erfolglos. Auch die Revision gegen das abweisende Urteil des Finanzgerichts Münsters (03.12.2019 – 1 K 3320/18) wurde zurückgewiesen.
Nicht jede Zahlung eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer stellt einen Arbeitslohn dar. Ein Arbeitgeber kann mit seinem Arbeitnehmer neben dem Arbeitsvertrag weitere eigenständige Verträge abschließen. Kommt einem gesondert abgeschlossenen Vertrag allerdings kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu, kann es sich insoweit um eine weitere Arbeitslohnzahlung handeln, die der Lohnsteuer unterliegt.
Das Revisionsgericht führt aus, dass es sich hierbei um Einkünfte nicht selbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) i.S.d. § 19 I Nr. 1 EStG handelt, die durch das Dienstverhältnis veranlasst wurden. Dafür sprechen die Laufzeiten der Mietverträge, die an die bestehenden Arbeitsverhältnisse geknüpft waren. Der Mietvertrag über die Werbefläche stellt kein Sonderrechtsverhältnis dar, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zuzuweisen ist. 
Die Revisionsklägerin haftet als Arbeitgeberin für die Lohnsteuer gem. § 42d I Nr. 1 EStG. Die Lohnsteuer ist nach § 38 I, III 1 EStG vom Arbeitslohn für die Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a I 1 Nr. 2 EStG an das Finanzamt abzuführen.

Die IHK-Organisation verabschiedet Leitlinien für eine Neuausrichtung zum internationalen Steuerrecht 

Der Vorstand der IHK-Organisation hat am 22. November 2022 ein Positionspapier zum Internationalen Steuerrecht beschlossen, in dem die Leitlinien und Forderungen der IHK-Organisation mit Blick auf eine unternehmensfreundliche Ausgestaltung der steuerlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen dargelegt werden.
Internationalisierung ist für deutsche Unternehmen Alltag. Neben großen nutzen auch kleine und mittelgroße Unternehmen, vielfach eigentümergeführt, Produktions- und Absatzmärkte im Ausland und sichern dadurch ihre Marktposition. Umgekehrt investieren ausländische Unternehmen in Deutschland, schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze und tragen zu Wohlstand und Wachstum bei. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung, die durch die Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine nochmals modifiziert wurde, bedarf jedoch neuer steuerlicher Rahmenbedingungen, welche die grenzüberschreitenden Aktivitäten der Unternehmen unterstützen – und nicht behindern.
Internationale Unternehmensbesteuerung ist jedoch keine nationale Angelegenheit (mehr): Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel sowohl der beteiligten nationalen Steuerrechtsordnungen, der Europäischen Richtlinien und Verordnungen als auch der internationalen Regelungen auf Ebene der OECD beziehungsweise des Inclusive Framework.
In dem Positionspapier hat sich die IHK-Organisation daher für einen kohärenten multilateralen Ansatz ausgesprochen, der auf allen Regelungsebenen unternehmensfreundliche Maßnahmen vorsieht, damit Unternehmen ohne das Risiko von Doppelbesteuerungen und übermäßigen Befolgungskosten im globalen Wettbewerb ressourceneffektiv agieren können.
Besonderes Augenmerk hat die IHK-Organisation auf die aktuellen OECD/IF-Aktivitäten gelegt: Zurzeit arbeiten die Finanzverwaltungen von 141 Staaten unter dem Dach der OECD an einer grundlegenden Reform der internationalen Steuerarchitektur, welche unter dem Namen „2-Säulen-Projekt“ großes internationales Aufsehen hervorgerufen hat. Mit Blick auf den avisierten Start der neuen Regelungen im Jahr 2024 haben wir die wichtigsten Petita der IHK-Organisation herausgearbeitet, die für Unternehmen von Bedeutung sind.
Die Gesetzgebung der Europäischen Union ist von besonderer Bedeutung, da der deutsche Gesetzgeber diese ohne Änderungsmöglichkeit in deutsches Recht überführen muss. Aufgrund des geltenden Einstimmigkeitsprinzip ist eine aktive Mitarbeit der deutschen Bundesregierung im Vorfeld der EU-Beschlüsse notwendig, um unternehmensfreundliche Rahmendbedingungen zu schaffen. Leider standen in der Vergangenheit eher fiskalpolitisch ausgerichtete Regelungen im Vordergrund (zum Beispiel „ATAD-Richtlinien“) der EU-Aktivitäten. In unserem Positionspapier fordern wir daher einen Paradigmenwechsel, der die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen im Binnenmarkt in den Vordergrund stellt.
Gerade bei grenzüberschreitenden Investitionsvorhaben (Inbound wie Outbound) ist ein hinreichendes Maß an Planungssicherheit und Verlässlichkeit (sog. Tax Certainty) unerlässlich. Planbarkeit und Verlässlichkeit des deutschen Steuerrechts sind jedoch nicht zuletzt durch etliche „Anti-Missbrauchsnormen“ zurückgegangen, mit denen vermeintliche Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen. Diese Maßnahmen haben die Komplexität der Steuerregeln stark erhöht und dazu beigetragen, dass diese für Unternehmen und Finanzverwaltung kaum mehr zu handhaben sind.
In dem Positionspapier hat die IHK-Organisation die wichtigsten Druckstellen benannt, die Unternehmen behindern. Zugleich wurden Vorschläge unterbreitet, wie die grenzüberschreitenden Aktivitäten durch „gute“ steuerliche Regelungen unterstützt werden können. Neben der für Familienunternehmen wichtigen Wegzugsbesteuerung fordert die IHK-Organisation auch eine Reformierung der Hinzurechnungsbesteuerung sowie weiterer sogenannter „Anti-Missbrauchsvorschriften“. Zugleich wird das Thema der Betriebsprüfung und der zunehmenden Melde- und Befolgungspflichten, welche Unternehmen belasten, adressiert. Ebenfalls sollte das Netz der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verbessert und ausgebaut werden; hierbei kann die IHK-Organisation mit ihren Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen an rund 150 Standorten in 93 Staaten unterstützen und wichtige Impulse geben.

Steigende Kreditrisiken können Kreditversorgung der Wirtschaft gefährden 

Der Finanzstabilitätsbericht 2022 warnt vor einer substanziellen Verschlechterung des makrofinanziellen Umfelds. Hohe Energiekosten und Inflationsraten, schnell steigende Zinsen und geringe Wachstumsaussichten führen zu hohen Abwärtsrisiken. Bisher habe es aber aus Sicht der Bundesbank keine Beschränkung der Kreditversorgung der Wirtschaft gegeben.
Die Bundesbank fordert von den Finanzinstituten, angesichts dieser Risiken aus eigener Kraft ausreichend resilient zu sein. In ihrem kritischen Befund sieht die Bundesbank bei den Banken keine hinreichende Vorsicht. So würden die Kreditrisiken derzeit zu gering eingeschätzt werden. Die Banken sollten stärker die Auswirkungen von Stressszenarien prüfen und angesichts der hohen Unsicherheiten eine höhere Risikovorsorge betreiben und nur vorsichtig Gewinne ausschütten.
Die Bundesbank unterstützt in ihrem Bericht außerdem den Anfang 2022 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingeführten antizyklischen Kapitalpuffer.
Diesen zusätzlichen Kapitalpuffer sollen die Banken in Zeiten eines übermäßigen Kreditwachstums aufbauen, um mögliche Verluste besser absorbieren zu können. Er darf im Krisenfall explizit aufgezehrt werden. Dadurch soll die Entstehung einer Kreditklemme vermieden werden.
Aus Sicht der Bundesbank gibt es aber aktuell keinen Anlass, diesen Kapitalpuffer wieder abzubauen. Erst bei signifikanten Verlusten im Finanzsystem oder übermäßigen Einschränkungen der Kreditvergabe sei daran zu denken. „Makroprudenzielle Politik ist keine Konjunkturpolitik,“ sagte Vizepräsidentin Claudia M. Buch bei der Vorstellung des Berichts. Für Anpassungen des antizyklischen Kapitalpuffers sei der Finanzzyklus, nicht der Konjunkturzyklus maßgeblich.
Finanzzyklen und Konjunkturzyklen sind nicht voneinander zu trennen, auch wenn es zeitliche Abweichungen geben mag. Im Zuge möglicher weiterer Zinsschritte der Europäischen Zentralbank und der regulatorischen Anforderungen sollte die Bundesbank die Situation gut beobachten, ob nicht doch in den nächsten Monaten eine Kreditklemme auftritt. Der massive Anstieg bei kurzfristigen Krediten im September und Oktober ist eher als Warnsignal denn als Entwarnung zu verstehen.
Der jährliche Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank erscheint seit 2005. Als Lehre aus der globalen Finanzkrise von 2007/08 haben diese Berichte massiv an Bedeutung gewonnen.

Steuermaßnahmen: Überarbeitung des europäischen Verhaltenskodex 

Der Rat Wirtschaft und Finanzen hat am 8. November einen überarbeiteten Verhaltenskodex angenommen. In dem Kodex verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten, bestehende steuerliche Maßnahmen, die tatsächlich oder potenziell einem "schädlichen" Steuerwettbewerb Vorschub leisten, abzuschaffen.
Die Mitgliedsstaaten werden auch künftig von der Einführung derartiger Maßnahmen absehen. Da der Fokus der Prüfung sich weitet, zeichnet sich eine Ausweitung der steuerlichen Berichtspflichten für Unternehmen ab.
"Schädliche" Maßnahmen bewirken laut Rat, dass Einkünfte in keinem der beteiligten Staaten besteuert werden oder Steuervergünstigungen mehrfach in Anspruch genommen werden können. Mit dem überarbeiteten Verhaltenskodex wird insbesondere das Konzept der "steuerlichen Besonderheiten mit allgemeiner Geltung" eingeführt. Auch das Verfahren für die Beurteilung dieser Besonderheiten wird dann dort geregelt. Bislang wurden lediglich steuerliche Sonderregelungen oder Ausnahmen vom allgemeinen Steuersystem geprüft. Zukünftig werden auch allgemeine steuerliche Merkmale in den Fokus genommen.
Der neue Kodex gilt ab dem 1. Januar 2024. Er erstreckt sich auf alle steuerlichen Besonderheiten mit allgemeiner Geltung, die ab dem 1. Januar 2023 eingeführt werden.
Endredaktion: Viola Friedrichs
Recht und Steuern

Steuerinfo Oktober 2022

In dieser Steuerinfo informieren wir Sie unter anderem über Verfahrenserleichterungen für Unternehmen angesichts der Ukraine-Krise, um Steuerbefreiung von freiwillig gezahlten Inflationssonderzahlungen an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie, den zukünftigen digitalen Gewerbesteuerbescheid, die zukünftige Veröffentlichung von Steuerdaten sowie die Erweiterung der schwarzen und grauen Liste für die Bekämpfung der Steuervermeidung.

Verfahrenserleichterungen für Unternehmen angesichts der Ukraine-Krise

Angesichts der gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 6. Oktober 2022 ein BMF-Schreiben veröffentlicht, nach dem die Finanzämter die ihnen gesetzlich zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume im Interesse der erheblich betroffenen Unternehmen nutzen sollen. Ohne strenge Nachweispflichten sollen auf Antrag im Einzelfall fällige Steuern gestundet, Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer angepasst sowie Vollstreckungsaufschub gewährt werden.
Mit dem BMF-Schreiben „Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine“ vom 5. Oktober 2022 können die Finanzämter die besondere Situation bei nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen angemessen berücksichtigen. Ihnen stehen hierzu verschiedene Möglichkeiten und Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen der allgemeinen rechtlichen Vorgaben zur Verfügung, wie zum Beispiel:
  • Herabsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer,
  • Stundung oder
  • einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (Vollstreckungsaufschub).
Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind bei bis zum 31. März 2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen zu stellen und diese zeitnah zu entscheiden. Dabei sollen die Finanzämter den ihnen zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll ausschöpfen.
Auch eine rückwirkende Herabsetzung von Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich.

Verzicht auf Stundungszinsen

Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann im Einzelfall aus Billigkeitsgründen verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Pflichten, insbesondere seinen Zahlungspflichten, bisher pünktlich nachgekommen ist und er in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen hat. Dabei werden Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der Corona-Krise nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt. Regelmäßig kommt ein Verzicht auf Stundungszinsen in Betracht, wenn diese Maßnahme für einen Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten gewährt wird.
Weiterhin gelten die verlängerten Steuererklärungsfristen für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2024 gem. Art. 97 § 36 Abs. 3 EGAO, welche im BMF-Schreiben vom 23. Juni 2022 zum Vierten Corona-Steuerhilfegesetz dargelegt sind.

Bis zu 3.000 Euro steuerfrei vom Arbeitgeber

Um die Folgen der Inflation auszugleichen, hat der Bundesrat am 7. Oktober 2022 der sogenannten Inflationsausgleichsprämie zugestimmt. Konkret geht es um die Steuerbefreiung von freiwillig gezahlten Inflationsausgleichssonderzahlungen an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber. Diese kann bis zu einer Summe von bis zu 3.000 Euro gewährt werden.
Durch eine in das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ eingefügte Ergänzung ist ein neuer § 3 Nr. 11c EStG geschaffen worden. Dieser regelt, dass Arbeitgeber Leistungen zur Abmilderung der Inflation bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuerfrei an ihre Arbeitnehmer gewähren können (Inflationsausgleichsprämie). Es handelt sich dabei um einen steuerlichen Freibetrag, der unabhängig davon gilt, ob die Leistungen in Form von Zuschüssen oder Sachbezügen gewährt werden. Die Regelung ist von der Wirkweise also vergleichbar mit der bereits bekannten Regelung in § 3 Nr. 11a EStG (Coronaprämie).

Zusätzlichkeitserfordernis

Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, also insbesondere nicht im Wege einer Entgeltumwandlung finanziert wird. Es muss außerdem der Zusammenhang von Leistung und Preissteigerung deutlich gemacht werden. Es genügt, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der Leistung in beliebiger Form (zum Beispiel durch entsprechenden Hinweis auf dem Überweisungsträger im Rahmen der Lohnabrechnung) deutlich macht, dass diese im Zusammenhang mit der Preissteigerung steht.

Anwendung neben anderen Befreiungen möglich

Im Gegensatz zur Coronaprämie nach § 3 Nr. 11 a EStG, die auf den Pflegebonus nach § 3 Nr. 11 b EStG angerechnet wird, kann § 3 Nr. 11c EStG auch neben anderen Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten zur Anwendung kommen.

Abgabenfrei auch in der Sozialversicherung

In der Sozialversicherung entfallen aufgrund der Steuerfreiheit auf die Inflationsausgleichsprämie keine Beträge, da es sich dabei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) nicht um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt. Mit einer Ergänzung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung wird sichergestellt, dass diese Inflationsausgleichsprämie bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB II nicht als Einkommen berücksichtigt wird, um die steuerliche Privilegierung auch im SGB II nachzuvollziehen.

Begünstigungszeitraum bis Ende 2024

Der Begünstigungszeitraum ist zeitlich befristet und gilt vom Tag nach der Verkündung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2024.

Auch 2023 gilt in der Gastronomie der ermäßigte Mehrwertsteuersatz

Speisen werden auch im Jahr 2023 im Restaurant nicht mit höherer Mehrwertsteuer belastet. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Oktober 2022 der weiteren Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 Prozent für Speisen zugestimmt. Lediglich für Getränke muss auch weiterhin der Regelsteuersatz von 19 Prozent angewendet werden.
Während der Corona-Krise war der Steuersatz für Restaurant- und Verpflegungsleistungen auf 7 Prozent gesenkt worden. Damit sollten Gastronomen in der Krise unterstützt werden. Die Regelung sollte Ende 2022 auslaufen, wurde aber nun nochmals bis Ende 2023 verlängert. So sollen die Belastungen der Branche durch die hohen Energiekosten abgefedert werden.

Restaurant- und Verpflegungsleistungen

Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen umfassen neben der Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen auch die Dienstleistungen wie die Bereitstellung von Sitzgelegenheiten, Geschirr, beratende Leistungen des Personals et cetera, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen. Gegenüber der bloßen Lieferung von Speisen, die seit langem dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, bildet die Abgabe von Speisen im Rahmen von Restaurant- und Verpflegungsleistungen nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt.
Als Restaurantdienstleistungen werden entsprechende Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Gastronomen eingestuft. Demgegenüber ist von Verpflegungsdienstleistungen die Rede, wenn die entsprechenden Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Gastronomen erbracht werden. Der Umfang der ermäßigt besteuerten Dienstleistungen unterscheidet sich dabei nicht. Mithin ist beispielsweise auch die Überlassung von Geschirr und Personal umfasst.

Bundesregierung senkt Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme

Heizen soll nach dem Willen der Bundesregierung günstiger werden. Dazu senkt sie den Mehrwertsteuersatz für die Lieferung von Gas sowie Fernwärme von 19 Prozent auf 7 Prozent. Die Absenkung ist begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 – den Zeitraum, für den ursprünglich die Gasbeschaffungsumlage vorgesehen war. Die Versorger werden aufgefordert, die Steuersenkung 1:1 an die Verbraucher weiterzugeben. Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen profitieren von dieser Entlastungsmaßnahme nicht.
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Energiepreise in ungeahnte Höhen steigen lassen. Die geplante Gasbeschaffungsumlage hätte zu einer weiteren Verteuerung von Gaslieferungen über das Erdgasnetz geführt. Um die Bürger insbesondere von diesen zusätzlichen Kosten zu entlasten, wurde mit dem "Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz" rückwirkend zum 1. Oktober 2022 die Laufzeit der Umlage auf entsprechende Gaslieferungen die Mehrwertsteuer gesenkt werden. Dabei bleibt es auch, obwohl die Gasumlage nach dem Willen der Bundesregierung nun doch nicht erhoben wird. Vielmehr wurde die Steuersatzsenkung in letzter Minute auch auf die Lieferung von Fernwärme ausgedehnt.

Ablesezeitpunkt maßgebend

Gas, Strom, Wärme, Wasser etc. werden in der Regel auf Basis festgelegter Ablesezeiträume abgerechnet. Fällt also der Ablesezeitraum für Gas- bzw. Fernwärmelieferungen in die Zeit vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden – und zwar für den gesamten Abrechnungszeitraum. Für die meisten Kunden wird sich die Steuersatzsenkung also bereits auf das gesamte Jahr 2022 auswirken, da Ablesezeitraum in der Regel der 31. Dezember 2022 sein wird. Im Jahr 2024 würde dieser Ablesezeitpunkt allerdings dazu führen, dass – sofern keine Verlängerung der Regelung erfolgt – auch für Gaslieferungen des ersten Quartals der Regelsteuersatz gelten würde. Das Bundesfinanzministerium sieht im Entwurf eines Anwendungsschreibens aber vor, dass Zwischenablesungen durch den Energieversorger möglich sind. Erfolgt also eine solche Ablesung noch am 31. März 2024, könnte auch für das erste Quartal 2024 der ermäßigte Steuersatz gerettet werden.

Vorsteuerabzugsberechtige Unternehmen gehen leer aus

Unternehmen, die die von ihnen gezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend machen können, werden durch die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes nicht entlastet. Sie müssen jedoch die Änderung beim Vorsteuerabzug berücksichtigen und auf die Ausstellung korrekter Rechnungen achten. Anderenfalls können Nachforderungen des Finanzamtes drohen, wenn beispielsweise aufgrund einer Rechnung mit „altem“ Steuersatz ein zu hoher Vorsteuerbetrag geltend gemacht wird.

Einmonatige Nichtbeanstandungsregelung beim Vorsteuerabzug

Lediglich für Rechnungen über Lieferungen, die im Monat Oktober 2022 erfolgt sind, enthält der Entwurf des BMF-Schreibens eine sogenannte Nichtbeanstandungsregelung: Wenn das Unternehmen diese noch mit 19 Prozent in Rechnung stellt und die Mehrwertsteuer in entsprechender Höhe an das Finanzamt abführt, kann der unternehmerische Leistungsempfänger die Vorsteuer ebenfalls in dieser Höhe geltend machen.

Gewerbesteuerbescheid bald digital

Bisher gibt es deutschlandweit 600 verschiedene Formate bei den Gewerbesteuerbescheiden – alle in Papierform. Für Unternehmen bedeutete dies einen enormen Bearbeitungsaufwand. Ab 2023 wird dies Geschichte sein. Denn dann soll der digitale Gewerbesteuerbescheid nach einer Pilotphase vollständig funktionieren. In ganz Deutschland können dann rund 3,9 Millionen Unternehmen davon profitieren.
Besonders für Unternehmen mit mehreren Standorten sind Prüfung und Verarbeitung der Bescheide ein enormer Aufwand. Abhilfe schafft ab Anfang nächsten Jahres der digitale Gewerbesteuerbescheid.  Diese Neuerung ist als Teil der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) implementiert worden. Angesichts der vielen daran beteiligten Akteure von Ministerien über Finanzverwaltungen bis hin zu Kommunen ist das aus Sicht der IHK-Organisation ein beachtlicher Erfolg.

Bundesweit einheitliche, digitale Lösung

Die bundesweit einheitliche digitale Lösung, die an das Steuerportal ELSTER und ELSTER-Transfer gekoppelt ist, bedeutet sowohl für die Kommunen als auch für die Unternehmen eine große Erleichterung. Unternehmen können damit nun ein automatisiertes Verfahren anwenden und müssen nicht mehr alle Gewerbesteuerbescheide manuell in der Buchhaltung bearbeiten. Insbesondere Unternehmen mit Betriebsstätten in unterschiedlichen Kommunen dürften davon profitieren, denn der einheitliche digitale Gewerbesteuerbescheid kann automatisch in das betriebliche Enterprise-Ressource-Planning-System heruntergeladen und maschinell verarbeitet werden.

Workflow nun voll digital

Der gesamte Workflow – vom Einreichen der elektronischen Gewerbesteuererklärung bis hin zur rechtssicheren Bescheidzustellung in das elektronische Elster-Postfach des Unternehmens – erspart den Unternehmen auf Dauer viel Bearbeitungsaufwand und damit verbundene Kosten. Nun kommt es darauf an, dass die Kommunen und HKR-Hersteller (Haushalt-Kasse-Rechnungswesen-Systeme) auch rechtzeitig die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anbindung an das neue Format schaffen. In Rostock beispielsweise ist das schon gelungen, die Stadt Bergisch Gladbach ist ebenfalls bereits eine Pilotkommune.

Kommunen sind nun gefordert

Kommunen sollten nun ihre sogenannten HKR-Systeme den neuen Anforderungen anpassen und schnellstmöglich den Hersteller ihres Systems darauf ansprechen. Sicher ist es dabei hilfreich, wenn auch die Unternehmen vor Ort bei den Kommunen für dieses Verfahren werben. Um diesen Vorgang zu erleichtern, wurden konkrete Vorgaben für die Hersteller erarbeitet, etwa ein Lastenheft, ein Projektplan für die Einführung und das Testen sowie eine Spezifikation der notwendigen Datensätze. Die innerhalb des OZG-Umsetzungsprojektes erstellten Informationen zu technischen Prozessen, Leitfäden und FAQs sind u.a. auf  https://www.elster.de/elsterweb/infoseite/digitaler_gewerbesteuerbescheid zu finden.

Veröffentlichung von Steuerdaten wird umgesetzt

Inländische Unternehmen, deren Umsatz mindestens 750 Millionen Euro beträgt, sollen künftig nicht nur gegenüber der Steuerverwaltung ihre Ertragsteuerinformationen offenlegen, sondern auch diese für die Allgemeinheit veröffentlichen müssen. Das Public Country-by-Country-Reporting betrifft inländische und ausländische Unternehmen mit Niederlassung in Deutschland.
Die Offenlegungspflicht gilt ab Geschäftsjahren, die nach dem 21. Juni 2024 beginnen. EU-Niederlassungen und Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen sollen ebenso zu dieser Offenlegung verpflichtet werden. Das HGB soll dafür um einen neuen Unterabschnitt im Vierten Abschnitt des Dritten Buchs (§§ 342 bis 342p HGB-Neu) ergänzt werden. Die neue Offenlegungspflicht und die tatsächliche Offenlegung von Ertragsteuerinformationen sollen künftig auch Bestandteil der Jahresbeschlussprüfung sein.
Das sogenannte Public Country-by-Country-Reporting-(PCbCR) betrifft inländische Unternehmen, verbunden oder unverbunden, die mindestens durch eine Niederlassung, feste Geschäftseinrichtung oder eine dauerhafte Geschäftstätigkeit multinational aufgestellt sind. Multinational agierende Unternehmen, die einen Sitz außerhalb der EU haben (Drittstaaten), werden auch zur Transparenz verpflichtet, wenn sie ein mittelgroßes oder großes Tochterunternehmen in Deutschland oder eine inländische Zweigniederlassung ab einem Umsatz von 12 Millionen Euro haben (§ 342 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a HGB-E). Umgehungen dieser Veröffentlichungspflicht durch Gestaltungen von Drittstaatsunternehmen sollen mit einer Herabsetzung der formellen Kriterien unterbunden werden.

Ertragsteuerberichterstattung getrennt nach Staaten

Die Ertragsteuerberichterstattung (vgl. § 342 h i.V. m. § 342 i HGB-E) hat getrennt nach Staaten zu erfolgen. Zu den Pflichtangaben gehören unter anderem der Name des Unternehmens oder des im Verbund obersten Mutterunternehmens sowie der Name aller Tochterunternehmen, die ihren Sitz in der EU oder in Steuerhoheitsgebieten, die von der EU für Steuerzwecke als nicht kooperativ klassifiziert worden sind, haben. Die Art der Geschäftstätigkeit, die Zahl der Arbeitnehmer, die Erträge (ausgenommen die Dividenden aus dem Verbund), der Gewinn beziehungsweise Verlust vor Steuern, die Summe der Ertragssteuer (ohne latente Steuern), die tatsächliche getätigte Steuerzahlung (inkl. Quellensteuer) sowie die einbehaltenen Gewinne, überperiodisch so lange noch kein Beschluss darüber gefasst worden ist, sollen ebenfalls veröffentlicht werden.

Ausnahme bei erheblichem Nachteil

§ 342k HGB-E regelt einen Dispens dieser Verpflichtungen, wenn die Veröffentlichung der Ertragsteuerdaten einen erheblichen Nachteil für das Unternehmen bedeuten würde. Die Beweislast hierfür soll beim Unternehmen liegen. Spätestens nach fünf Jahren soll die aus diesen Gründen nicht vorgenommene Veröffentlichung nachgeholt werden müssen.

Bericht mittels Musterformblatt

Der Ertragsteuerinformationsbericht ist für inländische Unternehmen in Euro zu fassen, für Drittstattunternehmen in der jeweiligen Währung (vgl. § 342j HGB-E). Vorgesehen sind eine elektronische Übermittlung und ein Musterformatblatt in deutscher Sprache. Spätestens ein Jahr nach dem Ende des Berichtzeitraums soll der Bericht an das zuständige Unternehmensregister übermittelt werden.

Veröffentlichung auch auf Internetseite

Anders als beim länderbezogenen Bericht multinationaler Unternehmensgruppen nach § 138a AO, ist der Adressat dieser steuerrelevanten Informationen nicht die Finanzverwaltung, sondern die Allgemeinheit. Der Ertragssteuerinformationsbericht muss daher auch auf der Internetseite des Unternehmens fünf Jahre lang veröffentlicht werden. Alternativ kann auf der Internetseite des Unternehmens ein Hinweis auf die Möglichkeit des Abrufs des Berichts auf der Internetseite des Unternehmensregisters erfolgen. Die Durchführung von Sanktionsverfahren obliegt dem Bundesamt für Justiz.
Nach § 317 Abs. 3b HGB-E soll der Abschlussprüfer auch zu prüfen haben, ob das Unternehmen Ertragssteuerinformationen offenlegen muss und ob es seine Verpflichtung erfüllt hat. Er soll im Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 1 Satz 4 HGB-E hierzu berichten müssen. Die erweiterte Abschlussprüfung gilt erstmals ein Jahr später, also für die Prüfung von Geschäftsjahren, die am 22. Juni 2025 oder später beginnen.

Neuer Gebührentatbestand

Für die Offenlegung der Ertragssteuerinformationen im Unternehmensregister nach § 342m HGB-E soll ein Gebührentatbestand, vgl. Art. Änderung des Justizverwaltungskostengesetzes, in Höhe von 220 Euro eingeführt werden.
Weitere Änderungen im HGB betreffen die Definition des Unternehmensverbundes im Sinne des § 271 Abs. 2 HGB-E sowie die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 325a HGB (Offenlegung) um inländische Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat.
Mit dem Entwurf sollen eine entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt und weitere Änderungen im Handelsgesetzbuch sowie im Aktienrecht erfolgen.

Bekämpfung der Steuervermeidung: Schwarze und Graue Liste werden erweitert

Laut Beschluss des EU-Finanzministerrates vom 4. Oktober entstehen Nachteile für Unternehmen, die geschäftliche Aktivitäten mit Ländern unterhalten, die als "steuerlich nicht-kooperativ" eingestuft werden.
Bei gesellschaftsrechtlichen Verbindungen zu Ländern auf der zweiten, "grauen Liste" könnten diese Nachteile, zum Beispiel ein Betriebsausgabenabzugsverbot, zukünftig entstehen. Das setzt voraus, dass Staaten, die sich an sich kooperativ zeigen, die an sie gestellten Anforderungen, steuerlich transparenter zu werden, in einer angemessenen Frist nicht erfüllen.
In die "schwarze" und die "graue" Liste der EU kommt erneut Bewegung: Drei überseeische Gebiete in der Karibik kommen neu auf die schwarze Liste: Drei britische Überseegebiete in der Karibik kommen neu auf die schwarze Liste: Anguilla, die Bahamas sowie die Turks- und Caicoinseln. Alle drei Territorien waren bereits auf der so genannten grauen Liste und hatten Zusagen für Änderungen an ihren Steuerregeln gemacht: Sie wollten und sollten transparenter werden, die Erschaffung von Offshore-Strukturen erschweren und Gewinnverlagerungen stärker entgegenwirken. Allerdings haben die Länder ihre Zusagen – nach Auffassung der Europäischen Kommission – nicht eingehalten, so dass sie jetzt hoch- beziehungsweise heruntergestuft werden.
Die drei Länder, die sich seit der letzten Überarbeitung im Februar auf der grauen Liste befanden, stehen nach der Herabstufung zusammen mit neun weiteren auf der Liste: Amerikanisch-Samoa, Fiji, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, die US-Virgin Islands und auf Vanuatu. Sowohl Anguilla als auch die Bahamas sind bereits mehrfach ge- und wieder de-listet worden.
Auf der grauen Liste soll es zwei Zu- und einen Abgang geben: Eswatini und Armenien werden wegen der Nichtabschaffung steuerschädlicher Regime aufgenommen. Tunesien hingegen darf die Liste verlassen. Damit würde diese Liste dann 23 Staaten umfassen. Die Türkei hingegen bleibt auf der Liste: Sie hatte sich zu einem effektiven automatischen steuerlichen Informationsaustausch zwar mit allen EU-Staaten bereiterklärt. Nach Auffassung des Rates setzt sie die Ankündigung mit Zypern aber in der Praxis nicht um.
Daneben hat Deutschland soeben eine Änderung seiner „Steueroasen-Abwehr-Verordnung“ auf den Weg gebracht. In ihr sind die Steuerhoheitsgebiete genannt, die als „nicht kooperativ“ einzustufen sind. Die Verordnung bildet die Steuerhoheitsgebiete ab, die auf der entsprechenden, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten, EU-Liste jeweils gelistet sind.
 
Steuern

Umsatzsteuerliche Behandlung elektronischer Dienstleistungen

Die Frage nach der umsatzsteuerlichen Behandlung von elektronischen Leistungen ist in der Praxis zunächst für die Ausstellung von Rechnungen über solche Leistungen relevant. Während rein nationale Sachverhalte noch einfach sind, sind es in der Regel die Fälle mit innereuropäischem oder Drittlandsbezug, bei denen es Besonderheiten zu beachten gibt. Hier geht regelmäßig es darum, welche Umsatzsteuer welchen Staates auf der Rechnung ausgewiesen werden muss oder ob das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung findet. Diese Merkblatt soll dazu einige Grundlegende Informationen liefern sowie einige gängige Fallgestaltungen aufzeigen.

Was sind elektronische Dienstleistungen?

Eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung ist eine Leistung, die über das Internet oder ein elektronisches Netz, einschließlich Netze zur Übermittlung digitaler Inhalte, erbracht wird und deren Erbringung auf Grund der Merkmale der sonstigen Leistung im hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen ist, vgl. UStAE Abschn. 3a.12 Abs. 1. Dabei handelt es sich gem. UStAE Abschn. 3a.12 Abs. 3 insbesondere um folgende sonstige Leistungen:
  • Bereitstellung von Webseiten und das Webhosting
  • automatisierte Online-Fernwartung von Programmen
  • Fernwartung von Systemen
  • Online-Bereitstellung von Speicherplatz nach Bedarf (insb. Cloud-Computing)
  • Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Software und Updates
  • Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Fotos und Bildern
  • digitalisierter Inhalt von E-Books und anderen elektronischen Publikationen
  • Abonnement von Online-Zeitungen und –Zeitschriften
  • Online-Nachrichten, -Verkehrsinformationen und –Wetterbericht
  • Bereitstellung von Werbeplätzen (z.B. Bannerwerbung auf Webseiten)
  • Benutzung von Suchmaschinen und Internetverzeichnissen
  • Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Musik auf Computer und Mobiltelefon
  • Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Filmen
  • Herunterladen von Spielen auf Computer und Mobiltelefon
  • Gewährung des Zugangs zu automatisierten Online-Spielen, die nur über das Internet oder ähnliche elektronische Netze laufen und bei denen die Spieler räumlich voneinander getrennt sind
  • Fernsehen auf Abruf oder Video-on-Demand
  • Automatisierter Fernunterricht, dessen Funktionieren auf das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz angewiesen ist und dessen Erbringung wenig oder gar keine menschliche Beteiligung erfordert, es sei denn, das Internet oder das elektronische Netz dient nur als Kommunikationsmittel zwischen Lehrer und Schüler
Keine elektronischen Dienstleistungen sind solche, bei denen das Internet oder die elektronischen Netze lediglich als Kommunikationsmittel, also der Übermittlung von Daten, dienen:
  • Data-Warehousing (offline)
  • Versteigerungen herkömmlicher Art, bei denen Menschen direkt tätig werden
  • Fernunterricht, z.B. per Post
  • Reparatur von EDV-Ausrüstung
  • Zeitungs-, Plakat- und Fernsehwerbung
  • Beratungsleistungen von Rechtsanwälten und Finanzberatern usw. per E-Mail
  • Anpassung von Software an die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers,
  • Internettelefonie
  • Kommunikation, wie z.B. E-Mail
  • Telefon-Helpdesks
  • Telefonie mit Videokomponente
  • Zugang zum Internet
  • Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz bei gleichzeitiger Übertragung der Sendung auf herkömmlichen Weg
  • Online gebuchte Eintrittskarten für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Veranstaltungen
  • online gebuchte Beherbergungsleistungen
  • Online gebuchte Vermietung von Beförderungsmitteln
  • Online gebuchte Restaurationsleistungen
  • Online gebuchte Personenbeförderungen
  • Die online-Vermittlung von online gebuchten Leistungen

Grundlagen der Steuerbarkeit von elektronischen Dienstleistungen

Die Frage, ob auf einer Rechnung Umsatzsteuer auszuweisen ist und wenn ja, welchen Staates, ist die Frage nach der Steuerbarkeit einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung. Für die Beurteilung der Steuerbarkeit von auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen sind zunächst insbesondere folgende Fragen maßgeblich:
  1. In welchem Staat sind Leistender und Leistungsempfänger ansässig?
  2. Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmen (B2B-Fall) oder eine Privatperson (B2C-Fall)?

B2B-Fall

Erbringt ein Unternehmen an ein anderes Unternehmen eine elektronische Dienstleistung (B2B), bleibt es bei dem Grundfall des § 3a Abs. 2 UStG. Leistungsort ist in diesem Fall also dort, wo der Empfänger der elektronischen Dienstleistung sein Unternehmen betreibt.

B2C-Fall

Ist der Leistungsempfänger dagegen
  • kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird,
  • keine ausschließlich nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist,
  • keine juristische Person, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch tätig ist, bei der die Leistung nicht ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals oder eines Gesellschafters bestimmt ist,
ist der Leistungsort dort, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat, vgl. § 3a Abs. 5 UStG. I.d.R. handelt es sich in diesen Fällen um Privatpersonen.
Seit dem 1. Juli 2021 gibt es eine Vereinfachung für Unternehmen, die im EU-Ausland steuerbare elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige (d.h. insb. Privatpersonen) erbringen. Wenn
  1. das leistende Unternehmen seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und
  2. der Gesamtumsatz mit sonstigen Leistungen i.S.v. § 3a Abs. 5 S. 2 UStG und innergemeinschaftlichen Fernverkäufen i.S.v. § 3c Abs. 1 S. 2 und 3 UStG insgesamt in anderen EU-Mitgliedstaaten im vorangegangenen Kalenderjahr 10.000,- Euro nicht überschritten worden ist und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet,
ist Leistungsort der Sitz des leistenden Unternehmens. 

Einzelne Fallgestaltungen

Inländischer Auftragnehmer leistet an inländischen Auftraggeber

Hier bleibt es, unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmen oder eine Privatperson ist, dabei, dass die Leistung in Deutschland steuerbar ist. Die Dienstleistung ist vom Leistenden also mit 19 % Umsatzsteuer abzurechnen, sei denn, der Leistende ist Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG, bei welchem die Umsatzsteuer nicht erhoben wird.

Inländischer Auftragnehmer leistet an Auftraggeber aus dem EU-Ausland

Leistungsempfänger ist ein Unternehmen (B2B)

In diesem Fall gilt die elektronische Dienstleistung als an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Der Umsatz ist also grundsätzlich in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat mit dem dortigen Umsatzsteuersatz steuerbar. Es gilt jedoch das Reverse-Charge-Verfahren, was bedeutet, dass sich die Steuerschuldnerschaft umkehrt. Der Leistende stellt seine Rechnung in diesem Fall also ohne Umsatzsteuer aus und weist mit einem entsprechenden Zusatz auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hin. Voraussetzung dafür ist, dass der Leistungsempfänger in seinem Ansässigkeitsstaat umsatzsteuerpflichtig ist. Der Leistungsempfänger meldet den Umsatz dann in seinem Staat an und führt die Umsatzsteuer ab.
Ist der leistende Unternehmer ein Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG, kommt das Reverse-Charge-Verfahren nicht in Betracht, vgl. § 13b Abs. 5 S. 9 UStG – in diesem Fall wird die Rechnung ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung ausgestellt.
Hinweis: Weitere Informationen zur Kleinunternehmerregelung finden Sie auf unserem Merkblatt „Die Kleinunternehmerregelung in den EU-Mitgliedstaaten”.

Leistungsempfänger ist Privatperson (B2C)

Hat das Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten mehr als 10.000,- Euro Umsatz erzielt, gilt die Leistung am Wohnsitz der Privatperson als ausgeführt. Der Umsatz ist in dem Staat, in welchem sich der Wohnsitz der Privatperson befindet, mit dem dort anwendbaren Steuersatz steuerbar. Im Gegensatz zum B2B-Bereich gilt gegenüber Privatpersonen das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Für das leistende Unternehmen bedeutet dies, dass es sich in dem Staat, in welchem der Empfänger der Leistung seinen Wohnsitz hat, umsatzsteuerlich registrieren lassen muss. Um zu vermeiden, dass sich ein Unternehmen aufwändig in jedem EU-Mitgliedstaat registrieren lassen muss, wurde am 1. Januar 2015 zur Vereinfachung der sog. Mini-One-Stop-Shop (MOSS) eingeführt, der mittlerweile am 1. Juli 2021 zum sog. One-Stop-Shop (OSS) erweitert worden ist. Unternehmen haben mit der Registrierung über den OSS die Möglichkeit ihre Umsätze in der EU in einer besonderen Steuererklärung zu erklären, diese Erklärung zentral elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln und die sich in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ergebende Steuer insgesamt zu entrichten. 
Hinweis: Weitere Informationen zur Registrierung für den One-Stop-Shop finden Sie auf der Webseite des Bundeszentralamtes für Steuern (BzSt).
Als weitere Erleichterung wurde eine Bagatellschwelle eingeführt. Wenn 
  1. das leistende Unternehmen seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und
  2. der Gesamtumsatz mit sonstigen Leistungen i.S.v. § 3a Abs. 5 S. 2 UStG und innergemeinschaftlichen Fernverkäufen i.S.v. § 3c Abs. 2 und 3 UStG insgesamt in anderen EU-Mitgliedstaaten im vorangegangenen Kalenderjahr 10.000,- Euro nicht überschritten worden ist und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet,
ist Leistungsort der Sitz des leistenden Unternehmens. Der Vorteil dieser Regelung liegt darin, dass kleine Unternehmen eine umsatzsteuerliche Registrierung im EU-Ausland vermeiden können; diese berechnen auf ihren Rechnungen dann wie bei rein nationalen Sachverhalten deutsche Umsatzsteuer und führen diese in Deutschland ab. Auf diese Vereinfachungsregelung kann verzichtet werden. An diese Verzichtserklärung ist das Unternehmen dann 2 Jahre lang gebunden. Verzichtet das Unternehmen auf diese Vereinfachungsregel, muss es sich dann entweder für den OSS oder in dem Bestimmungsstaat für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren und die Umsatzsteuer nach dem dort geltenden Besteuerungsverfahren abführen.

Inländischer Auftragnehmer leistet an Auftraggeber aus Drittland

Leistungsempfänger ist Unternehmen (B2B)

In der Regel stellt das leistende Unternehmen seine Rechnung ebenso wie bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt innerhalb der EU ohne Umsatzsteuer mit Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers aus. Der Empfänger der elektronischen Dienstleistung ist Steuerschuldner, meldet also den Umsatz in seinem Ansässigkeitsstaat an und führt die Umsatzsteuer an die dort zuständige Finanzverwaltung ab. Ist in dem Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers kein Reverse-Charge-Verfahren anwendbar, besteht die Gefahr, dass sich das leistende Unternehmen (=Rechnungssteller) dort für umsatzsteuerzwecke registrieren, die dortige Umsatzsteuer auf der Rechnung ausweisen und die Umsatzsteuer dann nach den Vorschriften des jeweiligen Staates abführen muss. Um ganz sicher zu gehen kann es hilfreich sein, im Zweifel beim Leistungsempfänger nachzufragen, ob die Leistung ohne Umsatzsteuer unter Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ausgestellt werden kann. Bei verbleibenden Zweifeln sollte steuerrechtliche Beratung in Anspruch genommen werden. Ggf. können auch die Auslandshandelskammern weiterhelfen.

Leistungsempfänger ist Privatperson (B2C)

Hier gilt, dass der Umsatz am Wohnort des Leistungsempfängers im Drittland steuerbar ist. Das leistende Unternehmen stellt die Rechnung mit Umsatzsteuer des Drittstaates aus, muss sich dort umsatzsteuerlich registrieren und die Umsatzsteuer nach dem dort geltendem Besteuerungsverfahren abführen.
Hinweis: Die seit dem 1.7.2021 geltende Erleichterung für Unternehmen, die nicht mehr als 10.000,- Euro mit elektronischen Dienstleistungen umsetzen, gilt hier nicht, weil es sich um keinen innergemeinschaftlichen Sachverhalt handelt.

Auftragnehmer aus einem EU-Mitgliedstaat leistet an inländischen Auftraggeber

Leistungsempfänger ist Unternehmen (B2B)

Dieser Fall ist sinngemäß zu behandeln, wie der des inländischen Auftragnehmers, der an ein Unternehmen aus dem EU-Ausland eine elektronische Dienstleistung erbringt: Das leistende Unternehmen stellt eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aber mit Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge) aus. Der Leistungsempfänger im Inland erklärt den Umsatz gegenüber dem für sein Unternehmen zuständigen Finanzamt und führt die Umsatzsteuer ab.

Leistungsempfänger ist Privatperson (B2C)

Das leistende Unternehmen stellt seine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer aus und muss sich im Inland umsatzsteuerlich registrieren. Etwas anderes gilt dann, wenn es unter die Vereinfachungsregelung fällt und nicht auf diese verzichtet hat – dann rechnet es die Umsatzsteuer nach den Vorschriften seines Ansässigkeitsstaates ab und führt diese dort ab. Es hat außerdem die Möglichkeit der Registrierung über den OSS.

Auftragnehmer aus Drittland leistet an inländischen Auftraggeber

Leistungsempfänger ist Unternehmen (B2B)

Das leistende Unternehmen stellt hier seine Rechnung ohne Umsatzsteuer mit Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge). Der Leistungsempfänger erklärt den Umsatz im Inland gegenüber dem für sein Unternehmen zuständigen Finanzamt und führt die Umsatzsteuer ab.

Leistungsempfänger ist Privatperson (B2C)

Das leistende Unternehmen stellt hier seine Rechnung mit inländischer Umsatzsteuer aus und muss sich im Inland umsatzsteuerlich registrieren. Es hat außerdem die Möglichkeit der Registrierung über den OSS in einem EU-Mitgliedstaat seiner Wahl. 

Erstellung von Rechnungen, Preisangaben

Über die erbrachten elektronischen Leistungen sind von dem leistenden Unternehmer nach den allgemeinen Vorschriften ordnungsgemäße Rechnungen auszustellen. Besonderheiten bestehen insoweit nicht. Macht ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland von der Vereinfachungsregel gem. § 3a Abs. 5 S. 3 UStG Gebrauch, sind stets die deutschen Vorschriften zur Erstellung von Rechnungen zu beachten.
Hinweis: Weitere Informationen über die Pflichtangaben auf Rechnungen finden Sie auf unserem Merkblatt.
Bei elektronischen Dienstleistungen ergibt sich regelmäßig zusätzlich das Problem, dass der Ansässigkeitsstaat des Leistungsempfängers im Rahmen eines Online-Bestellprozesses nicht ohne weiteres festgestellt werden kann. Verbraucher müssen jedoch bei der Bestellung über den Preis einschließlich der Umsatzsteuer informiert werden, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Preisangabenverordnung (PAngV).
Tipp: Informationen über die Umsatzsteuersätze in der EU finden Sie hier.
Folglich muss ein Bestellprozess gewährleisten, je nach dem, in welchem Staat der Besteller ansässig ist, den zutreffenden Umsatzsteuersatz und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer darzustellen. Neben dem vollständigen Namen des Bestellers und dessen Anschrift sollte ein Online-Bestellprozess daher auch die Abfrage des Ansässigkeitsstaates und ggf. sogar die Verarbeitung der (gekürzten) IP-Adresse vorsehen (Bitte beachten Sie, dass bspw. bei der Verwendung eines VPN-Tunnels durch den Bestellenden die IP-Adresse möglicherweise unrichtige Ergebnisse in Bezug auf den Ansässigkeitsstaat liefert). 

Umsatzsteuerliche Registrierung / One-Stop-Shop (OSS)

Die Teilnahme am OSS erfolgt über die Stellung eines entsprechenden Antrages beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unter Nennung der eigenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Für die Registrierung steht das Online-Portal des BZSt zur Verfügung – dort werden auch die Steuererklärungen eingereicht. Unternehmen, die bereits vor dem 1. Juli 2021 für den Mini-One-Stop-Shop (MOSS) registriert waren, nehmen automatisch am OSS teil. Die Steuererklärung ist an das BZSt zu folgenden Terminen zu übermitteln:
  • Für das erste Kalendervierteljahr bis zum 30. April,
  • für das zweite Kalendervierteljahr bis zum 31. Juli,
  • für das dritte Kalendervierteljahr bis zum 31. Oktober,
  • für das vierte Kalendervierteljahr bis zum 31. Januar des Folgejahres.
Registrierungsbeginn ist grundsätzlich der erste Tag des Kalendervierteljahres, das auf die Antragstellung folgt. Es ist auch möglich, sich vom OSS abzumelden. Diese ist ab dem 1. Tag des folgenden Kalenderquartals wirksam, sofern die Abmeldung mindestens 15 Tage vor Ablauf des Kalenderquartals an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden ist. Für die Registrierung ist ein digitales Zertifikat erforderlich.
Hinweis: Weitere Informationen über die Registrierung über den OSS finden Sie auf der Webseite des BZSt.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Stand: Juli 2022
 
Steuern

Energiepreispauschale (EPP)

Ziel der Energiepreispauschale ist es, bestimmte Bevölkerungsgruppen von den gestiegenen Energiepreisen zu entlasten. Die folgenden Erläuterungen sollen nur einen kurzen Überblick über das Thema vermitteln. Weitere Details und Informationen finden Sie in den FAQs des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Energiepreispauschale. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre Steuerberaterin, bzw. Ihren Steuerberater.
Anspruch auf die Energiepreispauschale haben Personen, die
  1. 2022 in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren, also ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, bzw. haben und
  2. 2022 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG), selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) hatten, bzw. haben.
Der Anspruch auf die Energiepreispauschale entsteht am 1. September 2022 und beträgt 300,- Euro pro anspruchsberechtigter Person. Für die ausgeübte Tätigkeit, aus denen die o.g. Einkünfte erzielt werden, ist weder eine bestimmte Mindestdauer noch ein konkreter Zeitpunkt erforderlich. Arbeitnehmer haben also auch dann Anspruch auf die Energiepreispauschale, wenn diese bspw. geringfügig beschäftigt sind (Das erste Dienstverhältnis ist schriftlich nachzuweisen!), eine dem Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistung beziehen (z.B. Elterngeld, Krankengeld, Kurzarbeitergeld) oder sich in der passiven Phase ihrer Altersteilzeit befinden.
Auch selbstständig Tätige haben grundsätzlich Anspruch auf die Energiepreispauschale, wenn diese 2022 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) hatten, bzw. haben (s.o.). Bei Selbstständigen erfolgt die Auszahlung grundsätzlich dadurch, dass die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer für das 3. Quartal 2022 um die Energiepreispauschale gemindert wird. Ein Antrag ist dafür nicht erforderlich. Ist die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer geringer als 300,- Euro, wird diese auf 0,- Euro herabgesetzt. Der verbleibende, also nicht genutzte Teil der Energiepreispauschale wird dann im Rahmen der einkommensteuerlichen Veranlagung für 2022 vom Finanzamt berücksichtigt. Diejenigen Steuerpflichtigen, die am SEPA-Lastschriftverfahren teilnehmen, erhalten über diese Minderung der Vorauszahlungen in der Regel keinen Bescheid. Stattdessen wird im Bundessteuerblatt dazu eine Allgemeinverfügung veröffentlicht werden, die näheres regelt. In den übrigen Fällen erhalten Steuerpflichtige – voraussichtlich ab der 32. Kalenderwoche – einen gesonderten geänderten Vorauszahlungsbescheid, um die Höhe ihrer individuellen Überweisung anpassen zu können.
Hinweis: Eine Minderung der Vorauszahlung der Einkommensteuer bei Selbstständigen erfolgt nicht, wenn gleichzeitig Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) erzielt werden! Denn in diesen Fällen erfolgt die Auszahlung der Energiepreispauschale in der Regel über den Arbeitgeber (s.u.).
Die Energiepreispauschale wird an Arbeitnehmer in der Regel vom Arbeitgeber im Rahmen der Lohnzahlung im September ausbezahlt. Arbeitgeber, die monatliche Lohnsteuer-Anmeldungen abgeben, bekommen die Energiepreispauschale dann in Rahmen der Anmeldung für September erstattet. Das bedeutet, dass sich die abzuführende Lohnsteuer entsprechend verringert oder, falls die Summe der gezahlten Energiepreispauschale die abzuführende Lohnsteuer übersteigt, dass sich das ergebende Guthaben an den Arbeitgeber von Finanzamt erstattet wird. Arbeitgeber, die vierteljährlich die Lohnsteuer-Anmeldung abgeben, können wählen, ob sie die Energiepreispausche erst im Oktober auszahlen. Arbeitgeber, die jährliche Lohnsteuer-Anmeldungen abgeben, können auf die Auszahlung der Energiepreispauschale ganz verzichten; die Energiepreispauschale wird dann im Rahmen der einkommensteuerlichen Veranlagung des jeweiligen Arbeitnehmers für VZ 2022 berücksichtigt.
Hinweis: Mit Bekanntmachung vom 18. Juli 2022 hat das BMF das geänderte Muster der Lohnsteuer-Anmeldung 2022 bekannt gegeben. Dort wurde eine neue Kennzahl 35 für die Energiepreispauschale aufgenommen. Das BMF weist darauf hin, dass diese Kennzahl nur in den Lohnsteuer-Anmeldungszeiträumen August 2022, 3. Quartal 2022 und in der Jahresanmeldung 2022 gilt. Der Wert in der Kennzahl 35 ist immer ohne Minuszeichen anzugeben. Bei einer nachträglichen Änderung der Energiepreispauschale ist die entsprechende Lohnsteuer-Anmeldung (August 2022, 3. Quartal 2022 oder in der Jahresanmeldung 2022) zu korrigieren.
Eine Ausnahme von der Auszahlung durch den Arbeitgeber an Arbeitnehmer kann unter anderem dann bestehen, wenn zum 1. September 2022 kein aktives Dienstverhältnis vorliegt, bei Aushilfskräften in der Land- und Forstwirtschaft, wenn der Arbeitgeber keine Lohnsteuer-Anmeldung abgibt oder der Arbeitnehmer keinen inländischen Arbeitgeber hat. In diesem Fall wird die Energiepreispauschale im Rahmen der einkommensteuerlichen Veranlagung des jeweiligen Arbeitnehmers berücksichtigt, wenn dieser also für das Jahr 2022 eine Einkommensteuererklärung abgibt. Ein gesonderter Antrag gegenüber dem Finanzamt ist dafür nicht erforderlich. Die Energiepreispauschale wird dann mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022 berücksichtigt. 
Hinweis: Mit Bekanntmachung vom 15. Juli 2022 hat das BMF das geänderte Muster der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022 bekannt gegeben. Dort wurde der Grußbuchstabe “E” zu den bisherigen Großbuchstaben hinzugefügt.
Auf die Energiepreispauschale sind zwar keine Sozialversicherungsabgaben abzuführen. Dafür unterliegt die Energiepreispauschale der Einkommensteuer, was bedeutet, dass Steuerpflichtige die Energiepreispauschale mit ihrem individuellen Steuersatz zu versteuern haben. Dadurch wird ein gewisser sozialer Ausgleich erreicht, weil wegen der Steuerprogression der individuelle Steuersatz von Steuerpflichtigen umso niedriger ist, je geringer das zu versteuernde Einkommen ist. In der Einkommensteuererklärung für 2022 haben Selbstständige die Energiepreispauschale als “sonstige Einkünfte” (§ 22 Nr. 3 EStG) anzugeben, sofern sie keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) erzielt haben. Die Energiepreispauschale unterliegt weder der Umsatz- noch der Gewerbesteuer. Bei Arbeitnehmern, die ausschließlich pauschal besteuerten Arbeitslohn aus einer kurzfristigen oder geringfügigen Beschäftigung oder einer Aushilfstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft erzielen und im gesamten Jahr 2022 keine weiteren anspruchsberechtigenden Einkünfte haben, gehört die EPP nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen.
Tipp: Weitere Informationen und praktische Fallbeispiele finden Sie in den FAQs des Bundesfinanzministeriums (BMF).
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt, Ihre Steuerberaterin oder Ihren Steuerberater.
Stand: August 2022
Recht und Steuern

Steuerinfo Juli 2022

+++ Aktuelles Steuerrecht +++

Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung zur Betrugsbekämpfung

BMF veröffentlicht Verwaltungssicht zu bereits seit 1. Januar 2020 geltender Regelung
Bei der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung kann die Finanzverwaltung auf Grundlage des § 25f UStG den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen und die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen versagen. Dies gilt bereits seit Januar 2020. Da auch ein „hätte wissen müssen“ ausreicht, können auch ehrliche Unternehmer betroffen sein. Worauf ein Unternehmer nach Ansicht der Finanzverwaltung achten muss, um entsprechende Risiken möglichst zu vermeiden, erfahren Sie hier.
Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen kann versagt werden, wenn der Umsatz Teil einer missbräuchlichen Gestaltung ist und der betreffende Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Das ergibt sich aus der neuen Haftungsvorschrift § 25 f UStG, der den § 25 d UStG ersetzt.
Die Steuerhinterziehung beziehungsweise der ordnungswidrige Vorsteuerabzug kann dabei vom Leistenden oder einem anderen Beteiligten der Leistungskette begangen worden sein. Das BMF erläutert in seinem Schreiben vom 15. Juni 2022 die Anwendung der bereits zum 1. Januar 2020 eingeführten Vorschrift des § 25 f UStG.
Grundsätzlich trägt das Finanzamt die Beweislast, dass der objektive und subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) beziehungsweise einer Bußgeldvorschrift (§§ 26 a UStG) oder einer Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26 c UStG) auf mindestens einer Umsatzstufe innerhalb der Leistungskette erfüllt sind und der Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Das Finanzamt ist dabei an strafgerichtliche beziehungsweise bußgeldrechtliche Entscheidungen nicht gebunden; es prüft selbständig (Abschnitt 25 f.1 Abs. 3 UStAE). Eine strafgerichtliche Verurteilung oder bußgeldrechtliche Ahndung ist nicht erforderlich.
Bereits nach dem Wortlaut der Regelung ist es für die Versagung ausreichend, wenn der Unternehmer an einem Umsatz beteiligt ist, bei dem auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe Umsatzsteuer hinterzogen wurde beziehungsweise ein ungerechtfertigter Vorsteuerabzug erfolgt ist. Dabei sind entsprechend Abschnitt 25 f.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE alle Umsatzstufen einer Leistungskette zu berücksichtigen. Versagt werden der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in voller Höhe. Dies kann auch auf mehrere Beteiligte einer Lieferkette zutreffen (Abschnitt 25 f.1 Abs. 6 UStAE). Insoweit kann es zu einer Überkompensation des Steuerschadens des Fiskus kommen. Die Deckelung auf den tatsächlichen Steuerschaden, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert wurde, wurde nicht umgesetzt und wird von Seiten der Finanzverwaltung als zu schwer zu ermitteln abgelehnt.
Der Unternehmer soll grundsätzlich auf die korrekte Behandlung seiner Umsätze vertrauen können, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung und nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens einbezogen sind (Abschnitt 25 f.1 Abs. 4 UStAE). Welche Maßnahmen das konkret betrifft, erläutert die Finanzverwaltung nicht. Sie fordert hingegen, dass der Unternehmer „weitergehende geeignete Maßnahmen“ ergreift und diese dokumentiert, wenn für ihn Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten, insbesondere eine Steuerhinterziehung, erkennbar sind. Dazu soll er beispielsweise zusätzliche Auskünfte einholen. Das gilt sowohl bei der Aufnahme neuer als auch bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Geht er trotz weiterhin bestehender Zweifel die Geschäftsbeziehung ein oder führt diese fort, geht die Finanzverwaltung von einem Wissen oder Wissen müssen des Unternehmers aus.
Abschnitt 25 f.1 Abs. 5 UStAE enthält eine beispielhafte Auflistung für Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten. Insbesondere ist danach darauf zu achten, ob ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen; als Beispiel dafür wird aufgeführt, dass die Leistungen von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht werden. Das dürfte allerdings jedes klassische Reihengeschäft betreffen. Daher ist insbesondere dieses Beispiel äußerst kritisch zu sehen.
In Abschnitt 25 f.2 UStAE wird ausgeführt, dass die Vereinfachungen für sogenannte Dreiecksgeschäfte entfallen, sofern die Voraussetzungen des § 25f Abs. 1 UStG vorliegen.
Den Text des Schreibens vom 15. Juni 2022 finden Sie hier.

Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Beteiligung

Der Bundesfinanzhof hat sich in einem speziellen Fall zur Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft in Bezug auf die Beteiligung am Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung geäußert. Umstritten war vor allem, ob neben einer wirtschaftlichen auch eine personelle Verflechtung vorlag. Welche allgemeinen Schlussfolgerungen sich aus diesem Einzelfall ziehen lassen, muss noch geklärt werden.
Der Bundesfinanzhof hatte am 16. September 2021 zum Aktenzeichen IV R VII/18 einen besonderen Sachverhalt entschieden. Im Grunde ging es um die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG: Sie besagt, dass man auf Antrag den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes entfällt, aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herauskürzen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt. Diese erweiterte Kürzung kommt vereinfacht ausgedrückt nur für grundstücksverwaltende Unternehmen infrage.
Im Sachverhalt hatte eine GmbH & Co. KG eine Immobilie an eine andere GmbH & Co. KG vermietet. Die Mieterin nutzte diese Immobilie zur Produktion. Die vermietende Gesellschaft begehrte die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Allerdings, so der IV. Senat des Bundesfinanzhofs, lag hier zwischen beiden Gesellschaften ein Fall der Betriebsaufspaltung vor.
Die Betriebsaufspaltung als Institut der Rechtsprechung (ohne gesetzliche Fixierung) setzt voraus, dass zwei Unternehmen wirtschaftlich und personell verflochten sind. Die Vermietung von wesentlichen Betriebsgrundlagen, des Produktionsgebäudes, ist ein Fall der wirtschaftlichen Verflechtung.
Fraglich und streitig war allein, ob es sich auch um einen Fall der personellen Verflechtung handelt. Hierbei ist auf die Beteiligten hinter der GmbH & Co. KG zu schauen. Die Kommanditanteile der Mieterin waren zu mehr als 50 Prozent im Eigentum einer Kapitalgesellschaft, welche wiederum zu mehr als 50 Prozent im Eigentum des A, einer natürlichen Person, stand. Die Anteile an der Komplementär-Gesellschaft der Mieterin waren ebenfalls zu mehr als 50 Prozent im Eigentum des A. Hinsichtlich der Kommanditanteile an der Vermieterin waren diese zu mehr als 50 Prozent im direkten Eigentum des A. Die Anteile an der Komplementär-GmbH waren ebenfalls zu 50 Prozent im Eigentum des A.
Bisher ging die Rechtsprechung in einer solchen Konstellation nicht von einer persönlichen Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung aus. Zwar war bisher schon durch ständige Rechtsprechung anerkannt, dass auf Seiten der Mieterin, also einer etwaigen Betriebsgesellschaft, auch eine mittelbare Zurechnung an eine dahinterstehende Person erfolgen könne; also eine zwischen gestaltete Kapitalgesellschaft keine abschirmende Wirkung entfalten würde.
Allerdings war dies auf Seiten der vermietenden Gesellschaft, also einer etwaigen Besitzgesellschaft, bisher nicht der Fall. Im Ergebnis wurde der natürlichen Person A die Komplementärstellung in der Besitzgesellschaft mittelbar zugerechnet aufgrund der mehr als 50-prozentigen Beteiligung an der Komplementärgesellschaft. Der IV. Senat es Bundesfinanzhofs begründete diese Änderung der Rechtsprechung vor allem damit, dass eine Ungleichbehandlung auf Seiten der Betriebsgesellschaft einerseits und der Besitzgesellschaft andererseits nicht einzusehen sei.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass der entschiedene Fall als Besonderheit beinhaltete, dass die natürliche Person mehrheitlich als Kommanditist an der Besitzgesellschaft beteiligt ist. In vielen Fällen dürfte jedoch auch diese Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft vermittelt werden. Bisher ist die Interpretation des vorliegenden BFH-Urteils bezüglich solcher Fallgestaltungen nicht eindeutig. Man erhofft sich durch ein etwaiges Schreiben des Bundesfinanzministeriums hierzu eine Klarstellung.

BMF verlängert vereinfachtes Verfahren für „Registerfälle“

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 29. Juni 2022 – rechtzeitig vor Auslaufen des Verfahrens zum 30. Juni 2022 - die Anwendung des „vereinfachten Verfahrens“ für sogenannte Registerfälle bis zum 30. Juni 2023 erneut verlängert.
Bereits mit BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 (BStBl. I 2021 S. 301) wurde für Vergütungen i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG ein vereinfachtes Verfahren eingeführt. Es handelt sich dabei um Vergütungen, die von ausländischen Vergütungsschuldnern für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten gewährt werden, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind, und ohne einen weiteren Inlandsbezug dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3.EStG unterliegen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Nutzungs- oder Lizenzrechte handeln.
Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens wurde mit BMF-Schreiben vom 14. Juli 2021 (BStBl. 2021 I S. 1005) bereits für solche Vergütungen verlängert, die dem Vergütungsgläubiger nach dem 30. September 2021, aber vor dem 1. Juli 2022 zufließen.
Mit Blick auf das herannahende Fristende hatten Bund und Länder seit geraumer Zeit über eine weitergehende Verlängerung beraten, welche nunmehr mit BMF-Schreiben vom 29. Juni 2022 gerade rechtzeitig verfügt wurde. Die im BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 erstmals festgesetzten Voraussetzungen können nunmehr auch für solche Vergütungen in Anspruch genommen werden, die dem Vergütungsgläubiger nach dem 30. Juni 2022, aber vor dem 1. Juli 2023 zufließen. Zu beachten ist, dass der Antrag auf Freistellung vom Steuerabzug analog § 50d Abs 2 S. 1 EStG (§ 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG) bis zum 30. Juni 2023 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stellen ist.

Kurzumfrage des DIHK zur steuerlichen Forschungsförderung

Seit dem Jahr 2020 ist das Gesetz zur steuerlichen Forschungsförderung in Kraft, auch besser bekannt als Forschungszulage. Einige Unternehmen haben dieses Instrument bereits für sich genutzt, viele Unternehmen jedoch noch nicht. Der DIHK möchte die Umfrage nutzen, um bei forschungsaktiven Unternehmen herauszufinden, aus welchen Gründen sie die steuerliche Forschungsförderung nutzen und aus welchen Gründen sie nicht genutzt wird und mögliche Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Umfrage des DIHK läuft noch bis zum 29.Juli 2022 und kann unter folgendem Link abgerufen werden.
Hintergrund
Die Forschungszulage sieht einen Steuerbonus für Lohnkosten und Auftragsforschung vor. Bedingung für die Forschungszulage ist in der ersten Stufe zunächst eine Bescheinigung darüber, dass das Unternehmen ein förderfähiges Forschungsvorhaben im Sinne des Forschungszulagengesetzes durchführt. Diese Bescheinigung erhalten die Unternehmen bei der sog. Bescheinigungsstelle Forschungszulage (www.bescheinigung-forschungszulage.de). In der zweiten Stufe erfolgt mit Hilfe der Bescheinigung die Beantragung der Forschungszulage beim Finanzamt. Maximal können Kosten in Höhe von 2 Mio. Euro angegeben werden – mit einer maximalen Forschungszulage von 500.000 Euro jährlich. Für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2026 beträgt die maximale Bemessungsgrundlage sogar 4 Mio. Euro jährlich – damit ist in diesem Zeitraum ein jährlicher Steuerbonus von bis zu einer Million Euro möglich.

Finanzbehörde Hamburg veröffentlicht FAQ´s Update 07.07.2022

Die Finanzbehörde Hamburg hat eine aktualisierte Fassung der FAQ´s veröffentlicht. Neuerungen ergeben sich im Wesentlichen zum steuerfreien „Corona-Pflegebonus“ für Arbeitnehmer sowie der Verlängerung der Abgabefristen für Steuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021. Die FAQ´s der Finanzbehörde können hier abgerufen werden.
Eine Übersicht der finanziellen Hilfen des Staates finden Sie auch auf der Seite der Handelskammer Hamburg unter www.hk24.de. Hier finden Sie Informationen zu möglichen finanziellen Unterstützungen wie Corona-Zuschüsse, Beteiligungen sowie sonstigen Maßnahmen und deren Beantragung und individueller Beratungsangebote.

Urteil des Finanzgerichts Hamburg zur steuerfreien Vermietung von Zimmern an Prostituierte in sog. „Steigen“

Mit Urteil vom 17. Mai 2022 hat der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg entschieden, ob die Überlassung von Zimmern in sogenannten Steigen im Sperrgebiet St. Pauli als umsatzsteuerfreie Vermietung zu bewerten ist oder ob ein Bündel von Leistungen erbracht wird, das der Überlassung des Zimmers den Charakter eines bloßen Mietverhältnisses nimmt. Der Kläger war Mieter von zwei Immobilien auf St. Pauli, die beide im Gebiet der Sperrverordnung liegen und in denen in der Zeit von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr die Prostitution erlaubt ist. Ein weiteres Objekt, für das keine Beschränkungen galten, befand sich in der H-Straße.
Die einzelnen Zimmer der sog. Steigen überließ der Kläger zu einer „Tagesmiete“ an Prostituierte, die dort ihre sexuellen Dienstleistungen erbrachten. Der Kläger berief sich im Streitjahr 2016 auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2015, in dem das Gericht ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg aufgehoben und die halbstündige Überlassung von Zimmern in einem sog. Stundenhotel als umsatzsteuerfreie Vermietung angesehen hatte. Dem folgte das Finanzamt im Ergebnis nicht, da neben der Zimmerüberlassung ein „rund-um-sorglos-Paket“ für die Prostituierten erbracht werde, das die Grenzen passiver Vermietungsleistungen überschreite.
Der Senat des FG folgte der Auffassung des Finanzamts nach Durchführung einer Beweisaufnahme. Neben der Überlassung der Zimmer würden auf Veranlassung des Klägers in allen Steigen Wirtschafter oder Wirtschafterinnen tätig sein, die sich um die Prostituierten kümmerten und für ihre Sicherheit sorgten. Daneben erhielten die Prostituierten die Möglichkeit, auf bestimmten öffentlichen Plätzen, die den Steigen sozusagen gewohnheitsrechtlich zugewiesen seien, unter Ausschluss „steigenfremder“ Prostituierter Freier zu akquirieren. Weitere Leistungen wie die Bereitstellung einer Alarmanlage und Videoüberwachung sowie Catering würden erbracht. Mit dieser Gesamtheit von Leistungen sei laut Gericht die Grenze einer passiven Vermietungsleistung überschritten und die Nutzungsüberlassung habe eher bordellartigen Charakter.
Die Revision gegen das Urteil vom 17.05.2022 – 2 K 9/20 wurde nicht zugelassen. Das Urteil kann im Volltext auf der Webseite des Finanzgerichts Hamburg abgerufen werden.

Endredaktion: Jan Meister
Recht und Steuern

Steuerinfo Juni 2022

+++ Aktuelles Steuerrecht +++

Umsatzsteuerfreiheit trotz verspäteter Abgabe der Zusammenfassenden Meldung

Fristversäumnis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen heilbar

Die Finanzverwaltung forderte für die Umsatzsteuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung bislang nicht nur, dass der Lieferer die Zusammenfassende Meldung (ZM) richtig und vollständig abgegeben hat, sondern auch, dass diese fristgerecht eingereicht wurde. Diese strenge Sichtweise wird mit einem BMF-Schreiben vom 20. Mai 2022 abgemildert. Trotzdem ist weiter Sorgfalt geboten.
Seit 1. Januar 2020 sind die Angabe einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Abnehmers und die korrekte Deklaration der innergemeinschaftlichen Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) materiell-rechtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung. In Bezug auf die Pflicht zur Abgabe der ZM sah der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) in Abschnitt 4.1.2 Abs. 2 Satz 2 auch die fristgerechte (erstmalige) Abgabe der Erklärung als zwingend für die Steuerbefreiung an.
Diese sehr strenge Auslegung geht über den Gesetzestext des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG hinaus. Demnach ist eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht steuerfrei, wenn der Lieferant insgesamt keine ZM abgegeben hat oder wenn er die entsprechende Lieferung nicht oder unrichtig in der ZM erklärt hat. Eine zeitliche Komponente enthält die Vorschrift nicht; lediglich über den Verweis auf § 18a UStG hätte die Frist herangezogen werden können. Auch die Vorschriften der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, auf denen § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG beruht, enthalten keine zeitliche Einschränkung.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) stellt nun klar, dass die Umsatzsteuerfreiheit für die jeweiligen innergemeinschaftlichen Lieferungen (rückwirkend) gegeben ist, wenn eine unrichtige ZM berichtigt oder nach Ablauf der für sie geltenden Frist eingereicht wird; vorausgesetzt, die entsprechenden Steuererklärungen sind noch änderbar. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass ungeachtet der rückwirkenden Steuerbefreiung bei einer verspäteten oder korrigierten Abgabe der ZM ein Bußgeldverfahren nicht ausgeschlossen wird (vergleiche Abschnitt 4.1.2 Abs. 3 Sätze 8 bis 10 UStAE n.F.).
Gleichzeitig korrigiert das BMF seine Ausführungen zum maßgeblichen Meldezeitraum der ZM. Entsprechend § 18a Abs. 8 Satz 1 UStG sind Lieferungen „für den Meldezeitraum zu machen, in dem die Rechnung […] ausgestellt wird, spätestens jedoch für den Meldezeitraum, in dem der auf die Ausführung der innergemeinschaftlichen Warenlieferung folgende Monat endet.“ Dazu wird in Abschnitt 4.1.2 Abs. 2 UStAE n.F. nunmehr ausdrücklich auf § 18a Abs. 8 UStG verwiesen.
Die bisherige Angabe des Meldezeitraums in Abschnitt 4.1.2 Abs. 2 a.F. („Meldezeitraum, in dem die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wurde“) würde zu einer unrichtigen ZM und damit zum Ausschluss der Steuerbefreiung führen.
Die Änderungen durch das BMF-Schreiben vom 20. Mai 2022 sind auf alle nach dem 31. Dezember 2019 ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen anzuwenden.
Den Text des Schreibens vom 20. Mai 2022 finden Sie hier.

Aufschubkonten für die Einfuhrumsatzsteuer bieten neue Möglichkeiten für Unternehmen

Nur mit einem eigenen Aufschubkonto können Unternehmen von der seit 1.12.2020 verlängerten Zahlungsfrist für die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) profitieren. Auf Initiative der IHK-Organisation ermöglicht der Zoll nun auch Unternehmen mit wenigen Einfuhren ein EUSt-Aufschubkonto, sofern ein bestimmter EUSt-Betrag erreicht wird. Außerdem wurde klargestellt, dass einem Unternehmen mehrere gleichartige Aufschubkonten bewilligt werden können.
Die Generalzolldirektion (GZD) hat die Bewilligungsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des laufenden Zahlungsaufschubs gemäß Art. 110 b) Unionszollkodex für die Aufschubkontoart „Einfuhrumsatzsteuer – ohne Sicherheitsleistung“ erweitert: Auch Unternehmen, deren regelmäßiges Aufkommen an Einfuhrsendungen unter zwei Einfuhren pro Monat bzw. unter 25 pro Jahr liegt, können nunmehr einen Antrag auf Bewilligung eines laufenden Zahlungsaufschubs für Einfuhrumsatzsteuer – ohne Sicherheitsleistung – stellen. Voraussetzung ist, dass sie Waren einführen, für die im Durchschnitt EUSt-Beträge in Höhe von mindestens 10.000 Euro im Monat bzw. 120.000 Euro im Jahr zu entrichten sind, oder wenn sie beabsichtigen, entsprechende Einfuhren zu tätigen. Von der Erweiterung werden erstmals Unternehmen profitieren können, die bislang wegen des Nichterreichens der Mindestanzahl an Einfuhren kein eigenes Aufschubkonto für Einfuhrumsatzsteuer – ohne Sicherheitsleistung - beantragen durften. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde dann sofort fällig und nicht erst am 26. Des zweiten Folgemonats nach der jeweiligen Einfuhr. Bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Antrags auf laufenden Zahlungsaufschub für Einfuhrumsatzsteuer – ohne Sicherheitsleistung – können entsprechende Anträge bei den örtlich für den laufenden Zahlungsaufschub zuständigen Hauptzollämtern bewilligt werden. Diese überwachen einmal jährlich die Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen. Werden Mindestbeträge zu entrichtender Einfuhrumsatzsteuer nicht erreicht, kann die Bewilligung widerrufen werden.
Weitere Informationen zum laufenden Zahlungsaufschub finden Sie auf der Website des Zolls.
Die GZD hat ebenfalls auf Nachfrage der IHK-Organisation klargestellt, dass einem Unternehmen mehrere Aufschubkonten bewilligt werden können. Das können auch mehrere Konten des gleichen Kontotyps sein. Mehrere Konten können die interne Buchhaltung für einzelne Unternehmensbereiche oder Niederlassungen erleichtern. Falls für den Kontotyp eine Bürgschaft erforderlich ist, reicht bei mehreren gleichartigen Konten eines Unternehmens (= Aufschubnehmer) eine Bürgschaftsurkunde (Gesamtbürgschaft) über den gesamten erforderlichen Referenzbetrag (= Aufschubsumme). Der Aufschubnehmer muss aber in seinem Antrag festlegen, wie hoch für jedes einzelne Aufschubkonto die jeweilige Aufschubsumme (Referenzbetrag) sein soll. Zur Verhinderung einer Überschreitung von  Aufschubsummen werden die aufgeschobenen Abgabenbeträge systemseitig mit den (für das jeweils in Anspruch genommene Aufschubkonto) festgelegten Aufschubsummen plausibilisiert. Kommt es zu einer Überschreitung, weil die aufgeschobenen Einfuhrabgaben höher sind als die festgelegte Aufschubsumme, wird das Konto gesperrt.

BFH hegt Zweifel am umsatzsteuerlichen Aufteilungsgebot für Beherbergungsumsätze

Gericht gewährt Aussetzung der Vollziehung im vorläufigen Rechtsschutz

Müssen Hotelübernachtung und Frühstück künftig nicht mehr mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen berechnet werden? Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt jedenfalls an der Rechtmäßigkeit des so genannten Aufteilungsgebots gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG.
Die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen unterliegt entsprechend § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Dieser gilt aber nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG. Sie sind mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent zu besteuern – und zwar auch dann, wenn die Leistung mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten wird. Auch umsatzsteuerliche Nebenleistungen teilen danach nicht wie üblich das Schicksal der Hauptleistung.
Der BFH bezweifelt nunmehr, dass das Aufteilungsgebot gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unionsrechtskonform ist. Mit Verweis auf ein Vorabentscheidungsverfahren des V. Senats (Beschluss vom 25. Mai 2021, Az. V R 22/20) gewährte der XI. Senat des BFH die Aussetzung der Vollziehung (AdV), Beschluss vom 7. März 2022, Az. XI B 2/21. In dem beim EuGH anhängigen Verfahren (Az. C-516/21) geht es um die Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung aufgrund des nationalen Aufteilungsgebots unterschiedliche Steuersätze anwendbar sind. Die Entscheidung des EuGH steht noch aus. Sie könnte Auswirkungen auf das Verfahren in dieser Rechtssache haben, weshalb AdV zu gewähren war.
Streitgegenständlich waren Umsätze für Hotelunterkünfte, die inklusive Frühstück und Zugang zu einer hoteleigenen Badelandschaft (SPA) angeboten wurden. Dabei dienen die Frühstücks- und SPA-Leistungen nicht unmittelbar der Vermietung und unterliegen daher nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG dem Regelsteuersatz. Unternehmen mit Beherbergungsumsätzen sollten prüfen, ob gegen Umsatzsteuerbescheide Einspruch erhoben werden sollte.
Der gesamte Text des Beschlusses vom 7. März 2022 steht auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht Schreiben zur lohnsteuerlichen Behandlung von Zuschüssen zum 9-EURO Ticket

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 30. Mai 2022 ein Schreiben zur lohnsteuerlichen Behandlung von möglichen Zuschüssen zu dem sogenannten 9-EURO Ticket veröffentlicht. In dem Schreiben wird die lohnsteuerliche Behandlung von Zuschüssen des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs während der Gültigkeitsdauer des sogenannten 9-EURO Tickets erläutert. Danach wird es aus Gründen der Vereinfachung für die Anwendung des § 3 Nr. 15 EStG nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers für die Monate Juni, Juli und August 2022 die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel im Kalendermonat übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen in Bezug auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt nicht übersteigen. Sofern die Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers übersteigen, ist der Differenzbetrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.

Weitere Einzelheiten entnehmen Sie gern dem BMF-Schreiben, das Sie hier finden.

Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht aktualisiertes Schreiben zur steuerlichen Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten (Auslandstätigkeitserlass)

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 10. Juni 2022 ein aktualisiertes Schreiben zur steuerlichen Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten (sog. Auslandstätigkeitserlass) veröffentlicht. Unter bestimmten Umständen wird von der Besteuerung des Arbeitslohns eines Arbeitnehmers eines Arbeitgebers mit Sitz, Geschäftsleistung, Betriebsstätte oder einem ständigen Vertreter in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat, auf den das Abkommen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Anwendung findet, abgesehen. Der Arbeitslohn muss aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine begünstigte Tätigkeit im Ausland gezahlt werden. In dem BMF-Schreiben werden die begünstigten und nicht begünstigten Tätigkeiten aufgeführt sowie die Dauer der begünstigten Tätigkeit und weitere Einzelheiten zur steuerlichen Erfassung. Das BMF-Schreiben finden Sie hier.

+++ Internationale und europäische Steuerpolitik +++

Sondersteuern auf Übergewinne von ertragsstarken Unternehmen

Sogenannte „Windfall-Taxes“ in der Diskussion

In der Öffentlichkeit werden zurzeit Sondersteuern für solche Unternehmen diskutiert, die zum Beispiel auf Grund der gestiegenen Energiepreise besondere Gewinnsteigerungen aufweisen können. Derartige „Windfall Taxes“ wurden bereits in einigen Staaten eingeführt beziehungsweise angekündigt. In Deutschland haben sich auf Bundesebene der Koalitionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aber auch SPD-Vertreter hierfür ausgesprochen.
Angesichts der derzeit hohen Inflationsraten ist in einigen Staaten eine Diskussion um eine Einführung von Sondersteuern für solche Unternehmen aufgekommen, die von den gestiegenen Preisniveaus „besonders profitieren“ und „besondere Ertragszuwächse“ verzeichnen (Taxes on „Windfall-Profits“). Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) würden die hohen Energiepreise in diesem Jahr bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bei Energieanbietern generieren. Mit Hilfe solcher Steuern sollte – so deren Befürworter – zumindest ein Teil der staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung der ökonomischen Entwicklung und der aufgrund des Ukrainekriegs implementierten Hilfsmaßnahmen finanziert werden.
Erstmals erwähnt wurden solche Steuern von der EU-Kommission in ihren „Leitlinien für die Anwendung steuerlicher Maßnahmen auf übermäßige Gewinne“ im Rahmen des am 8. März 2022 vorgestellten „REPower EU-Plan". Der Plan beinhaltet ein gemeinsames europäisches Vorgehen zur Sicherung einer erschwinglichen, sicheren und nachhaltigen Energie. Danach können die Mitgliedsstaaten hohe Einnahmen des Energiesektors und des Emissionshandels an die Verbraucher umverteilen. Steuereinnahmen aus „übermäßigen Erlösen“, die bestimmte Stromerzeuger erzielen, sollen an Strom-Endverbraucher umverteilt werden, ohne eine effiziente Preisbildung zu beeinträchtigen und Marktverzerrungen zu verursachen.
Einige Staaten haben bereits besondere Steuern auf Windfall-Profits eingeführt beziehungsweise deren Einführung avisiert:
  • Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat Ende Mai die Einführung von neuen Sondersteuern auf sogenannte “Extra-Profite” von Banken, Versicherungen, Energieunternehmen, Handelsketten, Telekom-Unternehmen, Fluggesellschaften, Pharma-Unternehmen und die Werbewirtschaft angekündigt. Die Sondersteuern würden bereits im Jahr 2022 und zudem im Jahr 2023 erhoben. Die Regierung rechnet mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von umgerechnet etwa 2,1 Milliarden Euro), wobei circa 780 Millionen Euro auf Banken entfallen sollen. Im Jahr 2020 betrug das Gesamtsteueraufkommen in Ungarn 44,3 Milliarden Euro. Mit Hilfe der Einnahmen sollen unter anderem die seit 2021 eingefrorenen Gaspreise sowie der Ausbau der ungarischen Streitkräfte finanziert werden.
  • Auch die britische Regierung plant, Energieunternehmen mit einer „Energy Profits Levy“ zu belasten und Verbraucher zu entlasten. Finanzminister Rishi Sunak legte ebenfalls Ende Mai dem Parlament einen Plan vor, Öl- und Gasunternehmen (nicht Stromerzeuger) ab sofort mit einer vorübergehenden Abgabe von 25 Prozent des Gewinnes zu belasten. Hierdurch sollen zusätzlich umgerechnet ca. 5,9 Milliarden Euro an Steuereinnahmen eingenommen werden. Zugleich sollen die höher besteuerten Unternehmen mit einem neuen Investitionsfreibetrag (Investment Allowance) zu weitergehenden Investitionen motiviert werden. Die Steuererleichterungen sieht für jedes investierte Pfund eine staatliche Unterstützung in Höhe von 91 Pence vor. Die Steuer soll so lange erhoben werden, bis die Energiepreise wieder ein „normales Niveau“ erreichen und spätestens zum 31. Dezember 2025 auslaufen. Das Gesamtsteueraufkommen in Großbritannien für das Jahr 2020 betrug ca. 685 Milliarden Euro. Im Gegenzug sollen private Haushalte in diesem Jahr um 400 Pfund entlastet und circa 8 Millionen Rentner darüber hinaus mit 300 Pfund unterstützt werden. Für bestimmte Sozialhilfeempfänger soll es eine weitere Entlastung in Höhe von 650 Pfund geben.
  • Italien hat am 22. März 2022 als Reaktion auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges eine einmalig im Jahr 2022 zu erhebende „Außerordentliche Solidaritätsabgabe“ für Unternehmen des Energiesektors eingeführt. Technisch handelt es sich aufgrund der Anknüpfung an die Umsätze um eine „Über-Umsatzsteuer“. Die Steuer wird einmalig im Jahr 2022 erhoben und soll „Übergewinne“ in Höhe von etwa knapp 40 Milliarden Euro erfassen, was bei einem Steuersatz von 10 Prozent zu einem Steueraufkommen von rund 4 Milliarden Euro führen soll. Die konkrete Bemessungsgrundlage soll sich aus einem Vergleich ergeben: Verglichen werden die Differenz zwischen dem Saldo aus Ausgangs- und Eingangsumsätzen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 und dem Saldo aus Ausgangs- und Eingangsumsätzen von Oktober 2020 bis 31. März 2021.
  • Bereits am 29. Oktober 2021 hatte das rumänische Parlament eine Ausgleichsregelung für den Strom- und Erdgasverbrauch für private Haushalte verabschiedet. Neben einer Preisdeckelung wurde auch eine Sondersteuer für Stromerzeuger eingeführt. Dabei sollen die zusätzlichen Einnahmen, die sich daraus ergeben, dass der tatsächlich erzielte Stromverkaufspreis den behördlich festgelegten Referenzwert von 450 RON (ca. 91 Euro) /MWh übersteigt, mit 80 Prozent besteuert werden.
  • Die griechische Regierung hat ebenfalls angekündigt, eine einmalige Abgabe in Höhe von 90 Prozent auf die zwischen Oktober 2021 und März 2022 angefallenen, zusätzlichen Gewinne von griechischen Stromerzeugern zu erheben. Nach Angaben der Energieregulierungsbehörde RAE werden diese Gewinne auf mehr als 900 Millionen Euro geschätzt.
In Deutschland wurde der Vorschlag einer Übergewinnsteuer erstmals von der Parteivorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ricarda Lang, in die Diskussion gebracht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat allerdings gleichzeitig vor Schwierigkeiten bei der Umsetzung gewarnt. Die Länder Thüringen und Bremen haben sich für eine befristete Erhebung einer „Übergewinnsteuer“ ausgesprochen, ohne jedoch Details zu nennen. Ebenfalls hat sich der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil dafür ausgesprochen, „Krisen- und Kriegsgewinner» stärker besteuern“.  Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium sieht hingegen eine solche Steuer kritisch, da Probleme bei der Abgrenzung und weniger Investitionsanreize befürchtet werden: Die Festlegung, welche Gewinnhöhe „üblich“ ist und für welche Anwendungsfälle diese Besteuerung greift, sei schwer ermittelbar und höchst umstritten. Eine derartige Sonderbesteuerung von bestimmten Sachverhalten wäre zudem ein neues, systemfremdes Element im deutschen Steuerrecht. Auch verfassungsrechtliche Probleme werden gesehen. Gerade die Ertragsteuern würden dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgen, wobei höhere Gewinne im Zusammenhang mit Energieprodukten bereits mit einer höheren Besteuerung verbunden seien, heißt es im Finanzministerium.

EU-Kommission will Eigenkapital begünstigen

Jährlicher Freibetrag für Zuwachs bei Eigenkapital geplant
Am 11. Mai 2022 hat die EU-Kommission einen Richtlinien-Vorschlag für einen Freibetrag für Eigenkapitalbildung vorgelegt. Für einen Zuwachs an Eigenkapital sollen die Unternehmen über zehn Jahre einen jährlichen Freibetrag in Höhe von 1 Prozent (1,5 Prozent bei KMUs) zuzüglich des Zinssatzes für risikolose Anlagen für zehn Jahre erhalten.
Der recht kurze RL-Entwurf sieht im Wesentlichen zwei Regelungen vor: Den Körperschaftsteuerpflichtigen soll ein steuerlicher Freibetrag bezogen auf den Eigenkapitalzuwachs zugestanden werden. Umgekehrt sollen Zinsausgaben nur zu 85 Prozent steuerlich abzugsfähig sein, also 15 Prozent steuerlich nicht abzugsfähig werden.
Mit dem Richtlinien-Entwurf vom 11. Mai 2022 möchte die EU-Kommission die steuerliche Begünstigung von Fremd- gegenüber Eigenkapitalfinanzierungen reduzieren und die Abzugsfähigkeit von Zinsen für Körperschaftsteuerzwecke begrenzen.
Dabei sollen körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen einen steuerlichen Freibetrag in Höhe von 1 Prozent (KMU 1,5 Prozent) – zuzüglich des Zinssatzes für risikolose Anlagen – bezogen auf den Eigenkapitalzuwachs eines Jahres für jeweils zehn Jahre von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer abziehen können.
Beispiel
KMU, risikoloser Zinssatz 0,3 Prozent (Annahme), Eigenkapitalzuwachs 100.000 Euro
Freibetrag: (1,5 Prozent + 0,3 Prozent) x 100.000 Euro = 1,8 Prozent x 100.000 Euro = 1.800 Euro
- für 10 Jahre jeweils Freibetrag in Höhe von 1.800 Euro, also insgesamt 18.000 Euro
- Steuerersparnis bei 30 Prozent Steuersatz = 30 Prozent x 18.000 Euro = 5.400 Euro
  (entspricht in diesem Fall 5,4 Prozent des EK-Zuwachses)

Der jährliche Freibetrag ist auf 30 Prozent des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (EBITDA) beschränkt, wobei ein ungenutzter Freibetrag vorgetragen werden können soll. Die Regelung soll aber auch in die andere Richtung wirken. Wenn ein Unternehmen von dem geschilderten Freibetrag Gebrauch gemacht hat, so bewirkt ein Eigenkapitalrückgang im Freibetragszeitraum (zehn Jahre) einen steuerpflichtigen Ertrag in Höhe eines negativen Freibetrages, der genauso wie der oben beschriebene Freibetrag berechnet werden soll. Für verbundene Unternehmen, Sacheinlagen (Gefahr der Überbewertung) und Umstrukturierungen sind Vorschriften zur Missbrauchsverhinderung vorgesehen. 
In Artikel 6 des Entwurfes ist eine Beschränkung des steuerlichen Zinsabzuges auf 85 % vorgesehen. Das bedeutet, dass 15 Prozent des Zinssaldos (Zinsausgaben ./. Zinseinnahmen) steuerlich nicht abzugsfähig gestellt werden sollen. Dadurch würde sich die Kreditfinanzierung der Unternehmen bei einem gedachten Unternehmenssteuersatz von 30 Prozent um circa 5 Prozent verteuern.
Der Richtlinienvorschlag beinhaltet vor allem Belastungen für die Unternehmen dergestalt, dass sie ihre Finanzierungskosten nicht vollständig steuerlich geltend machen können. Das widerspricht dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus ist es gerade in den aktuellen Krisen (Corona, Russland-Krieg) das falsche Signal. Denn viele Unternehmen sind auf Kredite angewiesen, um diese Krisen zu meistern. Ihnen jetzt den Zinsabzug zu beschneiden, wäre kontraproduktiv.
Der parallel vorgeschlagene Freibetrag für den Fall, dass das Unternehmen Eigenkapital aufbaut, wiegt die negativen Folgen nicht auf. Grundsätzlich ist es richtig, Anreize für den Aufbau von Eigenkapital zu setzen. Allerdings dürften die Anreize mit einem jährlichen Freibetrag in Höhe von circa 1,3 Prozent (1,8 Prozent für KMU) bezogen auf den Zuwachs an Eigenkapital zu gering sein beziehungsweise sich nicht deutlich auf die Finanzierungsentscheidungen der Unternehmen auswirken.
Weiterhin schließt der Richtlinien-Entwurf alle Personenunternehmen aus, da lediglich körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen von der Richtline erfasst werden sollen.
Endredaktion: Jan Meister
Recht und Steuern

Steuerinfo Mai 2022

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Hamburgischen Kultur- und Tourismustaxe und anderen sog. Bettensteuern

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Hamburgische Kultur- und Tourismustaxe (HmbKTTG) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dies in seinem Beschluss vom 22. März 2022 (Aktenzeichen - 1 BvR 2868/15 und andere) deutlich gemacht und vier Verfassungsbeschwerden von Hotelbetreibern aus Hamburg, aber auch aus Bremen und Freiburg bzgl. der dort einschlägigen „Bettensteuern“ zurückgewiesen. Bemerkenswert ist dabei die Entscheidung des BVerfG, dass die Normgeber eines Übernachtungssteuergesetzes von Verfassungswegen nicht gezwungen seien, von einer Besteuerung beruflich veranlasster Übernachtungen abzusehen, wie es insbesondere in Hamburg der Fall ist.
Seit dem Jahr 2005 haben zahlreiche Städte und Gemeinden die sogenannte Bettensteuer auf Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben eingeführt. Die Höhe der Steuer bemisst sich nach dem Übernachtungspreis wird in der überwiegenden Anzahl der Fälle vom Übernachtungsgast erhoben, sobald sich dieser für eine Buchung in einem Beherbergungsbetrieb entscheidet. Der Beherbergungsbetrieb ist Steuerschuldner und führt die Steuern an das Finanzamt ab. In Hamburg wird die Kultur- und Tourismustaxe seit 2013 erhoben.
Ein großer Streitpunkt, über den das BVerfG zu entscheiden hatte, war die Frage nach der Kompetenz der Länder zur Einführung einer solchen Steuer. Insbesondere dürfe die Kultur- und Tourismustaxe nicht mit bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig ein. Hier sah das BVerfG im Ergebnis jedoch kein Problem. Es handele sich bei der Kultur- und Tourismustaxe zwar um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Absatz 2 a Grundgesetz (GG). Eine Vergleichbarkeit, insbesondere mit der Umsatzsteuer, sei jedoch nicht gegeben.
Soweit in den Verfahren eine Beeinträchtigung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) oder des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG) gerügt wurde, wies das BVerfG die Verfassungsbeschwerden insoweit als unzulässig zurück.
Laut dem BVerfG sei die Steuer auch materiell verfassungsgemäß. Insbesondere der mit der Besteuerung einhergehende Eingriff in Art. 2 Absatz 1 GG sei gerechtfertigt, da die Ausgestaltung der Steuerregelungen die Beschwerdeführerinnen nicht unverhältnismäßig belaste.
Die Ausnahmen von der Besteuerung für beruflich veranlasste Übernachtungen seien mit dem Gleichheitsgrundrecht (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) vereinbar. Es liege weder ein Verstoß gegen eine gerechte Lastenverteilung vor, noch liege in der Privilegierung beruflich bedingter Übernachtungen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Auch ein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit verneinte das BVerfG.
Auch ein Eingriff in die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Vorschriften über die Kultur- und Tourismustaxe zielten weder unmittelbar auf die Berufstätigkeit der Beschwerdeführerinnen ab, noch hätten diese für Beherbergungsbetriebe eine objektiv berufsregelnde Tendenz. Zwar liege durch die Auferlegung administrativer Lasten eine eingriffsgleiche Belastung vor. Den Beschwerdeführerinnen sei es jedoch zuzumuten bei der Vereinnahmung und Abführung der Steuer mitzuwirken.
Den Beschluss vom 22. März 2022 können Sie im Volltext von der Website des Bundesverfassungsgerichts abrufen.

Digi-AfA auch für Bilanzierende

BMF stellt klar: auch bilanzierende Unternehmen können losgelöst von der Handelsbilanz Digi-AfA nutzen
Damit können im Ergebnis die meisten Investitionen in Computerhardware und Software steuerlich sofort abgeschrieben werden.
Mit Schreiben vom 26. April 2022 hat das BMF auf Fragen der Spitzenverbände der Wirtschaft zur Anwendung der einjährigen Nutzungsdauer von Computerhard- und Software geantwortet.
Am 26. Februar 2021 hatte das BMF erstmals zur Möglichkeit der einjährigen Nutzungsdauer von Computerhardware und Software Stellung genommen. Damit sollte der diesbezügliche Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 19. Januar 2021 umgesetzt werden. Ein neues Schreiben des BMF vom 22. Februar 2022 hat aufgekommene Fragen aufgegriffen. Hierzu hatten die Spitzenverbände eine Eingabe an das BMF gerichtet, auf die das BMF nun mit Schreiben vom 26. April 2022 geantwortet hat.
Im Ergebnis soll zwischen wirtschaftlicher und technischer Nutzungsdauer unterschieden werden und damit eine Abweichung zur Handelsbilanz gerechtfertigt sein. Nach der Rechtsauffassung des BMF können daher bei den im BMF-Schreiben vom 22. Februar 2022 definierten Wirtschaftsgütern auch Bilanzierende von der Möglichkeit einer verkürzten Abschreibungsdauer profitieren.

Sachverständige wollen dauerhafte Homeoffice-Pauschale

Corona-Steuerhilfe-Gesetz im Finanzausschuss beraten
Am 9. Mai 2022 gaben die Sachverständigen ihre Empfehlungen zum 4. Corona-Steuerhilfegesetz gegenüber dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ab. Auch die IHK-Organisation hatte zu dem Gesetzentwurf eine Stellungnahme abgegeben und sprach sich insbesondere für eine verbesserte Verlustverrechnung aus.
Gegenstand des Gesetzentwurfs ist u.a. eine Verlängerung der sog. Homeoffice-Pauschale bis Ende 2022. Einige der geladenen Sachverständigen sprachen sich für eine dauerhafte Einführung dieser Pauschale aus, da auch in Zukunft viele Erwerbstätige teilweise im Homeoffice arbeiten würden.
Auch wurde diskutiert, die Verlustverrechnung dauerhaft zu verbessern. Die im Gesetz vorgesehene Verlängerung des Verlustrücktrags von einem auf zwei Jahre hilft vielen Unternehmen angesichts der schon seit 2020 andauernden Krisen nichts bzw. nicht viel. Die IHK-Organisation schlug ebenfalls vor, die vorgesehene degressive Abschreibung nicht nur bis Ende 2022 zu verlängern, sondern dauerhaft einzuführen.
Die zweite und dritte Lesung des Deutschen Bundestages ist für den 20. Mai 2022 geplant, die zweite Beratung im Bundesrat für den 10. Juni 2022.

Umsatzsteuer bei Telekommunikationsleistungen durch Vermieter / WEG

Sind Vermieter beziehungsweise Wohnungseigentümergemeinschaften Steuerschuldner?
Wer schuldet die Umsatzsteuer, wenn Vermieter bzw. Wohnungseigentümergemeinschaften Telekommunikationsdienstleistungen wie Internet- und / oder TV-Anschlüsse beziehen und diese an ihre Mieter beziehungsweise die Wohnungseigentümer weitergeben? Seit 2021 bestand hierzu Unsicherheit. Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr seine Auffassung veröffentlicht.
Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermieter, die Telekommunikationsdienstleistungen an die einzelnen Wohnungseigentümer beziehungsweise Mieter weitergeben, werden danach regelmäßig nicht zum Steuerschuldner.
Mit Wirkung ab 1. Januar 2021 wurde für im Inland ausgeführte Telekommunikationsdienstleistungen die sogenannte Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers eingeführt (vgl. § 13 b Abs. 2 Nr. 12, Abs. 5 Satz 6 Umsatzsteuergesetz (UStG)). Der Leistungsempfänger schuldet die Umsatzsteuer aber nur, wenn er mehr als die Hälfte der von ihm bezogenen Leistungen selbst weiterveräußert und insoweit als sogenannter Wiederverkäufer eingestuft wird (vgl. Abschnitt 13 b.7 b Abs. 2 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE)).
Das Bundesfinanzministerium (BMF) stellt mit Schreiben vom 2. Mai 2022 nun klar, dass Vermieter im Rahmen ihrer Vermietungstätigkeiten und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) umsatzsteuerlich gerade nicht als Wiederverkäufer anzusehen sind, wenn sie Telekommunikationsdienstleistungen beziehen und diese an ihre Mieter bzw. die Wohnungseigentümer weitergeben. Diese Aussage dürfte sich auf Sachverhalte beziehen, in denen das umsatzsteuerliche Unternehmen ausschließlich Grundstücksvermietungen erbringt.
Bezogen auf Vermietungsumsätze muss es sich bei den an die Mieter weitergereichten Telekommunikationsdienstleistungen um Nebenleistungen zur Vermietungsleistung handeln. In Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE stellt das BMF dazu fest, dass die Bereitstellung eines Internet- und / oder TV-Anschlusses in der Regel als Nebenleistung zur Grundstücksleistung anzusehen ist. Zudem wird in dem BMF-Schreiben die Bereitstellung von Internet- und / oder TV-Anschluss an einen Unternehmer ausdrücklich als eine sonstige Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation eingeordnet.
Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Allerdings beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn die Beteiligten für Leistungen, die vor dem 1. Juli 2022 ausgeführt werden, übereinstimmend vom Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger ausgegangen sind.
Den Text des Schreibens vom 2. Mai 2022 finden Sie hier.

Ukraine Krieg: Staatliche Beihilfen zur Unterstützung von deutschen Unternehmen

EU-Kommission genehmigt Rahmenregelung zur Krisenunterstützung
Am 4. Mai 2022 hat die EU-Kommission einen Krisenrahmen mit einem Budget von circa 11 Milliarden Euro genehmigt. Mit diesem Geld möchte Deutschland Unternehmen aller Wirtschaftszweige unterstützen, die von den Auswirkungen des russischen Angriffs negativ betroffen sind. Von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden, haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung.
Die EU-Kommission hatte sich zum Ziel gesetzt, die jeweiligen nationalen Unterstützungsmaßnahmen zeitnah zu bewerten und dabei in jedem Einzelfall faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu wahren. Am 23. März 2022 hatte sie ihren Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen erlassen und dadurch eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens in der gesamten EU festgestellt.
Ziel des deutschen Krisenrahmens ist es, bedürftigen Unternehmen ausreichend Liquidität zur Verfügung zu stellen. Auf seiner Grundlage – und in seinen Grenzen – können nun Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden Kreditbürgschaften und zinsvergünstigte Darlehen gewähren, ohne mit den Artikeln 107 und 108 des Unionsvertrages (AEUV) in Konflikt zu geraten. Anträge auf Unterstützung können alle Unternehmen mit Ausnahme von Kredit- und Finanzinstituten stellen. Die Unternehmen können neue Darlehen aufnehmen, die durch eine staatliche Bürgschaft von bis zu 90 Prozent des Darlehensbetrags besichert werden („Garantieregelung“). Alternativ, und zwar wenn Verluste zunächst zu Lasten des Staates und erst danach zu Lasten der Kreditinstitute gehen, beträgt die Besicherung 35 Prozent der Darlehenssumme.  Im Rahmen der „Regelung für zinsvergünstigte Darlehen“ erhalten Beihilfeempfänger Darlehen zu ermäßigten Zinssätzen, um Betriebsmittel zu erwerben oder andere Investitionen zu tätigen.
Der maximale Darlehensbetrag je Empfänger beträgt – für beide Beihilfealternativen – entweder 15 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Gesamtumsatzes in einem bestimmten Zeitraum oder 50 Prozent der während eines (im Vorhinein festgelegten) Zwölfmonatszeitraums angefallenen Energiekosten. In Ausnahmefällen kann der Darlehensbetrag erhöht werden. Die Laufzeit der Beihilfen (Bürgschaften wie Darlehen) ist auf maximal acht Jahre begrenzt. Über ihre Gewährung ist bis zum 31. Dezember 2022 zu entscheiden. Schon vor Ablauf dieser Frist wird die EU-Kommission prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist. Außerdem wird sie den Befristeten Rahmen hinsichtlich der Entwicklungen auf den Energiemärkten sowie der allgemeinen Wirtschaftslage fortlaufend überprüfen.
Zu den EU-Förderinstrumenten gehören:
  • Liquiditätshilfen in Form von staatlichen Garantien und zinsvergünstigten Darlehen, wie oben beschrieben
  • Beihilfen in begrenzter Höhe für Unternehmen der Wirtschaftszweige Landwirtschaft, Fischerei oder Aquakultur (bis zu 35.000 Euro) und für Unternehmen anderer Wirtschaftszweige (bis zu 400.000 Euro)
  • Beihilfen zur Entschädigung für vorübergehend erhöhte Energiepreise: Diese Beihilfen sollen insbesondere energieintensive Unternehmen von einem Teil der Mehrkosten entlasten, die ihnen aufgrund der außergewöhnlich hohen Gas- und Strompreise entstehen. Die Gesamtbeihilfe je Empfänger darf sich zu keinem Zeitpunkt auf mehr als 30 Prozent der beihilfefähigen Kosten oder mehr als 2 Millionen Euro belaufen. Wenn dem Unternehmen Betriebsverluste entstehen, können jedoch weitere Beihilfen erforderlich sein, damit der Beihilfeempfänger die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit aufrechterhalten kann. Mit diesem Argument können Mitgliedstaaten Beihilfen von bis zu 25 Millionen Euro oder - bei Unternehmen aus besonders betroffenen (Teil-)Sektoren – bis zu 50 Millionen Euro gewähren.
Details zu den Bedingungen für die Gewährung von Beihilfen nach dem Befristete EU-Krisenrahmen:
Verhältnismäßigkeit: Zur Vermeidung übermäßiger Wettbewerbsverzerrung muss jeder Beihilfebetrag in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit des beantragenden Unternehmens stehen.
Beispiel für das Kriterium der „Beihilfefähigkeit“: „Energieintensive Betriebe“ sind Unternehmen, deren Energiebeschaffungskosten sich auf mindestens 3 Prozent ihres Produktionswertes belaufen.
Nachhaltigkeitskriterien: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Anforderungen an den Umweltschutz oder die Versorgungssicherheit festzulegen, wenn sie Beihilfen zur Entschädigung für vorübergehend erhöhte Energiepreise gewähren.


Endredaktion: Jan Meister
Steuern

Die neue Grundsteuer

1. Einführung – Anlass für die Neuregelung der Grundsteuer

Grund für die Neuregelung der Grundsteuer ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2018. Dieses hat mit Urteil vom 10. April 2018 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 148, 147 – 217)) die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig und eine gesetzliche Neuregelung ab dem Kalenderjahr 2025 für erforderlich erklärt. Der Bundesgesetzgeber hat daraufhin im November 2019 das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) verabschiedet. Der wesentliche Aspekt des Gesetzes liegt in der Neuregelung des Bewertungsrechts für Grundsteuerzwecke und der Normierung einer regelmäßigen Hauptfeststellung, erstmals zum 1. Januar 2022, im Bewertungsgesetz (BewG). Im Zusammenhang mit der Neuregelung haben die Länder die Möglichkeit erhalten, vom Bundesrecht abweichende Vorschriften zu treffen (sogenannte Länderöffnungsklausel).
Tipp: Informationen zur Grundsteuer in anderen Bundesländern finden Sie über die eigens dafür eingerichtete Landingpage der Bundesländer.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht und sich mit dem Hamburgischen Grundsteuergesetz (HmbGrStG) für das sog. Wohnlagemodell entschieden. Anders als bei dem Bundesmodell wird es in Hamburg für die Grundstücke des Grundvermögens nur eine einmalige Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte auf den 1. Januar 2022 geben. Mit Ausnahme des Land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist eine weitere Hauptfeststellung nicht nötig und es erfolgt zukünftig nur bei Änderungen der Verhältnisse eine Fortschreibung der Grundsteuerwerte.
Die Grundstücke werden ausschließlich anhand der Grundstücks- und Gebäudeflächen bewertet. Diese werden jeweils mit einer sogenannten Äquivalenzzahl (wertunabhängiger Zahlenwert je m² Boden und Grundfläche) multipliziert. Bei Wohngebäuden wird zusätzlich auf Ebene der Messzahl die Wohnlage des Grundstücks berücksichtigt. Unterschieden wird zwischen „normaler“ und „guter“ Wohnlage. Die Lagekategorie ergibt sich aus dem Wohnanlagenverzeichnis des Hamburger Mietenspiegels. Für denkmalgeschützte Gebäude und den sozialen Wohnungsbau sind ebenfalls Ermäßigungen möglich. Die jeweiligen Ermäßigungen werden sich in den Grundsteuermessbescheiden, die gegen Ende 2024 von den Finanzämtern verschickt werden, auswirken. Die bisher geltenden bewertungsrechtlichen Begriffe der Gebäude und Betriebsvorrichtungen werden weiterhin unverändert zugrunde gelegt.
Im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gelten in Hamburg überwiegend die Regelungen des Bundesmodells.
Eine wichtige Änderung betrifft die Anzeigepflicht. Steuerpflichtige sind zukünftig verpflichtet, Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die sich auf die Höhe der Grundsteuerwerte auswirken oder zu einer Nachfeststellung oder der Aufhebung der Grundsteuerwerte führen können, bis zum 31. März des Folgejahres, in dem sich diese Verhältnisse geändert haben, anzuzeigen. Eine Änderung der Verhältnisse kann sich z.B. ergeben durch
  • Höhe des Hebesatzes
  • Bauliche Veränderungen (Veränderung der Nutzfläche)
  • Geänderte Eigentumsverhältnisse

2. Gegenstand der Grundsteuer und Grundsteuerarten

Der Grundsteuer unterliegt der in Hamburg befindliche Grundbesitz. Es werden dabei alle bebauten und unbebauten Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz von der Grundsteuer erfasst.
Das Grundsteuergesetz unterscheidet zwischen zwei Arten, der „Grundsteuer A“ für land- und forstwirtschaftliche Vermögen und der „Grundsteuer B“ für alle übrigen bebauten und unbebauten Grundstücke.
Daneben hat Hamburg die Möglichkeit, für unbebaute baureife Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festzusetzen (Grundsteuer C). Die Einzelheiten, insbesondere die Höhe des erhöhten Hebesatzes, werden bis 2024 festgelegt. Mit dieser Möglichkeit soll Spekulation verteuert werden und es sollen finanzielle Anreize für die Schaffung von Wohnraum auf baureifen Grundstücken gesetzt werden.

2.1 Ermittlung der Grundsteuer

Die Ermittlung der Grundsteuer ab 2025 erfolgt – wie bisher - in drei selbständigen, aufeinander folgenden Verfahrensstufen:
Stufe 1
Als erstes werden die jeweiligen Grundsteuerwerte (Fläche des Grund und Bodens x Äquivalenzzahl; Fläche des Gebäudes x Äquivalenzzahl) festgestellt. Die Grundsteuerwerte (Äquivalenzbeträge) werden in einem Grundsteuerbescheid bekannt gegeben. Der Bescheid dient als Grundlage für die weiteren Berechnungsschritte und enthält keine Zahlungsaufforderung.
Stufe 2
Die Grundsteuerwertbeträge werden mit der Grundsteuermesszahl multipliziert und der Grundsteuermessbetrag ermittelt (Veranlagungsverfahren; auf dieser Stufe werden Ermäßigungen für Lage, Wohnungsnutzung und Denkmalschutz berücksichtigt). Der Grundsteuermessbetrag wird mit dem Grundsteuermessbescheid bekannt gegeben. Auch dieser Bescheid dient als Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer und enthält ebenfalls keine Zahlungsaufforderung.
Stufe 3
Auf den Grundsteuermessbetrag wird der Hebesatz angewendet, der voraussichtlich im Jahre 2024 festgelegt wird (Grundsteuerfestsetzungsverfahren). Der Grundsteuerbescheid enthält die Zahlungsaufforderung.
Die Grundsteuer B berechnet sich danach wie folgt:
Grundsteuerwert Grund und Boden                          x Steuermesszahl
+ Grundsteuerwert Wohnfläche                                 x Steuermesszahl
(Berücksichtigung von Ermäßigungen
u.a. für Wohnnutzung,
Wohnlage, Denkmal)
+ Grundsteuerwert Nutzfläche                                  x Steuermesszahl
= Grundsteuermessbetrag
Grundsteuermessbetrag x Hebesatz = Grundsteuer
Beispiel: 
Einfamilienhaus in Hamburg in guter Wohnlage. Wohnfläche 100 m², Grundstücksfläche 1000 m². Berechnung des Grundsteuermessbetrags:
Fläche Grundstück x Äquivalenzzahl            =          Äquivalenzbetrag des Grundstücks
1000 m² x 0,04 € / m² = 40 Euro
Fläche des Gebäudes x Äquivalenzzahl       =          Äquivalenzbetrag des Gebäudes
100 m² x 0,50 € / m² = 50 Euro
Äquivalenzbetrag des Grundstücks x Grundsteuermesszahl          40 Euro x 100 % = 40 Euro
+ Äquivalenzbetrag des Gebäudes x Grundsteuermesszahl          50 x 70 % (Lageermäßigung 0%) = 35 Euro
= Grundsteuermessbetrag 75 Euro
Bei einem für dieses Rechenbeispiel angenommenen Hebesatz von 1000 % würde die Grundsteuer 750 Euro pro Jahr betragen.
Die Feststellung der Grundsteuerwerte und die Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer für Hamburg erfolgt weiterhin durch das Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz in Hamburg, Gorch-Fock-Wall 11, 20355 Hamburg (Finanzamt).
 Begriffserklärungen:
  • Hebesatz: Der Hebesatz ist der Steuersatz, den Hamburg auf den Grundsteuermessbetrag anwendet. Hamburg legt diesen Prozentsatz (Hebesatz) eigenständig fest. Dabei muss der Hebesatz jeweils einheitlich sein für 1. die in Hamburg liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) und 2. die in Hamburg liegenden übrigen, bebauten und unbebauten Grundstücke (Grundsteuer B). Hamburg hat zudem die Möglichkeit, für baureife Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festzusetzen (Grundsteuer C). Die Hebesätze werden für ein oder mehrere Kalenderjahre festgesetzt.
  • Äquivalenzzahl: Als Belastungsgrund für die Besteuerung ist die Äquivalenz vorgesehen, d. h. die Teilhabe an der Infrastruktur, die nicht durch Beiträge und Gebühren abgedeckt ist (z. B. Schulen, Brandschutz, Räumungsdienste, Spielplätze und Wirtschaftsförderung). Als alleiniger Maßstab dient die physikalische Fläche, welche die potenzielle Teilhabe abbilden soll. Künftig werden unabhängig von ihrer Nutzung Grundstücksflächen mit 0,04 €/qm multipliziert und Wohn- bzw. Nutzflächen mit 0,50 €/qm.

2.2 Nicht-Wohnflächen

Sofern Flächen nicht zu Wohnzwecken, also insbesondere für unternehmerische Zwecke, verwendet werden, ist die Nutzfläche maßgeblich. Zu Nutzflächen zählen Flächen, die betrieblichen (z.B. Werkstätten, Verkaufsläden, Büroräume), öffentlichen oder sonstigen Zwecken (z.B. Vereinsräume) dienen und keine Wohnflächen sind. Der Begriff Nutzfläche ist gesetzlich nicht definiert. Im Sinne des HmbGrStG berechnet sich die Nutzfläche insbesondere nach der DIN 277.
Die Flächen sollen vorrangig nach dieser Methode berechnet werden und nur, wenn die Berechnung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, darf hilfsweise eine ausschließlich mathematische Berechnung der Flächen erfolgen.
Hinweis: Umfangreiche Hinweise zu Wohnflächen und Nutzflächen finden Sie Erlass zur Anwendung des Hamburgischen Grundsteuergesetzes (AEHmbGrStG) zu § 2 HmbGrSG, A H 2.1 ff.
Für Räume, die nicht Wohnzwecken dienen, bei denen aber eine Wohnflächenermittlung vorliegt, kann diese hilfsweise übernommen werden, z.B. bei einer Arztpraxis in einem Wohnhaus.
Beispiel:
Auf einem Grundstück befindet sich ein mehrgeschossiges Gebäude, das wie folgt genutzt wird:
420 m² Wohnfläche
200 m² Nutzfläche
davon 100 m² betriebliche genutzte Flächen,  50 m² Kellerräume in einem Nutzungszusammenhang mit Wohnflächen und
50 m² Kellerräume in einem Nutzungszusammenhang mit den betrieblich genutzten Flächen
Es liegt eine Wohnfläche von 420 m² und eine Nutzfläche von 150 m² und damit eine Gebäudefläche im Sinne des HmbGrStG von insgesamt 570 m2 vor. Die zur Wohnfläche gehörenden Kellerräume (Nutzfläche 50 m²) sind hierbei nicht zu berücksichtigen.
A H 2.1 Absatz 7 des AEHmbGrStG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von zu Nutzflächen gehörenden Flächen.

2.3 Unbebaute Grundstücke

Ein Grundstück gilt als unbebaut, wenn die Gesamtgebäudefläche für alle auf dem Grundstück errichteten Bauwerke zusammen weniger als 30 m² beträgt. In diesem Fall ist auf die tatsächlich vorhandenen Bauwerke und nicht auf die wirtschaftlichen Einheiten abzustellen.
Beispiel:
Auf einem Flurstück mit 500 m² befindet sich ein Lagerhaus mit 10 gleichgroßen Lagerräumen und insgesamt 250 m² Nutzfläche jeweils im unterschiedlichen Teileigentum. Die wirtschaftlichen Einheiten haben für sich genommen nur 25 m², sie sind aber vollständig als Nutzflächen zu erklären. Die Grundstücke sind bebaut.

2.4 Wohnflächen

Wohnflächen sind alle Flächen, die Wohnzwecken dienen. Die Ermittlung der Wohnfläche erfolgt nach der Wohnflächenverordnung vom 25. November 2003 – BGBl. I S. 2346 in der jeweils geltenden Fassung. Die Wohnfläche einer Wohnung umfasst dabei die Grundflächen der Räume, die ausschließlich zu dieser Wohnung gehören.
Werden Garagen im räumlichen Zusammenhang zur Wohnnutzung verwendet, der sie zugeordnet sind, bleiben diese bis zu einer Fläche von insgesamt 50 m² außer Ansatz. Dies gilt auch für Garagen, die eine eigene wirtschaftliche Einheit bilden, § 2 Abs. 2 HmbGrStG i.V.m. A H 2.2 AEHmbGrStG. Unter Garagen versteht man dabei eine meist abschließbare, überdachte oder überdeckte und durch feste Wände (mit Garagentor) umschlossene Abstellmöglichkeit für Fahrzeuge, vgl. A H 2.2. Absatz 1 AEHmbGrStG. Carports, die nach mehreren Seiten offen sind, sind nicht als Gebäude anzusehen und bleiben daher bei der Gebäudefläche unberücksichtigt.
Beispiel:
In einem mehrgeschossigen Gebäude eines Eigentümers ist das komplette Erdgeschoss als Ladenfläche vermietet, in den drei Obergeschossen befinden sich Wohnungen. In einer Tiefgarage sind 15 Stellplätze, vier davon sind als Duplex-Garagenplätze gebaut (übereinanderliegende elektrisch erreichbare Stellflächen).
Sechs Stellplätze mit 72 m² Stell- und gleichzeitig Nutzfläche sind dem Gewerbe zuzuordnen. Die neun Stellplätze inklusive der vier Duplex-Garagenplätze sind der Wohnnutzung zuzuordnen. Sie haben 108 m² Stellfläche, aber da die Duplex-Garagen für die vier Stellplätze nur die gleiche Nutzfläche benötigen, wie anderenfalls zwei normale Stellplätze, ergibt sich für sie nur eine Nutzfläche von insgesamt 84 m². Hiervon ist der Freibetrag von 50 m² abzuziehen, so dass sich insgesamt eine Nutzfläche von 106 m² ergibt.
Nutzflächen von Nebengebäuden (Z.B. Schuppen oder Gartenhäuschen) bleiben bis zu einer Fläche von 30 m² außer Ansatz, sofern sie sich in räumlichem Zusammenhang zur Wohnnutzung befinden, § 2 Abs. 3 HmbGrStG. Dies gilt auch, sofern es sich bei den Nebengebäuden um eine eigene wirtschaftliche Einheit handelt.
Beispiel:
Auf einem Grundstück mit Einfamilienhaus befindet sich ein Nebengebäude, in dem sowohl eine Garage mit einer Nutzfläche von 40 m² als auch Abstellräume mit einer Nutzfläche von 20 m² untergebracht sind. Auf dem Grundstück befindet sich außerdem ein Gartenhaus mit einer Nutzfläche von 15 m².
Die Nutzfläche der Garage wird nach § 2 Abs. 2 HmbGrStG nicht berücksichtigt, da sie kleiner als 50 m² ist. Von der Nutzfläche der Abstellräume und des Gartenhauses bleiben nach § 2 Abs. 3 HmbGrStG insgesamt 30 m² (Freibetrag) unberücksichtigt, so dass 5 m² als Nutzfläche zu erfassen sind.

2.5 Ermäßigungen

Mögliche Ermäßigungen der Grundsteuermesszahlen ergeben sich aus § 4 HmbGrStG, u. a. für Wohnnutzung (wird automatisch berücksichtigt), Wohnlage (wird automatisch berücksichtigt), sozialen Wohnungsbau, Denkmalschutz und für öffentliche Förderung.
Für den Äquivalenzbetrag der Wohnflächen wird die Grundsteuermesszahl auf 70 v.H. ermäßigt, § 4 Abs. 1 HmbGrStG. Soweit eine normale Wohnlage vorliegt, erfolgt eine Ermäßigung der Grundsteuermesszahl für den Äquivalenzbetrag um 25 v.H, § 4 Abs. 2 HmbGrStG. Aus dem Wohnlageverzeichnis lässt sich entnehmen, welche Wohnlage im jeweiligen Fall vorliegt und ob eine Ermäßigung in Betracht kommt.
Hinweis: In Hamburg wird bei der Wohnlage zwischen „normal“ und „gut“ unterschieden und damit das nähere Wohnumfeld beschrieben. In die Kategorie „gut“ fallen Wohnungen, die Lagevorteile gegenüber der normalen Wohnlage (z.B. Grünflächenanteil, Entfernung zum Einzelhandel) haben und bei denen diese Vorteile überwiegen. Zu beachten ist, dass sich die Wohnlage bereits innerhalb eines Wohnviertels, einer Straße, aber auch einer Straßenseite verändern kann. 
Eine Ermäßigung der Grundsteuermesszahlen erfolgt ebenfalls, soweit es sich bei den Wohnflächen um öffentlich geförderten Wohnraum handelt, § 4 Abs. 4 HmbGrStG und dieser den Bindungen des Hamburgischen Wohnraumförderungsgesetzes unterliegt.
Im Bereich des Denkmalschutzes ermäßigt sich die Grundsteuermesszahl nach § 4 Abs. 3 HmbGrStG um 25 v.H., wenn ein Baudenkmal nach § 4 Abs. 2 S.1 oder ein Ensemble nach § 4 Abs. 3 des Denkmalschutzgesetzes vorliegt. Diese Ermäßigung kommt auch für gewerblich genutzte Immobilien in Betracht.
Nach § 4 Abs. 5 HmbGrStG sind die Ermäßigungen für Baudenkmäler und Wohnflächen auf Antrag zu gewähren, wenn die jeweiligen Voraussetzungen zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegen. Es besteht die Möglichkeit, bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen, mehrere Ermäßigungen für ein Objekt zu erhalten.

2.6 Angaben zu Flächen, Gemarkung, Grundbuchblatt

Aus einem Kaufvertrag oder Grunderwerbsteuerbescheid lassen sich ggf. Angaben entnehmen zu Grundbuchblatt und Flurstück. Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen, (Gebäude-) Versicherungs- oder Finanzierungsunterlagen und Bauunterlagen können Angaben zur Wohn- und Nutzfläche enthalten. Abgesehen von diesen Quellen können Flurstück, Gemarkung und Flurstücks-Fläche abgerufen werden unter https://serviceportal.hamburg.de.
Die Grundstücksfläche lässt sich z.B. aus dem Kaufvertrag für das Grundstück entnehmen. Die Flurstücksfläche kann unter der o.g. Adresse abgerufen werden.
Weitere Informationen finden sich in der Anleitung zur Anlage Grundstück unter www.elster.de.
Hinweis: Umfangreiche Hinweise zu Wohnflächen und Nutzflächen finden Sie zu § 2 HmbGrSG, A H 2.1 ff. AEHmbGrStG.

3. Form und Frist der Steuererklärungen

Alle Eigentümerinnen und Eigentümer wurden am 22. März 2022 zur Abgabe der Feststellungserklärung für die Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022 durch öffentliche Bekanntmachung im Amtlichen Anzeiger aufgefordert. Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts (Feststellungserklärung) ist in der Zeit vom 1. Juli 2022 bis 31. Oktober 2022 möglichst über das Online-Portal Mein ELSTER (https://www.elster.de) abzugeben.
Hinweis: Die Frist zur Abgabe der Feststellungserklärung wurde zwischenzeitlich auf den 31. Januar 2023 verlängert.
Wie viel Grundsteuer nach dem Neuen Recht gezahlt werden muss, kann erst einem (späteren) Bescheid entnommen werden, der voraussichtlich im Herbst 2024 verschickt wird.
Zu zahlen ist die neue Grundsteuer erst ab dem Kalenderjahr 2025.

3.1 Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung

Zur Abgabe der Feststellungserklärungen ist grundsätzlich die Eigentümerin oder der Eigentümer eines Grundstücks bzw. eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft verpflichtet. Bei mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücken, ist die Erbbauberechtigte oder der Erbbauberechtigte unter Mitwirkung des Eigentümers bzw. der Eigentümerin des Grundstücks zur Abgabe einer Feststellungserklärung verpflichtet. Maßgebend für die persönliche Erklärungspflicht sind entsprechend der Allgemeinverfügung vom 22. März 2022 die Verhältnisse am 1. Januar 2022.
Hinweis: Bei Eigentumsübertragungen, die um den Jahreswechsel 2021/22 erfolgt sind, kann es möglicherweise schwierig sein zu beurteilen, ob noch der alte Eigentümer oder bereits der neue Eigentümer zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet ist. Hierbei ist zu beachten, dass mit Eigentümer in diesem Zusammenhang gem. § 228 Abs. 3 Nr. 1 BewG i.V.m. A B 228 Abs. 4 des Erlasses zur Anwendung des HmbGrStG der wirtschaftliche Eigentümer gemeint ist. Es kommt also darauf an, wann die wirtschaftliche Verfügungsmacht verschafft worden ist. Vom Grundsatz her geht das wirtschaftliche Eigentum mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten an dem jeweiligen Objekt auf den neuen Eigentümer über. Das Datum des Abschlusses eines notariellen Kaufvertrages oder das Datum der Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch sind daher nur begrenzt bis gar nicht aussagekräftig. Es kommt dabei allerdings immer auf den Einzelfall an. In solchen Fällen empfiehlt es sich deshalb stets, Rücksprache mit dem zuständigen Finanzamt zu halten.
Die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung gilt gleichermaßen für beratene und unberatene Erklärungspflichtige und sowohl für steuerbehafteten als auch steuerbefreiten Grundbesitz.
Bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden sind zwei Feststellungserklärungen erforderlich: Für den Grund und Boden hat die Eigentümerin bzw. der Eigentümer des Grund und Bodens und für die Gebäude hat die (wirtschaftliche) bzw. der (wirtschaftliche) Eigentümer des Gebäudes eine Feststellungserklärung abzugeben.

3.2 Form der Erklärung

Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts soll elektronisch über das Internetportal Mein ELSTER an das Finanzamt übermittelt werden. Für die elektronisch authentifizierte Übermittlung ist ein Zertifikat nötig, welches z.B. auch für die elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung genutzt wird. Ein Zertifikat kann nach Registrierung über das ELSTER Portal beantragt werden.
Hinweis: Bitte berücksichtigen Sie bei der Abgabe Ihrer Erklärung, dass für eine Registrierung bei ELSTER mindestens 2 Wochen Zeit eingeplant werden sollten!
Sofern Eigentümerinnen und Eigentümer nicht die Möglichkeiten zur elektronischen Übermittlung der Erklärung haben, dürfen sie durch nahe Angehörige unterstützt werden. Die nahen Angehörigen können hierfür die eigene Registrierung bei ELSTER verwenden, um die Erklärung abzugeben. Grundstücks- und Hausverwaltungen sind befugt, für die von Ihnen verwalteten Objekte die Feststellungserklärungen zu erstellen und abzugeben.
Die Vordrucke zur Erklärungsabgabe finden sich ab dem 1. Juli 2022 unter www.elster.de. Nach Möglichkeit soll die Abgabe nach Ausfüllen der Vordrucke direkt über das Portal erfolgen. Die Vordrucke stehen bereits jetzt als Muster zur Verfügung und können im Internet eingesehen werden. Die Feststellungserklärungen sind über www.elster.de abzugeben, als weitere Möglichkeit kann der elektronisch ausfüllbare Erklärungsvordruck auf www.grundsteuer-hamburg.de verwendet werden. Ein Versand von Formularen ist nicht vorgesehen.
Allerdings werden in den Informations- und Annahmestellen der Einkommensteuer-Finanzämter auf Anfrage Papiervordrucke ausgegeben.

3.3 Mögliche Folgen verspäteter oder Nichtabgabe von Erklärungen

Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts ist eine Feststellungserklärung i.S.d. §§ 149 ff. Abgabenordnung (AO). Aus diesem Grunde kann die Erklärungsabgabe ggf. mit einem Zwangsgeld erzwungen werden. Bei Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Erklärung kann das Finanzamt die Daten schätzen und einen Verspätungszuschlag festsetzen. Auch nach einer Schätzung durch das Finanzamt bleiben die Steuerpflichtigen zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet. Die Nichtabgabe kann zudem steuerstrafrechtliche Folgen haben.

4. Ausblick bis 2025

Die Hamburgische Bürgerschaft wird im Jahr 2024 ein Gesetz zur Anpassung der Grundsteuermesszahlen und Festsetzung des Hebesatzes verabschieden. Mit dieser Anpassung soll sichergestellt werden, dass das Grundsteueraufkommen in Hamburg auch mit der Reform innerhalb der Bereiche Wohnen und Gewerbe aufkommensneutral (Steueraufkommen im Jahre 2019: 472 Millionen EURO) bleibt. Davor ist eine Berechnung der Grundsteuer nicht möglich.
Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Anpassung der Grundsteuermesszahlen und der Festsetzung des Hebesatzes im Jahr 2024 sind alle Eckdaten für die Steuerfestsetzung vorhanden.
Die neuen Grundsteuermessbescheide mit Berücksichtigung der Grundsteuerermäßigungen und die Grundsteuerbescheide mit der tatsächlich zu entrichtenden Steuer werden aller Voraussicht nach zum Ende des Jahres 2024 verschickt.

5. Informationen und Dokumente der Finanzverwaltung (Rechtsgrundlagen, Anleitungen, Infoblätter usw.)

Weiterführende Informationen rund um die Grundsteuer in Hamburg und anderen Bundesländern finden Sie auf folgenden Seiten:
Stand: Mai 2023
Recht und Steuern

Steuer-Info April 2022

+++ Aktuelles Steuerrecht +++

Wegen hoher Energiepreise: Energie-Entlastungspaket der Ampel-Koalitionäre

Paket aus 300 Euro Zuschuss und vorübergehend abgesenkter Energiesteuer
Alle Steuerzahler erhalten einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt. Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Die Pauschale unterliegt der regulären Einkommensteuer.
Der Koalitionsausschuss hat sich am 24. März 2022 auf ein Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten geeinigt. Darin enthalten ist auch eine sogenannte Energiepreispauschale: „Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) wird einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt. […] Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers beziehungsweise des Dienstherrn. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer. Selbständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.“
Folgende Punkte befinden sich für einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige derzeit in der Diskussion:

Lohnsteuer

Die Energiepreispauschale soll dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Sie soll dabei aber nicht als laufender Monatslohn, sondern als sonstiger Bezug gewertet werden. Dies hat eine abweichende Berechnung der Lohnsteuer zur Folge. Während die Lohnsteuer für den laufenden Monatslohn ohne Weiteres nach der Monatslohnsteuertabelle berechnet werden kann, würde dieses Verfahren bei der Energiepreispauschale zu einer überhöhten Lohnsteuer führen. In diesem Fall würde unterstellt, dass die Energiepreispauschale jeden Monat gewährt wird. Bei der Ermittlung der auf die Energiepreispauschale entfallenden Lohnsteuer wird deshalb vom voraussichtlichen Jahresarbeitslohn ausgegangen und, unter Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle, die geschuldete Lohnsteuer errechnet. Hierzu wird die Lohnsteuer ermittelt, die sich bei Anwendung der Jahrestabelle auf den maßgebenden Jahresarbeitslohn ohne die Energiepreispauschale und auf den maßgebenden Jahresarbeitslohn einschließlich der Energiepreispauschale ergibt. Der Differenzbetrag ergibt die Lohnsteuer für die Energiepreispauschale. Diese Berechnungsmethode vermeidet eine zu hohe progressive Besteuerung der Energiepreispauschale wie folgt: Durch die Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle wird die Pauschale so besteuert, als wäre sie gleichmäßig - mit je einem Zwölftel auf das ganze Kalenderjahr verteilt - zugeflossen.

Sozialversicherung

Es soll dem Vernehmen nach die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) geändert werden, damit die Pauschale sozialversicherungsfrei bleiben kann.

Zahlungsabwicklung

Nach unserer Einschätzung könnte es zu einer Art Verrechnung mit der Lohnsteuer kommen. Das heißt der Arbeitgeber zahlt an seine Arbeitnehmer die 300 Euro abzüglich der darauf anfallenden Lohnsteuer aus. Dann ermittelt er die auf den übrigen Lohn entfallende Lohnsteuer und addiert die auf die 300 Euro anfallende Lohnsteuer. Von dieser abzuführenden Lohnsteuer subtrahiert er die Differenz zwischen den 300 Euro und der darauf anfallenden Lohnsteuer. Somit wäre der Arbeitgeber finanziell nicht belastet, da er einfach weniger Lohnsteuer abführt. In Fällen, in denen die Lohnsteuer zur Verrechnung nicht ausreicht (zum Beispiel auch Mini-/Midi-Jobs), wird es vermutlich zu Erstattungen kommen. Es wäre damit ein ähnliches Verrechnungsverfahren wie bei der Umsatzsteuer, welches technisch durchaus funktionieren könnte. Es handelt sich aber nur um eine Vermutung. Ein umfangreiches Antragsverfahren wie bei den Verdienstausfallentschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz sollte jedenfalls vermieden werden.

Gesetzgebungsverfahren

Es soll zunächst ein Eckpunktepapier erarbeitet werden, auch weil sich die Länder über die ungeklärte Finanzierung beschweren. Dieses soll in ein neues Gesetzgebungsverfahren fließen und das Maßnahmenpaket damit nicht – wie zunächst geplant - über einen Änderungsantrag in ein laufendes Verfahren eingebracht werden.

Zeitplan

Die Energiepreispauschale soll frühestens im September ausgezahlt werden.

Eltern- oder Krankengeldfälle

Um auch die Bezieher von Eltern- oder Krankengeld zu begünstigen, reicht es aus, wenn für einen Tag im Jahr 2022 die Bezugsvoraussetzungen vorgelegen haben.

Belastung der Unternehmen

Die Arbeitgeber sind gezwungen, ihre Lohnbuchhaltungsprogramme kostenpflichtig anzupassen, um die Steuer korrekt abzuführen. Auch „Handabrechnern“ ohne Software entsteht Berechnungsaufwand. Der Lohnsteuer als Quellensteuer bedeutet eine gewisse Verlagerung staatlicher Aufgaben: Aufgrund der Erhebung und Abführung durch den Arbeitgeber haftet dieser für Fehler. Mit der Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz und nun der Energiepreispauschale wurden beziehungsweise werden zwei Aufgaben an die Arbeitgeber übertragen, die (gegebenenfalls in ruhigeren Zeiten) einmal kritisch gewürdigt werden sollten.

Ungeklärte Punkte

Erhalten auch beschränkt Steuerpflichtige (Steuerklasse 1) die Pauschale? - Sachverhalte mit mehreren Arbeitgebern: Wer zahlt die Pauschale? - Gibt es eine Stichtagsregelung für den Fall des Arbeitgeberwechsels? - Mini-/Midi-Job und kein oder nur ein geringes Lohnsteuervolumen zur Verrechnung vorhanden: Erstattungsverfahren?

Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge

Finanzministerium schnürt Maßnahmenpaket
Wie werden Zuwendungen und andere Unterstützungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine steuerlich behandelt? Dazu hat sich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) kürzlich geäußert. Das Ministerium nimmt sowohl Stellung zu Spendenerleichterungen als auch zur Unterbringung geflüchteter Personen sowie zu Arbeitslohnspenden. Die Details lesen Sie im BMF-Schreiben vom 17. März 2022.

Spenden

Für den Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen genügt der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts (bei Online-Banking PC-Ausdruck), wenn auf speziell zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten eingerichteten Konten einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder eines inländischen amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege gezahlt wird.
Gemeinnützige Körperschaften können auch dann steuerunschädlich spenden, wenn ihre Satzung keine mildtätigen Zwecke abdeckt. Rufen gemeinnützige Körperschaften, die keine mildtätigen Zwecke verfolgen (zum Beispiel Sport-, Kleingarten- oder Brauchtumsvereine) zu - nach der Satzung nicht begünstigten - Spenden für die vom Krieg in der Ukraine Geschädigten auf, sind auch diese Spenden für die Spender abzugsfähig beziehungsweise die Körperschaften unschädlich, wenn die Spenden entweder an eine steuerbegünstigte mildtätige Körperschaft oder eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine inländische öffentliche Dienststelle zur Hilfe der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten weitergeleitet werden (es sind Spendenbescheinigungen mit Hinweis auf den Spendenzweck erforderlich).

Sponsoring

Der Spendenabzug ist gegenüber dem Abzug als Betriebsausgaben nachrangig. Erfolgt eine Zuwendung zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine geschädigten im Rahmen von „Sponsoring“, insbesondere um wirtschaftliche Vorteile in Form der Sicherung oder Erhöhung des unternehmerischen Ansehens zu erzielen, ist der Betriebsausgabenabzug vorrangig und nach dem BMF-Schreiben zuzulassen.

Lohnsteuer/Sozialversicherung

Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers an vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer des Unternehmens oder Arbeitnehmer von Geschäftspartnern oder auf das Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Organisation zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke, bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies im Lohnkonto des Arbeitnehmers dokumentiert. Ebenso begünstigt sind Teile eines im Arbeitszeitkonto angesammelten Wertguthabens.
Trotz bestehender Steuerfreiheit ist der gespendete Arbeitslohn grundsätzlich beitragspflichtig in der Sozialversicherung. Eine Ausnahmeregelung gibt es in der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SveV) lediglich für Naturkatastrophen im Inland. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 SvEV regelt einzig die steuer- und somit sozialversicherungsfreien Zuwendungen des Beschäftigten aus Arbeitsentgelt oder Wertguthaben, die zugunsten von Naturkatastrophen im Inland an Geschädigte geleistet wurden.
Entsprechendes gilt für den Verzicht auf Aufsichtsratsvergütungen, wobei es auf Seiten der Gesellschaft bei der Behandlung nach § 10 Nr. 4 KStG bleibt.

Umsatzsteuer

Die steuerbare Überlassung von Sachmitteln und Räumen sowie von Arbeitnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14, 16, 18, 23 und 25 UStG als steuerfreie eng verbundene Umsätze der steuerbegünstigten Einrichtungen wird anerkannt. Hinsichtlich möglicher Befreiungsvorschriften wird die Betreuung und Versorgung der Kriegsflüchtlinge ähnlichen Sachverhalten gleichgestellt, sofern die Zahlung der Entgelte aus öffentlichen Kassen erfolgt.
Die unentgeltliche Bereitstellung von dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gegenständen und sonstige Leistungen (zum Beispiel Personalgestellungen) werden nicht nach § 3 Abs. 1b UStG besteuert und führen nicht zur Kürzung des Vorsteuerabzugs, wenn die Zuwendungen bestimmten öffentlichen Institutionen zugutekommen beziehungsweise Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Auswirkungen und Folgen bei den vom Krieg in der Ukraine Geschädigten leisten (insbesondere Hilfsorganisationen, Einrichtungen für geflüchtete Menschen und für die Versorgung Verwundeter). Eine unmittelbare Zuwendung an vom Krieg in der Ukraine Geschädigte/Flüchtlinge ist demnach nicht begünstigt. Offen bleibt, ob mit der Bereitstellung von Gegenständen die zeitweise Verwendung von dem Unternehmensvermögen zugeordneter Gegenstände (zum Beispiel Transport-LKW) gemeint ist und/oder ob damit auch Sachspenden erfasst werden sollen, die übereignet werden. Für die Annahme einer dauerhaften Übereignung im Sinne einer Sachspende spricht der Vergleich mit dem BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2021 (III C 2 - S 7030/20/10004 :004 - BStBl. 2021 I S. 2500) im Zusammenhang mit der Corona-Krise, das den gleichen Wortlaut für medizinischen Bedarf verwendet. Ferner lässt sich anführen, dass das BMF immer pauschal von unentgeltlichen Wertabgaben spricht, was sowohl die Abgabe von Gegenständen als auch die Ausführung von Leistungen umfasst, vergleiche auch Abschnitt 3.2(1) UStAE.
Aus Nutzungsänderungen durch unentgeltliche Überlassung von Wohnraum an vom Krieg in der Ukraine Geschädigte durch Unternehmen der öffentlichen Hand und „private“ Unternehmen werden keine belastenden Umsatzsteuerfolgen gezogen (keine Besteuerung der Wertabgaben nach § 3 Abs. 9a UStG, keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG). Die gilt auch für die laufenden Kosten. Bei Unternehmen der öffentlichen Hand gilt diese Begünstigung „allgemein zur Bewältigung der Auswirkungen und Folgen des Krieges in der Ukraine“ (zum Beispiel auch für Helfer), während private Unternehmer auf die Unterbringung von Geflüchteten beschränkt sind.

Schenkungsteuer

Soweit Zuwendungen an vom Krieg in der Ukraine Geschädigten Schenkungen sind, wird weitestgehend Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG (Zuwendungen an Religionsgemeinschaften und gemeinnützige Rechtsträger) und nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG (Zuwendungen unmittelbar an Betroffene) gewährt.

Gültigkeit der Regelungen

Die Erleichterungen gelten für vom 24. Februar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 durchgeführte Maßnahmen.

Steuer- und Abgabenfreiheit bei Gutscheinen, Geldkarten: Welche Voraussetzungen?

BMF zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug
Bei Gutscheinen und Geldkarten liegt seit 2022 ein Sachbezug nur vor, wenn diese ausschließlich zum Bezug von Waren und Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) erfüllen. Will ein Arbeitgeber ein lohnsteuerliches (Haftungs-)Risiko vermeiden, muss er daher prüfen, ob die eingesetzten Gutscheine/Geldkarten die im BMF-Schreiben vom 15. März 2022 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.
Das ZAG nennt vier Anwendungsfälle, die in das BMF-Schreiben übernommen wurden und von der Finanzverwaltung nach lohn- und einkommensteuerlichen Kriterien ausgelegt werden. Gutscheine und Geldkarten, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind als Barlohn zu versteuern.

Zahlungssysteme in begrenzten Netzen "limited network"

Für sogenannte Zahlungssysteme in begrenzten Netzen (limited network, § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a ZAG) schließt das BMF-Schreiben in den begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen nun auch die Onlineshops der jeweiligen Akzeptanzstellen mit ein. Um die Voraussetzung eines begrenzten Kreises von Akzeptanzstellen im Inland zu erfüllen, lässt die Finanzverwaltung ferner eine Beschränkung der Einkaufs- und Dienstleistungsverbünde nach Postleitzahlbezirken zu. Hierbei wird es nicht beanstandet, wenn der Arbeitnehmer diese selbst auswählt. Wählt der Arbeitnehmer vor Hingabe des Gutscheins oder vor Aufladung des Guthabens auf die Geldkarte aus verschiedenen Ladenketten je eine aus, so genügt dies ebenfalls dem Kriterium der Beschränkung auf einen begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen.

Sehr begrenztes Waren- und Dienstleistungsspektrum „limited range“

Bei Gutscheinen und Geldkarten (mit und ohne Betragsangabe), die berechtigen, ausschließlich Waren oder Dienstleistungen aus einer sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette zu beziehen (limited range, § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b ZAG) ist nach Ansicht der Finanzverwaltung die alleinige Bezugnahme auf eine Händlerkategorie (zum Beispiel sogenannte Merchant Category Code, MCC) dagegen nicht ausreichend. Sofern zu einer begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette - wenn auch in geringem Maße - Waren oder Dienstleistungen einer anderen Palette angeboten werden, sind unter anderem die oben genannten Regelungen zu § 2 Abs. 1 Nummer 10 Buchstabe a ZAG zu beachten.

Gutscheine und Geldkarten, die keinen Sachbezug darstellen, da sie nicht ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen

Gutscheine oder Geldkarten, die nicht ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen, sind nach Auffassung der Finanzverwaltung nun auch Gutscheine oder Geldkarten, die zum Erwerb von Kryptowährungen (zum Beispiel Bitcoin, Ethereum) verwendet werden können. Stets als Geldleistung zu behandeln sind insbesondere auch Gutscheine oder Geldkarten, die gegen andere Gutscheine oder Geldkarten eingelöst werden können (zum Beispiel Gutscheinportale), da der alleinige Bezug eines weiteren Gutscheins oder einer weiteren Geldkarte kein Bezug von Waren oder Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 3 EStG ist. Als Rückausnahme gilt dies wiederum aber nicht, wenn durch technische Vorkehrungen und in den zur Verwendung kommenden Vertragsvereinbarungen sichergestellt ist, dass die Einlösung nur gegen andere Gutscheine oder Geldkarten erfolgen kann, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen bei dem Arbeitgeber oder bei einem Dritten berechtigen und die die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG erfüllen oder dem Arbeitnehmer das Guthaben erst nach Auswahl des anderen Gutscheins oder der anderen Geldkarte zur Verfügung steht (zum Beispiel Auswahl vor Freischaltung eines Gutscheincodes oder vor Aufladung des Guthabens auf die Geldkarte).

Auslagenersatz

Geldbeträge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um die Auslagen des Arbeitnehmers zu ersetzen (Auslagenersatz), stellen steuerfreie Zuwendungen außerhalb des Arbeitslohns dar (§ 3 Abs. 1 Nr. 50 EStG ). Die Finanzverwaltung stellt klar, dass dies bei Sachzuwendungen auch dann gilt, wenn der Arbeitnehmer durch die Verauslagung selbst Sachbezüge erhält, aber für die Rechnung des Arbeitgebers gehandelt hat. Die Annahme von Auslagenersatz setzt nämlich voraus, dass kein eigenes Interesse des Arbeitnehmers an den Ausgaben bestanden hat. Kennzeichnend für den Auslagenersatz ist, dass der Arbeitgeber das Risiko der Ausgaben trägt.

Anwendungszeitraum

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 15. März 2022 sind ab 1. Januar 2020 anzuwenden. Es ist jedoch - abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 3 EStG - nicht zu beanstanden, wenn Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen, jedoch die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr.10 ZAG nicht erfüllen, noch bis zum 31. Dezember 2021 als Sachbezug anerkannt werden. Es ersetzt das BMF-Schreiben vom 13. April 2021 (BStBl. I Seite 624) und wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Hinweis zur Anwendung der 50 Euro-Sachbezugsfreigrenze

Nach § 8 Abs. 4 EStG ist seit dem 1. Januar 2020 die monatliche 50 Euro-Sachbezugsfreigrenze bei Gutscheinen und Geldkarten nur noch anwendbar, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Der steuerliche Vorteil ist damit insbesondere im Rahmen von Gehaltsverzicht oder - umwandlungen ausgeschlossen. Das BMF-Schreiben vollzieht hier lediglich redaktionell die Erhöhung von 44 Euro auf 50 Euro nach.

Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

BMF präzisiert Sicht der Finanzverwaltung zum Leistungszeitpunkt und zur Zehn-Prozent-Grenze
Zu welchem Zeitpunkt ist die Aufsichtsratstätigkeit ausgeführt? Wie ist die Zehn-Prozent-Grenze bei einer gemischten Aufsichtsratsvergütung zu berechnen? Zu diesen beiden Aspekten gibt das Bundesfinanzministerium (BMF) mit dem neuen Schreiben vom 29. März 2022 nähere Erläuterungen.
 Im Juli 2021 hat die Finanzverwaltung auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zur Frage reagiert, wann die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds als unternehmerisch beziehungsweise nichtunternehmerisch einzuordnen ist. Das BMF hatte dazu mit Schreiben vom 8. Juli 2021 den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) um einen neuen Abschnitt 2.2. Abs. 3a UStAE ergänzt (wir berichteten im Newsletter August 2021 darüber). Dieser wird nunmehr erneut angepasst.  

Vergütungsstruktur maßgebend 

Maßgeblich ist, ob sich die Vergütung aus festen und/oder variablen Bestandteilen zusammensetzt. Eine nichtunternehmerische Tätigkeit – ähnlich einem Arbeitnehmer – wird angenommen, wenn eine nicht variable Festvergütung gezahlt wird, wie beispielsweise eine pauschale Aufwandsentschädigung für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Sitzungsgelder, die sich anhand der tatsächlichen Sitzungsteilnahme bemessen, gelten hingegen als variable Vergütung und führen zur Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit. Bei einer gemischten Vergütung geht die Finanzverwaltung grundsätzlich von einer unternehmerischen Tätigkeit aus, wenn die variablen Bestandteile mindestens 10 Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen.

Berechnung der Zehn-Prozent-Grenze bei gemischten Vergütungen 

Für die Berechnung der Zehn-Prozent-Grenze stellt das BMF nun nicht mehr auf das Kalenderjahr, sondern das Geschäftsjahr der betreffenden Gesellschaft ab (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 5 UStAE n.F.). Variable Vergütungsanteile, die an die tatsächliche Sitzungsteilnahme anknüpfen, sind in eine ex ante-Betrachtung einzubeziehen. Alle zu Beginn des Geschäftsjahres der Gesellschaft geplanten Aufsichtsratssitzungen sind zu berücksichtigen, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Aufsichtsratsmitglieds an den Sitzungen (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 10 UStAE n.F.). Nachträgliche Änderungen sind unbeachtlich. Die Besteuerung erfolgt insoweit auf Grundlage der zu Beginn des Geschäftsjahres durchgeführten Prognose, so dass Korrekturen vermieden werden (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 11 UStAE n.F.). Die so ermittelten variablen Bestandteile sind ins Verhältnis zu setzen zur gesamten Aufsichtsratsvergütung des entsprechenden Geschäftsjahres; Reisekosten bleiben unberücksichtigt (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 7 UStAE n.F.). 

Leistungszeitpunkt 

Die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds gilt grundsätzlich mit Ablauf des Geschäftsjahres der kontrollierten Gesellschaft als erbracht (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 8 UStAE n.F.). Nimmt das Aufsichtsratsmitglied an einer Aufsichtsratssitzung teil und erhält dafür Auslagenersatz und Sitzungsgeld, ist der Tag der Sitzung maßgebend (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 3a Satz 9 UStAE n.F.).

Anwendungsregelung 

Die neuen Regelungen gelten in allen offenen Fällen. Allerdings enthält das Schreiben vom 29. März 2022 zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten mehrere Nichtbeanstandungsregelungen. Diese ersetzen die Anwendungsregelungen des BMF-Schreibens vom 8. Juli 2022.  Den Volltext des BMF-Schreibens vom 29. März 2022 finden Sie hier.

+++ EU-Politik +++

Evaluierung des SURE-Programms zur Finanzierung nationaler Kurzarbeitergeld-Regelungen

Erfolg bei der Sicherung von durch Corona bedrohten Arbeitsplätzen
1,5 Millionen Menschen wurden mit SURE, dem 100-Milliarden-Euro-Instrument der EU zur Abfederung der Folgen der Covid-Pandemie, vor Arbeitslosigkeit bewahrt -dies berichtet die EU-Kommission in ihrem dritten Bericht, der kürzlich veröffentlicht wurde.
SURE bietet den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung in Form von zinsgünstigen Darlehen der EU, damit diese ihre nationalen Kurzarbeitsregelungen und ähnliche Maßnahmen zum Arbeitsplatzerhalt und zur Einkommensunterstützung finanzieren können. SURE war eines der ersten Programme, das die wirtschaftliche Erholung in der EU unterstützt hat.
Genutzt haben das Programm laut Halbjahresbericht davon vor allem kleine Unternehmen des Groß- und Einzelhandels, des Beherbergungs- und Gaststätten- sowie des verarbeitenden Gewerbes sowie Selbständige bei der Wiederaufnahme ihrer Arbeit. Es gibt eine Einschränkung: Nur die Staaten haben Anträge gestellt, die sich nicht zu günstigeren Konditionen am Kapitalmarkt finanzieren konnten – und haben so schätzungsweise 8,2 Milliarden Euro an Zinszahlungen gespart. Deutschland gehört nicht zu dieser Gruppe.
Vorgeschlagen hatte die EU-Kommission die SURE-Verordnung gleich zu Beginn der Pandemie am 2. April 2020. Die Annahme im Rat erfolgte am 19. Mai 2022. Bald nachdem die Mitgliedstaaten am 22. September die Garantievereinbarung unterzeichnet hatten, konnten erste Auszahlungen erfolgen.
Im Rahmen von SURE hat die EU-Kommission bislang Finanzhilfen in Höhe von gut 94 Milliarden Euro für 19 Mitgliedstaaten vorgeschlagen, die vom Rat bewilligt wurden. Fast 90 Milliarden Euro davon sind bereits ausgezahlt. Während der Laufzeit von SURE bis zum 31. Dezember 2022 können die verbleibenden 5,6 Milliarden Euro noch abgerufen werden. Im Jahr 2020 wurden rund 31 Millionen Einzelpersonen und rund 2,5 Millionen Unternehmen mit SURE-Geldern unterstützt. Das entspricht fast 30 Prozent aller Beschäftigten und einem Viertel der Unternehmen in den begünstigten Staaten. Im vergangenen Jahr haben noch einmal circa drei Millionen Menschen und über 400.000 Unternehmen profitiert.
Der Bericht geht über die rechtlichen Mindestanforderungen hinaus und liefert unter anderem wirtschaftliche Nachweise über die Effizienz des SURE-Instruments.

Green Deal: Ratseinigung zum europäischen CO2-Grenzausgleich

Freie Zuteilung für Unternehmen weiter offen
Am 15. März haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf Ministerebene auf einen gemeinsamen Standpunkt zum laufenden Legislativvorhaben eines europäischen CO2-Grenzausgleichsmechanismus geeinigt. Wichtige Streitfragen bleiben jedoch ungeklärt.
Die Mitgliedstaaten folgen in weiten Teilen dem Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vom Juli 2021. Importe im Wert von unter 150 Euro sollen ausgenommen werden. Zudem schlägt der Rat vor, bei der Verwaltung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der Kommission eine gewichtigere Rolle zuzuweisen. So soll sie unter anderem für den Verkauf der CBAM-Zertifikate zuständig sein. 
Zu den wichtigsten Streitfragen - Fortführung der freien Zuteilung im Europäischen Emissionshandel und Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft - wurde noch keine Einigung erzielt, da diese zum Teil im Rahmen der Reform des Europäischen Emissionshandelssystems geklärt werden könnten. Offen bleibt auch die Verwendung der generierten Einnahmen.
Um dennoch den Weg für eine Einigung im Rat zu ebnen, hat die französische Ratspräsidentschaft die noch offenen Fragen in einer die Einigung zum CBAM begleitenden Erklärung aufgegriffen. Die Verhandlungen zum CBAM sollen erst beginnen, wenn ausreichend Fortschritte hinsichtlich dieser Fragen erreicht wurden. Auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner hatte in der öffentlichen Aussprache hierauf gedrängt. 
In der nun vorliegenden Ratsposition wird bezüglich der Exportwirtschaft lediglich festgelegt, dass die Europäische Kommission im Jahr 2026 die Auswirkungen des CBAM auf Exporte in Drittländer bewerten soll.
Der im Europaparlament federführende Umweltausschuss stimmt voraussichtlich am 11. Mai 2022 über die Parlamentsposition ab, gefolgt von der Abstimmung im Plenum im Juni 2022. Danach könnten dann die Trilogverhandlungen der Co-Gesetzgeber über die finale Ausgestaltung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus beginnen. 
Die Beratungen der Mitgliedstaaten zur Reform des Europäischen Emissionshandelssystems befinden sich noch im Anfangsstadium. Im Europäischen Parlament wird angestrebt, die Position Mitte Mai im Ausschuss zu verabschieden.

EU-Kommission verabschiedet Beihilferegeln für Liquiditätsbeihilfen und Energie-Zuschüsse

Unterstützung für betroffene Unternehmen gilt bis zum Jahresende
Die Europäische Kommission hat am 23. März einen befristeten Krisenrahmen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland angenommen, der rückwirkend ab dem 1. Februar angewandt wird. Konkret handelt es sich um eine Mitteilung der Kommission, in der Regeln für die Ausgestaltung von nationalen Beihilfemaßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen, die aufgrund der Folgen des Ukraine-Kriegs in Schwierigkeiten geraten, definiert werden. Der befristete Krisenrahmen der EU ergänzt das bestehende Instrumentarium für staatliche Beihilfen um weitere Möglichkeiten, unter anderem um die Entschädigung von Unternehmen für unmittelbar erlittene außergewöhnliche Schäden.
Beihilfemaßnahmen, die unter den Anwendungsbereich des Krisenrahmens fallen, werden von der Europäischen Kommission nur bewilligt, wenn die Vorgaben eingehalten werden. Die deutsche Bundesregierung hat in ihrem zweiten Entlastungspaket vom 24. März angekündigt, besonders betroffenen Unternehmen im Rahmen dieser europäischen Vorgaben "mit zinsgünstigen Krediten rasch und unbürokratisch die notwendige Liquidität zur Verfügung zu stellen". Auch über "weitere Maßnahmen" will die Koalition "beraten". 

Begrenzte Zuschüsse und Liquiditätsbeihilfen

Der Krisenrahmen sieht zunächst vor, dass Beihilfen von bis zu 400.000 Euro pro Unternehmen, auch in Form direkter Zuschüsse, unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. So muss das Unternehmen beispielsweise von der Krise betroffen sein und die Beihilfe im Rahmen einer Beihilferegelung gewährt werden, bei der der Staat die Mittelausstattung im Vorhinein schätzt. Zudem muss die Beihilfe bis Ende des Jahres 2022 gewährt werden. Für bestimmte landwirtschaftliche Betriebe darf die Beihilfe 35.000 Euro nicht übersteigen.
Zweitens legt der Krisenrahmen Regeln fest, wie Liquiditätsbeihilfen für vom Krieg mittelbar oder unmittelbar betroffene Unternehmen ausgestaltet werden müssen. Es gibt hier Vorgaben sowohl für Kreditgarantien als auch zinsvergünstige Darlehen. Für Kreditgarantien werden beispielsweise Mindesthöhen für Garantieprämien definiert. Für zinsvergünstigte Darlehen werden zu erhebende Mindestsätze für Kreditrisikomargen vorgeschrieben. Zudem werden für beide Beihilfearten Obergrenzen für den Gesamtdarlehensbetrag definiert.

Beihilfen zur Abfederung von hohen Energiebeschaffungskosten 

Schließlich definiert der befristete beihilferechtliche Rahmen, wie die Mitgliedstaaten Unternehmen unter anderem durch Kredite, Steuervorteile aber auch direkte Zuschüsse bei der Bewältigung der massiv gestiegenen Preise für Strom und Erdgas unterstützen dürfen.
Der Krisenrahmen sieht vor, dass Steigerungen der Energiebeschaffungskosten im Zeitraum Februar bis Dezember 2022 durch eine Beihilfe abgefedert werden dürfen. Als Referenzperiode zur Berechnung der gestiegenen Beschaffungskosten dient das gesamte Jahr 2021. Ein kompletter Ausgleich der Steigerungen ist nicht möglich. Stattdessen hat die Europäische Kommission entschieden, lediglich Steigerungen von über 200 Prozent als beihilfefähig zu betrachten. Von diesen extremen Steigerungen dürfen dann wiederum nur maximal 30 Prozent durch eine Beihilfe ausgeglichen werden. Der Maximalbetrag wurde auf 2 Millionen Euro pro Unternehmen festgelegt.

Höhere Entlastung energieintensiver Betriebe möglich

Für energieintensive Unternehmen darf die Beihilfeintensität auf 50 Prozent der beihilfefähigen Steigerungen der Energiebeschaffungskosten angehoben werden. Maximal sind 25 Millionen Euro pro Unternehmen zulässig. Zudem darf die Beihilfe 80 Prozent des Betriebsverlusts nicht übersteigen.  Zugleich wird gefordert, dass der Anstieg der beihilfefähigen Steigerung der Energiebeschaffungskosten mindestens 50 Prozent des Betriebsverlusts generiert.
Um von diesen spezifischen Regeln zu profitieren, muss ein Unternehmen die Definition eines energieintensiven Unternehmens aus der europäischen Energiesteuer-Richtlinie erfüllen. Die Energiebeschaffungskosten müssen mindestens 3 Prozent des Produktionswerts erreichen. Zusätzlich muss das Unternehmen für den Zeitraum Februar bis Dezember 2022 einen Betriebsverlust (negativer EBITDA) aufweisen. Für besonders betroffene energieintensive Unternehmen darf die Beihilfeintensität 70 Prozent und maximal 50 Millionen Euro erreichen. Die Liste der entsprechenden Sektoren und Teilsektoren ist im Anhang I der Mitteilung zu finden. Unter anderem werden dort die Erzeugung von Aluminium und anderen Metallen, Glasfasern, Zellstoff, Düngemitteln oder Wasserstoff und zahlreichen Grundchemikalien aufgeführt.
In Anspruch nehmen können alle diese Maßnahmen auch "Unternehmen in Schwierigkeiten, die aufgrund der derzeitigen Umstände und nach der Covid-19-Pandemie einen akuten Liquiditätsbedarf verzeichnen". Das ist insofern bemerkenswert, da "Unternehmen in Schwierigkeiten" von anderen Beihilfen, zum Beispiel im Energiebereich, nicht profitieren können. Ausgenommen sind dagegen von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu wahren, enthält der neue befristete Krisenrahmen eine Reihe von Schutzklauseln.
Der befristete Krisenrahmen gilt bis zum 31. Dezember 2022. Vor Ablauf wird die Kommission bewerten, ob eine Verlängerung notwendig ist.

Umsetzung der OECD-Vereinbarung über eine weltweite effektive Mindestbesteuerung

Bislang keine Einigung im Rat der EU
Weder auf der Sitzung des Ecofin-Rates am 15. März noch auf der Sitzung am 5. April wurde eine Einigung auf den Text einer Richtlinie zur Umsetzung der zweiten Säule des OECD-Projekts zur Einführung einer 15-prozentigen effektiven weltweiten Mindeststeuer für bestimmte Unternehmen gefunden.
Die Richtlinie sieht vor, die Gewinne weltweit tätiger Unternehmen, die einen jährlichen Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro erreichen, mit 15 Prozent zu besteuern. Der Kompromisstext sieht vor, die ursprüngliche Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht um ein Jahr auf den 31. Dezember 2023 zu verschieben. Außerdem fehlt im Kompromissvorschlag die Sanktion in Höhe von 5 Prozent des Umsatzes bei nicht fristgerechter oder falscher Steuererklärung. Kritikern sollte die Zustimmung zum Richtlinienentwurf weiterhin dadurch erleichtert werden, dass kleineren Staaten, in denen höchstens zwölf oberste Muttergesellschaften ansässig sind, sechs Jahre lang Ausnahmen von den Regeln zur Einbeziehung von Erträgen erhalten können. Die Muttergesellschaften sind wichtig für die Berechnung der Umsatzschwelle.
Ein Mitgliedstaat forderte eine rechtliche Verknüpfung der beiden Säulen des Reformprojekts der OECD, "BEPS 2.0": der Verschiebung von Besteuerungsrechten hin zu Marktstaaten, Säule 1, und der globalen effektiven Mindestbesteuerung, Säule 2. Die unterschiedlichen Fortschritte bei den Beratungen zur Umsetzung der beiden Säulen hatte die französische Ratspräsidentschaft durch eine Erklärung des Rates in der Mindeststeuer-Richtlinie zu lösen versucht. Darin dringt die EU auf einen Abschluss der Arbeiten an beiden Säulen seitens der OECD innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens. Da dies nur eine politische Verpflichtung darstellt, schlossen sich nicht alle Länder dem Kompromiss an.
Die Ratspräsidentschaft bemüht sich nun, die erforderliche Zustimmung aller Mitgliedstaaten zur Richtlinie für eine Umsetzung der globalen effektiven Mindestbesteuerung in einer der beiden verbleibenden Sitzungen des Ecofin-Rates am 24. Mai oder am 17. Juni zu erreichen.
Endredaktion: Jan Meister
Steuern

Kaufkraftausgleich für Auslandsentsendung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 11. April 2023 die Gesamtübersicht über die maßgebenden Kaufkraftzuschläge zum 1. April 2023 mit Zeiträumen ab 1. Januar 2020 bekanntgegeben.
Kaufkraftzuschläge für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 1. Januar 2020 ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 13. Januar 2020, IV C 5 - S 2341/19/10002.
Arbeitnehmer, die für einen begrenzten Zeitraum in das Ausland entsandt werden, erhalten oft von ihrem inländischen Arbeitgeber einen Kaufkraftausgleich für höhere Lebenshaltungskosten vor Ort. Dieser Kaufkraftausgleich ist nach § 3 Nr. 64 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei, wenn der ins Ausland entsandte Arbeitnehmer dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und das Besteuerungsrecht für das Gehalt des Arbeitnehmers weiterhin in Deutschland verbleibt.
Der Umfang der Steuerfreiheit des Kaufkraftausgleichs richtet sich nach den Sätzen des Kaufkraftausgleichs zu den Auslandsdienstbezügen im öffentlichen Dienst nach § 55 Bundesbesoldungsgesetz.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder recherchieren.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juni 2023
Wirtschaftsrecht

Preisangabenverordnung - Änderungen zum 28. Mai 2022!

Zum 28. Mai 2022 tritt die neue Preisangabenverordnung (PAngV) in Kraft. Neu kommt hierbei auf die Unternehmen eine zusätzliche Informationspflicht bei der Werbung mit Preisermäßigungen zu. Auch die Regelungen zur Auszeichnung des Grundpreises wurden leicht abgeändert.
Hier finden Sie die Aufzeichnung des Webinars vom 19. Mai 2022  "Die novellierte Preisangabenverordnung: Neue Vorgaben für die Bekanntgabe von Preisermäßigungen" 

1. Informationspflichten bei Werbung mit Preisermäßigungen

Gemäß dem neu geschaffenen § 11 PAngV ist bei der Werbung mit Preisermäßigungen ein vorheriger Verkaufs- bzw. Gesamtpreis anzugeben. Dabei richtet sich dieser anzugebende vorherige Gesamtpreis nach dem niedrigsten Gesamtpreis, den der Händler in den letzten 30 Tagen für diese Ware vom Verbraucher gefordert hat.
Hinweis: Damit ist es ab Ende April erforderlich die bisher angesetzten Preise zu dokumentieren!
Eine Gegenüberstellung der Preise kann auf dem Wege der Gegenüberstellung erfolgen oder durch einen prozentualen Abzug.
Nicht in den Anwendungsbereich fallen Werbeformulierungen wie “1+1 gratis” oder “Kaufe 3 zahl 2”.
Die Neuregelung gilt sowohl für die Waren im Ladengeschäft wie auch für Waren im Online-Handel.
Ausgenommen von dieser Regelung sind schnell verderbliche Waren, die für den Abverkauf vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums reduziert ausgezeichnet werden. Ebenso wenig findet die Neuregelung Anwendung, wenn mit UVPs geworben wird.
§ 11 Abs. 2 PAngV n.F. sieht zudem die abweichende Möglichkeit vor, dass der Händler hinsichtlich des niedrigsten Vergleichspreises auf denjenigen Preis abstellen kann, den er vor einer “schrittweisen, ohne Unterbrechung ansteigenden” Preisermäßigung gefordert hat.

2. Die Grundpreisangabe

Seit dem 01. September 2000 ist die Verordnung zur Änderung der Preisangaben- und der Fertigpackungsverordnung in Kraft. Für viele Produkte muss seither eine zusätzliche Preisangabe, der Grundpreis, ausgezeichnet werden. Dies ist der Preis pro Mengeneinheit (Kilogramm, Liter, Meter oder Quadratmeter). 

Grundpreis

Der Grundpreis ist der Preis je Mengeneinheit, einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Bestandteile. Die Angabe des Grundpreises soll dem Käufer einen leichteren Preisvergleich ermöglichen, besonders bei Packungen mit unterschiedlicher Füllmenge. 

Welche Waren sind betroffen?

Der Grundpreis muss – neben dem Endpreis - bei folgenden Waren angegeben werden, wenn sie nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten werden:
  • Waren in Fertigpackungen
  • Waren in offenen Verpackungen
  • Waren, die als Verkaufseinheiten ohne Umhüllungen abgegeben werden
  • Ausgenommen sind Waren für die Selbstabfüllung (z. B. Essig oder Öl)

Das Anbringen des Grundpreises

Der Grundpreis muss so angebracht werden, dass er “unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar” für den Verbraucher zu finden ist. Gesamt- und Grundpreis müssen daher auf einen Blick wahrnehmbar sein.
Gerade im Hinblick auf den Online Handel sollte berücksichtigt werden, dass dies nicht erfüllt ist, wenn erst ein separater Link angeklickt werden muss oder erst ein Mouse-Over den Grundpreis sichtbar macht.

Mengeneinheiten des Grundpreises

Nach der neuen Regelung ist es für die bessere Preistransparenz vorgegeben, dass grundsätzlich 1 Kilogramm bzw. 1 Liter als verbindliche Mengeneinheit für die Angabe des Grundpreises genutzt wird.
Hinweis: Hier besteht also Handlungsbedarf bei der Auszeichnung der Waren!

Verstöße

Verstöße gegen die Preisangabenverordnung können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Verstöße können außerdem von Wettbewerbsvereinen und Mitbewerbern nach § 1 UWG im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs verfolgt werden.

3. Weitere Informationen

Zum Nachlesen: Informieren Sie sich in der neuen Verordnung.
Sollten Sie weitergehende Informationen benötigen, steht Ihnen in unserer Commerzbibliothek die gängige Rechtsliteratur (Gesetzestexte, Kommentare, Entscheidungssammlungen, Periodika, Monografien) zur Verfügung. Die Commerzbibliothek finden Sie im Erdgeschoß unserer Handelskammer, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg. 
Für die Richtigkeit der in diesem Merkblatt enthaltenen Angaben können wir trotz sorgfältiger Prüfung keine Gewähr übernehmen.
Recht und Steuern

Steuerinfo März 2022

+++ Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht +++

Corona-Überbrückungshilfen nochmals verlängert 

Verlängerung bis 30. Juni 2022
Die Corona-Überbrückungshilfen wurden nochmals verlängert. Bis zum 30. Juni 2022 können Unternehmen, die Corona bedingt Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent zur Vor-Pandemiezeit verkraften müssen, die Überbrückungshilfe IV oder die Neustarthilfe in Anspruch nehmen. 

Bund und Länder wollen Missbrauch verhindern 

In der Beschlussvorlage zur Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 16. Februar 2022 heißt es: 
„Die Länder begrüßen den Beschluss der Bundesregierung zur Verlängerung der Bezugsdauer und Sonderregelungen des Kurzarbeitergeldes. So wird den seit Beginn der COVID-19-Pandemie von Arbeitsausfall betroffenen Betrieben auch nach dem 31. März 2022 weiter die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld ermöglicht. Auch die Überbrückungshilfe IV als zentrales Corona-Hilfsinstrument wird bis zum 30. Juni 2022 verlängert, um Unternehmen in weiterhin unsicheren Zeiten in bewährter Weise zu unterstützen. Die ergänzenden Programme Neustart- und Härtefallhilfen werden parallel zur Überbrückungshilfe IV verlängert. Bund und Länder werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den kriminellen Missbrauch der Wirtschaftshilfen zu verhindern. Die Länder werden auch aufgrund der hierzu jetzt schon vorliegenden Daten über den Förderzeitraum hinaus ausreichende organisatorische und personelle Ressourcen zu Aufklärung und Verfolgung mutmaßlicher Straftaten bereitstellen. Bund und Länder werden sich regelmäßig gegenseitig unterrichten, welche Maßnahmen mit welchen Ergebnissen sie ergriffen haben. Die Länder begrüßen, dass der Bund die Hilfen des Sonderfonds Kulturveranstaltungen verlängern wird.“ 

Mehr als 3 Millionen Anträge bewilligt 

Seit dem ersten Corona-Hilfe-Programm, den Soforthilfen des Bundes, sind nunmehr mehr als 3 Millionen Anträge auf Soforthilfe, Überbrückungshilfen oder Neustarthilfen bewilligt worden. Fast 65 Milliarden Euro wurden ausgezahlt.

Verfassungsbeschwerde zum Arbeitslohn bei Betriebsveranstaltungen 

Bewertung von Arbeitslohn anlässlich einer Betriebsveranstaltung geht in die nächste Runde 
Beim Bundesverfassungsgericht ist unter dem Aktenzeichen BVerfG - 2 BvR 1443/21 eine Verfassungsbeschwerde zur Frage anhängig, ob es verfassungsgemäß ist, bei der Ermittlung des Umfangs der lohnsteuerpflichtigen Zuwendungen, die Arbeitnehmern im Rahmen einer Betriebsveranstaltung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG) gewährt werden, auf die Anzahl der tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmer abzustellen und sog. "No-Show-Kosten" für nicht anwesende Personen auf diese zu verteilen.
Dem Beschwerdeverfahren liegt das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 2021 (Az.: VI R 31/18, BStBl 2021 II S. 606) zugrunde. In diesem hatte der BFH zunächst die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, dass bei der Ermittlung des Arbeitslohns anlässlich von Betriebsveranstaltungen alle mit der Veranstaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen sind. Es kommt demnach nicht darauf an, ob die Aufwendungen beim jeweiligen Arbeitnehmer zu einem (messbaren) Vorteil führen. Während das Finanzgericht Köln als Vorinstanz im Urteil vom 27. Juli 2018 (Az.: 3 K 870/17) diese Kosten noch auf die angemeldeten Teilnehmer verteilt hatte, urteilte der BFH, dass die Gesamtkosten auf alle bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen seien. Damit sind nach Auffassung des BFH auch „frustrierte Aufwendungen“ des Arbeitgebers für angemeldete, aber nicht erschienene Arbeitnehmer in die Gesamtkosten mit einzubeziehen und den teilnehmenden Arbeitnehmern jeweils anteilig zuzurechnen. 

Verstoß gegen das Gebot des Leistungsfähigkeitsprinzips?  

Diese Auffassung könnte jedoch dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) widersprechen. Es erscheint nämlich fraglich, ob der einzelne Arbeitnehmer durch die vergeblichen Aufwendungen zugunsten nicht teilnehmender Arbeitnehmer bereichert oder seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gesteigert wird.  

Verfahren offenhalten  

Betroffene Unternehmen sollten die Entwicklung weiter verfolgen. Bei etwaigen Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung könnte geprüft werden, ob Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt wird.

Private Nutzung von E-Fahrzeugen und Fahrrädern in der Umsatzsteuer

BMF veröffentlicht Anwendungsschreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung
Die private Nutzung eines Fahrzeugs unterliegt der Umsatzsteuer, wenn bei Anschaffung der volle oder teilweise Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Das gilt auch für Fahrräder. Wie aber ist die private Nutzung von Elektrofahrzeugen, Hybridelektrofahrzeugen, Elektrofahrrädern und Fahrrädern sowie die Überlassung von Elektrofahrrädern und Fahrrädern an Arbeitnehmer umsatzsteuerrechtlich zu bewerten? Zu dieser Frage hat das Bundesfinanzministerium nun Hinweise veröffentlicht. Insbesondere sind danach die ertragsteuerlichen Sonderregelungen bei der Umsatzsteuer nicht anwendbar.
Zunächst wird klargestellt, dass der Begriff „Fahrzeug“ – wie er bisher bereits in Abschnitt 15.23 UStAE verwendet wird – mit dem Begriff „Kraftfahrzeug“ gleichzusetzen ist. Er umfasst damit auch Elektrofahrräder, die einer Kennzeichen-, Versicherungs- oder Führerscheinpflicht unterliegen (Abschnitt 15.23 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Das sind im Wesentlichen E-Bikes, bei denen der Motor unabhängig von der Trittleistung des Fahrers funktioniert. Im Gegensatz dazu sind (Elektro-)Fahrräder zu sehen, die nicht der Kennzeichen-, Versicherungs- oder Führerscheinpflicht unterliegen und damit verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen sind (Abschnitt 15.24 Abs. 1 UStAE). Hierunter fallen die sogenannten Pedelecs, bei denen der Elektromotor lediglich unterstützt, der Fahrer aber in jedem Fall selbst treten muss. Spätestens bei einer Geschwindigkeit von 25 km/h schaltet der Elektromotor ab. Eine selbständige elektrische Anfahrts- oder Schiebehilfe bis 6 km/h ist unschädlich. Spezifisch für Fahrräder in diesem Sinne geltende Hinweise sind in einem neuen Abschnitt 15.24 UStAE enthalten. 

Ertragsteuerliche Sonderregelungen nicht anwendbar 

Zudem wird in Abschnitt 15.23 UStAE an mehreren Stellen klargestellt, dass für umsatzsteuerliche Zwecke die Sonderregelungen für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 5 EStG nicht anzuwenden sind. Diese erlauben unter bestimmten Voraussetzungen, den Bruttolistenpreis für ertragsteuerliche Zwecke lediglich zur Hälfte beziehungsweise nur zu einem Viertel anzusetzen. Entsprechend gilt dies auch für die Steuerbefreiung / -ermäßigung für (Elektro-)Fahrräder. 

Ein-Prozent-Regelung möglich 

Positiv hervorzuheben ist, dass die Ein-Prozent-Regelung auch bei Firmenfahrrädern angewendet werden kann. Diese Ein-Prozent-Regelung oder Listenpreismethode wird zur Errechnung des geldwerten Vorteils, der sich aus der Überlassung eines betrieblichen Fahrzeuges zur privaten Nutzung ergibt, angewendet. Danach wird ein Prozent des inländischen Bruttolistenpreises zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen inklusive Umsatzsteuer für jeden Kalendermonat der Ertragsbesteuerung unterworfen. Bei der Berechnung der konkreten umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss allerdings unterschieden werden, ob das Fahrrad vom Unternehmer privat genutzt wird (Abschnitt 15.24 Abs. 2 UStAE) oder ob es an einen Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen wird (Abschnitt 15.24 Abs. 3 UStAE). In beiden Fällen ist die Ermittlung des Privatanteils anhand eines Fahrtenbuchs mangels Tachos ausgeschlossen. 

Unentgeltliche Wertabgabe oder entgeltliche Leistung? 

Die unternehmensfremde (private) Nutzung eines Fahrzeugs unterliegt als sog. „unentgeltliche Wertabgabe“ nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer, wenn bei Anschaffung der volle oder teilweise Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur auch privaten Nutzung, wird grundsätzlich eine entgeltliche Leistung (Überlassung gegen Arbeitsleistung) angenommen. Für die Frage, mit welchem Wert die Besteuerung zu erfolgen hat, enthielt der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) bereits bisher Erläuterungen in Abschnitt 15.23, die sich auf herkömmliche Fahrzeuge bezogen. Mit dem neuen Schreiben vom 7. Februar 2022 veröffentlicht die Finanzverwaltung erstmals Hinweise zur Besteuerung von Fahrrädern. Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden, also gegebenenfalls auch auf Sachverhalte der Vergangenheit. 
Hinweis: Das BMF-Schreiben vom 7. Februar 2022 finden Sie hier 

Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung eines Firmenwagens

Unterjähriger Wechsel von Pauschal- zur Fahrtenbuchmethode (vice versa) nunmehr möglich
Der geldwerte Vorteil ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann anzusetzen, wenn das Fahrzeug tatsächlich nicht für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt wird. Dafür ist nun auch die rückwirkende Änderung der Bewertungsmethode und sowohl dem Grunde nach, wie auch für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte möglich.
Nach Randziffer 12 des BMF-Schreibens vom 3. März 2022 ist der pauschale Nutzungswert (0,03 Prozent-Regelung) grundsätzlich auch für volle Kalendermonate anzusetzen, in denen das Fahrzeug tatsächlich nicht für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt wird. Er ist somit auch dann anzusetzen, wenn aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder anderer Umstände Fahrten nicht stattfinden (zum Beispiel Homeoffice, Teilzeitvereinbarung).

Wechsel der Bewertungsmethode

Die Finanzverwaltung lässt dafür in Randziffer. 41 des BMF-Schreibens eine rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs (Wechsel von der pauschalen Nutzungswertmethode zur Fahrtenbuchmethode oder umgekehrt für das gesamte Kalenderjahr) vor Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung im Rahmen des § 41c EStG grundsätzlich zu. Wenn in der Corona-Krise die Arbeitnehmer zum Beispiel wegen Kontaktbeschränkungen und Lockdown weniger privat fahren, bleibt der geldwerte Vorteil bei der Pauschalmethode gleich. Durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch und einen Wechsel der Bewertungsmethode lässt sich dieser Nachteil nun auch rückwirkend vermeiden.
Aus R 8.1 Abs. 9 Nr. 3 LStR und dem BFH-Urteil vom 20. März 2014, BStBl II Seite 643, ergab sich zuvor, dass ein unterjähriger Wechsel zwischen der Ein-Prozent-Regelung (Pauschalmethode) und der Fahrtenbuchmethode für dasselbe Kraftfahrzeug nicht zulässig ist. Demnach war ein Wechsel innerhalb des Kalenderjahres auch wegen besonderer Umstände, wie zum Beispiel der Corona-Krise, nicht möglich.

Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte

Für die Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte darf der Arbeitgeber im Rahmen der Pauschalmethode ebenfalls aus zwei pauschalierenden Ermittlungsmöglichkeiten wählen. Möglich sind die sog. 0,03-Prozent-Regelung und die Einzelbewertung. Nach dem BMF-Schreiben vom 3. März 2022 muss der Arbeitgeber die Anwendung der 0,03-Prozent-Regelung oder der Einzelbewertung für jedes Kalenderjahr einheitlich für alle dem Arbeitnehmer überlassenen betrieblichen Kraftfahrzeuge festlegen. Die Methode darf während des Kalenderjahres nicht gewechselt werden.
Auch hier ist nach Randziffer 13 f. nun eine rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs (Wechsel von der 0,03-Prozent-Regelung zur Einzelbewertung oder umgekehrt für das gesamte Kalenderjahr) im laufenden Kalenderjahr und vor Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung jedoch grundsätzlich im Rahmen des § 41c EStG möglich. Arbeitnehmer, die nunmehr aufgrund der Anordnungen vermehrt im Homeoffice arbeiten, müssten nach der 0,03-Prozent-Methode dennoch den vollen geldwerten Vorteil versteuern. Es ist hierbei gleichgültig, ob sie viel oder gar nicht zur ersten Tätigkeitsstätte fahren. Wird die erste Tätigkeitsstätte zum Beispiel wegen der Corona-Krise nicht an jedem Arbeitstag aufgesucht, so kann nun unter den oben genannten Voraussetzungen auch rückwirkend die Einzelwertermittlung als zweite pauschalierende Berechnungsform gewählt werden. Diese kann finanziell günstiger sein. Hierbei ermittelt sich der geldwerte Vorteil mit 0,002 Prozent vom BLP multipliziert mit den Entfernungskilometern für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und der Anzahl von Fahrten. Für diese Ermittlung muss der Arbeitnehmer taggenaue Aufzeichnungen vornehmen. Auch wenn in einzelnen Monaten dadurch mehr als 15 Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte pro Monat zu besteuern sein können, stellt dies im Jahresdurchschnitt keine Schlechterstellung dar, da diese Berechnungsform auf maximal 180 Tage im Jahr begrenzt ist.
Bisher waren Arbeitnehmer mit gezwungener überwiegender Homeoffice-Tätigkeit dagegen darauf angewiesen, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte mit der taggenauen Ermittlung anzusetzen und das steuerpflichtige Gehalt an dieser Stelle zu korrigieren. Die bei der Lohnabrechnung auf den geldwerten Vorteil einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge werden in diesem Fall jedoch nicht erstattet.
Das BMF-Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden und ersetzt das Schreiben vom 4. April 2018.

+++ Internationale und europäische Steuerpolitik +++

Finanzielle Förderung durch den Europäischen Forschungsrat

EU unterstützt Marktreife von 166 Projekten mit 25 Millionen Euro
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat am 7. Februar 166 Forschende, darunter 13 aus Deutschland, als forschungswürdig ausgewählt. Die Forschenden erhalten jeweils Zuschüsse in Höhe von 150.000 Euro. Das Geld soll den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei helfen, die frühe Phase der Vermarktung ihrer Forschungsergebnisse erfolgreich zu bewältigen. Dass der ERC in die Grundlagenforschung investiert und riskante, aber bahnbrechende Pionierforschung fördert, macht es innovativen Unternehmen leichter: Sie können mit ihrer angewandten Forschung auf den Ergebnissen der Pionierforscher aufsetzen.
Diese auch als "Proof-of-Concept-Finanzierung" bezeichnete Unterstützung wird von den Forschern z. B. dafür verwendet, die Praxistauglichkeit ihrer Konzepte zu überprüfen, Geschäftsmöglichkeiten zu erkunden oder Patentanmeldungen vorzubereiten. Die an der Universität Hamburg forschende Irene Fernandez-Cuesta beispielsweise wird mit dem Geld eine neue DNA-Testmethode während der Behandlung von Krebspatienten entwickeln. Die neuen Stipendien gingen an Forscher in ganz Deutschland, damit lag Deutschland mit 13 erfolgreichen Förderbescheiden im oberen Mittelfeld. Die Proof-of-Concept-Finanzhilfen sind Teil des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont Europa.  Sie stehen nur Forschern offen, die bereits vom ERC gefördert werden oder wurden. Insgesamt wurden im Jahr 2021 348 Förderanträge mit einer Erfolgsquote von 48 Prozent bewertet. Im Vergleich dazu lag die Erfolgsquote im Jahr davor nur bei 32 Prozent. Die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats, Prof. Maria Leptin, betonte, ohne eine erfolgreiche Grundlagenforschung gebe es keine angewandte Forschung.

Rückläufiges Aufkommen aus Umweltsteuern in EU-Mitgliedstaaten

Vorschläge der Europäischen Umweltagentur zum weiteren Vorgehen
Die European Environmental Agency (EEA) kritisiert, dass Umweltsteuern heute vielfach als Einnahmequelle für den Staat angesehen würden, nicht als Instrument zur Steuerung von menschlichem Verhalten. Die Mitgliedstaaten müssten ihre Steuerpolitik stärker an den Umwelt- und Klimazielen ausrichten und die Unternehmen abhängig von der Umweltschädlichkeit ihrer Energiequellen und Stoffe steuerlich belasten.
Das würde den Energieverbrauch und die Produktion in Deutschland und Europa verteuern. Das ist vor allem für die Unternehmen eine schlechte Nachricht, die keine Alternativen zu ihrem bisherigen Energiemix haben.
Laut dem von der Umweltagentur am 7. Februar vorgelegten Positionspapier können Umweltsteuern Anreize für einen nachhaltigen Übergang und den European Green Deal unterstützen. Ihr Aufkommen sollte allerdings rückläufig sein und in dem Maße abnehmen, in dem die Umweltziele erreicht würden. Folgerichtig habe der Anteil der Umweltabgaben am Gesamtsteueraufkommen der Mitgliedstaaten in den vergangen 20 Jahren abgenommen. Zwar sei ihr Aufkommen bis zum Jahr 2019 mit 330 Millionen Euro stetig angestiegen, aber ihr Anteil sei zwischen 2002 und 2019 von 5,9 auf 6,6 Prozent gefallen.
In Europa gebe es zwar kein einheitliches Bild. Aber auch Staaten, die auf dem Gebiet der Umweltsteuern Pionierarbeit geleistet hätten, wie Dänemark, Norwegen oder Schweden, hätten diesen verhältnismäßigen Rückgang zu verzeichnen. Kontraproduktiv sei es nach Auffassung der Agentur, die Lenkungswirkung von Umweltsteuern abzuschwächen und zu konterkarieren, indem der Staat umweltschädliches Verhalten durch Subventionen erleichtere.
Dass Umweltsteuern, die erfolgreich sind und menschliches Verhalten tatsächlich ändern, mit der Zeit ihre Bemessungsgrundlage verkleinern – sich quasi selbst abschaffen – ist für die Ersteller der Studie ein zusätzliches Argument dafür, dass sie als Finanzierungsquelle des Staates eigentlich nicht taugen.

Europäischer Innovationsrat: Finanzierungsmöglichkeiten zur Erschließung globaler Märkte

Vereinfachte Antragsverfahren für Unternehmen
Mit über 1,7 Milliarden Euro finanziert der Europäische Innovationsrat (EIC) 2022 überragende Innovationen zum Beispiel in den Bereichen Quantencomputer, Batterien und der Gentherapie. Zu den Neuerungen zählt auch ein vereinfachtes Antragsverfahren.
Der Europäische Innovationsrat hat bereits vier so genannte Einhörner, Start-up-Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als 1 Milliarde Euro, und über 90 so genannte Zentauren, Marktbewertung von mehr als 100 Millionen Euro, unterstützt. Insgesamt hat der EIC seit 2018 bereits mehr als 2.600 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups gefördert.
Wesentliche Elemente und Neuerungen für 2022:
  • Initiative "Scale-up 100"; sie soll 100 vielversprechende technologieintensive EU-Unternehmen ermitteln, die das Potenzial zu "Einhörnern" haben.
  • Beteiligungsinvestitionen von mehr als 15 Millionen Euro; mit Hilfe des EIC- "Accelerator" können sich Unternehmen, die an Technologien von strategischem europäischem Interesse arbeiten, um Unterstützung im Umfang von über 15 Millionen Euro bewerben. 
  • Verknüpfung von Zielen des EIC und der EU insgesamt; Start-ups sollen fit gemacht werden, damit sie bei der Erreichung der EU-Ziele besser beitragen können: Verringerung der Nettoemissionen an Treibhausgasen (um mindestens 55 Prozent bis 2030), strategische Autonomie in den Bereichen Quantentechnologie, Weltraum und neue medizinische Technologien. Allein dafür stehen 500 Millionen Euro bereit.
  • automatischer Erhalt des Exzellenzsiegels; herausragende Unternehmen, die der EIC nur deshalb nicht fördern kann, weil seine Finanzmittel dafür nicht ausreichen und die andernfalls für eine Förderung ausgewählt worden wären, erhalten das Siegel. Es kann ihnen dabei helfen, aus anderen Finanzierungsinstrumenten z. B. Aufbau- oder Strukturfonds der EU gefördert zu werden.
  • Programm "Pathfinder"; für multidisziplinäre Forschungsteams, die visionäre Forschung mit dem Potenzial zu technologischen Durchbrüchen betreiben, stehen im Jahr 2022 insgesamt 350 Millionen Euro bereit.
  • Programm "Transition"; für die Umwandlung von Forschungsergebnissen, die bei Pathfinder-Projekten gewonnen wurden, in Innovationschancen werden 131 Millionen Euro bereitgestellt. Auch bestimmten Projekten des Europäischen Forschungsrats (ERC) – und zwar für die Entwicklung konkreter Anwendungen – soll dieses Geld zugutekommen.
  • Programm "Accelerator"; Innovationen von Start-ups und KMU, die das Potenzial haben, neue Märkte zu schaffen oder bestehende Märkte zu erobern, weiterzuentwickeln und auszubauen, werden mit 1,16 Milliarde Euro gefördert.
Der Europäische Innovationsrat, der im März 2021 als wichtige Neuerung des Programms Horizont Europa ins Leben gerufen wurde, verfügt zwischen 2021 und 2027 über ein Gesamtbudget von über 10 Milliarden Euro. Bereits in seiner Pilotphase 2018 bis 2020 haben die vom EIC unterstützten Start-ups nachfolgend Investitionen von fast 10 Milliarden Euro angezogen.

OECD: Globale Mindeststeuer für große Unternehmensgruppen auf der Zielgeraden

Einigung unter den EU-Staaten lässt jedoch noch auf sich warten
Die weltweite Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für große, international tätige Unternehmen ab Jahresbeginn 2023 ist eigentlich beschlossen. In dieser Woche veröffentlichte die OECD detaillierte Regelungen dazu. Doch die EU-Finanzminister konnten sich noch nicht auf die Verabschiedung einer entsprechenden EU-Richtlinie einigen – zu groß waren die Vorbehalte etwa aus Schweden oder Polen. Der DIHK hat bereits auf die großen Umsetzungsschwierigkeiten für Unternehmen hingewiesen und eine Verschiebung der Erstanwendung gefordert.
Das OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS („IF“) hat am 14. März 2022 den lang erwarteten Kommentar („Commentary”) sowie detaillierte Beispiele zu der im Oktober 2021 vereinbarten globalen Mindeststeuer von 15  Prozent veröffentlicht. Zugleich wurde ein Konsultationsverfahren eingeleitet, um weitergehende Detailprobleme im Rahmen eines sogenannten „Implementation Framework“ noch bis Jahresende zu klären.
Damit sollen Unternehmen und Steuerverwaltungen nun detaillierte und umfassende technische Anleitungen zur Umsetzung und Anwendung der neuen Regelungen bereitgestellt und Hilfestellung bei der Auslegung von technischen Begrifflichkeiten gegeben werden. Hierdurch soll eine konsistente und gemeinsame Auslegung der GloBE-Regeln ermöglicht und die Umsetzung in den betroffenen Steuerverwaltungen als auch in den Unternehmensgruppen erleichtert werden.
Hervorgehoben behandelt wurden dabei u. a.
  • Ermittlung des sog. „GloBE“-Einkommens (Article 3)
    - zum Beispiel Anforderungen beim Fremdvergleich (Art 3.2.3, Rz. 96 ff.);
  • Berechnung der sog. „(adjusted) covered taxes“ inkl. steuerlicher Anpassungen (Article 4)
    - zum Beispiel post-filing adjustments (Art 4.6, Rz. 119 ff.)

Öffentliche Konsultation zum „Implementation Framework“

Das IF wird nunmehr weitergehende Hilfestellungen („Implementation Framework“) für eine passgenaue Implementierung und administrative Umsetzung durch die nationalen Finanzverwaltungen erarbeiten und sukzessive für einzelne Themenkomplexe bis Jahresende 2022 veröffentlichen. Insbesondere sollen besondere Verwaltungsverfahren, wie zum Beispiel Safe-Harbour-Regelungen oder weitergehende Vereinfachungen bei latenten Steuern (deferred tax assets / DTA) beziehungsweise bei branchenspezifischen Ausnahmen (zum Beispiel Investmentfonds) und multilaterale Überprüfungsverfahren bereitgestellt werden. Hierzu wurde eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Implementierung von Mechanismen, die sicherstellen, dass Steuerverwaltungen und multinationale Unternehmen die GloBE-Regeln konsistent und koordiniert umsetzen und anwenden können, während gleichzeitig die Kosten für die Einhaltung minimiert werden.

2-Säulen-Modell – Two-Pillar-Modell

Unter dem Dach der OECD arbeiten zurzeit die Finanzverwaltungen von 141 Staaten an einer Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung, welche bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Mit Blick auf die besonderen steuerlichen Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft wurde im sogenannten OECD/G20-Inclusive Framework on BEPS („IF“) ein 2-Säulen-Modell („Two-Pillar-Model“) entwickelt, welches besteht aus einer Neuverteilung der Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen hin zu Kunden-/Markstaaten (Säule 1) sowie der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung von großen Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz oberhalb von 750 Millionen Euro (Säule 2).
Erste Leitlinien zu beiden Säulen wurden bereits am 7. Oktober 2021 in einem „Statement“ der OECD verabschiedet. Die Arbeiten zu Säule 2 wurden seitdem zügig weitergeführt und detaillierte Regelungen bereits am 20. Dezember 2021 auf 70 Seiten in den sogenannten „Model Rules“ veröffentlicht.

DIHK fordert längere Übergangsfristen für eine passgenaue Umsetzung in den Unternehmen

Angesichts der langwierigen Arbeiten auf OECD/IF-Ebene und dem späten Bekanntwerden der genauen Regelungen wird es nach Einschätzung des DIHK für die betroffenen Unternehmen kaum möglich sein, bis Ende des Jahre 2022 verlässliche Prozesse zur Berechnung und Abführung der neuen Mindeststeuer einzuführen. Da die erforderlichen Daten nicht „auf Knopfdruck“ aus bestehenden Systemen generiert werden können, müssen komplexe Systeme geschaffen und passgenau in die bestehende Software- und Hardwarearchitektur implementiert werden. Der DIHK hat sich daher in seinen Stellungnahmen gegenüber der OECD/IF für eine Verschiebung beziehungsweise  erleichterte Regelungen für einen Übergangszeitraum ausgesprochen.

Einigung auf EU-Richtlinie zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer erforderlich

Die Europäische Kommission möchte eine einheitliche Umsetzung der globalen Mindeststeuer in den EU-Mitgliedsstaaten durch den Erlass einer zusätzlichen EU-Richtlinie gewährleisten. Hierzu hatte sie bereits zwei Tage nach Veröffentlichung der OECD/IF-Model Rules (20. Dezember 2021) einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgelegt. Ziel der aktuellen französischen EU-Ratspräsidentschaft ist es, die EU-Richtlinie noch vor den französischen Präsidentschaftswahlen (10. April 2022, Stichwahl 24. April 2022) zu verabschieden. Auf dem jüngsten Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) am 15. März 2022 hatten jedoch einige Staaten (Malta, Schweden, Polen) noch Bedenken geäußert („too early to agree“). Ob die Vorbehalte auf den nächsten Sitzungen (5. April 2022/24. Mai 2022/17. Juni 2022) ausgeräumt werden und die erforderliche Einstimmigkeit erzielt wird, bleibt abzuwarten.

OECD veröffentlicht „Verrechnungspreisleitlinien 2022“

Neue Regeln für international tätige Unternehmen
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am 20. Januar 2022 eine Neufassung ihrer „OECD-Verrechnungspreisleitlinien“ veröffentlicht und darin – neben redaktionellen Anpassungen – auch wichtige Neuregelungen aufgenommen. Unternehmen sollten diese im Blick haben, sofern sie im Ausland mit Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten aktiv sind.
Im Vergleich zu den „alten“ Verrechnungspreisleitlinien 2017 wurden in die „OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022“ einzelne Leitlinien der OECD aus den Jahren 2018 und 2020 eingearbeitet. Dieses sind die Leitlinien zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode und zur Anwendung des „Hard-to-Value Intangibles“-Ansatzes (beide Juni 2018) sowie die Leitlinien zu Finanztransaktionen (Februar 2020). 

OECD-Aktivitäten im Steuerbereich 

Die OECD ist ein Zusammenschluss von 38 industrialisierten Staaten, wobei die Nicht-Mitgliedsstaaten Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika einen besonderen Status als „key partner“ genießen. Die seit 2009 laufenden Beitrittsverhandlungen mit Russland, welche seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 ruhten, wurden von der OECD am 26. Februar 2022 abgebrochen. 
Im Bereich Steuerpolitik wird die OECD insbesondere im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den nationalen Finanzbehörden aktiv und veröffentlicht regelmäßig Statistiken zu Steueraufkommen, Steuer- und Abgabenlast der Einzelstaaten („ OECD-tax data base“). Zudem werden auf Ebene der OECD wichtige Regelungen zur Koordinierung der grenzüberschreitenden Besteuerung erarbeitet, wie zum Beispiel Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA inkl. Kommentar) oder die sogenannten Verrechnungspreisleitlinien („OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2022“).

Verrechnungspreisleitlinien der OECD 

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien haben keinen verbindlichen Rechtscharakter für Unternehmen und Gerichte, werden aber von der Finanzverwaltung als Auslegungshilfe für die deutsche Besteuerung herangezogen. Insbesondere bei der Anwendung des sogenannten Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Gewinnaufteilung zwischen verbundenen Unternehmen (und Betriebsstätten) kommt diesen de facto eine besondere Bedeutung zu, da diese den Unternehmen eine besondere Orientierungshilfe bei der Ausgestaltung ihrer Verrechnungspreise geben. So wurden mit BMF-Schreiben vom 14. Juli 2021 die (alten) OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2017 von der Finanzverwaltung als Anlage in die deutschen „Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021“ (VWG VP 2021) aufgenommen.
Hinweis: Es bleibt abzuwarten, inwieweit nunmehr das BMF die VWG VP 2021 anpassen wird, welche zum Beispiel noch nicht die OECD-Leitlinien zur Anwendung des „Hard-to-Value Intangibles“-Ansatzes enthalten.

EU einigt sich auf flexiblere Regeln für ermäßigte Mehrwertsteuersätze

Nach Ratseinigung stimmt nun auch das EP zu
Mit fast drei Monaten Zeitverzug hat das Europäische Parlament (EP) am 9. März die Aktualisierung der bestehenden Steuerregeln angenommen. Die Abgeordneten stimmten für die Position des Rates und für größere Spielräume der Mitgliedstaaten bei der Festlegung von Produkten und Dienstleistungen, die ermäßigt besteuert werden können.
In dem Bericht von Marek Belka (S&D, Polen) werden nun auch Rechte einzelner Staaten zur ermäßigten Besteuerung auf alle EU-Mitglieder ausgedehnt. Die Möglichkeit zur ermäßigten Besteuerung bestimmter umweltkritischer Produkte wie fossiler Brennstoffe, bestimmter Chemikalien sowie Pestizide wird zeitlich beschränkt.
Bereits am 7. Dezember 2021 hatten sich die Mitgliedstaaten auf einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission geeinigt, durch den sie mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer jeweiligen Mehrwertsteuersysteme erhalten. Die Kommission hatte bei ihrem Reformvorschlag unter anderem darauf geachtet, dass die Steuersätze noch besser auf politische Prioritäten der EU abgestimmt werden.
Die Europäische Kommission hatte ihren Vorschlag für eine Änderung der sogenannten MwSt-Systemrichtlinien und deren Anhang (mit den einzeln aufgeführten Waren und Dienstleistungen, die für eine ermäßigte Besteuerung in Frage kommen) bereits im Jahr 2018 vorgelegt. Daran schlossen sich fast vierjährige Verhandlungen an, bevor ein Kompromiss gefunden werden konnte. Der Rat braucht den neuen Richtlinientext nun lediglich noch zu bestätigen.
Die Liste im Anhang wurde um Gegenstände und Dienstleistungen ergänzt, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, umweltfreundlich sind und den digitalen Wandel begünstigen können. Im Extremfall können Mitgliedstaaten dort aufgeführte Gegenstände und Dienstleistungen, welche Grundbedürfnisse des Menschen dienen, sogar von der Mehrwertsteuer befreien.
Gegenstände und Dienstleistungen wiederum, die den Umwelt- und die Klimaschutzzielen der EU zuwiderlaufen, dürfen (spätestens) ab 2030 nicht mehr ermäßigt besteuert werden. Bis 2032 müssen dann zwingend auch solche Ausnahmeregelungen abgeschafft werden, die nicht durch bestimmte Ziele des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Geregelt wird sowohl die Mindesthöhe der ermäßigten Steuersätze als auch die Höchstzahl der Gegenstände und Dienstleistungen, die ein Staat ermäßigt besteuern kann. Erstmals bekommen die Mitgliedstaaten das Recht, einen ermäßigten Satz von weniger als 5 Prozent anzuwenden beziehungsweise eine geringe Zahl von gelisteten Gegenständen/Dienstleistungen ganz von der Mehrwertsteuerpflicht zu befreien.
Endredaktion: Jan Meister
Recht und Steuern

Steuerinfo Februar 2022

BMF legt Entwurf eines Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes vor

Am 2. Februar 2022 hat das BMF den Referentenentwurf eines Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes veröffentlicht. Mit dem Gesetz soll unter anderem den krisengeschüttelten Unternehmen ein weiteres Mal mit steuerlichen Maßnahmen geholfen werden.
  • Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz eingeführten degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird verlängert für Wirtschaftsgüter, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden.
  • Die erweiterte Verlustverrechnung wird bis Ende 2023 verlängert: Für 2022 und 2023 wird der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag auf 10 Millionen Euro beziehungsweise auf 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung angehoben. Der Verlustrücktrag wird darüber hinaus ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgeweitet und erfolgt in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre.
  • Die Investitionsfristen für steuerliche Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG, die in 2022 auslaufen, werden um ein weiteres Jahr verlängert.
  • Die steuerlichen Investitionsfristen für Reinvestitionen nach § 6b EStG werden wie bei § 7g EStG um ein weiteres Jahr verlängert.
  • Die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen wird um weitere drei Monate verlängert. Hieran anknüpfend werden auch die Erklärungsfristen für 2021 und 2022 verlängert, jedoch in geringerem Umfang.
  • Vom Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen an Arbeitnehmer gewährte Sonderleistungen zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise werden bis zu einem Betrag von 3.000 Euro für bestimmte Berufsgruppen steuerfrei gestellt.
  • Die steuerliche Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld wird um drei Monate bis Ende März 2022 verlängert.
  • Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale wird um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
Hinweis: Der Gesetzentwurf ist direkt auf der Webseite des BMF abrufbar.

BMF verlängert Steuerstundungen

Das Bundesministerium der Finanzen hat ein weiteres Mal die Frist für Anträge auf vereinfachte Steuerstundungen für Unternehmen, die von den pandemiebedingten Einschränkungen betroffen sind, bis Ende März 2022 verlängert. Diese Stundungen können dann bis Ende Juni 2022 erfolgen.
Wie auch schon bisher können nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich Betroffene bis zum 31. März 2022 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Stundung der bis zum 31. März 2022 fälligen Steuern stellen. Die Stundungen werden längstens bis zum 30. Juni 2022 gewährt. Gleiches gilt auch für bereits laufende Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzämter. Das hat das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 31. Januar 2022 mitgeteilt.
Bis zum 30. Juni 2022 können die betroffenen Unternehmen unter Darlegung ihrer Verhältnisse Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer der Jahre 2021 und 2022 stellen. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sollen keine strengen Anforderungen gestellt werden.

BMF-Schreiben zu § 4j EStG veröffentlicht

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich erstmals zu Anwendungsfragen der Lizenzschranke (§ 4j EStG) geäußert. Dabei geht es darum, den Abzug von Betriebsausgaben aus Rechteüberlassungen einzuschränken. Ziel ist es, einen als „schädlich“ eingestuften Steuerwettbewerb zu verhindern. Das BMF hat dabei insbesondere die Nexus-Konformität ausführlich erläutert.
Das BMF-Schreiben vom 5. Januar 2022 nimmt Stellung zu Fragen der Präferenzregelung, also dem Abweichen von der Regelbesteuerung und einer niedrigeren Besteuerung, der Nexus-Konformität, das heißt, Prüfung der Nexus-Konformität durch die OECD beziehungsweise auf nationaler Ebene, und der Beweislastverteilung bei der Besteuerung. Hier geht es unter anderem um Fragen des Betriebsausgabenabzugs und der Abzugsbeschränkung, welche Mitwirkungspflichten die Beteiligten haben, wie der Nachweis der Regelbesteuerung zu führen ist und um Ausnahmen bei Nexus-Konformität.
Mit dem „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27. Juni 2017 (BGBl. I Seite 2074) wurde die steuerliche Abzugsmöglichkeit für Lizenzzahlungen beziehungsweise anderen Aufwendungen für Rechteüberlassungen an nahestehende Personen eingeschränkt. Seit 1. Januar 2018 kommen entsprechende Betriebsausgabenabzugsverbote dann zur Anwendung, wenn die Zahlungen beim Empfänger aufgrund eines als schädlich einzustufenden Präferenzregimes abweichend von der Regelbesteuerung nicht oder nur niedrig (unter 25 Prozent) besteuert werden.
Unter Präferenzregelungen sind unter anderem Patent- oder Lizenzboxen zu verstehen. Hierdurch werden Einnahmen aus der Überlassung von Patenten und Lizenzen erniedrigt besteuert und nicht der regulären Besteuerung nach dem nationalen Körperschaftsteuersystem unterworfen. Entsprechende Regelungen werden auch in bestimmten EU-Mitgliedsstaaten verwendet, wie zum Beispiel von Belgien, Frankreich, Irland, Italien, die Niederlande oder Zypern. Ein generell niedriger ausländischer Steuersatz löst dagegen noch keine Anwendung der Lizenzschranke aus. Nahestehend sind Personen dann, wenn eine Beteiligung (mittelbar oder unmittelbar) von mindestens 25 Prozent besteht. Betroffen sind nur Rechteüberlassungen im Konzernverbund, da nur mittelbare beziehungsweise unmittelbare Beteiligungen mit mindestens 25 Prozent als „nahestehende Personen“ i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG gelten.
In der Folge sind entsprechende Lizenzaufwendungen beim deutschen Lizenznehmer nur dann in voller Höhe abziehbar, wenn dieser nachweisen kann, dass der Lizenzgeber im Ausland auf die Einnahmen dieser Rechteüberlassung/en einen Steuersatz von mindestens 25 Prozent zahlen muss. Fällt die Besteuerung niedriger aus, sind diese Aufwendungen nur zum Teil abziehbar. Mit dieser Regelung wird im Ergebnis nicht der Eigentümer der Patentbox im niedrig besteuernden Ausland, sondern der Lizenznehmer sanktioniert.
Hintergrund der Regelung ist, dass in der Vergangenheit insbesondere international tätige Großkonzerne ihre Lizenz- und Markenrechte bei speziellen Tochtergesellschaften in Staaten mit sogenannten Lizenz-/Patentboxen gebündelt und von dort die Rechte an die nutzenden Konzerneinheiten verpachtet haben. Durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Lizenzgebühren als Betriebsausgaben im Staat der nutzenden Einheit konnte – bei gleichzeitiger Geringbesteuerung der erhaltenen Lizenzeinnahmen im Staat der Lizenzgesellschaft – eine Reduzierung der Konzernsteuerlast erzielt werden („Dutch Sandwich“).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Lizenzgesellschaft selbst über ein hinreichendes Maß an eigener Substanz und Tätigkeit auf dem jeweiligen Forschungsgebiet verfügt. Entspricht die ausländische Lizenzbox diesem – von der OECD entwickelten – „Nexus“-Ansatz, greift § 4j EStG nicht. Ziel des Nexus-Ansatzes ist es, die Vergünstigungen nur noch für solche Lizenzeinnahmen zu gewähren, bei denen die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von der Lizenzgesellschaft selbst oder als Auftragsforschung durch fremde Dritte erbracht wurde. Wurden Patente entgeltlich erworben oder durch nahestehende Unternehmen entwickelt, sollen keine Vergünstigungen mehr gewährt werden. Die Niederlande und Irland haben beispielsweise ihre Patentbox-Regelungen bereits angepasst, damit sie dem Nexus-Ansatz entsprechen.
Das „Forum on Harmful Tax Practices“ (FHTP) der OECD analysiert international bestehende Präferenzregime und stuft diese gegebenenfalls als Instrument eines schädlichen Steuerwettbewerbs ein. Die Analysen des FHTP werden im Rahmen von Reviews laufend aktualisiert und auf den Internetseiten der OECD bereitgestellt. Das FHTP differenziert bei der Prüfung zwischen IP-Regimen, die ausschließlich Lizenzeinnahmen begünstigen und sonstigen Präferenzregimen, die nicht oder nicht ausschließlich für Lizenzeinnahmen gelten. Die Mitgliedstaaten der OECD hatten sich hinsichtlich der als schädlich eingestuften IP-Regime zu einer Abschaffung oder Nexus-konformen Anpassung der Regelungen bis spätestens 30. Juni 2021 verpflichtet.
Hinweis: Das BMF-Schreiben kann direkt von der Webseite des BMF heruntergeladen werden.

Finanzministerien entschärfen Lohnsummenregel

Die Finanzministerien der Länder haben zur Lohnsummenregel Stellung genommen. Danach bedeutet ein krisenbedingtes Unterschreiten der Mindestlohnsumme (§ 13a ErbStG) nicht automatisch eine Nachversteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dem Vernehmen nach sind bereits am 30. Dezember 2021 gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder bezüglich der Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Lohnsumme nach § 13a ErbStG ergangen. Bisher sind die gleichlautenden Erlasse nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht.
Neben den allgemeinen Ausführungen zum Verstoß gegen die Mindestlohnsumme und zur abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen beinhalten die gleichlautenden Erlasse einen Hinweis darauf, dass ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme in dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2022 eine abweichende Steuerfestsetzung beziehungsweise Stundung begründen kann, wenn
  1. die im vorgenannten Zeitraum rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde,
  2. für den vorgenannten Zeitraum Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und
  3. der Betrieb einer Branche angehörte, die von einer verordneten Schließung wegen der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen war.

Effektive EU-Mindeststeuer von 15 Prozent

Der Richtlinienentwurf der Kommission zur Umsetzung der OECD-Beschlüsse zu einer Mindeststeuer ist am 22. Dezember 2021 vorgestellt worden. Nun haben die EU-Wirtschafts- und Finanzminister das Dossier zum ersten Mal auf ihrer Ratssitzung in Brüssel diskutiert.
Die Befürworter sehen in der Mindeststeuer vor allem eine wesentliche Leitplanke für einen fairen Steuerwettbewerb, eine Begrenzung nach unten. Da ein höheres Aufkommen aus Gewinnsteuern in der EU zu erwarten ist, werden manche Unternehmen mehr Steuern zahlen müssen, auch in Deutschland.
Die politische Debatte unter den Ministern im Rahmen des Ecofin-Rats am 18. Januar sollte der französischen Ratspräsidentschaft zeigen, wie schnell sich die EU auf einen konkreten Vorschlag für die weltweite Mindestgewinnbesteuerung von großen Unternehmen ("Pillar II") einigen könnte, der in einem Forum von 140 Staaten zuvor bereits lange diskutiert worden war. Zwar soll der ambitionierte Zeitplan spätestens zum Ende der französischen Ratspräsidentschaft von einem großen Teil der Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Allerdings brauchen einige Mitgliedstaaten für die spätere Umsetzung des Richtlinieninhalts in nationales Recht mehr Zeit. Mindestens drei Staatenvertreter betonten deutliche inhaltliche Differenzen. So seien die beiden Teile der internationalen Vereinbarung als einander bedingend zu betrachten und könnten nur gleichzeitig verabschiedet werden und das sei zumindest bei den USA derzeit nicht sicher.
Die Europäische Kommission ihrerseits befürwortet eine Verabschiedung der Richtlinie noch in diesem Frühjahr - auch mit dem Argument, dass den Mitgliedstaaten und damit den Unternehmen als diejenigen, welche den Richtlinieninhalt ab 2023 national anwenden müssten, genügend Zeit bleiben müsse, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen.

Erhöhung der Steuertransparenz

Das "Cooperative Compliance-Programm" ETACA (European Trust and Cooperation Approach) beginnt im März 2022 und soll mit begleitenden Kontrollen Doppelbesteuerungsrisiken mindern. Die Teilnahme der einzelnen Mitgliedstaaten ist freiwillig.
Ziel der Initiative ist es, durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von bestimmten Gruppen steuerpflichtiger Unternehmen und der Verwaltung die Einhaltung einschlägiger Steuervorschriften zu fördern. Mehr Zusammenarbeit und Transparenz soll es auch unter den Steuerverwaltungen geben. Ein präventiver Dialog über Fragen der Doppelbesteuerung ist Bestandteil dieses Compliance-Projektes. Neben Deutschland werden Österreich, Finnland, Belgien, Portugal, Italien und die Slowakische Republik freiwillig an der ETACA-Pilotphase teilnehmen. Es wird erwartet, dass sich weitere Mitgliedstaaten der Initiative anschließen.
Teilnehmen können alle multinationalen Unternehmen mit einer in der EU ansässigen Konzernmutter und einem konsolidierten Gesamtumsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Auch solche länderübergreifenden Konzerne mit einem konsolidierten Gesamtumsatz von weniger als 750 Millionen Euro sind teilnahmeberechtigt, die steuerliche Informationen in Umfang und Qualität eines CbC-Reports (Gewinnaufschlüsselung nach einzelnen Tätigkeitsländern gem. EU-Format) liefern können. Weitere Voraussetzungen sind Rechtstreue in der Vergangenheit sowie ein internes Kontrollsystem.
An einer Programm-Teilnahme interessierte Unternehmen  können sich an ihren Mitgliedstaat wenden. Ist Deutschland Sitzstaat, werden im Bundesministerium der Finanzen die Referate IV A 8 (Abgabenordnung, Außenprüfung sowie Aufbau der Internationalen Betriebsprüfung) und IV B 6 (Informationsaustausch und internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich) prüfen, ob eine Teilnahme möglich ist.
Der Anwendungsbereich von ETACA wird sich in der Regel auf bestimmte Routine-Transaktionen, solche, bei denen eine der Parteien nur einfache Funktionen ausübt, konzentrieren: risikoarme Vertriebstätigkeiten, Auftragsfertigungstätigkeiten und konzerninterne Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung. Der beschriebene Pilot wurde von der Europäischen Kommission bereits im Juli 2020 angekündigt, und zwar in ihrem "Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung des Wiederaufbaus nach Corona".

Erhebung der Quellensteuern in der EU

Am 25. Januar haben die Abgeordneten des Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzfragen einen Berichtsentwurf mehrheitlich angenommen, der ein unionsweites System von Quellensteuern fordert. Die steuerpflichtigen Unternehmen erhoffen sich davon einen geringeren Verwaltungsaufwand und mehr Rechtssicherheit.
Der Bericht des Abgeordneten Pedro Marques (S&D, Portugal) fordert, dass alle Zahlungen – in Form von Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und anderen Kapitalerträgen – die in der EU getätigt werden, vor Verlassen der EU wenigstens einmal besteuert werden. Des Weiteren fordert Marques die Kommission auf, ein einheitliches Verfahren für die Erstattung gezahlter Quellensteuern vorzustellen, wenn die Versteuerung im Empfängerstaat der Kapitalerträge sichergestellt ist. Sie könne nach Auffassung der Abgeordneten auch einen Mindeststeuersatz vorsehen.
Seit dem 1. Januar 2016 werden Informationen, zum Beispiel über Zinseinkünfte, grundsätzlich entsprechend des Common Reporting Standard (CRS) zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht. Die Abgeordneten sind der Auffassung, dass der Informationsaustausch nicht ausreichend ist und Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, fällige Steuern nicht zu zahlen. Dadurch entstünden Steuerlücken und für die Unternehmen Rechtsunsicherheit. In der Folge könne es zur Verlagerung von steuerbaren Einkünften kommen und zur doppelten Besteuerung von Einkünften. Vor allem Letzteres hat für den Binnenmarkt und die europäische Wirtschaft negative Auswirkungen, weil unter Umständen Investitionen ausbleiben.
Der Initiativbericht des Abgeordneten Marques zu den Quellensteuern wird vermutlich in der März-Plenarsitzung zur Abstimmung gestellt. Die Europäische Kommission hat ihrerseits angekündigt, in der zweiten Jahreshälfte einen eigenen Vorschlag zu dem Themenkomplex zu präsentieren.

EU-Konsultation zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“

Die EU-Kommission hat eine Konsultation zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ veröffentlicht. Bis zum 15. April 2022 können unter anderem interessierte Unternehmen der EU-Kommission ihre Einschätzung zu den Themen „Digital Reporting Requirements (DRRs)“, „Plattformwirtschaft“ sowie „einzige MwSt-Registrierung innerhalb der EU (OSS) und IOSS“ übermitteln.

Digitale Berichtspflichten

Der Abschnitt „Digital Reporting Requirements (DRRs)“ umfasst sowohl den Bereich verschiedener Arten von Berichtspflichten (zum Beispiel Standard Audit File-Tax/SAF-T, real-time reporting) als auch die Möglichkeit einer verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung. Letzter wird auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung erwähnt. In der Konsultation geht es dabei primär um Fragen dazu, welchen Ermessensspielraum die einzelnen Mitgliedstaaten bei Einführung beziehungsweise Ausgestaltung digitaler Berichtspflichten haben sollen beziehungsweise, ob die EU einheitliche Vorgaben machen soll. Zudem geht es um Einschätzungen zu den Wirkungen auf den Mehrwertsteuerbetrug, aber auch zu Risiken in Bezug auf den Datenschutz.

Behandlung von Plattformen

In Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung von Plattformen geht es insbesondere um die Frage, ob spezifische Vorschriften erforderlich sind. Im Fokus steht die Erbringung von Dienstleistungen und deren korrekte Besteuerung. Auch hier werden Einschätzungen zur Gefahr von Mehrwertsteuerausfällen erbeten; gleichzeitig können Erfahrungen zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU mitgeteilt werden.

Einzige Mehrwertsteuer-Registrierung

Den umfangreichsten Teil bildet das Thema Registrierungspflichten innerhalb der EU und IOSS. Im Fokus steht eine stärkere Nutzung des One-Stop-Shops beziehungsweise des Import-One-Stop-Shops. Damit sollen mehrfache Registrierungen in verschiedenen Mitgliedstaaten reduziert werden. Hier können erste Erfahrungen mit den seit 1. Juli 2021 eingeführten besonderen Besteuerungssystemen OSS und IOSS eingebracht werden.

Teilnahme an der Konsultation

Die nun eröffnete Konsultation ermöglicht es einem breiten Kreis interessierter Unternehmen, Verbänden etc. ihre Auffassung zu den zuvor genannten Themenbereichen einzubringen. Neben der Einschätzung anhand der häufig als Bandbreite angegebenen Aussagen des Fragebogens, kann auch ein Dokument mit weiteren Hinweisen und Anmerkungen beigefügt werden. Der Fragebogen ist in englischer Sprache verfasst. Rückmeldungen können in allen Amtssprachen der EU verfasst werden.
Entsprechend dem Papier zur Folgenabschätzung (call for evidence for an impact assessment) soll auch der Fragebogen in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung gestellt werden. Wann dies für die deutsche Version der Fall ist, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.

Hintergrund

Die EU-Kommission beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Frage, welche Chancen und Herausforderungen neue Technologien im Bereich der Mehrwertsteuer mit sich bringen können.
Der „Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung“ vom 15. Juli 2020 enthält insoweit eine Fokussierung darauf, „wie Steuerbehörden Technologien zur Bekämpfung von Steuerbetrug und zum Nutzen von Unternehmen einsetzen können und ob die derzeitigen Mehrwertsteuervorschriften an die Geschäftstätigkeit im digitalen Zeitalter angepasst sind.“ Für das dritte Quartal 2022 ist ein Legislativvorschlag angekündigt.
Endredaktion: Henning Raddatz
Steuern

INTRASTAT-Meldungen bei innergemeinschaftlichen Warenbewegungen

Die Intrahandelsstatistik ist eine in allen EU-Staaten vorgeschriebene Meldepflicht zur Erhebung von Statistiken über die innergemeinschaftlichen Warenbewegungen mit "Gemeinschaftswaren". Mit den Intrastat-Meldungen wird der tatsächliche Warenverkehr von Gemeinschaftsware zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (Versendungen und Eingänge) durch das Statistische Bundesamt statistisch erfasst.
Sie ist nicht zu verwechseln mit der Zusammenfassenden Meldung (ZM), mit der jeder Unternehmer seine innergemeinschaftlichen Lieferungen und Leistungen an das Bundeszentralamt für Steuern zu melden hat.
Von der Meldepflicht für die jeweilige Verkehrsrichtung (Versendung bzw. Eingang) sind in Deutschland umsatzsteuerpflichtige Unternehmen befreit, deren Versendungen in andere EU-Mitgliedstaaten den Wert von jeweils 500.000 Euro bzw. Eingänge aus anderen EU-Mitgliedstaaten 800.000 Euro im Vorjahr nicht überschritten haben. Eine Übersicht über die Schwellenwerte in anderen EU-Mitgliedstaaten finden Sie unter Gliederungspunkt 10.
Für das Berichtsjahr 2022 sind im Bereich der Intrahandelsstatistik (Erfassung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs)umfangreiche Änderungen wirksam geworden. Auf die wichtigsten Punkte wird nachfolgend hingewiesen:
  • In Versendungsmeldungen müssen künftig die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Warenempfängers und das Ursprungsland der Ware eingetragen werden. Ist das Ursprungsland nicht bekannt, sollte laut DESTATIS das vermutliche Ursprungsland angegeben werden.
  • „Art des Geschäfts” (AdG): Hier gibt es Änderungen bei verschiedenen Codierungen. Beispiel: Bislang wurde ein „Endgültiger Kauf/Verkauf“ mit „11“ codiert und zwar unabhängig davon, ob es sich um B2B oder um B2C-Geschäfte handelte. Künftig erfasst der Code „11“ nur noch B2B-Sendungen. B2C-Sendungen (Direkthandel) sind dagegen mit „12“ zu codieren. 
  • Einschränkungen bei der Nutzung von Sammelnummern (Kapitel 99).
Das Statistische Bundesamt hat zwei Veröffentlichungen herausgegeben, welche die Änderungen einmal in Form einer Zusammenfassung und einer Langfassung darstellen. Diese können Sie im Folgenden herunterladen:
Hinweis: Eine umfangreiche Anleitung gibt das Statistische Bundesamt zum herunterladen in jährlich aktualisierter Form des INTRASTAT-Leitfadens (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1466 KB) heraus.

1. Wozu dient die Intrastat-Meldung?

Die aus den einzelnen Intrastat-Meldungen erstellte Intrahandelsstatistik dient dazu, aktuelle Daten über den innergemeinschaftlichen Warenverkehr Deutschlands bereitzustellen.
Diese statistische Auswertung konnte vor Vollendung des EU-Binnenmarktes aus den Daten der Zollabwicklung gewonnen werden, so wie es heute auch noch für den Bereich der Extrastat (Statistik des Warenverkehrs mit Drittländern) geschieht. Seitdem aber durch die Vollendung des EU-Binnenmarktes bei Lieferungen von Gemeinschaftsware in einen anderen Mitgliedstaat keine Zollabwicklung mehr nötig ist, ist es auch nicht mehr möglich, aus den Verzollungsdaten statistische Informationen über den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu gewinnen.
Da nach wie vor vielfältige Bedürfnisse für eine genaue Erfassung der Warenströme innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestehen (genaues Zahlenmaterial ist etwa nötig für Fragen der Handelspolitik, für sektorale Analysen, Wettbewerbsregeln, Landwirtschaftspolitik, regionale Entwicklungspolitik und nicht zuletzt für wissenschaftliche Zwecke), schließt die Intrastat-Anmeldung diese Lücke und kann damit auch als "abgespeckte" Zollanmeldung zu statistischen Zwecken bezeichnet werden.

2. Auf welchen Rechtsgrundlagen beruht die Intrastat-Meldung und wer ist zuständig?

Die Intrahandelsstatistik ist eine in allen EU-Mitgliedstaaten vorgeschriebene Meldeverpflichtung und beruht im Wesentlichen auf den folgenden europäischen Rechtsverordnungen, nämlich der
  • Verordnung (EU) Nr. 2019/2152 vom 27. November 2019 über europäische Unternehmensstatistiken, zur Aufhebung von zehn Rechtsakten im Bereich 
    Unternehmensstatistiken (EBS-Verordnung)
  • Durchführungsverordnung (EU) 2020/1197 vom 30. Juli 2020 zur Festlegung technischer Spezifikationen und Einzelheiten nach der Verordnung (EU) 2019/2152 
    des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische Unternehmensstatistiken, zur Aufhebung von zehn Rechtsakten im Bereich Unternehmensstatistiken (EBS-DVO)
Diese Verordnungen sind in Deutschland unmittelbar geltendes Recht und werden durch nationale Gesetze ergänzt. Zu nennen sind hier das Bundesstatistikgesetz, das Außenhandelsstatistikgesetz und die Außenhandelsstatistik-Durchführungsverordnung. Zu den Rechtsgrundlagen finden Sie weitere Ausführungen auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes. Die Intrahandelsstatistik ist in Deutschland als Zentralstatistik konzipiert, deren Organisation und Durchführung einzig dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden übertragen ist.

3. Wer ist zur Auskunft verpflichtet?

  • Im Versendungsfall ist in der Regel derjenige auskunftspflichtig, der eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausführt. Entsprechend ist im Eingangsfall grundsätzlich derjenige auskunftspflichtig, der einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des Umsatzsteuergesetzes tätigt.
  • Tatsächlich ist der personale Anwendungsbereich noch etwas weiter zu fassen: Grundsätzlich ist zunächst jede natürliche oder juristische Person (auch des öffentlichen Rechts) meldepflichtig, die eine deutsche (Umsatz-)Steuernummer hat und mit einem ausländischen Geschäftspartner einen Vertrag schließt, der die Verbringung einer Gemeinschaftsware (Versendung bzw. Lieferung) zwischen Deutschland und einem anderen EU-Mitgliedstaat zum Gegenstand hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der deutsche oder der ausländische Geschäftspartner die Beförderung der Waren durchführt oder veranlasst.
  • Liegt hingegen kein entsprechender Vertrag zwischen einem Inländer und einem ausländischen Geschäftspartner vor, so ist bei Versendung von Ware in einen Mitgliedstaat derjenige, der die Versendung der Waren vornimmt oder veranlasst und bei Empfang einer Ware aus einem Mitgliedstaat derjenige, der die Waren entgegennimmt oder entgegennehmen lässt, zur Intrastat-Meldung verpflichtet. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf unentgeltliche Versendungen und Eingänge sowie Lohnveredelungsverkehre (Zur Lohnveredelung s.u. Ziff. 11).
Jeder Auskunftspflichtige kann sich bei der Abgabe der Intrastat-Meldung durch einen Dritten, der allerdings in der EU ansässig sein muss, vertreten lassen.

4. Welche Befreiungen von der allgemeinen Meldepflicht gibt es?

  • Privatpersonen sind grundsätzlich von der Intrastat-Meldeverpflichtung befreit. Allerdings sind Waren, die inländische Unternehmen an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten gesandt haben, sowie Eingänge von Waren, die von Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten an deutsche Unternehmen gesandt werden, grundsätzlich durch das inländische Unternehmen anzumelden. Umsätze mit privaten Selbstabholern (Ladentisch-Verkäufe) sind hingegen nicht meldepflichtig.
  • Darüber hinaus sieht das Intrastat-System zur Entlastung der Auskunftspflichtigen bestimmte Schwellenregelungen vor. Von der Meldepflicht sind in Deutschland umsatzsteuerpflichtige Unternehmen befreit, deren Versendungen in andere EU-Mitgliedstaaten den Wert von jeweils 500.000 Euro bzw. Eingänge aus anderen EU-Mitgliedstaaten 800.000 Euro im Vorjahr nicht überschritten haben. Wird diese Wertgrenze im laufenden Kalenderjahr überschritten, so beginnt die Meldepflicht mit dem Kalendermonat, in dem die Schwellen überschritten wurden. Der Unternehmer ist dann verpflichtet, alle meldepflichtigen grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Warenbewegungen (in der jeweiligen Verkehrsrichtung) zu berücksichtigen; unabhängig davon, ob es sich um Kauf-, Kommissions- oder Konsignationsgeschäfte, Lohnveredelungen oder sonstige meldepflichtige Transaktionen handelt. Eine automatische Benachrichtigung an meldepflichtige Unternehmen verschickt das Statistische Bundesamt nicht.
  • Es müssen nicht zusätzlich Angaben zum statistischen Wert (Warenwert frei Deutsche Grenze ohne Umsatzsteuer) geliefert werden, wenn es sich um Kauf-, Verkaufs-, Kommissions- oder Konsignationsgeschäfte handelt und ein Schwellenwert von 45 Millionen Euro im Eingang bzw. 45 Millionen Euro in der Versendung nicht überschritten wird. Bei Anmeldung mit Vordruck „N” einschl. Online-Vordruck wird auf diese Erhebung bei den genannten Geschäftsarten ganz verzichtet.
  • Die Durchfuhr (Transit) von Waren durch das deutsche Erhebungsgebiet ist ebenfalls von der Anmeldung befreit, wenn keine oder lediglich mit der Beförderung zusammenhängende Aufenthalte stattfinden.

5. Welche Warenbewegungen sind zu melden?

Grundsätzlich sind alle aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat beförderten Waren Gegenstand der Intrastat-Statistik. Das Intrastat-System ist nur anwendbar auf den innergemeinschaftlichen Warenverkehr mit "Gemeinschaftswaren". Davon ausgenommen sind Waren im einfachen Verkehr zwischen Mitgliedstaaten. Gemeinschaftswaren sind
  1. Waren, die vollständig im Zollgebiet der Gemeinschaft gewonnen oder hergestellt worden sind, ohne dass ihnen Waren aus nicht dem Zollgebiet der Gemeinschaft gehörenden Drittländern oder Gebieten hinzugefügt wurden,
  2. Waren aus nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehörenden Drittländern oder Gebieten, die in einem Mitgliedstaat in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurden,
  3. Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft entweder ausschließlich aus in Ziff. 2 genannten Waren oder aus in den Ziffern 1) und 2) genannten Waren gewonnen oder hergestellt worden sind.
Alle anderen Waren gelten als Nichtgemeinschafts-Waren, die im Rahmen der vorgeschriebenen Zollbehandlung statistisch erfasst werden und für die eine zusätzliche Intrastat-Anmeldung nicht zu erfolgen hat.
Als Rechnungsbetrag ist für die zu meldende Ware das in Rechnung gestellte Entgelt, d.h. die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage anzugeben. Zu berücksichtigen sind hierbei auch eventuell separat berechnete Beförderungs- und Versicherungskosten (hiervon ausgenommen sind reine Dienstleistungen, z.B. die Abrechnung ausländischen Spediteurs) sowie Verbrauchsteuern. Sofern die Beförderungskosten in einer Rechnung als Position aufgeführt und Bestandteil der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage der gelieferten Ware sind, sollte dieser Posten mit in den Rechnungsbetrag der Ware einfließen.
Warenbewegungen, die allgemein von der Meldepflicht befreit sind, werden in Art. 2 und Anhang I der Durchführungsverordnung aufgezählt. Dazu zählen insbesondere Werbematerial, Warenmuster (sofern diese Waren nicht Gegenstand eines Handelsgeschäfts sind), Individual-Software, die nicht Gegenstand eines Handelsgeschäftes ist, sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Waren zur vorübergehenden Verwendung. Dienstleistungen sind grundsätzlich nicht meldepflichtig, mit Ausnahme der Veredelungsverkehre. Einzelheiten zu den Meldungen finden Sie in dem Leitfaden zur Intrahandelsstatistik (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1466 KB).

6. Welche Meldeformen gibt es?

Deutsche Unternehmer müssen Meldungen grundsätzlich elektronisch an das Statistische Bundesamt übermitteln. In Ausnahmefällen kann auf Antrag hiervon abgewichen werden. Für die elektronische Übermittlung stehen die folgenden Verfahren zur Verfügung. Es ist jeweils eine Registrierung notwendig.

Meldung via IDEV/IDES

Die Internet Datenerhebung im Verbund (IDEV) der statistischen Ämter der Länder und des Bundes ermöglicht die Onlinemeldung von Informationen. Einerseits kann unmittelbar im Browser eine Formularmeldung erstellt werden. Andererseits können Meldedateien offline mittels einer Software erstellt und im Nachhinein hochgeladen werden. Als Software bietet das Statistische Bundesamt IDES an, welches (noch) von dessen Internetseite heruntergeladen werden kann. Diese Software wird abgelöst, wird für Bestandsmelder für das Jahr 2022 in aktualisierter Form allerdings noch zur Verfügung gestellt.

Meldung via eSTATSTIK.core

Das eSTATSTIK.core Verfahren unterstützt die automatisierte Gewinnung der statistischen Rohdaten aus den betrieblichen Daten des Unternehmens im XML-basierten Datenformat DatML/RAW oder als CSV-Upload. Weiteren Informationen sowie Lieferbedingungen finden Sie auf der Internetseite des Erhebungsportals.

Erhebungsportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder

Das Erhebungsportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bieten einen zentralen Zugang zu allen bestehenden Online-Erhebungen der amtlichen Statistik in Deutschland sowie die für den Meldevorgang erforderlichen Informationen. Um zukünftig einen medienbruchfreien und möglichst direkten Astausch von sensiblen Informationen zu den abgegebenen Meldungen zu gewährleisten, wird ab 2022 ein digitaler Postaustausch angeboten. Hierzu ist eine Registrierung auf dem Erhebungsportal erforderlich. Um Daten über das Erhebungsportal melden zu können, wird eine IDEV- oder .CORE-Kennung für die jeweilige Statistik benötigt.

7. Welche Informationen müssen gemeldet werden?

Am Beispiel der Online-Formularmeldung IDEV sollen im Folgenden einige wichtige Punkte erörtert werden, die der Unternehmer zu übermitteln hat. Weitergehende Informationen finden Sie im Leitfaden zur Intrahandelsstatistik (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1466 KB) des Statistischen Bundesamts ab Seite 13.
Es muss ein Code für die Art des Geschäfts (AdG) eingetragen werden. Diese Kodes ergeben sich aus dem Anhang 2 des INTRASTAT-Leitfadens (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1466 KB).
Für unternehmensinternes Verbringen ist grundsätzlich die Schlüsselnummer 11 einzutragen, sofern es sich nicht um das Verbringen auf bzw. von einem Lager handelt, welches mit der AdG “31” oder ggf. AdG “32” anzumelden ist.
Es muss eine Warennummer eingegeben werden. Über die Homepage des Statistischen Bundesamtes können sowohl das Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik als auch die Kombinierte Nomenklatur kostenlos im pdf-Format heruntergeladen werden. Das Statistische Bundesamt stellt außerdem eine Suchmaschine für die Online-Recherche zur Verfügung.
Der statistische Wert ist definiert als Warenwert frei deutsche Grenze (alle Kosten bis zur deutschen Grenze jedoch ohne Umsatzsteuer), d.h. Beförderungskosten sind unter Umständen je nach vereinbarter Lieferbedingung nur anteilig zu berücksichtigen Bei einer Beförderung per Luftfracht kann aus Vereinfachungsgründen beim statistischen Wert auf die Angabe der Beförderungskosten vom inländischen Abflughafen bis zur deutschen Grenze verzichtet werden; die Transportkosten bis zum inländischen Flughafen sind immer zu berücksichtigen. Eintragungen im Feld statistischer Wert sind grundsätzlich nicht erforderlich, wenn es sich bei der Warentransaktion um einen Verkauf (Schlüssel 11 und 12 in Feld Art des Geschäfts) oder ein Kommissions-, Konsignations- oder Lagergeschäft (Schlüssel 31 und 32 in Feld Art des Geschäfts) handelt und der Gesamtwert der entsprechenden Versendungen im Vorjahr 45 Mio. Euro nicht überstiegen hat.
Hinweis: Weitere Details und Hinweise finden Sie im Leitfaden zur Intrahandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes ab Seite 13.

8. Für welche Berichtszeiträume ist die Intrastat-Meldung abzugeben?

Berichtszeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat, in dem der innergemeinschaftliche Warenverkehr tatsächlich stattgefunden hat. Ausnahmsweise kann und muss dann aber auch der innergemeinschaftliche Warenverkehr im Folgemonat gemeldet werden, wenn die dem Warenverkehr und seiner statistischen Meldung zugrundeliegende Rechnung (auch Proforma-Rechnung und Teilrechnung) erst im Folgemonat oder später ausgestellt bzw. vorgelegt wird.
Die Intrastat-Meldung ist bis zum 10. Arbeitstag nach Ablauf des Bezugsmonats dem Statistischen Bundesamt, Außenhandel, 65180 Wiesbaden, zu übersenden. Eine Fristverlängerung ist nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Fristverlängerung durch das zuständige Finanzamt gewährt wird. Von der Webseite des Statistischen Bundesamtes können Sie einen Kalender abrufen, in welchem die jeweiligen Abgabetermine markiert sind.
Wegen ggf. notwendiger Rückfragen durch das Statistische Bundesamt sollten kaufmännische Unterlagen, die zur Erstellung der Intrastat-Meldung erforderliche waren, und eventuelle Kopien der Intrastat-Meldung 2 Jahre aufbewahrt werden.
Eine automatische Aufforderung zur Intrastat ergeht grundsätzlich nicht. Die auskunftspflichtigen Unternehmen müssen vielmehr selbständig bei der Abwicklung ihrer innergemeinschaftlichen Warengeschäfte für die fristgerechte und vollständige Abgabe der Intrastat-Meldungen Sorge tragen.
Zur Sicherung der Datenqualität führt das Statistische Bundesamt Kontrollen durch. Neben den monatlichen Eingangskontrollen sorgen insbesondere die quartalsweise durchgeführten Abgleiche mit den von den Finanzbehörden übermittelten Daten aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für eine Evidenzkontrolle.

9. Wann und wie sind fehlerhafte Meldungen zu berichtigen?

Intrastat-Meldungen, die sich nach Übertragung an das Statistische Bundesamt als fehlerhaft herausstellen, sind grundsätzlich zu berichtigen, wenn sie das laufende oder vorangegangene Kalenderjahr betreffen. Es sind nur Angaben zu korrigieren, die im Zeitpunkt der Anmeldung objektiv unzutreffend waren (z.B. Anmeldung einer anderen als der gelieferten Ware), nicht dagegen später eingetretene Änderungen (z.B. spätere Vertragsänderungen, Skonti oder Mengenrabatte am Jahresende).
Angaben in den Feldern „Rechnungsbetrag" bzw. „Statistischer Wert" müssen nur korrigiert werden, wenn sich der ursprüngliche Wert durch die Korrektur um mehr als 5.000 Euro verändert. Angaben in den Feldern „Eigenmasse" und „Besondere Maßeinheit" müssen nur korrigiert werden, wenn sich die ursprüngliche Menge durch die Korrektur um mehr als 10 Prozent verändert. Angaben in den übrigen Feldern müssen nur korrigiert werden, wenn der Rechnungsbetrag bzw. der Statistische Wert der betreffenden Warenposition höher ist als 5.000 Euro.
Wichtiger Hinweis: Falls ganze Meldedateien gelöscht oder eine große Anzahl von Positionen berichtigt werden müssen, ist das Statistische Bundesamt unverzüglich zu informieren unter Telefonnummer +49 (0)611 75-4525. Beschreiben Sie die durchzuführende Änderung und geben Sie bitte den Meldeweg (Onlinemeldung via IDEV / eSTATISTIK.core oder Datenträgermeldung), die Online-Kennung mit der online gemeldet wurde, die Materialnummer und das Meldedatum der Datei an.
Unabhängig von der ursprünglichen Meldeform kann für Berichtigungen das Formular “Intrahandel Berichtigung” verwendet werden. Daneben können Berichtigungen über das Meldekonto oder mittels der Zusendung von Ersatzdateien vorgenommen werden. Weitere Informationen zu Berichtigungen hält das Statistische Bundesamt auf seiner Webseite bereit.
Weitere Informationen finden Sie auf Seite 10 des INTRASTAT-Leitfadens (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1466 KB).

10. Welche Meldeschwellen gibt es in den EU-Mitgliedstaaten?

Nachdem der EU-Binnenmarkt 1992 gegründet wurde, bestehen auch heute keine einheitlichen Meldepflichtdaten und auch keine einheitlichen Wertgrenzen.
Die Meldeschwelle Wareneingang bedeutet, dass beispielsweise ein belgisches Unternehmen, dessen innergemeinschaftliche Erwerbe aus den EU-Mitgliedstaaten die Summe von insgesamt 500.000 Euro im Vorjahr nicht überstiegen hat, in Belgien nicht zur Abgabe der Intrahandelsstatistik verpflichtet ist.
Es gelten folgende Freigrenzen, innerhalb derer die Unternehmen keine statistischen Meldungen abgeben müssen.
Freigrenzen für die Versendung und den Eingang
EU-Mitgliedstaat Meldeschwelle Wareneingänge
Jahreswerte in EUR
Meldeschwelle Warenversendungen
Jahreswerte in EUR
Belgien (BE)
1.500.000
1.000.000
Bulgarien (BG)
219.856
138.049
Dänemark (DK)
965.898
697.593
Deutschland (DE) 800.000 500.000
Estland (EE)
230.000
130.000
Finnland (FI)
600.000
600.000
Frankreich (FR)
460.000
460.000
Griechenland (GR)
150.000
90.000
Irland (IE)
500.000
635.000
Italien (IT)
800.000
400.000
Kroatien (HR)
331.635
172.450
Lettland (LV)
230.000
120.000
Litauen (LT)
250.000
150.000
Luxemburg (LU)
200.000
150.000
Malta (MT)
        700
        700
Niederlande (NL)
800.000
1.000.000
Österreich (AT)
750.000
750.000
Polen (PL)
900.293
450.146
Portugal (PT)
350.000
250.000
Rumänien (RO)
186.016
186.016
Schweden (SE)
858.385
429.193
Slowakische Republik (SK)
200.000
400.000
Slowenien (SI)
140.000
200.000
Spanien (ES)
400.000
400.000
Tschechische Republik (CZ)
453.600
453.600
Ungarn (HU)
483.986
284.698
Nordirland
1.685.962
280.994
Zypern (CY)
180.000
  55.000
Quelle: National requirements for the Intrastat system, Edition 2021. Alle Angaben unter Vorbehalt, verbindliche Informationen erhalten Sie in den jeweiligen Mitgliedstaaten.

11. Was gilt bei der sogenannten Lohnveredelung?

Unter „Lohnveredelung“ versteht man Vorgänge (Be-/Verarbeitung, Aufbau, Zusammensetzen, Verbesserung, Renovierung usw.), bei denen aus vom Auftraggeber unentgeltlich zur Verfügung gestellten Vormaterialien neue oder wirklich verbesserte Waren hergestellt werden. Je nachdem, ob die Lohnveredelung im Inland oder im Ausland erfolgt, spricht man von "aktiver" bzw. "passiver" Lohnveredelung.
Als „Lohnveredelung“ im Sinne der Intrahandelsstatistik sind grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Warenbewegungen anzumelden, wenn die aus den grenzüberschreitend zur Verfügung gestellten Vorerzeugnissen hergestellten Fertigprodukte später das Herstellungsland wieder verlassen (Versendung) und entweder in das ursprüngliche Versendungsland zurückkehren oder in eine anderes Land verbracht werden.
Anzumelden ist sowohl das grenzüberschreitende Verbringen der (kostenlosen) Vormaterialien als auch die spätere (grenzüberschreitende) Rücklieferung der Fertigprodukte.
Die vom Veredeler für eigene Rechnung vorgenommene Veredelung stellt keine Lohnveredelung dar, sondern wird i.d.R. als Kauf/Verkauf erfasst.
Bei der Anmeldung der kostenlos zur Verfügung gestellten Vorerzeugnisse ist ein statistischer Wert anzugeben, der einem marktüblichen Verkaufspreis (frei deutsche Grenze) entspricht; im Zweifel ist eine sorgfältige Schätzung vorzunehmen. Vorerzeugnisse, die unbearbeitet an den Auftraggeber zurückgehen, sind mit ihrem ursprünglich angegebenen Wert anzumelden.

Keine Lohnveredelung liegt vor, wenn:
  • der Auftraggeber nach ihrer Funktion oder vom Wert her nur unbedeutende Teile zur Verfügung stellt (z.B. Etiketten, Schrauben usw.). In diesen Fällen sind die sog. Beistellungen bei der Anmeldung zur Intrahandelsstatistik unter der A.d.G. (=Art des Geschäfts) "99" in Verbindung mit einem statistischen Wert und ohne Rechnungsbetrag zu erfassen. Für das grenzüberschreitend gelieferte Fertigprodukt wird regelmäßig ein Verkauf bzw. Kauf (A.d.G. "11") unterstellt, wobei der Wert der kostenlos vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Beistellungen bei der Wertermittlung der Fertigerzeugnisse ausnahmsweise nicht einbezogen wird.
  • die Lohnarbeiten an den zur Verfügung gestellten Waren lediglich in einfachen Maßnahmen (z.B. einfaches Verpacken, Bügeln usw.) bestehen. In diesen Fällen wird generell auf eine statistische Erfassung der in diesem Rahmen vorübergehend exportierten bzw. importierten Waren verzichtet.

12. Wer hilft bei weitergehenden Fragen?


Allgemeine Informationen
Tel.: +49 (0)611 75-4525
E-Mail: aussenhandel@destatis.de
Methodische Auskünfte
Tel.:  +49 (0)611 75-8777
E-Mail: methodik-intrahandel@destatis.de
Warensystematische Auskünfte
Tel.: +49 (0)611 75-8333
E-Mail: warenverzeichnis@destatis.de
Online-Registrierung und Hilfestellung bei der Online-Anmeldung
Tel.: +49 (0)611 75-4524
E-Mail: idev-intrahandel@destatis.de
Bereitstellung von Ergebnissen (Auskunftsdienst)
Tel.: +49 (0)611 75-2481
Anfragen über das Kontaktformular www.destatis.de/kontakt
Eingangskontrolle
Tel.: +49 (0)611 75-3165
E-Mail: ek-aussenhandel@destatis.de
Mahnungen von fehlenden Meldungen
Tel.: +49 (0)611 75-2300
E-Mail: g33-22@destatis.de
Außenhandelsregister (Fragen zur Umsatzsteuernummer, Antrag auf Unterscheidungsnummern, Anschriftenpflege)
Tel.: +49 (0)611 75-4524
aussenhandelsregister@destatis.de

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand : Januar 2022
Steuern

Sachbezugswerte 2021, 2022 und 2023

Die Sachbezugswerte für das Jahr 2023 sind mit BMF-Schreiben vom 23. Dezember 2022 festgesetzt worden. Der Wert für ein Mittag- bzw. Abendessen wurde auf 3,80 Euro je Mahlzeit und für ein Frühstück auf 2,00 Euro angehoben.
Arbeitsentgelt, das kein Entgelt in Form von Geld darstellt, gehört zu den Sachbezügen ("Naturallohn"). Dazu gehört nicht nur der Bezug von Waren, sondern meistens die Gewährung von Wohnung und Verpflegung. Sowohl steuerrechtlich als auch sozialversicherungsrechtlich sind die hier genannten Werte für die gewährten Sachbezüge zu versteuern bzw. der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsberechnung zu unterwerfen.
Für Sachbezüge, die seit 2007 durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung (kurz: SvEV) erfasst werden, sind die sozialversicherungsrechtlich festgelegten amtlichen Sachbezugswerte auch steuerrechtlich zwingend maßgebend.
Durch die SvEV werden amtliche Sachbezugswerte für Unterkunft und Verpflegung festgelegt.
Die Werte für Verpflegung und Unterkunft werden jährlich an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst. Dieses erfolgte zuletzt durch die Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung vom 16.12.2022 (BGBl S. I S. 2431).
Danach gelten einheitlich für alle Bundesländer folgende Sachbezugswerte 2023, 2022 bzw. 2021:
Sachbezugswerte 2023, 2022 bzw. 2021:
Frühstück 2023
Mittagessen 2023
Abendessen 2023
Verpflegung insgesamt 2023
2,00 €
3,80 €
3,80 €
9,20 €
Frühstück 2022
Mittagessen 2022
Abendessen 2022
Verpflegung insgesamt 2022
1,87 €
3,57 €
3,57 €
9,00 €
Frühstück 2021 Mittagessen 2021 Abendessen 2021 Verpflegung
insgesamt 2021
1,83 €
3,47 €
3,47 €
8,77 €
Monatlicher Wert 2023 Monatlicher Wert 2023 Monatlicher Wert 2023 Monatlicher Wert 2023
Arbeitnehmer
60,00 €
114,00 €
114,00 €
288,00 €
Familienangehörige
des Arbeitnehmers

volljährig
60,00 €
114,00 €
114,00 €
288,00 €
unter 18 Jahren
48,00 €
91,20 €
91,20 €
230,40 €
unter 14 Jahren
24,00 €
45,60 €
45,60 €
115,20 €
unter 7 Jahren
18,00 €
34,20 €
34,20 €
86,40 €
Monatlicher Wert 2022
Monatlicher Wert 2022
Monatlicher Wert 2022
Monatlicher Wert 2022
Arbeitnehmer
56,00 €
107,00 €
107,00 €
270,00 €
Familienangehörige
des Arbeitnehmers
volljährig
56,00 €
107,00 €
107,00 €
270,00 €
unter 18 Jahren
44,80 €
85,60 €
85,60 €
216,00 €
unter 14 Jahren
22,40 €
42,80 €
42,80 €
108,00 €
unter 7 Jahren
16,80 €
32,10 €
32,10 €
81,00 €
Monatlicher Wert 2021
Monatlicher Wert 2021
Monatlicher Wert 2021
Monatlicher Wert 2021
Arbeitnehmer
55,00 €
104,00 €
104,00 €
263,00 €
Familienangehörige
des Arbeitnehmers
volljährig
55,00 €
104,00 €
104,00 €
263,00 €
unter 18 Jahren
44,00 €
83,20 €
83,20 €
210,40 €
unter 14 Jahren
22,00 €
41,60 €
41,60 €
 105,20 €
unter 7 Jahren
16,50 €
31,20 €
31,20 €
 78,90 €

Sachbezugswerte für freie Unterkunft 2023, 2022 und 2021
Unterkunft
belegt mit
Monatlicher Wert für
Unterkunft allgemein 2023
Monatlicher Wert für Aufnahme
in Arbeitgeberhaushalt in
Gemeinschaftsunterkunft 2023
Volljähriger Arbeitnehmer
1 Mitarbeiter
265,00 €
225,25 €
2 Mitarbeitern
159,00 €
119,25 €
3 Mitarbeitern
132,50 €
92,75 €
mehr als 3 Mitarbeitern
106,00 €
66,25 €
Jugendliche u. Auszubildende
1 Mitarbeiter
225,25 €
185,50 €
2 Mitarbeitern
119,25 €
79,50 €
3 Mitarbeitern
92,75 €
53,00 €
mehr als 3 Mitarbeitern
66,25 €
26,50 €
Unterkunft belegt mit
Monatlicher Wert für Unterkunft allgemein 2022
Monatlicher Wert für Aufnahme
in Arbeitgeberhaushalt in
Gemeinschaftsunterkunft 2022
Volljähriger
Arbeitnehmer
1 Mitarbeiter
241,00 €
204,85 €
2 Mitarbeitern
144,60 €
108,45 €
3 Mitarbeitern
120,50 €
84,35 €
mehr als 3 Mitarbeitern
96,40 €
60,25 €
Jugendliche
u. Auszubildende
1 Mitarbeiter
204,85 €
168,70 €
2 Mitarbeitern
108,45 €
72,30 €
3 Mitarbeitern
84,35 €
48,20 €
mehr als 3 Mitarbeitern
60,25 €
24,10 €
Unterkunft
belegt mit
Monatlicher Wert für
Unterkunft allgemein 2021
Monatlicher Wert für Aufnahme
in Arbeitgeberhaushalt in
Gemeinschaftsunterkunft 2021
Volljähriger
Arbeitnehmer
1 Mitarbeiter
237,00 €
201,45 €
2 Mitarbeitern
142,20 €
 106,65 €
3 Mitarbeitern
118,50 €
82,95 €
mehr als 3 Mitarbeitern
94,80 €
59,25 €
Jugendliche
u. Auszubildende
1 Mitarbeiter
201,45 €
165,90 €
2 Mitarbeitern
106,65 €
71,10 €
3 Mitarbeitern
82,95 €
47,40 €
mehr als 3 Mitarbeitern
59,25 €
23,70 €
Die BMF-Schreiben vom 23. Dezember 2022, 20. Dezember 2021 und vom 28. Dezember 2020 zur lohnsteuerlichen Behandlung von unentgeltlichen oder verbilligten Mahlzeiten der Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2023, 2022 bzw. 2021 finden Sie hier auf dieser Seite.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Sie zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2023
Recht und Steuern

Steuerinfo Dezember 2021

Steuerliche Entlastungsmaßnahmen der Finanzbehörde verlängert

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 hat das BMF eine weitere Verlängerung der Regelungen über das Jahr 2021 hinaus erlassen, die für die von den Folgen der Corona-Krise betroffenen Steuerpflichtigen steuerliche Erleichterungen vorsehen. Bei den steuerlichen Erleichterungen handelt es sich um die folgenden:
  • Herabsetzung oder Aussetzung laufender Vorauszahlungen zur Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer auf Antrag
  • Herabsetzung von Vorauszahlungen zur Gewerbesteuer 
  • Herabsetzung  des Steuermessbetrages für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen 
  • Stundung fälliger Steuerzahlungen
  • Erlass von Säumniszuschlägen
  • Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen
  • Herabsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für die Dauerfristverlängerung bei der Umsatzsteuer für das Jahr 2022
Die Möglichkeit der Herabsetzung von Vorauszahlungen zur Gewerbesteuer beruht auf dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 9. Dezember 2021.
Die genannten steuerlichen Erleichterungen werden auf Antrag gewährt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an das für Ihr Unternehmen zuständige Finanzamt.
Hinweis: Wir berichteten über die Verlängerung der steuerlichen Erleichterungen in den Coronavirus-News am 13. Dezember 2021. Wenn Sie regelmäßig von der Handelskammer Hamburg Informiert werden möchten, können Sie sich gerne für unseren Newsletter anmelden.

Finanzverwaltung reagiert auf Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vollverzinsung

Das Bundesfinanzministerium hat am 29. November 2021 eine Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder veröffentlicht, mit der alle Einsprüche gegen Zinsfestsetzungen gem. § 233a Abgabenordnung (AO) für Verzinsungszeiträume vor dem 1. Januar 2019 zurückgewiesen werden. 
Grundlage dafür ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte am 8. Juli 2021 entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen gem. §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Zugleich hatte es jedoch eine Fortgeltungsanordnung für Verzinsungszeit-räume bis zum 31. Dezember 2018 getroffen. Das bedeutet, dass lediglich für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 die Anwendung des § 233a AO mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent pro vollem Monat untersagt ist. Für Zeiträume ab 2019 wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungskonforme Neuregelung für alle offenen Fälle zu treffen.
Einsprüche oder Änderungsanträge für Verzinsungszeiträume nach dem 31. Dezember 2018 sind von der Allgemeinverfügung nicht betroffen. Diese bleiben weiter bestehen, jedoch kann erst nach der gesetzlichen Neuregelung über diese entschieden werden.
Siehe auch die Meldung im Steuer-Ticker vom 30. November 2021.

BMF überarbeitet Schreiben zu Entfernungspauschalen

Am 18. November 2021 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen ein überarbeitetes Schreiben zur Anwendung der steuerlichen Entfernungspauschalen. Das BMF-Schreiben zu den Entfernungspauschalen vom 31. Oktober 2013 ist letztmalig für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden. 
Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I Seite 2886) sowie dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I 2019 Seite 2451) haben sich Änderungen zu den Entfernungspauschalen und zur Pauschalbesteuerung nach § 40 Absatz 2 Einkommensteuergesetz ergeben. Die Entfernungspauschale ist ab dem Veranlagungszeitraum 2021 gestaffelt: 30 Cent für die ersten 20 km und 35 Cent ab dem 21. km. Ab dem Jahr 2024 beträgt die Entfernungspauschale dann 38 Cent ab dem 21. km. Die erhöhte Entfernungspauschale ab dem 21. km gilt befristet bis Ende 2026.
Das aktuelle BMF-Schreiben ersetzt das BMF-Schreiben zu den Entfernungspauschalen vom 31. Oktober 2013 (BStBl I Seite 1376) und gilt ab dem Jahr 2021; Änderungen sind in Fettdruck dargestellt.

BMF veröffentlicht Anwendungsschreiben zur Körperschaftsteuer-Option 

Am 10. November 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das Anwendungsschreiben zur Option zur Körperschaftsteuer für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften veröffentlicht.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) vom 25. Juni 2021 wurde unter anderem § 1a in das Körperschaftsteuergesetz (KStG) eingefügt. § 1a KStG eröffnet Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit, sich auf Antrag wie eine Körperschaft besteuern zu lassen. Hierzu hat das BMF am 10. November 2021 ein Anwendungsschreiben veröffentlicht. Gegenüber dem Entwurf des BMF-Schreibens wurde nun in Randnummer (Rn) 2 klarstellend aufgenommen, dass auch vermögensverwaltend tätige Personenhandelsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren können. Zudem sieht Rn 7 jetzt eine Nachweismöglichkeit der persönlichen Voraussetzungen der Körperschaftsteuer-Option für Gesellschaften ohne inländische Einkünfte vor. Rn 55 stellt klar, dass eine etwaige bestehende ertragsteuerliche Organschaft im Falle der Option fortgeführt wird; die Option setzt die Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrages nicht neu in Gang.

BMF veröffentlicht Schreiben zum Forschungszulagengesetz

Am 11. November 2021 hat das BMF ein Schreiben zur Gewährung der Forschungszulage nach dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz - FZulG) mit weiteren Ausführungen veröffentlicht. In dem Schreiben konkretisiert das Bundesfinanzministerium das seit 2020 geltende Forschungszulagengesetz in wichtigen Bereichen.
Ob ein begünstigtes Forschungs- und Entwicklungs(FuE)-Vorhaben i. S. d. § 2 Absatz 1 bis 3 FZulG vorliegt, entscheidet ausschließlich die Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) (vgl. Randnummer (Rn) 39). Von der BSFZ werden bei dieser Entscheidung insbesondere die nachstehenden Grundsätze berücksichtigt. Nähere Informationen hierzu unter www.bescheinigungsstelle-forschungszulage.de.
Was unter einem förderfähigen FuE-Vorhaben zu verstehen ist, konkretisieren die Rn 24-38. So liegen förderfähige FuE-Vorhaben vor, soweit sie einer oder mehreren der Kategorien Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zuzuordnen sind. Hingegen sind etwa routinemäßige, regelmäßige Verbesserungen bestehender Produkte auch unter Verbesserung des Stands der Technik, Marktforschung (Bedarfsanalysen, Analysen der Konkurrenzprodukte) oder auch Software-Entwicklungen, soweit es sich um Standardanwendungen oder Support für bereits existierende Systeme handelt, nicht förderfähig. 
Gefördert wird auch die Auftragsforschung (Rn 47). Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen einen FuE-Auftrag an einen Dritten oder mehrere Dritte vergibt. Ein Dritter in diesem Sinne ist ein vom Auftraggeber rechtlich unabhängiger Rechtsträger. Das kann zum Beispiel eine Universität, eine Forschungseinrichtung, ein anderes Unternehmen oder ein mit dem Auftraggeber verbundenes anderes Unternehmen sein. Kein Dritter in diesem Sinne ist eine unselbständige Betriebsstätte des Auftraggebers (Rn 47). Schließt ein Unternehmen mit einem Dritten einen Werkvertrag über die Erbringung einer Leistung, die für die eigene Forschungstätigkeit benötigt wird (zum Beispiel Entwicklung einer Maschine), handelt es sich nicht um Auftragsforschung, da keine FuE, sondern ein konkretes Ergebnis geschuldet wird. Insoweit fehlt es an den für die Annahme eines FuE-Vorhabens typischen Merkmalen des Risikos und der Ungewissheit (Rn 50). Näheres zu FuE-Vorhaben innerhalb verbundener Unternehmen regeln die Rn 62-66. 
Im Antrag auf Forschungszulage (FZul) hat der Anspruchsberechtigte den Beginn des FuE-Vorhabens anzugeben. Die Angabe des Beginns des FuE-Vorhabens im Antrag auf Bescheinigung bei der BSFZ ist für die Beurteilung des Anspruchs auf FZul durch das Finanzamt nicht bindend. Das Unternehmen hat den Beginn des begünstigten FuE-Vorhabens in geeigneter Weise zu dokumentieren und im Unternehmen vorzuhalten. Dabei sind auch vor Beginn des FuE-Vorhabens durchgeführte vorbereitende Tätigkeiten zu dokumentieren, um eine Abgrenzung zu den Tätigkeiten des FuE-Vorhabens aufzuzeigen (Rn 73). 
Das Schreiben konkretisiert zudem die Erfassung und den Nachweis der förderfähigen Lohnaufwendungen (Rn 122-128). So soll die Stundenerfassung zum Beispiel die folgenden Mindestangaben enthalten: Kurzbezeichnung des FuE-Vorhabens, Wirtschaftsjahr, Vorhabens-ID lt. Bescheinigung der BSFZ, Name des FuE-Arbeitnehmers sowie Kurzbezeichnung der FuE-Tätigkeit des FuE-Arbeitnehmers (z. B. Laborant). Auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen steht ein Muster eines „Stundenzettels“ bereit, der zur Dokumentation vorgehalten werden kann. 
In dem Schreiben wird auch Bezug auf die Kumulierung mit anderen Förderungen oder staatlichen Beihilfen genommen (Rn 155-161). Wurde etwa für ein begünstigtes FuE-Vorhaben eine andere Förderung zwar beantragt, aber nicht bewilligt, so können die förderfähigen Aufwendungen im Rahmen der Bemessung der FZul berücksichtigt werden. 

BMF überarbeitet Regelung für kleine Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke

Am 29. Oktober 2021 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine überarbeitete Fassung des Anwendungsschreibens zur Vereinfachungsregelung (Liebhaberei) für kleine PV-Anlagen und vergleichbare Blockheizkraftwerke. Damit wurde das BMF-Schreiben vom 2. Juni 2021 ersetzt. Das überarbeitete BMF-Schreiben nimmt insbesondere auch Mitunternehmerschaften in die Vereinfachungsregelung auf. Diese können somit – unter den weiteren Voraussetzungen dieses Schreibens – auch erklären, dass die PV-Anlage/das Blockheizkraftwerk ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und es sich daher um eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei handelt. 
Darüber hinaus wurden mehrere erläuternde Beispiele in das BMF-Schreiben aufgenommen.

Umsatzsteuer-Voranmeldung 2022 und Umsatzsteuerjahreserklärung 2021

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 die Vordruckmuster für die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das Kalenderjahr 2022 veröffentlicht. Die Vordrucke für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2021 wurden mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 veröffentlicht. Wir haben nun zum Jahreswechsel unser Merkblatt zur Umsatzsteuer-Voranmeldung und zur Umsatzsteuerjahreserklärung aktualisiert und die aktuellen Formular-Vorlagen hinterlegt. Dort finden Sie auch ältere Formulare aus den Jahre 2020 und 2019. Bitte beachten Sie, dass eine Übermittlung der Formulare grundsätzlich nur nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz auf elektronischem Weg zulässig ist.
Hinweis: Weitere Informationen finden Sie auf unserem Merkblatt Umsatzsteuer-Voranmeldung 2022 und Umsatzsteuerjahreserklärung 2021

Covid-19: Temporärer EU-Beihilferahmen um sechs Monate verlängert

Die Bundesregierung verlängert die staatlichen Beihilfen aufgrund der Covid-19 Pandemie bis zum 30. Juni 2022. So soll die Liquidität solventer deutscher Unternehmen auch in Krisenzeiten weiter gesichert werden. Die Europäische Kommission hatte entschieden, den befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung in der Corona-Krise nicht bereits zum Ende dieses Jahres auslaufen zu lassen.
Der temporäre Beihilferahmen wurde von der EU-Kommission bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Die Entscheidung erhält die rechtliche Grundlage für die Mitgliedstaaten aufrecht, zielgerichtete und verhältnismäßige finanzielle Unterstützung für Unternehmen bereitzustellen – ohne mit dem strengen EU-Beihilfenrecht in Konflikt zu geraten.
Über die Weitergeltung bestehender Instrumente hinaus wird der "Temporary State Aid Framework" zwei neue Instrumente enthalten: eines zur Förderung von Investitionen und eines für eine befristete Solvenzhilfe. Vor allem mit dem ersten Instrument möchte die Europäische Kommission in der aktuellen Erholungsphase einem dringenden Bedürfnis der Wirtschaft nachkommen. Diese benötigt substanzielle Anreize für private Investitionen, vor allem in den "grünen" und digitalen Wandel.
Mit dem Solvenzhilfe-Instrument sollen private Mittel für Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen – einschließlich Start-ups und kleiner Unternehmen mittlerer Kapitalisierung – mobilisiert werden. Mitgliedstaaten können privaten Intermediären Garantien gewähren und dadurch Investitionsanreize in dieser Art von Unternehmen schaffen, die sonst vielfach nur schwer Zugang zu Kapital haben. Diese Unterstützung ist angesichts der krisenbedingt höheren Unternehmensverschuldung extrem wichtig. Beide neuen Instrumente werden den Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2022 zur Verfügung gestellt.
Des Weiteren hat die Kommission folgende Änderungen vorgenommen, zum Teil mit abweichen-der zeitlicher Geltungsdauer:
  1. Die Mitgliedstaaten verlieren ihre Möglichkeit, rückzahlbare Instrumente wie Garantien, Darlehen oder rückzahlbare Vorschüsse in andere Beihilfeformen (zum Beispiel direkte Zuschüsse) umzuwandeln, nicht vor dem 30. Juni 2023;
  2. Die Höchstbeträge für bestimmte Beihilfearten werden im Verhältnis zur verlängerten Laufzeit angepasst.
  3. Die Bestimmungen zur außerordentlichen Flexibilität, im Zusammenhang mit den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien der Kommission, werden näher erläutert.
  4. Die Geltungsdauer der Anpassung des Verzeichnisses der Länder mit nicht-marktfähigen Risiken – im Zusammenhang mit der kurzfristigen Exportkreditversicherung – wurde um weitere drei Monate bis zum 31. März 2022 verlängert.
Der vorübergehende EU-Beihilferahmen wurde am 19. März 2020 beschlossen. Die aktuelle Änderung ist die sechste. Eine wesentliche Herausforderung für die Kommission ist es, staatliche Hilfen für Unternehmen mit vorübergehend schwacher Liquidität zu ermöglichen – und dabei den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt fortgesetzt zu wahren.

Länderbezogene öffentliche Berichtspflicht nimmt letzte Hürde

Auf bestimmte Unternehmen kommen neue Berichtspflichten zu: Oberhalb einer jährlichen Umsatz-Schwelle von 750 Millionen Euro in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren müssen Unternehmen unter anderem Nettoumsätze und Gewinne des Unternehmens, die Anzahl der Beschäftigten sowie gezahlte Ertragsteuern und nicht ausgeschüttete Gewinne offenlegen. Diese Pflichten gelten für die Betriebe ab Mitte 2024.
Die Pflicht zur Veröffentlichung von nach Tätigkeitsländern aufgeschlüsselten Berichten gilt für alle Unternehmen der genannten Größenklasse, die entweder ihren Sitz in der EU haben oder für solche Nicht-EU-Unternehmen, die Tochterunternehmen oder Niederlassungen in der EU unterhalten.
Detailliert aufgeführt werden müssen Finanzbeziehungen zu anderen EU-Staaten oder zu solchen Ländern und Gebieten, die auf der "Schwarzen Liste" oder für mindestens zwei Jahre auf der "Grauen Liste" der EU stehen. Von der Veröffentlichungspflicht wären nach jetziger Rechtslage folglich auch Unternehmen betroffen, die geschäftlich in der Türkei aktiv sind. Für den Rest der Welt können die Steuerdaten zusammengefasst übermittelt werden.
Für die Steuerberichterstattung der genannten Unternehmen bedeutet das, dass sie 18 Monate nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie die neuen Transparenzregeln erfüllen müssen. Nicht unproblematisch ist, dass die Veröffentlichungspflicht nur für Unternehmen gilt, die die in der EU organisiert tätig sind, nicht aber für diese von ihren Wettbewerbern, die von außerhalb Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union unterhalten. Letztere profitieren von der Veröffentlichung, ohne selbst Daten liefern zu müssen.
Die politische Einigung zwischen Rat und Parlament konnte in diesem Frühjahr nach langjährigen Trilog-Verhandlungen erreicht werden. Der Rat hatte den gefundenen Kompromiss bereits am 28. September gebilligt.

EU-Regelungen für ermäßigte Mehrwertsteuersätze

Am 7. Dezember haben sich die Mitgliedstaaten auf einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission geeinigt, durch den sie mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer jeweiligen Mehrwertsteuersysteme erhalten. Mit den neuen Vorschriften ergeben sich für sie, gemäß ihren politischen Schwerpunkten auf nationaler Ebene, größere Spielräume für die Festsetzung ihrer jeweiligen Sätze.
Zusätzliches Ziel ist es, kleine und mittlere Unternehmen von Bürokratie zu entlasten. Zugleich bietet die Reform die Chance, die Steuersätze noch besser auf politische Prioritäten der EU wie die Reaktion auf den Klimawandel, die Förderung der Digitalisierung oder den Schutz der öffentlichen Gesundheit abzustimmen. Die Europäische Kommission hatte im Jahr 2018 einen Vorschlag zur Reform der Mehrwertsteuersätze vorgelegt.
Der nun nach fast vierjährigen Verhandlungen gefundene Kompromiss bringt folgende wesentliche Änderungen:
  • In Anhang III zur Richtlinie wird sowohl die Mindesthöhe der ermäßigten Steuersätze als auch die Höchstzahl der Gegenstände und Dienstleistungen festgelegt, die ermäßigt besteuert werden können. Erstmals bekommen die Mitgliedstaaten das Recht, einen ermäßigten Satz von weniger als 5 Prozent anzuwenden. Wenn sie beispielsweise auf eine Krisensituation reagieren möchten, können sie dies auch vorübergehend tun. Eine geringe Anzahl von gelisteten Gegenständen beziehungsweise Dienstleistungen – wie zum Beispiel solche, die Grundbedürfnisse des Menschen befriedigen – dürfen sie vollständig von der Mehrwertsteuer befreien.
  • Um für Gleichbehandlung zu sorgen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können alle Mitgliedstaaten künftig bestimmte Ausnahmeregelungen und Befreiungen festlegen, die – aus historischen Gründen – bislang nur einer Gruppe von ihnen offenstanden.
  • Zur Unterstützung sonstiger EU-Politiken wurden vor allem solche Gegenstände und Dienstleistungen neu in die Liste aufgenommen, die entweder dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, umweltfreundlich sind oder den digitalen Wandel begünstigen.
  • Gegenstände und Dienstleistungen, die den Umwelt- und die Klimaschutzzielen der EU zuwiderlaufen, dürfen spätestens ab 2030 nicht mehr ermäßigt besteuert werden.
  • Bis 2032 müssen Ausnahmeregelungen, die nicht durch bestimmte Ziele des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, abgeschafft werden.
Endredaktion: Henning Raddatz
Steuern

TikTok, Youtube, Insta & Co. – Steuerliche Grundlagen des Influencing

Bei Influencern handelt es sich um Personen, die Träger für Werbung und Marketing sind und sich dabei ihres hohen Ansehens und ihrer starken Präsenz in den sozialen Medien bedienen. Ansehen und Präsenz drücken sich regelmäßig durch hohe Followerzahlen und zahlreiche Posts, Blockbeitrage, Videos, Reels, Stories etc. aus. Neben den klassischen Influencern gibt es noch die sog. Corporate-Influencer und die sog. Micro-Influencer. 
Ist jemand als Influencerin oder Influencer erfolgreich, geschieht dieses nicht immer aus einer konkreten Absicht heraus. Häufig beginnt die Tätigkeit als Hobby oder aus Lust an der Freude, sich anderen mitzuteilen. Wenn die eigenen Aktivitäten auf TikTok, Youtube, Instagram usw. große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, drückt sich dies regelmäßig in steigenden Followerzahlen aus. Unternehmen bieten dann unter Umständen an, dass deren Produkte und Dienstleistungen dargestellt und vielleicht auch (möglichst positiv) erwähnt werden könnten. Dieses wird dann regelmäßig in Form von Geld oder auch Sachleistungen vergütet. Auch die Einbindung von Affiliate-Links, Tab-Tags oder Rabatt-Codes ist möglich, wodurch in der Regel Provisionen an die jeweilige Influencerin, bzw. den jeweiligen Influencer fließen. Sobald Einkünfte erwirtschaftet werden, ist Aufmerksamkeit bei der Besteuerung gefragt. Relevant sind hier insbesondere die Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer.
Hinweis: Dieses Merkblatt soll nur einen oberflächlichen Überblick über die steuerliche Behandlung von Influencerinnen und Influencern geben. Ziel ist es, auf die sich diesbezüglich stellenden Herausforderungen zu sensibilisieren. Dieses Merkblatt kann und will daher eine kompetente steuerliche Einzelfallberatung nicht ersetzen. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Tätigkeit als Influencerin und Influencer wettbewerbsrechtlich von Bedeutung ist. Das Wettbewerbsrecht sieht insbesondere vor, dass Werbung grundsätzlich als solche gekennzeichnet werden muss und nicht unlauter sein darf. Details dazu würden jedoch den Rahmen dieses Merkblattes überschreiten, von daher soll hier an dieser Stelle auf diese Problematik nur kurz aufmerksam gemacht werden. Weitere Informationen zu wettbewerbsrechtlichen Aspekten von Influencer-Marketing können Sie dem Merkblatt der IHK-Frankfurt (Main) entnehmen.

Einkommensteuer

Der Einkommensteuer unterliegen gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)
  1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
  2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
  3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
  4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
  5. Einkünfte aus Kapitalvermögen,
  6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
  7. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22.
Eine Steuerpflichtige, bzw. ein Steuerpflichtiger kann mehrere dieser 7 Einkunftsarten gleichzeitig verwirklichen. Die Summe der Gewinne und Überschüsse aus diesen Einkunftsarten bildet –vereinfacht gesagt – das zu versteuernde Einkommen. Weitere Informationen dazu enthält unser Merkblatt „Einkommensteuer für Existenzgründer“.
Hinweis: Für die Einkommensteuererklärung bedeutet dieses, dass es je nach Einkunftsart eigene Anlagen zur Einkommensteuererklärung gibt. Bei Einkünften als Influencerin oder Influencer sind dieses entweder die Anlage S (Selbstständige Arbeit, bzw. freiberufliche Tätigkeit) oder die Anlage G (Gewerbebetrieb). Zur Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit siehe unten „Gewerbesteuer“. Werden neben der Tätigkeit als Influencerin oder Influencer weitere Einkunftsarten verwirklicht, sind diese in den anderen Anlagen zu erklären (Beispielsweise bei Nicht-Selbstständiger Tätigkeit als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer die Anlage N).
Bei einer unternehmerischen Tätigkeit ist Gegenstand der Einkommensteuer grundsätzlich der erzielte Gewinn. Sofern eine Unternehmerin oder ein Unternehmer den Gewinn nicht über den Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) ermittelt, geschieht dieses über eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (kurz: EÜR). Betriebsgewinn ist dann die Summe der Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben. Es gilt das sog. Zuflussprinzip, das heißt, Einnahmen sind in dem Zeitraum zu erfassen, in welchem sie der/dem Steuerpflichtigen zufließen.
Hinweis: Gewerbliche Unternehmerinnen und Unternehmer sind grundsätzlich Büchführungs- und Bilanzierungspflichtig, sofern sie einen Gesamtumsatz von mehr als 600.000 Euro im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 60.000 Euro im Wirtschaftsjahr erzielen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unseren Merkblättern „Einnahmenüberschussrechnung (EÜR)“ und „Besteuerung von Nebentätigkeiten“
Influencerinnen und Influencer generieren über ihre Aktivitäten in den sozialen Medien ihre Einnahmen nicht notwendigerweise in Form von Geld. Weniger offensichtlich ist, dass Einnahmen auch in Form von Sachzuwendungen vorliegen können. 

Bareinnahmen

Bucht ein Unternehmen eine Influencerin oder einen Influencer, damit diese/r ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung promotet, also werblich herausstellt und zahlt dafür ein Entgelt, stellt dieses Entgelt eine Betriebseinnahme dar, welche selbstverständlich als solche zu erfassen und letztlich zu versteuern ist.

Sacheinnahmen

Die steuerlich korrekte Behandlung von Sacheinnahmen ist dagegen etwas komplizierter, als die Behandlung von Entgelten, bzw. Bareinnahmen. Bei Sacheinnahmen kann es sich um Waren und Leistungen jedweder Art handeln, die kein Geld sind, also Gutscheine soweit diese ausschließlich zum Bezug von Waren und Dienstleistungen berechtigen, Dienstleistungen, Hotelübernachtungen, Restaurationsleistungen usw.. Oftmals können Influencerinnen und Influencer die Waren, die ihnen zur Darstellung über ihre Kanäle überlassen worden sind, nach der Erstellung des Content behalten. Auch Reisen werden mitunter von Kunden bezahlt, damit diese in den sozialen Medien dargestellt werden. Werden diese Waren und Reisen ganz oder teilweise privat genutzt, handelt es sich dabei steuerlich um Entnahmen aus dem Betriebsvermögen, die sich unmittelbar gewinnerhöhend auswirken und entsprechend zu erfassen sind. Die Frage ist, mit welchem Wert diese Einnahmen zu erfassen sind.
Dazu folgendes Beispiel: Eine Influencerin bekommt von einem namenhaften Sportartikelhersteller Laufschuhe zugeschickt, damit sie diese in ihrem Vlog promotet. Sie erhält dafür zwar kein Entgelt, darf die Laufschuhe aber anschließend behalten.
Die Laufschuhe müssen zunächst als Betriebseinnahme  verbucht werden. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen, § 8 Abs. 2 S. 1 EStG. Wird ein Gegenstand nun sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt, ist die Nutzung – und damit der Wert – allerdings in einen unternehmerischen und einen privaten Teil aufzuteilen. Wie hoch dieser Teilwert ist, ist jedoch stark vom Einzelfall abhängig. Laufschuhe werden beispielsweise schneller an Wert verlieren als langlebige Produkte.
Hinweis: Es macht übrigens keinen Unterschied, ob die Influencerin die Laufschuhe nie wieder trägt, weil sie diese entweder im Schrank lagert, an eine Freundin verschenkt oder unter ihren Followern verlost. In allen Fällen stellen die Laufschuhe zunächst Betriebseinnahmen dar. Allerdings kann sie die Laufschuhe als Betriebskosten ansetzen, wenn sie diese unter ihren Followern verlost.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Sachzuwendungen keine steuerlichen Auswirkungen bei der Influencerin, bzw. dem Influencer haben:
  • Das auftraggebende Unternehmen hat die zugeschickte Ware gem. § 37b Abs. 1 S. 1 EStG pauschal mit 30 % versteuert. Die pauschal besteuerten Sachzuwendungen bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte des Empfängers außer Ansatz, § 37b Abs. 3 S. 1 EStG. Zu beachten ist dabei, dass die Pauschalierung ausgeschlossen ist, soweit die Aufwendungen für die einzelne Zuwendung 10.000,- Euro übersteigen oder die Gesamtsumme der Zuwendungen pro Person im Wirtschaftsjahr 10.000,- Euro pro Jahr übersteigt. Das Unternehmen sollte der Influencerin, bzw. dem Influencer gegenüber schriftlich bestätigen, dass die Pauschalversteuerung stattgefunden hat.
  • Die Influencerin oder der Influencer schickt die zugewendete Sache wieder an das Unternehmen zurück (Keine Privatentnahme)
  • Die Influencerin oder der Influencer vernichtet die zugewendete Sache, ohne diese privat genutzt zu haben (Keine Privatentnahme)
  • Es handelt sich bei der Sachzuwendung um sog. Streuartikel mit einem Wert von nicht mehr als 10.- Euro.
  • Die zugewendete Sache wird verlost (Keine Privatentnahme)
Hinweis: Im Steuerrecht ist es generell sehr wichtig, steuerlich relevante Vorgänge zu dokumentieren und korrekt steuerlich zu behandeln. Das gilt in den o.g. Fällen ganz besonders! Eine enge Abstimmung mit ihrer Steuerberaterin, Ihrem Steuerberater ist daher empfehlenswert.

Betriebsausgaben

Betriebsausgaben sind alle Ausgaben, die betrieblich veranlasst sind. Bei Influencerinnen und Influencern können das kosten für Video- und Tonausrüstung, Web-Hosting, Steuerberatung, Make-Up, Reisekosten usw. sein. Aber auch hier ist zu beachten, dass wenn bspw. die Ausrüstung etc. nicht nur unternehmerisch, sondern auch privat benutzt wird, die Betriebskosten in einen unternehmerischen und einen privaten Teil aufzuteilen sind. Für digitale Wirtschaftsgüter ist laut BMF-Schreiben vom 22. Februar 2022 (IV C 3 – S 2190/21/10002 :025)  eine Abschreibung im Jahr der Herstellung/Anschaffung möglich.

Abschreibungen

Abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Verwendung sich regelmäßig über mehr als ein Jahr erstreckt, werden mit ihren Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten nicht komplett im Jahr der Anschaffung als Aufwand verbucht, sondern werden in der Regel über ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gleichmäßig in Raten verteilt, also abgeschrieben. Hier gibt es je nach Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten allerdings auch andere Möglichkeiten und Erleichterungen. Weitere Informationen dazu entnehmen Sie bitte unserem Merkblatt „Absetzung für Abnutzung: AfA-Tabellen, GWG und Sammelposten“.
Hinweis: Oftmals ist die Abgrenzung bei steuerlich relevanten Sachverhalten zwischen der selbstständigen/gewerblichen Tätigkeit und dem privaten Bereich schwierig. Aus diesem Grund und um Schwierigkeiten bei der korrekten Behandlung insbesondere von Sachzuwendungen zu vermeiden, sollte frühzeitig eine Steuerberaterin, bzw. ein Steuerberater eingebunden werden.

Gewerbesteuer

Wenn jemand selbstständig mit Gewinnerzielungsabsicht eine auf Dauer angelegte Tätigkeit ausübt, die kein freier Beruf ist (Siehe dazu insbesondere den Katalog der freien Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) handelt es sich bei dieser Tätigkeit in der Regel um ein Gewerbe. Einkünfte aus dieser Tätigkeit sind also gewerbliche Einkünfte mit der Folge, dass diese der Gewerbesteuer unterliegen.
Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen bei Influencerinnen und Influencern dort in Betracht, wenn sich die Tätigkeit in den sozialen Netzwerken auf rein journalistische oder künstlerische Tätigkeiten beschränkt. Solche Tätigkeiten gelten als freiberuflich mit der Folge, dass diese nicht gewerblich sind und damit auch nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Weitere Informationen zur Abgrenzung zwischen Gewerbe und freiem Beruf finden Sie auf unserem Merkblatt „Gewerbebetrieb oder Freiberufler?“.
Hinweis: Weil Influencerinnen und Influencer ihre Einnahmen normalerweise durch die werbliche Darstellung von Waren und Dienstleistungen generieren, kann man davon ausgehen, dass Influencerinnen und Influencer in der Regel gewerbliche Einkünfte erzielen. Davon wird auch in der Broschüre des Bayerischen Landesamtes für Steuern und des BMF „Ich bin Influencer. Muss ich Steuern zahlen?“ im Grundsatz ausgegangen. Für eine genaue Einordnung muss jedoch der jeweilige Einzelfall betrachtet werden. Bitte setzen sich im Zweifel mit Ihrer Steuerberaterin oder Ihrem Steuerberater oder dem für Sie zuständigen Finanzamt in Verbindung.
Gegenstand der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. Dieser setzt sich unter anderem zusammen aus dem Betriebsgewinn sowie Hinzurechnungen und Kürzungen. Beim errechneten Gewerbeertrag gilt für natürliche Personen und Personengesellschaften ein Freibetrag von 24.500 Euro. Die Gewerbesteuer wird – je nach Gewerbesteuer-Hebesatz der Gemeinde – gem. § 35 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet. Weitere Details zur Berechnung der Gewerbesteuer entnehmen Sie bitte unserem Merkblatt „Gewerbesteuer“.

Umsatzsteuer

Ist eine Tätigkeit als Influencerin oder Influencer als unternehmerisch einzuordnen, unterliegen die damit erzielten Umsätze der Umsatzsteuer. Die Leistungen, die dabei von Influencern gegenüber ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern erbracht werden, sind regelmäßig keine (Waren-)Lieferungen und daher als sonstige Leistungen zu qualifizieren, vgl. § 3 Abs. 9 UStG. Zu unterscheiden sind zunächst einerseits die sogenannten Regelversteuerer und die umsatzsteuerlichen Kleinunternehmer i.S.v. § 19 UStG andererseits.
Regelversteuerer rechnen ihre Leistungen mit dem normalen Steuersatz gem. § 12 Abs. 1 UStG ab, sofern nicht der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 UStG gilt. Diese Umsätze erklären sie über ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen gegenüber dem Finanzamt und führen die sich daraus ergebende Umsatzsteuer ab. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind entweder monatlich oder vierteljährlich unaufgefordert abzugeben. Regelversteuerer haben die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus Eingangsrechnungen.
Von Kleinunternehmern (Gesamtumsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr nicht über 22.000, im laufenden Jahr voraussichtlich nicht über 50.000 Euro) wird die Umsatzsteuer nicht erhoben. Gesamtumsatz in diesem Sinne ist der Umsatz nach § 19 Abs. 3 UStG also zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer; (also netto nicht mehr als 18.487,40 Euro bei 19 Prozent Umsatzsteuer im vorangegangenen Jahr bzw. 42.016,80 Euro im laufenden Jahr). Ein gesonderter Steuerausweis in der Rechnung darf nicht erfolgen. Kleinunternehmer haben außerdem keinen Vorsteuerabzug.
Die obige Darstellung soll nur einen stark verkürzten Überblick über Regelversteuerer und umsatzsteuerliche Kleinunternehmer geben. Detailliertere Informationen zur Umsatzsteuer entnehmen Sie bitte den folgenden Merkblättern:

Reverse-Charge

Wird eine in Deutschland ansässige Influencerin oder ein Influencer von einem Unternehmen aus dem Ausland mit der werblichen Herausstellung einer Ware oder einer Dienstleistung beauftragt, ist dieser Umsatz grundsätzlich an dem Ort steuerbar, von wo aus das auftraggebende Unternehmen (= Leistungsempfänger) betrieben wird, vgl. § 3a Abs. 2 UStG. Liegt der Ort, von wo aus das auftraggebende Unternehmen betrieben wird innerhalb der EU, verlagert sich die Steuerschuld vom Leistungserbringer auf den Leistungsempfänger (Reverse-Charge, bzw. Umkehr der Steuerschuldnerschaft). Die Influencerin, bzw. der Influencer rechnen die Leistung dann netto ohne Umsatzsteuer unter Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ab; der Leistungsempfänger ist dann für die Abführung der Umsatzsteuer in seinem Staat selbst verantwortlich. Vor der Rechnungstellung gegenüber einem Leistungsempfänger in einem Drittstaat sollte vorab geklärt werden, ob das Reverse-Charge-Verfahren in dem jeweiligen Drittstaat bekannt ist und dem betreffenden Einzelfall angewendet werden kann.
Hinweis: Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf unseren Merkblatt „Umsatzsteuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Reverse-Charge)“ und „Grenzüberschreitende Dienstleistungen“.

Überlassene Gegenstände zur Erstellung von Content

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Überlassung von Gegenständen zur Erstellung von Content eine Leistungsbeziehung zwischen dem jeweiligen Unternehmen und der Influencerin, bzw. dem Influencer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG darstellt. Solche Umsätze unterliegen also der Umsatzsteuer. Anders kann der Fall jedoch liegen, wenn es sich um eine bloße Beistellung handelt. Das ist dann der Fall, wenn der Gegenstand vom Unternehmen ausschließlich zur Erstellung des Content überlassen wird und von der Influencerin, bzw. dem Influencer anschließend wieder zurück gegeben werden muss. Das bedeutet insbesondere, dass eine private Nutzung des Gegenstandes ausgeschlossen sein muss. Wie letzteres gewährleistet werden kann, ist bei Influencerinnen und Influencern noch nicht sicher geklärt. Daher sollten Unternehmen bis auf Weiteres zur Sicherheit in Verträgen mit Influencerinnen und Influencern genau festhalten, was zur gegenseitigen Leistungsbeziehung gehört. Bei Gegenständen, die nicht von der Leistungsbeziehung umfasst sein sollen, sollte die private Nutzungsmöglichkeit ausdrücklich ausgeschlossen und dieses vom Unternehmen durch ein Tax-Compliance-System nachgehalten werden. Ob dieses ausreicht, um steuerbare Umsätze in solchen Fällen zu vermeiden, hängt von der weiteren Entwicklung des Steuerrechts ab.
Hinweis: Stellt die Überlassung von Gegenständen zur Erstellung von Content mit anschließender privater Nutzungsmöglichkeit das einzige Entgelt dar, kann ein tauschähnlicher Umsatz i.S.v. § 3 Abs. 12 S. 2 UStG vorliegen. Eine (nicht steuerbare) Beistellung scheidet dann aus.

Persönliche Steuerpflicht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Die Besteuerung von Einkünften von Influencerinnen und Influencern, wenn diese ganz oder teilweise im Ausland wohnhaft sind oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder dort Einkünfte erzielen, kann hier nur oberflächlich angesprochen werden um für die damit in Zusammenhang stehenden Themen zu sensibilisieren. Die frühzeitige Einbeziehung einer Steuerberaterin, bzw. eines Steuerberaters ist in diesen Fällen unbedingt empfehlenswert.
Bei der persönlichen Steuerpflicht ist im internationalen Steuerrecht zunächst zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht zu unterscheiden. So sind natürliche Personen mit ihrem weltweit erzielten Einkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (Welteinkommensprinzip), wenn diese ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Hat eine natürliche Person zwar ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, erzielt aber im Ausland Einkünfte, so wird sie im Ausland regelmäßig mit den dort erzielten Einkünften nach dem dort geltenden Steuerrecht (unterstellt die dortigen Steuergesetze sind mit denen in Deutschland vergleichbar) dort beschränkt steuerpflichtig.
Hinweis: Der umgekehrte Fall, in welchem eine natürliche Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und in Deutschland mit ihren Einkünften beschränkt steuerpflichtig wird, soll hier nicht thematisiert werden.

Unbeschränkte Steuerpflicht

Natürliche Personen sind mit ihrem weltweit erzielten Einkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig (Welteinkommensprinzip). Voraussetzung dafür ist, dass diese ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Gem. § 8 Abgabenordnung (AO) hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) führt das u.a. aus:
Mit Wohnung sind die objektiv zum Wohnen geeigneten Wohnräume gemeint. Es genügt eine bescheidene Bleibe. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit i.S.d. Bewertungsrechts. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d.h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen.
Den gewöhnlichen Aufenthalt gem. § 9 S. 1 AO hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt, § 9 S. 2 AO.
Hinweis: Was sich zunächst einfach anhört, kann in Zeiten der Globalisierung im Einzelfall je nach Lebenssituation der/des Steuerpflichtigen schwierig zu beurteilen sein. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 8 und § 9 enthält dazu weitere Informationen. Bitte beziehen Sie auch immer Ihre Steuerberatung frühzeitig mit ein.

Beschränkte Steuerpflicht

Hat eine natürliche Person in Deutschland ihren Wohnsitz und erzielt im Ausland Einkünfte, so wird sie im Ausland regelmäßig mit den im Ausland erzielten Einkünften dort beschränkt steuerpflichtig. Hat diese natürliche Person im Ausland einen Wohnsitz, so wird sie dort regelmäßig ebenfalls unbeschränkt steuerpflichtig sein.

Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkünften

Bei solchen grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage nach einer Doppelbesteuerung der Einkünfte und wie diese vermieden werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland mit vielen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Dabei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die das Besteuerungsrecht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Vertragsstaaten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten regeln. Um eine doppelte Besteuerung von Einkünften bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vermeiden, verzichtet entweder einer der Staaten auf sein Besteuerungsrecht oder die Steuer wird auf die im jeweils anderen Staat gezahlte Steuer angerechnet.
Hinweis: Weitere Informationen zum Stand der Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland können Sie unserem Merkblatt, sowie dem BMF-Schreiben vom 18. Januar 2023 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 186 KB) entnehmen.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: August 2023
Recht und Steuern

Steuerinfo August 2021

+++ Aktuelle Steuerpolitik und Steuerrecht +++

Steuerliche Maßnahmen für Betroffene der Flutkatastrophe

"Katastrophenerlasse" wurden erweitert
Die betroffenen Länder der Flutkatastrophe haben sogenannte Katastrophenerlasse mit verschiedenen steuerlichen Erleichterungen herausgegeben. Diese sollen nun ausgeweitet und weiter konkretisiert werden. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt.
Bund und Länder haben sich hierzu in Sondersitzungen u.a. auf folgende Punkte verständigt:
  • Geringere Nachweispflichten bei der Prüfung der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit
  • Ermöglichung des Einsatzes eigener Mittel gemeinnütziger Körperschaften zur Unterstützung der Betroffenen auch außerhalb der Satzungszwecke
  • Gewährung des Betriebsausgabenabzugs für zahlreiche Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen
  • Möglichkeit für Arbeitgeber, ihren geschädigten Angestellten unentgeltlich Verpflegung zur Verfügung zu stellen, und z. B. Fahrzeuge, Wohnungen und Unterkünfte steuerfrei zur Nutzung zu überlassen
  • Ermöglichung für Unternehmen, unentgeltlich Beherbergungs- und sonstige Leistungen (z. B. Aufräum-Arbeiten mit eigenem Gerät und Personal) für Betroffene zu erbringen oder für den täglichen Bedarf notwendige Güter zur Verfügung zu stellen, ohne dass dies eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe oder eine Vorsteuerkorrektur auslöst und
  • Möglichkeit der Herabsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2021 gegebenenfalls bis auf null, ohne dass die gewährte Dauerfristverlängerung durch die Erstattung bzw. Festsetzung auf null berührt wird.

Änderung der bisherigen Erlasse

Die betroffenen Länder haben bereits angekündigt, ihre bereits herausgegebenen Katastrophenerlasse entsprechend anzupassen.
Zudem haben Bund und Länder vereinbart, dass die steuerlichen Erleichterungen zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe auch dann greifen, wenn die zuwendende Person nicht in einem vom Hochwasser betroffenen Land wohnt. Dadurch wird aus steuerrechtlicher Sicht sichergestellt, dass alle Zuwendungen die Betroffenen schnell und unbürokratisch erreichen und dass das ehrenamtliche Engagement nicht vor den Landesgrenzen Halt macht.

Umsatzsteuerliche Erleichterungen

Mit Schreiben vom 23. Juli 2021 wurden zudem umsatzsteuerliche Erleichterungen beschlossen. Unter anderem wird auf die Besteuerung von unentgeltlicher Wertabgaben verzichtet, wenn Wohnraum, z. B. Hotelzimmer oder andere betriebliche Gegenstände, unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Der Vorsteuerabzug bleibt erhalten. Auch bei Spenden wird auf eine Besteuerung, befristet bis Ende Oktober 2021, und der Vorsteuerabzug weiter gewährt.

Beihilferechtliche Einordnung der Hilfen bezüglich der Flutkatastrophe

Beihilferechtliche Vorgaben gelten
Bei den Zahlungen der kurzfristigen Hilfen an Unternehmen im Rahmen der Flutkatastrophe sind auch EU-beihilferechtliche Vorgaben zu beachten. In der Folge finden Sie einen Überblick über die Hochwasser-Hilfen aus dem Jahr 2013 und einen Vergleich zur aktuellen Rechtslage.

Einordnung der Hilfen im Jahr 2013

Die Soforthilfe für Unternehmen in Höhe von 1.500 Euro, ausgereicht über die Landkreise, war ein Baustein der Unterstützung im damaligen Krisenfall und ist einer beihilferechtlichen Entscheidung (dazu sogleich) vorausgegangen. Daraus erklärt sich auch, dass der Erlass vom 6. Juni 2013 keine explizite Aussage enthält; er hat das spätere Ergebnis der beihilferechtlichen Prüfung gleichsam vorweggenommen.
Zusammen mit anderen Maßnahmen erfolgte eine Notifizierung bei der Europäischen Kommission (KOM): https://ec.europa.eu
Die KOM hat mit Beschluss vom 16. August 2013 festgestellt, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt als vereinbar angesehen werden kann (Tz. 44).

Einordnung der aktuellen Hochwasser-Hilfen

Die heutige Rechtslage ist nicht ohne Weiteres mit derjenigen des Jahres 2013 vergleichbar. Als Lösung kommt
in Betracht.
Welcher der genannten Wege beschritten wird, hängt unter anderem davon ab, welche Bedarfe aus Sicht des Bundes bzw. der betroffenen Länder (vornehmlich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) bestehen und welche Formen der Unterstützung am geeignetsten erscheinen.

Informationen zu Hilfen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe

Umfangreiche finanzielle Hilfen beschlossen
Die Flutkatastrophe in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen haben zu erheblichen Schäden geführt. Es wurden bereits zahlreiche Hilfen beschlossen.
Hier ein Überblick:

Bundeshilfen

Das Bundeskabinett hat am 21. Juli 2021 eine 400 Millionen Euro-Soforthilfe (200 Millionen Bund + 200 Millionen Länder) beschlossen.
Anders als bei den Fluthilfen 2002 und 2013 hat sich das Kabinett darauf verständigt, auf die Soforthilfeprogramme der Länder abzustellen und sich daran mit 50 Prozent der Kosten zu beteiligen.

Eigenständige Programme der Länder

Die Länder legen eigenständig die Programmvergabekriterien fest und sind daher auch Ansprechpartner zu Verfahrensfragen bei Antragstellung und Bewilligung sowie zu einzelnen Konditionen.
An weiteren Maßnahmen wird gearbeitet.
Nach ersten Schätzungen belaufen sich allein die Schäden an der Infrastruktur mehr als 700 Millionen Euro.
Sie finden aktuelle Informationen, auch aus den Regionen, finden Sie auf der Website des DIHK zur Hochwasser-Hilfe.

Keine Umsatzsatzsteuer für Hilfeleistungen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe

BMF-Schreiben vom 23. Juli 2021 ermöglicht umsatzsteuerliche Erleichterungen
Öffentliche Hand und private Unternehmen müssen keine umsatzsteuerlichen Nachteile für Hilfeleistungen zur Bewältigung der Flutkatastrophe vom Juli 2021 in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen befürchten. Im Wege einer Billigkeitsregelung wird von der Besteuerung sogenannter unentgeltlicher Wertabgaben sowie einer Vorsteuerkorrektur bzw. einem Vorsteuerausschluss abgesehen.
Wurde für Gegenstände bzw. Vorleistungen eines Unternehmens der Vorsteuerabzug geltend gemacht, wird in bestimmten Fällen die unentgeltliche Verwendung als sogenannte unentgeltliche Wertabgabe besteuert. Damit soll ein unversteuerter Endverbrauch außerhalb der unternehmerischen Nutzung verhindert werden. Für Hilfeleistungen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe wird auf diese Nachversteuerung verzichtet. Dabei sind je nach Konstellation verschiedene Zeiträume zu beachten.

Unentgeltliche Überlassung von Wohnraum

Stellen private Unternehmen Unterkünfte, die für eine umsatzsteuerpflichtige Verwendung vorgesehen waren (wie Hotelzimmer, Ferienwohnungen oder ähnliches) kostenlos Personen zur Verfügung, die infolge der Flutkatastrophe vom Juli 2021 obdachlos geworden sind oder als Helfer in den Krisengebieten tätig sind, wird von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe und einer Vorsteuerkorrektur bis zum 31. Dezember 2021 abgesehen. Für den Bezug von Nebenleistungen wie Strom, Wasser oder ähnliches, die der Unternehmer den Flutopfern bzw. Helfern unentgeltlich im Rahmen der Beherbergung überlässt, wird ausnahmsweise der Vorsteuerabzug aus den laufenden Kosten gewährt.

Auch Hilfeleistung für eigenes Personal

Befristet bis zum 31. Oktober 2021 wird auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe auch dann verzichtet, wenn die Verwendung von Gegenständen, für die zuvor der volle oder teilweise Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, bzw. die Erbringung von sonstigen Leistungen (z. B. Personalgestellung) unentgeltlich zur Bewältigung der unwetterbedingten Schäden und Folgen der Flutkatastrophe erfolgt und deren Zweck außerhalb des Unternehmens liegt oder für den privaten Bedarf des durch die Unwetter betroffenen Personals erfolgt. Beispielhaft werden insoweit die unentgeltliche Überlassung von Baufahrzeugen oder Aufräum-Arbeiten mit eigenem Gerät und Personal genannt.

Herabsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2021

Von der Flutkatastrophe betroffene Unternehmen können auf Antrag die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2021 gegebenenfalls bis auf null herabgesetzt werden – und damit im Ergebnis erstattet werden. Die gewährte Dauerfristverlängerung bleibt unabhängig davon bestehen.

Sachspenden

Für Spenden von Unternehmen in der Zeit vom 15. Juli bis zum 31. Oktober 2021 wird ebenfalls auf die Besteuerung nach § 3 Abs. 1b UStG verzichtet, wenn es sich um
  • Lebensmittel oder Tierfutter,
  • Gegenstände des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Kleidung, Geschirr, medizinische Produkte, Hygieneartikel, Reinigungsmittel oder
  • unmittelbar für die Bewältigung der Unwetterereignisse dienende Wirtschaftsgüter wie beispielsweise Pumpen, Werkzeug, Maschinen handelt.
Zudem müssen die Gegenstände den unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen zugutekommen.
Auch wenn die Gegenstände bereits mit der Absicht erworben werden, diese entsprechend zu spenden, wird der Vorsteuerabzug ausnahmsweise nicht ausgeschlossen.

“Überbrückungshilfe III Plus” gestartet

Anträge seit 23. Juli 2021 möglich
Die verlängerte „Überbrückungshilfe III Plus“ kann seit dem 23. Juli 2021 beantragt werden. Die FAQ sind ebenfalls veröffentlicht. Umfassende Informationen und weiterführende Links finden Sie im folgenden Artikel.
In den hier verlinkten FAQs finden Sie alle Informationen zur Überbrückungshilfe III Plus. Für den schnellen und informativen Überblick haben wir hier die wichtigsten Punkte aus den FAQs für Sie zusammengefasst:

Fortführung der Überbrückungshilfe III

Die bislang bis Ende Juni befristete „Überbrückungshilfe III“ wird künftig als "Überbrückungshilfe III Plus" von Juli bis September (4. Phase) fortgeführt. Die Bedingungen entsprechen denjenigen der Überbrückungshilfe III.

Umsatzeinbruch

Auch für die Überbrückungshilfe III Plus muss ein Corona-bedingter Umsatzeinbruch in einem Monat des Förderzeitraums von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat im Jahr 2019 vorliegen. Nicht gefördert werden Umsatzausfälle, die z. B. nur aufgrund regelmäßiger saisonaler oder anderer dem Geschäftsmodell inhärenter Schwankungen auftreten. Der Antragsteller oder die Antragstellerin hat zu versichern und so weit wie möglich darzulegen, dass die ihm entstandenen Umsatzeinbrüche, auf deren Basis die Überbrückungshilfe beantragt wird, Corona-bedingt sind.

Maximale Höhe: 52 Millionen Euro

Der maximale Zuschuss beträgt 10 Millionen Euro pro Fördermonat. Dies gilt auch für verbundene Unternehmen. Die Auszahlung der Förderung erfolgt bis zu den durch das europäische Recht vorgegebenen beihilferechtlichen Obergrenzen und nur soweit diese noch nicht erreicht sind. Die maximale Gesamthöhe der Überbrückungshilfe III und Überbrückungshilfe III Plus auf Grundlage der Allgemeinen Bundesregelung Schadensausgleich, COVID-19, beträgt 40 Millionen Euro. Hinzu kommen maximal 10 Millionen Euro auf Grundlage der Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020, maximal 1,8 Millionen Euro auf Grundlage der Bundesregelung Kleinbeihilfe 2020 und maximal 200.000 Euro auf Grundlage der De-minimis-Verordnung – also liegt die Obergrenze aktuell bei 52 Millionen Euro.

Fixkostenanteil

Die Überbrückungshilfe III Plus erstattet wie bisher einen Anteil in Höhe von
  • bis zu 100 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei Umsatzeinbruch > 70 Prozent
  • bis zu 60 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei Umsatzeinbruch ≥ 50 Prozent und ≤ 70 Prozent
  • bis zu 40 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei Umsatzeinbruch ≥ 30 Prozent und < 50 Prozent
im Fördermonat im Vergleich zum entsprechenden Monat des Jahres 2019.

Eigenkapitalzuschuss

Hinzu kommt wieder ein Eigenkapitalzuschuss, wenn der Umsatzrückgang mindestens 50 Prozent in drei Monaten beträgt.

Fixkostenkatalog

Der Fixkostenkatalog entspricht dem Katalog der Überbrückungshilfe III. Auch die Sonderabschreibungen für Einzelhandel und Gastronomie für saisonale Ware sind wieder in den Fixkosten enthalten. Diese gelten für aktuelle Sommer-/Herbstsaisonwaren, die vor dem 1. Juli 2021 eingekauft wurden und bis 30. September 2021 ausgeliefert wurden. Stichtag für die endgültige Bewertung der Abschreibung der Sommer-/Herbstsaisonware ist der 31. Dezember 2021.

Restart-Prämie

Neu ist eine "Restart-Prämie", mit der Unternehmen einen höheren Zuschuss zu Personalkosten erhalten können - falls sie Personal aus der Kurzarbeit zurückholen oder neu einstellen. Diese kann alternativ zur allgemeinen Personalkostenpauschale (20 Prozent der Fixkosten 1-11) geltend gemacht werden. Die Restartprämie beträgt 60 Prozent der Differenz der tatsächlichen Personalkosten im Fördermonat Juli 2021 zu den Personalkosten im Mai 2021. Im August beträgt der Zuschuss 40 Prozent und im September 20 Prozent. Die tatsächlichen Personalkosten in den Fördermonaten können nur bis maximal zur Höhe der Personalkosten im Vergleichszeitraum (also i.d.R. der entsprechende Monat im Jahr 2019) herangezogen werden. Neueinstellungen sind nur förderfähig, wenn es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigte handelt. Auch die Erhöhung der Beschäftigung fällt darunter, wenn bestehende Beschäftigungsverhältnisse erhöht werden (z. B. Arbeitszeiterhöhung von Teilzeitkräften) sowie die Übernahme von Auszubildenden erfolgen. Lohnerhöhungen gelten nicht als Ausweitung der Beschäftigung.

Abschlagszahlungen

Es erfolgen wieder Abschlagszahlungen (50 Prozent der beantragten Förderung), max. 100.000 Euro je Monat (bis zu 3 x 100.000 Euro = 300.000 Euro für drei Fördermonate).
Die Zuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn der Antragssteller oder die Antragstellerin die Geschäftstätigkeit vor dem 30. September 2021 dauerhaft einstellt.
Besonders von der Pandemie betroffene Unternehmen wie die Reisebranche oder die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft können zusätzliche Förderungen aus speziellen Branchenprogrammen beantragen.

Antragsüberprüfung durch Dritte

Die Überbrückungshilfe III Plus kann nur über einen prüfenden Dritten beantragt werden. Die Antragsfrist endet am 31. Oktober 2021.

Hilfen für von der Flut getroffene Unternehmen

Noch ein Hinweis bezüglich der betroffenen Unternehmen in den Gebieten der Flutkatastrophen: Es wird diskutiert, ob eine „Flutpauschale“ (z. B. 10.000 Euro) an Unternehmen gewährt werden, die nun doppelt betroffen sind. Diese sollen aber, wenn sie beschlossen sind, über die Härtefallfonds ausgezahlt werden. Dies wird mit den Ländern gerade abgestimmt.

“Neustarthilfe Plus” gestartet

Anträge seit 16. Juli 2021 möglich
Anträge auf „Neustarthilfe Plus“ natürlicher Personen für den Förderzeitraum Juli bis September 2021 können seit 16. Juli 2021 zur Überbrückungshilfe gestellt werden. Dies bildet den Auftakt für die Antragstellung zu den Wirtschaftshilfen für das dritte Quartal 2021.
Die Plattform zur Beantragung der Neustarthilfe III plus erreichen Sie unter www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de

Verlängerung bis Ende September 2021

Unternehmen und Soloselbstständige, die von Corona-bedingten Schließungen und Beschränkungen auch im dritten Quartal 2021 stark betroffen sind, erhalten weiterhin umfassende Unterstützung. Die Bundesregierung hat Mitte Juni die Verlängerung der zentralen Corona-Hilfsprogramme bis zum 30. September 2021 als „Überbrückungshilfe III Plus und „Neustarthilfe Plus beschlossen.

Anträge auf Neustarthilfe Plus

Betroffene, die als natürliche Personen selbstständig oder kurzfristig in den Darstellenden Künsten sowie unständig beschäftigt sind, können Direktanträge auf Neustarthilfe Plus stellen. Die Antragstellung für Soloselbstständige, die als juristische Person organisiert sind und Anträge überprüfende Dritte stellen, startet in wenigen Wochen.

Neuerungen bei der Neustarthilfe Plus

Neu im Programm der Neustarthilfe Plus ist:
  • Mit der Fortführung als Neustarthilfe Plus im dritten Quartal erhöht sich die Unterstützung für Soloselbstständige von bislang bis zu 1.250 Euro pro Fördermonat im Zeitraum Januar bis Juni 2021 auf bis zu 1.500 Euro pro Fördermonat im Zeitraum Juli bis September 2021.
  • Die Bedingungen zur Endabrechnung der Neustarthilfe (Förderzeitraum Januar 2021 bis Juni 2021) werden in der Neustarthilfe Plus fortgeschrieben. Die dort anzugebenden Umsätze beziehen sich nunmehr auf den dreimonatigen Förderzeitraum Juli bis September 2021.
  • Die bereits im Rahmen der Neustarthilfe geltenden Sonderregelungen, bspw. für Antragstellende in Elternzeit, werden – mit leichten Anpassungen an den kürzeren Förderzeitraum von drei Monaten – fortgeführt.
  • Die Neustarthilfe Plus richtet sich weiterhin an die Betroffenen, die Corona-bedingte Umsatzeinbußen verzeichnen, aufgrund geringer Fixkosten aber kaum von der Überbrückungshilfe III Plus profitieren. Wie bisher können neben Soloselbstständigen (mit oder ohne Personengesellschaft) auch kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten, unständig Beschäftigte aller Branchen sowie Kapitalgesellschaften und Genossenschaften antragsberechtigt sein.

Vorschuss ohne Anrechnung auf die Grundsicherung

Die Neustarthilfe Plus wird – wie die Neustarthilfe – als Vorschuss ausgezahlt und nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Direktanträge können über die Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de gestellt werden.
Die Antragstellung für Soloselbstständige, die als juristische Person organisiert sind und Anträge überprüfende Dritte stellen, startet in wenigen Wochen.
Die FAQ sind unter folgendem Link verfügbar: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de

BFH urteilt zu Betriebsveranstaltungen

Kosten des Arbeitgebers sind auf anwesende Arbeitnehmer zu verteilen
Der BFH hat mit Urteil vom 29. April 2021 Az.: VI R 31/18, veröffentlicht am 15. Juli 2021, über die steuerliche Behandlung von Betriebsveranstaltungen nach dem Recht ab 2015 entschieden. Die danach zu berücksichtigenden Aufwendungen (Gesamtkosten) des Arbeitgebers sind zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin plante Ende des Jahres 2016 die Durchführung eines gemeinsamen Kochkurses als Weihnachtsfeier. Nach dem Konzept des Veranstalters durfte jeder Teilnehmer unbegrenzt Speisen und Getränke verzehren. Von den ursprünglich angemeldeten 27 Arbeitnehmern sagten zwei kurzfristig ab, ohne dass dies zu einer Reduzierung der bereits veranschlagten Kosten durch den Veranstalter führte. Die Arbeitgeberin berechnete im Rahmen der Lohnversteuerung die Zuwendung an die einzelnen Arbeitnehmer, indem sie die ursprünglich angemeldeten 27 Arbeitnehmer berücksichtigte. Demgegenüber verlangte das FA, dass auf die tatsächlich teilnehmenden 25 Arbeitnehmer abzustellen sei, so dass sich ein höherer zu versteuernder Betrag ergab.

Finanzgericht: No-Show-Kosten nicht zu Lasten der anwesenden Arbeitnehmer

Das Finanzgericht gab der Arbeitgeberin in der Klage Recht und entschied, dass die No-Show-Kosten der nicht teilnehmenden Arbeitnehmer nicht zu Lasten der anwesenden Arbeitnehmer gehen könnten.
Die Revision des Finanzamtes gegen das Urteil war erfolgreich.  Der BFH führt aus: Das Finanzgericht hat die Höhe des dem einzelnen Arbeitnehmer anlässlich der Betriebsveranstaltung zugewandten Arbeitslohns fehlerhaft bemessen. Denn es hat hierbei zu Unrecht auf die Anzahl der angemeldeten Arbeitnehmer und nicht auf die an der Betriebsveranstaltung Teilnehmenden abgestellt.

Anfallende Kosten auf Anwesende verteilen

Die Zuwendungen für Betriebsveranstaltungen sind gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 5 EStG und somit abweichend von § 8 Abs. 2 EStG mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 2 EStG anzusetzen.
Bei der Bewertung von Arbeitslohn anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind alle mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen, ungeachtet dessen, ob sie beim Arbeitnehmer einen Vorteil begründen können.
Die entstehenden Kosten sind auf die anwesenden Arbeitnehmer umzulegen.

Klarstellungen für mehr Sicherheit bei Kassensicherungsverordnung

Spitzenverbände wenden sich an das Bundesfinanzministerium
Eine Ergänzung der Orientierungshilfe für die Anwendung des § 146a AO und der Kassensicherungsverordnung haben der DIHK und weitere Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft beim Bundesfinanzministerium (BMF) angeregt.
Mit Blick auf die den Unternehmen obliegende Aufrüstungsverpflichtung beim Einsatz von Kassenautomaten sind weitergehende Klarstellungen für betroffene Unternehmen von besonderer Wichtigkeit.
Daher haben sich die Spitzenverbände mit Schreiben vom 16. Juli 2021 an das BMF gewandt und eine Ergänzung der „Orientierungshilfe für die Anwendung des § 146a AO und der KassenSichV für eine rechtssichere Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungsautomaten“ angeregt. 
In der Eingabe wird unter anderem eine klare Abgrenzung oder Definition für Waren- und Dienstleistungsautomaten gefordert. Zudem stellen sich Fragen bei Kassenautomaten, ob eine Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) erforderlich ist. Die Verbände fordern das BMF auf, die FAQs diesbezüglich zu ergänzen.

Verlängerung der Abgabefristen für Steuererklärungen des Jahres 2020

Bundesfinanzministerium äußert sich zu Anwendungsfragen
Angesichts der weiterhin andauernden, durch die Corona-Pandemie verursachten Ausnahmesituation hatte der Gesetzgeber mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz die Steuererklärungsfristen in beratenen wie in nicht beratenen Fällen sowie die zinsfreien Karenzzeiten (§ 233a AO) um drei Monate verlängert. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dazu weitere Detailregelungen veröffentlicht.
Nach langwierigen Beratungen wurde am 21. Mai 2021 das „Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie“ vom Deutschen Bundestag beschlossen und nach Zustimmung durch den Bundesrat am 25. Juni 2021 am 30. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Im Fokus der öffentlichen Diskussionen standen seinerzeit die umfangreichen Veränderungen bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte (Wegzugsbesteuerung, Hinzurechnungsbesteuerung, hybride Gestaltungen).

Fristverlängerungen und Erweiterung der Karenzzeit

Auf Anregung des Bundesrates wurden kurzfristig jedoch noch weitere verfahrensrechtliche Regelungen vor der 2. und 3. Lesung im Deutschen Bundestag aufgenommen:
  • Aufgenommen wurde eine dreimonatige Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen des Veranlagungszeitraumes 2020, welche sowohl von Steuerpflichtigen selbst (Fristende 31. Oktober 2021), als auch durch Angehörige der steuerberatenden Berufe (Fristende 31. Mai 2022) erstellt werden.
  • Auch die besonderen Abgabefristen für Steuerpflichtige mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft verlängern sich um drei Monate.
  • Parallel wird die Karenzzeit zur Verschonung von Verzugszinsen auf Steuerschulden um drei Monate ausgeweitet und geregelt, dass auch Verspätungszuschläge erst nach 17 (statt 14 Monaten) nach Ablauf des Kalenderjahres 2020 festgesetzt werden.

Besondere Belastung durch Corona-Pandemie

Hintergrund sind die Belastungen in der Corona-Pandemie für Bürgerinnen und Bürger und Angehörige der steuerberatenden Berufe – letztere hatten bereits im Februar 2021 einen Aufschub um sechs Monate für den Veranlagungszeitraum 2019 erhalten. Bislang galt, dass Steuer- und Feststellungserklärungen grundsätzlich („unberatene Fälle“) bis 31. Juli 2021, also sieben Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, abzugeben sind (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Für 2020 gilt nun eine längere Frist (vgl. § 108 Abs. 3 AO) bis zum 31. Oktober 2021. In sog. „beratenen Fällen“ ist eine Abgabe grundsätzlich bis zum letzten Tag des Monats Februar möglich (neu: 31. Mai 2022 für Erklärungen 2020).

BMF-Schreiben mit konkreten Anwendungsfragen

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 20. Juli 2021 werden Anwendungsfragen aufgegriffen.
  • So wird unter anderem bestimmt, dass die gesetzlichen Fristverlängerungen von Amts wegen zu beachten sind und ein Antrag des Steuerpflichtigen entbehrlich ist.
  • In nichtberatenen Fällen bleibt die Möglichkeit unberührt, über die gesetzliche Verlängerung hinaus eine weitergehende Fristverlängerung zu beantragen bzw. zu gewähren. In beratenen Fällen hingegen gilt dieses nur dann, wenn der Steuerpflichtige und sein Vertreter nachweislich ohne Verschulden verhindert waren, die Erklärungsfrist einzuhalten.
  • In letzteren Fällen kann auch weiterhin von der sogenannten Vorabanforderung Gebrauch gemacht werden.
  • In Bezug auf die verlängerte zinsfreie Karenzzeit gilt die gesetzliche Verlängerung gleichermaßen für Nachzahlungs- wie für Erstattungszinsen und ist nicht auf beratene Fälle beschränkt.

Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

BMF-Schreiben vom 8. Juli 2021 setzt geänderte BFH-Rechtsprechung um
Bislang wurde die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich der Selbständigkeit zugeordnet, was die Umsatzsteuerpflicht der Aufsichtsratsvergütung – bei gleichzeitigem Vorsteuerabzugsrecht – nach sich zog. Das ist künftig nicht mehr der Fall. Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen und Rechtsfolgen.
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) Ende 2019 seine Rechtsprechung für die Fälle geändert hat, in denen eine nicht variable Festvergütung gezahlt wurde, hat das BMF nunmehr den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend angepasst. Maßgeblich wird dabei auf das Nicht-/Bestehen eines Vergütungsrisikos abgestellt.

Frage des Vergütungsrisikos

Sofern dem Aufsichtsratsmitglied eine nicht variable Festvergütung gezahlt wird und er somit kein Vergütungsrisiko trägt, wird seine Tätigkeit als nicht selbständig eingestuft. Das ist aus Sicht der Finanzverwaltung insbesondere der Fall, wenn eine pauschale Aufwandsentschädigung für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Etwas anderes gilt für Aufwandsentschädigungen, die nach dem tatsächlichen Aufwand des Aufsichtsratsmitglieds bemessen werden. Auch Sitzungsgelder, die anhand der tatsächlichen Sitzungsteilnahme bemessen werden, werden nicht als Festvergütung im obigen Sinne eingestuft. Unerheblich ist, ob die Vergütung in einer Geldzahlung oder in Sachzuwendungen besteht.
Hinsichtlich der Frage, wann ein Vergütungsrisiko für ein Aufsichtsratsmitglied besteht, wird in dem Anwendungsschreiben klargestellt, dass dies nicht schon dann gilt, wenn die Vergütung nachträglich für mehrere Jahre gezahlt wird.
Wenn ein Mitglied eines Aufsichtsrats kein Vergütungsrisiko trägt, ist auch nicht deshalb von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, weil es unter den Voraussetzungen des § 116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet.

Gemischte Vergütungen

Besteht die Vergütung sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, wird grundsätzlich eine selbständige Tätigkeit angenommen, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 Prozent der gesamten Vergütung betragen. In begründeten Fällen ist eine abweichende Beurteilung möglich. Aufwandsentschädigungen sind bei der Berechnung der 10-Prozent-Grenze zu berücksichtigen, nicht jedoch Reisekostenerstattungen. Letztere stellen keinen Vergütungsbestandteil dar.

Separate Prüfung jedes Aufsichtsratsmandats

Die Frage der Selbständigkeit ist anhand der zuvor beschriebenen Grundsätze für jedes Mandat eines Aufsichtsrates separat zu prüfen. Sie sind über die reine Aufsichtsratstätigkeiten hinaus auch für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen, anzuwenden.

Besonderheit bei öffentlich Bediensteten und politischen Mandatsträgern

Nehmen Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft oder Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung eine Aufsichtsratstätigkeit wahr, wird es unter bestimmten Voraussetzungen nicht beanstandet, wenn diese Tätigkeit als nicht selbständig behandelt wird. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung des Arbeitgebers oder Dienstherren übernommen wurde bzw. im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Regierung steht und eine – zumindest teilweise – öffentlich-rechtliche Abführungspflicht besteht.

Keine Einheitlichkeit der Rechtsordnung

Grundsätzlich ist die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen für Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (Abschnitt 2.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). In Bezug auf die Beurteilung der Selbständigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern gilt dies jedoch nicht; siehe Satz 2, 2. HS UStAE-neu.

Anwendungsregelung

Die neuen Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Um Übergangsschwierigkeiten zu vermeiden, wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die bisherigen Regelungen zu Aufsichtsratstätigkeiten in Abschnitt 2.2. UStAE noch auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 ausgeführt werden.

Steuerliche Behandlung von „Cum/Cum-Transaktionen“

BMF-Schreiben aus 2017 überarbeitet
Die verschiedenen Gestaltungen im In- und Ausland und die entsprechenden steuerlichen Beurteilungen von "Cum/Cum-Transaktionen" werden im jüngsten Schreiben des BMF vom 9. Juli 2021 erörtert. Mit dem neuen Schreiben wurde das bisherige Schreiben vom 17. Juli 2017 neu gefasst. Details erfahren Sie hier.

Definition von "Cum/Cum-Transaktionen"

Der Begriff „Cum/Cum-Transaktion“ steht für eine Aktientransaktion, bei der das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft „mit Dividendenberechtigung“ vereinbart wird und die anschließende Lieferung der Aktien (dingliches Verfügungsgeschäft) ebenfalls „mit Dividendenberechtigung“ erfolgt. Lieferung mit Dividendenberechtigung meint, dass dem Erwerber das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien noch vor oder spätestens am Dividendenstichtag (= Tag der Hauptversammlung der ausschüttenden Gesellschaft) verschafft wird.
Im BMF-Schreiben sind zahlreiche Fallgestaltungen mit Beispielen erörtert. Es kann unter folgendem LINK abgerufen werden.

Steuerliche Anerkennung von Umzugskosten nach R 9.9 Absatz 2 Lohnsteuer-Richtlinien (LStR)

Änderung der Pauschalen ab 1. April 2021
Mit BMF-Schreiben vom 21. Juli 2021 hat die Finanzverwaltung die neuen und geänderten Pauschalen für berufliche Umzüge ab 1. April 2021 bzw. 1. April 2022 bekannt gegeben. Diese Pauschalen können vom Arbeitgeber steuerfrei an die betreffenden Arbeitnehmer erstattet werden.
Maßgeblich für die Ermittlung der Pauschalen ist der Tag vor dem Einladen des Umzugsguts.
Pauschbetrag für Umzüge
Der Pauschbetrag für sonstige Umzugsauslagen beträgt:
für Berechtigte (Arbeitnehmer):
ab 1. April 2021: 870 Euro
ab 1. April 2022: 886 Euro.
für jede andere Person (Ehegatte, der Lebenspartner sowie die ledigen Kinder, Stief- und Pflegekinder, die auch nach dem Umzug mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben):
ab 1. April 2021: 580 Euro
ab 1. April 2022: 590 Euro.
für Berechtigte, die am Tage vor dem Einladen des Umzugsgutes keine Wohnung hatten oder nach dem Umzug keine eigene Wohnung eingerichtet haben:
ab 1. April 2021: 174 Euro
ab 1. April 2022: 177 Euro.
Pauschbetrag für zusätzlichen Unterricht
Der Höchstbetrag nach § 9 Abs. 2 BUKG, der für die Anerkennung von Auslagen für den durch den Umzug bedingten zusätzlichen Unterricht für ein Kind des Berechtigten maßgebend ist, beträgt ab
1. April 2021: 1.160 Euro
1. April 2022: 1.181 Euro.

+++ Aktuelle Haushaltspolitik +++

Steuereinnahmen im Juni 2021 – kräftiger Zuwachs von 13 Prozent

Steuereinnahmen im ersten Halbjahr nun mit einem stabilen Plus von 5,9 Prozent
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) stiegen im Juni 2021 um 12,9 Prozent gegenüber Juni 2020. Die konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Krise belasteten weiterhin das Steueraufkommen. Im Vergleich zum Juni 2019 fielen die Steuereinnahmen um 8,6 Prozent niedriger aus. Dennoch ist eine stabile Erholung sichtbar.
Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern lagen insgesamt um 14,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Neben der veranlagten Einkommensteuer (+15,4 Prozent) verzeichnete die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge (+83,5 Prozent) Zuwächse. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer stiegen leicht um 1,9 Prozent.

Gemischtes Bild bei den einzelnen Steuerarten

Bei den Bundessteuern ergab sich im Juni ein Einnahmeplus im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent. Deutlich höher fielen die Einnahmen aus der Energiesteuer (+19,4 Prozent) und der Kraftfahrzeugsteuer (+12,7 Prozent) aus.
Die Einnahmen aus den Ländersteuern stiegen erneut kräftig um 19,6 Prozent, u.a. aufgrund eines starken Zuwachses der Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer (+20,6 Prozent). Die Einnahmen aus den Ländersteuern liegen bereits um 28 Prozent über dem Vor-Corona-Ergebnis von Juni 2019.

Erstes Halbjahr 2021: Plus deutet auf wirtschaftliche Erholung

Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den ersten sechs Monaten zeigt eine fortgesetzte Belebung der deutschen Wirtschaft: Das Steueraufkommen insgesamt ist um 5,9 Prozent gegenüber Juni 2020 gestiegen. Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern legten um 8,0 Prozent zu; das Aufkommen der Ländersteuern stieg um 10,4 Prozent. Die Einnahmen aus den Bundessteuern liegen immer noch mit 6,5 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden

Die Steuereinnahmen des Bundes nach Verrechnung von Bundesergänzungszuweisungen verzeichneten von Januar bis Juni 2021 einen leichten Zuwachs von 1,3 Prozent gegenüber dem Ergebnis der ersten sechs Monate des Jahres 2020. Die Länder verbuchten für den Zeitraum von Januar bis Juni 2021 einen Zuwachs von 8,5 Prozent. Die Einnahmen der Gemeinden aus ihrem Anteil an den Gemeinschaftssteuern liegen mit einem Plus von 1,5 Prozent leicht über dem Niveau des Vorjahres.

+++ Internationale und Europäische Haushalts- und Steuerpolitik +++

G20-Staaten vereinbaren Reform der internationalen Besteuerung

Zwei-Säulen-Lösung aus Gewinnumverteilung und Mindeststeuer
Auf eine - aus Sicht der beteiligten Staaten - „stabilere und gerechtere internationale Steuerarchitektur“ haben sich die G20-Staaten am 10. Juli 2021 geeinigt. Sie befürworteten demnach die Schlüsselkomponenten der beiden Säulen zur Umverteilung von Gewinnen multinationaler Unternehmen und einer effektiven globalen Mindeststeuer, die vom OECD/G20 Inclusive Framework veröffentlicht wurden.
In der „Stellungnahme zu einer Zwei-Säulen-Lösung zur Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen durch die Digitalisierung der Wirtschaft“ hatte das OECD/G20 Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), kurz: IF, dargelegt, dass sie die Umsetzung eines Zwei-Säulen-Konzeptes bis zum nächsten Treffen im Oktober dieses Jahres planen.
In einem nunmehr veröffentlichten Kommuniqué  der G20-Staaten werden alle Mitglieder des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS eingeladen, die dem internationalen Abkommen noch nicht beigetreten sind, dies zu tun. Die G20-Staaten begrüßen den Konsultationsprozess mit den Entwicklungsländern und die Fortschritte, die durch ihre Teilnahme am OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS erzielt wurden, und sehen dem OECD-Bericht im Oktober erwartungsvoll entgegen.

Reform-Impulse durch G20

Die G20 sind ein informelles Forum. Sie sind keine internationale Organisation und haben weder eigene Verwaltungsstrukturen noch ständige Büros für ihre Mitglieder. Für Diskussionen speziell rund um den Finanzsektor treffen sich die Finanzminister und Notenbank-Gouverneure regelmäßig. Die Vereinbarungen der G20-Staaten sind zwar nicht rechtsverbindlich, haben aber starken politischen Einfluss und können Impulse für Reformen auf nationaler und multinationaler Ebene geben.

Umsetzung von neuer Gewinnaufteilung und Mindestbesteuerung steht bevor

131 der 139 OECD/G20/Inclusive Framework-Staaten haben am 1. Juli 2021 auf Arbeitsebene den vereinbarten Eckpunkten der Reform zugestimmt. Unter anderem die drei EU-Staaten Irland, Estland und Ungarn haben Vorbehalte angemeldet. Dabei wird erwartet, dass die Details zu Säule 1 einfacher umzusetzen sind als die von Säule 2. Nach Säule 1 soll den sogenannten Marktstaaten das Recht eingeräumt werden, einen Anteil von den Residualgewinnen zu erhalten, die multinationale Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 20 Milliarden Euro erzielen.
Schnellere Ergebnisse erwartet man bei der Umsetzung der Details von Säule 2, der effektiven Mindestbesteuerung in Höhe von 15 Prozent. Die Mindestbesteuerung soll bereits 2023 in Kraft treten. Für die neue Gewinnaufteilung nach Säule 1 wurde noch kein Starttermin genannt. Damit die Mindestbesteuerung in Kraft treten kann, muss ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag abgeschlossen werden. Die effektive Mindeststeuer muss dann jeweils in den Staaten einzeln umgesetzt werden.

Auswirkungen auf das weltweite Steueraufkommen noch offen

Die OECD rechnet auf Basis der bisher vereinbarten Eckpunkte allein durch die Mindestbesteuerung mit weltweit zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 150 Milliarden Dollar. Als Ergebnis der Neuverteilung der Besteuerungsrechte an den Gewinnen multinationaler Konzerne könnten nach Angaben der OECD noch einmal mehr als 100 Milliarden Dollar zugunsten der Marktstaaten umverteilt werden.
Das Münchner Ifo-Institut hat seine im vorigen Jahr auf der Basis der damaligen Eckpunkte durchgeführten Aufkommensberechnungen aktualisiert. Auf Basis der – vor allem durch den Einfluss der US-Regierung – inzwischen aktualisierten Eckpunkte ergeben sich demnach für Deutschland Mehreinnahmen aus Säule 1 in Höhe von 0,8 bis 1 Milliarden Euro. Die Autoren der Studie betonen allerdings auch, dass die Aufkommensergebnisse sehr sensitiv in Bezug auf die Regelungen sind, die letztlich zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne getroffen werden.

Green Deal-Gesetzespaket vorgestellt

Kommission präsentiert Neufassung der EU-Energiesteuerrichtlinie
Am 14. Juli 2021 hat die EU-Kommission den Entwurf für eine überarbeitete Energiesteuer-Richtlinie herausgegeben. Es ist bereits der zweite Anlauf, die im Jahr 2003 geschaffenen Regeln an die geänderten EU-Klimaziele anzupassen. Erfahren Sie hier, was sich ändert.
Die EU-Energiesteuerrichtlinie enthält unter anderem Mindestsätze für die Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, die entweder als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden. Die Mindestsätze für Kraft- und Heizstoffe werden angehoben. Außerdem werden Heiz- und Kraftstoffe – so die Kommission – anstatt nach Gewicht oder Volumen nach ihrem Energiegehalt besteuert. Damit sollen die umweltschädlichsten Kraftstoffe am höchsten besteuert werden.

Steuerbefreiungen für bestimmte fossile Brennstoffe

Steuerbefreiungen für bestimmte fossile Brennstoffe, vor allem im Luft- und Seeverkehr, sollen künftig wegfallen. Steuerbefreiungen für bestimmte Formen der Gebäudebeheizung sollen ebenfalls auslaufen, sodass die Besteuerung fossiler Brennstoffe künftig nicht mehr unter den Mindestsätzen liegen kann. Steuerbegünstigungen sind nur noch erlaubt, wenn sie den Umweltzielen der EU nicht zuwiderlaufen; so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Betrieb umweltfreundlicher KWK-Anlagen. Die neuen Preise - an der Zapfsäule und anderswo - sollen Anreize setzen, damit Unternehmen und Verbraucher sich, wo immer möglich, für klimafreundlichere Produkte entscheiden sowie in nachhaltige Energie investieren.

Finanzielle Unterstützung für Unternehmen

Kommission und Mitgliedstaaten gemeinsam sollen finanziell schwächere Haushalte mit einem über 140 Milliarden Euro schweren Fonds finanziell unterstützen, damit diese die Energiewende mittragen können. Auch der EU-Innovations-Fonds soll weiter aufgestockt werden, um klimaschützenden Innovationen schneller zur Marktreife zu verhelfen.

Hintergrund für die Reform der Energiesteuerrichtlinie

Die Europäische Kommission hatte bereits im Mai diesen Jahres eine Reform der Energiesteuerrichtlinie in ihrer Mitteilung zur „Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ angekündigt. Aus ihrer Sicht haben zahlreiche von Land zu Land abweichende Steuersätze und optionale Steuerbefreiungen zu einer Fragmentierung des Binnenmarktes geführt. Weiterhin passe der Regelungsgehalt der aktuellen Fassung nicht mehr zu den heutigen Klimaschutzzielen der EU. Nicht zuletzt hätten sich die technischen Möglichkeiten seit Einführung der Richtlinie im Jahre 2003 erheblich gewandelt.
Steuern für Existenzgründer

Neugründungsstellen der Hamburger Finanzämter

Allgemeines

In den Dienststellen für Unternehmens-Neugründungen (Neugründungsstellen) werden die Anmeldungen von unternehmerischen Tätigkeiten für den Geschäftsbereich des jeweiligen Finanzamtes bearbeitet.
Von dort aus werden die entsprechenden Fragebögen verschickt und ausgewertet. Existenzgründer, die mit den steuerlichen Anforderungen ihrer unternehmerischen Selbständigkeit noch nicht vertraut sind, können dort erste allgemeine Informationen und Hinweise erhalten, damit ein guter steuerlicher Start gefördert und "Berührungsängste " im Umgang mit dem Finanzamt abgebaut werden. Eine umfassende steuerliche Beratung, insbesondere zu Gestaltungsmöglichkeiten, darf jedoch von den Finanzämtern angeboten werden, sondern bleibt den Angehörigen der steuerberatenden Berufe vorbehalten.

Finanzamt Hamburg-Altona

Holstenplatz 18 (Holstenhaus)
22765 Hamburg
Telefon: 040 42811-2295 oder -2443
Telefax: 040 4273-10437
E-Mail: FAHamburgAltona@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/gruenderinfo-altona/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes Holstenplatz 18 im Bereich der Informations- und Annahmestelle. Bitte melden Sie sich dort zunächst am Empfangstresen. Die Neugründungsstelle ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen. Telefonisch können Sie die Bediensteten der Neugründungsstelle unter 040 42811-2295 oder -2443 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Am Tierpark

Hugh-Greene-Weg 6
22529 Hamburg
Telefon: 040 42811 -4813 / -4814 / -4815 oder -4816
Telefax: 040 4273-10451
E-Mail: FAHamburgAmTierpark@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web.: https://www.hamburg.de/fb/gruenderinfo-am-tierpark/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes Hugh-Greene-Weg 6 im Bereich der Informations- und Annahmestelle. Bitte melden Sie sich dort zunächst am Empfangstresen. Die Neugründungsstelle ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen. Telefonisch können Sie die Bediensteten der Neugründungsstelle unter 040 42811-4813 / -4814 / -4815 oder -4816 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst

Hamburger Straße 23
22083 Hamburg
Telefon: 040 42860 - 742
Telefax: 040 4273-10774
E-Mail: FAHamburgBarmbekUhlenhorst@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/gruenderinfo-barmbek/
Über den 1. Stock des Einkaufszentrums "Hamburger Meile" gelangen Sie mit dem Fahrstuhl oder über das Treppenhaus in den 4. Stock der Hamburger Straße 23; dort befindet sich der Empfangsbereich des Finanzamtes.
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel

Hugh - Greene - Weg 6
22529 Hamburg
Telefon: 040 42807 - 2630
Telefax: 040 4273-10400
E-Mail: FAHamburgEimsbuettel@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/eimsbuettel-start/2521494/gruenderinfo-eimsbuettel/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Bitte melden Sie sich im Erdgeschoss in der Informations- und Annahmestelle. Dort wird gern und schnell der Kontakt zu einem Mitarbeiter in der Neugründungsstelle hergestellt. Die Neugründungsstelle ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen. Telefonisch können Sie die Neugründungsstelle unter der Telefonnummer 040 42807-2630 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Hansa

Steinstraße 10
20095 Hamburg
Telefon: 040 42853 -3698, -3713, -3725 oder -3736
Telefax: 040 4273 -10644
E-Mail: FAHamburgHansa@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/hansa-start/1097160/gruenderinfo/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes in der Steinstraße 10 in den Räumen 9 und 11c. Sie ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen. Telefonisch können Sie die Neugründungsstelle unter 040 42853 -3698, -3713, -3725 oder -3736 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Harburg

Harburger Ring 40
21073 Hamburg
Telefon: 040 115 (HamburgService)
Telefax: 040 4273-10416
E-Mail: FAHamburgHarburg@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/harburg-start/1352610/gruenderinfoharburg/
Persönliche Besuche können nur nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes Harburger Ring 40 in den Räumen 26 und 27. Sie ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen.

Finanzamt Hamburg-Mitte

Steinstraße 10
20095 Hamburg
Telefon: 040 42853 -6158 oder –3306
Telefax: 040 4273-10647
E-Mail: FAHamburgMitte@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/mitte-start/2234996/gruenderinfo-mitte/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Rücksprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich in der vierten Etage des Gebäudes in der Steinstraße 10 in dem Raum 491. Telefonisch können Sie die Neugründungsstelle unter 040 42853 -6158 oder -3306 erreichen. Bei Bedarf steht Ihnen donnerstags die Neugründungsstelle im Erdgeschoss des Gebäudes in der Steinstraße 10 in den Räumen 9 und 11c in der Zeit von 14 bis 18 Uhr zur Verfügung. (Gründonnerstag von 8 bis 14 Uhr).

Finanzamt Hamburg-Nord

Borsteler Chaussee 45
22453 Hamburg
Telefon: 040 42806 -291 oder -292
Telefax: 040 4273-10239
E-Mail: FAHamburgNord@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/nord-start/2222730/existensgruenderinfo-nord/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Absprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich wie die Informations- und Annahmestelle (IAS) im Untergeschoss des Gebäudes Borsteler Chaussee 45. Bitte melden Sie sich dort zunächst am Empfangstresen. IAS und Neugründungsstelle sind rollstuhlgerecht ausgestattet und für Besucher auch vom vor dem Gebäude Borsteler Chaussee 43 gelegenen Behindertenparkplatz (neben der Ausfahrt der Tiefgarage) einfach zu erreichen. Sie können das Haus auch über die rückwärtigen Besucherparkplätze betreten, der Zugang zur IAS und zur Neugründungsstelle ist dann allerdings nur über Treppen möglich. Telefonisch können Sie die Bediensteten der Neugründungsstelle unter 040 42806 -291 oder -292 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Oberalster

Nordkanalstraße 22
20097 Hamburg
Telefon: 040 42854 -2170 oder -2215
Telefax: 040 4279-58131
E-Mail: FAHamburgOberalster@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/gruenderinfo-oberalster/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Absprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Die Neugründungsstelle befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes in der Nordkanalstraße 22. Sie ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen. Telefonisch können Sie die Neugründungsstelle unter 040 42854-2170 oder -2215 erreichen.

Finanzamt Hamburg-Ost

Nordkanalstraße 22
20097 Hamburg
Telefon: 040 42891 -3730
E-Mail: FAHamburgOst@finanzamt.hamburg.de
Für die Nutzer von De-Mail: Finanzamt@hamburg.de-mail.de
Web: https://www.hamburg.de/fb/gruenderinfo-ost/
Persönliche Besuche können nach vorheriger telefonischer Absprache erfolgen.

Die Neugründungsstelle ist telefonisch zu folgenden Zeiten zu erreichen:

Montag, Mittwoch und Freitag 8 bis 12 Uhr
Dienstag und Donnerstag 8 bis 15 Uhr
(Heiligabend und Silvester geschlossen)

So finden Sie die Neugründungsstelle

Bitte melden sie sich  in der Nordkanalstraße 22 in 20097 Hamburg im Erdgeschoss in der Informations- und Annahmestelle. Dort wird gern und schnell der Kontakt zu einem Mitarbeiter in der Neugründungsstelle hergestellt. Die Neugründungsstelle ist rollstuhlgerecht ausgestattet und für jeden Besucher problemlos zu erreichen.

Öffnungszeiten der Informations- und Annahmestelle Bergedorf im Ludwig-Rosenberg-Ring 41 (4. OG)

Montag, Dienstag: 8 bis 14 Uhr
Donnerstag: 8 bis 17 Uhr

Öffnungszeiten der Informations- und Annahmestelle Wandsbek in der Schlossstraße 7

Montag, Mittwoch: 8 bis 14 Uhr
Dienstag: 7 bis 14 Uhr
Donnerstag: 8 bis 18 Uhr (Gründonnerstag 8 bis 14 Uhr)
Freitag: 8 bis 12 Uhr
Stand: Juni 2023
Recht und Steuern

Steuerinfo Juli 2021

Bundesrat stimmt Optionsmodell zu

Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 dem Gesetzentwurf zur Modernisierung der Körperschaftsteuer zugestimmt. 
Partnerschafts- und Personenhandelsgesellschaften erhalten die Möglichkeit, dieselben steuerlichen Regelungen in Anspruch zu nehmen wie Kapitalgesellschaften (Option zur Körperschaftsteuer). 
Internationale Wettbewerbsfähigkeit
Dies soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit von mittelständischen Familienunternehmen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft stärken.
Transparente Besteuerung der Personengesellschaften 
Hintergrund ist, dass Personengesellschaften gewerbesteuerrechtlich als eigenständige Steuersubjekte behandelt werden, für Zwecke der Einkommensbesteuerung sind dies hingegen ausschließlich die an ihr unmittelbar oder mittelbar Beteiligten. Dies könne im Einzelfall zu teils erheblichen Abweichungen bei Steuerbelastung und Bürokratieaufwand im Vergleich zu Kapitalgesellschaften führen, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Anwendungsbereich Umwandlungssteuergesetz
Das Gesetz erweitert zudem den räumlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes über den Europäischen Wirtschaftsraum hinaus. Zudem soll es Unwuchten bei der steuerlichen Behandlung von Währungskursgewinnen und -verlusten bei Gesellschafterdarlehen beseitigen und den Bürokratieaufwand bei der steuerbilanziellen Nachverfolgung von organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen verringern.
Verlängerung Investitionsfristen
Weiterhin wurden durch das Gesetz die Investitionsfristen beim Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG) und bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung (§ 6b EStG) nochmals um ein Jahr verlängert.

Vereinfachungsregelung für kleine PV-Anlagen und Blockheizkraftwerke

BMF-Schreiben vom 2. Juni 2021 regelt Einzelheiten der ertragsteuerlichen Behandlung 
Die Finanzverwaltung sieht für kleine Photovoltaikanlagen und vergleichbare Blockheizkraftwerke (BHKW) eine Vereinfachungsregelung für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht vor.
Kleine Anlagen / Inbetriebnahme nach 2003 
Die Regelungen gelten für Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW, die auf zu eigenen Wohnzwecken genutzten oder unentgeltlich überlassenen Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken einschließlich Außenanlagen (z. B. Garagen) installiert sind und nach dem 31. Dezember 2003 in Betrieb genommen wurden. Bei der Prüfung, ob es sich um ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Ein- und Zweifamilienhaus handelt, ist ein eventuell vorhandenes häusliches Arbeitszimmer unbeachtlich. Gleiches gilt für Räume (z. B. Gästezimmer), die nur gelegentlich entgeltlich vermietet werden, wenn die Einnahmen hieraus 520 Euro im Veranlagungszeitraum nicht überschreiten. Gleichgestellt werden BHKW mit einer installierten Leistung von bis zu 2,5 kW, die die gleichen Voraussetzungen erfüllen.
„Liebhaberei“ auf schriftlichen Antrag…
Bei diesen Photovoltaikanlagen und BHKW ist auf schriftlichen Antrag der steuerpflichtigen Person aus Vereinfachungsgründen ohne weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen zu unterstellen, dass diese nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Bei ihnen liegt grundsätzlich eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag wirkt auch für die Folgejahre.
… für alle offenen Veranlagungszeiträume
Veranlagte Gewinne und Verluste (z. B. bei unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig durchgeführten Veranlagungen) aus zurückliegenden Veranlagungszeiträumen, die verfahrensrechtlich einer Änderung noch zugänglich sind (z. B. bei unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig durchgeführten Veranlagungen), sind nicht mehr zu berücksichtigen. In diesen Fällen ist dann eine Anlage EÜR für den Betrieb der Photovoltaikanlage/des BHKW für alle offenen Veranlagungszeiträume nicht mehr abzugeben.

Geänderte Verwaltungsauffassung zum Leistungsort bei Präsenzveranstaltungen

BMF-Schreiben vom 9. Juni 2021 legt Einzelheiten fest
Unabhängig davon, ob die Veranstaltung öffentlich zugänglich ist oder sich an einen geschlossenen Teilnehmerkreis richtet, gilt nunmehr der Veranstaltungsort als Leistungsort. Online-Seminare werden ausdrücklich von der besonderen Ortsregelung ausgenommen.
Bisherige Grundsätze der Ortsbestimmung
Im zwischenunternehmerischen Bereich (Business to Business = B2B) bestimmt sich der Ort einer Leistung grundsätzlich nach dem Empfängerlandprinzip (§ 3a Abs. 2 UStG). Für den Ort der sog. „Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen sowie den damit zusammenhängenden Leistungen“ gilt eine der zahlreichen Ausnahmen: diese Leistungen werden dort besteuert, wo die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird (Veranstaltungsort), § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG. 
Bislang war diese besondere Ortsbestimmung bei Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie z. B. Konferenzen und Seminare, aus deutscher Sicht nur anwendbar, wenn diese Veranstaltungen der Allgemeinheit zugänglich waren, Abschnitt 3a.6 Abs. 13 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Bei sog. geschlossenen Veranstaltungen mit einem eingeschränkten Teilnehmerkreis, wie z.B. Inhouse-Seminare, war hingegen die Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG anzuwenden.
Teilnehmerkreis irrelevant
Aufgrund der EuGH-Entscheidung vom 13. März 2019 in der Rechtssache C-647/17 (Srf konsulterna) hat die Finanzverwaltung das Kriterium „der Allgemeinheit offenstehenden“ Veranstaltung sowie die zur Unterscheidung dienenden Beispiele nunmehr aus dem Anwendungserlass gestrichen. Das Veranstaltungsortprinzip ist mithin auch bei bislang als geschlossen eingestuften Veranstaltungen anzuwenden.
Ausschluss von Online-Seminaren
Gleichzeitig wurde als neues Kriterium die physische Anwesenheit am Veranstaltungsort für die Anwendung der besonderen Ortsbestimmung aufgenommen. Onlineveranstaltungen werden ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen. Für diese gelten die allgemeinen Bestimmungen, d.h. die Besteuerung ist entsprechend § 3a Abs. 2 UStG im Mitgliedstaat des Kunden (Empfängermitgliedstaat) durchzuführen; im B2B-Bereich greift hier insoweit die Reverse Charge-Regelung (Art. 196 MwStSystSRL, § 13b UStG).
„in allen offenen Fällen“ anzuwenden…
Die geänderte Verwaltungsauffassung soll in allen offenen Fällen anzuwenden sein. Fraglich ist insoweit, wie die Finanzverwaltung mit bereits verwirklichten Sachverhalten umgehen will. Betroffene Unternehmen sollten umgehend die umsatzsteuerliche Würdigung ihrer Leistungen überprüfen. Dies betrifft Präsenz- aber auch Onlineveranstaltungen.

Bundesrat verabschiedet Abzugsteuerentlastungs-Modernisierungsgesetz

Zahlungsfrist für Corona-Zuschuss an Arbeitnehmer bis 31. März 2022 verlängert 
Der Bundesrat hat am 28. Mai 2021 dem Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (AbzStEntModG) zugestimmt. Durch das Gesetz wird auch die Auszahlungsfrist für Corona-Sonderzahlungen an Arbeitnehmer in Höhe von maximal 1500 Euro bis 31. März 2022 verlängert.
Das AbzStEntModG zielt darauf ab, das Verfahren zur Entlastung beschränkt Steuerpflichtiger von der Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) möglichst effizient zu gestalten. Das BZSt soll zudem im Hinblick auf die Aufdeckung von Missbrauch und Betrug im Bereich der Erhebung der Kapitalertragsteuer eine zentrale Rolle für die gesamte Finanzverwaltung übernehmen. Zur Effizienzsteigerung des Entlastungsverfahrens soll auch eine Anpassung der beschränkten Steuerpflicht im Bereich der Überlassung von Rechten beitragen. Außerdem sei es aufgrund von EuGH-Entscheidungen erforderlich, die Missbrauchsverhinderungsnorm des § 50d Absatz 3 EStG im Bereich der Entlastung von Abzugsteuern neu zu regeln.
Zusätzliche Regelungen aufgenommen 
Durch den Finanzausschuss im Bundestag wurden gegenüber dem Regierungsentwurf einige Regelungen geändert oder neu aufgenommen. Dazu gehören u. a.:
  • Die Zahlungsfrist für die Steuerbefreiung von Corona-Sonderzahlungen nach § 3 Nr. 11a EStG wird bis zum 31. März 2022 verlängert. Die Fristverlängerung führt aber nicht dazu, dass die 1.500 Euro mehrfach steuerfrei ausgezahlt werden könnte. Lediglich der Zeitraum für die Gewährung des Betrages wird gestreckt (ggf. auch in mehreren Teilraten bis zu insgesamt 1.500 Euro).
  • Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2021 führt die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Absatz 6 Satz 6 EStG).
  • Es wird in § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStDV klargestellt, dass der Nachweis des Grad der Behinderung, der unter 50 liegt, weiterhin durch Vorlage eines Rentenbescheids oder den die anderen laufenden Bezüge nachweisenden Bescheid erfolgen kann.
  • Eine Anwendungsregelung in § 21 Abs. 25 AStG legt fest, dass insbesondere die Ausnahmeregelung in § 1 Absatz 3b Satz 2 AStG-neu und zur Preisanpassungsklausel nach § 1a AStG-neu erstmals für den Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden sind.
  • Änderungen im Detail gib es in der neuen Normierung des Vorabverständigungsverfahrens (§ 89a AO-neu).
  • Es erfolgt in § 141 Abs. 1 AO eine Angleichung der Berechnungsmethoden für die Buchführungspflicht an die Kleinunternehmer-Umsatzschwelle nach UStG.
  • § 152 AO, in dem der Verspätungszuschlag geregelt ist, wird um Regelungen zur Anmeldung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung nach § 48 Abs. 2 UStDV ergänzt.

BFH ruft das BVerfG zur Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste an

Möglicher Verstoß gegen Gleichheitsrechte
Der BFH hat mit Beschluss vom 17. November 2020 zum Aktenzeichen VIII R 11/18, der am 4. Juni 2021 veröffentlicht wurde, das BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (jetzt § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG) angerufen. Es soll geklärt werden, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 (jetzt Satz 4) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen.
Sachverhalt
Streitig ist, ob Verluste aus der Veräußerung von Aktien mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden können, die nicht aus Aktienveräußerungen resultieren.
Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: X erzielte (neben freiberuflichen Einkünften) im Streitjahr 2012 aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus der Veräußerung von Aktien herrührten, zu verrechnen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Die Verluste aus der Veräußerung von Aktien seien nach § 20 Abs. 6 Satz 5 (jetzt Satz 4) EStG nicht ausgleichsfähig. Ebenso entschied das Finanzgericht und wies die Klage ab. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe drohende Haushaltsrisiken berücksichtigen dürfen. Mit der Revision beanstanden die Eheleute die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Benachteiligung der Veräußerungsverluste von Aktien gegenüber solchen aus anderen Kapitalanlagen sei nicht gerechtfertigt.
Auffassung des BFH 
Der BFH schließt sich der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung an, dass § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist (z.B. Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, EStG § 20 n.F. Rz. 51 f). Die Regelung enthält insoweit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als die Aktienveräußerungsverluste nur mit Aktienveräußerungsgewinnen und nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden können, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestehen. Das gilt insbesondere, wenn Steuerpflichtige, die Verluste aus der Veräußerung von Aktien erzielt haben, gegenüber Steuerpflichtigen mit Verlusten aus der Veräußerung aktienbasierter Kapitalanlagen, die keine Aktien sind, schlechter gestellt werden.
Dem Gesetzgeber steht zwar die Gestaltungsfreiheit zu, im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen Anforderungen die Kapitaleinkünfte abweichend von den anderen Einkunftsarten zu besteuern. Gleichwohl bleibt er jedoch verpflichtet, die Besteuerung innerhalb des Bereichs (Schedule) der Kapitaleinkünfte folgerichtig, d.h. gleichheitsgerecht, auszugestalten. Dieser Verpflichtung genügt das Gesetz mit der speziellen Verlustausgleichsbeschränkung in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht. Die Regelung weicht von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ab, innerhalb der Kapitaleinkünfte folgerichtig eine Verrechnung von Verlusten mit positiven Einkünften zuzulassen (§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG), indem sie vorhergehende Veräußerungsgewinne aus Aktien uneingeschränkt besteuert und Veräußerungsverluste aus Aktien abweichend von der allgemeinen Regelung einer zusätzlichen Verlustverrechnungsbeschränkung unterwirft.
Keine Rechtfertigung für Differenzierung
Aus Sicht der Richter des BFH fehlt ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung. Er ergibt sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen aufgrund qualifizierter Haushaltsrisiken noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen. Denn die Herbeiführung von Verlustverrechnungspotential stellt keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, weil der Steuerpflichtige, wenn er sich durch die Veräußerung von Verlustaktien trennt, nicht gegen eine gesetzlich vorgegebene Wertung verstößt, sondern im Gegenteil von der ihm in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht. 
Andere außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele oder der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung kommen als Rechtfertigungsgrund ebenfalls nicht in Betracht. Der Steuerpflichtige kann der Ungleichbehandlung auch nicht durch andere (auch aktienbasierte) Kapitalanlagen ausweichen. Ein mögliches Ausweichverhalten könnte die Ungleichbehandlung nur dann rechtfertigen, wenn es zumutbar wäre und insbesondere nicht die Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheiten hindern würde. Das fehlt hier, so die Richter weiter. Der Steuerpflichtige muss sich nicht auf andere Anlageformen verweisen lassen.

Aktuelle Haushaltspolitik

Steuereinnahmen im Mai 2021 – kräftiger Zuwachs von 19 Prozent
Steuereinnahmen für die ersten fünf Monate nun mit einem stabilen Plus von 4,2 Prozent 
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) stiegen im Mai 2021 um 19,1 Prozent gegenüber Mai 2020. Hierzu trug ein beträchtliches Plus im Aufkommen der Steuern vom Umsatz bei. Die konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Krise belasteten weiterhin das Steueraufkommen, wenngleich eine stabile Erholung sichtbar wird. 
Gemischtes Bild bei den einzelnen Steuerarten
Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern lagen insgesamt um 23,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Neben den Steuern vom Umsatz (+37,8 Prozent; bedingt vor allem durch die infolge der steuerlichen Entlastungsmaßnahmen geminderte Vergleichsbasis) verzeichnete die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge (+99,2 Prozent) Zuwächse. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer gingen hingegen um 8,0 Prozent zurück, v.a. bedingt durch die Auszahlung des Kinderbonus aus dem Lohnsteueraufkommen Mai.  
Bei den Bundessteuern ergab sich im Mai ein Einnahmeplus im Vergleich zum Vorjahr um 5,1 Prozent. Deutlich höher fielen die Einnahmen aus der Energiesteuer (+17,8 Prozent) und der Luftverkehrsteuer (+286,5 Prozent) aus. 
Die Einnahmen aus den Ländersteuern stiegen erneut kräftig um 12,0 Prozent, u.a. aufgrund eines starken Zuwachses der Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer (+17,8 Prozent). Die Einnahmen aus den Ländersteuern liegen bereits um 15 Prozent über dem Vor-Corona-Ergebnis von Mai 2019. 
Januar bis Mai 2021: kräftiges Plus deutet auf wirtschaftliche Erholung
Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den ersten fünf Monaten zeigt eine fortgesetzte Belebung der deutschen Wirtschaft: Das Steueraufkommen insgesamt ist um 4,2 Prozent gegenüber Mai 2020 gestiegen. Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern legten um 6,4 Prozent zu; das Aufkommen der Ländersteuern stieg um 8,6 Prozent. Die Einnahmen aus den Bundessteuern gingen hingegen um 8,3 Prozent zurück. 
Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden
Die Steuereinnahmen des Bundes – nach Verrechnung von Bundesergänzungszuweisungen –verzeichneten von Januar bis Mai 2021 nur noch einen geringfügigen Rückgang von 0,4 Prozent gegenüber dem Ergebnis der ersten fünf Monate des Jahres 2020. Die Länder verbuchten für den Zeitraum von Januar bis Mai 2021 einen Zuwachs von 6,9 Prozent. Die Einnahmen der Gemeinden aus ihrem Anteil an den Gemeinschaftssteuern liegen auf dem Niveau des Vorjahres (-0,0 Prozent). 
Regierung beschließt 443 Mrd. Euro-Haushalt für 2022
Bund plant mehr Geld für Klimaschutz, Industriepolitik und Unternehmenshilfen ein
Die geplanten Ausgaben des Bundes im Jahr 2022 belaufen sich auf 443 Milliarden Euro. Das sind 23 Milliarden Euro mehr als noch im März 2021 eingeplant. Mehr Geld soll vor allem in die Bereiche Gesundheit, Klima und Verteidigung fließen. Außerdem werden Unternehmenshilfen und Innovationsförderung aufgestockt. 
Zuwächse im Vergleich zu den Eckwerten von März 2021
Die Bundesregierung erhöht den Ansatz für Corona-Unternehmenshilfen in 2022 von vier auf sieben Milliarden Euro. Außerdem sollen "Projekte im Bereich der Mikroelektronik" mit einer Milliarde Euro gefördert werden. 
Der Regierungsentwurf sieht zusätzliche sieben Milliarden Euro bei den Gesundheitsausgaben vor. Außerdem steigt der Bundeszuschuss in die Pflegekasse um eine Milliarde Euro.
Zur Umsetzung der Klimavorhaben fließen weitere vier Mrd. Euro in den Energie- und Klimafonds, in dem Mittel für die Klimapolitik bereitgehalten werden. Auch vom Kohleausstieg betroffene Regionen sollen stärker unterstützt werden.
Entwicklungshilfe- und Umweltministerium sowie Auswärtiges Amt erhalten für humanitäre Hilfe, internationale Klimaschutzmaßnahmen sowie für die internationale Bekämpfung der Coronakrise zusammen 4,4 Milliarden Euro zusätzlich.
Deutlich zu Buche schlägt auch der höhere Ansatz bei den Zinsausgaben. Die Bundesregierung rechnet wegen einer steigenden Inflation und damit wahrscheinlich steigenden Zinsen mit 14 Milliarden Euro Zinsausgaben in 2022. Im Jahr 2020 mussten zum Vergleich lediglich 7,5 Milliarden Euro für Zinsen verausgabt werden. 
Investitionen sollen etwas geringer als 2021 ausfallen
Für Investitionen stellt der Bundeshauhalt im kommenden Jahr knapp 52 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind rund sieben Milliarden weniger als im Haushalt 2021 eingestellt. Die Investitionen bewegen sich aber insgesamt auf einem deutlich höheren Pfad als zunächst in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war. Die militärischen Beschaffungen, die extra ausgewiesen werden, belaufen sich 2022 auf ein geplantes Volumen von rund 20 Milliarden Euro. 
100 Milliarden neue Schulden geplant
In der Planung der Bundesregierung erfordert dieses Plus an Ausgaben auch eine Erhöhung der Neuverschuldung, obwohl auch die Steuereinnahmen um 6 Milliarden Euro im Vergleich zu den Eckwerten von März 2021 nach oben korrigiert wurden. Für das Jahr 2022 kalkuliert die Bundesregierung nun statt mit 81,5 Milliarden. Euro mit einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 99,7 Milliarden Euro. Das erfordert ein weiteres Mal einen Beschluss des Bundestages über das Aussetzen der Schuldenbremse. 
Neues Verfahren nach der Bundestagswahl
Der Regierungsentwurf hat nur eine kurze Haltbarkeit, ist aber wichtig. Da er nicht mehr vor der Bundestagswahl durch das Parlament verabschiedet wird, beginnt eine neue Bundesregierung im Verfahren noch einmal von vorn. In der Regel sind dann mit diesem Haushalt auch erste Prioritätensetzungen der Koalitionäre verbunden. Die Regierungsbildung nach der Wahl 2017 hat einige länger Monate gedauert. Deshalb wurde bis weit in das Jahr 2018 mit dem Mittel der vorläufigen Haushaltsführung gearbeitet. Maßstab dafür sind die Ansätze und Haushaltsstrukturen des 1. Regierungsentwurfs, der nun beschlossen wurde. In der Regel sind dann für die meisten Verwaltungs- und Programmausgaben 45 Prozent der Ansätze verfügbar. Für Investitionen und Rechtsverpflichtungen gilt diese prozentuale Einschränkung nicht.
Schuldenbremse soll auch 2022 außer Kraft gesetzt werden
Mit Wirtschaftswachstum aus den Schulden herauswachsen
Im Jahr 2023 plant die Bundesregierung, die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Die Nettoneuverschuldung soll dann 5,4 Milliarden Euro betragen, im Jahr darauf 12,0 Milliarden Euro und 2025 dann 11,8 Milliarden Euro. Gestützt werden soll diese Entwicklung vor allem durch die Auflösung der bisherigen allgemeinen Rücklage in Höhe von 48 MilliardenEuro sowie höhere Steuereinnahmen aufgrund eines stärkeren Wirtschaftswachstums. 
Für das kommende Jahr 2022 sieht der Regierungsentwurf zum Haushalt allerdings noch ein drittes Mal das Aussetzen der Schuldenbremse und eine Nettokreditaufnahme von 100 Milliarden Euro vor. Das Grundgesetz sieht nämlich vor, dass die Kreditobergrenze "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen", überschritten werden darf. Wie in den Jahren 2020 und 2021 geschieht dies mit Verweis auf die Corona-Pandemie. 
Tilgung könnte gestaltet werden
Die Tilgungsverpflichtungen aus den aufgenommenen Corona-Schulden belaufen sich ab 2023 auf zwei Milliarden Euro jährlich. Ab 2026 steigt dieser Betrag dann deutlich an. Ab dann muss der Bund bis 2043 jährlich 20,5 Milliarden Euro tilgen.
Tilgungsverpflichtungen von rund 20 Milliarden Euro würden künftig rund fünf Prozent des Bundeshaushalts ausmachen. Das ist nicht wenig. Zusammen mit steigenden Zinslasten kämen diese beiden Positionen dann fast an das Volumen der Investitionen. Sie kommen allerdings in dieser Höhe nur dann zustande, wenn erstens die volle eingeplante Neuverschuldung für 2021 in Höhe von 240 MilliardenEuro und für 2022 von nun 100 Milliarden Euro realisiert wird. Und zweitens, wenn an der bisher beschlossenen linearen Tilgung festgehalten wird. Beide Voraussetzungen sind in Grenzen gestaltbar. 
Wirtschaftswachstum führt zu sinkender Schuldenquote
Die Schuldenquote – also die Schulden gemessen an der Jahreswirtschaftsleistung – wird dieses Jahr nach 60 Prozent im Jahr 2019 mit 74,5 Prozent ihren vorläufigen Höchststand in der Corona-Pandemie erreichen. Die aktuelle Prognose für die Folgejahre lautet: 2022: 74,0 Prozent, 2023: 73,3 Prozent, 2024: 72 Prozent, 2025: 69,3 Prozent. Erreicht wird das mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum. Die Kurve fällt flacher aus als nach der Finanzkrise 2008. Das Niveau ist aber geringer (Schuldenstand 2010: 84 Prozent). 
Beirat des Stabilitätsrates plädiert für frühere Auflösung der Rücklage
Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat des Stabilitätsrates, der als Gemeinschaft von Bund und Ländern über die deutschen Staatsfinanzen wacht, empfiehlt hingegen, schon 2022 auf das erneute Aussetzen der Schuldenbremse zu verzichten. Die allgemeine Rücklage könnte schon im kommenden Haushalt aufgelöst werden. Zusammen mit mehr Einnahmen aus dem Wirtschaftswachstum würde sich der Bund so eine erhebliche Belastung zukünftiger Haushalte ersparen, ohne den Aufschwung auszubremsen. Denn der Beirat kann "im Hinblick auf die Schuldenbremse […] in den vorliegenden Projektionen keine außergewöhnliche Notsituation für das Jahr 2022 erkennen."
Kommunalfinanzen: Bundesbank empfiehlt Maßnahmen für nachhaltige Haushalte 
Ansätze zur Begrenzung von Kassenkrediten und zur Vermeidung von Haushaltsschieflagen
Die Bundesbank spricht sich für eine Reform der Kommunalfinanzen aus. Außerdem sollten die Länder besonders stark verschuldeten Kommunen über Entschuldungsprogramme einen Neustart ermöglichen. Für die zukünftige Sicherung nachhaltiger Kommunalfinanzen kommt es in der Studie der Bundesbank vor allem auf eine stringentere Kommunalaufsicht an. 
Kommunalfinanzen: Insgesamt gute Lage, aber große regionale Unterschiede
Die Kommunen sind für den Großteil der öffentlichen Investitionen verantwortlich. Die Unternehmen machen zunehmend die Erfahrung, dass die Finanzkraft ihrer Standorte in Deutschland sehr unterschiedlich ist. Eine schwache Finanzkraft ist oftmals verbunden mit niedrigen kommunalen Investitionen, sodass die Standortqualität sinkt. Dadurch kommt es zu stärkeren Unterschieden in der Ausstattung mit öffentlicher Infrastruktur und wirtschaftsnahen öffentlichen Dienstleistungen. 
Die Finanzlage der Gesamtheit der Kommunen war vor der Coronakrise gut. In den letzten Jahren wurden in vielen Gemeinden Überschüsse erwirtschaftet. Aber nicht in allen. Der Bestand an finanzschwachen Kommunen ist weiterhin signifikant und beeinflusst die Wettbewerbsbedingungen der ansässigen Unternehmen. Ein Kennzeichen ist dabei ein dauerhafter Bestand an Kassenkrediten. Denn sie sollen eigentlich nur unterjährige Liquiditätsengpässe überbrücken und spätestens zum Haushaltsabschluss wieder getilgt sein. Werden sie aber teilweise über mehrere Jahre eingesetzt, dienen sie nicht der Finanzierung von Investitionen, sondern eher von Haushaltslücken. Aber auch hier brachten die Jahre bis 2019 Erfolge. Hohe Steuereinnahmen und teilweise massive Entschuldungsprogramme der Länder unterstützten den Abbau des Kassenkreditbestandes von rd. 51 Milliarden Euro in 2015 (Höchststand) auf 37 Milliarden Euro in 2020. Die Bundesbank stellt in ihrer Analyse jedoch fest, dass grundlegende Strukturfragen der Kommunalfinanzierung weiterhin ungelöst bleiben und u. U. Probleme entstehen, wenn in Folge der Coronakrise die Einnahmen mittelfristig unter Vorkrisenniveau bleiben.
Länder sind für Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich
Wichtig für die Beurteilung von Handlungsoptionen ist die Feststellung, dass die Länder laut Grundgesetz für die angemessene Finanzausstattung der Gemeinden zuständig sind. Im Gegenzug sind sie für die Kontrolle der Haushaltsplanungen zuständig und haben umfangreiche Eingriffsrechte.
Bundesbank: Kommunale Einnahmen sollten verstetigt werden
Als ein Baustein für nachhaltige Kommunalfinanzen könnte aus Sicht der Bundesbank eine grundlegende Reform der Kommunalfinanzierung gelten. So könne der Anteil der sehr volatilen Gewerbesteuer am gesamten Steueraufkommen der Gemeinden reduziert werden. Im Gegenzug könnten stabilere Einnahmequellen – wie der kommunale Anteil am Lohnsteueraufkommen – höher ausfallen. Dabei würde die innerstaatliche Verteilung der Lohnsteuer geändert, die Steuer selbst jedoch nicht erhöht. Ein örtliches Hebesatzrecht auf den Gemeindeanteil an der allgemeinen Einkommensteuer könne hinzukommen. Ergänzend könnte der kommunale Finanzausgleich so stabilisiert werden, dass ein temporäres Wegbrechen der Steuereinnahmen der Länder nicht an die Kommunen weitergegeben wird.
Angesichts der Größe dieser Reform regt die Bundesbank an, in einem kleineren Schritt zumindest die konjunkturellen Schwankungen der Gemeindefinanzen zu glätten. So könnten die Länder in Krisenphasen ihre Gemeinden entlang vorher vereinbarter Regeln unterstützen. Bei wirtschaftlicher Erholung könnten dann auch die Länder von Mehreinnahmen auf kommunaler Ebene profitieren. Die Bundesbank schätzt dieses Vorgehen als konform mit der Schuldenbremse ein. 
Bundesbank: Länder sollten Entschuldung intensivieren
Nicht in allen Bundesländern sind bereits wirksame Entschuldungsprogramme für finanzschwache Kommunen in Kraft. Als Beleg kann dafür der Bestand an kommunalen Kassenkrediten pro Kopf gelten, der 2020 zwischen weniger als 20 Euro in Thüringen bis zu 1.610 Euro in Rheinland-Pfalz lag. Sehr hohe Pro-Kopf-Bestände weisen auch das Saarland (1.410 Euro) und Nordrhein-Westfalen (1.180 Euro) auf. Die Bundesbank beurteilt das Programm aus Hessen über das Sondervermögen „Hessenkasse“ als erfolgreich. Das Programm kombiniert eine Entschuldung durch das Land mit einer verbindlichen Beteiligung der betroffenen Kommunen und einer schärferen Haushaltsaufsicht. Ein ähnliches Vorgehen wählte 2020 auch das Saarland.
Bundesbank: Kommunalaufsicht im Finanzbereich stärken
Die Bundesbank empfiehlt außerdem, dass die Länder ihre Kontrollaufgabe konsequent wahrnehmen und Fehlentwicklungen frühzeitig begegnen. So könne vorgesehen werden, dass die Gemeinden Kassenkredite, die nicht zum Ende des Haushaltsjahres zurückgeführt werden, nur noch bei ihrem Land aufnehmen dürfen. Das Land übernimmt damit auch formal die Haftung und seine Mitverantwortung würde unterstrichen. Kommunale Finanzprobleme würden sich dann in den Länderhaushalten widerspiegeln und in der Haushaltsrechnung transparent auch gegenüber der Öffentlichkeit ausgewiesen werden. Würde die notwendige Kreditaufnahme zusätzlich auf die Schuldenbremse des Landes angerechnet, setze dies einen größeren Anreiz für die Länder, kommunalen Haushaltsschieflagen vorzubeugen.

Internationale und Europäische Haushalts- und Steuerpolitik

Internationale Unternehmensbesteuerung: Die Eckpunkte stehen
130 Länder einigen sich auf Zwei-Säulen-Modell
Nach einem über fünfjährigen Prozess haben sich 130 Staaten auf die wichtigsten Eckpunkte für eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung verständigt. Vereinbart wurde ein Zwei-Säulen-Modell: Zum einen sollen Gewinne von Konzernen mit mehr als 20 Milliarden Euro Jahresumsatz dort zusätzlich besteuert werden, wo ihre Kunden die Waren und Dienstleistungen kaufen, zum anderen soll eine weltweite effektive Steuerbelastung von 15 Prozent sichergestellt werden.
Mit den Maßnahmen der ersten Säule soll erreicht werden, dass "besonders profitable Konzerne" – zu denen auch die großen US-Internetanbieter gehören – in den Ländern einen größeren Anteil ihrer Steuern zahlen, in denen sie auch die hohen Umsätze erzielen (sogenannte Marktstaaten). Das könnte auch zu zusätzlichen Belastungen dieser Unternehmen führen. Einzelheiten sind noch zu verhandeln, doch es besteht Einigkeit, dass die Marktstaaten ein erweitertes Besteuerungsrecht an den Gewinnen der betreffenden Unternehmen erhalten sollen.
Die Maßnahmen der zweiten Säule haben eine viel größere Relevanz, weil eine ganz neue Definition einer Mindestbesteuerung gefunden werden muss, die weltweit für möglichst alle Staaten gelten soll.
Details zu den beiden Säulen und ein konkreter Umsetzungsplan sollen bis Ende Oktober 2021 ausgearbeitet werden. Neun Länder haben Vorbehalte angemeldet. Eine weitere Herausforderung sind die Staaten, die sich gar nicht beteiligt haben.
Der Hintergrund: 
Die Finanzverwaltungen von 139 Staaten arbeiten zurzeit im Rahmen des sogenannten Inclusive Framework (IF) der OECD an einer Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung, die insbesondere der Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen soll.
So soll unter anderem auch dann eine Gewinnbesteuerung möglich sein, wenn vor Ort keine physische Betriebsstätte und damit nach den bisher geltenden Regeln kein Anknüpfungspunkt für eine Gewinnbesteuerung vorhanden ist. Zudem soll der internationale Steuerwettbewerb reglementiert werden, indem Staaten eine zusätzliche Besteuerung auf Gewinne vornehmen können, die im Ausland unterhalb der Grenze einer effektiven Mindestbesteuerung von 15 Prozent besteuert werden.
Mit ihrem "Statement on a Two-Pillar Solution to address the Tax Challenges arising from the Digitalisation of the Economy" vom 1. Juli haben sich 130 dieser Staaten nun auf die grundlegenden Eckpunkte des Zwei-Säulen-Modells verständigt.  
Barbados, Estland, Ungarn, Irland, Kenia, Nigeria, Peru, Saint Vincent und Grenadinen sowie Sri Lanka haben (noch) nicht ihr Einverständnis erklärt. Zwar ist innerhalb des IF keine einstimmige Annahme erforderlich, jedoch wird eine Umsetzung der neuen Regelungen durch möglichst alle beteiligten Staaten angestrebt.
USA brachten neuen Schwung, aber auch Modifikationen
Die Arbeiten hatten seit Jahresbeginn 2021 einen Schub erhalten, weil die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden und Finanzministerin Janet Yellen die bisherige Blockadehaltung der USA aufgegeben und eine Mindestbesteuerung – im Prinzip so, wie in Säule 1 vorgeschlagen – befürwortet hatte.
Gleichzeitig wurde allerdings auf Drängen der USA der Anwendungsbereich von Säule 1 stark modifiziert: So unterliegen nunmehr alle Unternehmensaktivitäten – und nicht nur "Consumer facing businesses" (CFB) beziehungsweise "Automated digital Services"(ADS) – einer zusätzlichen Gewinnbesteuerung in den Marktstaaten und damit einer Umverteilung der Besteuerungsrechte hin zu diesen Staaten, in denen die Nachfrage besonders hoch ist.
Akzeptiert hat die US-Administration, dass mit der inhaltlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs für die Maßnahmen der Säule 1 der Schwellenwert für die betroffenen Unternehmen deutlich angehoben wurde. Statt bei 750 Millionen Euro Konzernumsatz soll die Grenze nunmehr bei 20 Milliarden Euro liegen. Vereinbart wurde bereits, dass diese Grenze nach sieben Jahren auf 10 Milliarden Euro gesenkt werden soll.
Als Entgegenkommen an die USA wird gewertet, dass spätestens nach dem Start der neuen Regeln 2023 die von einigen Staaten eingeführten Digitalsteuern, die in erster Linie auf eine Belastung der US-Internetkonzerne ausgerichtet sind, wieder abgeschafft werden. Für die Anwendung der Maßnahmen in Säule 2 zur effektiven Mindestbesteuerung gilt weiterhin die Grenze von 750 Millionen Konzernumsatz.

Im Statement wurden unter anderem folgende Eckpunkte vereinbart:
Säule 1 (Pillar One)
  • Scope/Anwendungsbereich: Von den neuen Regelungen sind multinationale Unternehmen (MNEs) mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und einer Profitabilität (Umsatzmarge) von mehr als 10 Prozent (Gewinn vor Steuern) erfasst. Die Umsatzschwelle könnte bei einer erfolgreichen Umsetzung auf Basis einer maximal einjährigen Evaluierung bereits nach sieben Jahren auf 10 Milliarden Euro gesenkt werden. Ausgenommen sind Unternehmen der Rohstoffförderung und regulierte Finanzdienstleistungsunternehmen.
  • Nexus: Nach Maßgabe einer "special purpose nexus rule"kommt eine Besteuerungszuweisung gemäß Amount A nur dann zur Anwendung, wenn das betroffene Unternehmen in einem Staat ("jurisdiction") einen Umsatz von mindestens 1 Million Euro erzielt. Bei kleineren Staaten mit einem BIP von weniger als 40 Milliarden Euro kommt ein Nexus von 250.000 Euro zur Anwendung.
  • Quantum/neu verteilbarer Gewinnanteil: Es ist beabsichtigt, dass 20 bis 30 Prozent des verbleibenden Gewinns oberhalb einer Profitabilitätsschwelle von 10 Prozent des Umsatzes anhand eines umsatzbasierten Verteilungsschlüssels den Marktstaaten (siehe Nexus) zugeordnet werden ("20-30 over 10").
  • Revenue Sourcing/Herkunft des Umsatzes: Bei der konkreten Zuordnung von Umsätzen zu den berechtigten Marktstaaten, in denen die Waren oder Dienstleistungen genutzt oder verbraucht werden, sollen konkrete Regeln ("source rules") erarbeitet werden.
  • Bemessungsgrundlage: Ausgangsbasis ist das handelsrechtliche Ergebnis ("financial accounting") des Unternehmens, das durch eine kleinere Anzahl von Anpassungen modifiziert wird. Dabei werden Verlustvorträge berücksichtigt.
  • Segmentierung: Eine Segmentierung erfolgt auf Grund des offenen Anwendungsbereiches grundsätzlich nicht.
  • Safe Harbour-Regelungen für Marketing- und Vertriebsgewinne: Sofern Gewinne bereits nach herkömmlichen Regeln in einem Marktstaat besteuert werden, wird eine weitergehende Besteuerungszuweisung nach Amount A durch eine Safe-Harbour-Regelung für Marketing- und Vertriebsgewinne limitiert.
  • Beseitigung der Doppelbesteuerung: Durch Amount A entstehende Doppelbesteuerungen können entweder durch die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode beseitigt werden. Steuerzahlungen aus Amount A hat das Unternehmen zu tragen, dem der residual profit zugeordnet ist.
  • Tax Certainty/Sicherheit: Es sollen verbindliche, verzögerungsfreie Streitvermeidungs- und -beilegungsmechanismen für alle Bereiche von Amount A (Höhe des Amount A, Verrechnungspreise, handelsrechtlicher Gewinn et cetera) geschaffen werden. Für Entwicklungsländer mit nur wenigen Streitigkeiten könnte ein optionaler verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus bei Streitigkeiten über die Höhe des Amount A geschaffen werden.
  • Amount B: Hinsichtlich der Marketing- und Vertriebsaktivitäten wird die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vereinfacht. Entsprechende Arbeiten sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden.
  • Administrierung: Das gesamte Verfahren soll prozessual gestrafft werden und die Abwicklung (inklusive Erklärungs-/Abgabepflichten) über eine Einheit ("single entity") erfolgen.
  • Beseitigung von Digitalsteuern: Ziel ist, dass durch die neue Zuordnung von Unternehmensgewinnen (Säule 1) die bisher von einigen Staaten erhobene Steuern auf digitale Dienstleistungen und andere ähnliche Maßnahmen abgeschafft werden.
  • Umsetzung: Die internationale Umsetzung von Amount A soll im Rahmen eines multilateralen Instrumentes (MLI) erfolgen. Ziel ist eine Unterzeichnung des MLI durch alle beteiligten Staaten im Jahr 2022. Damit könnten die neuen Regelungen bereits 2023 in Kraft treten.
Säule 2 (Pillar Two)
  • GloBE (Global anti-Base Erosion Rules) bestehend aus zwei ineinandergreifenden nationalen Regeln: 
    1. Durch die Income Inclusion Rule (IIR) wird einer Muttergesellschaft eine zusätzliche Steuer auf das niedrig besteuerte Einkommen einer Tochtergesellschaft auferlegt. 
    2. Die Undertaxed Payment Rule (UTPR) sieht ein Betriebsausgabenabzugsverbot oder andere Maßnahmen vor, sofern das niedrig besteuerte Einkommen einer Tochtergesellschaft nicht unter einer IIR (siehe oben) besteuert wird.
    Die GloBE-Regeln werden im Rahmen eines "common approach" umgesetzt. Dieses bedeutet, dass IF-Mitglieder nicht verpflichtet sind, die GloBE-Regeln zu übernehmen, jedoch im Falle einer Anwendung die vom IF vorgegebenen Musterregelungen gelten. Zudem haben sie die von anderen IF-Mitgliedern angewandten GloBE-Regeln zu akzeptieren.
  • STTR (Subject to Tax Rule): Hierdurch wird es Quellenstaaten ermöglicht, bestimmte Zahlungen an verbundene Unternehmen im Ausland, die unterhalb eines Mindestsatzes besteuert werden, einer begrenzten Quellenbesteuerung zu unterwerfen. Die STTR soll unter den GloBE-Regeln anrechenbar sein.
Dabei gilt: 
  • Scope/Anwendungsbereich: Die GloBE-Regeln gelten für multinationale Unternehmen (MNE), die den Schwellenwert von 750 Millionen Euro (siehe BEPS-Aktionspunkt 13 – länderbezogene Berichterstattung) erreichen. Den Staaten steht es jedoch frei, die IIR auf MNEs mit Hauptsitz in ihrem Land anzuwenden, auch wenn sie den Schwellenwert nicht erreichen. Staatliche Stellen, internationale Organisationen, Non-Profit-Organisationen, Pensionsfonds oder Investmentfonds, die Ultimate Parent Entities (UPE) eines MNE-Konzerns sind, oder von solchen genutzte Holding-Vehikel, unterliegen nicht den GloBE-Regeln. Der Ausschluss von MNE in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit von der Anwendung der globalen Mindeststeuer wird bis Oktober 2021 geprüft.
  • Rule design/Gestaltung: Mit der IIR erfolgt eine Aufstockung der Steuer ("top-up tax") auf Grundlage eines Top-Down-Ansatzes. Basis ist eine sogenannte Split-Ownership-Regel für Beteiligungen unter 80 Prozent.
  • ETR-Calculation/Berechnung der effektiven Steuerbelastung: ie Berechnung der effektiven Steuerbelastung setzt eine gemeinsame Definition der erfassten Steuern und eine gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage voraus, die auf Basis der handelsrechtlichen Gewinnermittlung ("financial accounting income") ermittelt wird und durch weitere steuerpolitische Anpassungen ("consistent with tax policy objectives") sowie zeitliche Ausgleichsmaßnahmen modifiziert wird.
  • Mindestsatz: Der effektive Steuersatz für die Zwecke der IIR und UTPR wird mindestens 15 Prozent betragen.
  • Substance carve-outs/Substanzausnahmen: Die GloBE-Regeln sehen eine formelhaft zu berechnende Ausnahme von Einkommensbestandteilen in Höhe von mindestens 5 Prozent (nach einer Übergangszeit von fünf Jahren: mindestens 7,5 Prozent) des Buchwerts der Sachanlagen und der Lohnsumme vor. Zugleich soll eine De-minimis-Regelung eingeführt werden.
  • Weitere Ausschlüsse: Von den GloBE-Regeln werden Einkünfte aus der internationalen Schifffahrt (Definition des OECD-MA) ausgenommen.
  • Vereinfachungen: Es sollen weitere Safe-Harbour-Regelungen und/oder andere Mechanismen erarbeitet werden, um Befolgungs- und Verwaltungskosten zu vermeiden, die in keinem Verhältnis zu den politischen Zielen stehen.
  • GILTI-Koexistenz: Säule (Pillar) 2 wird auf einer "jurisdictional basis" angewendet. Zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen wird (noch) geprüft, unter welchen Bedingungen die US-GILTI-Regelung mit den GloBE-Regeln koexistieren kann.
  •  Subject to tax Rule (STTR): Der Mindestsatz für die STTR wird zwischen 7,5 Prozent und 9 Prozent liegen. Eine STTR-Besteuerung erfolgt in Höhe der Differenz zwischen dem oben genannten Mindestsatz und dem tatsächlich erhobenen Steuersatz auf die Zahlung. IF-Mitglieder, die nominale Körperschaftsteuersätze unterhalb des STTR-Mindestsatzes auf Zinsen, Lizenzgebühren und eine definierte Reihe anderer Zahlungen anwenden, sollen die STTR in ihre bilateralen DBAs mit IF-Entwicklungsländern aufnehmen, wenn sie dazu aufgefordert werden.
  • Umsetzung: Säule (Pillar) 2 soll bereits 2023 angewendet werden, wobei Übergangsregeln einschließlich der Möglichkeit einer aufgeschobenen Umsetzung der UTPR vorgesehen werden (können).

Mittelstand

"Fortsetzung folgt!" - 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim bundesweiten IHK-Tag zur Unternehmensnachfolge am 21. Juni 2021
Aktionstag zeigt hohen Bedarf an Informationen zur Unternehmensnachfolge
1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, und das trotz der Fußball-EM – der bundesweite IHK-Aktionstag Unternehmensnachfolge am 21. Juni 2021 war ein großer Erfolg! Im Schnitt nahmen 31 Interessierte pro IHK an den vielfältigen Aktionen im Rahmen von „Fortsetzung folgt!“ teil. Der hohe Zuspruch zeigt auch die Brisanz der Herausforderung der Nachfolge im Mittelstand.
Vielfältige Aktionen in ganz Deutschland
Die 49 beteiligten IHKs boten am längsten Tag des Jahres eine breite Palette an Events an, um Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Übernahmeinteressierte für die Herausforderung der Unternehmensnachfolge zu sensibilisieren und sie zusammen zu bringen. So gab es digitale Informationsveranstaltungen, Erfahrungsberichte von Nachfolgerinnen und Nachfolgern, Webinare zum Generationenwechsel, Telefon-Hotlines, Sprechtage zur Unternehmensbewertung und zu weiteren betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Aspekten, Workshops und Beratungen für Nachfolgerinnen und Senior-Unternehmerinnen, Livestreams mit Experten und namhaften Politikvertretern. Die IHKs führten ihre Veranstaltungen zumeist gemeinsam mit weiteren Institutionen zur Unternehmensnachfolge durch, etwa mit Handwerkskammern, Unternehmens- und Steuerberatern und Initiativen etwa zur Nachfolge durch Frauen.
Unternehmensnachfolge – komplex und emotional
Eine Betriebsübergabe ist komplex und nicht selten mit vielen Emotionen verbunden. Und gerade in Pandemie-Zeiten sind viele potenzielle Nachfolger verunsichert, das zeigte zuletzt im Dezember der DIHK-Nachfolgereport. Vor dem Hintergrund, dass ein erfolgreicher Nachfolgeprozess gut und gerne vier bis sechs Jahre dauern kann, sollte sich jeder Chef und jede Chefin nicht erst mit dem Thema befassen, wenn der Ruhestand in Sicht ist.
IHK-Aktionstag Unternehmensnachfolge immer am längsten Tag des Jahres
Die IHKs begleiten diese Überlegungen traditionell am 21. Juni mit einem Aktionstag zur Unternehmensnachfolge. 2021 informierten sie unter der Überschrift "Fortsetzung folgt" in verschiedenen – aus Pandemie-Gründen fast ausschließlich digitalen – Formaten über wichtige Fragen rund um den Generationenwechsel.
International

eCommerce und Einfuhrumsatzsteuer: Wichtige Änderungen seit 1. Juli .2021

Am 1. Juli 2021 sind umfangreiche Änderungen in Kraft getreten: Die 2. Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets für den elektronischen Handel soll das grenzüberschreitende eCommerce-Geschäft vereinfachen und Mehrwertsteuerbetrug bekämpfen.
Abgesehen von neuen Regeln für innergemeinschaftliche Fernverkäufe sowie für die Erbringung von innergemeinschaftlichen Dienstleistungen regelt das MwSt-Digitalpaket insbesondere die steuerliche Erfassung und zolltechnische Abwicklung bei der Einfuhr von Waren mit geringem Wert (bis 150 Euro) aus Drittländern neu.
Hier finden Sie die wichtigsten Änderungen auf einen Blick:
  • Wegfall der Freigrenze von 22 EUR
  • Verpflichtung zur Abgabe elektronischer Zollanmeldungen
  • Neue Zuständigkeit für die Abgabe von Zollanmeldungen: Art. 221 Abs. 4 UZK-IA
  • Import One Stop Shop - IOSS
  • Sonderregelung für die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer - Special Arrangement; § 21a UStG

Wegfall der Freigrenze von 22 EUR

Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Waren in Kleinsendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro entfällt bei Sendungen kommerzieller Art, das heißt, auch für Importe mit einem Wert bis zu 22 Euro entstehen Abgaben. Daher werden künftig für alle kommerziellen Einfuhren Abgaben fällig. Abgaben von weniger als einem EUR werden aber nicht erhoben. Mit der Streichung der Wertgrenze sollen faire Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmer gesichert werden. Unternehmen von außerhalb der EU mussten bei Sendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro bisher keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen.
Die Wertgrenze von 45 Euro für Geschenke von Privatpersonen an Privatpersonen bleibt bestehen. Ergänzend wird eine neue Kleinbetragsregelung eingeführt, das heißt, Abgaben von weniger als einem Euro werden nicht erhoben.

Verpflichtung zur Abgabe elektronischer Zollanmeldungen

Anders als bisher müssen grundsätzlich alle Waren mit einer elektronischen Zollanmeldung angemeldet werden. Eine neue Form einer elektronischen Zollanmeldung für Sendungen bis zu einem Sachwert von 150 Euro ist im europäischen Zollrecht in Art. 143 a) UZK-DA geregelt. Diese enthält einen verringerten Datenkranz gegenüber der Standardzollanmeldung und wird vom Zoll mit der neuen Fachanwendung ATLAS-IMPOST (Echtbetriebsbeginn Januar 2022) umgesetzt.
Für den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2021 und Januar 2022 sind Zollanmeldungen grundsätzlich in der Fachanwendung ATLAS-Zollbehandlung als Einzelzollanmeldung (Standardzollanmeldung mit vollem Datenkranz) abzugeben. In Ausnahmefällen auch eine Übergangslösung genutzt werden. Ein solcher Ausnahmefall kann bei großen Sendungsvolumen (ca. 3.000 oder mehr zusätzliche Einzelzollanmeldungen pro Tag) vorliegen. Die Nutzung dieser Übergangsregelung ist zwingend im Vorwege mit der zuständigen Zollstelle und der Generalzolldirektion, Direktion V Referat 2 abzustimmen.

Neue Zuständigkeitsregelung für die Abgabe von Zollanmeldungen

Künftig können gem. Art. 221 Abs. 4 UZK-IA Zollanmeldungen, für die eine außertarifliche  Zollbefreiung gem. Art. 23 und 25 ZollbefreiungsVO gilt, d.h. kommerzielle Sendungen bis 150 Euro und Geschenke bis 45 Euro, nur noch in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung endet, abgegeben werden. Eine Ausnahme gilt bei Anwendung des Import One Stop Shops.

Import One Stop Shop - IOSS

Mit dem IOSS wird eine neue Einfuhrregelung für Fernverkäufe (Online-Bestellungen) von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro an Endkunden (Privatpersonen) geschaffen, um die Erklärung und Entrichtung der beim Verkauf geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer zu erleichtern. Für die Zollanmeldung gelten die allgemeinen zollrechtlichen Regelungen.
Weitergehende Informationen enthält die Homepage des Bundeszentralamtes für Steuern.

Sonderregelung für Entrichtung der Mehrwertsteuer -
Special Arrangement; § 21a UStG

Die Sonderregelung wird als alternatives, vereinfachtes Verfahren für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer in Fällen eingeführt, in denen weder die Einfuhrregelung (IOSS) noch das Standardverfahren in Anspruch genommen werden. Ähnlich wie bei der Einfuhrregelung (IOSS) ist die Inanspruchnahme der Sonderregelungen nicht zwingend vorgeschrieben. Für die Zollanmeldung gelten die allgemeinen zollrechtlichen Regelungen.

Weitere Informationen

Alle Punkte finden Sie auch zusammengefasst im Informationsschreiben der GZD. Ausführliche Informationen enthält die Homepage des Zolls.
Recht und Steuern

Steuerinfo Juni 2021

BFH-Urteil zu pauschalen Kilometersätzen bei Bahnreisen oder Flügen 

Kein Ansatz von Kilometerpauschale bei Bahnreisen 
Mit Urteil vom 11. Februar 2021 - Az.: VI R 50/18 - haben die Richter des BFH entschieden, dass der Ansatz der pauschalen Kilometersätze anstelle der tatsächlichen Aufwendungen für Dienstreisen ausscheidet, wenn ein regelmäßig verkehrendes Beförderungsmittel i.S. des § 4 Abs. 1 BRKG benutzt wird.
Sachverhalt
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Arbeitnehmer war im Streitjahr 2014 als Bundesbetriebsprüfer des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) bundesweit im Einsatz. Das BZSt erkannte seinen Wohnort als Dienstort im reisekostenrechtlichen Sinn an. Die Erstattung der Reisekosten richtete sich nach dem Bundesreisekostengesetz (BRKG). Der Arbeitnehmer setzte für seine Dienstreisen die Wegstreckenentschädigung nach § 5 BRKG an, d. h. für die Reisen mit Bahn oder Flugzeug 0,20 Euro/km und für eine Reise mit dem PKW (zum Teil als Beifahrer) 0,30 Euro/km. Hiervon setzte er die jeweilige Erstattung durch den Dienstherrn ab. Die Kosten für die Reisen mit Bahn oder Flugzeug wurden in Höhe der tatsächlichen Kosten und für die einzige Reise mit dem PKW in Höhe von 0,20 Euro/km erstattet. Die Differenz zwischen den ausgezahlten Erstattungen und den pauschalen Kilometersätzen (Wegstreckenentschädigungen) machte der Arbeitnehmer mit rund 3.000 Euro als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte den Werbungskostenabzug ab und berücksichtigte lediglich den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Die Wegstreckenentschädigungen nach § 5 BRKG beträfen nur die dort genannten Fahrzeuge (insbesondere PKW). Für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel (Bahn, Flugzeug) könnten die pauschalen Kilometersätze nicht angesetzt werden. 
Entscheidung
Der BFH folgt der Beurteilung des Finanzamtes und des Finanzgerichtes. Für die mit Bahn bzw. Flugzeug durchgeführten Reisen sind nicht die pauschalen Kilometersätze, sondern die tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen.  
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG können anstelle der tatsächlichen Aufwendungen wahlweise auch für Zwecke der Einkommensteuer die pauschalen Kilometersätze angesetzt werden, die im BRKG für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentschädigung festgesetzt sind. Die Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) betrifft Fahrten mit anderen als den in § 4 BRKG genannten Beförderungsmitteln, also insbesondere mit Kraftfahrzeugen oder mit nicht regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln.
Nach § 4 Abs. 1 BRKG wird dagegen eine Wegstreckenentschädigung für Fahrten mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln (Bahn, Flugzeug, Straßenbahn) nicht gewährt. Vielmehr werden anstelle der Wegstreckenentschädigung die tatsächlich entstandenen Fahrt- oder Flugkosten (teilweise begrenzt auf die niedrigste Beförderungsklasse) erstattet. Regelmäßig verkehrende Beförderungsmittel in diesem Sinn sind insbesondere die dem allgemeinen Personenverkehr dienenden Verkehrsmittel (Bahn, Flugzeug). Das BRKG unterscheidet damit einerseits zwischen der Fahrt- und Flugkostenerstattung bei der Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel (§ 4 BRKG) und andererseits der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung von Kraftfahrzeugen oder anderen motorbetriebenen Fahrzeugen (§ 5 BRKG).
Hiervon ausgehend steht, so die Richter, dem Arbeitnehmer nur für die mit dem PKW durchgeführten Dienstreisen der Werbungskostenabzug in Höhe der Differenz zwischen der gewährten Erstattung und dem Ansatz von 0,30 Euro als höchster Wegstreckenentschädigung zu (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG) zu. Der Betrag von 51 Euro wirkt sich aufgrund des höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrags (1.000 Euro) nicht aus. 
Hinweis: Die Entscheidung stellt klar, dass bei Dienstreisen nicht in allen Fällen zwischen den Pauschalen nach § 5 BRKG (Wegstreckenentschädigung) und dem Nachweis der tatsächlichen Kosten gewählt werden kann. 

Erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung

Keine Auswärtstätigkeit bei Verträgen im Ausland
Der BFH hat mit Urteil vom 17. Dezember 2020 - Az.: VI R 21/18 - das Ende April veröffentlicht wurde, geurteilt, dass eine erste Tätigkeitsstätte bei Entsendung ins Ausland bei der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens, der der Arbeitnehmer im Rahmen eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist, vorliegt.
Sachverhalt
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Arbeitnehmer war im Management bei VW in Wolfsburg (Heimatgesellschaft) angestellt. Im Jahr 2013 schloss er mit der Heimatgesellschaft einen Entsendevertrag, nach dem er für drei Jahre eine Tätigkeit bei VW USA (Gastgesellschaft) übernehmen wird. Das Arbeitsverhältnis mit der Heimatgesellschaft wurde für diese Zeit "ruhend gestellt". Der Entsendevertrag sah vor, dass der Arbeitnehmer mit der Gastgesellschaft einen lokalen Arbeitsvertrag schließt. Am Arbeitsplatz unterlag er den Regeln der Gastgesellschaft. Nach dem lokalen Arbeitsvertrag erhielt der Arbeitnehmer Zuschüsse für die Wohnungskosten in den USA, für Heimflüge (Flugbudget) und für Möbelmiete. Der Arbeitnehmer trat die Stelle in den USA im Sommer 2013 an. Seine Ehefrau begleitete ihn dabei. Die Wohnung in Deutschland behielten sie bei.
Das Finanzamt ging im Rahmen der privaten Einkommensteuererklärung davon aus, dass der Arbeitslohn des Arbeitnehmers aus den USA in voller Höhe in die Berechnung des Steuersatzes nach dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) einzubeziehen sei. Die erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers habe sich in den USA befunden, so dass keine auswärtige Tätigkeit vorliege. Dorthin habe sich auch der Lebensmittelpunkt der Eheleute verlagert. Der Arbeitslohn könne nicht um die Zuschüsse gemindert werden. Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung wurden nicht anerkannt.
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. 
Entscheidung 
Die Richter des BFH bestätigten diese Entscheidung. 
Die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wohnung und Flüge sind nicht als Werbungskosten abziehbar. Denn seine erste Tätigkeitsstätte befand sich im Streitjahr im Werk der Gastgesellschaft in den USA. Dementsprechend war der Arbeitnehmer in den USA nicht auswärtig tätig. Somit sind keine abziehbaren Reisekosten entstanden und der Arbeitslohn ist nicht um steuerfreie Werbungskostenerstattungen zu mindern.  
Die Einnahmen des Arbeitnehmers aus seiner Tätigkeit in den USA konnten nicht in Deutschland, sondern nur in den USA besteuert werden. Sie unterlagen jedoch dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG i. V. m. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA. Wegen der ersten Tätigkeitsstätte in den USA liegen keine als Werbungskosten abziehbaren Reisekosten vor.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Diese Voraussetzungen sind, so die Richter des BFH, bei dem Werk der Gastgesellschaft in den USA erfüllt: Das Werk ist eine ortsfeste Einrichtung. Es liegt eine Einrichtung des Arbeitgebers des Arbeitnehmers vor. Er war mit der Gastgesellschaft ein (befristetes) Arbeitsverhältnis eingegangen und in den Betrieb der Gastgesellschaft eingegliedert. Er erbrachte ihr gegenüber Arbeitsleistungen und bezog von ihr Arbeitslohn. 
Der Arbeitnehmer war aufgrund des mit der Gastgesellschaft vereinbarten lokalen Arbeitsvertrags deren Werk zugeordnet, so die Richter weiter.
Die Zuordnung erfolgte dauerhaft. Sie sollte für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses Bestand haben (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit der Heimatgesellschaft war ruhend gestellt. Daraus ergaben sich keine arbeitsrechtlichen Weisungen in Bezug auf eine erste Tätigkeitsstätte mehr. Die Arbeitgeberstellung der Heimatgesellschaft war nach Ansicht der Richter nur subsidiär.
Hinweis: In zwei weiteren Entscheidungen vom gleichen Tag hat der BFH inhaltsgleich entschieden (BFH vom 17. Dezember 2020, VI R 22/18 und VI R 23/18). Die früher vertretene Auffassung, im Werk der ausländischen (Tochter-)Gesellschaft werde keine regelmäßige Arbeitsstätte unterhalten, ist durch die Definition der ersten Tätigkeitsstätte in § 9 Abs. 4 EStG seit 2014 überholt. 
Die Richter verneinten auch eine doppelte Haushaltsführung. Wegen Verlegung des Lebensmittelpunkts in die USA wurde in Deutschland kein Hausstand mehr unterhalten und es bestand somit keine doppelte Haushaltsführung. Daran änderte sich auch nichts, wenn der Haushalt in Deutschland beibehalten wurde. 
Auswärtstätigkeiten möglich 
Wird ein Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen ohne Abschluss eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dieses Unternehmens tätig, ist die erste Tätigkeitsstätte beim aufnehmenden Unternehmen nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG dauerhaft (d. h. unbefristet, für die Dauer des gesamten - befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus) ins Ausland entsandt wird. Sämtliche nicht dauerhaft ausgeübten Entsendungen wären dann als Auswärtstätigkeit einzustufen. 
Aber auch bei Abschluss eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen im Ausland ist eine Auswärtstätigkeit nicht unmöglich. Das aufnehmende Unternehmen kann den z. B. an den Hauptsitz entsandten Arbeitnehmer während seines Auslandseinsatzes nach Maßgabe des neuen Reisekostenrechts selbst auswärts, z. B. an einem anderen Ort einsetzen. Denn auch insoweit sind die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen (bzw. die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen) zwischen aufnehmendem Unternehmen und entsandtem Arbeitnehmer maßgeblich.
Bundesrat verabschiedet Fondsstandortgesetz 
Mitarbeiterbeteiligungen werden steuerlich stärker gefördert
Der Bundesrat hat am 28. Mai 2021 das Fondsstandortgesetz verabschiedet, wodurch es für Beschäftigte in Start-ups und anderen Kleinunternehmen ab dem 1. Juli 2021 attraktiver wird, Anteile an ihrer Firma zu übernehmen. Geregelt wurde, dass der steuerfreie Höchstbetrag für Vermögensbeteiligungen von 360 Euro im Jahr auf 1.440 Euro angehoben wird (§ 3 Nr. 39 EStG). 
Zudem gibt es insbesondere für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Startup-Unternehmen eine neue Regelung (§ 19 a EStG), nach der die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht besteuert werden. Dies gilt auch, wenn die Vermögensbeteiligungen mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. Die Besteuerung erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, in der Regel im Zeitpunkt der Veräußerung, spätestens nach 12 Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel. Damit soll vermieden werden, dass die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) bei der Arbeitnehmerin bzw. beim Arbeitnehmer führt, ohne dass ihm liquide Mittel zugeflossen sind. 
Die Neuregelung gilt für Vermögenbeteiligungen, die nach dem 30. Juni 2021 übertragen werden.
BFH entscheidet über Rentenbesteuerung 
Keine Verfassungswidrigkeit wegen Doppelbesteuerung der Rentenzahlungen
Der BFH hat in zwei Urteilen vom 19. Mai 2021, Aktenzeichen X R 33/19 und X R 20/19 weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Die Richter haben über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden und auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten, die mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann.
Die Richter haben zudem entschieden, wie bei der Berechnung einer potenziellen Doppelbesteuerung der Alterseinkünfte vorzugehen ist. Auf der Einzahlungsseite sind die den Höchstbetrag übersteigenden Beträge zu ermitteln. Auf der Auszahlungsseite ist vor allem wichtig, dass der Grundfreibetrag als größte Position nicht zu berücksichtigen ist. Der BFH verweist hinsichtlich der Ermittlung des steuerfrei zufließenden Teils der gesetzlichen Altersrente nebst Steigerungsbeträgen aus der Höherversicherung auf die Berechnungsformel des Grundsatzurteils X R 33/19. Danach sind weder der Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) noch der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 und 5 EStG) und ebenso wenig der Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag (§ 10c EStG) einzubeziehen.
Eine doppelte Besteuerung liegt nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Beträge, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Rentners abziehbar sind oder steuerfrei gestellt werden, sind in die Vergleichsrechnung nicht einzubeziehen (z. B. der Grundfreibetrag).
Aus der Berechnungsformel des BFH ergibt sich, dass ggf. für vier Gruppen künftig in erhöhtem Maße die Möglichkeit bestehen kann, in den Bereich einer rechnerischen Doppelbesteuerung zu kommen. Für diese Gruppen wird der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung tätig werden müssen, um eine Doppelbesteuerung auszuschließen:  
  • Ledige Kinderlose, da an sie keine Hinterbliebenenbezüge ausbezahlt werden,
  • Männer, weil sie nach der Sterbetafel früher sterben als Frauen,
  • frühere Selbständige, weil für sie kein steuerfreier Arbeitgeberanteil eingezahlt wird und
  • künftige Rentnerjahrgänge, weil der Rentenfreibetrag mit jedem Renteneintrittsjahrgang geringer und ein immer höherer Anteil der Steuer unterworfen wird.
Das BMF hat bereits angekündigt, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Reform der Rentenbesteuerung diskutiert werden soll. 

Startschuss für neue Umsatzsteuerregeln im eCommerce steht bevor

Mehrwertsteuer-Digitalpaket – Start der zweiten Stufe am 1. Juli 2021
Am 1. Juli 2021 tritt die zweite Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets in Kraft. Bereits seit 1. April 2021 können sich Betroffene für die neuen besonderen Besteuerungsverfahren anmelden. Die komplexen Regelungen des Digitalpakets erfordern einiges an Vorbereitung in den Unternehmen.
Ziel des Mehrwertsteuer-Digitalpakets der EU (MwSt-Digitalpaket) ist es, den grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu modernisiert und zu vereinfachen.
Im ersten Schritt wurde dazu im Jahr 2015 für bestimmte Dienstleistungen (= insbesondere auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen) die kleine einzige Anlaufstelle (keA) – auch Mini-One-Stop-Shop (MOSS) genannt – eingeführt.
Mit der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets für den elektronischen Handel soll nun das grenzüberschreitende eCommerce-Geschäft vereinfacht und Mehrwertsteuerbetrug bekämpft werden. Die neuen Vorschriften sind insbesondere für Unternehmen mit grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen zu Nichtunternehmern (sog. business to consumer – B2C) sowie Betreiber von elektronischen Schnittstellen (Plattformen, Markplätze, Portale) wichtig.
Änderungen beim Versandhandel – Besteuerung von „Fernverkäufen“
Die Versandhandelsregelung des § 3c UStG wird grundlegend geändert. Künftig werden Lieferungen von Gegenständen innerhalb der EU oder aus dem Drittland an nichtunternehmerische Empfänger/Verbraucher als sog. Fernverkäufe definiert. Als Ort der Besteuerung des Fernverkaufs wird das Bestimmungsland, also der Ort an dem sich der Gegenstand bei Beendigung des Transports an den Erwerber befindet, festgelegt, § 3c Abs. 1 UStG.
Für innergemeinschaftliche Fernverkäufe, also grenzüberschreitende Lieferungen innerhalb der EU, kann die Besteuerung im Bestimmungsland unterbleiben, wenn ein Schwellenwert von 10.000 Euro nicht überschritten wird. Die Besteuerung erfolgt dann in dem Mitgliedstaat, in dem der Transport beginnt (Abgangsmitgliedstaat). Der Schwellenwert ersetzt die bei der bisherigen Versandhandelsregelung des § 3c UStG bis Ende Juni 2021 geltenden verschiedenen Lieferschwellen der Mitgliedstaaten. Im Gegensatz zu den Lieferschwellen, die jeweils für Lieferungen in den entsprechenden Mitgliedstaat separat beobachtet werden müssen, gilt der Schwellenwert für alle innergemeinschaftlichen Fernverkäufe innerhalb der EU. Zusätzlich sind bei der Berechnung auch elektronische Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 5 UStG zu berücksichtigen. Die Schwelle ist zudem nur anwendbar, wenn der Unternehmer in nur einem Mitgliedstaat ansässig ist (inkl. Betriebsstätte, Wagenlager), § 3c Abs. 4 UStG.
Zusätzlich zu den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen umfasst § 3c UStG künftig auch Fernverkäufe von Waren, die aus Drittstaaten eingeführt werden, § 3c Abs. 2 und 3 UStG. In der Regel betrifft dies nur Warenlieferungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro.
Einbeziehung von Betreibern sog. elektronischer Schnittstellen in die Lieferkette – Lieferkettenfiktion
Beim Verkauf von Waren über eine elektronische Schnittstelle wird künftig in bestimmten Fällen ein Reihengeschäft fingiert. Die elektronische Schnittstelle wird in die Lieferkette und ähnlich einem Kommissionsgeschäft in die Besteuerung einbezogen. Der Schnittstellenbetreiber wird Steuerschuldner der Umsatzsteuer für den Verkauf der Ware an den Endkunden. Die sog. bewegte Lieferung wird dabei per Gesetz der Lieferung der Schnittstelle an den Endkunden zugeordnet, § 3 Abs. 6b UStG.
Elektronische Schnittstellen sind elektronische Markplätze, elektronische Plattformen, elektronische Portale oder Ähnliches. Wesentlich ist, dass es sich um Technologien handelt, die einen elektronischen Verkauf unterstützen.
Der Schnittstellenbetreiber wird entsprechend § 3 Abs. 3a UStG Steuerschuldner, wenn er Warenlieferungen eines nicht in der EU ansässigen Unternehmers (= Drittlandsunternehmer) innerhalb der EU an Endkunden unterstützt oder von aus dem Drittland eingeführten Waren mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Endkunden innerhalb der EU unterstützt. In diesem Fall ist die Ansässigkeit des Lieferanten irrelevant.
Die Anwendung der Lieferkettenfiktion des § 3 Abs. 3a UStG schließt die Haftung des Schnittstellenbetreibers für nicht entrichtete Umsatzsteuer durch auf seinem Marktplatz tätige Händler/Unternehmen nach § 25e Abs. 1 UStG aus.
Abschaffung der Freigrenze von 22 Euro
Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Waren in Kleinsendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro entfällt. Ab dem 1. Juli 2021 wird für alle kommerziellen Einfuhren damit grundsätzlich Einfuhrumsatzsteuer fällig. Damit sollen Wettbewerbsnachteile für EU-Unternehmen durch nicht besteuerte Einfuhren vermieden werden.
Eine Ausnahme von der Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer gilt in den Fällen, in denen die Warensendung über den sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS) angemeldet wird. Die Umsatzsteuer wird in diesen Fällen bereits im Zeitpunkt des Verkaufs direkt an den EU-Kunden berechnet und der zuständigen Finanzbehörde des jeweiligen Mitgliedsstaates erklärt. Bei der anschließenden Einfuhrverzollung fällt dann keine Einfuhrumsatzsteuer an.
Einführung besonderer Besteuerungsverfahren
Damit sich Unternehmen nicht in allen Mitgliedstaaten der EU registrieren müssen, in denen sie bspw. Fernverkäufe ausführen, werden besondere Besteuerungsverfahren – sog. einzige Anlaufstellen – eingeführt. Dabei sind drei besondere Besteuerungsverfahren zu unterscheiden:
  • One-Stop-Shop (OSS) – EU-Regelung, § 18j UstG
  • One-Stop-Shop (OSS) – Nicht EU-Regelung, § 18i UstG
  • Import-One-Stop-Shop (IOSS), § 18k UStG.
Die Nutzung der besonderen Besteuerungsverfahren ist optional. Wird das Wahlrecht ausgeübt, gilt es für alle entsprechenden Umsätze innerhalb der EU. Die Teilnahme an den besonderen Besteuerungsverfahren hat teilweise Auswirkungen auf das materielle Recht.
Die Entscheidung für ein bzw. mehrere besondere Besteuerungsverfahren schließt eine Registrierung im EU-Ausland für andere Umsätze (z. B. Umsätze an Unternehmer = B2B) nicht aus. Die Pflicht zur Registrierung in diesen Fällen bleiben vielmehr bestehen. Vorsteuerbeträge können nicht im besonderen Besteuerungsverfahren geltend gemacht werden. Diese können nur im Vorsteuervergütungsverfahren bzw. wenn eine Registrierung in dem Mitgliedstaat aus anderen Gründen (z.B. B2B-Umsätze besteht) im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend gemacht werden.
Die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren muss der zuständigen Behörde vor dem Besteuerungszeitraum angezeigt werden. In Deutschland ist dafür das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zuständig. Die Anmeldung ist dort seit 1. April 2021 möglich. Erklärungen bzw. die Zahlung der Umsatzsteuer muss innerhalb eines Monats nach Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums gegenüber dem BZSt erfolgen.
Bei der Steueranmeldung ist weiterhin das jeweilige ausländische Umsatzsteuerrecht zu beachten! Die EU-Kommission stellt in der Datenbank „Taxes in Europe“.
Informationen zur Verfügung, die von den jeweiligen Mitgliedstaaten gepflegt werden. Darüber können bspw. die Steuersätze der anderen Mitgliedstaaten ermittelt werden; dazu ist allerdings die Einreihung unter die Zolltarifnummern der Kombinierten Nomenklatur (KN) erforderlich.
MOSS wird OSS
Der sog. Mini One Stop Shop (MOSS), der bislang bereits für im EU-Ausland erbrachte Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernseh- sowie elektronische Dienstleistungen angewendet werden kann, wird ab 1. Juli 2021 auf alle Leistungen an Nichtunternehmer ausgeweitet. Er wird damit zum One-Stop-Shop (OSS) – EU-Regelung, § 18j UStG. Dazu gehören auch innergemeinschaftliche Fernverkäufe (bisher als Versandhandel bezeichnet) sowie die Umsätze der Betreiber elektronischer Schnittstellen (z. B. Online-Marktplatz), die unter die Lieferkettenfiktion des § 3 Abs. 3a UStG fallen.
Unternehmen, die bereits für MOSS registriert waren, werden automatisch in das neue System überführt.
Besteuerungszeitraum des OSS-Verfahrens nach § 18j UStG ist das jeweilige Quartal. Bei Nutzung des OSS ab 1. Juli 2021 muss die erste Meldung sowie Umsatzsteuer-Zahlung bis Ende Oktober 2021 erfolgen.
Erweiterung der einzigen Anlaufstelle für Drittlandsunternehmen
Für nicht in der EU ansässige Unternehmen (Drittlandsunternehmen) wird zum 1. Juli 2021 der One Stop Shop (OSS) – Nicht -EU-Regelung eingeführt, § 18i UStG. Die bislang für das Verfahren „VAT on e-services“ registrierten Drittlandsunternehmen werden automatisch in das neue System überführt. Das § 18i UStG-Verfahren gilt für alle Dienstleistungen an Nichtunternehmer, die ein Drittlandsunternehmen an Endkunden innerhalb der EU erbringt.
Auch für das OSS-Verfahren nach § 18i UStG ist das jeweilige Quartal der maßgebende Besteuerungszeitraum. Erklärungen und Zahlungen haben ebenfalls bis zum Ende des Folgemonats zu erfolgen; für Umsätze im III. Quartal 2021 müssen diese also bis Ende Oktober 2021 erklärt und gezahlt werden.
Einführung einer einzigen Anlaufstelle für den Import
Für Fernverkäufe aus dem Drittland mit einem Wert von bis zu 150 Euro wird zum 1. Juli 2021 ein neuer Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt. Wird dieser zur Erklärung der Umsätze genutzt (Wahlrecht), ist die Einfuhr von Waren nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG-neu unter weiteren Voraussetzungen von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Gleichzeitig entfällt die generelle Befreiung von Einfuhren von geringem Wert (Kleinsendungen bis max. 22 Euro) von der Einfuhrumsatzsteuer.
Besteuerungszeitraum des IOSS-Verfahrens ist der Kalendermonat. Entsprechende Umsätze, die im Juli 2021 gemacht werden, sind bis Ende August 2021 gegenüber der zuständigen Behörde (in Deutschland: BZSt) zu erklären sowie die Umsatzsteuer zu zahlen.
Einführung einer Sonderregelung zur Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer
Sofern der IOSS nicht genutzt wird, kann das sog. Special Arrangement (§ 21a UStG) für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer genutzt werden. Es handelt sich dabei um eine optionale Sonderregelung. In diesem Fall kann die Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren eines Monats durch den Beförderer (z.B. Post- oder Expresskurierdienstleister) vom Empfänger der Sendung vereinnahmt und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung entrichtet werden. Wie das IOSS-Verfahren ist auch die Nutzung des Special Arrangement auf Warensendungen mit einem Wert von bis zu 150 Euro begrenzt.

Aktuelle Haushaltspolitik

Steuereinnahmen im April 2021 – kräftige Erholung von 32 Prozent 

Steuereinnahmen liegen nur 1,5 Prozent unter April 2019
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) stiegen im April 2021 um 31,9 Prozent gegenüber April 2020. Hierzu trug ein beträchtliches Plus im Aufkommen der Steuern vom Umsatz bei. Die konjunkturellen Auswirkungen der Coronakrise belasteten hingegen weiterhin das Steueraufkommen, wenngleich eine behutsame Erholung sichtbar wird. 
Gemischtes Bild bei den einzelnen Steuerarten
Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern lagen insgesamt um 44,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Neben den Steuern vom Umsatz (+60,3 Prozent; bedingt vor allem durch die infolge der steuerlichen Entlastungsmaßnahmen geminderte Vergleichsbasis) verzeichneten die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge (+51,5 Prozent) Zuwächse. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer stiegen ebenfalls kräftig um 5,1 Prozent.
Bei den Bundessteuern ergab sich im April ein Einnahmerückgang im Vergleich zum Vorjahr um 10,9 Prozent. Deutlich geringer fielen die Einnahmen aus der Energiesteuer (-13,8 Prozent) und aus dem Solidaritätszuschlag (-47,8 Prozent) aus, bei letzterem bedingt durch die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages. 
Die Einnahmen aus den Ländersteuern wiesen erneut einen deutlichen Anstieg um 19,4 Prozent auf, u.a. aufgrund eines starken Zuwachses der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer (+18,8 Prozent) und der Grunderwerbsteuer (+17,5 Prozent). Die Einnahmen aus den Ländersteuern liegen bereits um 12,8 Prozent über dem Vor-Corona-Ergebnis von April 2019. 
Januar bis April 2021: erstes, wenn auch kleines Plus
Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den ersten vier Monaten zeigt eine beginnende Belebung der deutschen Wirtschaft: Das Steueraufkommen insgesamt ist um 1,3 Prozent gegenüber April 2020 gestiegen. Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern legten um 3,4 Prozent zu; das Aufkommen der Bundessteuern sank um 11,3 Prozent. Die Ländersteuern verzeichneten einen Einnahmezuwachs von 7,9 Prozent.
Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden
Die Steuereinnahmen des Bundes nach Verrechnung von Bundesergänzungszuweisungen verzeichneten von Januar bis April 2021 einen Rückgang um 4,9 Prozent gegenüber dem Ergebnis der ersten vier Monate des Jahres 2020. Die Länder verbuchten für diesen Zeitraum einen Zuwachs von 3,6 Prozent. Die Einnahmen der Gemeinden aus ihrem Anteil an den Gemeinschaftssteuern verringerten sich um 0,6 Prozent. 

Deutsches Stabilitätsprogramm 2021: Trotz Corona weiterhin solide Finanzen 

Schuldenquote durch Corona geringer als zur Zeit der Finanzkrise 2008 – Hilfen sollen Wachstum anstoßen 
Die Bundesregierung stellt in ihrem Stabilitätsprogramm 2021 eine weiterhin solide Finanzlage fest. Kerngrößen sind der Finanzierungssaldo und die Schuldenstandsquote. Für das laufende Jahr wird ein gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit von rund 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwartet. Die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote wird voraussichtlich Ende 2021 bei rund 74,5 Prozent des BIP liegen. Bis zum Jahr 2025 soll sie wieder deutlich und kontinuierlich zurückgehen, auf voraussichtlich dann knapp 69 Prozent des BIP. 
Stabilitätsprogramm ist Teil des europäischen Semesters
In den Stabilitätsprogrammen, die Teil der präventiven Komponente des europäischen Stabilitäts‑ und Wachstumspakts sind, stellt ein Mitgliedstaat seine mittelfristige Haushaltsstrategie vor, d.h. er erläutert, wie er im Einklang mit den Vorgaben des Stabilitäts‑ und Wachstumspaktes mittelfristig eine solide Haushaltsposition erreichen oder beibehalten will. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichtet die Mitgliedstaaten, den gesamtstaatlichen Haushalt mittelfristig nahezu auszugleichen und sich hierzu verbindliche Ziele zu setzen. Zudem gibt der Pakt Obergrenzen für das Haushaltsdefizit (3 Prozent des BIP) und den Schuldenstand (kleiner 60 Prozent des BIP) vor.
Um den EU-Mitgliedstaaten den notwendigen finanzpolitischen Handlungsspielraum zur Bekämpfung der Pandemie einzuräumen, hatte die EU bereits im März 2020 beschlossen, dass angesichts des erwarteten schweren Konjunkturabschwungs die Voraussetzungen für die Aktivierung der sogenannten allgemeinen Ausweichklausel eingetreten seien. Damit wird den Mitgliedstaaten für die Jahre 2020 und 2021 gestattet, unter Wahrung der mittelfristigen Schuldentragfähigkeit vorübergehend von den geltenden haushaltspolitischen Anforderungen im europäischen fiskalpolitischen Rahmen abzuweichen, um so alle notwendigen Maßnahmen zur Abfederung der Coronakrise ergreifen zu können. 
Entwicklung des Finanzierungssaldos
Der Staat verzeichnete 2020 erstmals seit 2011 wieder ein Finanzierungsdefizit (-4,2 Prozent des BIP). Dabei entfiel der überwiegende Teil des gesamtstaatlichen Defizits im Jahr 2020 auf den Bund (Defizit von 2,6 Prozent des BIP). Länder und Gemeinden zusammen wiesen ein Defizit von insgesamt 0,6 Prozent des BIP auf. Die Sozialversicherung verzeichnete ein Defizit von 1,0 Prozent des BIP.
Gemäß der aktuellen Projektion kann der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo im Jahr 2021 bis auf ein Defizit von rund 9 Prozent des BIP steigen. Der Anstieg des Defizits gegenüber dem Vorjahr resultiert insbesondere aus einem Anstieg des Defizits des Bundes; dieses wird sich nochmals erhöhen, auf rund 6 ¾ Prozent des BIP. Dabei wird angenommen, dass alle im Bundeshaushalt vorgesehenen Ausgaben zur Bekämpfung der Pandemie im vollen Umfang getätigt werden und die eingeplante Nettokreditaufnahme in Höhe von 240,2 Mrd. Euro voll ausgeschöpft wird.
Im Jahr 2022 soll das gesamtstaatliche Defizit auf rund 3 Prozent des BIP zurückgehen. Die Verringerung des Defizits gegenüber dem Jahr 2021 ergibt sich nach der Prognose der Bundesregierung im Wesentlichen aus den auslaufenden Corona-Unternehmenshilfen und sonstigen temporären Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie. Auch in den weiteren Jahren geht die Bundesregierung von einem kontinuierlichen Rückgang des Defizits aus. 
Entwicklung der Schuldenstandsquote
In den Jahren 2012 bis 2019 ging die Schuldenstandsquote durch das anhaltende Wirtschaftswachstum kontinuierlich zurück. Zum Ende des Jahres 2019 sank der Schuldenstand auf 59,7 Prozent des BIP. Damit wurde der Referenzwert des Maastricht-Vertrags von 60 Prozent erstmals seit dem Jahr 2002 wieder unterschritten.
Infolge der Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie ist die Schuldenstandsquote im Jahr 2020 auf 69,8 Prozent gestiegen. In diesem Jahr wird sich die Schuldenquote infolge des gesamtstaatlichen Defizits weiter erhöhen, auf voraussichtlich 74,5 Prozent des BIP. Im internationalen Vergleich ist dies die niedrigste Schuldenquote aller G7-Staaten. In den folgenden Jahren wird auch die Schuldenstandsquote kontinuierlich zurückgehen, auf voraussichtlich etwas mehr als 69 Prozent des BIP im Jahr 2025.
Strategische Ausrichtung der Finanzpolitik der Bundesregierung
Die Bundesregierung macht in ihrem Programm deutlich, dass die Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft fortlaufend an die pandemische Lage angepasst und so lange wie nötig fortgeführt werden. Für die mittel- und langfristige Perspektive werden im Stabilitätsprogramm die großen Linien zur Modernisierung der Wirtschaft und Verwaltung sowie zur Stärkung des Wachstums- und Produktivitätspotenzials der deutschen Volkswirtschaft umrissen. Dazu gehören die mittelfristigen Komponenten des Konjunkturprogramms und des Zukunftspaketes v.a. im Bereich von Digitalisierung und Innovation, aber auch das überarbeitete Klimaschutzgesetz von Mai 2021. Ziel der Bundesregierung ist es, über ein kräftiges und nachhaltiges Wirtschaftswachstum nach der Coronakrise die Voraussetzungen für solide öffentliche Finanzen in der Zukunft zu schaffen.

Internationale und Europäische Haushalts- und Steuerpolitik

Neue Regelungen für internationale Unternehmensaktivitäten 

ATAD-Umsetzungsgesetz passiert den Deutschen Bundestag
Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2021 das sog. „ATAD-Umsetzungsgesetz“ verabschiedet und zuvor einige Änderungen gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung vorgenommen. Leider wurden dabei die Verbesserungsvorschläge des DIHK insbesondere bei Wegzugsfällen nicht aufgenommen.
DIHK setzt sich für Verbesserungen ein
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) vom 19. April 2021 wurde nach 1. Lesung im Bundestag am 22. April 2021 und am 3. Mai 2021 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages beraten. Der DIHK hatte gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft eine Stellungnahme an den Finanzausschuss gesendet. Bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses vertrat der DIHK als Sachverständiger die Interessen der Unternehmen und hat insbesondere die von vielen Familienunternehmen geforderte Entschärfung der vorgesehenen Regelung zur Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG vorgetragen. 
Auf Grundlage der öffentlichen Sachverständigen-Anhörung hatte der Finanzausschuss am 12. Mai 2021 eine Empfehlung (nebst Bericht der Berichterstatter Fritz Güntzler, CDU, und Lothar Binding, SPD) beschlossen, die Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht:
Bundestag nimmt Veränderungen vor
  • Bei den hybriden Gestaltungen wurden Modifikationen im Detail vorgenommen, insbesondere in § 4k Abs. 4 EStG-Neu. Demnach soll bei doppelansässigen Steuerpflichtigen das EU-rechtlich geregelte Vorrangverhältnis (BA-Abzugsverbot wurde bereits durch anderen Mitgliedsstaat durchgeführt) angewendet werden. Zugleich wird in § 4 Abs. 5 EStG-Neu der Begriff der importierten Besteuerungsinkongruenz konkretisiert: Abgestellt werden soll dabei auf die tatsächliche steuerliche Behandlung im Ausland und nicht auf den (hypothetischen) Vergleich im Falle einer inländischen Steuerpflicht. 
  • Mit Blick auf Verrechnungspreisbestimmung wird in § 1 Abs.3a S. 4 AStG-Neu nunmehr die Zugrundelegung eines Wertes innerhalb einer gewissen Bandbreite anstelle des Median-Wertes ermöglicht.
  • Bei der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) wurden lediglich geringfügige Änderungen in § 13 Abs. 5 AStG (Kapitalanlagegesellschaften) und § 20 Abs. 2 AStG (DBA-Anwendung) vorgenommen.
Bundesrat wird voraussichtlich am 25. Juni 2021 zustimmen
Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. Diese wird voraussichtlich am 25. Juni 2021 erteilt werden, so dass die Gesetzesänderung zeitnah nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
EU-Kommission will stärker gegen Briefkastenfirmen vorgehen 
Steuergestaltungen sollen mit einer neuen EU-Richtlinie unterbunden werden
Die Europäische Kommission hat am 20. Mai 2021 die Arbeiten für eine vorbereitende Auswirkungsstudie (Inception Impact Assessment – IIA) vorgestellt, um Briefkastenfirmen steuerlich zu reglementieren. Hierzu soll bereits im Juni 2021 eine öffentliche Konsultation eingeleitet und im Anschluss ein Richtlinienvorschlag vorgelegt werden.
Briefkastenfirmen im Visier
Die Europäische Kommission möchte stärker gegen missbräuchliche Steuergestaltungen bei grenz-überschreitenden Unternehmensaktivitäten vorgehen und insbesondere die Einschaltung sog. Briefkastenfirmen steuerlich erschweren. 
Diese sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass keine bzw. nur minimale Substanz vorhanden ist und keine oder nur sehr geringe reale wirtschaftliche Aktivitäten ausgeübt werden. Vielmehr steht bei diesen Konstrukten die Minimierung der Gesamtsteuerbelastung in einem grenzüberschreitend tätigen Konzern im Vordergrund. Bereits im BEPS-Aktionspunkt 5 (Harmful Tax Practices) der OECD wurden allgemeine Voraussetzungen hinsichtlich der Steuersubstanz formuliert, sofern steuerliche Vergünstigungen in Anspruch genommen werden. Diese Anforderungen müssten nun, so die EU-Kommission, auf EU-Ebene in einem entsprechenden Maßnahmenpaket umgesetzt werden. Technisch könne dabei an die bereits bestehenden Vorgaben der – in Drittlandsfällen geltenden – „EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete“ (schwarze Liste) angeknüpft werden, mit denen die substanzielle Präsenz und die Leistung der realen Wirtschaftstätigkeit in Ländern mit keinen oder sehr niedrigen Körperschaftsteuern gemessen werden.
EU bereitet öffentliche Konsultation vor 
Die EU-Kommission hat in dem Inception Impact Assessment vom 20. Mai 2021 bereits verschiedene Handlungsmöglichkeiten identifiziert, welche nunmehr im Rahmen einer Auswirkungsstudie (Impact Assessment) überprüft werden sollen: Avisiert wird eine neue Gesetzgebungsinitiative zur Festlegung steuerlicher Substanzanforderungen und realer wirtschaftlicher Aktivitäten sowie neuer Mechanismen, einschließlich einer verstärkten Zusammenarbeit und Überwachung der bestehenden Rechtsvorschriften durch die Mitgliedsstaaten. Besonderes Augenmerk muss dabei auf der Erarbeitung einer klaren Definition von „Briefkastenfirmen/shell entities“) liegen. 
Die Kommission wird nunmehr gezielte Gespräche mit den Finanzbehörden der Mitgliedstaaten durchführen, um ein umfassendes Bild vom Ausmaß der Problemlage sowie den vorhandenen nationalen Steuerregelungen zu erhalten. Zugleich wird die EU-Kommission im Juni 2021 eine öffentliche Konsultation einleiten.
Ziel ist es, im 4. Quartal 2021/1. Quartal 2022 einen Richtlinienvorschlag zu veröffentlichen.

Einigung auf Richtlinientext zum Öffentlichen Country-by-Country Reporting

Meldepflicht gilt für "Schwarze" und "Graue" Liste nicht-kooperativer Länder
Der vorläufige Richtlinientext zur Einführung einer länderspezifischen öffentlichen Berichtspflicht in Steuersachen steht. Damit ist ein Kompromiss nah am Standpunkt des Rats zum so genannten Public Country-by-Country Reporting erzielt worden. Genauere Details lesen Sie hier.
Die Veröffentlichungspflicht – möglicherweise auf dem Weg über eine öffentlich einsehbare zentrale Datenbank der EU – erstreckt sich auf folgende Unternehmen und Sachverhalte: Solche, die - alleine oder als Unternehmensverbund - einen konsolidierten Jahresumsatz von 750 Millionen Euro in zwei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren erreicht haben – egal, ob sich ihr Unternehmenssitz innerhalb oder außerhalb der EU befindet.
Die meldepflichtigen Wirtschafts- und Steuerdaten (unter anderem festgesetzte und gezahlte Steuern) müssen für die EU und für Staaten auf der so genannten "Schwarzen" und "Grauen" Liste nicht-kooperativer Staaten nach Ländern getrennt aufgeführt sein. Für den Rest der Welt kann die Meldung kumuliert erfolgen. Die Erstreckung auch auf Länder der Grauen Liste stellt ein Entgegenkommen des Rates dar. Im Entwurf der Kommission war dies nicht enthalten.
Kürzere Frist zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Die Meldung muss innerhalb von zwölf Monaten ab dem Bilanzstichtag erfolgen. Rat und Europäisches Parlament haben an zwei weiteren Stellen die Fähigkeit zum Kompromiss bewiesen: Auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen können sich an sich meldepflichtige Unternehmen nur vier statt fünf Jahre berufen. Und die Umsetzung des Richtlinientextes durch die Mitgliedstaaten muss schon nach 18 statt 24 Monaten erfolgt sein.
Damit er tatsächlich in Kraft treten kann, muss die Einigung noch von Rat und EP formell bestätigt und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Vier Jahre nach Umsetzung muss die EU-Kommission zum ersten Mal über die Wirksamkeit der Richtlinie berichten.
EU-Agenda zur "Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert" vorgestellt
Konkrete Maßnahmen will die EU-Kommission 2022 präsentieren
Einheitliche Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung in der EU, eine gerechtere Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten, mehr Transparenz über effektive Steuersätze international tätiger Großkonzerne, stärkere Anreize für Eigenkapital und mehr: Mit ihrer Agenda "Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert" kündigt die EU-Kommission umfangreiche Reformen an.
In der Agenda, die die Kommission am 18. Mai vorgestellt hat, wird sowohl eine kurzfristige Vision einer Unternehmensbesteuerung skizziert, mit der die Folgen der Covid-19-Pandemie bewältigt werden sollen, als auch eine langfristige Vision zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums mit neuen Arbeitsplätzen in der EU.
Fortschritte, die bei den Beratungen innerhalb der Staatengemeinschaften G20 beziehungsweise OECD zu einer globalen Steuerreform erzielt werden, sollen berücksichtigt werden. Konkrete Maßnahmen will die EU-Kommission 2022 vorlegen.
Von Harmonisierung bis Verlustrücktrag
Die Agenda der EU-Kommission umfasst drei Teilbereiche:
  • Erstens will die Kommission bis 2023 einen neuen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union vorlegen, der den Verwaltungsaufwand verringert, steuerliche Hindernisse beseitigt und die Bedingungen im Binnenmarkt unternehmensfreundlicher gestaltet. Die Mitteilung "BEFIT – Business in Europe: Framework for Income Taxation" soll EU-weit einheitliche Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung mit einer gerechteren Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten schaffen. Mit BEFIT sollen Bürokratie abgebaut, die Befolgungskosten gesenkt, Steuerschlupflöcher geschlossen, Arbeitsplätze in der EU erhalten und Investitionen im Binnenmarkt gefördert werden. Interessant ist, dass mit BEFIT das seit vielen Jahren diskutierte Konzept einer "Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage" (GKKB) ersetzt werden soll. Die Kommission will mit den neuen Konzepten umfassendere Überlegungen über die Zukunft der Besteuerung in der EU anstoßen. Im Jahr 2022 soll dazu das Steuer-Symposium "EU-Steuermix auf dem Weg zu den Zielen von 2050" stattfinden.
  • Zweitens sollen schon in den beiden kommenden Jahren produktive Investitionen gefördert und nationale Einnahmen besser geschützt werden. Im Fokus soll die Unterstützung des ökologischen und des digitalen Wandels stehen. Ausgangspunkt ist der "Aktionsplan für Besteuerung", der von der Kommission bereits im Sommer 2020 vorgelegt wurde. Ganz konkret ist geplant, dass in der EU tätige Großkonzerne zusätzliche Angaben zu ihren effektiven Steuersätzen liefern müssen. Damit soll eine noch größere öffentliche Transparenz hergestellt werden. Neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung sollen den Missbrauch in Form von sogenannten Briefkastenfirmen vermeiden. Mit Vorschlägen zur Stärkung des Eigenkapitals sollen die Unternehmen dazu veranlasst werden, ihre Tätigkeiten stärker durch Eigen- anstatt durch Fremdkapital zu finanzieren. Durch die Unternehmensbesteuerung induzierte Anreize zur Fremdkapitalfinanzierung sollen beseitigt werden.  
  • Drittens sollen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, Unternehmen den Verlustrücktrag zumindest auf das vorangegangene Geschäftsjahr zu gestatten. Profitieren sollen davon vor allem kleine und mittlere Unternehmen. In Deutschland wurden die Regelungen hierzu bereits angepasst.
Weitere Details und die Agenda zum Download gibt es auf der Website der EU-Kommission.
Weitere Elemente der umfassenden EU-Steuerreform-Agenda
Zusätzlich zu den dargelegten Reformen der Unternehmensbesteuerung wird die Europäische Kommission in Kürze Maßnahmen für eine gerechte Besteuerung in der digitalen Wirtschaft vorlegen. Konkret vorgeschlagen werden soll eine Digitalabgabe als Eigenmittelquelle der EU.
Darüber hinaus will die Kommission eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie und des CO2-Grenzausgleichssystems im Rahmen des "Fit-for-55"-Pakets und des europäischen Green Deal vorlegen.

Bürokratieabbau

Statistische Meldepflichten belasten Unternehmen

Praktische Vorschläge zur effizienten Datenerhebung – auf Initiative des DIHK
Rund 350 Mio. Euro schwer ist die Belastung, die deutsche Unternehmen aufgrund von Statistikmeldepflichten schultern müssen. Dazu kommen Ärgernisse wegen des anfallenden Verwaltungsaufwands. Kammern, Unternehmen und Statistikämter haben nun auf Initiative des DIHK praktische Vereinfachungsvorschläge erarbeitet. Denn die daraus resultierenden Zahlen nützen ja wiederum vielen.
Monatlich, vierteljährlich oder jährlich – Unternehmen melden permanent Daten an verschiedenste Ämter: Das Finanzamt, die Agentur für Arbeit, die Berufsgenossenschaft und verschiedene Statistikämter fragen verpflichtend verschiedene Daten ab. Und obwohl in den vergangenen Jahren Anstrengungen unternommen wurden, die Meldungen durch technische Maßnahmen zu erleichtern, leiden viele Betriebe nach wie vor unter den Kosten und dem Zeitaufwand. Besonders kleinere Unternehmen sind belastet, da sie keine spezialisierten Mitarbeiter, weniger Routinen und eine weniger differenzierte und digitalisierte Buchhaltung besitzen. 
Insgesamt betragen die sogenannten Informationskosten, also die Belastung durch Melde- und Dokumentationspflichten mehr als 51 Mrd. Euro. Die statistischen Meldepflichten belasten die Unternehmen darüber hinaus noch einmal mit rund 350 Mio. Euro.
Notwendige Daten unkompliziert erheben
Dabei könnte ein Dreiklang aus Kommunikation – Vereinfachung – Finanzierung den betroffenen Betrieben ebenso wie den Ämtern das Leben leichter machen und gleichzeitig die Qualität der Daten heben. Zu diesem Schluss kommt ein Runder Tisch, besetzt mit Unternehmen, Steuerberatern, Softwareanbietern, Statistischen Landesämtern, dem Statistischen Bundesamt, Bundes- und Landesministerien, Normenkontrollräten, den Regierungsstellen für Bürokratieabbau, Clearingstellen, politischen Parteien sowie den Kammern und Verbänden der Wirtschaft.
Auf Einladung des DIHK haben diese Akteure praktische Vorschläge entwickelt, wie man die Unternehmen für die Relevanz der zu erhebenden Daten sensibilisieren und ihre Meldelast gleichzeitig mindern kann.
Entlastung durch Kommunikation – Vereinfachung – Finanzierung
Der erste Schritt ist: Ämter und Behörden sollten transparenter und wertschätzender kommunizieren sowie deutlich machen, mit welchem Ziel die Daten erhoben werden und wann eine Meldepflicht endet. Das steigert das Melde-Engagement der Unternehmen – und damit auch die Qualität der Daten. Oftmals sind die Datenerhebungen hoheitliche Aufgaben der Statistikämter und müssen durchgeführt werden. Dabei profitiert die Politik von den so gewonnenen Informationen, um geeignete Maßnahmen treffen zu können, ebenso wie Wirtschafts- und Interessensverbände, Forschung und Wissenschaft für ihre Analysen und Gutachten.
Der zweite Schritt ist eine weitestgehende Vereinfachung und Automatisierung der statistischen Meldepflichten: So könnten die zu erhebenden Daten an die Definitionen und Kategorien angepasst werden, wie sie aus Buchhaltung und Rechnungswesen bekannt sind. Das würde die Nutzung von Schnittstellen zwischen der betrieblichen Software und dem Datenportal der Meldeämter deutlich erleichtern. Auch eine Orientierung der Meldefristen an betrieblichen Abläufen würde die Prozesse in den Unternehmen vereinfachen.
Registerverknüpfung nutzen – Fördermöglichkeiten ausschöpfen
Das aktuell entstehende zentrale Stammdatenregister sollte zusammen mit weiteren Verwaltungsregistern genutzt werden, um identische Daten und Identifikatoren nur einmal abzufragen. Bei neuen Meldepflichten sollte eine automatisierte Datenlieferung und die Nutzung bereits vorhandener Daten von Beginn an mit geplant werden. Im Rahmen der "One in, one out"-Regel sollten bisherige Meldepflichten oder entsprechender Erfüllungsaufwand abgebaut werden, wenn neue Pflichten eingeführt werden.
Als dritten Schritt hat der Runde Tisch der Statistikpflichten-Experten die finanzielle Unterstützung von Unternehmen ins Auge gefasst: Kammern, Wirtschaftsverbände oder Wirtschaftsministerien wollen Unternehmen als ersten Schritt über finanzielle Fördermöglichkeiten für die Automatisierung der Statistikmeldungen informieren. Um die bereits bestehenden Programme auszuwerten und zu verbessern, führen die IHKs zurzeit eine Umfrage bei den Nutzern durch. 
Evaluierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Juni 2020 haben Bund und Länder die Einführung des sog. Fristenmodells für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer beschlossen. Das Erhebungsverfahren trat zum 1. Dezember 2020 in Kraft und soll 2023 evaluiert werden.
In Vorbereitung dessen hat das Deutsche Maritime Zentrum e. V. eine Studie beauftragt, die eine fundierte Grundlage in Form einer umfassenden quantitativen sowie qualitativen Datenerhebung und -analyse liefern soll. Es wird u. a. untersucht, inwieweit Verfahren für Importeure und Verwaltung vereinfacht und damit die Attraktivität des maritimen und Wirtschaftsstandorts Deutschland gestärkt werden können.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Gelegenheit hätten, an der Befragung teilzunehmen. Die Gutachter gehen davon aus, dass die Befragung nur ca. 5 Minuten in Anspruch nimmt.
Zur Befragung kommen Sie über diesen Link.
Endredaktion: Jan Meister
Recht und Steuern

Steuerinfo Mai 2021

EEG-Anlagen der Grundstücksunternehmen zukünftig steuerunschädlich

Installierte Leistung bei der Verteilung der Gewerbsteuer zukünftig maßgeblich
Mit dem sogenannten Fondstandortsicherungsgesetz soll auch die sogenannte erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer geändert werden, um Grundstücksunternehmen den Betrieb von EEG-Anlagen zu erleichtern.
Bisher unterliegt bei Immobilienunternehmen der Teil des Gewinns, der auf die Überlassung der Immobilie entfällt, nicht der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 1 Satz 2 ff GewStG – sog. erweiterte Kürzung). Voraussetzung hierfür ist aber, dass sich das Unternehmen auf diesen Geschäftsbereich beschränkt. Unschädlich für die erweiterte Kürzung sind nur abschließend im Gesetz aufgeführte Nebentätigkeiten (z. B. Verwaltung eigenen Kapitalvermögens). Der Gewinn aus diesen Nebentätigkeiten unterliegt jedoch der Gewerbesteuer.

Betrieb von EEG-Anlagen bisher schädlich…

Betreiben Grundstücksunternehmen bisher auch die Erzeugung von Strom aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, so verloren sie insgesamt die Möglichkeit, die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen zu können, da diese Nebentätigkeiten nicht als unschädlich im Gesetz aufgeführt sind.

… zukünftig bis zehn Prozent unschädlich

Um Anreize für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu setzen, sieht die eine Änderung durch das Fondstandortsicherungsgesetz vor, dass Grundstücksunternehmen im Hinblick auf die vorgenannte Tätigkeit die erweiterte Kürzung weiterhin in Anspruch nehmen können, wenn ihre diesbezüglichen Einnahmen nicht höher als zehn Prozent der Einnahmen aus der Vermietung des Grundbesitzes sind. Der Strom aus den Energieerzeugungsanlagen darf dabei nur ins Netz eingespeist oder an die Mieter des Grundstücksunternehmens geliefert werden. Zu den begünstigten Einnahmenzählen auch solche aus zusätzlichen Stromlieferungen bei Mieterstromanlagen. Der Selbstverbrauch von erzeugtem Strom steht der erweiterten Kürzung ebenfalls nicht entgegen. Gewerbliche Einnahmen aus dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks sind wegen des ausdrücklichen Bezugs auf § 3 Nr. 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hingegen nicht begünstigt.

Generell zukünftig fünf Prozent unschädlich

Grundstücksunternehmen verlieren nach heutiger Rechtslage den Anspruch auf die erweiterte Kürzung, wenn sie neben begünstigten Tätigkeiten auch andere gewerbliche Tätigkeiten ausüben oder z. B. Mieteinnahmen aus der Überlassung von Betriebsvorrichtungen erzielen, die keinen funktionalen Zusammenhang mit dem vermieteten Grundstück aufweisen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 2006, BStBl. II S. 659). Auf den Umfang dieser Tätigkeiten kommt es dabei nicht an. Künftig soll die erweiterte Kürzung erhalten bleiben, wenn die Einnahmen aus diesen übrigen Tätigkeiten nicht höher als fünf Prozent der Einnahmen aus der Vermietung des Grundbesitzes sind und aus unmittelbaren Vertragsverhältnissen mit den Mietern des Grundstücks stammen.

Nebentätigkeiten aber selbst gewerbesteuerpflichtig

Die Änderung des § 9 Nr. 1 GewStG ändert nichts daran, dass Grundstücksunternehmen mit den Einnahmen aus den künftig begünstigten Tätigkeiten der Gewerbesteuer unterliegen. Lediglich der Rahmen solcher Nebentätigkeiten, die unschädlich sind, soll erweitert werden.

Steuerfreiheit für Corona-Zuschuss an Arbeitnehmer wird verlängert

Nochmalige Verlängerung der Zahlungsfrist bis 31. März 2022
Der Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz) in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses ist in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschlossen worden. Damit wurden u.a. auch lohnsteuerliche Änderungen festgelegt.
Unter anderem soll der Zahlungszeitraum für steuerfreie Beihilfen und Unterstützungen nach § 3 Nr. 11 a EStG (mit dem Jahressteuergesetz 2020 verlängert bis zum 30. Juni 2021) nochmals bis 31. März 2022 verlängert werden. Der steuerfreie Gesamtbetrag (auch in mehreren Teilraten zahlbar) von insgesamt 1.500 Euro erhöht sich damit aber nicht. Lediglich der Zeitraum für die Gewährung des Betrages wird gestreckt (vgl. Seite 13 und 81 der Beschlussempfehlung).
In § 39 b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchstabe d EStG wird eine fehlerhafte Formulierung im Zusammenhang mit dem ab 2024 vorgesehenen Datenaustausch zu privat kranken- und pflegeversicherten Arbeitnehmern korrigiert (vgl. Seite 38 und 85 der Beschlussempfehlung).
Das hat der Bundestag in seiner Sitzung am 5. Mai 2021 beschlossen.

Erneute Verlängerung der Stundungsmöglichkeit für Sozialversicherungsbeiträge

Stundung für Monat April
Der GKV-Spitzenverband hat sich dazu entschieden, die Möglichkeit der vereinfachten Stundung auch für den Ist-Monat April 2021 auf Antrag anzubieten.
Nach dem GKV-Spitzenverband müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
  • Es müssen vorrangig die bereitgestellten Wirtschaftshilfen einschließlich des Kurzarbeitergeldes genutzt werden.
  • Die Antragstellung hat mittels eines einheitlich gestalteten Antragsformulars zu erfolgen.
Die Stundungen für die Monate Januar bis April 2021 können längstens bis zum Fälligkeitstag für die Beiträge des Monats Mai 2021 gewährt werden (Zahlungseingang: 27. Mai 2021). Dabei wird davon ausgegangen, dass die angekündigten Wirtschaftshilfen für die Monate Januar bis April 2021 den betroffenen Unternehmen bis Ende Mai 2021 vollständig zugeflossen sind. Weitere Informationen finden Sie hier oder auf den Seiten des GKV-Spitzenverbandes unter dem Stichwort Sozialversicherungsbeiträge.

Klarheit für Gutscheine an Arbeitnehmer

BMF-Schreiben zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug veröffentlicht
Mit Schreiben vom 13. April 2021 hat sich die Finanzverwaltung zur Abgrenzung zwischen Geldleistungen und Sachbezug im Rahmen der Lohnsteuer geäußert. Hintergrund sind die gesetzlichen Änderungen zum 1. Januar 2020 im § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 Satz 11 zweiter Halbsatz EStG. Von besonderer Bedeutung ist das Schreiben für die Anwendung von Gutscheinen gegenüber Arbeitnehmern.
Im Schreiben werden zunächst Sachbezüge erörtert. Für diese sind die Regelungen für Sachzuwendungen, z. B. Freigrenzen nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG oder R 19.6 LStR bzw. die Pauschalversteuerung nach § 37 b EStG im Rahmen des Lohnsteuerabzugs, anwendbar.
Liegen keine Sachzuwendungen vor, so ist von Barlohn auszugehen, welcher in der Regel individuell lohnversteuert und verbeitragt werden muss.

Definition von Sachzuwendungen

Sachbezüge sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen. Kann der Arbeitnehmer anstelle des Sachbezugs auch eine Geldleistung vom Arbeitgeber verlangen, liegt grundsätzlich Barlohn vor.
Nach einer Aufzählung im BMF-Schreiben sind Sachzuwendungen:
  • die Gewährung von Kranken-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherungsschutz bei Abschluss einer Kranken-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung und Beitragszahlung durch den Arbeitgeber
  • die Gewährung von Unfallversicherungsschutz, soweit bei Abschluss einer freiwilligen Unfallversicherung durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer den Versicherungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen kann und die Beiträge nicht nach § 40 b Abs. 3 EStG pauschal besteuert werden.
  • die Gewährung von Papier-Essenmarken (Essensgutscheine, Restaurantschecks) und arbeitstäglichen Zuschüssen zu Mahlzeiten (sog. digitale Essenmarken) nach R 8.1. Abs. 7 Nr. 4 LStR
Auch Gutscheine zählen zu den Sachzuwendungen. Diese müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Definition von Gutscheinen

Gutscheine oder Geldkarten müssen ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen bei dem Arbeitgeber oder bei einem Dritten berechtigen und ab dem 1. Januar 2022 die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a ZAG erfüllen.
Nach den Kriterien des ZAG fallen folgende Gutscheine oder Geldkarten unter die Sachzuwendung:
  • Gutscheine oder Geldkarten, unabhängig von einer Betragsangabe, die berechtigen, ausschließlich Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins aus seiner eigenen Produktpalette zu beziehen (der Sitz des Ausstellers sowie dessen Produktpalette sind insoweit nicht auf das Inland beschränkt)
  • Gutscheine oder Geldkarten, unabhängig von einer Betragsangabe, die berechtigen, ausschließlich Waren oder Dienstleistungen aufgrund von Akzeptanzverträgen zwischen Aussteller/Emittent und Akzeptanzstellen bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen im Inland zu beziehen.
Ein begrenzter Kreis von Akzeptanzstellen ist gegeben:
  • bei städtischen Einkaufs- und Dienstleistungsverbünden im Inland,
  • bei Einkaufs- und Dienstleistungsverbünden, die sich auf eine bestimmte inländische Region (z. B. mehrere benachbarte Städte und Gemeinden im ländlichen Raum) erstrecken oder
  • aus Vereinfachungsgründen bei von einer bestimmten Ladenkette (einem bestimmten Aussteller) ausgegebene Kundenkarten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen in den einzelnen Geschäften im Inland oder im Internetshop dieser Ladenkette mit einheitlichem Marktauftritt (z. B. ein Symbol, eine Marke, ein Logo); die Art des Betriebs (z. B. eigene Geschäfte, im Genossenschafts- oder Konzernverbund, über Agenturen oder Franchisenehmer) ist unerheblich
Beispiele sind: wiederaufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel, Shop-in-Shop-Lösungen mit Hauskarte, Tankgutscheine oder -karten eines einzelnen Tankstellenbetreibers, von einer bestimmten Tankstellenkette (einem bestimmten Aussteller), ein vom Arbeitgeber selbst ausgestellter Gutschein (z. B. Tankgutschein, hierzu zählt auch eine Berechtigung zum Tanken), wenn die Akzeptanzstellen (z. B. Tankstelle oder Tankstellenkette) aufgrund des Akzeptanzvertrags (z. B. Rahmenvertrag) unmittelbar mit dem Arbeitgeber abrechnen, Karten eines Online-Händlers, die nur zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen aus seiner eigenen Produktpalette (Verkauf und Versand durch den Online-Händler) berechtigen, nicht jedoch, wenn sie auch für Produkte von Fremdanbietern (z. B. Marketplace) einlösbar sind, Centergutscheine oder Kundenkarten von Shopping-Centern, Malls und Outlet-Villages, „City-Cards“, Stadtgutscheine
Hinweis: Nach den Ausführungen wären Amazon-Gutscheine nicht mehr als Sachzuwendung zu behandeln, weil hier der Gutschein auch im Marketplace eingelöst werden kann.

Besondere Gutscheine oder Guthabenkarten

Zudem fallen ab dem 1. Januar 2022 Gutscheine oder Geldkarten unter die Sachzuwendungen, unabhängig von einer Betragsangabe, die aber nur berechtigen, Waren oder Dienstleistungen ausschließlich aus einer sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette zu beziehen. Auf die Anzahl der Akzeptanzstellen und den Bezug im Inland kommt es deshalb hier nicht an.
Hierunter fallen Gutscheine oder Geldkarten begrenzt auf:
  • den Personennah- und Fernverkehr (z. B. für Fahrberechtigungen, Zugrestaurant, Park & Ride-Parkgelegenheiten) einschließlich bestimmter Mobilitätsdienstleistungen (z. B. die Nutzung von (Elektro-)Fahrrädern, Car-Sharing, E-Scootern),
  • Kraftstoff, Ladestrom etc. („Alles, was das Auto bewegt“),
  • Fitnessleistungen (z. B. für den Besuch der Trainingsstätten und zum Bezug der dort angebotenen Waren oder Dienstleistungen),
  • Streamingdienste für Film und Musik,
  • Zeitungen und Zeitschriften, einschließlich Downloads,
  • Bücher, auch als Hörbücher oder Dateien, einschließlich Downloads,
  • die Behandlung der Person in Form von Hautpflege, Makeup, Frisur und dergleichen (sog. Beautykarten),
  • Bekleidung inkl. Schuhe nebst Accessoires, wie z. B. Taschen, Schmuck, Kosmetika, Düfte (sog. Waren, die der Erscheinung einer Person dienen).

Arten von Akzeptanzstellen

Ebenfalls fallen Gutscheine oder Geldkarten, unabhängig von einer Betragsangabe, die nur berechtigen, aufgrund von Akzeptanzverträgen zwischen Aussteller / Emittent und Akzeptanzstellen Waren oder Dienstleistungen ausschließlich für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke im Inland zu beziehen (Zweckkarte) unter die Sachzuwendungen. Auch hier kommt es auf die Anzahl der Akzeptanzstellen nicht an.
Beispiele sind:
  • Verzehrkarten in einer sozialen Einrichtung, Papier-Essenmarken (Essensgutscheine, Restaurantschecks) und arbeitstägliche Zuschüsse zu Mahlzeiten (sog. Digitale Essenmarken),
  • Behandlungskarten für ärztliche Leistungen oder Reha-Maßnahmen,
  • Karten für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen (einschließlich betrieblicher Gesundheitsleistungen des Arbeitgebers im Sinne des § 3 Nummer 34 EStG)

Definition von Geldleistungen

Das Schreiben beinhaltet eine Auflistung von Geldleistungen:
  • Zahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bei Abschluss einer Kranken-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung und Beitragszahlung durch den Arbeitnehmer, wenn die Zahlung des Arbeitgebers mit der Auflage verbunden ist, dass der Arbeitnehmer mit einem vom Arbeitgeber benannten Unternehmen einen Versicherungsvertrag schließt
  • ein im Inland gültiges gesetzliches Zahlungsmittel oder Zahlungen in einer gängigen, frei konvertiblen und im Inland handelbaren ausländischen Währung; dies gilt nicht für Zahlungsmittel (z. B. Sonderprägungen),
  • eine Zahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer anstelle der geschuldeten Ware oder Dienstleistung (zweckgebundene Geldleistungen und nachträgliche Kostenerstattungen)
  • Gutscheine oder Geldkarten, die § 2 Abs. 1 Nummer 10 ZAG nicht erfüllen: z. B. Geldsurrogate, wie insbesondere die Gewährung von Geldkarten oder Wertguthabenkarten in Form von Prepaid-Kreditkarten mit überregionaler Akzeptanz ohne Einschränkungen hinsichtlich der Produktpalette, die im Rahmen unabhängiger Systeme des unbaren Zahlungsverkehrs eingesetzt werden können. Allein die Begrenzung der Anwendbarkeit von Gutscheinen oder Geldkarten auf das Inland ist für die Annahme eines Sachbezugs nicht ausreichend.
  • Gutscheine oder Geldkarten, die nicht ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen bei dem Arbeitgeber oder bei einem Dritten berechtigen. Stets als Geldleistung zu behandeln sind daher insbesondere Gutscheine oder Geldkarten, die über eine Barauszahlungsfunktion verfügen, über eine eigene IBAN verfügen, für Überweisungen (z. B. PayPal) verwendet werden können, für den Erwerb von Devisen (z. B. Pfund, US-Dollar, Schweizer Franken) verwendet werden können oder e) als generelles Zahlungsinstrument hinterlegt werden können.
Hierzu sind Beispiele im Schreiben aufgeführt.

Steuerfreier Auslagenersatz

Ein steuerfreier Auslagenersatz nach § 3 Nr. 50 EStG für Beträge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um sie für ihn auszugeben (durchlaufende Gelder) und für Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (Auslagenersatz), bleibt möglich. Auch hier sind Beispiele im Schreiben enthalten.
Kein steuerfreier Auslagenersatz liegt vor, wenn die Waren oder Dienstleistungen für den privaten Gebrauch des Arbeitnehmers bestimmt sind.
Der Zufluss des Sachbezugs erfolgt bei einem Gutschein oder einer Geldkarte, die bei einem Dritten einzulösen sind, im Zeitpunkt der Hingabe und bei Geldkarten frühestens im Zeitpunkt der Aufladung des Guthabens

Anwendbarkeit und Nichtanwendungsregelung

Die Grundsätze des Schreibens sind ab 1. Januar 2020 anzuwenden. Es wird nicht beanstandet, wenn Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen, jedoch die Kriterien des § 2 Abs.1 Nummer 10 ZAG nicht erfüllen, als Zahlungsmittel gelten und daher eigentlich Geldleistungen sind, noch bis zum 31. Dezember 2021 als Sachbezug anerkannt werden. Insofern muss ab 1. Januar 2022 spätestens eine Umstellung im Rahmen der Lohnabrechnung erfolgen.

Sozialversicherung

Auf Nachfrage bei der Sozialversicherung wurde mitgeteilt, dass bestimmte Gutschein- und Geldkarten (sog. open-loop-Karten), die von den Finanzverwaltungen übergangsweise bis zum 31. Dezember 2021 als Sachbezug angesehen werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt sind, und insofern die Anwendung der 44 Euro-Sachbezugs-Freigrenze (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG) anerkennen, auch nicht zur Beitragspflicht führen. Insofern folgt die beitragsrechtliche Bewertung der steuerrechtlichen Bewertung. Eine beitragsrechtlich nicht zu beachtende steuerrechtliche Rückwirkung wird darin nicht gesehen.

Entlastungen für Betriebe durch Beitragsfreiheit und Lohnsteuerpauschalierung

Regelungen für kurzfristig Beschäftigte sollen ausgeweitet werden
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, 22. April 2021, dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines vierten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes zugestimmt. Die Zeitgrenzen für kurzfristig beschäftige Arbeitnehmer sollen ausgeweitet werden.
Mit dem Gesetzentwurf soll eine Regelung für die aufgrund der Corona-Pandemie bestehenden Probleme bei der Saisonbeschäftigung gefunden werden, die insbesondere im Bereich der Landwirtschaft auftreten. Deshalb soll die zulässige Dauer der kurzfristigen Beschäftigung einmalig in diesem Jahr auf eine Höchstdauer von vier Monaten oder 102 Arbeitstagen ausgeweitet werden. Bisher gelten hier drei Monate oder 70 Arbeitstage. Dies soll für Tätigkeiten vom 1. März 2021 bis einschließlich 31. Oktober 2021 andauern.

Beitragsfreiheit und Lohnsteuerpauschalierung

Für kurzfristig Beschäftigte gelten in der Sozialversicherung Sonderregelungen. In der Renten-, Pflege-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung gilt hier Beitragsfreiheit. Zudem besteht die Möglichkeit kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer pauschal nach § 40a EStG zu versteuern, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen.
Aus Gründen des Bestandsschutzes soll die Ausweitung der Zeitgrenzen aber nicht für Beschäftigungsverhältnisse gelten, die bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung begonnen wurden und nicht kurzfristig sind. Damit soll verhindert werden, dass durch die Neuregelung in bestehenden Sozialversicherungsschutz eingegriffen wird. Inkrafttreten soll diese Regelung nach dem Entwurf am Tag nach der Verkündung des Gesetzes.
Durch die Ausweitung des zeitlichen Rahmens für kurzfristige Beschäftigung soll die Wirtschaft tendenziell entlastet werden, da sie kurzfristig Beschäftigte, die in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sind, länger im Betrieb halten könne.

Neue Verteilung der Gewerbesteuer bei erneuerbaren Energien

Installierte Leistung bei der Verteilung der Gewerbsteuer zukünftig maßgeblich
Zukünftig soll bei Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie die installierte Leistung für Verteilung der Gewerbesteuer maßgeblich sein.

Grundsatz: Zerlegung nach Arbeitslöhnen

Der Gewinn eines Unternehmens, das Betriebsstätten in mehreren Kommunen unterhält, wird für Zwecke der Gewerbesteuer grundsätzlich nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne in diesen Betriebsstätten zu den gesamten Arbeitslöhnen des Unternehmens zerlegt, konkret der sogenannte Gewerbesteuermessbetrag.

Bei Windrädern und PV-Anlagen auch Sachanlagevermögen maßgeblich

Im Bereich der Erzeugung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie werden die Erzeugungsanlagen vor Ort grundsätzlich so betrieben, dass an den Betriebsstandorten keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Um diesen Kommunen (Standortkommunen) dennoch einen Anteil am Messbetrag zuzuweisen, ist nach derzeitiger Rechtslage in eine Zerlegung nach zwei Komponenten vorgegeben (§ 29 Absatz 1 Nummer 2 GewStG). Hiernach werden 30 Prozent des Messbetrags nach dem Verhältnis der gezahlten Arbeitslöhne in den einzelnen Betriebsstätten zu den insgesamt gezahlten Arbeitslöhnen und 70 Prozent nach dem Verhältnis des maßgebenden Sachanlagevermögens in den einzelnen Betriebsstätten zum gesamten Sachanlagevermögen zerlegt.

Zukünftig bei Windrädern und PV-Anlagen Verteilung nach installierter Leistung

Um Standortkommunen noch stärker und gleichmäßiger als bisher an der Gewerbesteuer der Anlagenbetreiber zu beteiligen und die Akzeptanz von Erneuerbare-Energie-Projekten auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde zu erhöhen, soll mit dem sog. Fondstandortsicherungsgesetz zum einen das bestehende Zerlegungsverhältnis mit der Änderung auf 10 Prozent zu 90 Prozent zu Gunsten der Standortkommunen geändert werden. Zum anderen soll der Zerlegungsmaßstab des maßgebenden Sachanlagevermögens durch den Zerlegungsmaßstab der installierten Leistung im Sinne des § 3 Nummer 31 EEG ersetzt werden. Letzterer untererliegt – anders als das maßgebende Sachanlagevermögen, das sich nach dem Buchwert richtet – grundsätzlich keinen jährlichen Veränderungen.

Gesundheitsprävention – Voraussetzungen für Steuerfreiheit erörtert

BMF-Schreiben für Arbeitgeberleistungen im Bereich der Gesundheitsprävention nach § 3 Nr. 34 EStG
Mit Schreiben vom 20. April 2021 hat die Finanzverwaltung zur steuerlichen Anerkennung von Arbeitgeberleistungen im Bereich der Gesundheitsprävention nach § 3 Nr. 34 EStG Stellung genommen. Danach können Arbeitgeber für bestimmte Gesundheitsmaßnahmen für Arbeitnehmer einen Freibetrag von 600 Euro je Arbeitnehmer in Anspruch nehmen.
Nach der Gesetzesbegründung fallen unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG auch Maßnahmen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention, die nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB V zertifiziert sind sowie gesundheitsförderliche Maßnahmen in Betrieben (betriebliche Gesundheitsförderung), die den vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-festgelegten Kriterien entsprechen.
§ 3 Nr. 34 EStG verweist auf §§ 20 und 20b SGB V.

Individuelle verhaltensbezogene Prävention

§ 20 Absatz 1 Satz 3 SGB V verlangt, dass Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention (Präventionskurse), die von Krankenkassen bezuschusst werden, den vom GKV-Spitzenverband definierten Handlungsfeldern und Kriterien (GKV-Leitfaden Prävention) genügen und von den Krankenkassen oder einer von ihnen beauftragten Stelle zertifiziert sein müssen (§ 20 Absatz 5 Satz 1 SGB V).
Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention werden grundsätzlich in Form von Präventionskursen erbracht und sollen den Einzelnen motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszuschöpfen.
Die Zertifizierung von Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention, soweit sie von der Krankenkasse gefördert oder erbracht werden, erfolgt durch eine Krankenkasse oder in ihrem Namen durch einen mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragten Dritten. Die Kurse können auch in die betriebliche Gesundheitsförderung integriert werden.
Die meisten Krankenkassen lassen ihre Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention im Rahmen einer Kooperationsgemeinschaft über die „Zentrale Prüfstelle Prävention“ des Dienstleistungsunternehmens „Team Gesundheit GmbH“ prüfen und zertifizieren. Die zertifizierten Präventionskurse der Krankenkassen finden in der Regel außerhalb des Betriebsgeländes statt und werden durch den Arbeitgeber bezuschusst.
Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss an die Krankenkasse, ist der auf den teilnehmenden Arbeitnehmer entfallende Zuschuss nach Maßgabe des § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei.

Dokumentation beim Arbeitgeber

Die Teilnahme ist vom Arbeitnehmer mit einer vom Kursleiter unterschriebenen Teilnahmebescheinigung nachzuweisen, aus der der Titel des Kurses einschließlich der Kurs-Identifikationsnummer der jeweiligen Prüfstelle und die Teilnahme des Arbeitnehmers hervorgehen. Sofern der Arbeitnehmer selbst in finanzielle Vorleistung getreten ist, kann er bei seinem Arbeitgeber unter Vorlage der Teilnahmebescheinigung eine Arbeitgeberförderung beantragen. Zur Vermeidung von Doppelförderungen ist in dem Antrag vom Arbeitnehmer eine Erklärung abzugeben, ob bereits die Krankenkasse einen Zuschuss gezahlt hat oder ein solcher beantragt wurde. In diesem Fall kann der Arbeitgeberzuschuss höchstens bis zu der beim Arbeitnehmer nach Abzug des Krankenkassenzuschusses verbliebenen Vorleistung nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei sein.
Das Zertifikat, die Teilnahmebescheinigung und gegebenenfalls der Antrag auf Arbeitgeberförderung sind vom Arbeitgeber als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.
Es macht keinen Unterschied, ob die Leistung auf Veranlassung des Arbeitgebers zertifiziert wurden oder ob der Arbeitgeber eine bereits zertifizierte Leistung einkauft und seinen Arbeitnehmern anbietet. Erforderlich ist bei eingekauften Leistungen, dass
  • der beim Arbeitgeber durchgeführte Kurs mit dem zertifizierten Kurs inhaltlich identisch ist,
  • das Zertifikat auf den Kursleiter ausgestellt ist, der den Kurs beim Arbeitgeber durchführt, und das Zertifikat bei Kursbeginn noch gültig ist.
Das Zertifikat und die Teilnahmebescheinigung sind vom Arbeitgeber als Belege zum Lohnkonto zu nehmen. Bei Barleistungen des Arbeitgebers sind als Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung die Teilnahmebescheinigung, der Zahlungsbeleg des Arbeitnehmers und eine Kopie des Zertifikats als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.

Nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitgebers

Für im Auftrag des Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte erbrachte Präventionskurse besteht mangels Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen keine Zertifizierungsmöglichkeit.
Nicht zertifizierte Leistungen des Arbeitgebers zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention können somit nach § 3 Nr. 34 EStG unter folgenden Voraussetzungen steuerfrei sein. Erforderlich hierfür ist, dass
  • die Leistungen Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses sind, der nach § 20 b SGB V bezuschusst wurde, beziehungsweise wird, oder
  • die nicht zertifizierten Präventionskurse hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen des § 20 SGB V genügen und sie im Auftrag eines Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte durchgeführt sowie vom Leistungsanbieter nicht mit demselben Konzept auch für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten werden.

Maßgaben für die Dokumentation

Der vom Arbeitgeber allein für dessen Beschäftigte erbrachte Präventionskurs genügt jedenfalls dann den Anforderungen der §§ 20 und 20 b SGB V, wenn er inhaltlich mit einem bereits zertifizierten und geprüften Kurskonzept eines Fachverbands oder einer anderen Organisation (zum Beispiel Kursinhalt „Rücken-Fit“) identisch ist. Der Kursleiter hat das von ihm genutzte zertifizierte Kurskonzept zu benennen und schriftlich zu bestätigen, dass der angebotene Präventionskurs entsprechend den vorgegebenen Stundenverlaufsplänen durchgeführt wird.
Zum Nachweis der Qualifikation hat der Kursleiter schriftlich zu versichern, dass seine Qualifikation den Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Zertifizierung von Kursangeboten in der individuellen verhaltensbezogenen Prävention entspricht.
Die Erklärung des Kursleiters zum verwendeten Kurskonzept und zu seiner Qualifikation sind als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.
§ 20 b Absatz 1 SGB V beschreibt die Anforderungen an Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben (betriebliche Gesundheitsförderung), die von Krankenkassen erbracht werden können. Diese Maßnahmen sind an den spezifischen betrieblichen Bedarfen ausgerichtet und werden gemäß den Handlungsfeldern und Kriterien des GKV-Leitfadens Prävention zwischen dem Betrieb und der leistenden Krankenkasse individuell vereinbart. Für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung nach § 20 b SGB V ist eine Zertifizierung grundsätzlich nicht vorgesehen.

Maßnahmen im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses

Die Leistungen müssen im Rahmen eines strukturierten innerbetrieblichen Prozesses (z.B. gesteuert durch ein internes betriebliches Gremium) mit Analyse des Bedarfs (z.B. durch Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Analyse des Krankenstandes, partizipative Methoden wie Gesundheitszirkel oder Zukunftswerkstätten) und unter Einbindung der Beschäftigten bzw. ihrer Vertretungen sowie – sofern vorhanden – der für Sicherheit und Gesundheit verantwortlichen Fachkräfte im Betrieb (z.B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte) erbracht werden. Sie werden insbesondere in Form von Kursen beziehungsweise Vorträgen in Gruppen durchgeführt.
Im BMF-Schreiben sind folgende Handlungsfelder beschrieben: „Gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil“ mit den Präventionsprinzipien „Stressbewältigung und Ressourcenstärkung“, „Bewegungsförderliches Arbeiten und körperlich aktive Beschäftigte“, „Gesundheitsgerechte Ernährung im Arbeitsalltag“ sowie „Verhaltensbezogene Suchtprävention im Betrieb“.
Die Leistungen können auf dem Betriebsgelände oder in einer geeigneten Einrichtung (z.B. Fitness-Studio, Sportverein, Praxisräume freiberuflicher Fachkräfte) außerhalb des Betriebsgeländes erbracht werden.

Dokumentation durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber hat die Teilnahmebescheinigung und eine Erklärung als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen, wonach die Maßnahme im Rahmen eines strukturierten innerbetrieblichen Prozesses mit einer Bedarfsanalyse und unter Einbindung der für Sicherheit und Gesundheit verantwortlichen Stellen und der Beschäftigten beispielsweise ihrer gesetzlichen Vertretung umgesetzt wurde. In diesen Fällen ist eine Zertifizierung der Leistung für Zwecke der Steuerbefreiung grundsätzlich nicht erforderlich.
Für das Handlungsfeld „gesundheitlicher Arbeits- und Lebensstil“ ist eine vom Arbeitgeber zu führende Anwesenheitsliste abzulegen, aus der sich zudem der wesentliche Inhalt des Vortrags ergibt.

Keine Gesundheitsmaßnahmen

Nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG fallen insbesondere:
  • Mitgliedsbeiträge in Sportvereinen, Fitness-Studios und ähnlichen Einrichtungen,
  • Maßnahmen ausschließlich zum Erlernen einer Sportart,
  • Trainingsprogramme mit einseitigen körperlichen Belastungen (zum Beispiel Spinning als Training nur der unteren Extremitäten),
  • physiotherapeutische Behandlungen,
  • Massagen,
  • Screenings (Gesundheitsuntersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen) ohne Verknüpfung mit Interventionen aus den Handlungsfeldern der betrieblichen Gesundheitsförderung der Krankenkassen,
  • Maßnahmen von Anbietern, die ein wirtschaftliches Interesse am Verkauf von Begleitprodukten (zum Beispiel Diäten, Nahrungsergänzungsmitteln) haben,
  • Maßnahmen, bei denen der Einsatz von Medikamenten zur Gewichtsabnahme, Formula-Diäten (Nahrungsersatz- oder -ergänzungsmittel) sowie extrem kalorienreduzierter Kost propagiert wird,
  • Aufwendungen für Arbeitsmittel, Sport- und Übungsgeräte, Einrichtungsgegenstände und bauliche Maßnahmen,
  • Zuschüsse zur Kantinenverpflegung, mit den Präventionsleistungen im Zusammenhang stehende Neben- oder Zusatzleistungen (z. B. Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten),
  • Eintrittsgelder in Schwimmbäder, Saunen, Teilnahme an Tanzschulen,
  • Gestellung / Bezuschussung von Bildschirmarbeitsplatzbrillen bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der R 19.3 Abs.2 Nr. 2 LStR,
  • Leistungen des Arbeitgebers für nicht zertifizierte Präventionskurse mit Ausnahme der genannten Fälle.

Maßnahmen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse

Vorteile sind dann nicht als Arbeitslohn anzusehen, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann.
Maßnahmen zum Beispiel:
  • Leistungen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen (z. B. Bereitstellung von Aufenthalts- und Erholungsräumen, Duschanlagen),
  • Aufwendungen für Sport- und Übungsgeräte, Einrichtungsgegenstände und bauliche Maßnahmen (z. B. im betriebseigenen Fitnessraum),
  • Leistungen zur Förderung von Mannschaftssportarten durch Zuschüsse, auch an Betriebssportgemeinschaften oder Bereitstellung einer Sporthalle/eines Sportplatzes ohne Individualsportarten (z. B. Tennis, Squash und Golf),
  • Maßnahmen zur Vorbeugung spezifisch berufsbedingter Beeinträchtigungen der Gesundheit (durch medizinische Gutachten belegt),
  • Arbeitsplatzausstattung (zum Beispiel höhenverstellbarer Schreibtisch), Qualifizierung/Fortbildung von Beschäftigten zu innerbetrieblichen Multiplikatoren in Fragen betrieblicher Gesundheitsförderung,
  • Analyseleistungen (zum Beispiel Arbeitsunfähigkeits-, Arbeitssituations- und Altersstrukturanalysen, Befragungen von Mitarbeitern, Workshops zur Bedarfsfeststellung),
  • Beratung von betrieblichen Verantwortlichen zur gesundheitsförderlichen Gestaltung von Arbeitstätigkeiten und -bedingungen, zum gesundheitsgerechten Führungsverhalten sowie zur gesundheitsförderlichen Gestaltung betrieblicher Rahmenbedingungen in Abstimmung mit den Vertretern des Arbeitsschutzes,
  • Beratung der betrieblich Verantwortlichen zur Ziel- und Konzeptentwicklung sowie zu allen Themen der Beschäftigtengesundheit einschließlich Unterstützungsmöglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Umgang mit Diversität,
  • Beratung einzelner Beschäftigter oder Gruppen bei individuellen Problemen mit Bezug zum Arbeitsplatz oder Auswirkungen auf die individuelle Leistung am Arbeitsplatz (z.B. Mediation, psychologische Beratung durch Fachpersonal),
  • Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements,
  • Aufbau eines Projektmanagements,
  • Moderation von Arbeitsgruppen,
  • interne Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Veranstaltungen zur Gesundheitsförderung, Arbeitsplatz- und Arbeitsablaufgestaltung),
  • Dokumentation, Evaluation und Qualitätssicherung,
  • Bildschirmarbeitsplatzbrille auf ärztliche Verordnung, um eine ausreichende Sehfähigkeit in den Entfernungsbereichen des Bildschirmarbeitsplatzes zu gewährleisten; liegt eine ärztliche Verordnung nicht vor, findet § 3 Nummer 34 EStG keine Anwendung,
  • Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO),
  • Aufwendungen für Gesundheits-Check-Ups und Vorsorgeuntersuchungen, höchstens bis zu dem Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für diese Leistungen erstatten würden.
Hinweis: Krankenkassen beraten und unterstützen Betriebe in der betrieblichen Gesundheitsförderung zeitlich befristet im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe und streben eine Verzahnung der von ihnen selbst erbrachten Maßnahmen mit den von Arbeitgebern geförderten Maßnahmen in der Prävention und Gesundheitsförderung gemäß § 3 Nummer 34 EStG an.

TSE-Aufrüstung: Übergangsregelung für Kassen- und Parkscheinautomaten

Ausnahmeregelung auch für Ladepunkte
Für Kassen- und Parkscheinautomaten zur Parkraumbewirtschaftung bzw. Ladestationen gilt eine Übergangsregelung, nach der diese nicht mit einer technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) aufzurüsten sind. Das hat das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 3. Mai 2021 bekanntgegeben.
Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 (Kassengesetz) ist § 146 a AO eingeführt worden.
Danach sind seit dem 1. Januar 2020 alle eingesetzten elektronischen Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146 a Abs. 1 S. 1 AO i. V. m. § 1 S. 1 KassenSichV sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen.

Ausnahmeregelung geplant

Durch die avisierte Änderung der KassenSichV sollen jedoch Kassen- und Parkscheinautomaten der Parkraumbewirtschaftung sowie Ladepunkte für Elektro- oder Hybridfahrzeuge aus dem Anwendungsbereich der KassenSichV herausgenommen werden. Ein entsprechender Entwurf befindet sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren.
Das BMF hat nunmehr in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Bundesländer verfügt, dass bis Inkrafttreten der geänderten KassenSichV die Pflicht zur Aufrüstung dieser Systeme suspendiert wird, um eine nur vorübergehende Aufrüstung der oben genannten Systeme zu vermeiden.

GoBD-Praxisleitfaden für Unternehmen in aktualisierter Fassung

Änderungen der Abgabenordnung – umgesetzt im AWV-Leitfaden 2.1
Die neue Version 2.1 des GoBD-Praxisleitfadens für Unternehmen berücksichtigt aktuelle Änderungen aufgrund des Jahressteuergesetzes 2020. Alle Informationen - unter anderem zu Erleichterungen für Unternehmen - finden Sie im beigefügten kostenlosen Download.
Unter anderem wurde die AO dahingehend angepasst, dass die Führung und Aufbewahrung elektronischer Bücher und sonstiger erforderlicher elektronischer Aufzeichnungen durch den Wegfall des Antragserfordernisses für EU-Mitgliedstaaten erheblich erleichtert wird. Diese für die Praxis wichtige Änderung greift der Leitfaden in der neuen Version 2.1 auf. Insbesondere in Kapitel 4.4 "Wo ist aufzubewahren" wird die Neuerung nun dargestellt.

Aktuelle Hilfestellungen für die Umsetzung der GoBD in die unternehmerische Praxis

Mit der Veröffentlichung des aktualisierten GoBD-Praxisleitfadens erhalten Unternehmen und deren steuerliche Berater eine aktualisierte Hilfestellung, um die neuen GoBD-Regelungen möglichst rechtssicher handzuhaben und bei Verschärfungen auf der sicheren Seite zu sein. Der AWV-Praxisleitfaden sorgt für ein besseres Verständnis der GoBD und zeigt konkrete Wege auf. Der Leser wird in die Lage versetzt, qualifizierte Entscheidungen zur Umsetzung der GoBD zu treffen. Der DIHK wirkt als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V.“, Eschborn, u.a. im Arbeitskreis 3.4 „„Auslegung der GoB beim Einsatz neuer Organisationstechnologien“ aktiv mit.

Kostenfreier Download

Der „GoBD-Praxisleitfaden für Unternehmen“, Version 2.1., kann kostenfrei unter folgendem Link ( → "GoBD – Ein Praxisleitfaden für Unternehmen") bestellt werden. Nach erfolgter Bestellung erhalten Sie eine E-Mail mit dem Download-Link zur PDF-Datei.)

Steuereinnahmen im März 2021 leicht gestiegen

Noch keine konjunkturelle Belebung bei den Steuereinnahmen sichtbar
Die Steuereinnahmen insgesamt (ohne Gemeindesteuern) stiegen im März 2021 um 0,9 Prozent gegenüber März 2020. Hierzu trug ein beträchtliches Plus im Aufkommen der Steuern vom Umsatz bei, welches mit der Verschiebung des Fälligkeitstermins der Einfuhrumsatzsteuer zusammenhing. Die konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Krise belasteten hingegen weiterhin das Steueraufkommen.
Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern lagen insgesamt um 3,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Neben den Steuern vom Umsatz verzeichneten die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge, die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag sowie die Körperschaftsteuer Zuwächse. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer gingen hingegen um vier Prozent zurück.
Bei den Bundessteuern ergab sich im März ein Einnahmerückgang um 18,7 Prozent. Deutlich geringer fielen die Einnahmen aus der Energiesteuer (-27,3 Prozent) und der Luftverkehrsteuer (-18,3 Prozent) aus.
Die Einnahmen aus den Ländersteuern wiesen einen Anstieg um 12,9 Prozent auf, u.a. aufgrund eines starken Zuwachses der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer (+9,9 Prozent) und der Grunderwerbsteuer (+16,1 Prozent).

Von Januar bis März 2021 deutlich weniger Einnahmen als 2020

Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2021 um 3,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal geringer ausgefallen. Das spiegelt sich auch in der Entwicklung der Steuereinnahmen für das 1. Quartal 2021 wider. Hier sank das Steueraufkommen insgesamt um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau. Die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern verringerten sich um 4,6 Prozent; das Aufkommen der Bundessteuern sank um 11,4 Prozent. Die Ländersteuern verzeichneten einen Einnahmezuwachs um 4,7 Prozent.

Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden

Die Steuereinnahmen des Bundes nach Verrechnung von Bundesergänzungszuweisungen verzeichneten von Januar bis März 2021 einen Rückgang um 12,9 Prozent gegenüber dem Ergebnis des ersten Quartals 2020. Die Länder verbuchten für diesen Zeitraum einen geringeren Rückgang um 3,3 Prozent. Die Einnahmen der Gemeinden aus ihrem Anteil an den Gemeinschaftssteuern verringerten sich um 4,1 Prozent.

Bundestag billigt Nachtragshaushalt für 2021

Bund plant weitere Mehrausgaben von über 50 Milliarden Euro
Der Deutsche Bundestag hat am 23. April 2021 einen Nachtragshaushalt 2021 beschlossen. Damit wurde auch ein erneuter Beschluss zum Überschreiten der Kreditobergrenze nach Art. 115 Grundgesetz notwendig. Von den zusätzlichen Mittel sind rund 25 Milliarden Euro für weitere Unternehmenshilfen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie eingeplant.
Der Bundeshaushalt sieht nunmehr für dieses Jahr Gesamtausgaben in Höhe von 547,7 Milliarden Euro vor. Von den zusätzlichen Mitteln sind laut Bundesregierung 25,5 Milliarden Euro für Unternehmenshilfen eingeplant. Außerdem erhält das Bundesministerium für Gesundheit weitere Mittel, um zusätzliche Ausgaben auszugleichen, die seit Jahresbeginn geleistet wurden. Allein auf die Impfstoffbeschaffung entfallen rund 6,2 Milliarden Euro. Vorsorglich sind nach Angaben der Regierung auch Mittel für weitere pandemiebedingte Ausgaben eingeplant, zum Beispiel für die Impf- und Testkampagne oder weitere Hilfen. Berücksichtigt werden auch Steuermindereinnahmen in Höhe von rund neun Milliarden Euro unter anderem aufgrund der im Frühjahr nach unten korrigierten Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für 2021.

Nettokreditaufnahme steigt auf 240 Milliarden Euro

Die Nettokreditaufnahme soll durch den Nachtragshaushalt auf 240 Milliarden Euro steigen. Das sind rund 60 Milliarden Euro mehr als noch zu Anfang des Jahres geplant. Bei voller Ausnutzung dieser Neuverschuldungsmöglichkeit würde die Obergrenze der Schuldenregel des Art. 115 des Grundgesetzes um rund 213 Milliarden Euro überschritten, was eine Zustimmung des Bundestages erfordert. In einer namentlichen Abstimmung wurde dieser Beschluss herbeigeführt. Ebenfalls beschlossen wurde ein Tilgungsplan gemäß Artikel 115 Abs. 2 Satz 6 des Grundgesetzes für die „aufgrund der Ausnahmeregelung aufgenommenen Kredite“. Diese Kredite sollen im Bundeshaushalt 2026 sowie in den folgenden 16 Haushaltsjahren zurückgeführt werden. Die Rückführung erfolgt dabei „in Höhe von jeweils einem Siebzehntel des Betrages der Kreditaufnahme, der nach Abschluss des Bundeshaushalts 2021 die nach Artikel 115 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 des Grundgesetzes zulässige Verschuldung überstiegen hat“. Die vorgelegte Tilgungsverpflichtung tritt zu der am 2. Juli 2020 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Tilgungsverpflichtung hinzu. Die genaue Abrechnung des zu tilgenden Betrages ergibt sich erst nach Haushaltsabschluss, also Anfang 2022.

Ergebnisse der Steuerschätzung Mai 2021

Für die Finanzierung der Aufgaben in den Haushaltsjahren 2021 und 2022 werden vom Arbeitskreis Steuerschätzungen keine größeren Herausforderungen vorausgesagt als bisher ohnehin bereits bekannt. Die Pandemie-bedingt hohen Kreditaufnahmen in den Haushalten 2020, 2021 und wahrscheinlich auch noch 2022 stellen eine große Herausforderung für die Haushalte in den Jahren spätestens nach 2022 dar, weil dann bereits erhebliche Tilgungsleistungen zu erbringen sein werden. Letztlich wird nur ein stabiles Wachstum des BIP in den kommenden Jahren zu einem ebenfalls stabilen, hohen Wachstum der Steuereinnahmen führen.
Die Ergebnisse der 160. Steuerschätzung:
  • Für 2021 bis einschließlich 2025 gilt: In der Summe liegen die Steuereinnahmen um 10 Mrd. Euro höher als noch bei der Schätzung im November 2020 angenommen.
  • Das BMF geht davon aus, dass die von der Bundesregierung verabschiedeten steuerlichen Maßnahmen die Steuerpflichtigen in den Jahren 2021 bis 2025 um rd. 83 Mrd. Euro entlasten. Trotzdem sind die Einnahmen 10 Mrd. Euro höher als noch im November angenommen.
  • Basis für die Steuerschätzung sind die von der Bundesregierung angenommenen (nominalen) BIP-Wachstumsraten der kommenden Jahre: +5,3 % (2021, real +3,5 %), +5,2 % (2022; real 3,6 %) sowie von je +2,6 % (2023 bis 2025).
  • Im Vergleich zur Novemberschätzung gilt für 2021: Bund: - 3,2 Mrd. Euro, Länder: + 0,7 Mrd. Euro, Gemeinden: - 0,2 Mrd. Euro.
  • Für die gewinnabhängigen Steuerarten sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen (UVE) die zentrale Fortschreibungsgröße. Für das Jahr 2021 wird mit einem kräftigen Anstieg der UVE um 12,9 % gerechnet. 2022: +5,4 %, 2023 bis 2025: +2,8 % p.a.
  • Einzelne Steuern 2021 im Vergleich zu 2020:
    • Gewerbesteuer: + 11,5 % (knapp 5 Mrd. Euro). Das Niveau von 2019 wird damit immer noch um 5 Mrd. Euro unterschritten. Das Volumen der Gewerbesteuer von 2019 wird erst wieder 2023 übertroffen (57 Mrd. Euro).
    • Körperschaftsteuer: + 16,0 % (knapp 4 Mrd. Euro). Das Niveau von 2019 wird erst 2024 überschritten.
    • Veranlagte Einkommensteuer der Personenunternehmen und Selbständigen: + 3,7 % (etwas mehr als 2 Mrd. Euro). Das Niveau von 2019 wird erst 2023 überschritten.
  • Für die einzelnen Ebenen gilt (Steuereinnahmen 2021 im Vergleich zu 2020): Bund: +3,8 %, Länder: + 2,6 %, Gemeinden: + 4,7 %.

EU-Binnenmarkt: Fortschritte auch im steuerlichen Bereich

Erleichterte Informationsbeschaffung und mehr behördliche Zusammenarbeit
Das im EU-Vertrag genannte Ziel der Schaffung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ gilt grundsätzlich auch für den Bereich Steuern. Bei Mehrwert- oder Energiesteuern ist der Grad der Zusammenarbeit – weniger der Vereinheitlichung – dabei enger als bei den direkten Steuern wie Einkommen – und Körperschaftsteuern.
Folgende Gremien und elektronische Systeme der EU stehen für eine Kooperation der Mitgliedstaaten in den Bereichen Betrugsbekämpfung und grenzüberschreitende Besteuerungsverfahren:
  1. EU-Amtshilferichtlinie: Sie regelt die Zusammenarbeit der EU-Mitglieder im Bereich der direkten Steuern. Zu ihr kommt es in Fällen, in denen die Finanzbehörden grenzüberschreitende Sachverhalte nicht angemessen aufklären können, z. B. weil sie bei ihren Ermittlungen auf das eigene Staatsgebiet beschränkt sind. Der zwischenstaatliche Informationsaustausch stellt darüber hinaus eine gleichmäßige Besteuerung sicher. Er dient auch der Sachverhaltsaufklärung zugunsten der Steuerpflichtigen.
  2. Ständiger Ausschuss für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich Mehrwertsteuer: Er wurde bereits 1992 ins Leben gerufen. Genauer gesagt, fand seine erste Sitzung am 20. und 21. Januar 1992 statt. Sie sollte zur Vorbereitung des Binnenmarktes (ab 1993) geschaffenen Mehrwertsteuerregelungen für grenzüberschreitende Transaktionen die zwischenstaatliche Kooperation sicherstellen. Je nach Auslöser und Intensität der Zusammenarbeit unterscheidet man zwischen „spontanem“, „automatischem“ und „Informationsaustausch auf Ersuchen“. Mittlerweile finden sogar „gemeinsame Prüfungen“ und „gleichzeitige Kontrollen“ statt. Sie ermöglichen es Beamten der nationalen Steuerbehörden, internationale Prüfungsteams zu bilden, um multinationale Unternehmen zu kontrollieren. – Am 21. April 2021 fand die 100. Sitzung des Ständigen Ausschusses statt. Seine Arbeit ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes im Mehrwertsteuerbereich gleichsam unerlässlich.
  3. Eurofisc ist ein Netzwerk von Sachverständigen aus den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten. Es hängt mit der Arbeit des Ständigen Ausschusses (s. 2.) eng zusammen und dient der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetruges.
  4. Elektronische Systeme wie das MwSt.-Informationsaustauschsystem (a), die Einzige Anlaufstelle (b) oder das CESOP (c).
  1. Das MwSt.-Informationsaustauschsystem enthält Informationen über grenzüberschreitende MwSt.-Transaktionen und MwSt.-Registrierungen. Es wird fünf Millionen Mal aufgerufen, um die Gültigkeit von Mehrwertsteuer-Nummern zu überprüfen – täglich!
  2. Die Einzige Anlaufstelle ist eine wichtige Vereinfachung für Händler, die elektronische Dienstleistungen für nicht-steuerpflichtige („natürliche“) Personen erbringen oder die ab Juli 2021 elektronischen Handel betreiben.
  3. Das zentrale elektronische Zahlungsinformationssystem CESOP soll ab 2024 Informationen über Online-Zahlungen sammeln, um Mehrwertsteuerbetrug im elektronischen Handel zu bekämpfen.

Wirtschaftlicher Neustart nach der Corona-Krise in der EU

Bislang 14 nationale Aufbaupläne bei der EU-Kommission eingegangen
Mit dem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (NGEU) hat die EU den Grundstein dafür gelegt, dass die europäische Wirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen kann.
Der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) im Umfang von 672,5 Milliarden Euro ist das größte Werkzeug des Instruments „Next Generation EU“ (NGEU), das insgesamt 750 Milliarden Euro umfasst. Um dieses Geld in dem ihnen - anhand verschiedener Kriterien - zugewiesenen Umfang erhalten zu können, bewerben sich die einzelnen EU-Staaten mit nationalen Aufbau- und Resilienzplänen in Brüssel.
Bislang haben Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien ihre vorerst endgültigen Aufbau- und Resilienzpläne nach Brüssel gemeldet. Weitere werden folgen.

Kommission prüft Einhaltung der Mindestanforderungen durch die Mitgliedstaaten

Die EU-Kommission und der Rat entscheiden nacheinander über die Auszahlung. Alle Staaten bemühen sich um die 312,5 Milliarden Euro Zuschüsse. Manche andere bewerben sich auch um die insgesamt 360 Milliarden Euro zinsgünstige Kredite (jeweils in Preisen von 2018).
In den nationalen Plänen müssen jeweils zumindest 37 Prozent der beantragten Zuschüsse für „grüne“ Projekte und mindestens 20 Prozent für Projekte zur Digitalisierung vorgesehen sein – entweder für Investitionen oder für Strukturreformen. Dabei decken die klimafreundlichen Maßnahmen ein breites Spektrum ab: von der Dekarbonisierung durch erneuerbaren Wasserstoff über klimafreundliche Mobilität bis hin zu klimafreundlichem Bauen. Zahlreiche Staaten wollen die zahlenmäßigen Anforderungen sogar übertreffen. Dies wird die Kommission genau prüfen. Manche Staaten planen, die Mittel darüber hinaus auch für die Steigerung der Resilienz ihrer Wirtschaft, für Wohnen oder Pflege auszugeben.

Deutschland plant umfangreiche Maßnahmen mit ARF-Mitteln

Deutschland stehen aus der ARF Mittel in Höhe von ca. 25 Milliarden Euro zu. Der Digitalisierung wird dabei ein besonderer Platz eingeräumt. Außerdem enthält der deutsche Aufbauplan (DARP) eine nationale digitale Bildungsoffensive sowie Pläne für eine Förderung der sozialen Teilhabe am Arbeitsmarkt, auch im Hinblick auf eine Gleichstellung der Geschlechter. Schließlich soll Geld in die Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens und den Pandemieschutz fließen. 

Zuteilung je nach Größe und Wettbewerbsfähigkeit

Die finanzielle Hilfe für die Mitgliedstaaten aus Brüsseler Kassen ist weit gespreizt. So bekommen z. B. Portugal Zuschüsse von knapp 14 und Griechenland von knapp 18 Milliarden Euro. Andere EU-Mitglieder bekommen – entsprechend der Größe und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft (here) – erheblich mehr Geld. Dazu gehören Frankreich, Italien und Spanien. Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, alle nationalen Pläne noch im Laufe des Sommers zu bewerten. Ob das mit den Investitionen ins Auge gefasste Ziel tatsächlich erreicht werden kann, wird sich allerdings erst sehr viel später erweisen.

„One in, one out“ auch in der EU

EU-Kommission legt Mitteilung zur besseren Rechtsetzung vor
Die EU-Kommission hat am vergangenen Donnerstag ihre mehrfach verschobene Mitteilung zu "Besserer Rechtsetzung" vorgelegt, in der sie mehrere Verbesserungen für das Rechtsetzungsverfahren der EU vorschlägt. Ziel der Kommission ist es, Hindernisse im Binnenmarkt und übermäßige Bürokratie zu beseitigen, um die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie zu beschleunigen. Dabei sollen vor allem Hindernisse, die Investitionen zur Bewältigung der dualen Transformation hin zur Klimaneutralität und Digitalisierung verlangsamen, abgebaut werden.
Kernstück der Mitteilung der EU-Kommission ist die Einführung des sogenannten "One in, one out"-Ansatzes. Dabei sollen für jede neue Regulierung Belastungen für Unternehmen ermittelt werden und in ähnlichem Umfang im selben Bereich wegfallen. Die​ One in, one out-Regelung will die Kommission im zweiten Halbjahr 2021 ​in einem Pilotprojekt starten. Danach soll sie für alle relevanten neuen Gesetzgebungsprojekte angewendet werden. Dabei lässt die EU-Kommission allerdings ​einige Ausnahmen zu. Kann sie im selben Politikfeld keine Möglichkeiten zur Erleichterung finden, kann sie diese in einem anderen Politikfeld umsetzen – oder auch bei politischer Wichtigkeit des neuen Vorhabens ganz aussetzen.
Die Kommission äußert in ihrer Mitteilung die Absicht, bei One in, one out spezielle Aufmerksamkeit auf die Betroffenheit von KMU bei den Befolgungskosten von Gesetzen zu legen. Eine besondere Rolle soll dabei der KMU-Envoy der EU übernehmen. ​Er soll auch dabei unterstützen, das Arbeitsprogramm der Fit for Future-Plattform zu gestalten. Diese sammelt Vorschläge, wo bestehende EU-Gesetzgebung verbessert werden könnte. In diesem Zusammenhang spielt auch der KMU-Test eine Rolle, welcher die Auswirkungen von neuer Regulierung auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) prüft. Bisher wird der KMU-Test laut Untersuchungen des europäischen Kammerdachverbandes EUROCHAMBRES bei nur bei 30 Prozent aller neuen EU-Regelungen angewendet. In der Mitteilung kündigt die EU-Kommission an, diesen nun systematischer anwenden zu wollen.
Zur Umsetzung ihrer Ziele möchte die EU-Kommission erreichen, dass auch die beiden Co-Gesetzgeber Europäisches Parlament und Rat Folgenabschätzungen durchführen, wenn sie Änderungen am Gesetzesvorschlag der EU-Kommission vornehmen. Dies ist bislang nicht der Fall.
Außerdem möchte die EU-Kommission zwei bisherige Schritte bei öffentlichen Konsultationen zusammenlegen und dafür den Zeitraum für die dann entstehende einzige Konsultation verlängern. Stakeholder sollen so mehr Zeit für Stellungnahmen erhalten. Ebenfalls sollen Umfang und Verständlichkeit der Fragen verbessert werden. Um mehr Stakeholdern die Beteiligung zu ermöglichen, soll das "Have Your Say"-Webportal bekannter gemacht werden. Alle, die Hinweise eingereicht haben, sollen zudem zukünftig Rückmeldungen erhalten.

Bundesregierung stellt Bürokratieabbau in Aussicht

Kabinettsbeschluss ebnet den Weg zu einem 4. Entlastungsgesetz 
Vom Abgaberecht bis Vergabeverfahren: Insgesamt 22 Punkte umfasst das Maßnahmenpaket zum Bürokratieabbau, das das Bundeskabinett am 13. April beschlossen hat. Viele der Vorhaben greifen Vorschläge aus der IHK-Organisation auf. In konkrete Gesetzesvorhaben mündet zunächst jedoch nur eines.
Entlastungen sind in der Wirtschaft mehr denn je hochwillkommen: Die Corona-Krise stellt die Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen – sowohl im laufenden Betrieb als auch bei Gründung und Übergabe, das zeigen aktuelle DIHK-Umfragen. Die Erhebungen verdeutlichen auch, dass bürokratiearme Prozesse sowohl in der Krise als auch beim Wiederanfahren der Geschäfte extrem hilfreich sind.

Zahlreiche Anregungen aus der Wirtschaft

Wie die Politik den Unternehmen in der Pandemie das Leben erleichtern kann, hatte der DIHK Mitte 2020 in seinen "Guten Ideen, die den Staat nichts kosten" skizziert. Einige davon und auch viele der allgemeinen Vorschläge der IHK-Organisation zum Bürokratieabbau fanden Eingang in das nun beschlossene Maßnahmenpaket.
Mit den 22 darin aufgeführten Vorhaben setzt die Bundesregierung den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 25. August 2020 um, Inhalte für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz zu identifizieren.

Verbesserungen etwa bei Steuerfragen und Übergaben

Zu den Maßnahmen, die langjährige Anliegen der Wirtschaft aufgreifen, zählen insbesondere zeitnahe Betriebsprüfungen durch die Finanzbehörden, das schnellere Erteilen verbindlicher Auskünfte bei Steuerfragen und die Erleichterung von Unternehmensübergaben.
Aber auch die Harmonisierung steuergesetzlicher Berechnungsmethoden, der vermehrte Einsatz digitaler Methoden – etwa im Planungsrecht oder hinsichtlich der Verknüpfung von Datenregistern zur Vermeidung von Doppelmeldungen - sowie Erleichterungen bei Vergabe- und Förderverfahren sind Schritte hin zu spürbar weniger Bürokratie.

Vorerst Charakter der Selbstverpflichtung

Von einem Gesetzgebungsprozess ist das Maßnahmenpaket allerdings noch weit entfernt. Lediglich für die Umsetzung eines Basisregisters für Unternehmensstammdaten liegt ein Referentenentwurf vor.
Der Kabinettsbeschluss stellt aber zumindest eine Selbstverpflichtung der Ministerien dar, die das Bundeskanzleramt regelmäßig kontrollieren wird. 

Praxis frühzeitig einbeziehen

Die Umsetzungsqualität des Bürokratiepakets und damit die Entlastungswirkung werden vom frühzeitigen Einbezug der Wirtschaft abhängen. Damit es gelingen kann, Verfahren wirklich zu verschlanken und unnötige neue Pflichten zu vermeiden, schlägt der DIHK einen Praxis-Check vor.

Hinweis der Finanzbehörde Hamburg zur Meldepflicht von Kassen nach § 146 a Absatz 4 Abgabenordnung (AO)

Die Finanzbehörde weist darauf hin, dass gemäß § 146 a Abs. 4 Abgabenordnung grundsätzlich die Verpflichtung besteht, dem zuständigen Finanzamt innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme eines elektronischen Aufzeichnungssystems eine Mitteilung mittels amtlich vorgeschriebenen Vordruck über das genutzte elektronische Aufzeichnungssystem zu erstatten. Da bisher kein amtlich vorgeschriebener Vordruck vorliegt, wurde vom Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 06.11.2019 (Az.: IV A 4 – S 0319/19/10002 :001; BStBl. I 2019 Seite 1010) die Regelung veröffentlicht, wonach von der Mitteilung nach § 146a Absatz 4 AO bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen ist. Der Zeitpunkt des Einsatzes der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit werde im Bundessteuerblatt Teil I gesondert bekannt gegeben.
Die Bereitstellung der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit werde, laut Aussage des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), voraussichtlich im Jahr 2023 erfolgen.
Für Rückfragen steht Ihnen Herr Tim Peter von der Finanzbehörde Hamburg (Tel.: 42823-2475; Mailto: Tim.Peter@Fb.Hamburg.de) gern zur Verfügung.
Unternehmen, die nicht in Hamburg ansässig sind, sollten sich bei Bedarf bei ihrem jeweils zuständigen Finanzamt oder den Angehörigen der steuerberatenden Berufe zu den in ihrem Bundesland geltenden Regelungen erkundigen.
Endredaktion: Jan Meister
Innergemeinschaftlicher Warenhandel

Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie für Fernverkäufe und Online-Marktplätze

Was ist die EU-Mehrwertsteuerreform? Was ist ein One-Stop-Shop? Welche Probleme werden durch ihn gelöst? Für welche Transaktionen kann er genutzt werden?
Hinweis: Auf dieser Seite werden im Überblick ausgewählte umsatzsteuerliche Aspekte für Unternehmen dargestellt. Obwohl die Hinweise mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Die Ausführungen sind nicht abschließend und können eine auf den individuellen Sachverhalt abgestimmte Beratung (z. B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater etc.) nicht ersetzen.

Was ist die EU-Mehrwertsteuerreform?

Die EU-Mehrwertsteuerreform wurde konzipiert, um die Transparenz zu erhöhen, Steuerbetrug zu vermeiden und den Austausch zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedsländer zu stärken und zu vereinfachen. Ursprünglich sollte One-Stop-Shop (im folgenden OSS) am 1. Januar 2021 starten, jetzt ist als neues Startdatum der 1. Juli 2021 geplant. Der OSS wird den Mini-One-Stop-Shop ersetzen.

Was ist OSS?

Laut Definition wird als One-Stop-Shop die Möglichkeit bezeichnet, alle notwendigen bürokratischen Schritte, die einer Zielerreichung dienen, an einer einzigen Stelle durchzuführen (§ 18j UStG). Im Rahmen der Vollendung des EU-Binnenmarktes soll dieses System genutzt werden, um grenzüberschreitende Lieferungen stets im Bestimmungsland zu versteuern. Registrierung und Abwicklung sollen dabei jeweils zentral in den Ursprungsländern erfolgen.

Welche Probleme löst OSS?

Durch One-Stop-Shop (OSS) muss sich ein Händler, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, nur noch einmal steuerlich zentral beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren. Umsatzsteueranmeldungen in einzelnen Ländern und die Beachtung von unterschiedlichen Lieferschwellen entfallen damit. Es gilt eine einheitliche Schwelle von 10.000 Euro (§ 3 c Abs. 4 Satz 1 UStG), ab diesem Wert ist die Mehrwertsteuer stets im Bestimmungsland zu zahlen. Für die Umsatzschwelle sind nicht mehr nur die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen nach § 3a Abs. 5 Satz 2 UstG relevant, sondern auch die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Abs. 1 UstG. Die Verrechnung erfolgt zentral mit Hilfe von OSS.

Beispiel

Der im Inland ansässige Unternehmer U erbringt in den Jahren 2020 und 2021 in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichnete sonstige Leistungen an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer im folgenden Wert: 
  • im Kalenderjahr 2020: 3.000 Euro
  • im ersten Halbjahr 2021: 5.000 Euro
  • im zweiten Halbjahr 2021: 2.000 Euro
Außerdem versendet U in den Jahren 2020 und 2021 Waren im folgenden Wert an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer: 
  • im Kalenderjahr 2020: 6.000 Euro 
  • im ersten Halbjahr 2021: 20.000 Euro 
  • im zweiten Halbjahr 2021: 5.000 Euro
Im vorangegangenen Kalenderjahr 2020 wurde die ab dem 1. Juli 2021 maßgebliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro nicht überschritten. Da die ab dem 1. Juli 2021 auch für innergemeinschaftliche Fernverkäufe maßgebliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro für das Kalenderjahr 2021 jedoch bereits im ersten Halbjahr überschritten wurde, kommt es ab dem 1. Juli 2021 ab dem ersten Umsatz zur Ortsverlagerung in den EU-Mitgliedstaat, in dem der Empfänger ansässig ist. Die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe vor dem 1. Juli 2021 sind zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Ortsbestimmung nach § 3c UStG in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung aufgrund des Überschreitens der Lieferschwelle zur Anwendung kam. U hat demnach alle in § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen an in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer sowie innergemeinschaftlichen Fernverkäufe ab dem 1. Juli 2021 in den EU-Mitgliedstaaten zu versteuern, in denen die Empfänger ansässig sind, und kann dafür das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG in Anspruch nehmen.

Für welche Transaktionen kann OSS genutzt werden?

In Deutschland ansässige Unternehmer, die 
  • Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbringen, in denen sie nicht ansässig sind oder
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen tätigen oder
  • eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb behandelt werden als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten und
Unternehmer, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind 
  • und im Inland über eine Einrichtung wie z. B. ein Warenlager verfügen und
  • daraus Waren an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten liefern 
können den OSS nutzen.

Für welche Transaktionen kann OSS nicht genutzt werden?

In diesen Fällen ist weiterhin eine lokale Registrierung im Bestimmungsland erforderlich:
  • Lieferungen innerhalb des EU-Staates, in dem das ausländische Fulfillment-Center in der EU liegt. Dies würde sowohl B2C- als auch B2B-Transaktionen betreffen.
  • Innergemeinschaftliche Verbringungen / Erwerbe im EU-Ausland, dies tritt immer ein, sobald Fulfillment-Center im Ausland genutzt werden.
  • Amazon-Commingling-Transaktionen, 
  • Vorsteuerbeträge im EU-Ausland – Guthaben können wohl nur im Land selbst eingefordert werden.
  • Innergemeinschaftliche Erwerbe / Verbringen im EU-Ausland.

Können OSS und lokale Registrierung kombiniert genutzt werden?

Es kann von einem Händler oder Unternehmer sowohl die lokale Registrierung als auch OSS genutzt werden. Dies ist sinnvoll, da es Transaktionen gibt, die jeweils nur über eines der Verfahren abgewickelt werden können. Es sollte jedoch bei einer Art von Transaktionen jeweils das gleiche Verfahren genutzt werden (z.B. für innergemeinschaftliche Fernverkäufe)

Wann muss die Teilnahme am neuen Besteuerungsverfahren zeitlich der zuständigen Finanzbehörde angezeigt werden?

Grundsätzlich muss die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren der zuständigen Finanzbehörde (in Deutschland: dem BZSt) vor Beginn des Besteuerungszeitraums angezeigt werden, ab dem das Verfahren genutzt werden soll (§ 16 Abs. 1c Satz 1 bzw. § 16 Abs. 1d Satz 1 UStG). Unternehmer, die bereits für das Vorgängerverfahren Mini-One-Stop-Shop registriert sind, nehmen automatisch an der Sonderregelung OSS teil.

Import-One-Stop-Shop (IOSS)

Ab dem 1. Juli 2021 können bestimmte Unternehmer Fernverkäufe von aus Drittlandsgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Endkunden (Privatpersonen) über den IOSS abwickeln. Mit dem IOSS soll die Erklärung und Entrichtung der bei dem Verkauf geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer erleichtert werden.

Wer kann Umsätze über IOSS abwickeln?

Folgende Unternehmer können IOSS nutzen: 
  • inländische Unternehmer,
  • nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn die EU mit dem Drittland, in dem sie ansässig sind, ein Abkommen über gegenseitige Amtshilfe geschlossen hat (z. Zt. nur Norwegen),
  • nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn Sie einen im Inland ansässigen Vertreter vertraglich bestellt und dies dem Bundeszentralamt für Steuern angezeigt haben und
  • im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, wenn Sie einen im Inland ansässigen Vertreter vertraglich bestellt und dies dem Bundeszentralamt für Steuern angezeigt haben.
Diese Unternehmer können IOSS für folgende Umsätze nutzen:
  • Der Unternehmer tätigt Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro an Privatpersonen innerhalb der Europäischen Union (EU) oder
  • der Unternehmer stellt eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung, durch deren Nutzung die Lieferung von aus dem Drittlandgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt wird und deshalb so behandelt wird, als ob er die Gegenstände selbst geliefert hätte.

Welche Möglichkeiten bietet IOSS?

Die Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr von Gegenständen mit einem Wert von bis zu 22 Euro entfällt ab dem 1. Juli 2021, gleichzeitig tritt der IOSS in Kraft. Ein Unternehmer hat nun das Wahlrecht, ob er sich in allen Mitgliedstaaten, in denen er Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen mit einem Wert von 150 Euro erbringt, steuerlich erfassen lassen und dort seine Melde- und Erklärungspflichten nachkommen möchte, oder aber die Sonderregelung des IOSS nutzen will.
Unternehmer können ihre in den übrigen Mitgliedstaaten der EU getätigten Fernverkäufe, die unter die Sonderregelung fallen, in einer vereinfachten Zollerklärung anmelden. Außerdem können Sie in einer besonderen Steuererklärung diese Umsätze zentral über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erklären und auf elektronischem Weg übermitteln und somit die sich ergebende Steuer insgesamt entrichten. Bereits seit 1. April 2021 besteht eine Registrierungsmöglichkeit.
Wichtig: Aus dem Drittland importierte Warenlieferungen, die einen Sachwert von 150 Euro nicht übersteigen, sind für die Teilnehmer am IOSS von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Die Teilnahme ist freiwillig. Allerdings gilt sie einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU.
Recht und Steuern

Steuerinfo April 2021

Bundesregierung modernisiert Körperschaftsteuer

Am 24. März 2021 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) beschlossen. Wichtigste Maßnahme ist das so genannte Optionsmodell, mit dem sich Personengesellschaften auf Antrag unter die Regelungen des Körperschaftsteuerrechts begeben können. Auf diese Maßnahme hatten sich die Koalitionspartner bereits am 8. März 2020 und wiederholt am 3. Juni 2020 geeinigt. Neben dem Optionsmodell ist auch eine Änderung der Dokumentation von Mehr- und Minderabführungen bei der ertragsteuerlichen Organschaft vorgesehen sowie die Berücksichtigung von Währungskursschwankungen bei Gesellschafterdarlehen.

Option zur Körperschaftsteuer

Antrag zur Option

Mit dem neuen § 1a KStG soll Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit eingeräumt werden, sich auf Antrag steuerlich wie Kapitalgesellschaften behandeln zu lassen. Wörtlich heißt es, dass sich die Gesellschaft „wie eine Kapitalgesellschaft (optierende Gesellschaft) und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft“ besteuern lassen können.

Fiktiver Formwechsel

Die Option soll nur für die eben genannten Gesellschaften, nicht für GbRs oder Einzelunternehmen möglich sein. Dies liegt darin begründet, dass nur solche Gesellschaften den Antrag stellen können, die auch einen Formwechsel nach § 25 UmwStG vornehmen könnten. Dieser Formwechsel soll durch den Antrag auf Option fingiert werden. Dies hat den dann auch zur Folge, dass weitestgehend die Regelungen des Umwandlungsteuerrechts Anwendung finden.

Funktionales Betriebsvermögen und Nachversteuerung

So dürfen insbesondere funktionale Wirtschaftsgüter nicht zurückbehalten werden, um eine steuerneutrale Option durchführen zu können. In Bezug auf das Sonderbetriebsvermögen bedeutet das, dass diese Wirtschaftsgüter in vielen Fällen vorher in die Personengesellschaft eingebracht werden müssten. Der fiktive Formwechsel hat ebenfalls zur Folge, dass nach § 34a Abs. 6 Nr. 2 EStG etwaige nachversteuerungspflichtige Beträge (vorherige Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung) vor Ausübung der Option komplett nachzuversteuern wären.

Rückoption

Eine Rückoption kann jederzeit erklärt werden, so dass die Option eine Mindestlaufzeit von einem Jahr hat.

Wegfall des Ausgleichspostens

Für die ertragsteuerliche Organschaft soll nunmehr für Mehr – oder Minderabführungen während der Organschaft die sogenannte Einlagenlösung den bisher zu führenden Ausgleichsposten ablösen. Bisher mussten Differenzen zwischen dem Gewinn der Organgesellschaft und dem ausgeschütteten Gewinn über einen Ausgleichposten in der Bilanz des Organträgers abgebildet werden. Der Gesetzgeber erhofft sich hierdurch eine Vereinfachung.

Abzugsfähigkeit von Währungskursschwankungen

Nach geltendem Recht sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit einem Anteil an einer Kapitalgesellschaft stehen, nicht abzugsfähig (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG), wenn es sich beim Anteilseigner wiederum um eine Kapitalgesellschaft handelt. Für wesentlich beteiligte Gesellschafter betrifft dies auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung. Aktuell werden hiervon auch Währungskursverluste im Zusammenhang mit Darlehensforderungen eines wesentlich beteiligten Gesellschafters erfasst, obwohl umgekehrt Währungskursgewinne steuerpflichtig sind. Diese Ungleichbehandlung soll nunmehr durch eine entsprechende Änderung beseitigt werden.

Inkrafttreten

Das Gesetz soll am 1.1.2022 in Kraft treten. Die parlamentarischen Beratungen laufen bereits an. Mit einer abschließenden Beschlussfassung durch den Bundesrat wird für Ende Juni 2021 gerechnet.
(Jens Gewinnus)

Änderung der Lohnsteuerrichtlinie (Lohnsteuerrichtlinie 2021)

Das Bundeskabinett hat am 24. März 2021 die Vierte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2008 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinie 2021 - LStÄR 2021) beschlossen. Mit der beschlossenen Änderung in der Lohnsteuerrichtlinie (LStR) wird der steuerfreie Mindestbetrag für Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen nach R 3.12 Abs. 3 LStR von 200 Euro auf 250 Euro monatlich angehoben und damit die Erhöhung der Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG zum 1. Januar 2021 umgesetzt. Weiterhin wird der Mindestbetrag in R 3.12 Abs. 5 LStR für gelegentliche ehrenamtliche Tätigkeiten von 6 Euro auf 8 Euro am Tag angehoben.

Lohnsteuerrichtlinie als Weisung der Finanzverwaltung

Die Lohnsteuerrichtlinien sind Weisungen an die Finanzverwaltung. Sie haben nicht den Rang einer Rechtsnorm, stellen jedoch sicher, dass die Finanzämter in Zweifelsfragen nach einheitlichen Grundsätzen verfahren. Sie enthalten außerdem Weisungen zur Vermeidung unbilliger Härten und Regelungen zur Verwaltungsvereinfachung. Über die bestehende Selbstbindung der Verwaltung entfalten sie eine erhebliche Außenwirkung im Besteuerungsverfahren.

Nachweiserleichterung bei Aufwandsentschädigungen

Bei den zu erhöhenden Mindestbeträgen in R 3.12. LStR handelt es sich jeweils um Nachweiserleichterungen im Verwaltungswege zur Feststellung der Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigungen in den Fällen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Die begünstigenden Änderungen der Lohnsteuerrichtlinien sollen rückwirkend ab 1. Januar 2021 gelten. Zuletzt wurde der steuerfreie Mindestbetrag mit der Lohnsteuer-Änderungsrichtlinie 2013 rückwirkend ab 1. Januar 2013 von 175 Euro auf 200 Euro monatlich angehoben. Mit der Änderung wird dem Wunsch der Länder und Verbände nachgekommen, die sich für die Anhebung dieses Mindestbetrages - in Anlehnung an die auf 3.000 Euro im Jahr erhöhte Übungsleiterpauschale - eingesetzt haben.

Betroffene Tätigkeiten  

Betroffen von dieser Änderung sind zum Beispiel Tätigkeiten:
  • kommunaler Mandatsträger (nebenberufliche Ratsherren oder Bürgermeister)
  • Schöffen
  • ehrenamtlicher Rettungsdienste, freiwillige Feuerwehren
  • Mitglieder von Aufsichts- oder Verwaltungsräten der Rundfunkanstalten, Sparkassen
  • u. ä. Tätigkeiten bei Volkshochschulen oder in der Jugendbildung
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates, bevor sie in Kraft treten kann.
(Daniela Karbe-Geßler)

Finanzverwaltung erörtert Mitteilungspflichten

Die Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 29. März 2021 ein BMF-Schreiben mit Anwendungshinweisen für die Meldung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen gem. § 138d – k AO veröffentlicht und dabei die von der Mitteilungspflicht ausgenommenen Fallgruppen benannt.
Die EU-Richtlinie 2018/822 bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen vom 25. Mai 2018 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2019 eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen sowie einen diesbezüglichen zwischenstaatlichen Informationsaustausch im nationalen Recht einführen müssen. Zwar ist die Richtlinie ab dem 1. Juli 2020 anzuwenden, jedoch sind auch solche Fälle mitzuteilen, bei denen der erste Schritt der Umsetzung nach dem 24. Juni 2018 erfolgt ist.

Unerwünschte Steuergestaltungen vermeiden

Ziel der Richtlinie ist zum einen, die EU-Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, auf sog. unerwünschte Steuergestaltungen im Binnenmarkt früher als bisher reagieren zu können (rechtspolitische Auswertung). Zum anderen sollen die Finanzverwaltungen die mit den Mitteilungen erlangten Informationen im Veranlagungsverfahren der Nutzer von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen verwenden können, sei es durch allgemeine Verwaltungsanweisungen oder durch individuelle Ermittlungsmaßnahmen (veranlagungsunterstützende Auswertung).

Gesetzliche Änderungen in Deutschland

Deutschland hat mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 die Abgabenordnung (AO), das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO), das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) und das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 ergänzt und geändert.

BMF-Schreiben erörtert Grundsätze der Meldungen  

Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr mit Schreiben vom 29. März 2021 die gesetzlichen Vorgaben erläutert und konkrete Anwendungshinweise gegeben. Das BMF-Schreiben erörtert auf mehr als 60 Seiten die Grundsätze für die Meldungen. Verpflichtet sind entweder der Steuerpflichtige selbst oder ein Vertreter (Intermediär).
Die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen besteht ab dem 1. Juli 2020. Sie besteht auch für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, bei denen der erste Schritt zur Umsetzung nach dem 24. Juni 2018 und vor dem 1. Juli 2020 gemacht worden ist.

Meldung an Bundeszentralamt für Steuern

In diesen Fällen ist die Mitteilung abweichend von § 138f Abs. 2 AO innerhalb von zwei Monaten nach dem 30. Juni 2020 an das Bundeszentralamt für Steuern zu erstatten.
Die Annahme der Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen durch das Bundeszentralamt für Steuern ist ab dem 1. Juli 2020 möglich. So kann die Übermittlung über das BOP-Formular ab dem 1. Juli 2020 erfolgen. Zusätzlich steht die Massendatenschnittstelle ELMA ab dem 15. Juli 2020 zur Verfügung.

Prüfschema des Bundesfinanzministeriums  

Für die Prüfung, ob eine Mitteilungspflicht nach den §§ 138d bis 138k AO besteht, hat das BMF zu Beginn des Schreibens ein Prüfungsschema abgebildet.
Zunächst ist danach zu fragen, ob von der Gestaltung eine Steuer betroffen ist, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet. Außerdem muss eine Steuergestaltung vorliegen. Dann ist zu prüfen, wer an der Steuergestaltung beteiligt ist und ob ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen eines Merkmals des § 138e AO. Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, besteht keine Mitteilungspflicht.  
Ansonsten liegt grundsätzlich eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung vor. Der weitere Verlauf der Prüfung hängt dann davon ab, ob ein Intermediär i. S. d. § 138d Abs. 1 AO mit Inlandsbezug gem. § 138f Abs. 7 AO existiert und ob dieser ggf. von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit wurde.

Fallgruppen ohne Meldungspflicht

Gemäß § 138d Abs. 3 Satz 3 AO wurde das BMF ermächtigt, im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für bestimmte Fallgruppen zu bestimmen, in denen kein steuerlicher Vorteil i. S. d. § 138d Abs. 3 Satz 1 und 2 AO anzunehmen ist, sofern sich der steuerliche Vorteil ausschließlich im Geltungsbereich der AO auswirkt und er unter Berücksichtigung aller Umstände der Steuergestaltung gesetzlich vorgesehen ist. Das BMF hat nunmehr die von der Mitteilungspflicht ausgenommenen Fallgruppen näher bestimmt:
  • Nutzung von Freigrenzen und Freibeträgen,
  • Ausübung steuerlicher Wahlrechte,
  • Erfüllung der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 KStG oder § 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG),
  • Vorgänge, die dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz - FZulG) unterfallen,
  • Abschluss von Altersvorsorgeverträgen und Basisrentenverträgen, die nach den §§ 5 und 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) zertifiziert sind,
  • Güterstandsklauseln unter Nutzung von § 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG),
  • Änderung des Gesellschaftsvertrags, um die Voraussetzungen des § 13a Abs. 9 ErbStG zu erfüllen,
  • Abschluss von Poolverträgen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur Herbeiführung einer Begünstigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,
  • Renten, Entschädigungen und Leistungen i. S. d. § 3 Nr. 8 und 8a EStG,
  • Betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer im Rahmen der § 3 Nr. 55, 55c, 63 und 66; §§ 4d Abs. 3 und 4e Abs. 3 sowie §§ 10a, 79 ff. und 100 EStG,
  • Übertragung von Anrechten gemäß § 3 Nr. 55c und 55d EStG,
  • Abschluss von Verträgen, bei denen die geleisteten Beiträge als Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 3a EStG anerkannt werden können,
  • Ansatz des hälftigen Unterschiedsbetrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG bei kapitalbildenden Lebensversicherungen,
  • Versicherungen, die im Rahmen des Kontrollmeldeverfahrens nach § 50d Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 EStG gemeldet werden,
  • Langfristige Auf- oder Abstockung von Beteiligungen, die darauf abzielen, eine abweichende steuerliche Rechtsfolge auszulösen (z. B. Vermeidung von § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, Erfüllung der Anlagebedingung nach § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG) und
  • Errichtung einer ertragsteuerlichen Organschaft gemäß den §§ 14 bis 19 KStG sowie § 2 Abs. 2 Satz 2 und § 7a GewStG. Seite 71
  • Wohnsitzverlegung zur Inanspruchnahme oder Vermeidung der Grenzgängerregelung nach den DBA,
  • Zusätzlicher (privater) Aufenthalt im ausländischen Tätigkeitsstaat zur Überschreitung der abkommensrechtlichen 183-Tages-Frist.

Elektronische Meldung vorgeschrieben

Grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind dem BZSt nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch mitzuteilen. Intermediäre und Nutzer haben für die Mitteilung der Angaben nach § 138f Abs. 3 AO an das BZSt das DAC6 XML-Schema zu verwenden. Zur Verfügung stehen folgende Übermittlungswege:
  • Einzeldatenübermittlung (BZStOnline-Portal),
  • XML-Web Upload im BOP,
  • Elektronische Massendatenübermittlung (ELMA).
Für die Mitteilung gilt eine Frist von 30 Tagen. Das BMF erläutert in seinem Schreiben welche Angaben im Detail gemacht werden müssen. Im weiteren Verlauf erhält der Vorgang eine ihn eindeutige identifizierende Registriernummer sowie eine Offenlegungsnummer.

Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten  

Hat ein Nutzer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklicht, muss er diese nach § 138k Satz 1 AO in der Steuererklärung für die Steuerart und den Besteuerungszeitraum oder den Besteuerungszeitpunkt angeben, in der sich der steuerliche Vorteil der grenzüberschreitenden Steuergestaltung erstmals auswirken soll.
Vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen die Mitteilungspflichten stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die gem. § 379 Abs. 2 und 7 AO mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden können.
(Guido Vogt)

Mehr Steuergerechtigkeit durch das Steueroasen-Abwehrgesetz?

Die Bundesregierung hat auf der Kabinettssitzung vom 31. März 2021 den Gesetzentwurf eines „Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze“ (StAbwG) verabschiedet. Das Ziel der Bundesregierung: Mehr Steuergerechtigkeit über Staatsgrenzen hinweg. Hier finden Sie die Details zum geplanten Gesetz.
Nicht kooperative Staaten und Steuergebiete (Steueroasen) sollen durch Abwehrmaßnahmen dazu angehalten werden, internationale Standards im Steuerbereich umzusetzen und Steuervermeidung zu verhindern. Zu diesem Zweck sollen Personen und Unternehmen davon abgehalten werden, Geschäftsbeziehungen in diesen Steueroasen fortzusetzen oder neu aufzunehmen. So soll erreicht werden, dass Staaten und Gebiete, die anerkannte Standards in den Bereichen Transparenz in Steuersachen, unfairen Steuerwettbewerb und bei der Umsetzung der BEPS-Mindeststandards nicht erfüllen, dazu angehalten werden, Anpassungen vorzunehmen.

Anwendungsbereich des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Die Vorschriften des StAbwG sollen nach § 1 StAbwG-E auf unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen anzuwenden sein. Soweit das Gesetz auf von einem Steuerpflichtigen unterhaltene Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse abstellt, sollen nach der Entwurfsbegründung auch Personengesellschaften als Steuerpflichtige gelten.
Nach § 2 StAbwG-E findet das Gesetz grundsätzlich auf alle Steuern – einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind und durch Bundesfinanzbehörden, oder Landesfinanzbehörden oder Gemeinden verwaltet werden – Anwendung. Explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nur die Umsatzsteuer (einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer), Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie Verbrauchsteuern.
Die Vorschriften des StAbwG sollen ungeachtet möglicherweise entgegenstehender Vorschriften in DBA zur Anwendung gelangen und grds. Vorrang vor den Vorschriften der AO und anderer Steuergesetze haben.

Definition der nicht-kooperativen Staaten und Gebiete

Die in den §§ 8 bis 11 StAbwG-E vorgesehenen Abwehrmechanismen sollen nur in Bezug auf bestimmte, nicht kooperative Staaten und Gebiete (Steuerhoheitsgebiete) zur Anwendung gelangen. Ein Steuerhoheitsgebiet soll als nicht kooperativ anzusehen sein, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
  • Es muss sich um ein Steuerhoheitsgebiet handeln, das in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Anlage I zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (sog. „schwarze Liste“ der EU) in der jeweils aktuellen Fassung genannt ist (aktueller Stand 7. Oktober 2020: Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Barbados, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln, Vanuatu und die Seychellen) und
  • dieses Steuerhoheitsgebiet gewährleistet keine hinreichende Transparenz in Steuersachen (§ 4 Abs. 1 StAbwG-E), betreibt unfairen Steuerwettbewerb (§ 5 Abs. 1 StAbwG-E) oder hat sich nicht zur Umsetzung der Mindeststandards des OECD/G20 BEPS-Projekts gegen Gewinnkürzung und Gewinnverschiebung verpflichtet (§ 6 StAbwG-E) und
  • das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet im vorgenannten Sinne ist als solches in der vom BMF mit Zustimmung des Bundesrates noch zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführt (§ 3 Abs. 2 bis 4 StAbwG-E).

Deutschland geht über Vorgaben der EU hinaus

Mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz geht die Bundesregierung über die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen hinaus.
Der Gesetzentwurf enthält folgende Abwehrmaßnahmen:

Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG-E)

Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen mit Bezug zu Steueroasen können steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt, wenn die den Aufwendungen entsprechenden Erträge in Deutschland einer (un-)beschränkten Steuerpflicht unterliegen.

Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E)

Es greift eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, wenn in einer Steueroase eine sog. Zwischengesellschaft ansässig ist. Unternehmen können so Steuerzahlungen nicht mehr umgehen, indem sie Einkünfte auf eine Gesellschaft in einer Steueroase verlagern, weil sämtliche aktive und passive Einkünfte der Zwischengesellschaft der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.

Verschärfte Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG-E)

Zudem kommen verschärfte Quellensteuermaßnahmen zur Anwendung, wenn beispielsweise Zinsaufwendungen an in Steueroasen ansässige Personen mit mehr als 10 Prozent-Beteiligung geleistet werden. Damit wird die beschränkte Steuerpflicht von in Steueroasen ansässigen Personen auf bestimmte Einkünfte (insbesondere für sämtliche Finanzierungsentgelte) erweitert, die außerdem dem Steuerabzug nach § 50a EStG unterworfen werden.

Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen (§ 11 StAbwG-E)

Bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen sollen Steuerbefreiungen und Vorschriften in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eingeschränkt bzw. versagt werden, wenn diese Bezüge von einer Körperschaft geleistet werden, die in einer Steueroase ansässig ist, oder Anteile an einer in einer Steueroase ansässigen Gesellschaft veräußert werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Ausschüttungen aus Beträgen resultieren, die bei der ausschüttenden Gesellschaft bereits der inländischen Quellenbesteuerung nach § 10 StAbwG-E unterlegen haben oder das WK/BA-Abzugsverbot nach § 8 StAbwG-E kam bereits zur Anwendung.

Überführung des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes

Das Gesetzgebungsverfahren dient ferner der Überführung der durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vom 29. Juli 2009 (SteuerHinBekG) in Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Abgabenordnung aufgenommenen Regelungen in das zu schaffende Stammgesetz, soweit diese mit den Vorgaben des Rates weiterhin kompatibel sind. Im Übrigen sollen die Vorschriften ersatzlos aufgehoben werden.
Gleiches gilt für die Regelungen der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung vom 18. September 2009 (SteuerHinBekVO). Auch diese sollen - soweit mit den Vorgaben des Rates kompatibel - im zu schaffenden Stammgesetz aufgehen.
Schließlich soll mit dem Gesetzgebungsverfahren das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz angepasst werden, um bisher nicht hinreichend umgesetzte Erfordernisse des Standards für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen in deutsches Recht zu überführen.

Anwendungsbeginn des Steueroasen-Abwehrgesetzes

Nach § 13 Abs. 1 StAbwG-E sollen die Vorschriften des StAbwG grds. ab 1. Januar 2022 anzuwenden sein. Abweichend von diesem Grundsatz soll das StAbwG nach § 13 Abs. 2 StAbwG-E in Bezug auf Steuerhoheitsgebiete, die am 1. Januar 2021 noch nicht auf der „schwarzen Liste“ der EU genannt waren, erst ab dem 1. Januar 2023 Anwendung finden.
Es ist davon auszugehen, dass der am 31. März im Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf wahrscheinlich in der Woche ab dem 3. Mai 2021 Gegenstand einer Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages sein wird.
(Guido Vogt)

Die einheitliche Wirtschaftsnummer kommt

Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Gesetzentwurf zum Basisdatenregister und der Einführung der bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer (UBRegG) veröffentlicht. Der Gesetzentwurf soll im Bundeskabinett im April beschlossen und noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Grundsätzlich ist der Gesetzentwurf für die Unternehmen mit ihren vielfältigen Verwaltungskontakten der erste Schritt, um bei der einmaligen ("once only") Erhebung von Daten durch eine Verknüpfung bestehender Register weiterzukommen.  
Bei der Wahl der Unternehmernummer der Gesetzlichen Unfallversicherung anstelle der Wirtschafts-Identifikationsnnummer der Abgabenordnung als Basis der Registerverknüpfung bleiben für die geplante Anwendung in der betrieblichen Praxis Fragen offen.

Unternehmernummer für die Registerverknüpfung

Das Gesetz soll eine eineindeutige Identifizierungsmöglichkeit für Unternehmen über eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer ermöglichen. Dadurch könnte mittelfristig auch eine Bereinigung der Daten in Registern der öffentlichen Hand stattfinden, Fehl- und Falscheinträge sowie Dubletten können verringert werden. Vor allem aber könnte der Austausch von Daten über die einzelnen Register hinweg wesentlich erleichtert werden.
Unternehmen müssten Daten dann nicht mehr mehrfach zuliefern. Damit – und mit der Nutzung der Daten für das bundesweite Unternehmenskonto im Kontext des Onlinezugangsgesetzes (OZG) – würde eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des sogenannten Once only-Prinzips im Bereich wirtschaftsrelevanter Verwaltungsverfahren geschaffen.  
Die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. zu vergebende Nummer (Unternehmernummer) soll als Basis und Anknüpfungspunkt für das Register der Unternehmensbasisdaten herangezogen werden. Eine Alternative wäre gegebenenfalls die ebenfalls alle Unternehmen erfassende und mit verschiedenen Registerangaben verknüpfte Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c AO der Finanzverwaltung (WID).

Daten für das Basisregister

Die Abgrenzung der Basis- beziehungsweise "Stamm"daten ist derzeit relativ eng, sie umfasst: Name der Firma, Verwaltungsanschrift, Sitz, Geschäftsanschrift, Rechtsform und Haupttätigkeit nach Klassifikation der Wirtschaftszweige.
Die Stammdatenkategorien können theoretisch kontinuierlich erweitert werden, dies ist jedoch für den Anfang nicht geplant. Der Mehrwert für die möglichen Nutzungen des Basisregisters hängt neben der Zugriffsmöglichkeit auf die Daten auch wesentlich von der Sicherstellung der Datenqualität insbesondere im Hinblick auf Aktualität und Verlässlichkeit ab. Für die Qualitätssicherung der Unternehmensdaten soll bei der Registerbehörde – dem Statistischen Bundesamt – eine Clearingstelle eingerichtet werden.

Ausblick

Bisher haben nicht alle Unternehmen eine Nummer der Unfallversicherung. Wie die Nummernvergabe erfolgen soll, lässt der Gesetzentwurf ausdrücklich offen. Dieses muss schnell geklärt werden. Das Basisregister soll zum 1. Januar 2024 betriebsreif sein.
Zur Einführung des Basisregisters und der einheitlichen Wirtschaftsnummer hatte der DIHK Ende März 2021 ausführlich Stellung bezogen. Die Stellungnahme können auf der Webseite des DIHK herunter laden.
(Dr. Ulrike Beland, Dr. Kathrin Andrae)

Einfuhrumsatzsteuer - Evaluierung des Erhebungsverfahrens

Im Juni 2020 haben Bund und Länder beschlossen, das sog. Fristenmodell für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer einzuführen. Dieses trat zum 1. Dezember 2020 in Kraft und soll 2023 evaluiert werden. In Vorbereitung dessen hat das Deutsche Maritime Zentrum e. V. (DMZ) eine Studie beauftragt, die eine fundierte Grundlage in Form einer umfassenden quantitativen sowie qualitativen Datenerhebung und -analyse liefern soll. Bezüglich erster Erfahrungen mit dem Fristenmodell bitten das DMZ sowie die beauftragten Gutachter von HTC und AWB um Ihre Mitwirkung und haben dafür eine Befragung gestartet.
Interessierte Unternehmen sind gerne eingeladen, an der Befragung teilzunehmen. Die Gutachter gehen davon aus, dass die Befragung nur ca. 5 Minuten in Anspruch nimmt.

Veranstaltungshinweis: Brexit – Wesentliche Änderungen im grenzüberschreitenden Umsatzsteuerrecht ab 1. Januar 2021

Seit dem 01.01.2021 gibt es im britischen Umsatzsteuerrecht eine Vielzahl an Änderungen, auf die sich deutsche Unternehmen beim Geschäftsverkehr mit Partnern im Vereinigten Königreich einstellen müssen. Einige Regelungen, wie bspw. das Reverse-Charge-Verfahren, haben aber weiterhin Bestand. Viele Wichtige Änderungen in der britischen Umsatzsteuer hinsichtlich Dienstleistungen und Warenlieferungen werden Ihnen im Rahmen eines Online-Webinar vorgestellt.
Das Webinar führt die Handelskammer Hamburg in Kooperation mit den Steuerexpertinnen/-en der Deutsch-Britischen Auslandshandelskammer (AHK London) durch. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Auf der Webseite der Handelskammer Hamburg erhalten Sie neben weiteren Informationen die Möglichkeit sich zur der Veranstaltung anzumelden.
Endredaktion: Henning Raddatz
Recht und Steuern

Sachspenden (Billigkeitsregelung)

Das BMF hat mit zwei Schreiben vom 18. März 2021 zur Behandlung von Sachspenden Stellung genommen.
Das erste Schreiben (2021/0251308) enthält neben einer grundsätzlichen Erläuterung von Sachspenden als unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 1 b UStG nähere Bestimmungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei der Spende von Gegenständen, die zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Wertabgabe aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt verkehrsfähig sind, bzw. waren. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) wird durch das BMF-Schreiben entsprechend angepasst. Weitere Details können Sie direkt dem BMF-Schreiben entnehmen.
Das zweite BMF-Schreiben (2021/0251343) enthält eine Billigkeitsregelung, wonach bei Waren, die von Einzelhändlern an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden bzw. gespendet worden sind, auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet wird. Voraussetzung ist, dass das jeweilige Einzelhandelsunternehmen durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist. Diese Billigkeitsregelung gilt rückwirkend befristet vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2021. Weitere Details können Sie direkt dem BMF-Schreiben entnehmen.
Ein weiteres BMF-Schreiben vom 26. März 2023 (2021/0342556) bezieht sich auf Umsätze, die nach dem 31. März 2021 ausgeführt werden.
Hinweis: Unternehmen, die von der Billigkeitsregelung Gebrauch machen, sollten ihre Aufzeichnungen so führen, das nachträglich unschwer nachvollzogen werden kann, auf welche Umsätze diese angewendet worden sind und dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Billigkeitsregelung vorgelegen haben.
Stand: August 2023

Recht und Steuern

Steuerinfo Januar 2021

Behandlung von unentgeltlichen und verbilligten Mahlzeiten an Arbeitnehmer ab 2021

Das BMF hat mit Schreiben vom 28. Dezember 2020 die Tageswerte der unentgeltlich oder verbilligt an Arbeitnehmer abgegebenen Mahlzeiten ab dem Kalenderjahr 2021 bekannt gegeben.
Mahlzeiten, die arbeitstäglich unentgeltlich oder verbilligt an Arbeitnehmer abgegeben werden, sind mit dem anteiligen amtlichen Sachbezugswert nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV zu bewerten. Dies gilt ab 1. Januar 2014 gemäß § 8 Absatz 2 Satz 8 EStG auch für Mahlzeiten, die dem Arbeitnehmer während einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit oder im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, wenn der Preis der Mahlzeit 60 Euro nicht übersteigt. Die Sachbezugswerte ab dem Kalenderjahr 2021 sind durch die Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung und der Unfallversicherungsobergrenzenverordnung vom 15. Dezember 2020 festgesetzt worden. Demzufolge beträgt der Wert für Mahlzeiten, die ab Kalenderjahr 2021 gewährt werden, für ein Mittag- oder Abendessen 3,47 Euro und für ein Frühstück 1,83 Euro. Im Übrigen wird auf R 8.1 Absatz 7 und 8 LStR 2015 sowie auf das BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts vom 25. November 2020 hingewiesen.
Weitere Informationen mit übersichtlichen Tabellen zum Thema finden Sie auf unserem Merkblatt “Sachbezugswerte 2021, 2020 und 2019”.

BMF-Schreiben zur elektronischen Anzeige einer Betriebseröffnung / Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit

Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 weitere Einzelheiten zur Anzeigepflicht bei der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit bzw. der Betriebseröffnung festgelegt, wobei für bestimmte Fallgruppen ab dem 1. Januar 2021 eine elektronische Übermittlung erforderlich wird.
Innerhalb eines Monats nach Eröffnung eines land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes oder Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit müssen Steuerpflichtige dem zuständigen Finanzamt gem. § 138 Absatz 1b Satz 1 und Absatz 4 AO weitergehende Auskünfte über die für die Besteuerung erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse erteilen. Diese Auskünfte sind grundsätzlich elektronisch, d. h. nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz, über die amtlich bestimmte Schnittstelle zu übermitteln (§ 138 Absatz 1b Satz 2 AO), sofern das Finanzamt nicht zur Vermeidung unbilliger Härten die Auskunftserteilung im Papierformat nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zulässt.
Das BMF hat nunmehr im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder verfügt, dass ab dem 1. Januar 2021 sind – sofern nicht aufgrund eines Härtefalls die Auskunftserteilung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zugelassen wurde – folgende Fragebögen zur steuerlichen Erfassung elektronisch nach Maßgabe des § 138 Absatz 1b Satz 2 AO zu übermitteln:
  • Aufnahmeeiner gewerblichen, selbständigen (freiberuflichen) oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (Einzelunternehmen);
  • Gründung einer Personengesellschaft/-gemeinschaft;
  • Gründung einer Kapitalgesellschaft bzw. Genossenschaft.
Die entsprechenden elektronische Fragebögen sowie weitere Informationen sind unter www.elster.de verfügbar.
In allen anderen Fällen sind die Auskünfte bis auf Weiteres nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu übermitteln:
  • Härtefallausnahme
  • Gründung einer Körperschaft nach ausländischem Recht;
  • Gründung eines Vereins oder einer anderen Körperschaft des privaten Rechts im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 4 und 5 KStG oder Aufnahme einer wirtschaftlichen/unternehmerischen Tätigkeit.
Die entsprechenden Fragebögen sind auf www.formulare-bfinv.de erhältlich.
Siehe dazu auch unsere Meldung im Steuer-Ticker vom 10. Dezember 2020. Weitere Informationen finden Sie auf unserem Merkblatt “Fragebogen zur steuerlichen Erfassung”.

Verlängerung der Verwaltungs- und Vollzugserleichterungen für das 2021 wegen der Corona-Krise

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 hat die Finanzverwaltung die BMF-Schreiben vom 9. April 2020 (vereinfachter Nachweis von Spenden) und vom 26. Mai 2020 (Aufstockung von Kurzarbeitergeld und Fortsetzung der Zahlung von Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale bei steuerbefreiten Körperschaften) bis 31. Dezember 2021 verlängert und erweitert. Die Erweiterung bezieht sich auf die umsatzsteuerlichen Regelungen zu Überlassungen von Sachmitteln und Räumen bei steuerbegünstigten Einrichtungen. Ergänzt wurde, dass die Steuerbefreiung nur für die Überlassung zwischen Einrichtungen, deren Umsätze nach der gleichen Vorschrift steuerbefreit sind, also z. B. für Überlassungen zwischen den in § 4 Nummer 16 UStG genannten Einrichtungen gilt. Für die Anwendung der genannten Umsatzsteuerbefreiungen ist eine Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung nicht erforderlich. Zudem wurde ergänzt, dass ein Unternehmer, welcher bereits beim Leistungsbezug beabsichtigt, die Leistungen ausschließlich und unmittelbar für die unentgeltliche Bereitstellung von medizinischem Bedarf und unentgeltlichen Personalgestellungen für medizinische Zwecke durch Unternehmen an Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Einsatz zur Bewältigung der Corona-Krise leisten, wie insbesondere Krankenhäuser, Kliniken, Arztpraxen, Rettungsdiensten, Pflege- und Sozialdiensten, Alters- und Pflegeheimen sowie weiteren öffentlichen Institutionen wie Polizei und Feuerwehr zu verwenden, die entsprechenden Vorsteuerbeträge unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG im Billigkeitswege entgegen Abschn. 15.15 Absatz 1 UStAE zu berücksichtigen sind. Die folgende unentgeltliche Wertabgabe wird nach dem vorangegangenen Absatz im Billigkeitswege nicht besteuert.

Teilnahme an einem Firmenfitnessprogramm kann steuerfrei sein

Mit Urteil vom 7. Juli 2020 zum Aktenzeichen VI R 14/18 hat der BFH entschieden, dass die 44 Euro-Freigrenze für Sachbezüge auch gilt, wenn Arbeitnehmer auf Kosten ihres Arbeitgebers an einem Firmenfitnessprogramm teilnehmen können.
Gegenstand des Verfahrens war ein Firmenfitnessprogramms, dass den Arbeitnehmern ermöglichte, in verschiedenen Fitnessstudios zu trainieren. Im Urteilsfall erwarb der Arbeitgeber jeweils einjährige Trainingslizenzen, für die monatlich jeweils 42,25 Euro zzgl. Umsatzsteuer zu zahlen waren. Die teilnehmenden Arbeitnehmer leisteten einen Eigenanteil von 16 Euro bzw. 20 Euro. Der Arbeitgeber ließ die Sachbezüge bei der Lohnbesteuerung außer Ansatz, da diese ausgehend von einem monatlichen Zufluss unter die 44 Euro-Freigrenze für Sachbezüge fielen.
Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, den Arbeitnehmern sei die Möglichkeit, für ein Jahr an dem Firmenfitnessprogramm teilzunehmen, „quasi in einer Summe“ zugeflossen, weshalb die 44 Euro-Freigrenze überschritten sei. Es unterwarf die Aufwendungen für die Jahreslizenzen abzüglich der Eigenanteile der Arbeitnehmer dem Pauschsteuersatz von 30 Prozent.
Dem schlossen sich jedoch weder das Finanzgericht noch der BFH an. Der geldwerte Vorteil sei den teilnehmenden Arbeitnehmern als laufender Arbeitslohn monatlich zugeflossen. Der Arbeitgeber habe sein vertragliches Versprechen, den Arbeitnehmern die Nutzung der Fitnessstudios zu ermöglichen, unabhängig von seiner eigenen Vertragsbindung monatlich fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Trainingsmöglichkeit erfüllt. Unter Berücksichtigung der von den Arbeitnehmern geleisteten Eigenanteile sei daher die 44 Euro-Freigrenze eingehalten worden, so dass der geldwerte Vorteil aus der Teilnahme an dem Firmenfitnessprogramm nicht zu versteuern sei.
Hinweis: Das Urteil ist im Volltext auf der Webseite des Bundesfinanzhofs abrufbar.

Aktualisierung der Änderungen zum Jahreswechsel

In der Steuerinfo Dezember 2020 haben wir u.a. über anstehende steuerliche Änderungen berichtet. Hierzu gab es nach Redaktionsschluss des Newsletters noch folgende Änderungen. Nachfolgend finden Sie die wesentlichen Änderungen gegenüber der Steuerinfo Dezember 2020, die final im Jahressteuergesetz 2020 beschlossen wurden. Das Gesetz ist mittlerweile auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.  

Einkommensteuer

Corona Zuschuss nach § 3 Nr. 11a EStG – Zahlungsfrist verlängert

Gemäß § 3 Nr. 11a EStG und BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2020 kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Sachlohn oder Barlohn bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro steuerfrei gewähren. Die Steuerfreiheit hat die Voraussetzung, dass die Zuwendung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt. Dieses Kriterium wird in § 8 Abs. 4 EStG nunmehr erstmalig definiert. Mit dem Jahressteuergesetz wurde die ursprüngliche Zahlungsfrist bis zum 31. Dezember 2020 auf den 30. Juni 2021 verlängert. Der Höchstbetrag von 1.500,00 Euro bleibt jedoch bestehen. Der mögliche Zahlungs- oder Zuwendungszeitraum begann am 1. März 2020. Das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ wird in § 8 Abs. 4 EStG nunmehr erstmalig definiert.

Anhebung Ehrenamtsfreibeträge  

Der Übungsleiterfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG steigt ab Jahresbeginn 2021 von bisher 2.400 Euro auf nun 3.000 Euro pro Jahr – im Ergebnis können somit zukünftig bei einer nebenberuflichen, besonders begünstigten Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich (zum Beispiel Sportverein) Beträge bis zu 250 Euro monatlich steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden. Gleichzeitig wurde auch die so genannte Ehrenamtspauschale von bisher 720 Euro auf 840 Euro jährlich nach § 3 Nr. 26a EStG mit Wirkung ab 2021 erhöht.

Verlängerung der Steuerfreiheit des Arbeitgeber-Zuschusses zum Kurzarbeitergeld in § 3 Nr. 28a EStG

Nach § 3 Nr. 28a EStG ist nunmehr in den Monaten März 2020 – Dezember 2021 eine Arbeitgeber-Aufstockung zum Kurzarbeitergeld steuerfrei, soweit 80 Prozent des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll- und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III nicht überschritten werden. Die ursprüngliche Befristung bis zum 31. Dezember 2020 wurde im Jahressteuergesetz 2020 bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

Änderungen beim Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG  

Bei § 7g EStG werden die maximalen Investitionsabzugsbeträge auf 50 Prozent der voraussichtlichen Investition erhöht. Die einheitliche Gewinngrenze (ursprünglich im Entwurf 150.000 Euro) wurde auf 200.000 Euro festgelegt.  

Bewertungsabschlag von Wohnungen für Mitarbeiter im Verbund

Vorteile, die der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Wohnraum gewährt, stellen einen steuerpflichtigen Sachbezug dar (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG). Ab dem Kalenderjahr 2020 ist bei der Bewertung von bestimmten Mietvorteilen ein Bewertungsabschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 12 EStG zu berücksichtigen. Dieser beträgt ein Drittel des ortsüblichen Mietwerts (max. 25 Euro je qm). Die nach Anwendung des Bewertungsabschlags ermittelte Vergleichsmiete ist dann Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Mietvorteile. Bisher galt der Bewertungsabschlag nur für Mietvorteile aus einer dem Arbeitnehmer vom lohnsteuerlichen Arbeitgeber überlassenen Wohnung. Durch die neue Ergänzung im § 8 Abs. 2 Satz 12 EStG wurde der Anwendungsbereich auf verbundene Unternehmen ausgeweitet. Nicht begünstigt ist weiterhin die verbilligte Überlassung von Wohnungen durch Dritte oder die Zahlung von Zuschüssen zur Wohnung.

Werbungskostenabzug für Home-Office

Liegt kein häusliches Arbeitszimmer vor oder wird auf einen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer verzichtet, kann der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG für jeden Kalendertag, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht, für seine gesamte betriebliche und berufliche Betätigung einen Betrag von 5 Euro abziehen. Es ist aber höchstens ein Wert von 600 Euro im Kalenderjahr als Werbungskosten abziehbar. Der pauschale Abzugsbetrag für die Nutzung des Arbeitsplatzes in der Wohnung des Arbeitnehmers wird nur für die Kalendertage gewährt, an denen der Steuerpflichtige seine betriebliche/berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine andere betriebliche/berufliche Betätigungsstätte aufsucht. Zur Betätigungsstätte gehören jede Tätigkeitsstätte, ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet oder auch ein fester Ort (Sammelpunkt), den der Arbeitnehmer aufsucht. Fährt der Arbeitnehmer an einen einem Tag zusätzlich z. B. zur ersten Tätigkeitsstätte, kann die Tagespauschale von 5 Euro nicht abgezogen werden, sondern nur die abziehbaren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte/erster Tätigkeitsstätte oder, wenn er auswärtig betrieblich/beruflich tätig wird, Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen. Die Pauschale wird nicht zusätzlich zur Werbungskostenpauschale in Höhe von 1.000 Euro gewährt, sondern ist in der Pauschale enthalten. Das heißt sie entfaltet nur Auswirkungen bei Arbeitnehmern, die die Werbungskostenpauschale von 1.000 Euro, z. B. durch Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte oder Fortbildungsaufwendungen, überschreiten.  Eine steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber ist nicht möglich. Die Pauschale gilt befristet für den Zeitraum 2020 bis 2021.

Outplacement-Beratungen steuerfrei  

Mit einer Änderung in § 3 Nr. 19 EStG wird klargestellt, dass auch Beratungsleistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung von einem Dritten zur beruflichen Neuorientierung (sog. „Outplacement“-Beratung, „Newplacement“-Beratung) für ausscheidende Arbeitnehmer steuerfrei sind. Diese Klarstellung war nötig, weil mit der Neuregelung des § 3 Nr. 19 EStG zum 1. Januar 2020 diese nicht eindeutig festgelegt wurde.

Abgabenordnung

Zudem wurde die Freigrenze für die im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer gemeinnützigen Körperschaft erzielten Einnahmen von 35.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben und diese Einnahmen im Ergebnis von der ein Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht verschont.
Zu beachten ist jedoch, dass gem. § 55 AO die aus den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben erwirtschafteten Mittel für die eigentlichen gemeinnützigen Zwecke zu verwenden sind. Auch wurde der Katalog für gemeinnützige Zwecke in § 52 Abs. 2 AO erweitert und z. B. neben dem Umwelt- und Naturschutz auch der Klimaschutz aufgenommen und die Ortsverschönerung besonders benannt. Aufgenommen wurden nun auch sog. Freifunk-Initiativen, welche als nicht kommerzielle Veranstaltungen die lokale Kommunikation sowie den Aufbau und Betrieb von lokalen freien Funknetzen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO) fördern. Die Vorgaben für die Mittelverwendung wurden nach § 55 Abs. 1 Nummer 5 Satz 4 AO dahingehend vereinfacht, dass bei jährlichen Einnahmen unter 45.000 Euro die Beschränkung auf einen Einsatz innerhalb zweier Jahre entfällt. Damit werden im Ergebnis die sog. Mittelverwendungsüberprüfungen bei kleineren Vereinen unterhalb einer Grenze von 45.000 Euro obsolet.
Bei der Abzugsfähigkeit von Spenden ist zu beachten, dass ab dem 1. Januar 2021 ein einfacher Zahlungsnachweis (z. B. Bankauszug) für eine geleistete Zuwendung bis 300 Euro ausreichend ist (bis 2020: 200 Euro), § 50 Abs. 4 EStDV. Erst oberhalb dieses Betrages wird eine Spendenbescheinigung nach amtlichem Vordruck erforderlich.
Ab 2024 soll ein neu zu errichtendes „Zuwendungsempfängerregister“ einsatzbereit sein (§ 60b AO). Das Bundeszentralamt für Steuern wird dort Informationen über alle Körperschaften, die zum Empfang von Spenden berechtigt sind, sammeln.

Steuerliche Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand und Unterkunftskosten bei Auslands(praxis)semestern

Mit Urteil vom 14. Mai 2020 zum Aktenzeichen VI R 3/18 (veröffentlicht am 3. Dezember 2020) hat der BFH entschieden, dass Studierende Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Auslandsemester als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen können.
Im Urteilsfall nahm die Klägerin nach einer abgeschlossenen Ausbildung ein Studium an einer inländischen Hochschule auf. Die Studienordnung der Hochschule schreibt für den Studiengang vor, dass die/der Studierende das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren hat. Während des Auslandsstudiums bleibt die/der Studierende an der inländischen Hochschule eingeschrieben. Die Klägerin beantragte für die Zeit des Auslandsstudiums die Anerkennung der dadurch bedingten zusätzlichen Unterkunftskosten sowie der Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten. Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin sei und daher die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung - vergleichbar einem Arbeitnehmer - nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten angesetzt werden könnten. Eine solche liege aber unstreitig nicht vor.
Anders als das Finanzgericht gab der BFH der Klage der Studentin statt. Sehe die Studienordnung, wie im Fall der Klägerin vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolvieren können bzw. müssen, bleibe die inländische Hochschule, jedenfalls soweit die/der Studierende dieser auch für die Zeiten des Auslandsstudiums zugeordnet bleibe, die erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG. Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland seien deshalb als vorweg genommene Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliege. Entsprechendes gelte bei Praxissemestern.
Hinweis: Von dieser Rechtsprechung profitieren Studierende, die bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder eine Bachelor-Studiengang) abgeschlossen haben. Aufwendungen für die erste Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind vom Werbungskostenabzug ausgenommen (§ 9 Abs. 6 EStG). Der Aufwand wird nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt und wirkt sich steuerlich nur aus, wenn die/der Studierende im Jahr der Aufwandsentstehung über steuerpflichtige Einkünfte verfügt.
Hinweis: Das Urteil ist im Volltext auf der Webseite des Bundesfinanzhofs abrufbar.

EU-Beihilferegelungen im Zusammenhang mit den Corona-Unternehmenshilfen

Nationale Hilfsmaßnahmen einzelner Mitgliedstaaten für ihre Unternehmen müssen in Brüssel genehmigt werden. Dazu wurde bereits im März 2020 von der EU-Kommission ein rechtlicher Rahmen geschaffen – das sogenannte Temporary Framework. In diesem Rahmen wurden seitdem mehrere Ergänzungen vorgenommen, um in den Mitgliedstaaten auf den Weg gebrachte neue Hilfsprogramme abzudecken. Beihilferechtlich abgedeckt werden so unterschiedliche Unterstützungsmaßnamen wie Zuschüsse, Darlehen, Rekapitalisierungsmaßnahmen und Beteiligungen. Aktuell gilt der Rahmen bis Ende Juni 2021. Zusätzliche nationale Unterstützungsmaßnahmen, die durch den beschriebenen Rahmen abgedeckt sind, bedürfen somit keiner gesonderten Notifizierung durch die EU-Kommission. Es reicht lediglich eine Anmeldung der Maßnahme. Wird auf nationaler Ebene der Beihilferahmen eingehalten, wozu insbesondere die Einhaltung der Obergrenzen gehört, kann der nationale Gesetzgeber eigene Antragsvoraussetzungen festlegen.
Die Bundesregierung hat für Unternehmen seit Beginn der Corona-Krise zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen geschaffen. Neben Zuschüssen werden Kredite oder auch Rekapitalisierungsmaßnahmen – zum Beispiel über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – gewährt. Für diese Maßnahmen gilt ebenfalls der genannte Beihilferahmen. Für Sofort- und Überbrückungshilfen sowie außerordentliche Wirtschaftshilfen (November- und Dezemberhilfe) sind in Abhängigkeit von der jeweils maximalen Förderhöhe unterschiedliche Regelungen aus dem EU-Beihilferahmen relevant:
  • Soforthilfe des Bundes: Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020
  • Überbrückungshilfe I: Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020; De-minimis-Verordnung
  • Überbrückungshilfe II: Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020
  • Novemberhilfe (bis 1 Millionen Euro): Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020; De-minimis-Verordnung
  • Novemberhilfe Plus (bis 4 Millionen Euro): Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020; De-minimis-Verordnung; Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020
  • Dezemberhilfe (bis 1 Millionen Euro): Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020; De-minimis-Verordnung
  • Dezemberhilfe Plus (bis 4 Millionen Euro): Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020; De-minimis-Verordnung; Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020
Die Kleinbeihilfenregelung (max. 800.000 Euro) erlaubt zusammen mit der De-Minimis-Verordnung (maximal 200.000 Euro) Beihilfen bis zu einer 1. Millionen Euro je Unternehmen. Zu beachten ist, dass diese Beträge nicht jährlich gelten, sondern für die gesamte Dauer des vorübergehenden Beihilferahmens (aktuell bis Ende Juni 2021) bzw. in Bezug auf die De-Minimis-Verordnung für drei Steuerjahre. Die Kleinbeihilfen- und De-Minimis-Regelungen decken sowohl die Soforthilfe des Bundes (März bis Mai 2020) also auch die Überbrückungshilfe I (Juni bis August 2020) ab; zudem die November-und die Dezemberhilfe, weil auch hier die max. Zuschüsse auf 1 Millionen Euro begrenzt sind.
Die Überbrückungshilfen II und III ermöglichen Zuschüsse, die die Grenze von 1 Millionen Euro übersteigen. Hier greift die Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020, die Zuschüsse bis drei Millionen Euro je Unternehmen vorsieht, aktuell in einem Zeitrahmen von März 2020 bis Ende Juni 2021. Werden über November- und Dezemberhilfen mehr als 1 Millionen Euro je Unternehmen ausgezahlt, spricht man von „November- und Dezemberhilfe plus“. Im EU-Beihilferahmen ist deshalb hier auch die Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020 relevant.
Die Regelungen zu den „Beihilfen in Form von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten“ wurden am 13. Oktober 2020 in den Beihilferahmen eingefügt. Hier werden unter anderem „ungedeckte Fixkosten“ genauer definiert und „Beihilfeintensitäten“ in Form von Quoten für die Zuschüsse zur Deckung von ungedeckten Fixkosten festgelegt. Für den Ausweis ungedeckter Fixkosten – etwa im Rahmen einer Gewinn- und Verlustverrechnung – hat das BMWi inzwischen weitere Erläuterungen veröffentlicht. In einer vorzunehmenden Endabrechnung dieser Förderprogramme entscheidet sich dann, ob die geleisteten Beihilfen in vollem Umfangbeihilfe rechtlich abgedeckt sind.
Bei den Hilfen, die unter die Kleinbeihilfen- und die De-Minimis-Regelung fallen, ist in den vorzunehmenden Endabrechnungen kein Ausweis von ungedeckten Fixkosten (bzw. Verlusten) erforderlich. Nachzuweisen sind lediglich die tatsächlichen Umsatzrückgänge, die zur Inanspruchnahme des jeweiligen Hilfsprogramms erforderlich sind. Weitere Voraussetzungen für die Zahlungen von Hilfen kann der nationale Regelungsgeber definieren. Beachtet werden müssen aber jeweils die genannten Obergrenzen.
Eine Überprüfung der Einhaltung der EU-beihilferechtlichen Vorgaben kann der nationale Regelungsgeber immer erst nach Abschluss des Förderzeitraumes vornehmen, wenn feststeht, wie sich die Situation des Antragstellers entwickelt hat und wieviel Beihilfe ein Unternehmen tatsächlich erhalten hat. Nach aktuellem Stand können Endabrechnungen frühestens nach dem 30. Juni 2021 vorgenommen werden. Sollte der beihilferelevante Zeitraum von der EU-Kommission verlängert werden, können auch die Endabrechnungen erst später erfolgen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung können von den Unternehmen lediglich zukünftig erwartete Umsätze angeben werden.
Weitere Informationen zur Behilfenkontrollpolitik finden Sie auf der Webseite des BMWi. Auch die Freie und Hansestadt Hamburg stellt Informationen zum Beihilferecht zur Verfügung.
Endredaktion: Henning Raddatz
Brexit

Konsequenzen des Brexit: Schreiben des BMF zur Umsatzsteuer

Am 31. Januar 2020 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: “Vereinigtes Königreich”) aus der Europäischen Union ausgetreten.
Nach den Regelungen des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl EU Nr. L 29 vom 31. Januar 2020 S. 7; im Folgenden: “Austrittsabkommen”) schloss sich ein Übergangszeitraum an, in dem u. a. das Mehrwertsteuerrecht der Union für das Vereinigte Königreich weiterhin Anwendung findet. Dieser Übergangszeitraum wird mit Ablauf des 31. Dezember 2020, UTC+1 (24 Uhr Brüsseler Zeit) enden.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 hat sich das BMF zu den umsatzsteuerlichen Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union geäußert. Notwendige Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses bleiben einem gesonderten Schreiben vorbehalten. Demnach gilt hinsichtlich der Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union Folgendes:

Künftiger umsatzsteuerrechtlicher Status von Großbritannien und Nordirland

Grundsätzlich ist das Vereinigte Königreich, mithin Großbritannien und Nordirland, für umsatzsteuerrechtliche Zwecke nach dem 31. Dezember 2020 als Drittlandsgebiet im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG anzusehen.
Eine Ausnahme gilt für Nordirland, für das im „Protokoll zu Irland / Nordirland“ zum Austrittsabkommen ein besonderer Status vereinbart wurde. Nach Artikel 8 Abs. 1 i. V. m. Anhang 3 dieses Protokolls gelten für Nordirland folgende Bestimmungen fort, soweit sie die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs betreffen:
Sammlung
Im Ergebnis ist bei der Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs mit dem Vereinigten Königreich zwischen Großbritannien und Nordirland zu unterscheiden. Während Großbritannien auch insoweit als Drittlandsgebiet zu behandeln ist, wird Nordirland für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs auch nach dem 31. Dezember 2020 als zum Gemeinschaftsgebiet gehörig behandelt. Innerhalb des Vereinigten Königreichs sind dessen Behörden für die Anwendung und Durchführung der für Nordirland weiter geltenden Vorschriften des Mehrwertsteuerrechts der Union zuständig. Für nordirische Umsatzsteuer-Identifikationsnummern findet das Präfix „XI“ Anwendung. Entsprechende Umsatzsteuer-Identifikationsnummern gelten als von einem anderen Mitgliedstaat erteilt.
Zusammengefasst unterliegen nach dem 31. Dezember 2020 ausgeführte Umsätze vorbehaltlich etwaiger Übergangsregelungen
  • im Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Großbritannien sowie im Dienstleistungsverkehr mit Nordirland den für das Drittlandsgebiet bzw.
  • im Warenverkehr mit Nordirland den für den innergemeinschaftlichen Handel
geltenden Vorschriften zur Umsatzsteuer.

Behandlung von Lieferungen

Nach dem 31. Dezember 2020 unterliegt der Warenverkehr mit Großbritannien zollrechtlichen Förmlichkeiten. Dies hat zur Folge, dass die Waren sowohl bei der Einfuhr, als auch bei der Ausfuhr zu gestellen und zum betreffenden Zollverfahren anzumelden sind sowie der Erhebung von Einfuhrabgaben (u. a. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) unterliegen. Der Warenverkehr zwischen der Europäischen Union und Nordirland ist hiervon nicht betroffen.
Artikel 51 Abs. 1 des Austrittsabkommens enthält eine Übergangsregelung für Warenbewegungen zwischen einem Mitgliedstaat und Großbritannien, die vor dem 1. Januar 2021 beginnen und nach dem 31. Dezember 2020 enden. Auf entsprechende Umsätze sind die Regelungen für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs anzuwenden. Dementsprechend ist für Lieferungen, die vor dem 1. Januar 2021 beginnen, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmer (Länderpräfix „GB“) zu verwenden.
Die Lieferung eines Gegenstands, bei der die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer vor dem 1. Januar 2021 im Inland beginnt, ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Dies schließt das Führen des Buch- und Belegnachweises nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG i. V. m. § 17a ff. UStDV sowie die Angabe der Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG ein. Weist der Unternehmer nach, dass der Gegenstand nach dem 31. Dezember 2020 das Gebiet der Europäischen Union verlassen hat, ist die Lieferung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als steuerfreie Ausfuhr zu behandeln, sofern der Unternehmer die entsprechenden Nachweise vorlegt (§ 6 Abs. 4 Satz 1 UStG i. V. m. § 8 ff. UStDV).
Endet eine vor dem 1. Januar 2021 in Großbritannien begonnene Beförderung oder Versendung eines Gegenstands nach dem 31. Dezember 2020 im Inland, handelt es sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen um einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1a UStG). Aus Vereinfachungsgründen wird auf eine Umsatzbesteuerung des Erwerbs verzichtet, wenn der Unternehmer nachweist, dass der Vorgang nach dem 31. Dezember 2020 der Einfuhrumsatzbesteuerung unterlegen hat.
Die Übergangsregelung ist bei der Bestimmung des Orts der Lieferung in besonderen Fällen (§ 3c UStG) entsprechend anzuwenden.

Behandlung von sonstigen Leistungen (Dauerleistungen)

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat Auswirkungen auf sonstige Leistungen, deren Erbringung sich über den Austrittszeitpunkt hinweg erstreckt (Dauerleistungen). Hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen ist jedoch nicht zwischen Großbritannien und Nordirland zu unterscheiden.
Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung ist der Zeitpunkt der Ausführung der Leistung maßgeblich. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt (Abschnitt 13.1 Abs. 3 UStAE). Beginnt die Erbringung einer sonstigen Leistung vor dem 1. Januar 2021 und endet nach dem 31. Dezember 2020, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beendigung für die Beurteilung der gesamten Leistung maßgeblich.
Dies gilt für Teilleistungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG entsprechend.

Kleine einzige Anlaufstelle (Mini-One-Stop-Shop / VAT on e-Services) für bestimmte Dienstleistungen

Umsätze nach § 3a Abs. 5 UStG, die von einem im Inland ansässigen bzw. registrierten Unternehmer vor dem 1. Januar 2021 an private Kunden im Vereinigten Königreich erbracht werden, können in der Steuererklärung für das entsprechende Quartal im Rahmen der besonderen Besteuerungsverfahren nach § 16 Abs. 1a i. V. m. § 18 Abs. 4c sowie § 18h UStG gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erklärt werden. Die Steuererklärungen für Besteuerungszeiträume bis einschließlich 4. Quartal 2020 müssen jedoch bis zum Ablauf des 20. Januar 2021 beim BZSt eingehen, um eine Erklärung der Umsätze im Rahmen des Mini-One-Stop-Shop-Verfahrens zu bewirken. Für Erklärungen, die nicht rechtzeitig an das BZSt übermittelt wurden, sowie für nach dem 31. Dezember 2020 an private Kunden im Vereinigten Königreich erbrachte Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG kann das Mini-One-StopShop-Verfahren nicht mehr genutzt werden. Die betroffenen Umsätze müssen in Einklang mit den Steuergesetzen des Vereinigten Königreichs behandelt werden.
Umsätze nach § 3a Abs. 5 UStG, die von einem im Vereinigten Königreich ansässigen bzw. registrierten Unternehmer vor dem 1. Januar 2021 an private Kunden im Inland erbracht werden, können in der Steuererklärung für das entsprechende Quartal im Rahmen der besonderen Besteuerungsverfahren nach § 16 Abs. 1a i. V. m. § 18 Abs. 4c und 4d sowie § 16 Abs. 1b i. V. m. § 18 Abs. 4e UStG erklärt werden. Die Steuererklärungen für Besteuerungszeiträume bis einschließlich 4. Quartal 2020 müssen jedoch bis zum Ablauf des 20. Januar 2021 bei der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs eingegangen sein, um eine Erklärung der Umsätze im Rahmen des Mini-One-Stop-Shop-Verfahrens zu bewirken. Für Erklärungen, die nicht rechtzeitig an die zuständige Behörde des Vereinigten Königreichs übermittelt wurden kann das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren nicht mehr genutzt werden. Die betroffenen Umsätze müssen unmittelbar im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4b und 6 bis 7 UStG sowie §§ 46 bis 48 UStDV) bei dem für im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmer zuständigen Finanzamt Hannover-Nord erklärt werden. Dies gilt auch für nach dem 31. Dezember 2020 an private Kunden im Inland erbrachte Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG, es sei denn, der Unternehmer nimmt das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG im Inland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat in Anspruch. Für Registrierungen im Inland für das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG ist das BZSt zuständig.
Berichtigungen von Steuerklärungen für Besteuerungszeiträume bis einschließlich 4. Quartal 2020 können bis spätestens 31. Dezember 2021 übermittelt werden, vorausgesetzt, dass sich die Berichtigung auf eine Steuererklärung bezieht, die ihrerseits bis spätestens 20. Januar 2021 übermittelt wurde.
Hinsichtlich der praktischen Behandlung von Steuererklärungen vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und Berichtigungen der Steuererklärungen nach dem Austritt wird auf die auf den Internet-Seiten des BZSt bereitgestellten Informationen hingewiesen.

Vorsteuer-Vergütungsverfahren

Vorsteuerbeträge, die vor dem 1. Januar 2021 entstehen

Nach den Vorschriften der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. EU 2008 Nr. L 44 S. 23) sind die Mitgliedstaaten unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet, den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmern die Vorsteuern zu erstatten. Abweichend von Artikel 15 der Richtlinie 2008/9/EG sind Anträge auf Erstattung von Mehrwertsteuer, die vor dem 1. Januar 2021 von einem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmer im Inland oder von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Vereinigten Königreich gezahlt wurde, bis zum 31. März 2021 zu stellen (Artikel 51 Abs. 3 des Austrittsabkommens).

Vorsteuerbeträge, die nach dem 31. Dezember 2020 entstehen

Die Entlastung von Vorsteuern erfolgt -vorbehaltlich der Feststellung der Gegenseitigkeit (§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG) im Verhältnis zum Vereinigten Königreich durch ein separates BMF-Schreiben -grundsätzlich nach den Vorschriften der Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (ABl. EG 1986 Nr. L 326 S. 40). Dies gilt für Vorsteuerbeträge, die im Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Großbritannien oder im Dienstleistungsverkehr mit Nordirland entstanden sind. Ein im Inland ansässiger Unternehmer, dem entsprechende Vorsteuerbeträge entstanden sind, hat deren Vergütung unmittelbar bei der Erstattungsbehörde des Vereinigten Königreichs nach den dort geltenden Regelungen für Unternehmer, die außerhalb des Vereinigten Königreichs ansässig sind, zu beantragen.
Dies gilt nicht hinsichtlich der Erstattung von Vorsteuern, die auf Warenbezüge durch inländische Unternehmer in Nordirland oder durch nordirische Unternehmer im Inland entfallen. Insoweit finden die Vorschriften der Richtlinie 2008/9/EG weiterhin Anwendung. Entsprechende Anträge im Inland ansässiger Unternehmer sind nach Maßgabe des § 18g UStG an das BZSt zu übermitteln.
Hinsichtlich der praktischen Behandlung von Anträgen auf Vorsteuervergütung vor und nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union wird auf die auf den Internet-Seiten des BZSt (https://www.bzst.de) unter der Rubrik Unternehmen -Umsatzsteuer -Vorsteuervergütung bereitgestellten Informationen hingewiesen.
Hinweis: Weitere Hinweise stellt das BzSt auf seiner Webseite zur Verfügung, sobald entsprechende Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vorliegen.

Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG

Nach dem 31. Dezember 2020 wird eine Prüfung von Umsatzsteuer-Identifikationsnummern für im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmer (Länderpräfix „GB“) durch inländische Unternehmer im Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG nicht mehr möglich sein. Bestätigungsanfragen für die betreffenden Unternehmer sollten daher noch vor dem 1. Januar 2021 durchgeführt werden. Ab dem 1. Januar 2021 können Umsatzsteuer-Identifikationsnummern mit dem Länderpräfix „XI“ (vgl. Rz. 4) im Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG geprüft werden.

Haftung für die Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet (§§ 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG)

Unternehmer, die im Inland keine steuerbaren Umsätze ausführen und somit keiner steuerlichen Erfassung bedürfen, benötigen keine Bescheinigung über die Erfassung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) i. S. d. § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG als Nachweis gegenüber dem Betreiber eines elektronischen Marktplatzes. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet ausschließlich Lieferungen ausführen, die unter § 3c UStG fallen, die aber auf Grund der Anwendung der Lieferschwelle in § 3c Abs. 3 UStG im Inland nicht steuerbar sind (vgl. Tz. 6 des BMF-Schreibens vom 28. Januar 2019 -III C 5 - S 7420/19/10002 :002, BStBl I S. 106). Nach dem 31. Dezember 2020 findet die Vorschrift des § 3c UStG für Unternehmer aus Großbritannien keine Anwendung mehr, so dass auch diese Unternehmer eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung in Deutschland i. S. d. § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG zur Vorlage beim Betreiber eines elektronischen Marktplatzes benötigen. Übergangweise wird es bis zum 31. Januar 2021 nicht beanstandet, wenn dem Betreiber eines elektronischen Marktplatzes von einem in Großbritannien ansässigen Unternehmer keine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vorliegt.
Bis zum 31. Dezember 2020 an im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmer erteilte Bescheinigungen über die Erfassung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) i. S. d. § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG sind auch nach dem 31. Dezember 2020 gültig.
Unternehmer mit Sitz in Großbritannien müssen gemäß § 22f Abs. 1 Satz 4 UStG spätestens mit Stellen des Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung über die umsatzsteuerliche Erfassung einen Empfangsbevollmächtigten im Inland benennen. Soweit eine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG bis zum 31. Dezember 2020 vom zuständigen Finanzamt bereits erteilt wurde, sind die betroffenen Unternehmer verpflichtet, ab dem 1. Januar 2021 einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen. Hierfür gilt eine Übergangsfrist von einem Monat.
Hinweis: Den Inhalt des BMF-Schreibens zur Berbeitung von Amtshilfeersuschen haben wir hier nicht wiedergegeben. Bei Bedarf entnehmen Sie den Text bitte direkt dem BMF-Schreiben vom 10. Dezember 2020.
Stand: Dezember 2020
Datenschutz

Sichere Datenübermittlung in die USA

Daraufhin konnte mit sofortiger Wirkung keine Datenübermittlung in die USA mehr auf den Privacy Shield gestützt werden und der Abschluss von Standardvertragsklauseln war in den meisten Fällen notwendig. Nun hat die EU-Kommission am 10. Juli 2023 einen Angemesenheitsbeschluss für den Transfer personenbezogener Daten in die USA getroffen (sogenanntes Data Privacy Framework).
Dieser Beschluss bestätigt den in einer Liste zertifizierten US-Unternehmen ein der EU vergleichbar angemessenes Datenschutzniveau. Auf dieser Grundlage können Verantwortliche und Auftragsverarbeiter fortan personenbezogene Daten an zertifizierte Unternehmen aufgrund des Data Privacy Frameworks übermitteln. Solange dieser Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA Geltung entfaltet, ist eine Einzelfallprüfung für Datenübermittlungen obsolet. Spezielle Schutzmaßnahmen nach der DSGVO, wie  EU-Standardvertragsklauseln, verbindliche interne Datenschutzvorschriften (Binding Corporate Rules) oder das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands im Einzelfall, sind nicht zu treffen. Dies gilt allerdings nur bei Datentransfers mit gemäß des Data Privacy Framework zertifizierten US-Unternehmen.
Das US-Handelsministerium hat eine Liste von US-Unternehmen veröffentlicht, die sich gegenüber dem Ministerium selbst zertifiziert und sich zur Einhaltung der Grundsätze des neuen Datenschutzrahmens verpflichtet haben. Dabei ist zu überprüfen, ob die Zertifizierung auch alle Arten der zu übermittelnden personenbezogenen Daten abdeckt. Datenübermittlungen an US-Unternehmen, die nicht in dieser Liste aufgeführt sind oder, wenn die relevanten Datenarten vom zertifizierten Unternehmen nicht abgedeckt sind, werden weiterhin die zuvor genannten speziellen Schutzmaßnahmen benötigt. In der Praxis sind dies insbesondere die EU-Standardvertragsklauseln. Setzt der Datenempfänger in den USA Subunternehmer ein, müssen diese Subunternehmer auch selbst nach der Liste zertifiziert sein, oder entsprechende Garantien nach DSGVO für ein angemessenes Datenschutzniveau (wie Standardvertragsklauseln) bereitstellen.
Im Übrigen haben bereits abgeschlossene Standarddatenschutzklauseln weiterhin Bestand. Einige Aufsichtsbehörden, so zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, empfehlen bestehende Standardvertragsklauseln vorerst nicht gegenüber US-Vertragspartnern zu widerrufen, sondern abzuwarten bis der US-Vertragspartner ein auf das EU-US Data Privacy Framework gestütztes Vertragsangebot vorgelegt hat (Vorausetzung hierfür ist die Zertifizierung des US-Unternehmes).
Gleichwohl wird die EU-Kommission die Funktionsweise des Data Privacy Framework zwischen der EU und den USA fortlaufend überprüfen, voraussichtlich erstmals nächstes Jahr. Darüber hinaus erwarten die Datenschutzaufsichtsbehörden, dass auch das Data Privacy Framework perspektivisch Gegenstand einer Überprüfung durch den EuGH sein wird.

Was ist bei Datenübermittlungen zu beachten?

Wenn Daten an US-Unternehmen übermittelt werden (zum Beispiel auch beim Besuch der Webseite), muss der Betreiber der Website darüber informieren, ob diese Datenübermittlung auf den Angemessenheitsbeschluss oder eine andere Schutzmaßnahme (zum Beispiel Standardvertragsklauseln) gestützt werden. Daher ist die Datenschutzerklärung zu aktualisieren. Die bisher genutzten datenschutzrechtlichen Garantien müssen überprüft und gegebenenfalls durch den Angemessenheitsbeschluss ersetzt werden.Ebenso anzupassen ist das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten. Auch hier ist bei Datenübermittlungen in die USA gegebenenfalls der Angemessenheitsbeschluss als zugrundeliegende Maßnahme zu dokumentieren.
Gegebenenfalls ist das Cookie-Banner zu aktualisieren, wenn darüber bisher die Einwilligung der Besucher für den Datentransfer in die USA eingeholt wurde. Bei der Übermittlung an zertifizierte US-Unternehmen entfällt diese Einwilligung in die Datenübermittlung. Die Einwilligung an sich in Tracking bzw. die Profilbildung zu Werbezwecken muss aber weiterhin unverändert eingeholt werden.

Was sind sogenannte Standardvertragsklauseln?

Eine mögliche Garantie für Datenübermittlungen in die USA ist der Abschluss sogenannter Standardvertragsklauseln. Dies sind vorgefertigte Vertragsmuster der EU-Kommission für die Übermittlung von Daten von Ländern der Europäischen Union in Drittländer (Nicht-EU-Länder). Wie eingangs erwähnt kommen Standardvertragsklauseln dann als Schutzmaßnahme in Betracht, wenn kein Angemessenheitsbeschluss vollumfänglich greift.
Die früheren Standardvertragsklauseln sind gemäß den Anforderungen des EuGH aus dem Schrems II-Urteil von der Europäischen Kommission an die Anforderungen der DSGVO angepasst und am 4. Juni 2021 veröffentlicht worden. Dabei gibt es zwei Sets von Standardvertragsklauseln, die abgechlossen werden können. Ein Set betrifft Datenübermittlungen zwischen Unternehmer und dem Auftragsverarbeiter und ein Set ist für die Übermittlung personbezogener Daten in Drittstaaten vorgesehen. Diese Vertragsmuster müssen unverändert übernommen werden. Werden Daten in Drittstaaten/die USA übermittelt, sind die neuen Standardvertragsklauseln abzuschließen. Bestehende Vertragsverhältnisse bei denen bisher personenbezogene Daten in Drittstaaten/die USA übermittelt werden und bei denen die Datenübermittlung auf die bisherigen Standardvertragsklauseln gestützt wurden, sind auf die neuen Standardvertragsklauseln anzupassen. Für die Anpassung bestehender Vertragsverhältnisse an die neuen Standardvertragsklauseln war eine Übergangsfrist von 18 Monaten vorgesehen. Die Frist endete am 27. Dezember 2022. Wurden also für Datenübermittlungen bisher die “alten” Standardvertragsklauseln verwendet, mussten diese bis zum 27. Dezember 2022 durch die neuen Standardvertragsklauseln ersetzt werden. Falls noch nicht geschehen, sollten Unternehmen und Start-ups mit Datenübermittlungen in Drittländer  die Datenempfänger um die Vorlage der neuen Standardvertragsklauseln bitten, oder diesen die neuen Standardvertragsklauseln zur Unterschrift vorlegen. Letztlich gilt dies auch für alle anderen Drittstaaten (zum Beispiel Russland, Indien, China), die kein der EU angemessenes Datenschutzniveau gewährleisten können.Im Dezember 2022 hat die EU-Kommission ein förmliches Verfahren zur Annahme eines Angemessenheitsbeschlusses für die Datenübermittlung in die USA eingeleitet. Mit einem Angemessenheitsbeschluss für ein angemessenes Schutzniveau beim Datenempfänger wäre es möglich internationale Datenübermittlungen in die USA auch ohne Standardvertragsklauseln durchzuführen. Bis der Angemessenheitsbechluss verabschiedet ist, sind allerdings die neuen Standardvertragsklauseln abzuschließen.

Wie können Sie konkret beim Abschluss der neuen Standardvertragsklauseln vorgehen?

  1. Bestandsaufnahme betriebsintern
    Werden Daten von Kunden, Mitgliedern, Usern, etc. in Drittstaaten (insbesondere USA) verarbeitet?
    Werden Daten von Kunden, Mitgliedern, Usern, etc. von Unternehmen verarbeitet, deren Sitz sich in den USA befindet?
  2. Bestandsaufnahme der in Anspruch genommenen Sub-Dienstleister
    Setzen Dienstleister und Auftragsverarbeiter Anbieter aus Drittsaaten/USA ein? (zum Beispiel Webhoster, Buchhaltungsdienst)
  3.  Vereinbarung der SCC
    Unternehmen aus Drittstaaten müssen um die Vorlage neuer Standardvertragsklauseln gebeten werdenAustragsverarbeiter müssen gefragt werden, ob Standardvertragsklauseln mit deren Subunternehmern in Drittstaaten geschlossen wurden 
  4. Überprüfung der technischen Schutzmaßnahmen
    Anbieter aus Drittstaaten müssen um Nennung von Sicherheitsmaßnahmen gebeten werden (zum Beispiel Verschlüsselung)
Auftragsverarbeiter müssen gefragt werden, ob deren Subunternehmer Schutzmaßnahmen nachgewiesen habenObige Vorgänge sind zu dokumentieren und protokollieren.
Der Abschluss der Standardvertragsklauseln reicht im Einzelfall allein nicht aus.
Erforderlich ist außerdem die Prüfung des Vertragstextes der Standardvertragsklauseln. Es muss das richtige Set gewählt worden sein und die Klauseln dürfen inhaltlich nicht verändert worden sein. Die Anhänge zu den Standardvetragsklauseln müssen ordnungsgemäß ausgefüllt sein. Das durch die Standardvertragsklauseln zugesagte Datenschutzniveau muss auch tatsächlich eingehalten werden. Insbesondere in Bezug auf Datenübermittlungen in die USA ist zu prüfen, ob das Risiko des Zugriffs auf die Daten durch US-Behörden und nachrichtendienstliche Anordnungen verhindert wird.
Zur Ergänzung der Standardvertragsklauseln wird auch auf die Orientierungshilfe des Landesdatenschutzbeauftragten Baden-Württembergs hingewiesen.
Achtung bei Subunternehmern: Setzt der Dienstleister und Datenempfänger im Drittstaat seinerseits Subunternehmer ein, sehen die Standardvertragsklauseln nun auch die Konstellation vor, dass der Dienstleister die Klauseln direkt mit dem Subunternehmer abzuschließt.

Daten innerhalb der EU speichern

Viele größere US-Anbieter, bieten inzwischen aber die Möglichkeit an, dass Daten auf EU-Servern gespeichert werden. Daher sollten Unternehmen Ihre US-Dienstleister nach EU-Servern fragen und möglichst in europäischen Rechenzentren ihre Datenhaltung betreiben. Ob dies ein “sicherer” Weg ist, lässt sich abschließend nicht sagen. Das Risiko bei datenübermittlungen in die USA liegt grundsätzlich potentiell im relativ leichten Zugriff auf Daten durch US-Behörden. Dennoch dürfte es gegenüber den Aufsichtsbehörden ein positives Zeichen sein, sich um eine Datenverarbeitung außerhalb der USA zu bemühen. 

Ausnahmen vom Abschluss der Standardvertragsklauseln

Artikel 49 DSGVO enthält verschiedene Ausnahmen, wonach personenbezogene Daten transferiert werden können, ohne dass es dem Abschluss formaler Standardvertragsklauseln oder Angemessenheitsbeschlüssen bedarf. Unternehmen sollten daher prüfen, ob ihre Datenübermittlung unter diese Ausnahmen fallen könnten. Ausnahmsweise ist eine Datenübermittlung auch ohne Garantien zulässig, wenn der Betroffene in den Datentransfer in das Drittland eingewilligt hat und über das fehlende angemessene Datenschutzniveau informiert wurde. Eine Übermittlung von Kundendaten ist auch möglich, soweit die Daten für vorvertragliche Maßnahmen oder zur Vertragsabwicklung erforderlich sind. In Betracht kommen insbesondere alltägliche Fälle in denen der Betroffene die vorvertraglichen oder vertraglichen Maßnahmen selbst veranlasst hat. Beispielsweise die Übermittlung von Name, Anschrift und Kontaktdaten für die Reservierung von Hotels und internationaler Beförderungsleistungen, die Abwicklung internationaler Überweisungen durch die Bank, oder der Versand bestellter Ware zur Vertragserfüllung.Ist die Übermittlung in die USA unzulässig, können die üblichen Sanktionen durch Aufsichtsbehörden drohen. Es könnte die Unterlassung des Einsatzes von Diensten und Dienstleistern verlangt oder Bußgelder (bis 4 Prozent des Umsatzes eines Unternehmens) verhängt werden.
Veröffentlicht am 3. Januar 2024
Bundesfinanzministerium

Übersicht über Beträge und weitere wichtige Zahlen zur Lohnsteuer

Im amtlichen Lohnsteuerhandbuch hat das Bundesfinanzministerium eine Übersicht über verschiedene wichtige Beträge für den Lohnzahlungszeitraum 2022 veröffentlicht.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2023
Recht und Steuern

Stand der Doppelbesteuerungs­abkommen

Allgemeines

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 18. Januar 2023 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 186 KB) eine Übersicht über den Stand der Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) und anderer Abkommen im Bereich Steuern sowie dem Stand von Abkommensverhandlungen zum 1. Januar 2023 bekanntgegeben. Darüber hinaus veröffentlicht das BMF regelmäßig aktuelle Informationen zu dem Stand der Verfahren von DBAs sowie zu den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBAs auf seiner Website.
Verschiedene DBAs sind rückwirkend anzuwenden, wie sich der Übersicht entnehmen lässt. Dies betrifft die folgenden Staaten:
  • Argentinien: Abkommen vom 16.9.1996 ist bereits ab dem 1.1.1996 anzuwenden
  • Jersey: Abkommen vom 7.5.2015 ist bereits ab dem 29.8.2014 anzuwenden
  • Malta: Abkommen vom 17.6.2010 ist bereits ab dem 1.1.2002 anzuwenden
  • Türkei: Abkommen vom 19.9.2011 ist bereits ab dem 1.1.2011 anzuwenden
Wenn ungewiss ist, wann ein Abkommen wirksam wird und dieses Abkommen sich zugunsten des Steuerschuldners auswirkt, ist die Steuerfestsetzung vorläufig durchzuführen. Umfang und Grund der vorläufigen Festsetzung müssen im Bescheid angegeben werden. Ob bei vorläufiger Steuerfestsetzung der Inhalt eines unterzeichneten DBAs bereits berücksichtigt werden soll, ist im Einzelfall zwischen BMF und Ländern abzustimmen.
Das BMF hat am 22. August 2013 seine Verhandlungsgrundlage für DBAs im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen veröffentlicht. Ungeachtet des Einflusses der Abkommensmuster der OECD und der Vereinten Nationen werden DBAs individuell in einem intensiven Verhandlungsprozess zwischen Vertragsstaaten mit jeweils eigener DBA-Politik und Rechtstradition ausgehandelt. Die deutsche Verhandlungsgrundlage soll einer effizienten Umsetzung der deutschen Abkommensziele unter Verwendung möglichst einheitlicher Formulierungen dienen. 
Aufgrund der jeweiligen Unterschiede im innerstaatlichen Recht und der nationalen DBA-Politik der anderen Vertragsstaaten werden sich daher auch weiterhin je nach Verhandlungssituation Unterschiede in Form und Inhalt von DBA-Regelungen ergeben. Die Verhandlungsgrundlage wird dann nach Bedarf verändert oder ergänzt.
Durch das am 7. Juni 2017 unterzeichnete Mehrseitige Übereinkommen vom 24. November 2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (MÜ) soll eine Modifikation der von ihm erfassten Steuerabkommen entsprechend den von den jeweiligen Vertragsstaaten bei ihrer Ratifikation des MÜ getroffenen Auswahlentscheidungen erfolgen. Weitere Details entnehmen Sie bitte dem Schreiben des BMF vom 18. Januar 2023 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 186 KB).
Hinweis: Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen vom 12. November 2014 wurde überarbeitet. Dieses BMF-Schreiben wurde durch das BMF-Schreiben vom 3. Mai 2018 ersetzt, welches Sie auf der Webseite des BMF herunterladen können.

Besonderheiten für einzelne Staaten

Nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gilt dieses DBA mit folgenden Staaten fort:
  • Republik Bosnien und Herzegowina
  • Republik Serbien
  • Republik Kosovo
  • Montenegro
Nach dem Zerfall der Sowjetunion gilt dieses DBA auch mit der Republik Moldau fort.
Nach der Teilung der Tschechoslowakei gilt dieses DBA mit folgenden Staaten fort:
  • Slowakischen Republik
  • Tschechischen Republik
Hongkong wurde mit Wirkung ab 1. Juli 1997 ein besonderer Teil der VR China. Macau wurde am 20. Dezember 1999 an die VR China übergeben. Für beide Regionen gilt das DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VR China nicht.
Hinsichtlich des besonderen Status von Taiwan wurde ein Steuerabkommen von den Leitern des Deutschen Instituts in Taipeh und der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Das Gesetz (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1049 KB)zum diesbezüglichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ist veröffentlicht (BGBl. 2012 I S. 2079; BStBl. 2013 I S. 20). Das Abkommen ist am 7. November 2012 in Kraft getreten und damit grundsätzlich ab 1. Januar 2013 anzuwenden. 
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder erfahren.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juni 2023
Steuern

Einnahmenüberschussrechnung (EÜR)

Die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) ist eine Form der Gewinnermittlung, die insbesondere  Existenzgründer, kleine und mittlere Unternehmen und Freiberufler anwenden.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung muss die Anlage EÜR (vgl. § 60 Abs. 4 Einkommensteuerdurchführungsverordnung -EStDV) im Regelfall elektronisch an die Finanzverwaltung  übermittelt werden. Die Übermittlung ist laut BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2017 ab Veranlagungszeitraum 2017 nur noch mit elektronischer Zertifizierung möglich. Das dafür benötigte Zertifikat erhalten Sie im Anschluss an Ihre Registrierung auf der Internetseite www.elsteronline.de. Bitte beachten Sie, dass der Registrierungsvorgang bis zu zwei Wochen dauern kann. Programme zur elektronischen Übermittlung finden Sie unter www.elster.de. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. In diesem Fall ist der Einkommensteuererklärung eine Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ggf. mit weiteren Anlagen beizufügen.
Hinweis: Die Regelung, nach der bei Betriebseinnahmen von weniger als 17.500 Euro der Steuererklärung anstelle des Vordrucks eine formlose Gewinnermittlung beigefügt werden durfte, besteht nicht mehr fort (BMF-Schreiben vom 9.10.2017).
Für jeden Betrieb ist eine separate Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) zu übermitteln bzw. abzugeben.
Hinweis: Formulare zur EÜR für 2022 bis 2018 sind am Ende dieses Merkblattes abrufbar.

Welche Unternehmer können die Einnahmenüberschussrechnung anwenden?

Gewerbetreibende dürfen nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ihren steuerpflichtigen Gewinn durch eine EÜR ermitteln, 
  • wenn sie nicht zum Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) verpflichtet sind 
  • und auch nicht freiwillig Bücher führen. 
Zum Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) sind verpflichtet: 
  • alle im Handelsregister eingetragene Unternehmen (wie z.B. OHG, KG, GmbH, AG nach § 140 Abgabenordnung-AO und § 238 Abs. 1 Handelsgesetzbuch-HGB) 
  • gewerbliche Unternehmer mit einem Umsatz von mehr als 600.000 Euro im Jahr oder einem Gewinn von mehr als 60.000 Euro im Jahr.
Ein Gewerbetreibender kann die Einnahmenüberschussrechnung also dann anwenden, wenn:
  • er Einzelunternehmer ist (unabhängig von einer Eintragung im Handelsregister) und
  • der Jahresumsatz unter 600.000 Euro beträgt und
  • der Jahresgewinn unter 60.000 Euro liegt und
  • er nicht freiwillig Bücher (Doppelte Buchführung und Bilanzen) führt.
Das Finanzamt gibt dem Steuerpflichtigen das Überschreiten der oben genannten Grenzen bekannt, die Pflicht zur Buchführung beginnt dann mit dem nächsten Geschäftsjahr.
Freiberufler können ihre Gewinne anhand einer Einnahmenüberschussrechnung berechnen, solange sie nicht freiwillig Bücher führen.

Was wird in der Einnahmenüberschussrechnung erfasst?

Die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) ist eine Gegenüberstellung von tatsächlich erhaltenen Betriebseinzahlungen (Zuflussprinzip) und tatsächlich geleisteten Betriebsauszahlungen (Abflussprinzip). Der Gewinn ist der Überschuss der Betriebseinzahlungen über die Betriebsauszahlungen. Selbstverständlich gilt die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) auch für die Berechnung eines etwaigen Betriebsverlustes. Durch das bei der EÜR grundsätzlich geltende Zu- und Abflussprinzip werden Betriebseinzahlungen und -ausgaben in dem Zeitpunkt erfasst, in dem sie tatsächlich zu- bzw. abfließen.

Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben

Als Ausnahme des Zu- und Abflussprinzips gelten die regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben (z.B. Miete). Wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben werden, wenn sie innerhalb von 10 Tagen nach Wechsel des Geschäftsjahres ein- bzw. abgehen, in dem Geschäftsjahr als Betriebseinzahlungen bzw. Betriebsauszahlungen gebucht, in das sie wirtschaftlich gehören.

Abschreibungen

Als weitere Ausnahme des Zu- und Abflussprinzips sind die Abschreibungen zu berücksichtigen.
Unter Abschreibungen versteht man das Verteilen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut auf dessen voraussichtliche gesamte Nutzungsdauer.
Hinweis: Der jährliche Abschreibungsbetrag errechnet sich bei linearer Abschreibung (gleiche Abschreibungsbeträge über die gesamte Nutzungsdauer) wie folgt: Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten : Nutzungsdauer in Jahren =  Jahresbetrag für die lineare Abschreibung
Der sich ergebende jährliche AfA-Betrag (Absetzungen für Abnutzungen) wird dann gewinnmindernd berücksichtigt. Bei Anschaffung bzw. Herstellung während eines Geschäftsjahres kann die AfA nur anteilig, aufgerundet auf den vollen Monat, ab dem Anschaffungs- bzw. Herstellungszeitpunkt berücksichtigt werden. Die voraussichtliche Nutzungsdauer ist für die häufig vorkommenden Wirtschaftsgüter den sogenannte AfA-Tabellen der Finanzverwaltung zu entnehmen.
Werden Wirtschaftsgüter in einen Betrieb eingebracht, welche bereits vorher genutzt wurden (gebrauchte Wirtschaftsgüter), können auch diese bis zum Ende ihrer verbleibenden Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Hier muss allerdings unterschieden werden, ob das Wirtschaftsgut schon vorher zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt wurde. Lag vorher keine Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften vor, so ist der Einlagewert (Wert des Wirtschaftsguts zum Zeitpunkt der Einlage) über die verbleibende Nutzungsdauer abzuschreiben. Wurde das Wirtschaftsgut hingegen schon vorher zur Erzielung von Überschusseinkünften verwendet, so sind alle bereits getätigten Abschreibungen zu berücksichtigen und das Wirtschaftsgut mit seinem buchmäßigen Restwert bis zum Ende der Nutzungsdauer abzuschreiben.
In besonderen Fällen kann eine Sonder-AfA oder der Investitionsabzugsbetrag §§ 7 ff EStG berücksichtigt werden.

Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter (GWG), Poolbildung

Die Grenze für „Geringwertige Wirtschaftsgüter“ (GWG) beträgt ab dem 1.1.2018 800 Euro (bis 31.12.2017: 410 Euro). Es gilt die Pool(Sammelposten-)bildung von Wirtschaftsgütern mit Anschaffungskosten von netto über 250 Euro (bis 31.12.2017: 150 Euro) bis 1.000 Euro. Abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten netto mehr als 1.000 Euro betragen, werden abgeschrieben, siehe hierzu die AfA-Tabellen.

a) Sofortabzug als Betriebsausgaben (§ 6 Abs. 2 EStG)

GWG bis zu Netto-Anschaffungskosten von 800 Euro (bis 31. Dezember 2017: 410 Euro) können im Jahr der Anschaffung sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden. GWG über 250 Euro (bis 31. Dezember 2017: 150 Euro) bis zu 800 Euro hat der Unternehmer jedoch in ein besonderes Verzeichnis unter Angabe des Tages der Anschaffung oder der Herstellung aufzunehmen, wenn diese Angaben nicht aus der Buchführung hervorgehen. Für GWG bis 250 Euro gilt die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses also nicht.

b) Poolabschreibung (§ 6 Abs. 2a EStG)

Wer sich für diese Alternative entscheidet, muss GWG mit Netto-Anschaffungskosten über 250 EUR (bis 31. Dezember 2017: 150 Euro) bis zu 1.000 EUR in einen Sammelposten einstellen, der dann über 5 Jahre mit jährlich 20 Prozent abzuschreiben ist. Entscheidet sich der Unternehmer für diese Alternative, steht ihm auch für GWG über 250 EUR (bis 31. Dezember 2017: 150 Euro) bis zu 800 EUR nicht mehr die Sofortabschreibung zu, sondern nur die Poolabschreibung.

c) Abschreibung innerhalb der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer

Das Wahlrecht zwischen der Sofortabschreibung und Abschreibung über die betriebliche Nutzungsdauer kann bei GWG mit Anschaffungskosten bis zu 800 EUR (bis 31. Dezember 2017: 410 Euro) für jedes GWG allerdings auch individuell beansprucht werden.
Liegen die Netto-Anschaffungskosten (ohne Umsatzsteuer) über 1.000 Euro, so wird das einzelne Wirtschaftsgut entsprechend seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (Siehe AfA-Tabellen) linear abgeschrieben.

Einzelfragen

  • Darlehen: Zuflüsse durch Darlehen stellen keine Betriebseinzahlungen, Tilgungsraten keine Betriebsauszahlungen dar. Dagegen sind Darlehenskosten (z.B. Zinsen) Betriebsauszahlungen.
  • Umsatzsteuer: Vereinnahmte und vom Finanzamt erstattete Umsatzsteuer sind Betriebseinzahlungen, geleistete und abgeführte Umsatzsteuer Betriebsauszahlungen.
  • Anzahlungen: Erhaltene Anzahlungen sind Betriebseinzahlungen, geleistete Anzahlungen Betriebsauszahlungen.
  • Sacheinnahmen: Sacheinnahmen sind wie Geldeingänge nach dem Zuflussprinzip in dem Zeitpunkt als Betriebseinzahlungen zu erfassen, in dem sie zufließen.
  • Rücklage: Die Bildung einer Rücklage in Form eines Investitionsabzugsbetrags  gemäß § 7g Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ist möglich und als (fiktive) Betriebsausgabe, deren Auflösung als (fiktive) Betriebseinnahme zu berücksichtigen.

Aufzeichnungspflichten und was ist noch zu beachten?

Der Steuerpflichtige muss dem Finanzamt auf Verlangen die Betriebseinzahlungen und -auszahlungen erläutern und glaubhaft machen, damit das Finanzamt die Richtigkeit und Vollständigkeit nachprüfen kann. Dies gilt insbesondere für die betriebliche Veranlassung der Betriebsauszahlungen. Grundlage dafür ist die Aufbewahrung von Belegen.
Tipp: Sicherlich kennen Sie den Merksatz „Keine Buchung ohne Beleg!“ Bewahren Sie Belege also immer gut auf! Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserem Merkblatt „Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen“.
Eine allgemeine Aufzeichnungspflicht für Betriebseinzahlungen und -ausgaben besteht aber nicht. Es können sich jedoch unter anderem folgende Einzelaufzeichnungspflichten ergeben:

Nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)

Laufend zu führendes Verzeichnis über das nicht abnutzbare Anlagevermögen, z.B. Grundstücke, § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG
gesonderte Aufzeichnungen über nicht abzugsfähige Betriebsauszahlungen gem. § 4 Abs. 5 EStG, z.B. Geschenke im Wert von über 35 Euro pro Geschäftsfreund pro Jahr oder 30% der Bewirtungskosten bei einer Einladung an Geschäftsfreunde, § 4 Abs. 7 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nrn. 1, 2 EStG.
Verzeichnis über geringwertige Wirtschaftsgüter, Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten bis 250 Euro, § 6 Abs. 2 Satz 4 EStG

Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG)

Aufzeichnungen zur Feststellung der Umsatzsteuerpflicht, § 22 UStG, z.B. Nettoentgelte nach Steuersätzen und steuerfreien Umsätzen.
Die Aufzeichnungen sind so zu führen, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit möglich ist, einen Überblick zu erhalten. Liegen keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen vor, so besteht das Risiko, dass das Finanzamt den Gewinn schätzt.
Die Dauer der Aufbewahrungspflicht beträgt für die wichtigsten Aufzeichnungen 10 Jahre. Zu beachten ist im Falle einer Betriebsprüfung allerdings, dass in diesem Fall nicht nur die Festsetzungsverjährung, sondern auch der Ablauf der Aufbewahrungsfrist gehemmt wird. Dieses sollte ein Unternehmen im Auge haben, damit nicht im Rahmen einer regelmäßigen „Aufräumaktion“ für die Betriebsprüfung relevante Unterlagen vernichtet werden und es dann zu einer Schätzung des Gewinns kommt!
Hinweis: Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserem Merkblatt „Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen“.

Formulare der Einnahmenüberschussrechnung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 1. September 2022 die folgenden Formulare mit Anleitungen bekanntgegeben:
Formulare aus vorangegangenen Jahren finden Sie hier:
Hinweis: Bitte beachten Sie den Hinweis unter Punkt 1., dass die Übermittlung laut BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2017 ab Veranlagungszeitraum 2017 nur noch mit elektronischer Zertifizierung möglich ist.
Für mehr Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, erfahren Sie leicht über den IHK-Finder.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2023
Umsatzsteuer

Finanzämter für im Ausland ansässige Unternehmen

Führt ein ausländisches Unternehmen in Deutschland Umsätze aus, unterliegen diese Umsätze ebenso wie bei inländischen Unternehmen der Umsatzbesteuerung in Deutschland.
Im Ausland ansässig sind Unternehmen, die im Inland weder einen Sitz, eine Geschäftsleitung noch eine Zweigniederlassung haben (vgl. § 13b Abs. 7 Umsatzsteuergesetz - UStG).
Grundsätzlich muss ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz im Inland für Umsätze, die in Deutschland steuerpflichtig sind, die Umsatzsteuer beim deutschen Finanzamt anmelden, die Steuer abführen und eine Steuererklärung abgeben.
Hierfür muss sich das Unternehmen beim zuständigen Finanzamt umsatzsteuerlich registrieren.
Folgende Finanzämter in Deutschland sind nach § 21 Abgabenordnung (AO) Abs.1 Satz 2 je nach dem Sitzland des jeweiligen ausländischen Unternehmens zuständig:
Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung Zuständiges Finanzamt
Königreich Belgien
Republik Bulgarien Finanzamt Neuwied
Königreich Dänemark Finanzamt Flensburg
Republik Estland Finanzamt Rostock
Republik Finnland Finanzamt Bremen
Frankreich Finanzamt Offenburg
Vereinigtes Königreich Großbritannien
und Nordirland
Finanzamt Hannover-Nord
Griechische Republik Finanzamt Berlin Neukölln
Republik Irland Finanzamt Hamburg Nord
Italienische Republik Finanzamt München
Republik Kroatien Finanzamt Kassel-Hofgeismar
Republik Lettland Finanzamt Bremen
Fürstentum Liechtenstein Finanzamt Konstanz
Republik Litauen Finanzamt Mühlhausen
Großherzogtum Luxemburg Finanzamt Saarbrücken Am Stadtgraben
Republik Mazedonien Finanzamt Berlin-Neukölln
Königreich der Niederlande Finanzamt Kleve
Königreich Norwegen Finanzamt Bremen
Republik Österreich Finanzamt München
Republik Polen
Firmenname A-G
Finanzamt Hameln
Republik Polen
Firmenname H-L
Finanzamt Oranienburg
Republik Polen
Firmenname M-R und alle Unternehmen, auf die das Verfahren nach § 18 Abs. 4e UStG anzuwenden ist.
Finanzamt Cottbus
Republik Polen
Firmenname S-Z
Finanzamt Nördlingen
Portugiesische Republik Finanzamt Kassel Hofgeismar
Rumänien Finanzamt Chemnitz-Süd
Russische Föderation Finanzamt Magdeburg

Königreich Schweden Finanzamt Hamburg-Nord
Schweizerische Eidgenossenschaft Finanzamt Konstanz
Slowakische Republik Finanzamt Chemnitz-Süd
Königreich Spanien Finanzamt Kassel-Hofgeismar
Republik Slowenien Finanzamt Oranienburg
Tschechische Republik Finanzamt Chemnitz-Süd
Republik Türkei Finanzamt Dortmund-Unna
Ukraine Finanzamt Magdeburg
Republik Ungarn Finanzamt Nürnberg-Zentral
USA Finanzamt Bonn-Innenstadt
Republik Weißrussland Finanzamt Magdeburg
übriges Ausland Finanzamt Berlin Neukölln
Falls Sie kein für Ihr Land zuständiges Finanzamt gefunden haben, wenden Sie sich bitte an das:
Finanzamt Berlin Neukölln
Thiemannstr. 1
12059 Berlin
Tel.: +49 30 902416-0
Fax: +49 30 902416-900
Die Finanzämter sind direkt mit ihren Websites verlinkt. Nutzen Sie den Link, um die Kontaktdaten der einzelnen Finanzämter zu erhalten oder die Suche auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern.
Hinweis: Mit Schreiben vom 24. August 2021 hat BMF angekündigt, dass es künftig zur umsatzsteuerlichen Erfassung von im Ausland ansässigen Unternehmern ab dem Besteuerungszeitraum 2021 bundeseinheitliche Vordruckmuster geben wird.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: August 2021
Value Added Tax

Tax offices for companies based abroad

If a foreign company does business in Germany, the turnover is subject to VAT taxation in Germany in just the same way as for domestic companies. Companies based abroad are companies which do not have a domicile, head office or branch office in Germany (Art. 13b para. 4 Value Added Tax Act – UStG). In principle, a foreign company which does not have a domicile in Germany must report sales which are subject to tax in Germany to the German tax authority, must pay such tax, and must submit a tax declaration. For this purpose, the company must register for VAT purposes with the responsible tax office. The following tax offices in Germany are responsible, as set out in Art. 21 Fiscal Code (AO) para. 1 sentence 2, depending on the country in which the respective company is domiciled:
Domicile, registered office or head office: Responsible tax office:
Republic of Austria Finanzamt München
Republic of Belarus Finanzamt Magdeburg
Kingdom of Belgium Finanzamt Trier
Republic of Bulgaria Finanzamt Neuwied
Republic of Croatia Finanzamt Kassel-Hofgeismar
Czech Republic Finanzamt Chemnitz-Süd
Kingdom of Denmark Finanzamt Flensburg
Republic of Estonia Finanzamt Rostock
Republic of Finland Finanzamt Bremen
French Republic Finanzamt Offenburg
Hellenic Republic Finanzamt Berlin-Neukölln
Republic of Hungary Zentralfinanzamt Nürnberg
Republic of Ireland Finanzamt Hamburg Nord
Italian Republic Finanzamt München
Republic of Latvia Finanzamt Bremen
Principality of Liechtenstein Finanzamt Konstanz
Republic of Lithuania Finanzamt Mühlhausen
Grand-Duchy of Luxembourg Finanzamt Saarbrücken Am Stadtgraben
Republic of Macedonia Finanzamt Berlin-Neukölln
Principality of Monaco Finanzamt Offenburg
Kingdom of the Netherlands Finanzamt Kleve
Kingdom of Norway Finanzamt Bremen
Republic of Poland
Company name A-G
Finanzamt Hameln
Republic of Poland
Company name H-L
Finanzamt Oranienburg
Republic of Poland
Company name M-R
(and all other companies using the procedure persuant to Art. 18 para. 4e UStG)
Finanzamt Cottbus
Republic of Poland
Company name S-Z
Finanzamt Nördlingen
Portuguese Republic Finanzamt Kassel II-Hofgeismar
Romania Finanzamt Chemnitz-Süd
Russian Federation Finanzamt Magdeburg
Slovak Republic Finanzamt Chemnitz-Süd
Republic of Slovenia Finanzamt Oranienburg
Kingdom of Spain Finanzamt Kassel II-Hofgeismar
Kingdom of Sweden Finanzamt Hamburg-Nord
Swiss Federation Finanzamt Konstanz
Republic of Turkey Finanzamt Dortmund-Unna
Ukraine Finanzamt Magdeburg
United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland Finanzamt Hannover-Nord
USA Finanzamt Bonn-Innenstadt
Other foreign states
Finanzamt Berlin-Neukölln
If you have not found a Tax Office responsible for your country, please contact
Finanzamt Berlin Neukölln; Thiemannstr. 1; 12059 Berlin;
Tel.: 030/902416-0, Fax: 030/902416-900.
For further information, please contact the responsible Chamber of Industry and Commerce. You can find the Chamber of Commerce and Industry which is competent for your company with the IHK-Finder.
Despite careful checking, we can accept no warranty for the correctness of the data. In case of doubt, please contact the responsible Tax Office.
Status: January 2021
Abgabenrecht

Steuer-Formulare

Die Finanzverwaltung hat die meisten Steuerformulare im Internet veröffentlicht. Sie stehen über das Internetportal ELSTER zur Online-Bearbeitung zur Verfügung.
Seit 2005 ist die elektronische Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Lohnsteuer-Anmeldung gesetzlich vorgeschrieben. ELSTER bietet allen Arbeitnehmern, Rentnern, Pensionären, Unternehmern und Arbeitgebern die Möglichkeit, verschiedene Steuererklärungen elektronisch via Internet an das Finanzamt zu übermitteln. Dazu kann ein ELSTER Formular, das kostenlose Steuerprogramm der deutschen Finanzverwaltung, oder aber jedes andere Software-Produkt verwendet werden, in das die ELSTER-Software integriert ist.
Die Lohnsteuer-Anmeldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln.
Für die elektronische authentifizierte Übermittlung, die ab 2013 gesetzlich vorgeschrieben ist, benötigen Sie ein Zertifikat. Dieses erhalten Sie nach kostenloser Registrierung auf der Internetseite www.elsteronline.de. Bitte beachten Sie, dass die Registrierung bis zu zwei Wochen dauern kann. Unter www.elster.de finden Sie Programme zur elektronischen Übermittlung. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall haben Sie oder eine zu Ihrer Vertretung berechtigte Person die Lohnsteuer-Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und zu unterschreiben.
Ebenfalls zur Online-Bearbeitung und teilweise als pdf-Dokumente zum Download sind die Formulare im Formular-Management-System (FMS) der Bundesfinanzverwaltung abrufbar. Zu den einzelnen Steuerformularen gibt es Anleitungen, die ebenfalls als pdf-Datei abrufbar sind.
Auch die Finanzverwaltung Hamburg stellt Steuerformulare zum Download zur Verfügung ebenso wie das Bundesministerium der Finanzen, das Bundeszentralamt für Steuern und der Zoll.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023
Abgabenrecht

Vorläufige Steuerfestsetzung

Zur vorläufigen Steuerfestsetzung im Hinblick auf anstehende Musterverfahren wurde das BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 - IV A 3 - S 0338/07/10010 - (BStBl I S. 464) im Wege einer ersetzenden Neufassung um Regelungen zur Aussetzung der Steuerfestsetzung nach § 165 Absatz 1 Satz 4 AO durch das BMF-Schreiben vom 15. Januar 2018, IV A 3 - S 0338/17/10007, ergänzt. 
Das BMF Schreiben vom 15. Januar 2018 wurde durch weitere BMF-Schreiben vom  28. März 2022IV A 3 - S 0338/19/1000631. Januar 2022, IV A 3 - S 0338/19/10006, 30. August 2021, IV A 3 - S 0338/19/10006, 18. Mai 2021, IV A 3 - S 0338/19/10006, 4. Januar 2021, IV A 3 - S 0338/19/10006 sowie durch das BMF-Schreiben vom 10. Januar 2019, IV A 3 - S 0338/17/10007 geändert.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können SIe über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023
Datenschutz, Medien/IT

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Einführung und Tipps

Wichtiger Hinweis: Das Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat eine Musterdatenschutzerklärung für die Firmen-Website erarbeitet. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass die Datenschutzerklärung nur ein Muster ist und keine Gewähr auf Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit bietet. Ein Mustertext kann weder jede individuelle Datenverarbeitung erfassen noch kann er die anwaltliche Beratung ersetzen. Wenden Sie sich dafür und für eine vertiefte und verbindliche Beratung zur DS-GVO bitte an die Hanseatische Rechtsanwaltskammer, um den Kontakt zu einem Fachanwalt zu erhalten.
Nach einer Übergangszeit von 2 Jahren ist die DS-GVO seit dem 25. Mai 2018 anzuwenden. Am gleichen Tag trat das neue Bundesdatenschutzgesetz in Kraft. Die DS-GVO und das neue Bundesdatenschutzgesetz enthalten zahlreiche neue Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten.
Tipp für kleine Unternehmen und Vereine: Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die wesentlichen Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung an kleine Unternehmen und Vereine exemplarisch zusammengestellt.
Sie finden dort Informationen zu den Anforderungen und Muster für:
Weil in der Wirtschaft kaum ein Bereich vorstellbar ist, in welchem keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden, lohnt es sich für jedes Unternehmen, sich die ändernde Rechtslage anzusehen und so frühzeitig zu erkennen, ob und in welchem Umfang Anpassungsbedarf besteht. Erschwerend kommt hinzu, dass die DS-GVO eine Vielzahl von Öffnungsklauseln enthält, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die neuen Regelungen teilweise selbst auszugestalten. Das hat der deutsche Gesetzgeber mit dem am 12. Mai 2017 vom Bundesrat verabschiedeten DSAnpUG, dem neuen Bundesdatenschutzgesetz, getan. Zur Beurteilung der sich ändernden Rechtslage ist also ein Blick in die Datenschutzgrundverordnung und das DSAnpUG erforderlich. Das macht den praktischen Umgang für den Rechtsanwender nicht leichter und wirkt der mit der DS-GVO eigentlich beabsichtigten Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts bis zu einem gewissen Grad entgegen. Hinzukommt, dass nach dem Inkraftreten der neuen Regelungen mit neuer Rechtsprechung zum Datenschutz zu rechnen ist. Denn die DS-GVO zeichnet sich teilweise durch eine Vielzahl offener Rechtsbegriffe aus, die entweder anhand bekannter Grundsätze oder von der Rechtsprechung auszulegen sind.
Tipp: Wenn Sie sich - bevor Sie sich mit den folgenden Details beschäftigen - schon jetzt einen groben Überblick darüber verschaffen wollen, welche Schritte Sie im Unternehmen zur Umsetzung der DS-GVO gehen könnten, schauen Sie sich das Kurzpapier der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz - DSK) Nr. 8 Maßnahmenplan "DS-GVO" für Unternehmen an.
Tipp: Auf der Grundlage zahlreicher Anfragen von Unternehmen wurde vom DIHK eine FAQ-Liste (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 198 KB) als schnelle Hilfestellung bei konkreten Fragen erstellen.
Tipp: Als Orientierung dafür, welche Fragen für eine Aufsichtsbehörde zum Datenschutz relevant sein können, kann das Online-Tool des bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht behilflich sein.
Hinweis: Dieses Merkblatt dient der unverbindlichen Information und hat - insbesondere vor dem Hintergrund der sich aktuell teilweise erst noch entwickelnden Rechtslage - keinen Anspruch auf Vollständigkeit! Im Zweifel empfiehlt es sich immer, eine im Datenschutzrecht erfahrene Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt zu kontaktieren.

Der räumliche Anwendungsbereich, Art. 3 DS-GVO

Der räumliche Anwendungsbereich wird durch die DS-GVO wesentlich geändert. Die DS-GVO wird nicht nur für Unternehmen innerhalb der EU gelten, sondern auch für Unternehmen aus Drittländern, wenn
  • diese Unternehmen personenbezogene Daten
  • von betroffenen Personen die sich in der Union befinden
  • verarbeiten und diese Verarbeitung mit dem Angebot von Waren oder Dienstleistungen oder mit der Beobachtung des Verhaltens betroffener Personen in der Union in Verbindung steht.
Diese auch Marktortprinzip genannte Regelung dient dem Zweck, Unternehmen aus Drittländern mit Unternehmen aus der Union datenschutzrechtlich gleich zu stellen und räumliche Abgrenzungsprobleme zu vermeiden. In Anlehnung an den Erwägungsgrund 23 zur DS-GVO kann ein Angebot von Waren oder Dienstleistungen von einem Unternehmen aus einem Drittland beispielsweise schon dann vorliegen, wenn das Unternehmen die Bestellung in einer in der Union gebräuchlichen Sprache oder Währung ermöglicht oder Kunden in der Union als Referenz nennt.
Bei innergemeinschaftlichen, grenzüberschreitenden Sachverhalten lässt die DS-GVO offen, welches Recht von welchem Mitgliedstaat anzuwenden ist. Ist ein Verbraucher beteiligt, dürfte sich das in diesen Fällen anzuwenden Recht daher nach Art. 6 Rom I-VO nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers richten, soweit nicht einer der Ausschlussgründe gem. Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO vorliegt.
 Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 7 Marktortprinzip: Regelungen für außereuropäische Unternehmen.

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO

Die DS-GVO enthält - ähnlich wie bereits das BDSG - eine Reihe von Vorschriften, in denen Erlaubnistatbestände für die Verarbeitung personenbezogener Daten geregelt sind. Laut Art. 6 Abs. 1 DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
Bitte beachten Sie, dass die Einwilligung einer betroffenen Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten wirksam sein muss. Eine unwirksame Einwilligungserklärung ist nicht nur keine taugliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung; sie kann auch bußgeldrechtliche und wettbewerbsrechtliche Folgen für den Verwender haben. Weitere Hinweise dazu finden Sie auf diesem Merkblatt unter dem Punkt "Die Einwilligung".
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
Welche personenbezogenen Daten für die Erfüllung eines Vertrages "erforderlich" sind, hängt vom Einzelfall ab. Die Verarbeitung bestimmter personenbezogener Daten ist jedenfalls dann immer erforderlich, wenn der Vertrag ohne diese Daten nicht erfüllt werden kann. Generell sollte hier sicherheitshalber ein strenger Maßstab angelegt werden.
Mit vorvertraglichen Maßnahmen sind bspw. Vertragsverhandlungen oder auch die Kontaktaufnahme zum Abschluss eines Vertrages gemeint. Allerdings muss die Anfrage nach dem Wortlaut der Vorschrift von der betroffenen Person, also dem Kunden, kommen. Das heißt, dass der Zweck der Verarbeitung der Kontaktdaten des Kunden für "vorvertragliche Maßnahmen" entfällt, wenn es zu keinem Vertragsschluss kommt. Für eine weitergehende Verarbeitung der Daten, insbesondere für eine weitergehende werbliche Ansprache, bedürfte es dann eines anderen Rechtfertigungstatbestandes, i.d.R. also einer Einwilligung. Zwischen Unternehmern erscheint die Verarbeitung personenbezogener Daten allerdings darüber hinaus noch vertretbar, wenn es sich um eine laufende Geschäftsbeziehung zwischen den Unternehmern handelt und sonst nichts gegen die weitere Verwendung der Daten spricht, insb. ein etwaig entgegenstehender Wille des Betroffenen.
c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
Gemeint sind hier Verpflichtungen kraft Unionsrecht oder des (einschlägigen) Rechts eines Mitgliedsstaates. Vertragliche Verpflichtungen gegenüber Dritten, an denen der Betroffene nicht beteiligt ist, sind als Rechtsgrundlage alleine nicht ausreichend.
d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
Dieser Rechtfertigungstatbestand ist nur dann einschlägig, wenn offensichtlich kein anderer Tatbestand einschlägig ist, der eine Verarbeitung der jeweiligen Daten erlauben würde. Generell geht es um Notlagen oder genauer: Um lebenswichtige Interessen - einschließlich der körperlichen Unversehrtheit oder des Lebens - der betroffenen Person.
e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Hierbei handelt es sich um eine Interessenabwägungsklausel, über deren Reichweite sich im Einzelfall möglicherweise viel diskutieren lässt. Für die unternehmerische Praxis bietet es sich daher unbedingt an, für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu erst eine andere Rechtsgrundlage zu suchen. Denn in aller Regel sollte sich die Verarbeitung der Daten auf eine andere, bessere (speziellere) Rechtsgrundlage stellen lassen.

Das personenbezogene Datum

An der Definition des personenbezogenen Datums ändert sich durch die DS-GVO praktisch nicht viel. Die DS-GVO liefert in Art. 4 Nr. 1 eine Definition, wann eine natürliche Person identifizierbar ist und der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO dadurch eröffnet ist. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Die DS-GVO findet also - wie in gewisser Weise bereits das BDSG - auf anonyme oder rein statistische Daten keine Anwendung.
Wann eine natürliche Person anhand bestimmter Daten identifizierbar sein kann, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Dieses Problem stellt sich jedoch bereits bei der Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes. Zu berücksichtigende Kriterien für die Beurteilung dieser Frage sind laut Erwägungsgrund 26 zur DS-GVO, welchen zeitlichen, finanziellen und technischen Aufwand jemand nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich nutzen würde, um diese Identifizierung einer betroffenen Person zu ermöglichen.

Automatisierte und nicht-automatisierte Verarbeitung von Daten

Die Unterscheidung, ob eine automatisierte Verarbeitung oder eine nicht-automatisierte Verarbeitung stattfindet, wird insbesondere in folgenden Fällen relevant (es handelt sich hierbei um eine nicht abschließende Aufzählung typischer Fälle):
  • Die Definition des Profiling setzt voraus, dass es sich dabei um eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten handelt. Allerdings dürften Fälle, in denen Profiling nicht-automatisiert stattfindet, in der wirtschaftlichen Praxis mittlerweile eine große Ausnahme darstellen.
  • Betroffene Personen müssen gem. Art. 13 Abs. 2 lit. f) und Art. 14 Abs. 2 lit g) DS-GVO über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung informiert werden.
  • Gleiches gilt für das Auskunftsrecht betroffener Personen. Diese müssen im Rahmen einer Auskunft über eine automatisierte Entscheidungsfindung informiert werden.
  • Das „Recht auf Datenübertragbarkeit“ gem. Art 20 DS-GVO setzt voraus, dass die jeweiligen personenbezogenen Daten im Rahmen einer automatisierten Verarbeitung verarbeitet werden.
Die Unterscheidung zwischen automatisierter und nicht-automatisierter Verarbeitung spielt nach dem aktuellem BDSG noch bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl in Bezug auf die Verpflichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten eine Rolle. Diese Unterscheidung wird ab dem 25. Mai 2018 überflüssig. Eine automatisierte Datenverarbeitung findet – grob gesagt – bereits bei der Verwendung eines handelsüblichen Computers, Laptops etc. statt. Das gilt auch dann, wenn nur Standardprogramme für die Verarbeitung verwendet werden.

Das Profiling

Eine Neuerung der DS-GVO ist, dass das Profiling explizit geregelt wird. Profiling ist laut Art. 4 Nr. 4 DS-GVO jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um
  • Aspekte bezüglich Arbeitsleistung,
  • wirtschaftliche Lage,
  • Gesundheit,
  • persönliche Vorlieben,
  • Interessen,
  • Zuverlässigkeit,
  • Verhalten,
  • Aufenthaltsort oder
  • Ortswechsel
dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen.
Sofern Profiling stattfindet und dieses gegenüber einer betroffenen Person rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt, ist dieses gemäß Art. 22 Abs. 2 DS-GVO nur zulässig, wenn dieses für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrages erforderlich oder auf Grund von Rechtsvorschriften der EU oder der Mitgliedstaaten oder einer Einwilligung der betroffenen Person möglich ist. Zudem muss der Verantwortliche gemäß Art. 22 Abs. 3 DS-GVO Maßnahmen treffen, um Rechte, Freiheiten und berechtigte Interessen der betroffenen Person zu schützten.
Das noch in § 28b BDSG geregelte Scoring wird in der DS-GVO nicht mehr erwähnt. Allerdings fällt auch das Scoring unter den Begriff des Profiling!

Die Einwilligung

Die Einwilligung des Betroffenen ist nunmehr in Art. 4 Nr. 11 DS-GVO definiert. Eine Einwilligung ist demnach „… jede für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.“ Einwilligungen müssen damit folgende Voraussetzungen erfüllen:
  • Die betroffene Person muss ausreichend über Umfang der verarbeiteten Daten und den Zweck der Verarbeitung informiert werden.
  • Die Einwilligungserklärung muss leicht zugänglich und in leicht verständlicher Form in einer klaren und einfachen Sprache verfasst sein.
  • Die betroffene Person muss auf ihr Recht, die Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen zu können, hingewiesen werden.
  • Beachtung des „Koppelungsverbotes“. Das heißt, dass ein Vertragsschluss nicht von der Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig gemacht werden darf, die für die Durchführung des Vertrages nicht erforderlich sind.
  • Beim Ankreuzen, dem Setzen von Häkchen oder Anklicken von Kästchen muss die betroffene Person dieses aktiv tun. Sind Kreuze oder Häkchen schon vom Verantwortlichen gesetzt, führt dieses zur Unwirksamkeit der Einwilligung. (Siehe auch "Privacy by Default")
  • Falls bei einer minderjährigen Person unter 16 Jahren erforderlich, das Vorliegen einer Zustimmung der gesetzlichen Vertreter.
Neu ist, dass die DS-GVO nicht verlangt, dass eine Einwilligung schriftlich erteilt werden muss. Es sind also auch andere Formen, insbesondere auch die elektronische, ausdrücklich zugelassen. Allerdings ist auch nach dem aktuell geltenden BDSG eine andere Form möglich, soweit wegen der besonderen Umstände nicht eine andere Form angemessen gewesen ist. Aus praktischer Sicht ist generell jedoch anzuraten, dass eine erteilte Einwilligung – gleich in welcher Form diese erteilt worden ist – aus Beweisgründen im eigenen Interesse dokumentiert werden sollte. Denn schließlich sieht Art. 7 Abs. 1 DS-GVO explizit vor, dass der Verantwortliche das Vorhandensein einer Einwilligung des Betroffenen nachzuweisen hat, wenn die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten auf dessen Einwilligung beruht.
Zu beachten ist außerdem, dass im Bereich der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die keine Telekommunikationsdienste gem. § 3 Nr. 24 und 25 Telekommunikationsgesetz (TKG) oder § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind (sog. Telemedien) schon nach geltendem Recht gem. § 13 Abs. 2 TMG zusätzliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Einwilligungserklärung in elektronischer Form bestehen, die den Regelungen in der DS-GVO teilweise ähnlich, bzw. annähernd deckungsgleich sind:
Die Einwilligung kann im Bereich der Telemedien demnach elektronisch erklärt werden, wenn der Diensteanbieter sicherstellt, dass
  • der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat,
  • die Einwilligung protokolliert wird,
  • der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen kann und
  • der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann.
Weitere Informationen zu Informationspflichten nach dem Telemediengesetz finden Sie auf unserm Merkblatt Rechtliche Grundlagen des E-Commerce.
Art. 7 DS-GVO sieht noch weitere Bedingungen für eine Einwilligungserklärung, bzw. deren Widerruf, vor. Sofern eine schriftlich erteilte Einwilligungserklärung mehrere Sachverhalte betrifft, muss das Ersuchen des Verantwortlichen um die Einwilligungserklärung in einer verständlichen und leicht zugänglichen Form in einer klaren und einfachen Sprache so verfasst sein, dass erkennbar ist, welcher Sachverhalt von der Einwilligungserklärung betroffen ist (vgl. Abs. 2). Eine erteilte Einwilligung muss vom Betroffenen jederzeit widerrufbar sein. Der Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie ihre Erteilung sein (vgl. Abs. 3).
Einwilligungen, die nach dem bis zum 25. Mai 2018 geltenden Datenschutzrecht abgegeben werden, bleiben übrigens wirksam, solange diese Einwilligungen den neuen Regeln der DS-GVO entsprechen.
Tipp: Hilfreiche Hinweise zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Werbung finden Sie in dem "Kurzpapier Nr. 3" der Datenschutzkonferenz (DSK).
Unternehmen sollten die von ihnen verwendeten Einwilligungserklärungen – gleich ob diese schriftlich oder elektronisch sind – auf die Vereinbarkeit mit der DS-GVO überprüfen und bis zum 25. Mai 2018 ggf. anpassen. Im Zweifel sollte dafür anwaltlicher Rat eingeholt werden, weil unwirksame Einwilligungserklärungen Bußgelder nach sich ziehen und Wettbewerbsverstöße darstellen können.

Sonderregelung für die Einwilligung von Kindern, Art. 8 DS-GVO

Die DS-GVO bestimmt in Art. 8, dass Minderjährige erst dann in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten wirksam einwilligen können, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben. Anderenfalls benötigen sie eine Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, i.d.R. der Eltern. Die Mitgliedstaaten können auch ein niedrigeres Alter vorsehen.

Privacy by Default

Hierunter ist die Technikgestaltung durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen gemeint. Verarbeiter von personenbezogenen Daten sollen dadurch verpflichtet werden Einstellungen festzulegen, die gewährleisten, dass nur diejenigen personenbezogenen Daten erhoben und verarbeitet werden, die für den jeweiligen Zweck unbedingt erforderlich sind. Insbesondere die Menge der personenbezogenen Daten, der Umfang deren Verarbeitung, deren Speicherdauer und deren Zugänglichkeit sollen dadurch begrenzt werden. Privacy by Default ergänzt damit den nach aktueller Rechtslage bereits geltenden Grundsatz der Datensparsamkeit.

Privacy by Design

Hierbei ist eine datenschutzfreundliche Technikgestaltung gemeint. Dadurch werden die Verarbeiter personenbezogener Daten verpflichtet, technische und organisatorische Maßnahmen zur Einhaltung der Anforderungen der DS-GVO einzuführen. In welcher Form solche Maßnahmen einzuführen sind, obliegt einem gewissen Beurteilungsspielraum des Verarbeiters. Kriterien für diesen Beurteilungsspielraum sind laut DS-GVO der Stand der Technik, Implementierungskosten und die Art, der Umfang, die Umstände und die Zwecke der Datenverarbeitung sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere möglicher Risiken für die Rechte und Freiheiten der von der Datenverarbeitung betroffenen natürlichen Personen.
Tipp: Bei der Einführung neuer Software im Unternehmen oder bei der Programmierung sollte darauf geachtet werden, dass diese technisch so ausgelegt ist, dass die Software nur diejenigen personenbezogenen Daten erhebt, die für die jeweiligen Zwecke der Datenverarbeitung tatsächlich erforderlich sind.

Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten

Die DS-GVO enthält einen Katalog, nach welchen Bedingungen die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zulässig ist. Besondere Kategorien personenbezogener Daten sind laut Art. 9 Abs. 1 DS-GVO Daten, aus denen sich
  • die rassische und ethische Herkunft,
  • politische Meinungen,
  • religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder
  • die Gewerkschaftszugehörigkeit
ergeben, sowie die Verarbeitung von
  • genetischen Daten,
  • biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung,
  • Gesundheitsdaten oder
  • Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung
einer natürlichen Person.
Hinweis: Ist eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten beabsichtigt, empfiehlt es sich, dieses genau anhand des umfangreichen Kataloges in Art. 9 Abs. 2 DS-GVO zu prüfen. Die in einem Unternehmen häufigsten Fälle dürften dabei die Zulässigkeit der Verarbeitung aufgrund einer wirksamen Einwilligung (Art. 9 Abs. 2 lit. a) DS-GVO) und die Verarbeitung zur Ausübung von sich aus dem Arbeitsrecht oder dem Recht der sozialen Sicherung ergebenden Rechten und Pflichten (Art. 9 Abs. 2 lit. b) DS-GVO), also insbesondere Meldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern, sein.
Das BDSG war hier, verglichen mit der DS-GVO, kürzer gefasst und beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Definition besonderer personenbezogener Daten und die Absenkung des Schwellenwertes zur Benennung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten.

Die Datenschutz-Folgenabschätzung (PIA), Art. 35 DS-GVO

Die Datenschutz-Folgenabschätzung, bzw. Risikofolgenabschätzung oder auch Privacy Impact Assessment (PIA) wirft gerade unter Praktikern immer noch viele Fragen auf. In der Tat ist vieles in Bezug auf PIA nicht abschließend geklärt. Bei PIA handelt es sich begrifflich um eine Überprüfung datenschutzrechtlich relevanter Prozesse in einem Unternehmen. Sie ersetzt die alte Vorabprüfung.
Eine PIA ist nicht in jedem Fall der Verarbeitung personenbezogener Daten vorgeschrieben. Nur wenn durch eine Datenverarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen mit sich bringt, ist eine PIA durchzuführen. Die verantwortliche Stelle prüft in einem ersten Schritt also, ob ein solches hohes Risiko überhaupt vorliegt. In welchen Fällen ein hohes Risiko in diesem Sinne vorliegt, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Sicher dürfte sein, dass jedenfalls in Fällen ...
  • des Einsatzes neuer Technologien,
  • der Verarbeitung großer Mengen personenbezogener Daten,
  • einer großen Zahl betroffener Personen,
  • besonders sensibler Daten,
  • des Profilings oder
  • der Überwachung
... die Frage nach der Erforderlichkeit einer PIA zu prüfen sein dürfte, ob die Verarbeitung also voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen mit sich bringt.
Gem. Art. 35 Abs. 3 DS-GVO ist eine PIA außerdem insbesondere in folgenden Verarbeitungssitationen erforderlich:
  • Systematische und umfassende Bewertung persönlicher Aspekte natürlicher Personen, die sich auf automatisierte Verarbeitung einschließlich Profiling gründet und die ihrerseits als Grundlage für Entscheidungen dient, die Rechtswirkung gegenüber natürlichen Personen entfalten oder diese in erheblicher Weise beeinträchtigen,
  • umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten oder von Daten über strafrechtliche Verurteilungen oder
  • systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche.
Hinweis: Weitere Informationen und Beispiele, wann die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten umfangreich ist, finden Sie unten unter "Der Datenschutzbeauftragte".
Unternehmen sollten, solange keine endgültige Rechtssicherheit besteht, bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer PIA im Zweifel eher konservativ vorgehen, um Schwierigkeiten mit den Aufsichtsbehörden möglichst zu vermeiden. Sind überhaupt keine Daten mit Personenbezug betroffen, besteht jedoch keine datenschutzrechtliche Problematik. Das ist zum Beispiel bei rein statistischen Daten der Fall, sofern diese keinen Bezug auf eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person zulassen.
Tipp: Die Artikel-29-Datenschutzgruppe hat auf ihrer Webseite ein Dokument mit weiteren Hinweisen zur PIA veröffentlicht.
Die Aufsichtsbehörden, also regelmäßig die Landesdatenschutzbeauftragten, sind gem. Art. 35 Abs. 4 DS-GVO verpflichtet, im Rahmen einer sog. Positivliste zu veröffentlichen, welche Verfahren in jedem Fall einer Risikofolgenabschätzung zu unterziehen sind. Eine solche Positivliste gibt es noch nicht (Stand März 2018). Im Interesse einer einheitlichen Anwendung der DS-GVO werden diese Listen im Rahmen des Kohärenzverfahrens gem. Art. 64 Abs. 1 lit. a) DS-GVO auf europäischer Ebene abzustimmen sein. Die Aufsichtsbehörden haben außerdem die Möglichkeit über eine Negativliste zu veröffentlichen, welche Verfahren gerade keiner Risikofolgenabschätzung bedürfen. Eine solche Negativliste ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben.
Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 5 Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO.

Die zuständige Aufsichtsbehörde / "One-Stop-Shop"

Durch die DS-GVO wird die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden vereinheitlicht. Federführende Aufsichtsbehörde ist demnach diejenige Behörde, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich das jeweilige datenverarbeitende Unternehmen seine Hauptniederlassung hat. Die Ermittlung des Ortes der Hauptniederlassung erfolgt dabei nach objektiven Kriterien: Es kommt grundsätzlich darauf an, wo effektiv und tatsächlich Managementtätigkeit in Bezug auf Grundsatzentscheidungen in Bezug auf die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung getroffen werden. Dieser Ort kann sich von dem satzungsmäßigen Sitz eines Unternehmens also unterscheiden.
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten der Verarbeitung personenbezogener Daten wird die federführende Aufsichtsbehörde der alleinige Ansprechpartner des datenverarbeitenden Unternehmens oder seines Auftragsverarbeiters sein.
Tipp: Unternehmen, die sich mit der grenzüberschreitenden Verarbeitung von personenbezogenen Daten beschäftigen, sollten bei Inkrafttreten der DS-GVO ihre federführende Aufsichtsbehörde kennen. Auf der Webseite des BfDi finden Sie eine Übersicht über die Datenschutzbeauftragten in den Bundesländern, der Aufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich, des Rundfunks, der Kirchen, in Europa und im übrigen Ausland.
Unabhängig davon kann sich jede andere Aufsichtsbehörde mit einem Fall beschäftigen, wenn diese eine entsprechende Beschwerde erreicht oder ein Verstoß gegen die DS-GVO vorliegt und von dem Sachverhalt nur eine Niederlassung in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat betroffen ist oder nur betroffene Personen ihres Mitgliedsstaates erheblich betroffen sind.
Hinweis: Hier kommen Sie zur deutschen Übersetzung des "Working Papers Nr. 244" der Art. 29-Gruppe zu Leitlinien für die Bestimmung der federführenden Aufsichtsbehörde eines Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters mit weiteren Informationen.

Das "Recht-auf-vergessen-werden", Art. 17 DS-GVO

Hierbei handelt es sich um das "Recht auf Löschung". Eine betroffene Person hat das Recht zur Löschung, wenn der Zweck der Verarbeitung entfallen ist, die betroffene Person der Verarbeitung widerspricht oder gegen die Verarbeitung Widerspruch einlegt, die Verarbeitung der personenbezogenen Daten unrechtmäßig erfolgt, eine Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung der Daten besteht oder der Betroffene als Kind seine Einwilligung zur Verarbeitung der Daten in den Fällen von Art. 8 DS-GVO gegeben hat.
Hinweis: Auch nach geltendem Recht sind personenbezogene Daten zu löschen, soweit es für deren Verarbeitung keine rechtliche Grundlage gibt, insbesondere wenn deren Speicherung unzulässig ist. In bestimmten Fällen tritt an die Stelle der Löschung die Sperrung von Daten, beispielsweise, wenn der Löschung gesetzliche oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.
Das Recht auf Löschung besteht jedoch nicht ausnahmslos. Das Recht zur Löschung gilt demnach beispielsweise nicht, wenn die Verarbeitung
  • zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information,
  • zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in der Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde oder
  • zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen
erforderlich ist.
Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 5 Recht auf Löschung / "Recht auf Vergessenwerden".

Das "Recht auf Einschränkung der Verarbeitung", Art. 18 DS-GVO

Das "Recht auf Einschränkung der Verarbeitung" ist den Regelungen § 20 Abs. 3 und 4 BDSG nicht unähnlich. Die DS-GVO enthält jedoch keine Bestimmung, wonach eine Sperrung an die Stelle der Löschung von personenbezogenen Daten tritt, wenn eine Löschung wegen der besonderen Art der Löschung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Neu ist allerdings, dass der Betroffene eine Einschränkung der Verarbeitung der Daten verlangen kann, wenn der Verantwortliche die personenbezogenen Daten für die Zwecke der Verarbeitung nicht länger benötigt, der Betroffene sie jedoch zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigt. Dieser Fall dürfte in der Praxis eher selten vorkommen.

Videoüberwachung, § 4 BDSG (Neu)

Regelungen zur Videoüberwachung enthält die DS-GVO nicht. Bis zum 25. Mai 2018 gelten noch die Regelungen in § 6b BDSG, die zuletzt durch das am 5. Mai 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes geändert wurden.
Mit Inkraftreten des BDSG (Neu) am 25. Mai 2018 ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume in § 4 BDSG (Neu) geregelt. Diese ist demnach zulässig, soweit sie
  1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist. Bei der Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen (z.B. Einkaufszentren) sowie Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs (Busse, Züge, Fähren, Fähranleger, Bahnhöfe usw.) gilt der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit der sich dort aufhaltenden Personen als besonders wichtiges Interesse.
Tipp: Der Umstand der Videoüberwachung sowie der Name und und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind gem. § 4 Abs. 2 BDSG (Neu) durch geeignete Maßnahmen zum frühest möglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen. Das kann z.B. durch einen Hinweis am Eingang zu den Geschäftsräumen geschehen.
Soweit von einer Videoüberwachung auch Mitarbeiter der verantwortlichen Stelle betroffen sind, kann die Videoüberwachung unter Umständen mitbestimmungspflichtig sein. Solche Fälle sollten im Zweifelsfall arbeitsrechtlich von einem Rechtsanwalt/einer Rechtsanwältin oder einem Arbeitgeberverband (bei bestehender Mitgliedschaft) überprüft werden.

Das Recht auf Datenübertragbarkeit, Art. 20 DS-GVO

Hinter diesem - entfernt an die Rufnummernportierung nach § 46 Abs. 3 und 4 TKG erinnernden - Begriff verbirgt sich nichts anderes, als dass Betroffene ihre personenbezogenen Daten von einem Dienstanbieter, z.B. einem Social-Media-Dienst oder einem E-Mail-Provider, auf einen anderen übertragen können sollen. Dazu sollen Betroffene die von ihnen bereitgestellten personenbezogenen Daten in einem strukturierten, gängigen, maschinenlesbaren und interoperablen Format vom Verantwortlichen erhalten können. An die Anbieter digitaler Dienste werden daher besondere Anforderungen hinsichtlich der technischen Umsetzung gestellt. Eine entsprechende Regelung gibt es im BDSG bisher nicht. Laut Erwägungsgrund Nr. 68 zur DS-GVO soll das Recht der betroffenen Person, sie betreffende personenbezogene Daten zu übermitteln oder zu empfangen, für den Verantwortlichen allerdings nicht die Pflicht begründen, technisch kompatible Datenverarbeitungssysteme zu übernehmen oder beizubehalten.
Die Artikel-29-Datenschutzgruppe hat auf ihrer Webseite ein Dokument mit weiteren Hinweisen Datenübertragbarkeit veröffentlicht.
Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt nicht für eine Verarbeitung, die für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Außerdem geht das Recht nur so weit, wie Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden. Das dürfte regelmäßig der Fall sein, wenn personenbezogene Daten anderer Personen von dem zu übertragenen Datensatz tangiert werden, insb. in diesem enthalten sind.

Informationspflichten, Art. 13, 14 DS-GVO

Hinweis: Die Informationspflichten gem. Art. 13 DS-GVO betreffen Fälle, in denen die personenbezogenen Daten bei den/der betroffenen Person/en erhoben werden. Sofern personenbezogene Daten nicht bei den betroffenen Personen erhoben werden, richten sich die Informationspflichten nach Art. 14 DS-GVO.

Informationspflichten gem. Art. 13 DS-GVO

Die DS-GVO sieht - verglichen mit den Regelungen des BDSG - erweiterte Informationspflichten des Verantwortlichen gegenüber dem Betroffenen vor. Soweit die betroffene Person nicht schon über die jeweiligen Informationen verfügt, muss der Verantwortliche zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten folgendes mitteilen (den genauen Wortlaut entnehmen Sie bei Bedarf bitte dem Text in Art. 13 DS-GVO):
  • Den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen und ggf. seines Vertreters,
  • ggf. die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten,
  • die Zwecke und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung der Daten,
  • die berechtigten - die Grundfreiheiten und Grundrechte der betroffenen Person überwiegenden - Interessen des Verantwortlichen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO,
  • ggf. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten,
  • ggf. die Absicht des Verantwortlichen die Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation zu übermitteln sowie ggf. das Fehlen einer positiven Entscheidung über das Vorhandensein eines angemessenen Datenschutzniveaus in jenem Drittland,
  • die Dauer der Verarbeitung oder die Kriterien für die Ermittlung der Dauer der Speicherung der Daten,
  • das Bestehen eines Rechts auf Auskunft sowie eines Rechts auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung oder auf ein Widerspruchsrecht sowie auf das Recht zur Datenübertragbarkeit,
  • das Recht zum Widerruf einer gegebenen Einwilligung der betroffenen Person mit dem Hinweis, dass eine bis zum Widerruf durchgeführte Datenverarbeitung rechtmäßig bleibt,
  • das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde,
  • ob die Bereitstellung personenbezogener Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsschluss erforderlich ist. Auch auf eine etwaige Verpflichtung des Betroffenen zur Bereitstellung ist hinzuweisen, sowie auf die Folgen der Nichtbereitstellung und
  • das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung, Profiling sowie deren involvierte Logik, Tragweite und Auswirkungen auf die betroffene Person.
Tipp: Im Internet oder auf Formularen aus Papier verwendete Informationen zur Datenverarbeitung sollten vom Verantwortlichen geprüft und ggf. angepasst werden. Auch wenn es dann nur um wenige Details gehen sollte die angepasst werden müssen sollte dieses bis zum 25. Mai 2018 umgesetzt sein.

Informationspflichten gem. Art. 14 DS-GVO

Werden personenbezogene Daten nicht bei den Betroffenen erhoben, treffen den Verantwortlichen die Informationspflichten gem. Art. 14 DS-GVO. Diese Informationspflichten entsprechen denjenigen in Art. 13 DS-GVO (s.o.), wobei der Verantwortliche der betroffenen Person/en zusätzlich folgendes mitzuteilen hat:
  • Die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden,
  • aus welcher Quelle die personenbezogenen Daten stammen und ggf. ob sie aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen,
  • ggf. die Absicht, die personenbezigenen Daten für einen anderen Zweck weiterzuverarbeiten, als den, für den die Daten ursprünglich erlangt wurden.
Die Informationspflicht gem. Art. 14 DS-GVO besteht allerdings in folgenden Fällen nicht:
  • Die betroffene Person verfügt bereits über die Informationen.
  • Die Erteilung der Information erweist sich als unmöglich oder würde einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. In diesen Fällen hat der Verantwortliche jedoch geeignete Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interressen der betroffenen Person/en zu treffen, einschließlich der Bereitstellung dieser Informationen für die Öffentlichkeit.
  • Die Erlangung oder Offenlegung der Daten ist in bestimmten Rechtsvorschriften der EU oder der Mitgliedstaaten ausdrücklich geregelt.
  • Die Daten unterliegen gemäß dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten dem Berufsgeheimnis einschließlich einer satzungsmäßigen Geheimhaltungspflicht und sind daher als vertraulich zu behandeln.
Wann ist die Informationspflicht gem. Art. 14 DS-GVO zu erfüllen? Sofern eine Informationspflicht gem. Art. 14 DS-GVO besteht, hat der Verantwortliche dieser Pflicht innerhalb eines Monats nachzukommen. Sofern die Daten für die Kommunikation mit der betroffenen Person verwendet werden sollen, ist die Pflicht spätestens zum Zeitpunkt der ersten Mitteilung zu erfüllen. Falls die Offenlegung an einen anderen Empfänger beabsichtigt ist, ist die Pflicht spätestens zum Zeitpunkt der ersten Offenlegung zu erfüllen.
Tipp: Weitere Hinweise zu den Informationspflichten gem. Art 13 und 14 DS-GVO erhalten Sie auf dem "Kurzpapier Nr. 10" der Datenschutzkonferenz (DSK).

Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Auftrag, Art. 28 DS-GVO

Zunächst ist festzuhalten, dass Auftragsdatenverarbeiter nach der DS-GVO nunmehr Auftragsverarbeiter heißen. Der Auftraggeber wird in der DS-GVO als Verantwortlicher bezeichnet. Eine Auftrags(daten)verarbeitung kann auf Grundlage eines entsprechenden Vertrages oder auf Grundlage von Standardvertragsklauseln stattfinden. Diese Standardvertragsklauseln können von der EU-Kommission festgelegt werden, was jedoch noch nicht geschehen ist (Stand: 5/2017).
Der Verantwortliche hat laut Art. 28 Abs. 1 DS-GVO zu gewährleisten, dass er nur mit Auftragsverarbeitern zusammenarbeitet, die hinreichend Garantien dafür bieten, dass geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ("TOMs") so durchgeführt werden, dass die Verarbeitung im Einklang mit der DS-GVO erfolgt und der Schutz der Rechte der betroffenen Personen gewährleistet ist. Insbesondere Unternehmen, die bisher Daten im Auftrag eines anderen verarbeitet haben, sind also gut beraten, in Bezug auf die Regelungen der DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 sprechfähig zu sein.
Im Unterschied zu den Regelungen in § 11 BDSG ist die Unterbeauftragung durch den Auftragsverarbeiter laut Art. 28 Abs. 2 DS-GVO ohne eine vorherige gesonderte oder allgemeine Genehmigung des Verantwortlichen in schriftlicher Form nicht möglich. Bei einer allgemein erteilten Genehmigung des Verantwortlichen steht diesem gegen die Hinzuziehung oder die Ersetzung von Unterauftragnehmern durch den Auftragsverarbeiter ein Einspruchsrecht zu.
Tipp: Das bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht stellt auf seiner Webseite eine Formulierungshilfe für einen Auftragsverarbeitungsvertrag i.S.v. Art. 28 DS-GVO zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass Vertragsmuster immer auf den jeweiligen Einzelfall angepasst werden müssen und erst nach anwaltlicher Prüfung verwendet werden sollten.
Hinweis: Zusätzliche Informationen zur Auftragsverarbeitung finden auf dem Kurzpapier Nr. 13 der Datenschutzkonferenz (DSK).

Der Datenschutzbeauftragte, Art. 37 ff. DS-GVO, § 38 BDSG (Neu)

Abweichend von den Regelungen der DS-GVO haben gem. § 38 Abs. 1 BDSG (Neu) nicht-öffentliche Stellen (gemeint sind damit insbesondere private Unternehmen) bei denen in der Regel mindestens 10 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen.
Unabhängig von der Zahl der ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigten Mitarbeiter ist ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen, wenn die Verarbeitung der Daten zum Zwecke der Übermittlung oder der Markt- oder Meinungsforschung stattfindet. Auch soweit personenbezogene Daten verarbeitet werden, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 DS-GVO (s.o.) unterliegen, haben nicht-öffentliche Stellen unabhängig von der Zahl der mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, vgl. § 38 Abs. 1 S. 2 BDSG (Neu). So führt gem. Art. 35 Abs. 3 lit. b) DS-GVO schon die umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten oder von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten zur Pflicht zur Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung.
Wann ist eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten umfangreich? Leider ist hier keine auf Einzelfälle anwendbare Zahlenangabe o.ä. möglich. Gleichwohl gibt es Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann. So gilt laut Erwägungsgrund Nr. 91 zur DS-GVO die Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten bspw. dann nicht als umfangreich, wenn die Verarbeitung personenbezogene Daten von Patienten oder von Mandanten betrifft und durch einen einzelnen Arzt, sonstigen Angehörigen eines Gesundheitsberufes oder Rechtsanwalt erfolgt. Bei der Prüfung, ob eine umfangreiche Verarbeitung stattfindet, empfiehlt die Art. 29-Gruppe laut dem "Working Paper" Nr. 243 folgende Faktoren zu berücksichtigen: die Zahl der betroffenen Personen – entweder als bestimmte Zahl oder als Anteil an der maßgeblichen Bevölkerung, das Datenvolumen und/oder das Spektrum an in Bearbeitung befindlichen Daten, die Dauer oder Permanenz der Datenverarbeitungstätigkeit und die geografische Ausdehnung der Verarbeitungstätigkeit.
Beispiele für eine Umfangreiche Verarbeitung stellen dar (Auszug aus "Working Paper" Nr. 243):
die Verarbeitung von Patientendaten im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Krankenhauses,
die Verarbeitung von Reisedaten natürlicher Personen, die ein Verkehrsmittel des kommunalen ÖPNV nutzen (z. B. Nachverfolgung über Netzkarten),
die Verarbeitung von Geolokalisierungsdaten von Kunden einer internationalen Fast-food-Kette in Echtzeit zu statistischen Zwecken durch einen auf Dienstleistungen dieser Art spezialisierten Auftragsverarbeiter,
die Verarbeitung von Kundendaten im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Versicherungsunternehmens oder einer Bank,
die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Suchmaschine zu Zwecken der verhaltensbasierten Werbung,
die Verarbeitung von Daten (Inhalte, Datenverkehrsaufkommen, Standort) durch Telefon- oder Internetdienstleister
Hinweis: Die Art. 29-Gruppe plant aktuell die Veröffentlichung von weiteren Beispielen für maßgebliche Schwellenwerte für die Bestimmung eines Datenschutzbeauftragten.
In Anlehnung an Art. 37 Abs. 1 lit. c) DS-GVO dürfte außerdem davon auszugehen sein, dass die Verarbeitung besonderer personbezogener Daten die Kerntätigkeit des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters darstellen muss. Die Kerntätigkeit ist dabei die Haupttätigkeit; die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten als Nebentätigkeit oder in reiner Unterstützungsfunktion reicht nicht aus, selbst wenn diese an sich unverzichtbar sein sollte.
Beispiele für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten als Kerntätigkeit:
  • Führen von Krankenakten in einem Krankenhaus
  • Überwachung von Einkaufszentren und öffentlicher Plätze durch ein privates Sicherheitsunternehmen.
Beispiele in denen die Verabeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten keine Kerntätigkeit darstellt:
  • Entlohung der Mitarbeiter
  • Standard IT-Support
Der betriebliche Datenschutzbeauftragte wird von dem zur Benennung verpflichteten Unternehmen auf Grundlage seiner beruflichen Qualifikation und insbesondere des Fachwissens auf dem Gebiet des Datenschutzrechts und der datenschutzrechtlichen Praxis benannt. Ggf. sollte der Datenschutzbeauftragte im Rahmen von Weiterbildungen entsprechend qualifiziert werden.
Tipp: Umfangreiche Hinweise des hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu den Mindestanforderungen an die Fachkunde von betrieblichen Datenschutzbeauftragten finden Sie auf der Webseite des hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Die Aufgaben eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ergeben sich aus Art. 39 DS-GVO (kompakte Darstellung):
  • Unterrichtung und Beratung des Unternehmens und der Beschäftigten in datenschutzrechtlichen Fragen,
  • Überwachung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften und Schulung der Mitarbeiter,
  • Beratung - auf Anfrage - im Zusammenhang mit der Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 DS-GVO und
  • Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde (Der betriebliche Datenschutzbeauftragte dient als Anlaufstelle für die Aufsichtsbehörden).
Ob das Amt des Datenschutzbeauftragten intern von einem Mitarbeiter oder von einem Dienstleister als externer Datenschutzbeauftragter wahrgenommen wird, liegt alleine in der Entscheidung der nicht-öffentlichen Stelle/des Unternehmens. Eine schriftliche Benennung des (internen) Datenschutzbeauftragten sieht die DS-GVO nicht mehr vor. Neben seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter darf dieser auch andere Aufgaben und Pflichten übernehmen, solange kein Interessenkonflikt zur Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter besteht. Ein solcher Interessenkonflikt kann bei Positionen innerhalb des leitenden Managements bestehen. Das "Working Paper" Nr. 243 nennt als "Faustregel" folgende Beispiele:
  • Leiter des Unternehmens,
  • Leiter des operativen Geschäftsbereichs,
  • Finanzvorstand,
  • leitender medizinischer Direktor,
  • Leiter der Marketingabteilung.
  • Leiter der Personalabteilung,
  • Leiter der IT-Abteilung.
Mit einem externen Dienstleister ist ein Dienstleistungsvertrag zu schließen. Auch wenn eine bestimmte Form für diesen Dienstleistungsvertrag nicht vorgeschrieben ist, sollte aus Gründen der Rechtssicherheit der Dienstvertrag schriftlich geschlossen werden.
Hinweis: Gem. Art. 37 Abs. 7 DS-GVO sind die Kontaktdaten des/der Datenschutzbeauftragten zu veröffentlichen und der Aufsichtsbehörde (In Hamburg ist das der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit) mitzuteilen.
Generell gilt, dass der Datenschutzbeauftragte in der Lage sein muss, mit Betroffenen zu kommunizieren und mit den zuständigen Aufsichtsbehörden zusammen zu arbeiten. Sofern die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtend ist, ist die Abberufung des Datenschutzbeauftragten in entsprechender Anwendung des § 626 BGB nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist während und bis zu einem Jahr nach der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ebenfalls nur aus wichtigem Grund zulässig, § 6 Abs. 4 S. 2, 3 i.V.m. § 38 Abs. 2 BDSG (neu).
Ausdrücklich geregelt wird in der DS-GVO nunmehr der Konzerndatenschutzbeauftragte. Dessen Bestellung ist grundsätzlich zulässig, sofern der Datenschutzbeauftragte von jeder Niederlassung der Unternehmensgruppe leicht erreicht werden kann.
Tipp: Weitere umfangreiche Informationen über die Bestellung, sowie die Rechte und Pflichten von Datenschutzbeauftragten finden Sie auf dem "Working Paper" Nr. 243 der Art. 29-Gruppe.

Verzeichnis aller (Daten-)Verarbeitungsaktivitäten, Art. 30 DS-GVO

Die DS-GVO schreibt vor, dass Unternehmen ein Verzeichnis aller Verarbeitungstätigkeiten führen müssen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Diese Pflicht gilt allerdings nicht für Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, sofern die Verarbeitung
  • nicht ein Risiko für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen bedeutet,
  • nicht nur gelegentlich erfolgt,
  • keine besondere Kategorien personenbezogener Daten oder
  • keine Daten über strafrechtliche Verurteilungen und über bestimmte Straftaten einschließt.
Sofern eine Pflicht zur Führung eines solchen Verzeichnisses besteht, muss das Verzeichnis gem. Art. 30 DS-GVO folgende Angaben enthalten:
  • den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen und ggf. des gemeinsam mit ihm verantwortlichen Vertreters sowie eines etwaigen Datenschutzbeauftragten,
  • die Zwecke der Verarbeitung,
  • eine Beschreibung der Kategorien betroffener Personen und der Kategorien personenbezogener Daten,
  • die Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, einschließlich Empfänger in Drittländern oder internationalen Organisationen,
  • ggf. Übermittlungen von personenbezogenen Daten an ein Drittland oder an eine internationale Organisation,
  • wenn möglich die vorgesehenen Fristen für die Löschung der verschiedenen Datenkategorien,
  • wenn möglich eine allgemeine Beschreibung der technischen und organisatorischen Maßnahmen.
Tipp: Auf der Webseite des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit finden Sie ein Muster für ein Verzeichnis nach Art. 30 DS-GVO.
Das Verfahrensverzeichnis muss der Aufsichtsbehörde auf Anfrage vorgelegt werden. Das Verzeichnis kann auch in einem elektronischen Format geführt werden.
Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 1 Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten - Art. 30 DS-GVO.

Die Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland, Art. 44 ff. DS-GVO

Vorbemerkung

Die Frage nach der Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten ist sehr aktuell und von stetig wachsender Bedeutung. Die zunehmende Digitalisierung, die ständig wachsende Menge der verarbeiteten Daten und die dezentrale Verarbeitung digitaler Daten rund um den Globus machen dies deutlich. Speichert man beispielsweise als Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten in einer Cloud, sollte man sich deshalb vorher mit der Zulässigkeit der Übermittlung der Daten in andere Staaten beschäftigt haben.
In die DS-GVO sind einige Grundgedanken eingeflossen, die bereits nach aktuellem Recht Gültigkeit haben. Dazu gehört beispielsweise, dass die Übermittlung von personenbezogenen Daten auch nach der DS-GVO als sogenanntes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet ist. Das heißt, dass eine Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland verboten ist, solange die Übermittlung nicht nach der DS-GVO zulässig ist. Aus der rechtspolitischen Diskussion der letzte Jahre ist auch der Aspekt des "angemessenen Datenschutzniveaus" im Empfängerstaat bereits bekannt. Daher bestimmt die DS-GVO in Art. 44 S. 2 selbst:
"Alle Bestimmungen dieses Kapitels sind anzuwenden, um sicherzustellen, dass das durch diese Verordnung gewährleistete Schutzniveau für natürliche Personen nicht untergraben wird."
Diesem Ziel versucht die DS-GVO durch detaillierte Regelungen nachzukommen. Über die für die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung relevantesten Regelungen soll im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein kurzer Überblick gegeben werden. Auf Bezüge zur Frage der - nahezu inhaltsgleichen - Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten an internationale Organisationen wird dabei aus Gründen der Vereinfachung verzichtet.

Die Übermittlung innerhalb der EU

Im Geltungsbereich der DS-GVO kann wegen der europaweiten Angleichung des datenschutzrechtlichen Rechtsrahmens von einem angemessenen Schutzniveau ausgegangen werden. Die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb der EU ist nach der DS-GVO also grundsätzlich unproblematisch. Trotzdem sollte bei der Übermittlung personenbezogener Daten auch innerhalb der EU darauf geachtet werden, dass die Daten nicht in Hände gegeben werden, denen die Zuverlässigkeit für den rechtskonformen Umgang mit personenbezogenen Daten offensichtlich fehlt.

Die Übermittlung in EWR-Staaten

Auch in den EWR-Staaten Norwegen, Island, Lichtenstein und der Schweiz kann ab dem 25. Mai 2018 von einem angemessenen Schutzniveau ausgegeangen werden, sofern diese die Regelungen der DS-GVO in ihr nationales Recht übernehmen.
Tipp: Den Status des Übernahmeprozesses können Sie auf der Webseite der European Free Trade Association (EFTA) verfolgen.
Nach aktuellem Recht kann bis zum 25. Mai 2018 noch von einem angemessenen Schutzniveau in Norwegen, Island und Lichtenstein ausgegangen werden. Denn diese Länder haben die Richtlinie 95/46/EG, die ein wesentlicher Teil des derzeit noch gültigen Datenschutzrechts ist, in ihr nationales Recht übernommen. In der Schweiz ist dieses zwar nicht der Fall, so dass eine Übermittlung personenbezogener Daten in die Schweiz wie eine Übermittlung in einen Drittstaat behandelt wird. Allerdings hat die Kommission gem. Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG bereits festgestellt, dass in der Schweiz ein angemessenes Schutzniveau gegeben ist.

Die Übermittlung in Drittstaaten

Die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittstaaten ist zulässig, wenn die Kommission beschlossen hat, dass das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau bietet (vgl. Art. 45 Abs. 1 S. 1 DS-GVO). Einer Genehmigung bedarf es für die Übermittlung der Daten dann nicht.
Tipp: Bei welchen Drittstaaten die Kommission ein angemessenes Schutzniveau festgestellt hat, können Sie auf der Webseite der Kommission "Commission decisions on the adequacy of the protection of personal data in third countries" erfahren.
Eine Besonderheit stellt das EU-US Privacy-Shield dar. Unternehmen, die ihren Sitz in den USA haben, können sich auf einer Liste des US-Handelsministeriums registrieren lassen, wenn diese ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten.
Tipp: Die Artikel-29-Datenschutzgruppe hat weitere Hinweise für Unternehmen zum EU-US Privacy-Shield veröffentlicht.
Die Kommission überwacht fortlaufend die Entwicklung des Schutzniveaus in den Drittstaaten, deren Angemessenheit des Schutzniveaus von ihr festgestellt worden ist. Beschlüsse über die Festellung des Schutzniveaus können von der Kommission widerrufen oder geändert werden, wenn Informationen darüber vorliegen, dass in dem jeweiligen Drittland kein angemessenes Schutzniveau mehr gewährleistet ist.
Falls kein Beschluss der Kommission über das Vorliegen eines angemessenen Schutzniveaus vorliegt, darf ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten an ein Drittland nur übermitteln, sofern der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter geeignete Garantien vorgesehen hat und sofern den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, Art. 46 Abs. 1 DS-GVO. Was für Garantien das sein können, ohne dass eine besondere Genehmigung einer Aufsichtsbehörde dafür erforderlich wäre, stellt die DS-GVO in Absatz 2 lit. a) bis f) selbst dar. Diese Garantien bestehen in (In aller Kürze dargestellt):
  • einem rechtlich bindenden und durchsetzbaren Dokument zwischen den Behörden und öffentlichen Stellen,
  • verbindlichen internen Datenschutzvorschriften gem. Art. 47 DS-GVO,
  • Standardvertragsklauseln, die von der Kommission gem. dem Prüfverfahren nach Art. 93 Abs. 2 DS-GVO erlassen werden,
  • von einer Aufsichtsbehörde angenommene Standardvertragsklauseln,
  • genehmigte Verhaltensregeln gem. Art. 40 DS-GVO oder
  • einem genehmigten Zertifizierungsmechanismus gem. Art. 42 DS-GVO zur Anwendung der geeigneten Garantien.
Gem. Art. 46 Abs. 3 DS-GVO können geeignete Garantien vorbehaltlich einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde auch insbesondere bestehen in:
  • Vertragsklauseln, die zwischen dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter und dem Verantwortlichen, dem Auftragsverarbeiter oder dem Empfänger der personenbezogenen Daten im Drittland vereinbart wurden oder
  • Bestimmungen, die in Verwaltungsvereinbarungen zwischen Behörden oder öffentlichen Stellen aufzunehmen sind und durchsetzbare und wirksame Rechte für die betroffenen Personen einschließen.
Hinweis: In Bezug auf die oben genannten Garantien findet mitunter das sog. Kohärenzverfahren der europäischen Aufsichtsbehörden gem. Art. 63 DS-GVO Anwendung (s.u., "Das Kohärenzverfahren, Art. 63 DS-GVO"). Wie sich die Praxis der Aufsichtsbehörden zwischen etwaigen besonderen Genehmigungen von Garantien und dem Kohärenzverfahren entwickelt, bleibt noch abzuwarten.
Für die Übermittlung in Drittstaaten sieht die DS-GVO noch eine Reihe von praktisch relevanten Ausnahmen für bestimmte Fälle vor, in denen weder ein Angemessenheitsbeschluss der Kommission (s.o.), noch geeignete Garantien nach Art. 46 DS-GVO bzgl. des Schutzniveaus (s.o.) vorliegen. Dabei handelt es sich um folgende Fälle (Etwas verkürzte Darstellung):
  • Es liegt eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person vor,
  • die Übermittlung ist für die Erfüllung eines Vertrages zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen oder zur Durchführung von vorvertraglichen Maßnahmen auf Antrag der betroffenen Person erforderlich,
  • die Übermittlung ist zum Abschluss oder zur Erfüllung eines im Interesse der betroffenen Person von dem Verantwortlichen mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person geschlossenen Vertrages erforderlich,
  • die Übermittlung ist aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses notwendig,
  • die Übermittlung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich,
  • die Übermittlung ist zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder anderer Personen erforderlich, sofern die betroffene Person aus physischen oder rechtlichen Gründen keine Einwilligung abgeben kann oder
  • die Übermittlung erfolgt aus einem Register, das entweder der Öffentlichkeit offen steht oder allen anderen, die ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme haben (Bsp.: Handelsregister).
Hinweis: Sollte es bei einem Brexit keine Regelungen zum Datenschutzrecht zwischen der EU und Großbritannien geben, ist Großbritannien ab dem 30. März 2019 datenschutzrechtlich ein Drittland. Unternehmen, die über dieses Datum hinaus eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten in Großbritannien planen, sollten sich deshalb - falls dann kein Angemessenheitsbeschluss der Kommission vorliegen sollte - geeignete datenschutzrechtliche Garantien i.S.d. Art. 46 DS-GVO einplanen und umsetzen.
Ein letzter Auffangtatbestand findet sich anschließend in Art. 49 Abs. 1 S. 2 DS-GVO.
Hinweis: Auch wenn die Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland gem. Art. 44 ff. der DS-GVO zulässig ist, müssen die übrigen Vorschriften der DS-GVO eingehalten werden. Das bedeutet, dass auch in dem Fall, dass die jeweiligen personenbezogenen Daten innerhalb eines Drittstaates oder in einen anderen Drittstaat übermittelt werden, die Vorschriften der DS-GVO eingehalten werden müssen! Das ergibt sich aus dem "Marktortprinzip" (Mehr dazu siehe oben unter "Der räumliche Anwendungsbereich, Art. 3 DS-GVO).
Zur Einhaltung der übrigen Vorschriften der DS-GVO gehört insbesondere, dass die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittstaaten oder an internationale Organisationen zusätzliche Informations- und Auskunftspflichten des Verantwortlichen gegenüber den betroffenen Personen auslöst, siehe
  • Art. 13 Abs. 1 lit. f) DS-GVO
  • Art. 14 Abs. 1 lit. f) DS-GVO
  • Art. 15 Abs. 1 lit. c) DS-GVO
  • Art. 30 Abs. 1 lit d), e), Abs. 2 lit. c) DS-GVO
Weitere Informationen zu Informationspflichten finden Sie unter "Informationspflichten, Art. 13 DS-GVO".
Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 4 Datenübermittlung in Drittländer.

Meldepflichten bei "Datenpannen", Art. 33, 34 DS-GVO

Sollte es zu datenschutzrechtlich relevanten Vorfällen kommen, umgangssprachlich "Datenpannen", treffen den Verantwortlichen unter Umständen empfindliche Meldepflichten. Datenschutzrechtlich relevante Vorfälle sind Fälle der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten. Grundsätzlich hat der Verantwortliche jede Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten zu melden. Die DS-GVO geht damit über die bisherige Regelung in § 42a BDSG deutlich hinaus.
Zu unterscheiden sind Meldepflichten gegenüber der jeweiligen Aufsichtsbehörde und Benachrichtigungspflichten gegenüber den betroffenen Personen. Kommt ein Verantwortlicher einer bestehenden Meldepflicht nicht nach, kann dieses Maßnahmen der Aufsichtsbehörden gem. Art. 58 Abs. 2 a) bis h), i) DS-GVO bis hin zur Verhängung von Bußgeldern gem. Art. 83 DS-GVO i.V.m. § 41 ff. BDSG (Neu) zur Folge haben.

Meldungen an die Aufsichtsbehörde, Art. 33 DS-GVO

Wie bereits erwähnt hat der Verantwortliche grundsätzlich jede Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten zu melden. Die Meldepflicht besteht gegenüber den Aufsichtsbehörden gem. Art. 33 Abs. 1 DS-GVO allerdings nicht, wenn die Verletzung nicht zu einem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen führt. Es ist abzuwarten, ob und wie weit die Aufsichtsbehörden diese schwer definierbare Einschränkung konkretisieren werden.
Die Meldung ist binnen 72 Stunden nach Kenntnis der Verletzung abzugeben. Sollte eine Meldung erst nach Ablauf dieser Frist erfolgen, hat der Verantwortliche dieses zu begründen.
Die Meldung muss mindestens die folgenden Informationen enthalten:
  • eine Beschreibung der Art der Verletzung, soweit möglich mit Angabe der Kategorien und der ungefähren Zahl der betroffenen Personen, der betroffenen Kategorien und der ungefähren Zahl der betroffenen Datensätze;
  • den Namen und die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlaufstelle für weitere Informationen;
  • eine Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten;
  • eine Beschreibung der von dem Verantwortlichen ergriffenen oder vorgeschlagenen Maßnahmen zur Behebung der Verletzung und gegebenenfalls Maßnahmen zur Abmilderung ihrer nachteiligen Auswirkungen.
Der Verantwortliche ist außerdem verpflichtet die Verletzungen zu dokumentieren. Dazu gehört auch die Dokumentation aller im Zusammenhang mit der Verletzung stehenden Fakten, die Auswirkungen der Verletzung und die getroffenen Abhilfemaßnahmen. Diese Dokumentation muss der Aufsichtsbehörde die Überprüfung ermöglichen, ob der Verantwortliche seinen Meldepflichten nach Art. 33 DS-GVO nachgekommen ist.

Benachrichtigung an natürliche Personen, Art. 34 DS-GVO

Eine Benachrichtigungspflicht gegenüber natürlichen Personen, also regelmäßig gegenüber den Betroffenen, setzt voraus, dass die Verletzung personenbezogener Daten voraussichtlich ein hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten zur Folge hat. Ob ein Risiko als hoch einzustufen ist, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen (vgl. Erwägungsgrund 76). Ob dabei dieselben Maßstäbe gelten, wie bei der Datenschutz-Folgenabschätzung (s.o.) ist noch offen.
Eine Benachrichtigung betroffener Personen ist nicht erforderlich, wenn einer der in Art. 34 Abs. 3 DS-GVO genannten Ausnahmetatbestände greift:
  • Der Verantwortliche hat geeignete technische und organisatorische Sicherheitsvorkehrungen getroffen und diese Vorkehrungen auf die von der Verletzung betroffenen personenbezogenen Daten angewandt, insbesondere solche, durch die die personenbezogenen Daten für alle Personen, die nicht zum Zugang zu den personenbezogenen Daten befugt sind, unzugänglich gemacht werden, etwa durch Verschlüsselung,
  • der Verantwortliche durch nachfolgende (d.h. nach dem Vorfall durchgeführte) Maßnahmen sichergestellt hat, das das hohe Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr besteht oder
  • die Benachrichtigung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. In diesem Fall hat der Verantwortliche stattdessen eine öffentliche Bekanntmachung oder eine ähnliche Maßnahme durchzuführen, durch die die betroffenen Personen vergleichbar wirksam informiert werden.
Wenn eine Benachrichtigungspflicht besteht, hat der Verantwortliche den betroffenen Personen in klarer und einfacher Sprache die Art der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten zu beschreiben. Außerdem hat die Benachrichtigung die Informationen zu enthalten, wie sie die Meldung an die Aufsichtsbehörde zu enthalten hat (siehe oben zur Meldepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde bulletpoint 2 bis 4).

Das Kohärenzverfahren, Art. 63 DS-GVO

Die DS-GVO führt das sog. Kohärenzverfahren ein. Zweck des Kohärenzverfahrens ist die einheitliche Anwendung der DS-GVO für die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden in der EU. Das Kohärenzverfahren findet Anwendung, wenn
  • eine Aufsichtsbehörde Maßnahmen erlassen möchte, die für eine bedeutende Zahl betroffener Personen in mehreren Mitgliedstaaten erheblich Auswirkungen haben,
  • eine Aufsichtsbehörde oder die EU-Kommission dieses beantragt,
  • Positiv- oder Negativlisten in den Fällen des Art. Art. 35 Abs. 6 DS-GVO festgelegt werden,
  • Verhaltensregeln in den Fällen des Art. 40 Abs. 7, Art. 41 Abs. 3 DS-GVO ausgearbeitet werden,
  • im Fall des Art. 46 Abs. 3 DS-GVO geeignete Garantien genehmigt werden, Art. 46 Abs. 4 DS-GVO oder
  • wenn in den Fällen des Art. 47 Abs. 1 DS-GVO verbindliche interne Datenschutzvorschriften genehmigt werden. 

Zertifizierung, Art. 42 DS-GVO

Die DS-GVO sieht in Art. 42 die Förderung der Einführung von datenschutzspezifischen Zertifizierungsverfahren und Datenschutzsiegeln durch Mitgliedstaaten, die Aufsichtsbehörden, den Europäischen Datenschutzausschuss und die EU-Kommission vor. Hier ist noch abzuwarten, worauf sich die relevanten Institutionen verständigen werden.
Hinweis: Hier kommen Sie zum Kurzpapier der DSK Nr. 9 Zertifizierung nach Art. 42 DS-GVO.

Bußgelder

Die DS-GVO sieht empfindliche Bußgelder vor. Verstöße gegen bestimmte Tatbestände in Art. 83 DS-GVO können mit Geldbußen bis zu 20.000.000,- Euro oder im Falle eines Unternehmens bis zu 4 % des weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden – je nachdem, welcher Betrag höher ist.

Informieren Sie sich auch auf unsererer Veranstaltungsdatenbank zu den aktuellen Veranstaltungen zum Thema Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO).
Datenschutz

Transparenzregister

Das Geldwäschegesetz wurde zum 01.08.2021 geändert. Grund ist das „TraFinG Gw“ - ein Gesetz mit dem sperrigen Namen „Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz Geldwäsche“. Enthalten ist das Konzept eines Transparenz-Vollregisters. Sämtliche deutschen Gesellschaften wurden zur Meldung ihrer wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister verpflichtet. Von der Änderung betroffen sind daher insbesondere die Gesellschaften, die bisher die Mitteilungsfiktion des § 20 Abs. 2 GwG nutzen.
Wichtiger Hinweis:
Bereits in den vergangenen Jahren hat das Bundesverwaltungsamt zahlreiche Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund von Verstößen gegen die Mitteilungspflichten gegen Unternehmen eingeleitet, die zu teils empfindlichen Bußgeldern geführt haben. Schon im Hinblick darauf sollten sich alle Unternehmen – nicht nur die nach dem Geldwäschegesetz ohnehin Verpflichteten – frühzeitig und sorgfältig damit befassen, ob und in welchem Umfang sie Meldepflichten an das Transparenzregister zu erfüllen haben
Das Register sieht Angaben zu den Eigentümerstrukturen - d. h. wirtschaftlich Berechtigten- von Unternehmen, Stiftungen und ähnlichen Gestaltungen sowie entsprechende Mitteilungspflichten der Betroffenen vor.
Auch wenn die Implementierung des Transparenzregisters im Zusammenhang mit der Überarbeitung des GwG steht, betrifft es nicht nur diejenigen Akteure, die im besonderen Maße einem Geldwäscherisiko ausgesetzt sind, sondern grundsätzlich alle deutschen Unternehmen- unabhängig von ihrer Rechtsform und Größe.
Unternehmen, insbesondere Personengesellschaften, sollten prüfen, ob aufgrund der konkreten gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Transparenzregister besteht.

Wichtig: Dies ändert sich jedoch zum 1. Januar 2024 für diejenigen Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbRs), die in das neu geschaffene Gesellschaftsregister eingetragen werden. Sodann unterfällt auch die sog. eingetragene GbR (eGbR) der Eintragungspflicht in das Transparenzregister. Die Mitteilung an das Transparenzregister hat unmittelbar nach Eintragung in das Gesellschaftsregister zu erfolgen.
Din Einzelheiten dazu werden nachfolgend dargestellt:

1. Hintergrund

Anlass der geplanten Änderungen ist die Vernetzung aller europäischen Transparenzregister (die ursprünglich bis Ende März 2021 geplant war) aufzudecken, welche natürlichen Personen hinter international verschachtelten Unternehmensstrukturen stehen.
Hierzu soll eine europäische Plattform eingerichtet werden, über die sämtliche in den nationalen Transparenzregistern enthaltenen Daten abrufbar sein werden.
Übergangsfristen
Der Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes ist der 1. August 2021. Für Gesellschaften bzw. Vereinigungen, die aufgrund der Gesetzesänderung erstmals meldepflichtig werden, gelten folgende Übergangsfristen, innerhalb derer die Mitteilung des wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister erfolgen muss, vgl. § 59 Abs. 8 GwG n.F.:
  • AG, SE und KGaA: bis 31. März 2022
  • GmbH, eG, SCE und Partnerschaften: bis 30. Juni 2022
  • Sonstige: bis 31. Dezember 2022
Jeweils noch ein Jahr länger werden die mit der Meldepflicht verbundenen Ordnungswidrigkeiten aus § 56 Abs. 1 Nr. 55 und Nr. 58 bis 60 GwG ausgesetzt (vgl. § 59 Abs. 9 GwG n.F.).
Für wen gelten die Übergangsfristen?
Die Übergangsregelungen finden nur auf solche Vereinigungen Anwendung, die nach derzeitiger Gesetzeslage nicht zur Mitteilung ihrer wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister verpflichtet sind. Andernfalls ist der wirtschaftlich Berechtigte dem Transparenzregister unverzüglich mitzuteilen. Auch Vereinigungen, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens neu errichtet werden, profitieren nicht von den Übergangsregelungen und müssen ihre wirtschaftlich Berechtigten unverzüglich nach Errichtung dem Transparenzregister melden.

2. Allgemeines

Status Quo (gültig bis 31.07.2021)
Mit Inkrafttreten des Geldwäschegesetzes (GwG) am 26. Juni 2017 wurde in Deutschland ein elektronisch geführtes Transparenzregister eingeführt, in dem die jeweils wirtschaftlich Berechtigten dargelegt werden müssen. Zweck ist die Bekämpfung von Geldwäschepraktiken und Terrorismusfinanzierung mittels Transparenz. Im Nachgang zu den Terroranschlägen von Paris und Brüssel und dem Bekanntwerden z.B. der „Panama Papers“ soll verhindert werden, dass sich kriminelle Akteure hinter gesellschaftsrechtlichen Strukturen wie Briefkastenfirmen verstecken können: „Folge der Spur des Geldes – und überführe die Straftäter!“
Im Geldwäschegesetz befinden sich in Abschnitt 4, also in den §§ 18 – 26a GwG, Regelungen zum Transparenzregister.
Die Regelungen zu dem Transparenzregister finden sich in §§ 3, 18 bis 26 GwG.
Das Transparenzregister soll „Angaben“ zu den „wirtschaftlich Berechtigten“ von „Vereinigungen“ und bestimmten „Rechtsgestaltungen“ i. S. d. GwG enthalten. Bei den „Vereinigungen“ handelt es sich um juristische Personen des Privatrechts und um eingetragene Personengesellschaften; nicht erfasst ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Rechtsgestaltungen im Sinne des § 21 GwG sind Trusts und nicht eingetragenen Stiftungen sowie ähnliche Rechtsgestaltungen.
Betroffen sind somit alle im (deutschen) Handelsregister eingetragenen Gesellschaften (u. a. GmbH, Unternehmergesellschaft, OHGs, KGs), sonstige inländische juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften (u. a. Partnerschaften, Genossenschaften, Vereine, rechtsfähige Stiftungen) sowie bestimmte vergleichbare Rechtsgestaltungen (insbesondere Trusts und nichtrechtsfähige Stiftungen), wenn diese einen Inlandsbezug haben.

3. Wer ist mitteilungspflichtig?

Mitteilungsverpflichtete sind die „Vereinigungen“ selbst sowie diesen gegenüber die (inländischen wie ausländischen) Anteilseigner und wirtschaftlich Berechtigten. Die gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen des Privatrechts und eingetragenen Personengesellschaften haben die Pflicht, die notwendigen Angaben einzuholen, aufzubewahren, auf aktuellem Stand zu halten und der registerführenden Stelle elektronisch unter www.transparenzregister.de mitzuteilen. Gleiches gilt bei Trusts und nicht rechtsfähigen Stiftungen für Verwalter von Trusts (Trustees) oder Treuhänder mit Wohnsitz oder Sitz in Deutschland.
Nicht mitteilungspflichtig, da nicht von §§ 20 Abs. 1 und 21 Abs. 1 GwG erfasst, sind –wie oben erwähnt- Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und Einzelunternehmer.
Die Verpflichtung selbst besteht fortlaufend, ist also unabhängig von der Eingehung spezieller Rechtsgeschäfte.
Es wird empfohlen, im Rahmen der internen Compliance-Systeme mindestens einmal im Jahr zu überprüfen, ob Informationen bekannt geworden sind, aus denen sich eine Änderung des wirtschaftlich Berechtigten ergibt. Laut Gesetzesbegründung besteht keine eigene Nachforschungspflicht, allerdings dürften die betroffenen Unternehmen verpflichtet sein, leicht zugängliche Erkenntnisquellen, wie etwa die Nachfrage bei wesentlichen Gesellschaftern, zu nutzen.
Einzelunternehmer, eingetragene Kaufleute (e.K.) und GbRs sind grundsätzlich nicht von der Mitteilungspflicht betroffen. Soweit die GbR allerdings Anteile an einer GmbH hält, sind über die Änderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG auch die Gesellschafter der GbR in die Gesellschafterliste der GmbH einzutragen.

4. Wer ist wirtschaftlich Berechtigter?

Wirtschaftlich Berechtigter ist immer eine natürliche Person, in deren Eigentum oder unter dessen Kontrolle die Vereinigung oder Trust-ähnliche Struktur steht. Gesellschaften und Personenvereinigungen sind nicht als wirtschaftlich Berechtigte zu nennen.
Juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften haben die in § 19 Abs. 1 GwG aufgeführten Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten dieser Vereinigungen einschließlich des Wohnsitzlandes einzuholen, aufzubewahren, auf aktuellem Stand zu halten und der registerführenden Stelle (der Bundesanzeiger-Verlag GmbH) unverzüglich zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen.
Bei juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften sind nach § 3 Abs. 2 GwG solche natürlichen Personen wirtschaftlich berechtigt, die unmittelbar oder mittelbar
  1. mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile halten
  2. mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrollieren oder
  3. auf vergleichbare Weise Kontrolle ausüben.
Die Ausübung der „Kontrolle auf vergleichbare Weise“ nach Nr. 3 wird durch § 19 Abs. 3 Nr. 1b) GwG konkretisiert: danach ist dies insbesondere aufgrund von Absprachen zwischen mehreren Anteilseignern untereinander der Fall. Darunter fallen nach der Gesetzesbegründung Treuhandverhältnisse und Stimmbindungsvereinbarungen.
Für mittelbare Kontrolle ist ein beherrschender Einfluss nötig. In Holdingstrukturen beziehungsweise in Gesellschafterketten setzt dies voraus, dass in Bezug auf die zwischengeschalteten Gesellschaften eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Kontrolle nach § 290 Abs. 2 bis 4 Handelsgesetzbuch (HGB) vorliegt. Insofern gilt die 25 Prozent-Schwelle nicht.
Aufgrund der Vielfältigkeit der Beteiligungsstrukturen muss für jeden Fall konkret geprüft werden, welche Informationen bereits über ein öffentliches Register zugänglich sind.
Sofern keine natürliche Person als wirtschaftlich Berechtigter ermittelt werden kann, gilt der gesetzliche Vertreter oder der geschäftsführende Gesellschafter als wirtschaftlich Berechtigter, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 5 GwG.

5. Welche Angaben sind zu machen?

Die mitteilungspflichtigen Angaben zu dem wirtschaftlich Berechtigten umfassen
  • Vor- und Nachname
  • Geburtsdatum
  • Wohnort
  • Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses
Aus den Angaben zu Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses muss deutlich werden, woraus die Stellung als wirtschaftlich Berechtigter folgt, zum Beispiel aus der Höhe der Kapitalanteile oder der Stimmrechte oder aufgrund einer Absprache mit Dritten oder anderen Anteilseignern (etwa über Stimmbindungs-, Pool- oder Konsortialvereinbarungen).
Bei Trust oder ähnlichen Rechtsgestaltungen ist gem. § 21 Abs. 1 GwG auch die Staatsangehörigkeit der wirtschaftlich Berechtigte mitzuteilen.

6. Entfallen der Mitteilungsfiktion

Auch wenn sich die Angaben zu dem wirtschaftlich Berechtigten bereits aus Dokumenten und Eintragungen ergeben, die elektronisch aus den öffentlich zugänglichen Registern abrufbar sind, gilt die Mitteilungsfiktion an das Transparenzregister nach § 20 Abs. 2 GwG seit dem 01.08.2021 nicht mehr. Dazu zählten u.a. Eintragungen im Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts- oder Vereinsregister, Gesellschafterlisten oder die WpHG-Stimmrechtsmitteilungen nach §§ 26, 26a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Eine Mitteilung an das Transparenzregister musste somit nur erfolgen, wenn die Informationen nicht bereits aus anderen Registern abrufbar waren.
Der Wegfall der Mitteilungsfiktion hat zur Folge, dass sich alle transparenzpflichtigen Rechtseinheiten (Juristische Personen, eingetragene Personengesellschaften etc.), die sich bisher auf die Mitteilungsfiktion des bis einschließlich zum 31.07.2021 geltenden § 20 Abs. 2 GwG berufen konnten zur Folge, dass eine bislang nicht vorzunehmende Eintragung der wirtschaftlich Berechtigten nunmehr erforderlich wird.

7. Wer ist angabepflichtig?

Vereinigungen müssen die Angaben der wirtschaftlich Berechtigten von ihren unmittelbaren Anteilseignern einholen. Diese wiederum sind auskunftspflichtig, vgl. § 20 Abs. 3 GwG. Dadurch soll die mitteilungspflichtige Gesellschaft die notwendigen Informationen erhalten und die Geschäftsleitung entlastet werden.

8. Wer kann Einsicht nehmen?

Bei dem Transparenzregister handelt es sich nicht um ein öffentliches Register. Es wurde nicht als ein Volldatenregister ausgestaltet, sondern fungiert vielmehr als ein Portal, über das die notwendigen Informationen abgerufen werden können (Verlinkungslösung). Das Recht der Einsichtnahme besteht in einem gestaffelten Zugang (vgl. § 23 GwG):
Die Einsichtnahme ist gestattet:
  • Behörden, soweit es zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist, zum Beispiel den Aufsichts-, den Strafverfolgungs- und den Steuerbehörden
  • den Verpflichteten nach dem GwG zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten und
  • jedem, der der registerführenden Stelle darlegt, dass er ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme hat.
Die Formulierung „berechtigtes Interesse“ ist dem grundbuchrechtlichen Begriff der Einsichtnahme aus § 12 Grundbuchordnung (GBO) entnommen und erfordert ein „verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse“. In der Gesetzesbegründung heißt es u.a. dazu:
Ein derartiges Interesse besteht insbesondere, wenn ein Bezug zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche, damit zusammenhängenden Vortaten wie Korruption und Terrorismusfinanzierung nachvollziehbar vorgebracht wird. Ein solcher Bezug ist beispielsweise mittels leicht zugänglicher Dokumente wie etwa der Satzung oder dem Mandat von Nichtregierungsorganisationen, die sich dem Einsatz gegen Geldwäsche, gegen deren Vortaten und gegen Terrorismusfinanzierung verschrieben haben, zu belegen, auf vorausgegangene Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche, damit zusammenhängenden Vortaten wie Korruption und Terrorismusfinanzierung zu stützen oder auf Untersuchungen etwa durch Fachjournalisten in diesem Bereich. Dabei muss die Recherche der Vorbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dienen.
Hinweis: Dem Transparenzregister kommt kein guter Glaube zu, d.h. die Angaben aus dem Register bieten keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Zur Erfüllung der geldwäscherechtlichen Pflichten sind daher -risikoorientiert- weitere Informationen einzuholen.
Auf Antrag des wirtschaftlich Berechtigten kann die Einsichtnahme vollständig oder teilweise beschränkt werden, sofern überwiegende schutzwürdige Interessen dafür sprechen, z.B. bei Gefahr, Opfer einer in § 23 Abs. 2 GwG genannten Straftat (wie Betrug, Geiselnahme oder Totschlag) zu werden oder der wirtschaftlich Berechtigte minderjährig oder geschäftsunfähig ist.

9. Öffentlichkeit

Das Transparenzregister ist für die gesamte „Öffentlichkeit“ zugänglich. Nach einer Online-Registrierung kann Jedermann dort Einsicht nehmen. Es besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Beschränkung der Einsichtnahme in das Transparenzregister zu stellen, um persönliche Daten zu schützen, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen (z.B. Opfer bestimmter schwerer Straftaten zu werden) entgegenstehen. Bei Gefahr für Leib oder Leben eingetragener Personen kann also eine Beschränkung beantragt werden (§ 23 GwG).

10. Unstimmigkeiten

Fallen Verpflichteten Unstimmigkeiten im Transparenzregister bei den Angaben zum wirtschaftlichen Berechtigten auf, sind sie unverzüglich zu einer Meldung an das Transparenzregister verpflichtet (§ 23 a GwG).

11. Zuständigkeit

Die Bundesanzeiger-Verlag GmbH als registerführende Stelle unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht durch das Bundesverwaltungsamt (BVA). Rechtliche Auskünfte zum Transparenzregister werden daher vom BVA erteilt. Hilfreich sind die FAQ, die regelmäßig aktualisiert werden.

12. Ordnungswidrigkeit

Wer den Mitteilungspflichten nicht nachkommt, riskiert damit nach § 56 GwG bei einfachen Verstößen ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro, bei wiederholten Verstößen Bußgelder bis zu 1 Million Euro. Bestandskräftige Bußgeldbescheide werden zudem von der Aufsichtsbehörde unter Nennung der verantwortlichen natürlichen und juristischen  Person sowie Art und Charakter des Verstoßes für eine Dauer von mindestens fünf Jahren auf der Internetseite der Behörde veröffentlicht, vgl. § 57 GwG.

13. “Pranger”

Das GWG sieht in § 57 die Veröffentlichung von Verstößen vor. Damit würde ein hoher Reputationsverlust für das betroffene Unternehmen einhergehen („Prangerprinzip“).

14. Registrierung bei der FIU / Typologiepapiere

Für alle Verpflichteten nach dem GwG wird ab dem 01. Januar 2024 eine Registrierungspflicht bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) bestehen, und zwar unabhängig von einer ebenfalls dort abzugebenden Verdachtsmeldung (§ 45 Absatz 1 GwG).
Eine vorzeitige Registrierung ist aber empfehlenswert: Neben allgemeinen Informationen haben Verpflichtete dort im „Internen Bereich“ auch Zugriff auf branchenspezifische Typologiepapiere (z.B. Immobiliensektor, Kfz-, Glücksspiel), deren Kenntnis die Aufsichtsbehörden voraussetzen. Außerdem ist im Ernstfall die unverzügliche Abgabe einer Verdachtsmeldung möglich, ohne dann erst noch den Registrierungsprozess durchlaufen zu müssen.
Die Registrierung ist hier möglich: GoAML Home
Weitere Informationen zur FIU: Zoll online - Fachliche Informationen

15. Empfehlung

Überprüfen Sie, ob Handlungsbedarf besteht bzgl.
  • einer Meldung zum Transparenzregister oder
  • der Aktualisierung einer Meldung zum Transparenzregister

Stand: Juli 2021

Recht und Steuern

Das Hamburger Compliance Zertifikat ersetzt den Blick in das Korruptionsregister

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat das Hamburger Compliance Zertifikat offiziell anerkannt und begrüßt die mit einer Zertifizierung erreichbaren Vorsorgemaßnahmen von Unternehmen zur Vorbeugung von Verfehlungen beziehungsweise zur Korruptionsbekämpfung.
Mit dieser Anerkennung der Finanzbehörde entfällt die Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber zur Registerabfrage im hamburgischen Korruptionsregister gemäß Paragraph 7 Absatz 1 GRfW, wenn ein Unternehmen über ein gültiges Hamburger Compliance Zertifikat verfügt. Eine Zertifizierung nach dem Hamburger Compliance Modell ist damit für Unternehmen, die an Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber teilnehmen, von besonderem Vorteil!
Datenschutz

Personenbezogene Daten im Unternehmen

1. Datenschutz, rechtliche Grundlagen und Gesetzeszweck

Zweck des Datenschutzes ist es, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger zu gewährleisten. Damit begrenzt der Datenschutz die wirtschaftliche Betätigung im Bereich der Datenverarbeitung auf das erforderliche Maß und so auf einen gesellschaftlich verträglichen Umfang. Der Datenschutz ist als Rahmenbedingung des Wettbewerbs von allen Marktteilnehmern gleichermaßen zu beachten. 
Tipp: Die verantwortungsvolle Verwendung von Daten kann im Marketing kommuniziert werden und sich als Wettbewerbsvorteil erweisen.
Maßgeblich für den Datenschutz in Unternehmen sind die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes neu BDSG neu. Daneben existieren Landesdatenschutzgesetze, die jedoch nicht für Wirtschaftsunternehmen gelten, da sie lediglich auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen anwendbar sind. Bereichsspezifische Sondergesetze, etwa Telemediengesetz (TMG), Sozialgesetzbuch (SGB) oder die Polzeigesetze der Länder enthalten weitere Datenschutzbestimmungen. Diese Sondervorschriften sind auf die Anforderungen der jeweiligen Bereiche angepasst und gehen unter Umständen den allgemeineren Regeln des BDSG neu vor. Schließlich gelten die besonderen Verschwiegenheitspflichten der sogenannten Berufsgeheimnisträger, wie etwa die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht und vertragliche Datenschutzregelungen wie etwa das Bankgeheimnis.
Hinweis: Informationen zur, seit dem 25. Mai 2018 geltenden Rechtslage nach der EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), haben wir Ihnen im gleichnamigen Dokument zusammengestellt.

2. Personenbezogene Daten

Der Datenschutz erfasst nur personenbezogene Daten. Daten sind Einzelangaben. Personenbezug entsteht, wenn die Daten Rückschlüsse auf persönliche, sachliche und / oder tatsächliche Verhältnisse einer natürlichen Person zulassen. Dies gilt unabhängig davon, welcher Aspekt der betroffenen Person angesprochen wird. Klassische Beispiele dafür sind Name, Geburtsdatum und Anschrift. Allerdings stellt auch die Video-Aufzeichnung in einem Ladenlokal oder in der U-Bahn eine Datenerhebung dar. Mit solchen Aufzeichnungen könnte nämlich nachvollzogen werden, wer sich wann und wie lange in dem kameraüberwachten Bereich aufgehalten hat.
Wichtig! Unternehmensdaten oder Daten juristischer Personen werden grundsätzlich nicht vom Regelungsgehalt des Datenschutzgesetzes erfasst.
Dafür gibt es andere Vorschriften, etwa zum Betriebsgeheimnis. Der Bereich datenschutzrechtlicher Relevanz beginnt damit bei Informationen, zu denen ein Personenbezug besteht oder hergestellt werden kann. Fragen des Datenschutzes stellen sich im Unternehmen also vor allem im Hinblick auf Daten von Kunden, anderen Geschäftspartnern und Mitarbeitern. Beispielsweise wären hier Anschrift und andere Kontaktdaten, Fotos, etc. zu benennen. Ausnahmsweise können auch Unternehmensdaten dem Datenschutz unterliegen, wenn beispielsweise Kleingewerbetreibende betroffen sind.
Faustformel zur Erhebung von personenbezogenen Daten: Alle Daten, die für die Durchführung eines Vertrages erforderlich sind, dürfen zu diesem Zweck erhoben werden (bitte stets unter Beachtung der Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO), alles was darüber hinaus geht, darf nicht ohne Weiteres erhoben werden.
Beispiel: Kundenname und -anschrift, eine Telefonnummer für Rückfragen dürfen bei einem Lieferungsvertrag immer erfragt werden. Die Abfrage des Lebensalters und zusätzlich zur Telefonnummer eine E-Mail-Adresse wären hingegen problematisch. Deren Erhebung würde eine Einwilligung des Betroffenen voraussetzen (Art. 6 und Art.7 DSGVO).

3. Der Umgang mit personenbezogenen Daten

Zum Umgang mit Daten findet sich im Text der DSGVO der Begriff „Verarbeitung”. Das Verarbeiten ist - mit Ausnahme der „automatisierten Verarbeitung” - ein Sammelbegriff, der fünf Formen des Datenumgangs umfasst:
  1. Speichern
  2. Verändern
  3. Übermitteln
  4. Sperren
  5. Löschen
Dem vorgeschaltet ist (notwendiger Weise) die „Erhebung” der Daten, also die Datenbeschaffung. Nicht zur Erhebung oder Verarbeitung gehört die „Nutzung von Daten”.
Hinweis: Grundsätzlich gilt, dass Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten immer dann zulässig sind, wenn ein Gesetz dies erlaubt (für Unternehmen vor allem § 28 BDSG) oder wenn der Betroffene eingewilligt hat, § 4 Abs. 1 BDSG.
Ferner gilt das sogenannte „Transparenz-Gebot”. Das bedeutet: Jeder Betroffene muss erkennen können, welche seiner personenbezogenen Daten wann, von wem, zu welchem Zweck und in welchem Umfang erhoben oder in sonst einer Weise verwendet wurden.
Hinweis: Zur Vereinfachung wird in den nachfolgenden Ausführungen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Begriff „Verwendung” benutzt.

1. Erlaubnis der Datenverwendung durch das Gesetz

a) Vertragliche und vertragsähnliche Zwecke (§ 28 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 1 BDSG)
Diese Norm erlaubt die Datenverwendung zu vertraglichen oder vertragsähnlichen Zwecken. Zwischen Datenverarbeitung und dem Vertragszweck muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Sie muss erfolgen, um vertragliche Pflichten zu erfüllen. Gleiches gilt für die Verwendung zu vertragsähnlichen Zwecken.
Beispiel: Die Anlieferung eines Fernsehgerätes an einen Kunden ist ohne Kenntnis seines Namens und seiner Wohnanschrift nicht möglich (§ 28 Absatz 1, Satz 1, Ziffer 1 BDSG).
Ebenso verhält es sich mit der Übermittlung von Daten – zur Erfüllung des Vertragszweckes - an Dritte.
Beispiel: Ein Kunde bucht in einem Reisebüro eine Reise. Seine Daten dürfen dann, auch wenn sich im Reisevertrag dazu keine ausdrückliche Regelung findet, entsprechend dem Umfang des Vertrages für die Buchung des Fluges, des Hotels, des Mietwagens usw. verwendet werden. Das heißt, das Reisebüro darf die Daten des Kunden, soweit dies für die Durchführung des Reisevertrages nötig ist, erheben, speichern und an Dritte übermitteln. Andernfalls könnte das Reisebüro den Vertrag mit dem Kunden nicht erfüllen. Das Reisebüro muss allerdings z.B. die Fluggesellschaft darauf hinweisen, dass sie die Kundendaten nur zur Buchung eines bestimmten Fluges verwenden darf und insbesondere die Daten ihrerseits nicht (ohne vorherige schriftliche Einwilligung) außerhalb des Vertragszweckes weitergeben darf. Hintergrund ist wieder die Transparenzidee: Der Kunde muss wissen, wo seine Daten überall verwendet werden. Eine "Datenspeicherung auf Vorrat” ist nicht zulässig, da auch in einem solchen Fall der Betroffene nicht erkennen kann, in welchem Umfang Daten von ihm zu welchem Zweck gespeichert oder sonst wie verwendet werden.
b) Daten von Arbeitnehmern
Ob Unternehmen Daten von Arbeitnehmern verwenden dürfen, richtet sich nach § 28 Absatz 1 Ziffer 1 i.V.m. § 32 BDSG.
Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen demnach für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses - also durch Durchführung des Bewerbungsverfahrens - oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Dazu gehören u.a. Name, Alter, Beruf, sonstige Qualifikationen und Einsatzfähigkeit. Dazu gehören auch Arbeitnehmerdaten, die zwar zur Zeit noch nicht von Bedeutung sind, die es aber werden könnten. Nicht verwendet werden dürfen Daten über die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse (Ausnahme: Konfession für die Abführung von Kirchensteuern aufgrund gesetzlicher Regelungen) oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben.
Hinweis: Auch Bewerbungsmappen enthalten personenbezogene Daten. Falls Sie Bewerber in einem Einstellungsverfahren nicht berücksichtigen konnten, sind diese Daten innerhalb bestimmter Fristen zu löschen. Die Zweckbindung entfällt nach Beendigung des Einstellungsverfahrens. Liegen die Daten in Papierform vor, geben Sie diese zurück oder vernichten Sie die Unterlagen. In der Regel werden Bewerbungsunterlagen mit einem kurzen Anschreiben an den abgelehnten Bewerber zurück geschickt, in dem unter anderem der Satz enthalten ist "... Zu unserer Entlastung schicken wir Ihnen anbei Ihre Bewerbungsunterlagen zurück. ...". Eine längere Aufbewahrung von Bewerbungsunterlagen sollte grundsätzlich nur nach Rücksprache mit dem Bewerber erfolgen.
Speziell geregelt ist die Erhebung von personenbezogenen Daten des Beschäftigten, wenn dieser im Verdacht steht, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine Straftat begangen zu haben. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Beschäftigte im Arbeitsverhältnis eine Straftat gegangen hat. Einschränkend fordert die gesetzliche Regelung, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten erforderlich ist, das heißt kein anderes zumutbares Mittel zur Aufklärung zur Verfügung steht, und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein.
Zu beachten ist, dass die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, der Beteiligung des Betriebsrates bedarf, sofern ein solcher gebildet worden ist.
Hinweis: Seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist zu beobachten, dass sich Generalunternehmer von ihren Subunternehmern sehr weitgehende Einsichts- und Kontrollrechte zusichern lassen, wenn es um das Personalmanagement des Subunternehmens geht. Solche Vereinbarungen sind datenschutzrechtlich nach einer Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 19. März 2015 wohl nicht zulässig. Allenfalls stichprobenartige Kontrollen von geschwärzten Verdienstbescheinigungen sind nach Ansicht der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder "hinnehmbar". Sofern Generalunternehmer Einsicht in die Personaldaten der Subunternehmen erhalten, birgt dies also das Risiko einer Verletzung des Datenschutzgesetzes, was Bußgelder und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Den Text "Entschließung der 89. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 18./19. März 2015 in Wiesbaden Mindestlohngesetz und Datenschutz" finden Sie auf der Website "Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit".
c) Berechtigtes Interesse (§ 28 Abs. 1 S. 1 Ziff 2 BDSG)
Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses dürfen Unternehmen Daten dann verwenden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass keine schutzwürdigen Belange des Betroffenen entgegenstehen. Das praktischste Beispiel ist das sogenannte „Outsourcing”, beispielsweise des Rechenzentrums. Dabei werden Daten, die bereits beim Betroffenen erhoben wurden, an eine Stelle außerhalb des Unternehmens übermittelt und dort gespeichert oder für Zwecke des Unternehmens genutzt. Entscheidend ist dabei, dass die Gesamtverantwortung für die Datenverarbeitung bei dem Unternehmen verbleibt.
d) Allgemein zugängliche Quellen (§ 28 Abs.1 S. 1 Ziff. 3 BDSG)
Unternehmen dürfen auch Daten verwenden, die sie aus allgemein zugänglichen Quellen haben, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der Verantwortlichen Stelle offensichtlich überwiegt. Allgemein zugängliche Quellen sind u. a. Rundfunk- und Fernsehsendungen, Internet, Zeitschriften, Zeitungen und sonstige Publikationen, die von jedem gekauft werden können. Es ist also zum Beispiel erlaubt, die Anschrift eines Vertragspartners aus dem Telefonbuch heraus zu suchen und der eigenen Adresskartei beizufügen. Aufgrund der Öffentlichkeit von Verzeichnissen wie etwa dem Handelsregister, gilt dort Ähnliches.
Hinweis: Das Datenschutzrecht gibt keine endgültige Antwort darauf, ob personenbezogene Daten zur Kontaktaufnahme, insbesondere zur werblichen Ansprache, verwendet werden dürfen! Diese Frage ist wettbewerbsrechtlich zu beantworten. Einzelheiten dazu ergeben sich aus dem Katalog des § 7 Abs 1 bis 3 UWG. Weitere Informationen zum Wettbewerbsrecht erhalten Sie auf unserem Merkblatt "Das geltende UWG".
Nicht zu diesen Quellen zählen u. a. Grundbuch und Schuldnerverzeichnis. Denn derjenige, der in diese Register Einsicht nehmen will, muss ein berechtigtes Interesse daran haben.
e) Der Erforderlichkeits-Maßstab
Maßstab für den Umgang mit Daten im Sinne von § 28 BDSG ist immer die Erforderlichkeit der Datenverwendung. Diese ergibt sich aus einer Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung und dem Interesse des Unternehmers an der Verwendung. Überwiegt das Interesse an der Datenverwendung gegenüber dem Interesse am Geheimnisschutz, kann der Anspruch auf Datenschutz eingeschränkt sein. Es gilt das Gebot der Datensparsamkeit. Danach dürfen nur so viele Daten wie unbedingt nötig verwendet werden.
Beispiel: Bei einer Gewinnspielkarte werden als Teilnehmerdaten Name, Vorname und die Anschrift erhoben. Diese Daten sind erforderlich, um den Gewinner zu ermitteln und ihm den Gewinn zu übersenden. Häufig wird auch die Angabe des Geburtsdatums verlangt, um festzustellen, ob der Teilnehmer geschäftsfähig ist. Auf den Zweck dieser Datenerhebung ist hinzuweisen. Zur Erhebung zusätzlicher Daten mit Einwilligung des Betroffenen s.u. III. Der Umgang mit personenbezogenen Daten.

2. Erlaubnisnorm für die Datenverarbeitung zur Übermittlung an Dritte

Die §§ 29 und 30 BDSG formulieren Voraussetzungen, unter denen personenbezogene Daten zum Zweck der Übermittlung an Dritte für deren Geschäftszwecke zur Verfügung gestellt werden können. Diese Regelungen wenden sich insbesondere an Auskunfteien, Adressverlage und Markforschungsunternehmen.

3. Einwilligung als Erlaubnistatbestand

Soweit eine Datenverwendung nicht unmittelbar durch das BDSG erlaubt ist, kann sie trotzdem gem. § 4 BDSG durch die Einwilligung des Betroffenen legitimiert sein. Um wirksam in die Datenverarbeitung einwilligen zu können, muss die betroffene Person über die Bedeutung ihrer Einwilligung aufgeklärt werden und deren Tragweite erkennen können. § 4a BDSG verlangt daher eine Information des Betroffenen über den Zweck der Verwendung. Allgemein gehaltene Erläuterungen wie solche, dass die Daten zu Werbezwecken verarbeitet werden, reichen dazu nicht aus. Der Betroffene muss - drucktechnisch hervorgehoben - darauf hingewiesen werden, welche Daten für diesen Zweck verwendet werden. Für die Einwilligung im Internet hat sich das sogenannte „Double-Opt-In-Verfahren” etabliert. Dabei soll durch zweifaches Bestätigen erreicht werden, dass die Einwilligung tatsächlich bewusst erklärt wurde.
Ist eine Übermittlung an Dritte vorgesehen, muss dem Betroffenen der Empfängerkreis nur genannt werden, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalls nicht mit einer Übermittlung an diese rechnen muss. Ein Konzernprivileg gibt es nicht. Deshalb sind auch bei der geplanten Übermittlung von Daten eines Unternehmens an andere konzernangehörige Unternehmen diese als Empfänger der Daten anzugeben.
Die Einwilligung muss vor der Verarbeitung erteilt werden. Eine nachträgliche Zustimmung genügt nicht. Ist eine Weitergabe der personenbezogenen Daten an Dritte geplant, muss dem Betroffenen außerdem zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, der Weitergabe zu widersprechen. Sollen Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden, die nicht für die Durchführung des Vertrages erforderlich sind, s.o., müssen Sie als freiwillige Angaben gekennzeichnet werden und von Pflichtangaben zu unterscheiden sein.
Für das Beispiel mit dem Gewinnspiel bedeutet dies:
  • Außer den für das Gewinnspiel erforderlichen Daten und über die in § 28 Abs. 3 Nr. 3 BDSG genannten Daten hinaus dürfen weitere Daten nur erhoben werden, wenn dem Betroffenen der Zweck der Erhebung deutlich wird und er die Angaben auch unterlassen kann, ohne vom Spiel ausgeschlossen zu werden. Üblicherweise geschieht das durch ein Fußnoten-Symbol mit dem Hinweis „Die gekennzeichneten Felder sind keine Pflichtfelder” oder ähnliche Formulierungen.
  • Die Teilnahmekarte muss den Hinweis enthalten, dass beabsichtigt ist, die erhobenen Daten zu bestimmten Zwecken zu verwenden. Der Teilnehmer sollte bei Nutzung zu Werbezwecken für seine Einwilligung die Möglichkeit zum Ankreuzen haben

4. Datenverarbeitung im Auftrag

§ 11 BDSG regelt die auftragsgebundene Verarbeitung von Daten durch einen externen Auftragnehmer.
Beispiel : Das rechtlich selbständige Rechenzentrum eines Unternehmens, ein Call-Center, eine externe Postversandagentur oder ein Cloud-Provider.
Gem. § 11 BDSG bleibt der Auftraggeber für die Datenverarbeitung verantwortlich. Er hat den Auftragnehmer sorgfältig auszuwählen. Der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist schriftlich abzuschließen. Der Auftragnehmer darf die Daten nur im Rahmen der Weisungen des Auftraggebers verarbeiten. Der Auftraggeber hat sich von der Einhaltung der vereinbarten technischen und organisatorischen Maßnahmen beim Auftragnehmer zu überzeugen.
Hinweis: Der Aufbau und Inhalt eines Vertrages zur Auftragsdatenverarbeitung (kurz: ADV) entspricht im wesentlichen dem Katalog des § 11 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 bis 10 BDSG. Für den jeweiligen Einzelfall sollte ein solcher Vertrag allerdings von einem im Datenschutzrecht erfahrenen Rechtsanwalt geprüft werden.

5. Datengeheimnis

Wenn Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, gilt das sogenannte Datengeheimnis des § 5 BDSG. Das bedeutet, dass die Personen, die mit der Datenverarbeitung beschäftigt sind, weder unbefugt personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen dürfen.

6. Rechte des Betroffenen: Benachrichtigung, Auskunft, Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§ 33 - 35 BDSG)

Der Betroffene hat gegenüber einem Unternehmen, das Daten über ihn verarbeitet hat, eine Reihe von Rechten. So muss er zum Beispiel bei erstmaliger Speicherung seiner Daten davon in Kenntnis gesetzt werden, sofern diese ohne sein Wissen erfolgt ist (Benachrichtigung) . Weiter kann er Auskunft darüber verlangen, welche Daten von Ihm gespeichert wurden, wo die Speicherung stattgefunden hat und zu welchem Zweck die Daten erhoben oder verarbeitet wurden. Benachrichtigung und Auskunft sind Ausprägung des Transparenzgedankens. Auf diese Rechte kann der Betroffene auch vertraglich nicht verzichten. Sind personenbezogene Daten unrichtig, sind sie gemäß § 35 BDSG zu berichtigen. Ferner müssen personenbezogene Daten auf Verlangen oder nach den Voraussetzungen des § 35 BDSG gelöscht werden.
An Stelle einer Löschung tritt jedoch die Sperrung, soweit
  1. einer Löschung gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen,
  2. Grund zur Annahme besteht, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden oder
  3. eine Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist.
Gleiches gilt, wenn die Richtigkeit der Daten vom Betroffenen bestritten wird. Sperrung bedeutet, dass die Daten in der entsprechenden Datei des verarbeitenden Unternehmens verbleiben, jedoch durch einen sogenannten Sperrvermerk gekennzeichnet werden und somit für die weitere Verarbeitung unzugänglich werden.

4. Datenschutzbeauftragter

Unter dem Begriff Datenschutzbeauftragter sind zwei verschiedene Personen / Institute zu unterscheiden, nämlich der Landesdatenschutzbeauftragte und der betriebliche Datenschutzbeauftragte. Im öffentlichen Bereich, also Behörden usw., gibt es außerdem behördliche Datenschutzbeauftragte, die hier nicht näher besprochen werden.

1. Der Landesdatenschutzbeauftragte

Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten (HmbDSB) ist neben der Überwachung der öffentlichen Stellen auch die Datenschutzkontrolle der Wirtschaft nach dem Bundesdatenschutzgesetz und damit die Funktion der Datenschutzaufsichtsbehörde übertragen worden. Ab dem 1. Januar 2017 ergibt sich das Amt des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten direkt aus der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg.
Außerdem übt die Aufsichtsbehörde die Kontrolle über das Verhalten von Behörden und Unternehmen im Umgang mit personenbezogenen Daten aus.
Hinweis: Der HmbDSB wird in diesen Bereichen aktiv, wenn er selber oder durch sog. „Eingaben” von Bürgern Kenntnis von etwaigen Verstößen gegen das Datenschutzrecht erlangt. Bei Verstößen ist der HmbDSB berechtigt, Bußgelder bis zu einer Höhe von 25.000 Euro zu verhängen (§ 43 BDSG).
Zum Tätigkeitsfeld des HmbDSB gehören außerdem rechtspolitische Stellungnahmen und Veröffentlichungen.

2. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte (§ 4 f Absatz 1 Satz 2 BDSG)

a) Aufgaben des betrieblichen Datenschutzbeauftragten (bDSB)
Der bDSB wirkt im Unternehmen auf die Einhaltung des BDSG und anderer Vorschriften über den Datenschutz hin. Er hat insbesondere die ordnungsgemäße Anwendung der Hard – und Software, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, zu überwachen. Zudem hat er die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften und mit den jeweiligen besonderen Erfordernissen des Datenschutzes vertraut zu machen. Dies kann durch Schulungen, Merkblätter oder ähnliches erfolgen.
Der bDSB hat also vor allem die Aufgabe, Transparenz in der betrieblichen Datenverarbeitung zu schaffen.
Der bDSB ist weiter Anlaufstelle für Arbeitnehmer, die Verletzungen oder Beeinträchtigungen ihrer Datenschutzrechte fürchten. Hier ist er zur Verschwiegenheit über ihm bekannt gewordene Umstände verpflichtet. Außerdem ist er bei der Umsetzung von Angelegenheiten mit datenschutzrechtlichem Bezug hinzuzuziehen.
Dem bDSB wird von den Unternehmen vielfach die Aufgabe übertragen, die Mitarbeiter auf das Datengeheimnis zu verpflichten.
Schließlich muss der bDSB Informationen für die Öffentlichkeit bereithalten, die abschließend in § 4 e Abs. 1 Satz 1 Ziffern 1 – 8 BDSG aufgezählt sind.
Der bDSB wird der Unternehmensleitung direkt unterstellt, ist jedoch in Bezug auf Datenschutzbelange von Weisungen des Arbeitgebers unabhängig. Er ist der Mittler zwischen Unternehmen und der Aufsichtsbehörde.
Der bDSB darf sich im Übrigen für seine Tätigkeit auch durch den HmbDSB beraten lassen.
Der bDSB muss nicht zwingend Mitarbeiter des Unternehmens sein. Vielmehr ist es möglich, eine Person außerhalb des Unternehmens zum bSDB zu bestellen, die über die erforderliche Sachkunde verfügt (§ 4 f Abs. 2 S 2 BDSG).
b) Pflichten des Unternehmens gegenüber dem bDSB
Dem bDSB dürfen aus seiner Tätigkeit, selbst wenn er für das Unternehmen kostenträchtige datenschutzrechtliche Maßnahmen vorschlägt, keinerlei Nachteile erwachsen.
Das Unternehmen muss dem bDSB Angaben für ein sogenanntes Verfahrensverzeichnis zur Verfügung stellen, damit er über die Organisation des Unternehmens, sowie Ziele, Struktur und Ablauf der Datenverwendung informiert ist. Dafür ist weiter erforderlich, dass eine Liste derjenigen Personen beigefügt wird, die Zugriffsberechtigung auf Daten haben.
c) Wann muss der bDSB bestellt werden?
aa) Der bDSB in Abhängigkeit von der Mitarbeiterzahl
Jedes Unternehmen muss einen bDSB bestellen, wenn der Betrieb „automatisiert”, also unter Zuhilfenahme moderner EDV- und Kommunikationsmittel, personenbezogene Daten verwendet. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Betrieb nicht mehr als neun (bis zum 25. August 2006 waren es vier) Arbeitnehmer beschäftigt, die mit der EDV betraut sind. Diese Mitarbeiter müssen nicht ständig mit der EDV betraut sein, es genügt, wenn die Verwendung von Daten gelegentlich anfällt. Ein Beispiel ist die Sekretärin, die unter anderem mit Kundendateien umgeht.
Eine weitere Ausnahme gilt, wenn ein Unternehmen Daten ausschließlich auf andere Weise verwendet, etwa auf Papier, Karteikarten etc. Dann müssen mindestens 20 Personen mit der Verwendung personenbezogener Daten beschäftigt sein. Die Personenzahl richtet sich nach Köpfen. Daher zählen auch Teilzeitkräfte, Auszubildende und Leihpersonal zu diesem Personenkreis. Bei Leiharbeitnehmern ist gleichgültig, für welchen Zeitraum diese bei dem Unternehmen beschäftigt sind. Abzustellen ist nur darauf, ob sie mit der EDV personenbezogene Daten verwenden oder nicht.
bb) Weitere Besonderheiten
Unabhängig von der Beschäftigtenzahl ist stets ein bDSB zu bestellen, wenn automatisierte Verarbeitungen vorgenommen werden, die unter den Tatbestand des § 4 d Abs. 5 BDSG fallen. Das sind vor allem besondere Arten personenbezogener Daten über rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben.
Die Mitarbeiterzahl hat auch keine Bedeutung, wenn personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung verwendet werden, wie z.B. bei Auskunfteien und Meinungsforschungsinstituten.
cc) Zeitpunkt der Bestellung des bDSB
Nach dem BDSG ist spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit des Unternehmens ein bDSB zu bestellen, wenn die oben genannte Voraussetzungen vorliegen.
Tip: Mehr Informationen zum bDSB erhalten Sie im Dokument "Der Datenschutzbeauftragte".

5. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte

Den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten erreichen Sie unter folgender Adresse:
Der Hamburgisch Datenschutzbeauftragte
Klosterwall 6 (Block C), 20097 Hamburg
Tel.: +49 (0)40 42854-4040, Fax: +49 (0)40 42854-4000
E-Mail: mailbox@datenschutz.hamburg.de
Internet: www.datenschutz-hamburg.de
Außergerichtliche Streitbeilegung

Hamburger Schlichtungsstelle für IT-Streitigkeiten

Wenn IT-Anbieter und Kunden sich streiten, muss das nicht das Ende der Geschäftsbeziehung sein. Die Ham­burger IT-Schlichtungsstelle - eine Kooperation von Handelskammer und Hamburg@work - hilft IT-Streitigkeiten schnell und günstig zu lösen.

Verfahren und Vorteile

Wenn IT-Anbieter und Kunden sich streiten, muss das nicht das Ende der Geschäftsbeziehung sein: Hierfür steht die Hamburger IT-Schlichtungsstelle bereit, um schnell, kostengünstig und diskret gütliche Einigungen zu vermitteln. Dieses Angebot beruht auf einer Kooperation der Handelskammer und Hamburg@work.
In der IT-Branche sind Geschäftsbeziehungen meist auf Dauer angelegt. Gleichzeitig bietet kaum eine andere Branche ein so gewaltiges Potenzial für Streitigkeiten. Wenn es dazu kommt, steht oft einiges auf dem Spiel. Umso wichtiger ist es, dass Geschäftspartner nicht gleich auf Konfrontationskurs gehen, sondern versuchen, sich gütlich zu einigen. Dabei hilft die neue Hamburger IT-Schlichtungsstelle.

Das Prinzip

Die streitenden Parteien wenden sich mit der Bitte um Vermittlung an die IT-Schlichtungsstelle. Dort wird ihnen ein Schlichterteam, bestehend aus einem IT-Experten und einem Rechtsanwalt, zur Verfügung gestellt. Geschäftspartner und Schlichterteam versuchen, gemeinsam einen interessengerechten Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Die Kombination von juristischem und technischem Sachverstand sorgt dafür, dass die Lösung nicht nur juristisch wasserdicht, sondern auch praktikabel ist. Den Geschäftspartnern steht es frei, den Lösungsvorschlag anzunehmen oder abzulehnen. Nehmen sie ihn an, wird er vertraglich festgehalten.

Die Schlichtung bietet viele Vorteile

Sie ist
  1. kostengünstig: Die Schlichter rechnen nach den für Rechtsanwälte üblichen Stundensätzen ab, nicht nach dem Streitwert.
  2. schnell: Die streitenden Geschäftspartner haben das Tempo für die Lösung ihres Streites selbst in der Hand, er kann schon in der ersten oder nach wenigen Schlichtungsterminen beigelegt sein. Außerdem kommt die Schlichtung ohne den Austausch von langatmigen Schriftsätzen aus.
  3. diskret: Das Schlichtungsverfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Alle an der Schlichtung beteiligten Akteure sind zu Stillschweigen verpflichtet. Geschäftsinterna gelangen nicht an die Öffentlichkeit.
  4. konstruktiv: Die Lösung des Streits orientiert sich an den Interessen der Geschäftspartner und ermöglicht es ihnen, auch in Zukunft vertrauensvoll zusammen zu arbeiten.

Infos und Kontakte

Hamburger IT-Schlichtungsstelle
c/o Handelskammer Hamburg
Geschäftsbereich Transformation und Recht
Adophsplatz 1
20457 Hamburg
Hint: Here you can find basic information about our IT Conciliation Centre in English. Please do not hesitate to contact us if you have further questions.

Muster für eine Schlichtungsklausel

Die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens setzt eine entsprechende Einigung der Parteien voraus. Bei Meinungsverschiedenheiten mit Ihrem Vertragspartner können Sie auch ohne vorherige Abrede jederzeit eine Schlichtungsvereinbarung treffen, wenn Ihr Vertragspartner hiermit einverstanden ist. Es empfiehlt sich aber, bereits bei Vertragsschluss eine solche Möglichkeit vorzusehen. Wenn Sie daher schon bei Vertragsschluss für den Fall späterer Meinungsverschiedenheiten Vorsorge für eine gütliche Einigung treffen wollen, könnten Sie beispielsweise folgende Schlichtungsklausel verwenden:
„Die Parteien verpflichten sich, im Falle einer sich aus diesem Vertrag ergebenden Streitigkeit vor Durchführung eines streitigen Verfahrens (Klage) eine Schlichtung gemäß der Schlichtungsordnung der Hamburger Schlichtungsstelle für IT-Streitigkeiten in der zum Zeitpunkt der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gültigen Fassung durchzuführen. Das Schlichtungsverfahren soll dazu dienen, den Streit ganz oder teilweise, vorläufig oder endgültig beizulegen."

Die Schlichter des Verfahrens

Ihre Probleme

  • werden praxisgerecht, flexibel, schnell und kostengünstig gelöst
  • durchlaufen nicht die "Mühlen der Justiz"
  • bleiben - wie das gesamte Schlichtungsverfahren - vertraulich und ermöglichen eine Fortführung Ihrer geschäftlichen Partnerschaft

Unsere Schlichter

  • sind sowohl IT-Juristen als auch IT-Kompetenzträger
  • bieten kaufmännisches Verständnis gepaart mit juristischem IT-Fachwissen
  • verfügen über mehrjährige Erfahrung im IT- und Telekommunikationsumfeld
  • sind mit IT-Projekten und Themen wie Outsourcing, ERP-Systemen, eCommerce, Security, SLA, Content Management, Telekommunikation etc. vertraut
  • sind kommunikationsstark und lösungsorientiert

Anforderungsprofil für Schlichter der Hamburger IT-Schlichtungsstelle 

Welche Kriterien liegen einer Auswahl zugrunde? Welche Kenntnisse und Erfahrungen sind notwendig, um die Anforderungen an einen Schlichter – sei es Jurist oder IT-Spezialist – zu erfüllen?
  • Fachwissen: beruhend auf Ausbildung und beruflicher Tätigkeit
  • Managementwissen: Organsiationskompetenz, Konfliktlösungspotential, Entscheidungen treffen
  • Soziale Kompetenz: Kommunikationsfähigkeit

Die Aufgabe

Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Bereich der Informationstechnologie wie Telekommunikation, Internet, Multimedia, EDV und Software.

Voraussetzungen

Praktische Erfahrungen:
Als IT-Spezialist oder Rechtsanwalt 5 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der Informationstechnologie wie Telekommunikation, Internet, Multimedia, EDV und Software durch entsprechende Tätigkeiten (alternativ):
z.B. bei:
  • TK-Netzbetreiber
  • TK-Dienstleister
  • Internetunternehmen (Access, ASP, VPN, ISP, Hosting, Housing, Security)
  • Multimediaproduzenten (Werbeagenturen, Online-Anbieter, Shopping-mall-Anbieter, Webdesign, Katalog- und Suchdienstanbieter)
  • Hard- und Softwareunternehmen (Hersteller, Distributoren, Reseller)
  • IT-Dienstleister (Beratung, Projekte, Outsourcing)
  • Handel- und Industrie (z.B. Fachbereich IT o.ä.)
Kenntnisse
Kaufmännisches Verständnis/ Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre
Sprachkenntnisse
Englisch
Sonstige
Strukturierte Vorgehensweise, sicheres Auftreten, kommunikationsstark, lösungsorientiert

Hamburger IT-Schlichtungsordnung

Ablauf des Schlichtungsverfahrens
Für den Fall, dass Parteien eines Streits vereinbaren, ein Schlichtungsverfahren unter Inanspruchnahme der Hamburger Schlichtungsstelle für IT-Streitigkeiten der Initiative Hamburg@work und der Handelskammer Hamburgs durch zu führen, sollen die folgende Regeln für das Verfahren gelten:
Recht und Steuern

A 1 Nr. 235

A 1 Nr. 235 - § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Zuständigkeit eines Schiedsgerichts; Streitgegenstand; Aufhebung einer Schiedsvereinbarung durch einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts.
1. Durch einvernehmliche Anrufung eines staatlichen Gerichts wollen die Parteien einer Schiedsvereinbarung deren Geltung regelmäßig allein für den betreffenden Streitgegenstand aufheben. 
2. Jedenfalls dann, wenn das staatliche Gericht in einer Streitigkeit zwischen einem ausgeschiedenen Gesellschafter und der Gesellschaft, die sich aus einer separaten Ausscheidensvereinbarung ergibt, einvernehmlich angerufen wird, folgt daraus regelmäßig kein Indiz, die Schiedsklausel eines Gesellschaftsvertrages dahin auszulegen, sie solle allgemein keine Anwendung auf nach dem Ausscheiden eines Geselllschafters aus der Gesellschaft entstandene Streitigkeiten finden.
BGH, Beschl. v. 7.7.2016 - I ZB 45/15 = RKS A 1 Nr. 235
6.2.2017
Recht und Steuern

A 3 Nr. 44

A 3 Nr. 44 §§ 1042, 1047 ZPO, Art. 103 I GG - Mündliche Verhandlung, rechtliches Gehör, ordre public
Das geltende Schiedsverfahrensrecht gibt - vorbehaltlich der Wahrung rechtlichen Gehörs - ohne Parteiabrede nicht vor, dass mehrmals mündlich verhandelt werden muss.
OLG München, Beschl. v. 31.8.2015 - 34 Sch 11/13 = NJOZ 2016, 327 = RKS A 3 Nr. 44
Aus den Gründen:
[...]
Dass das Schiedsgericht den Anträgen der Antragstellerin, eine weitere mündliche Verhandlung anzuberaumen, nicht folgte, verletzt den ordre public in Form des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren, nicht. Denn soweit nicht die gewählte Verfahrensordnung die mündliche Verhandlung vorschreibt - was hier für eine erneute mündliche Verhandlung nicht der Fall ist (vgl. § 28 DIS-SGO; dazu oben unter a) - steht die Form der Gewährung rechtlichen Gehörs im Ermessen des Gerichts (vgl. BGHZ 102, 338 [342] = NJW 1988, 174 mwN); ein Recht auf mündliche Verhandlung folgt aus dem Grundrecht des Art. 103 I GG nicht (BGH mwN).
[...]
24.1.2017
Recht und Steuern

D 3 b Nr. 10

D 3 b Nr. 10 - Art. 23 (b) ECC - Zur Auslegung von Verträgen zur Lieferung eines bestimmten Rohkaffees
Ob Pacamara botanisch als eigene Sorte oder eine Art Screen 19 Kaffee einzuordnen ist, kann um Streitfall dahingestellt bleiben, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, worauf sich die Vertragsparteien tatsächlich geeinigt haben.
Schiedsgerichts des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg, Schiedsspruch v. 09.05.2016 - GVIII/2/Sch2215 = RKS D 3 b Nr. 10, RKS E 5 b Nr. 104
Aus den Gründen:
[...]
1.
Das Schiedsgericht hat nach den von den Parteien unterzeichneten Verträgen sowie der vorliegenden Korrespondenz keinen Zweifel daran, dass sich die Parteien über den Kauf von Rohkaffee der Sorte Pacamara geeinigt haben. Ob Pacamara botanisch als eigene Sorte oder eine Art Screen 19 Kaffee einzuordnen ist, kann dabei dahingestellt bleiben. Denn die Schiedsklägerin hatte bereits früher von der Schiedsbeklagten Pacamara gekauft. Dieses hat die Schiedsbeklagte nicht bestritten. In der Skype-Konversation vom 24. Oktober 2014 bestätigte die Schiedsbeklagte, dass es sich bei Pacamara um dieselbe Qualität handele, wie die, welche die Parteien bereits früher gehandelt hatten. Als es dann zu Lieferschwierigkeiten kam, teilte XXX, Head of Division der Schiedsbeklagten, der Schiedsklägerin mit E-Mail vom 18. Mai 2015 mit: „… I actually thought it was a pricing issue with them at first, but they are short of Pacamara at the moment. They keep sending Scr 19 samples, which doesn`t help …”. Soweit die Schiedsbeklagte nun vorträgt, sie hätte sich über den Verkauf von Screen 19 Kaffee einigen wollen, ist dieser Vortrag insgesamt nicht glaubhaft.
[...]
19.1.2017
Recht und Steuern

E 5 b Nr. 104

E 5 b Nr. 104 - Art. 23 (b) ECC - Abstrakte Schadensberechnung, Einholung von Vergleichsangeboten
Die Einholung von drei Vergleichsangeboten zur abstrakten Berechnung eines Schadens kann entbehrlich sein, wenn die Schiedsklägerin den Schaden auf außerordentlich maßvoller Basis berechnet hat, die Schiedsklägerin auch während des schiedsgerichtlichen Verfahrens an dieser Berechnung festhält und das kaufmännisch besetzte Schiedsgericht nach eigener Sachkenntnis zu dem Ergebnis kommt, dass die Einholung von drei Vergleichsangeboten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem günstigeren Ergebnis für die Schiedsbeklagte geführt hätte.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg, Schiedsspruch v. 09.05.2016 - GVIII/2/Sch2215 = RKS E 5 b Nr. 104, RKS D 3 b Nr. 10
Aus den Gründen:
[...]
b) Der Schaden der Schiedsklägerin besteht hinsichtlich der Nichterfüllung der Kontrakte XXX, XXX und XXX aus dem von ihr geltend gemachten abstrakten Schaden. Die Schiedsklägerin durfte zumindest für diese drei Kontrakte den Schaden abstrakt berechnen. Nicht nur, dass die Schiedsklägerin mit ihrem außergerichtlichen Vorschlag vom 12. November 2015 „we washout the three contracts with an amicable allowance of 50.00 UScents/pound …“ einen sehr maßvollen Lösungsvorschlag zur Abgeltung ihres Schadens gemacht hat; die Schiedsklägerin hat an diesem Vorschlag auch während des schiedsgerichtlichen Verfahrens festgehalten, obwohl sie nach Auffassung des Schiedsgerichts sogar mehr als das Doppelte hätte einklagen können. Das tat sie aber nicht. Daher ist der Schiedsklägerin zwar nicht mehr, aber auch nicht weniger als Kompensation für den ihr entstandenen Schaden zu zusprechen.
Im Übrigen hat die Schiedsklägerin durch die Nichteinholung von drei verschiedenen Angeboten von Maklern nicht gegen das Prinzip, den ihr durch die Nichtleistung der Schiedsbeklagten entstandenen Schaden so klein wie möglich zu halten, verstoßen. Das kaufmännisch besetzte Schiedsgericht ist der Auffassung, dass die Einholung von drei verschiedenen Angeboten von Maklern in diesem Fall entbehrlich gewesen ist. Der Lösungsvorschlag, an dem die Schiedsklägerin auch während des schiedsgerichtlichen Verfahrens festgehalten hat, ist - wie bereits ausgeführt - aus kaufmännischer Sicht außerordentlich maßvoll. Mithin ist es nach der eigenen Sachkenntnis des Schiedsgerichts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die Einholung von drei verschiedenen Angeboten zu einem für die Schiedsbeklagte günstigeren Ergebnis geführt hätte.
[...]
19.1.2017
Unterlassungsklagengesetz

Abmahnungen aufgrund von Datenschutzverstößen vermeiden

Das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) ist seit Februar 2016 die Grundlage für Abmahnungen wegen Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Soweit die Voraussetzungen nach dem UKlaG vorliegen, können hiernach bestimmte Institutionen – etwa Verbraucherschutzverbände – Verstöße gegen den Datenschutz kostenpflichtig abmahnen und Unternehmen auffordern, bestimmte Datenverarbeitungen nicht mehr auszuführen.
Dieser Artikel soll Ihnen erste Hinweise geben, wie Sie kostenpflichtige Abmahnungen wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht auf Grundlage des UKlaG möglichst vermeiden können. Da es sich teils um neue Gesetzesregelungen handelt, insbesondere seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (im Folgenden DGSVO) am 25. Mai 2018, gibt es noch viele offene Fragen. Daher können wir an dieser Stelle nur erste Anhaltspunkte für eine Überprüfung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben geben.
Abmahnfähig sind neben rechtlich unzulässiger Datenverarbeitung, z. B. durch eine falsche Einwilligungserklärung, weitere Verstöße gegen die DGSVO oder gegen das Telemediengesetz (im Folgenden TMG), z. B. wegen einer falschen Datenschutzerklärung auf der Internetseite. Eine Abmahnung nach dem UKlaG kommt nicht in Betracht, wenn die nicht datenschutzkonforme Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Verbraucherdaten ausschließlich zum Zwecke der Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertrages erfolgt.
Tipp: Sofern auf einer Webseite ein Kontaktformular vorhanden ist, sollte gem. § 13 Abs. 7 TMG durch technische und organisatorische Vorkehrungen sichergestellt werden, dass kein unerlaubter Zugriff auf das Kontaktformular möglich ist und dieses gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten und gegen Störungen, auch soweit sie durch äußere Angriffe bedingt sind, geschützt werden. Das kann insbesondere durch die Anwendung anerkannter Verschlüsselungsverfahren passieren.
Hinweis: Der vollständige Gesetzestext der seit Mai 2018 geltenden DSGVO mit den Erwägungsgründen und Artikeln kann unter folgendem Link abgerufen werden: eur-lex.europa.eu.

1. Welche Daten erfassen Sie von Ihren Kunden?

Datenschutzrechtsverstöße sind nur möglich, wenn Sie personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen. Dies sind alle Daten, über welche - direkt oder indirekt - Rückschlüsse auf die Identität einer natürlichen Person gezogen werden können. Nicht erfasst sind Informationen über juristische Personen wie z.B. Name und Adresse einer AG oder einer GmbH. Unter Datenverarbeitung fällt jeder Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten; dazu gehören z.B. das Erheben von personenbezogenen Daten, ihr Speichern und Verändern, das Auslesen von Daten, die Verwendung und Verbreitung von Daten sowie deren Abgleich, aber auch deren Löschung. Insbesondere im Internet werden solche personenbezogenen Daten an vielen und oftmals ungeahnten Stellen erhoben und verarbeitet.
Prüfen Sie deshalb für Ihren eigenen Geschäftsablauf und ihren Internetauftritt, auf welche Weise (stationärer Einzelhandel, Onlinehandel) und zu welchem Zweck (s. dazu Gliederungspunkt 2) Sie welche personenbezogenen Daten erheben:
  • Name, Anschrift, Kommunikationsdaten (Telefonnummer, Faxnummer, E-Mail-Adresse), Geschlecht, Geburtsdatum)
  • Zugriffsdaten (Datum und Uhrzeit des Besuchs), verwendetet IP-Adresse, Browsertyp und Betriebssystem, besuchte Seiten, Herkunftsseite, Gerätedaten, Standortdaten (Geodaten)
  • Warenkorb, Bestell- und Lieferdaten, Zahlungsdaten
  • Cookies, Plug-Ins, Tracking, Eingabe des Kunden, Zugriffsrechte (bei Apps)
  • Daten, die keine Relevanz für den vorher definierten Verwendungszweck haben, dürfen nicht erhoben und gespeichert werden.

2. Wofür nutzen Sie die Daten?

Zur Ermittlung des datenschutzrechtlich konformen Vorgehens bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogenen Daten müssen Sie als nächstes prüfen, zu welchem Zweck Sie diese Daten erheben.
Tipp: Setzen Sie sich mit dem jeweiligen Zweck Ihrer Datenverarbeitung auseinander. Prüfen Sie, welchen Zweck Sie benannt haben, und stellen Sie sicher, dass die personenbezogenen Daten in Ihrem Unternehmen ausschließlich für diesen Zweck genutzt werden.

1. Zur Bereitstellung Ihrer Produkte und Dienstleistungen

Ist die Erhebung und Verarbeitung der Daten für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses mit dem Kunden erforderlich (z.B. Name, Kontaktdaten), so ist die Verarbeitung ohne seine Einwilligung zulässig. Davon umfasst ist auch die Weitergabe der Kundendaten an das Versandunternehmen oder das Zahlungsinstitut (z.B. Bankverbindung des Verkäufers). In diesen Fällen kommt eine Abmahnung nach dem UKlaG nicht in Betracht.

2. Zur Bonitätsprüfung

Die Weitergabe von Kundendaten an eine Wirtschaftsauskunftei zum Zwecke der Bonitätsprüfung ist nur bei einem berechtigten Interesse ohne Einwilligung erlaubt. Ein berechtigtes Interesse ist dann gegeben, wenn der Händler in Vorleistung tritt (wie bei der Zahlungsart Rechnung) oder ein Zahlungsaufschub gewährt (z.B. bei einem Ratenkauf). Dann ist der Kunde lediglich über die Bonitätsprüfung zu informieren, ansonsten muss er aktiv zustimmen, z. B. durch Setzen eines Kreuzchens, das aber nicht bereits voreingestellt sein darf. Eine Abmahnung nach dem UKlaG kommt hier nur in Betracht, wenn die Bonitätsprüfung nicht mit der Begründung, Durchführung oder Beendigung des Vertrages in Zusammenhang steht.

3. Zu Werbezwecken

a. Werbung bei Kunden
Die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen gegenüber Bestandskunden richtet sich nach der Art der werblichen Ansprache. Mittels Brief ist eine werbliche Ansprache grundsätzlich ohne Einwilligung zulässig, es sei denn, der Kunde hat erkennbar gemacht, dass er keine Werbung wünscht. Der Kunde muss zudem darauf hingewiesen werden, dass er der Nutzung seiner Daten für Zwecke der Werbung widersprechen kann. Per Telefon können Sie auch gegenüber Bestandskunden nur mit ausdrücklicher Einwilligung werben. Die E-Mail-Werbung ist dann möglich, wenn Sie die E-Mail-Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwenden, der Kunde der Werbung nicht widersprochen hat und er zudem bei jeder Verwendung auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen wird.
b. Werbung bei potenziell Interessierten
Hier ist eine postalische Ansprache (mittels Brief) zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen wie Adress-, Branchenverzeichnissen, Telefonbüchern oder aus dem Internet stammen.
Auch eine Übermittlung von Adressdaten zu Werbezwecken ist gestattet. Soweit Sie die Daten von Dritten erhalten haben, ist zu beachten, dass der Absender, der die Daten erstmals in den Verkehr gebracht hat, eindeutig benannt wird (z.B.: "Ihre Anschriftendaten haben wir von Name + Adresse erhalten."). Auf das Widerspruchsrecht müssen Sie hinweisen. Die Werbung ist nur dann möglich, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat und keine schutzwürdigen Interessen seinerseits entgegenstehen.
Zudem müssen Sie die Daten dann, wenn Sie diese von Dritten erhalten haben, für zwei Jahre speichern und dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft über die Herkunft der Daten und den Empfänger erteilen.
Werden im Zusammenhang mit Werbung datenschutzrechtliche Vorschriften verletzt, kann dies nach dem UKlaG abgemahnt werden. Das Risiko ist bei Werbung per E-Mail oder Telefon wegen der strengeren Vorschriften bezüglich der Einwilligung am größten.
Hinweis: Hinweise zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Werbung finden Sie in dem "Kurzpapier Nr. 3 der Datenschutzkonferenz" (abrufbar unter: www.bfdi.bund.de).

3. Welche Voraussetzungen hat eine Einwilligung?

Wollen Sie mehr über Ihre Kunden erfahren als die Daten, die Sie üblicherweise zur Vertragsabwicklung von Ihren Kunden erhalten, benötigen Sie dafür die Einwilligung des Kunden.
Hinweis: Bei Kindern unter 16 Jahren müssen die Erziehungsberechtigten (in der Regel die Eltern) einwilligen.
Eine Einwilligung kann grundsätzlich formfrei - also insbesondere nicht schriftlich - eingeholt werden. Allerdings sind Sie nach der DGSVO verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nachzuweisen. Daher empfehlen wir weiterhin dringend, Einwilligungen in Schriftform oder auf andere bewährte Weisen einzuholen. Ebenfalls sinnvoll ist eine Protokollierung elektronischer Einwilligungen.
Die Einwilligung ist in einfacher, verständlicher Sprache zu verfassen. Sie  muss den Hinweis enthalten, dass sie jederzeit für die Zukunft widerrufen werden kann. Dieser Hinweis sollte drucktechnisch hervorgehoben werden, wenn die Einwilligungserklärung mit anderen Erklärungen verbunden ist.
Die Einwilligungserklärung darf nicht in den Geschäftsbedingungen oder in der Datenschutzerklärung platziert werden. Formulierungen in einer Datenschutzerklärung wie "Durch Nutzung unserer Webseite willigen Sie ein, dass…" stellen keine wirksame Einwilligung dar.
Sie müssen sicherstellen, dass der Nutzer seine Einwilligung freiwillig, also ohne jeden Zwang, bewusst und eindeutig erteilt hat. Der Nutzer muss zudem den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen können.
Neu ist das sog. Kopplungsverbot, das mit der DGSVO eingeführt wurde. Danach dürfen Verträge nicht davon abhängig gemacht werden, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Dateneinwilligt, die für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich sind.
Des Weiteren gilt das Erfordernis der Informiertheit. Danach genügen Blankoeinwilligungen den Ansprüchen der DGSVO nicht. Vielmehr muss die betroffene Person deutlich verstehen, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck und von wem verarbeitet werden. Zudem muss die verantwortliche Stelle ausdrücklich genannt werden. Dient eine Verarbeitung mehreren Zwecken, müssen alle Zwecke ausdrücklich genannt und die Einwilligung für sämtliche Zwecke eingeholt werden.
Erweisen sich Einwilligungen nach den oben genannten Kriterien als unwirksam, ist das Vorliegen der Einwilligung nicht durch den Verantwortlichen nachweisbar. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist damit unzulässig und kann nach dem UKlaG abgemahnt werden.

 

Beim Double-Opt-In-Verfahren wird dem Nutzer zunächst mitgeteilt, dass personenbezogene Daten über ihn erhoben und gespeichert werden sollen. Der Nutzer muss dann seine Einwilligung durch entsprechende Auswahl eines Feldes erteilen. Anschließend wird ihm eine Bestätigungsanfrage per E-Mail zugesandt, in der er nochmals darauf hingewiesen wird, welche Daten zu welchem Zweck gespeichert/verarbeitet werden sollen und dass der Nutzer durch Bestätigung der E-Mail – meist mittels Anklicken eines Links – seine Einwilligung erteilt. Die Einwilligung ist erst dann erteilt, wenn der Nutzer auch dieser Bestätigungsanfrage nachgekommen ist, also den Link angeklickt hat. Durch dieses Verfahren soll vermieden werden, dass eine Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten aufgrund einer fehlerhaften oder missbräuchlichen Eingabe auf der Webseite erfolgt. Dadurch können Sie zudem den Nachweis führen, dass die ausdrückliche Einwilligung tatsächlich vom berechtigten Inhaber der E-Mail-Adresse stammt.
Hinweis: Die betroffenen Personen müssen ihre Einwilligung nicht erneut erteilen, sofern die alte Einwilligung den Voraussetzungen der DGSVO entspricht. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Kopplungsverbot (s.o.) berücksichtigt und die Einwilligung freiwillig erklärt wurde sowie der Hinweis auf den jederzeitigen Widerruf erfolgte. Aber es ist Vorsicht geboten: Anderenfalls gilt die Einwilligung nicht fort und muss erneut eingeholt werden. Wir empfehlen daher, bestehende Einwilligung zu prüfen und ggf. den Einwilligungsprozess kurzfristig anzupassen.

4. Wie stelle ich eine Datenschutzerklärung zur Verfügung?

Eine Datenschutzerklärung ist erforderlich, soweit Sie als Betreiber einer Webseite personenbezogene Daten erheben und verarbeiten. Die IP-Adresse ist ein personenbezogenes Datum, daher werden mit jedem Seitenaufruf personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet.
Die Datenschutzerklärung selbst muss für den Nutzer jederzeit leicht auffindbar und aufrufbar sein. Wir empfehlen neben dem Link zum »Impressum« auf jeder Seite (z. B. am Seitenende) einen Link »Datenschutzerklärung« einzurichten, über den jeweils die Datenschutzerklärung aufrufbar ist. Dies kann z. B. über die folgenden Linkbezeichnungen geschehen:
  • Datenschutz
  • Datenschutzerklärung oder
  • Datenschutzinformationen
Eine gute Möglichkeit ist die Platzierung im Footer. Ein Link "AGB", unter welchem auch die Datenschutzerklärung zu finden ist, ist jedoch nicht ausreichend. Eine unterlassene oder fehlerhafte Datenschutzerklärung kann nach dem UKlaG abgemahnt werden.

5. Welchen Inhalt muss eine Datenschutzerklärung auf der Webseite haben?

Die konkrete Ausgestaltung der Datenschutzerklärung hängt im Wesentlichen davon ab, welche Daten erhoben und verarbeitet werden.

1. Informationspflicht

Der Besucher einer Webseite ist nach dem TMG und der DGSVO umfassend über Art, Umfang und Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten sowie etwaige Widerspruchsrechte in allgemein verständlicher Form und zu Beginn des Nutzungsvorgangs zu informieren. Diese Pflicht trifft jeden, der Dienste auf Internet-Seiten für Dritte zur Verfügung stellt, z. B. Online-Händler.
Dazu gehören auch Hinweise, ob Ihre Webseite Cookies setzt, ob Sie die Nutzung Ihrer Webseite ggf. noch durch weitere Tools elektronisch analysieren (Tracking) und welche Daten dabei von wem erhoben und verarbeitet werden. Bei Social Plug-Ins ist zu prüfen, ob eine Zwei-Klick-Lösung notwendig ist (s. u. bei Plug-Ins).
Hinweis: Für die individuelle Erstellung einer rechtskonformen Datenschutzerklärung im Sinne der DSGVO finden Sie hier eine Praxishilfe (Musterdatenschutzerklärung von Prof. Dr. Hoeren, Universität Münster): www.uni-muenster.de

2. Cookies

Eine Besonderheit stellen sogenannte Cookies dar. Dies sind kleine Textdateien, die auf dem Rechner des Besuchers Ihrer Internetseite abgelegt werden, um das Angebot auf seine Bedürfnisse abzustimmen und ihm die Nutzung bestimmter Funktionen zu ermöglichen. Fast jede Webseite nutzt eine Cookie-Technologie. Dazu gehört z. B. die Einrichtung eines Warenkorbs, in dem Produkte abgelegt werden können, oder die vorübergehende Speicherung von Produkten, die kürzlich angesehen wurden. Hierbei handelt es sich um sogenannte Sitzungs-Cookies, die in der Regel nach dem Ende einer Browser-Sitzung wieder von der Festplatte des Kunden gelöscht werden. Wenn Sie solche Cookies verwenden, reicht es aus, den Kunden in Ihrer Datenschutzerklärung darauf hinzuweisen, da es sich um Nutzungsdaten handelt. Wir empfehlen zudem, den Kunden darüber zu informieren, dass er durch Einstellung seines Browsers das Abspeichern von Cookies verhindern kann, dadurch jedoch eventuell bestimmte Funktionen der Internetseite nicht wahrgenommen werden können.
Daneben gibt es aber auch noch sog. permanente Cookies. Permanente Cookies speichert der Browser, bis ein vom Server definiertes Ablaufdatum erreicht ist. Mit permanenten Cookies können wiederkehrende Besucher auf der Seite erkannt werden. Auch Analysetools, wie beispielsweise Google Analytics, arbeiten auf der Basis von Cookies.

3. Analysetools

Ebenfalls in der Datenschutzerklärung aufzuführen ist die Verwendung sogenannter Analysetools, wie z. B. Google Analytics, eTracker, Piwik und ähnliche. Dies sind Programme, mit deren Hilfe Sie die Zahl und Art der Zugriffe und Nutzung Ihrer Seite auswerten können, um so ihr Angebot zu optimieren. In datenschutzrechtlicher Hinsicht kann die Anwendung dieser Programme problematisch sein, wenn sie die IP-Adressen der Seitenbesucher erfassen und verarbeiten. Denn bei der IP-Adresse handelt es sich um ein personenbezogenes Datum.
Aus diesem Grund wurden von Datenschützern bestimmte Kriterien entwickelt, die ein Analyseprogramm erfüllen sollte, um ohne Einwilligung angewendet werden zu dürfen. Demnach sollte ein Analyseprogramm nur gekürzte und damit anonymisierte oder im Idealfall gar keine IP-Adressen erheben und verarbeiten. Außerdem muss es dem Besucher einer Internetseite möglich sein, der Erhebung seiner Daten zu widersprechen. Schließlich müssen die Daten nach Abschluss der Analyse gelöscht werden und dürfen zu keinem Zeitpunkt mit der betreffenden Person zusammengeführt werden.

4. Verwendung von Plug-Ins von Social Media

Dies sind Programme sozialer Netzwerke wie Facebook, Google+ u. ä., die z. B. in Form eines »Gefällt mir«- oder »+1«-Buttons (dargestellt als kleines Symbol) auf einer Internetseite installiert werden können. Als problematisch angesehen werden diese Buttons deshalb, weil schon mit Aufruf der Internetseite, auf der sie sich befinden, eine Verbindung mit den Servern des jeweiligen Netzwerks hergestellt und die IP-Adresse des Besuchers dorthin übermittelt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Person bei dem sozialen Netzwerk eingeloggt oder überhaupt registriert ist. Bei eingeloggten Nutzern wird der Besuch einer Seite mit Plug-In außerdem ihrem Nutzerkonto zugeordnet.
Damit nicht schon bei Aufruf der Seite Daten an die Server des jeweiligen Netzwerkes weitergeleitet werden, sollte der Plug-In zunächst nur als bloße Grafik ohne aktive Funktion auf der Seite erscheinen. Erst durch Anklicken wird dann das eigentliche Plug-In aktiviert und die Verbindung zu den Servern hergestellt, zuvor soll der Besucher jedoch auf die Folgen hingewiesen werden. Auf diese Weise muss er aktiv einwilligen, bevor seine Daten an das Netzwerk weitergeleitet werden (sog. 2-Klick-Lösung).

6. Datentransfer in Drittländer

Bei der Nutzung von Internetseiten können aufgrund der zugrundeliegenden Technik personenbezogene Daten der Besucher in andere Staaten außerhalb der EU übermittelt werden. Die Übermittlung von Daten in Staaten außerhalb der EU ist zusätzlich zu den allgemeinen Datenschutzvoraussetzungen (s.o.) grundsätzlich nur erlaubt, sofern weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Erforderlich ist ein vergleichbares Datenschutzniveau des Drittstaates. Das ist u.a. bei Argentinien, Kanada (nur kommerzielle Organisationen),  Israel, Neuseeland, der Schweiz und den USA der Fall. Für die Datenübermittlung in die USA müssen besondere Regeln (Stichwort: "Privacy Shield“ bzw. "EU-Standardvertragsklauseln") eingehalten werden. Sie sollten daher prüfen, in welches Land die von Ihnen erhobenen,  gespeicherten, oder verarbeiteten Daten übermittelt werden.
Hinweis: Bestehen Unklarheiten hinsichtlich eines Datentransfers in einen Staat, der nicht EU-Mitglied ist, sollten Sie einen Rechtsanwalt kontaktieren, um Abmahnungen und weiteren Risiken vorbeugen zu können.

7. Impressumspflicht

Auf der Grundlage des UKlaG können auch Verstöße gegen sonstige verbraucherschützende Normen abgemahnt werden. Verbraucherschützend ist u. a. auch § 5 TMG, der die Impressumspflicht zum Gegenstand hat.
Im Impressum müssen Sie folgende Angaben machen:
  • den Namen und die Anschrift Ihres Unternehmens/Ihrer Niederlassung, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen,
  • Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit Ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post,
  • soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde,
  • das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das Ihr Unternehmen eingetragen ist, und die entsprechende Registernummer,
  • in Fällen, in denen Sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer,
  • bei Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber.
Weitere Informationen zur Impressumspflicht finden Sie in unserem Artikel "Impressumspflicht".

8. Weitere Hinweise

Dieser Artikel soll sensibilisieren und kann nur erste Anhaltspunkte für rechtlich richtiges Verhalten geben. Beachten Sie bitte weitere Informationspflichten, die z. B. den Verweis auf die Online-Schlichtungsstelle betreffen. Hinsichtlich der dargestellten Problematiken sind im Einzelfall jedoch ggf. tiefergehende Erörterungen erforderlich. Bei Nachfragen wenden Sie sich an die Handelskammer Hamburg.
Hier können Sie weitere Informationen und Hilfestellungen

Weitere Informationen

Recht und Steuern

B3 Nr. 38

B 3 Nr. 38 - ZPO § 1049 Abs. 3, § 1036, § 42 Abs. 2. Befangenheitsantrag gegen Sachverständigen. Zur Unparteilichkeit eines Sachverständigen bei Vorbefassung in einem Gerichts-, Schlichtungs- oder Verwaltungsverfahren.
1. Die Zweiwochenfrist für die Ablehnung eines schiedsgerichtlich bestellten Sachverständigen wegen geltend gemachter Befangenheit aufgrund von Ausführungen in einem von dritter Seite bzw. einer Behörde beauftragten Gutachten beginnt mit Email-Eingang des nach Bestellung des Sachverständigen übersandten Gutachtens beim Prozessbevollmächtigten der ablehnenden Schiedspartei.
2. Nach Vorbefassung in einem geregelten Gerichts-, Schlichtungs- oder Verwaltungsverfahren berechtigt eine bloß daraus abgeleitete Erwartung einer Voreingenommenheit oder eines ungünstigen Gutachtenergebnisses nicht zur Ablehnung wegen mangelnder Unparteilichkeit; dem Gutachter ist grundsätzlich die Fähigkeit zuzusprechen, eine frühere Äußerung oder Meinung zu revidieren; anders als bei persönlichen Befürchtungen, die Begutachtung könne den Boden der Sachlichkeit, Neutralität oder Unvoreingenommenheit verlassen.
3. Ungeachtet der Zurückweisung des Befangenheitsantrags können die im Zusammenhang mit seiner Begründung vorgetragenen inhaltlichen Bewertungs-Gesichtspunkte weiter im schiedsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Beweisaufnahme zu prüfen sein.
Schiedsgericht Uelzen, Beschl.v. 28.9.2015 = RKS B 3 Nr. 38
In der Schiedsgerichtssache ... gegen ... hat das Schiedsgericht in Uelzen am
28. September 2015
durch
den Vorsitzenden Schiedsrichter ...
den Schiedsrichter ... und
den Schiedsrichter ...
beschlossen:
Der Befangenheitsantrag des Schiedsklägers vom 18. September 2015 gegen den mit Beweisbeschluss des Schiedsgerichts vom 31. Juli 2015 beauftragten Sachverständigen wird zurückgewiesen.

Aus den Gründen:
I.
Der Befangenheitsantrag des Schiedsklägers vom 18. September 2015 gegen den mit Beweisbeschluss vom 31. Juli 2015 beauftragten Sachverständigen betrifft die Beweis-Teilfrage der Bewertung des ...
II.
Dieser Befangenheitsantrag ist unzulässig wegen Versäumung der Zweiwochenfrist gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1037 Abs. 1 und 2 ZPO.
1. Gemäß § 1049 Abs. 3 ZPO sind auf die Ablehnung eines vom Schiedsgericht bestellten Sachverständigen die eine Ablehnung eines Schiedsrichters regelnden Vorschriften §§ 1036, 1037 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.
Nach § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat eine Schiedspartei, die einen Ablehnungsantrag gestützt auf einen Befangenheits-Umstand im Sinne von § 1036 Abs. 2 ZPO stellen will, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe (wenn wie hier keine andere Regelung vereinbart ist) binnen zwei Wochen darzulegen, nachdem ihr der die Befangenheit begründende Umstand bekannt geworden ist.
2. Der Schiedskläger stützt das Ablehnungsgesuch vom 18. September 2015 auf Äußerungen des Sachverständigen in einem von diesem für die Landesbehörde ... erstatteten Gutachten vom ... April 2014.
Abgesehen von der durch den Sachverständigen von vornherein mitgeteilten Erstattung des Gutachtens für die Behörde ist dieses mit seinem gesamten Inhalt dem Schiedskläger zumindest als Anlage zum Schiedsbeklagten-Schriftsatz vom 24. August 2015 bekannt geworden ...
a) Dieser Schriftsatz mit dem Gutachten ist zunächst bei dem in der Prozess-vollmacht des Schiedsklägers ... erstgenannten Prozessbevollmächtigten ... per Email des Schiedsbeklagten-Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2015, ... eingegangen.
Auf Nachfrage des in der Prozessvollmacht des Schiedsklägers ... zweitgenannten Prozessbevollmächtigten per Email vom 2. September 2015, 18:18h, ist zusätzlich an diesen während des schiedsgerichtlichen Rückrufs per schiedsgerichtlicher Email von 18:54h der Schriftsatz mit dem Gutachten weitergeleitet worden. Noch während desselben Telefonats sind die Eingänge beider Emails durch den zweitgenannten Prozessbevollmächtigten bestätigt worden.
b) Da bereits seit dem 24. August ebenso wie seit dem 2. September die Zweiwochenfrist bis zum Befangenheitsantrag vom 18. September nicht gewahrt worden ist, bedarf es nicht mehr der Aufklärung des Eingangszeitpunkts der postalischen nochmaligen Gutachten-Übersendung durch den Prozessbevollmächtigten des Schiedsbeklagten vom 3. September 2015 an die Prozessbevollmächtigten des Schiedsklägers.
III.
Unabhängig von der Unzulässigkeit ist der Befangenheitsantrag auch unbegründet.
1. Befangenheitszweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gemäß § 1049 Abs. 3 i.V.m. § 1036 ZPO ergeben sich gemäß ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres aus seiner von vornherein mitgeteilten Vorbefassung mit einer von ihm zu begutachtenden Frage (vgl. AG Bergheim, Beschluss vom 23. 10. 2014, 26 H 3/14, WuM 2014, 747; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 3. 2014, I-26 W 16/13, AG 2015, 439; Urteil vom 5. 2. 2013, I-U 185/11, BauR 2013, 1283; Bay. LSG, Beschluss vom 4. 11. 2013, L 2 SF 124/13 B, Juris; OLG München, Beschlüsse vom 11. 8. 2011 31 Wx 294/11, ZIP 2011, 1983; vom 19. 8. 2005 1 W 2072/05, OLG-Report München 2006, 135; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30. 12. 2004 11 W 93/04, BauR 2005, 1208; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. 8. 2000, 9 W 57/00, NJW-RR 2001, 1434).
a) Nach Vorbefassung in einem geregelten Gerichts-, Schlichtungs- oder - wie hier - Verwaltungsverfahren berechtigt insbesondere eine bloß daraus abgeleitete Erwartung einer Voreingenommenheit oder eines ungünstigen Gutachtenergebnisses nicht zur Ablehnung wegen mangelnder Unparteilichkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. 10. 2011 L 13 SF 359/11 B, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. 6. 2011, L 6 bU 22/11 B, UV-Recht Aktuell 2011, 1138; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. 7. 2010 8 Wv 28/10, MDR 2011, 126; Brandenbur-gisches OLG, Urteil vom 5. 2. 2009, 12 U 33/07, Juris).
Denn - entgegen dem Ablehnungsgesuch mit dem bloßen Hinweis auf das Glaub-würdigkeitsrisiko des Gutachters - ist diesem grundsätzlich die Fähigkeit zuzusprechen, eine frühere Äußerung oder Meinung zu revidieren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 5. 2006 I-26 W 9/06 AktE, DB 2006, 1670, Juris Rz. 19 m.w.N.); anders als bei - hier nicht spezifizierten - persönlichen Befürchtungen, die Begutachtung könne den Boden der Sachlichkeit, Neutralität oder Unvoreingenommenheit verlassen (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 9. 10. 2012 L 15 VJ 2/08, Breith 2013, 168).
Im Übrigen fällt einem nunmehr (schieds-)gerichtlich bestellten Sachverständigen eine unvoreingenommene Beurteilung erfahrungsgemäß leichter als eine andere Begutachtung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 4/15, Juris; zur privatgutachterlichen Vorbefassung vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 3. 2015, 5 W 15/15 Gesundheitsrecht 2015, 428; BGH, Beschluss vom 23. 10. 2012 X ZR, MDR 2012, 1487; OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. 7. 2012 2 W 38/12, IBR 2012, 616).
b) Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob oder dass die vorherige Bewertung möglicherweise auftragsgemäß auf einer seinerzeit weniger umfassenden oder weniger aktuellen Grundlage beruhte (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19. 6. 2014, FamRZ 2015, 68; VG Leipzig, Urteil vom 21. 5. 2014, 4 K n528/11, Juris).
2. Ungeachtet der Zurückweisung des Befangenheitsantrags werden die im Zusammenhang mit seiner Begründung vorgetragenen inhaltlichen Bewertungs-Gesichtspunkte weiter im schiedsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Beweisaufnahme zu prüfen sein.
18.11.2016
Recht und Steuern

A 3 Nr. 43

A 3 Nr. 43 §§ 1047 Abs. 3, 133, 1060 ff. ZPO - Zur Unterlagenübermittlungspflicht des Schiedsgerichts, wenn die jeweilige Partei bereits Kenntnis von den Unterlagen hat.
Ein Schiedsgericht ist nach § 1047 Abs. 3 Fall 1 ZPO nicht verpflichtet, die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zu übermitteln, wenn diese Unterlagen der anderen Partei bereits bekannt sind.
BGH Beschl. v. 28.1.2016 - I ZB 37/15 NJW-RR 2016, S. 1201 ff. = RKS A 3 Nr. 43
Aus den Gründen:
Das OLG hat mit Recht angenommen, dass das Schiedsgericht dadurch, dass es dem Antragsgegner nicht das vom Antragsteller vorgelegte Anlagenkonvolut K übermittelt hat, nicht gegen § 1047 Abs. 3 ZPO verstoße und den Antragsgegner weder an der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln gehindert noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Nach den Feststellungen des OLG war dem Antragsgegner der Inhalt des dem Schiedsgericht vom Antragsteller vorgelegten Anlagenkonvolutes K bekannt. Das OLG hat festgestellt, das dem Schiedsgericht vom Antragsteller vorgelegte Anlagenkonvolut K habe nach dem Vortrag des Antragsteller die in den Jahren 1999 - 2005 zwischen den Parteien geschlossenen Verträge und insbesondere den nach dem Teilschiedsspruch für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien maßgebenden Kooperationsvertrag vom 30.10.2000 enthalten. Der Antragsgegner habe nicht geltend gemacht, dass ihm diese Vertragsunterlagen nicht bekannt seien. Er habe ferner keine konkreten Anhaltspunkte für einen vom Original abweichenden Inhalt der vorgelegten Unterlagen vorgetragen.
Das OLG hat mit Recht angenommen, dass § 1047 Abs. 3 ZPO das Schiedsgericht nicht verpflichtet, die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zu übermitteln, wenn diese Unterlagen der anderen Partei bereits bekannt sind (MüKoZPO/Münch, 3. Aufl., § 1047, Rn. 16). Die andere Partei wird dadurch, dass ihr solche Unterlagen nicht übermittelt werden, weder an der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln gehindert, noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (wird ausgeführt).
Vorinstanz: OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 25.3.2015 - 26 SchH 7/12).
3.11.2016
Schlichtungsausschuss

Streitigkeiten aus Berufsausbildungsverhältnissen

Ebenso wie in einem normalen Arbeitsverhältnis kann es auch in einem Ausbildungsverhältnis zu Problemen oder sogar zu ernsthaften Streitigkeiten kommen. Ausbildungsverhältnisse sind jedoch keine Arbeitsverhältnisse, es gibt eine ganze Reihe von Vorschriften, die bei Ausbildungsverhältnissen zu beachten sind. Bei Ausbildungsfragen und Problemen können Sie sich an unsere Ausbildungsberatung wenden, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie erreichen sie unter Ausbildungsberatung@hk24.de.
Wenn der Streit eskaliert und es zu Abmahnungen oder sogar Kündigungen kommt, kann unser Schlichtungsausschuss für Streitigkeiten aus Ausbildungsverhältnissen weiterhelfen. Vorher sollten Sie jedoch unsere Ausbildungsberater kontaktieren. In vielen Fällen können die Probleme bereits durch sie schnell und unproblematisch geklärt werden. Anderenfalls werden unsere Berater für Sie umgehend den Kontakt mit den für den Schlichtungsausschuss zuständigen Kollegen herstellen.

Wann findet eine Schlichtung statt?

Der Schlichtungsausschuss muss nach dem Arbeitsgerichtsgesetz angerufen werden, bevor eine Klage wegen Streitigkeiten aus bestehenden Ausbildungsverhältnissen vor dem Arbeitsgericht erhoben werden kann. Dies schließt Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Kündigungen oder Aufhebungsverträgen ein.
Geht es dagegen um Streitigkeiten, die die Abwicklung eines unstreitig beendeten Ausbildungsverhältnisses betreffen, ist das Arbeitsgericht ohne vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses zuständig. Der Schlichtungsausschuss kann dann nicht angerufen werden. Solche Streitigkeiten können z. B. noch ausstehende Ausbildungsvergütung oder ein noch zu erstellendes Ausbildungszeugnis sein.
Den Schlichtungsantrag (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 67 KB) zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens können Sie schriftlich oder mündlich zu Protokoll bei den unten genannten Ansprechpartnern erklären. Die Adresse lautet:
Handelskammer Hamburg
Schlichtungsausschuss für Streitigkeiten aus Berufsausbildungsverhältnissen
Adolphsplatz 1
20457 Hamburg
Der Antrag sollte möglichst kurz begründet werden und im Anhang Kopien der Unterlagen, die für den Streitfall von Bedeutung sind (z.B. Abmahnungen und Kündigungsschreiben), enthalten.

Wer nimmt an einer Schlichtung teil?

Der Ausschuss ist mit je einem ehrenamtlichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter besetzt. Darüber hinaus nimmt ein Jurist unserer Handelskammer als neutrales Mitglied beratend an der Schlichtungsverhandlung teil. In der Schlichtung haben Auszubildender und der Ausbildende die Gelegenheit, ihre Streitigkeiten in neutraler Atmosphäre zu klären. Die Ausschussmitglieder helfen ihnen dabei durch ihre Sach- und Rechtskunde.

Was erwartet Sie in einer Schlichtung?

Im Idealfall endet die Schlichtung mit einer Einigung zwischen Auszubildendem und Ausbildendem. Kommt keine Einigung zustande, fällt der Ausschuss einen Schlichtungsspruch. Dieser ist für den Auszubildenden und den Ausbildenden zunächst nicht bindend. Er hat vielmehr den Charakter eines Vergleichsvorschlages. Dieser kann binnen einer Woche von Auszubildendem und Ausbildendem durch schriftliche Erklärung anerkannt werden. Erst dann hat der Schlichtungsspruch Bindungswirkung. Wird der Spruch des Schlichtungsausschusses von einer oder von beiden Seiten nicht anerkannt, bleibt er ohne rechtliche Wirkung. Dann ist der Weg zum Arbeitsgericht offen.

Wie sieht die Erfolgsbilanz des Schlichtungsausschusses aus?

Die Erfolgsquote des Schlichtungsausschusses ist hoch. Von insgesamt 80 durchgeführten Schlichtungsverfahren im Jahr 2010 endeten 50 Verfahren mit einem sofort den Streit beendenden Vergleich. 14 Verfahren endeten mit einem Spruch des Schlichtungsausschusses. In acht Fällen vermochte der Ausschuss sich auf keinen Spruch zu einigen, so dass lediglich der Weg zum Arbeitsgericht eröffnet wurde. In vier Fällen kam es in der Folge zu einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, wobei nach unseren Informationen auch in diesen Fällen die Rechtsauffassung der Schlichter ganz überwiegend bestätigt wurde. In den restlichen Fällen haben die Parteien die Auffassung des Ausschusses ohne formelle Anerkenntnis akzeptiert und in die Tat umgesetzt. Der Schlichtungsausschuss ist ein Musterbeispiel dafür, wie durch freiwilliges Engagement kompetenter Fachleute für beide Seiten tragfähige Lösungen rechtlicher Streitigkeiten herbeigeführt werden können, ohne die Arbeitsgerichte damit zu belasten.

Wer sind unsere Schlichter?

Die hohe Akzeptanz und rechtliche Treffsicherheit der Schlichtungsergebnisse beruht vor allem auf den Persönlichkeiten und den Erfahrungen unserer ehrenamtlichen Schlichterinnen und Schlichter, die als Arbeitgebervertreter häufig aus der Ausbildungspraxis kommen, beziehungsweise von den Gewerkschaften benannt werden.

Verfahrensordnung

Die Verfahrensordnung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 77 KB) des Schlichtungsausschusses zur Beilegung
von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden
aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis finden Sie hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 77 KB).

Zeitungsartikel: Ärger mit Azubis – Erfolgsfaktor Schlichtung

Unpünktlichkeit, Schwänzen, schlechte Noten: Wenn bei Auszubildenden Gespräche und Abmahnungen keine Wirkung zeigen, bekommen sie im schlimmsten Fall die Kündigung. Ein Schlichtungsverfahren erspart dann oft den Gang zum Arbeitsgericht. ....
Der Erfolg des Ausschusses spricht für sich: In immerhin 45 Prozent der 2002 geführten Schlichtungsverhandlungen einigten sich Azubis und Betriebe gütlich auf einen Vergleich. 48 Prozent der Verhandlungen endeten mit einem Schlichtungsspruch, mehr als die Hälfte dieser Fälle wurde nicht mehr vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Das ehrenamtliche Engagement der erfahrenen Schlichterinnen und Schlichter entlastet die Arbeitsgerichte und führt zu Lösungen, die beide Seiten befriedigen. Dabei ist das Verfahren ebenso unkompliziert wie schnell: In der Regel findet der Schlichtungstermin bereits innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung statt. Die Verfahrenskosten sind mit der Betreuungsgebühr für Ausbildungsverhältnisse, ... abgedeckt.
Ist der Streitpunkt eine Kündigung, stellen sich im Verfahren zwei grundlegende Fragen:
1. Liegt ein „ausreichender“ Kündigungsgrund vor?
2. Wurden die strengen Formvorschriften, die für Abmahnung und Kündigung gelten, eingehalten?
Fehlt es an einer der Voraussetzungen, ist die Kündigung unwirksam und das Berufsausbildungsverhältnis besteht fort. Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur noch aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden – also wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung der Ausbildung nicht mehr zuzumuten ist. Dabei sind die Anforderungen an den wichtigen Grund, um so höher, je länger die Ausbildung bereits dauert. Häufig mangelt es allerdings nicht an guten Gründen, sondern an der Einhaltung der strengen Formvorschriften. Ein Arbeitgeber, der Formfehler bei Abmahnung und/oder Kündigung macht, hat vor dem Arbeitsgericht praktisch keine Aussicht auf Erfolg. Ein Vergleich vor dem Schlichtungsausschuss erspart dann unnötige Kosten und Ärger. Wenn die schlechte Leistung oder das Verhalten des Azubis Kündigungsgrund ist, er also keinen „extrem schwerwiegenden“ Fehler gemacht hat, muss der Kündigung eine Abmahnung voraus gehen. Anders als bei einem bloßen Hinweis oder einer Ermahnung gehört zur Abmahnung das Beanstanden des Fehlverhaltens mit der Androhung von Folgen für den Wiederholungsfall. In der (möglichst schriftlichen) Abmahnung muss deshalb genau dargelegt werden, gegen welche Pflicht der Auszubildende wann und wie verstoßen hat. Außerdem muss für den Fall des erneuten Verstoßes die Kündigung angedroht werden. Bei Minderjährigen müssen Abmahnungen mit Kündigungsandrohung – wie auch die Kündigung – an den gesetzlichen Vertreter gehen.
Gerade weil das Ausbildungsverhältnis nicht nur ein reines Arbeits-, sondern gleichzeitig ein Erziehungsverhältnis ist, legen die Arbeitsgerichte großen Wert darauf, dass der Auszubildenden ordnungsgemäß abgemahnt wird. Schließlich muss er wissen, welchen Fehler er wann begangen hat, um sein Verhalten entsprechend ändern zu können. Erst wenn der Auszubildende sein Verhalten trotzdem nicht ändert, kann bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen die Kündigung ausgesprochen werden. Sie muss immer schriftlich erfolgen, eindeutig sein und die Kündigungsgründe in vollem Umfang enthalten. Die Begründung muss klar machen, warum die Kündigung ausgesprochen wurde und welcher konkrete Vorfall (mit Datum) ausschlaggebend war. Werturteile wie „mangelhaftes Benehmen“ genügen deshalb nicht. In der Kündigung sollte auch stehen, dass trotz der Abmahnung (mit Datum) keine Verhaltensänderung erfolgt ist. Außerdem muss die Kündigung dem Auszubildenden innerhalb von zwei Wochen nach Bekannt werden der Pflichtverletzung zugehen und der Betriebsrat gehört werden; letzteres gilt auch für die Kündigung während der Probezeit.
Recht und Steuern

A 6 Nr. 65

A 6 Nr. 65 - § 91 ZPO Beiderseitige Kostentragung, Billigkeitsentscheidung, Mitverschulden.
Berücksichtigt das Schiedsgericht im Rahmen seiner Kostenentscheidung, dass die Klage nur wegen eines angenommenen Mitverschuldens im Ergebnis erfolglos blieb und verpflichtet das Schiedsgericht die Parteien des Verfahrens deswegen ihre eigenen Kosten und die des schiedsgerichtlichen Verfahrens jeweils hälftig zu tragen, ist dieses grundsätzlich kein Indiz für eine Billigkeitsentscheidung in der Hauptsache.
OLG München, Beschl. v. 9.11.2015 - 34 Sch 27/14 = , RKS A 6 Nr. 65, RKS A 4b Nr. 59
Aus den Gründen:
[...]
Die ergangene Kostenentscheidung ist gleichfalls kein Indiz für das Vorliegen einer Billigkeitsentscheidung in der Hauptsache. Das Schiedsgericht ist nicht an die Vorschrift des § 91 ZPO gebunden, vielmehr gilt § 35.2 DIS-SchO. Danach kann das Schiedsgericht in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens eine beiderseitige Kostentragung auch dann anordnen, wenn eine Partei in der Sache unterlegen ist (Manner in Nedden/Herzberg § 35 Rn. 5).
[...]
25.11.2015
Recht und Steuern

A 4b Nr. 58

A 4 b Nr. 58 §§ 1054, 1064 ZPO - Teilweise Vollstreckbarerklärung eines Teil-Schiedsspruchs
Teil-Schiedssprüche können unter denselben Voraussetzungen wie den Streitstoff umfassend erledigende Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden.
OLG München Beschl. v. 12.5.2015 - 34 Sch 9/15 = RKS A 4b Nr. 58
Aus den Gründen:
Dem Antrag vom 13.3.2015 ist stattzugeben.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295).
2. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs sind durch dessen Vorlage im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3. Der Antrag auf teilweise Vollstreckbarerklärung des Teil-Schiedsspruchs (§ 1054 ZPO) ist zulässig und begründet. Teil-Schiedssprüche haben eine vom Schiedsgericht nicht mehr abänderbare, einen Teil des Streitstoffs endgültig erledigende Entscheidung zum Gegenstand (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 8. Aufl. Kap. 18 Rn. 6). Sie können unter denselben Voraussetzungen wie den Streitstoff umfassend erledigende Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden.
Auch die Teil-Vollstreckbarerklärung entsprechend dem Antrag vom 13.3.2015 unterliegt keinen Bedenken, weil solche Beschränkungen zulässig sind, wenn es sich - wie hier - im Verhältnis zum anderen Teil des entschiedenen Streitstoffs um verschiedene Prozessuale Ansprüche handelt (Schwab/Walter Kap. 34 Rn. 8 m.w.N.). Die auf den streitgegenständlichen Teil bezogene Erklärung des Antragsgegners in dessen Erwiderungsschriftsatz würdigt der Senat hingegen nicht als eigenständigen Antrag, sondern als Einlassung zum Gesuch der Antragstellerin.
Aufhebungsgründe (siehe § 1059 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO), die der Vollstreckbarerklärung entgegenstünden (§ 1060 Abs. 2 ZPO), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 93 ZPO liegen nicht vor. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Wert der hiesigen Hauptsache.
27.8.2015
Legal Affairs

Trade Association Accident Insurance

Information summary

Statutory trade association accident insurance is an . As an entrepreneur, you are in principle If this is not the case in your individual situation, voluntary insurance is recommended. How contribution amounts are calculated depends upon whether you are compulsorily or voluntarily insured. To register for insurance, you should inform the responsible trade association of your business registration. You can find the responsible trade association on the statutory accident insurer’s website. must be communicated to your trade association immediately.
Contactinformation of the Social Accident Insurance Institutions in germany you can find in the box on the right site under "external links" or here.

The purpose of statutory accident insurance

Statutory accident insurance is an employer’s liability insurance. Following an accident at work or occupational illness, it is designed to compensate the injured person, their relatives and their surviving dependants.The aim of this compensation is
  • to restore the ability to work,
  • offer professional and employment promotion and
  • make the after-effects of an injury easier.
Compensation takes the form of money and payment in kind. Examples of services offered include rehabilitation measures and the payment of injury benefit, interim payments, pensions, subsidies and settlements.The insurance protection covers the consequences of an accident at work, occupational illness and accidents directly on the way to and from work.Since 1 January 1997, the legal basis for statutory accident insurance has been Volume 7 of the German Social Code (SGB VII). Previously it was the Social Insurance Code of the German Reich (RVO).There are nine trade associations providing accident insurance in the commercial sector. They are divided by industry branch. To ascertain to which trade association you belong, visit the statutory accident insurer’s website.

Who trade associations insure against accidents

a) Entrepreneurs

As an independent entrepreneur with no employees, you will not always be subject to mandatory insurance. 5 of the 9 trade associations view such individuals as being subject to mandatory insurance. For the other trade associations, you can obtain voluntary insurance for you and your assisting spouse provided that said spouse does not draw a salary and is therefore not subject to mandatory insurance.
Tip:
Even if you are not subject to mandatory insurance, we recommend obtaining voluntary insurance from your trade association. This protection is particularly important for new entrepreneurs.
Voluntary insurance is useful because it offers comprehensive insurance cover for relatively low annual contributions. Those with voluntary insurance have an advantage over those with mandatory insurance in that they can generally choose their own insurance sum up to the statutory upper limit.
Your insurance sum should be determined by your actual income. It is the basis of calculation for the level of payout you would receive from the insurance.

b) Freelancers

As a freelancer you can also obtain voluntary insurance from the trade association responsible for your industry sector. If there is no trade association available for your sector, then the administrative trade association provides the insurance.
Those subject to statutory insurance include all employees with an employment relationship, service relationship or apprenticeship. Your level of income is irrelevant. In addition, home workers, intermediaries, home tradesmen and assisting spouses who draw a salary are also subject to insurance under the law.

How to register with your trade association

You should inform the responsible trade association of your business registration, even if it is common practice for the trade licensing office to send them your business registration and put your trade association in contact with you.
Note: It is a good idea to inform the responsible trade association within a week for new business start-ups. You can find out which trade association is responsible for you on the statutory accident insurer’s website at www.dguv.de.
Even if you do not register, your employees are still subject to mandatory insurance. If you and your company are not registered with your trade association, you should expect to be charged retroactive supplementary contributions dating back to the day your company was founded.
Caution: The trade association’s claim to contributions only lapses four years from the end of the calendar year in which this took place. Contributions intentionally not paid can be claimed by the trade association as far as up to 30 years following being due!
If you would like to obtain voluntary accident insurance, you should apply to the trade association.

The size of your contribution payments

Statutory accident insurance is exclusively financed by the contributions paid by entrepreneurs. The trade association sends you a contribution assessment at the end of the year.

a) Contributions for mandatory insurance

If you are subject to mandatory insurance, your contributions are calculated from the wage bill of those insured and the hazard class assigned to your company. This is in turn dependent on the number and severity of accidents at work occurring in the individual industry sectors.
You only have to provide your trade association with your total wage bill at the end of the year or the beginning of the next year, i.e. not every new appointment or dismissal of an employee has to be communicated.

b) Contributions for voluntary insurance

If you have voluntary insurance, your contribution is calculated using the factors of insurance sum, industry-specific hazard class and cost splitting coefficient. The calculation formula is as follows:
Insurance sum x hazard class x contribution coefficient 1000 Information about hazard classes and cost splitting coefficients for the past insurance year can be obtained from your trade association. Due to the cost splitting system, contributions for the current year have not yet been set. However, major deviations from the previous year’s values only occur in exceptional cases.

How to report an accident at work

All accidents at work must be communicated to your trade association immediately. There is a statutory form for the purpose (notice of accident). You can obtain the form from your trade association or in stationery stores.
Legal Affairs

Limitation of Actions in the German Law

When a claim is said to be barred by limitation (German: “Verjährung”) or when this is successfully pleaded as a defence, it means that the time has run out for legally enforcing what is in fact a valid claim. The claim against the other party still exists. But instead of having to satisfy it, the other side can plead the statute of limitations. Although a claim may be barred by limitation, it may still be used for the purposes of a setoff or to enforce a right of retention provided that the claim was not yet barred by limitation at the time the setoff or the retention of title was initially possible.

Limitation period

The standard limitation period is three years (Section 195 of the [German] Civil Code (BGB)). Unless another date for the beginning of a limitation period is prescribed, the standard limitation period begins to run at the close of the year in which the claim arose and in which the creditor obtained or, in the absence of gross negligence, had to have obtained knowledge of the facts supporting the claim and knowledge of the identity of the debtor.
This limitation period applies to all claims that came into existence after January 1, 2002 unless a special limitation period applies to the claim. Special limitation periods are found in a variety of statutes, for example in the Commercial Code or the [German] Stock Corporation Act, which govern some particular claims.

Special rules

The 30-year limitation period (Section 197, Section 199 (2) BGB), which begins to run at different times:
a) claims for damages based on an intentionally caused fatal injury, personal injury, or injury to someone’s health, violation of liberty, or violation of sexual self-determination:
The limitation period begins to run with the commitment of the act, the breach of the obligation, or any other loss-triggering event.
b) claims for surrender of possession arising from ownership rights and other rights in rem:
The limitation period begins to run with the claim’s inception.
c) claims that have been judicially determined to be final and absolute:
The limitation period begins to run when the decision is no longer appealable.
d) claims based on enforceable judicial settlements or enforceable deeds:
The limitation period begins to run when the instrument becomes judicially enforceable.
e) claims that have become enforceable on the basis of rulings made in insolvency proceedings:
The limitation period begins to run when the ruling is made.
f) claims for reimbursement of the costs of compulsory execution (German: “Zwangsvollstreckung”):
The limitation period begins to run when the decision to be enforced is no longer appealable.
Sale contracts
Special limitation periods apply to purchased goods that are defective (Section 438 BGB):
a) The basic rule is two years. The limitation period begins to run when risk passes (which is usually with the delivery of the goods).
b) The standard limitation period of three years applies in the case of fraudulently concealed defects. The limitation period begins to run at the close of the year in which knowledge of the claim and the identity of the debtor is obtained.
c) Five years in the case of a building structure and in the case of goods (building materials) that have produced the defectiveness of a building structure.
d) 30 years in the case of purchased goods that can be reclaimed on the basis of a right in rem (e.g. ownership) of a third party.
Works contracts
Special limitation periods apply to defective works produced under a works contract (Section 634 a BGB):
a) The basic rule is two years beginning with the time the work is formally accepted as contractually conform.
b) The limitation period of three years applies in the case of fraudulently concealed defects. The limitation period begins to run at the close of the year in which knowledge of the claim and the identity of the debtor is obtained.
c) Three years in the case of incorporeal works (e.g. building plans, expert opinions). The limitation period begins to run at the close of the year in which knowledge of the claim and the identity of the debtor is obtained.
d) Five years in the case of building structures. The limitation period begins to run with the formal acceptance of the building structure as contractually conform if the defective building material caused the defectiveness of the building structure and the goods were goods used for a building structure (e.g. building materials).
If the goods are not firmly fixed to the building, then the two-year limitation period applies. The same is true if it was the installation and not the material that was defective.
Rental contracts
Claims arising from rental contracts basically have a three-year limitation period.
The law on rental contracts prescribes a six-month limitation period for the following claims (Section 548 BGB):
  • The lessor’s claim for compensation for modifications made to or deterioration of the leased property.
  • The lessor’s claim for making cosmetic (interior) repairs or for payment of a proportional share of the costs of the cosmetic (interior) repairs if there is a proportional share clause in the contract.
  • The lessee’s claim for reimbursement of expenditures.
The limitation period begins to run at the point in time at which the leased property is returned to the lessor. At the point in time at which the lessor’s claim to return of the leased property is barred by limitation, so is his or her claim for compensation.
Commercial agency contracts
All claims in conjunction with the contractual relationships between commercial agents (German: “Handelsvertreter”) and contractors (German: “Unternehmer”) that came into existence or became due after December 14, 2004 are subject to the general three-year limitation period pursuant to Section 195 BGB.
Ancillary claims (Section 87 c HGB) such as the claim for an account settlement or an extract from the accounting books etc. are barred by limitation automatically in conjunction with the purpose they serve. For example, the right to a settlement of accounts lacks merit once the claim for commission is barred by limitation. The same applies to rights to receive information about commission payments once the claim for commission is barred by limitation.

Suspension of a limitation period

Suspending a limitation period means that the limitation period comes to a halt the moment that grounds for such suspension arise, and it continues to run the moment they come to an end.
The period of time for which the limitation period is suspended is not included in the calculation of the limitation period.
The limitation period is suspended:
  • when a right to refuse performance was agreed.
  • from the time negotiations are pending up to a refusal to continue negotiations (the claims are barred by limitation in such a case no earlier than three months after the end of the suspension).
  • in cases of force majeure (which includes when legal representation comes to a standstill).
  • when litigation proceedings are pursued, e.g. filing a law suit, summary debt-proceedings (German: “Mahnverfahren”), petition for conciliation, other proceedings with an officially approved conciliation body, application for litigation costs assistance, setoff, issuance of a third party notice, insolvency proceedings (see Section 204 (1) Nos. 1-14 BGB).
    Excepted from this are the enforcement procedures that trigger the limitation period to begin to run again. The suspension ends six months after a non-appealable decision of a court or any other finalization of the initiated proceedings. When proceedings are not pursued, the last hearing in the proceedings is deemed as the decisive date for the six-month limitation period. The suspension begins again when one of the parties continues on with the proceedings.

Limitation period begins again

When a limitation period begins to run again (Section 212 BGB) it means that after the event that led to the interruption of the limitation period, the entire limitation period begins to run again.
Events that lead to interruptions include:
  • the debtor’s acknowledgement of the creditor’s claim by paying an instalment, making an interest payment, providing security, or by doing something else.
  • the carrying out or application for judicial or public-administrative enforcement procedures. If the enforcement procedures are set aside or the application for enforcement procedures denied or withdrawn beforehand, then the new begin of the limitation period is deemed as not having occurred.

Further Information

This online information can only provide you with a very summarized overview of these topics and does not claim to be complete. If you need more information, you can visit our Commerzbibliothek (Library of Commerce) where you will find all the usual legal literature such as legislation, legal commentaries, collections of judicial decisions, periodicals, and monographs. The Commerzbibliothek is located on the ground floor of the Hamburg Chamber of Commerce at Adolphsplatz 1 in 20457 Hamburg. It is open Monday to Thursday from 10 am to 8 pm and on Friday and Saturday from 10 am to 3 pm.
Recht und Steuern

A 1 Nr. 232

A 1 Nr. 232 – Art. 103 Abs. 1 GG, § 1063 ZPO Zwischenentscheid ohne mündliche Verhandlung. Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG Gebot des fairen Verfahrens. Zulässigkeit von Kompetenz-Kompetenz-Klauseln. Beurkundung von schiedsgerichtlichen Verfahrensordnungen notarieller Formbedürftigkeit des Hauptvertrages.
1. Im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen einen schiedsgerichtlichen Zuständigkeitsentscheid nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO ist das OLG (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet, da verfahrensrechtliche Entscheidungen mangels Entscheidung in der Hauptsache nicht dem Anwendungsbereich der Norm unterfallen.
2. Die Unwirksamkeit einer so genannten Kompetenz-Kompetenz-Klausel führt nicht nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Schiedsvereinbarung.
3. Eine Schiedsklausel in einem notariell beurkundeten Vertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen ist nicht deshalb nach § 125 S. 1 i.V.m. § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG nichtig, weil sie auf eine Schiedsgerichtsordnung Bezug nimmt, die nicht mitbeurkundet worden ist.
BGH, Beschl. v. 24.7.2014 – III ZB 83/13; NJW 2014, 3652 ff. = RKS A 1 Nr. 232
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien schlossen am 22.10.2010 einen notariell beurkundeten „Rahmenvertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen“ sowie als Anlagen dazu unter anderem mehrere Einzelverträge. In dem vor dem Schiedsgericht eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit mehrerer Verträge und über die Löschung der zur Sicherung vertraglicher Ansprüche auf Übertragung von Grundstücken eingetragenen Auflassungsvormerkungen. Der Rahmenvertrag enthielt folgende Schiedsklausel:
„Schiedsgericht. 16.1 Jede Streitigkeit, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder seinen Anlagen entsteht, einschließlich jeder Streitigkeit über die Wirksamkeit oder das Bestehen dieses Vertrages, mit Ausnahme derjenigen Streitigkeiten, die von Gesetzes wegen einem Schiedsgericht nicht zur Entscheidung zugewiesen werden können, wird entsprechend der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) endgültig entschieden, ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden.“
Die Schiedsbeklagte rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Mit Zwischenentscheid vom 5.3.2013 stellte das Schiedsgericht fest, dass die Zuständigkeitsrüge der Schiedsbeklagten unbegründet sei. Der Antrag der Schiedsbeklagten auf gerichtliche Entscheidung vor dem OLG München wurde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung der Antragstellerin, das OLG habe dadurch, dass es entgegen ihrer Forderung ohne mündliche Verhandlung entscheiden habe, Art. 103 Abs. 1 GG, § 1063 ZPO verletzt sowie gegen das Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) verstoßen, nicht.
1. Art. 103 Abs. 1 GG begründet kein Recht auf eine mündliche, sondern nur auf rechtliches Gehör. Soweit das Gesetz keine verbindliche Entscheidung trifft, liegt die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. nur BVerfG – NJW 1982, 1679). § 1063 Abs. 1 ZPO soeht vor, dass das OLG durch Beschluss nach Anhörung des Antragsgegners entscheidet. Eine mündliche Verhandlung ist nur im Fall des § 1063 Abs. 2 vorgeschrieben, dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben sind.
Ein Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auf ein Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht anwendbar. Verfahrensrechtliche Entscheidungen fallen mangels Entscheidung in der Sache nicht unter Art. 6 Abs. 1 EMRK, so unter anderem Entscheidungen über die Zuständigkeit eines Gerichts (wird ausgeführt).
Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung stand somit im Ermessen des OLG (§ 128 Abs. 4 ZPO). Eine Verletzung der Antragstellerin liegt nicht vor. Diese hatte sowohl vor dem Schiedsgericht, als auch vor dem OLG ausreichend Gelegenheit, zur streitigen Zuständigkeitsfrage Stellung zu nehmen und hat davon, wie der Inhalt der Schriftsätze zeigt, auch umfassend Gebrauch gemacht.
2. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die zwischen den Parteien angeschlossene Schiedsvereinbarung nicht wegen ihres Inhalts unwirksam ist. Zwar enthält der Rahmenvertrag eine so genannte Kompetenz-Kompetenz-Klausel. (…) Das letzte Wort hat aber – bezüglich des Zwischenentscheids im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO, bezüglich des Schiedsspruchs und des Prozessschiedsspruchs im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO – das staatliche Gericht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt die die Unwirksamkeit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel jedoch nicht dazu, dass die Schiedsvereinbarung insgesamt keine Gültigkeit hat und das Schiedsgericht damit insgesamt unzuständig ist. Haben die Parteien eine Schiedsabrede getroffen und zusätzlich eine Kompetenz-Kompetenz-Klausel vereinbart, handelt es sich um jeweils gesonderte eigenständige Vereinbarungen. Die Nichtigkeit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel berührt die übrige Schiedsabrede nicht.
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Schiedsvereinbarung auch nicht deshalb nach § 125 S. 1 i.V.m. § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG nichtig, weil diese auf die DIS-Schiedsgerichtsordnung Bezug nimmt und diese nicht mit beurkundet wurde. Eine Schiedsvereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit lediglich der Einhaltung der in § 1031 ZPO geregelten Schriftform. (…) Hieran ändert sich auch nichts, wenn sich die Schiedsvereinbarung auf ein Rechtsgeschäft bezieht, das seinerseits beurkundungsbedürftig ist. Der verschiedentlich im Schrifttum mit Verweis auf das beurkundungsrechtliche Vollständigkeitsprinzip vertreten gegenteiligen Auffassung (…) folgt der Senat nicht.
Abgesehen davon, dass sich das vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Formerfordernis in § 1031 ZPO nur auf die Schiedsvereinbarung als solche bezieht, ist durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 ausdrücklich die Selbstständigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag betont und insoweit in § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmt worden, dass eine Schiedsklausel – also eine im Hauptvertrag enthaltene Schiedsvereinbarung – bei der Prüfung ihres Bestehens und ihre Gültigkeit als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung anzusehen ist. Diese Eigenständigkeit unterscheidet die die Schiedsklausel von – beurkundungsbedürftigen – Nebenabreden eines beurkundungsbedürftigen Hauptvertrages.
10.04.2015
Legal Affairs

Authorizations in Germany

Prokura

The “Prokura” is a very wide form of statutory commercial representation under German law. The “Prokurist”, the holder of the Prokura, is authorized to execute every kind of judicial or extrajudicial transaction and to perform every legal act associated with the operation of a commercial business (Section 49 (1) HGB).
Prokura holders are not, however, authorized to sell or encumber real property unless they are expressly authorized to do so. Certain fundamental transactions/acts (such as changing the objects of the company, decisions to wind up the company) are also outside the scope of their powers, as are transactions that must be performed by the shareholder personally.
The powers conferred by way of the Prokura cannot be restricted in relation to third parties. A Prokura confers on the holder of it general powers to execute every kind of transaction associated with “a commercial enterprise” (so the wording of the statute) and not just specific kinds. Therefore Prokura holders are also entitled to execute transactions outside the branch they are in.
Any restriction of the scope of the representational powers of a Prokura holder contrary to the statutory provisions is invalid, and any transactions concluded by the Prokura holder are binding on the company.
Example: Merchant M grants a Prokura to employee P. It has been agreed that P is only authorized to conclude contracts for purchasing goods. Contrary to this agreement, P sells goods in M’s name on the side. The sale of the goods by P is nevertheless binding on M, but P may be liable internally to M.
A Prokura can take the form of an individual Prokura or a jointly held Prokura. The holder of an individual Prokura has sole powers of representation. The holder of a jointly held Prokura only has powers of representation jointly with another Prokura holder, or in the case of an OHG or a KG, jointly with a managing director.
Example: Merchant M grants a Prokura to Z. But because Z is still inexperienced, Z is only authorized to conclude contracts together with the more experienced Prokurist P. P herself is also authorized to conclude contracts alone (without Z).
If a company has branch establishments, a Prokura – in the form of a so-called branch establishment Prokura – can be restricted to one of these establishments if the requirements of Section 50 (3) HGB are satisfied. A restriction to a certain area must be expressly declared.
a) Granting a Prokura
Only proprietors of commercial businesses or their legal representatives are entitled to grant a Prokura. In other words those persons registered in the Commercial Register or, in the case of commercial enterprises (GmbH, OHG, KG, AG), those organs vested with representational powers, i.e. managing directors and members of the management board. Therefore the holder of a Prokura can never grant a Prokura to someone else. The Prokura must be granted expressly (Section 48 (1) HGB) and must be registered in the Commercial Register (Section 53 HGB).
It is important to understand that the registration of the Prokura in the Commercial Register has a declaratory effect only. This means that it is not the registration of the Prokura that makes it valid; it is already valid the moment the proprietor or the legal representatives of the commercial business grant it. The registration in the Commercial Register is nevertheless important for reasons of legal certainty, because the public has the right to rely on the contents and the correctness of the Commercial Register. The registration of the Prokura must be made by application certified by a German notary. Additional documents may also have to be submitted with the application. Your notary public will tell you which documents these are.
The Prokura may only be granted to natural persons, and it is not transferable to another person (Section 52 (2) HGB).
b) Deleting the Prokura
The role registration plays is different when a Prokura has been terminated than it does when it has been granted. Until a Prokura has been deleted from the Commercial Register, the Prokura holder retains his or her powers of representation for the same reason given above: third parties have the right to rely on the contents of the Commercial Register (the so-called positive effect of publication pursuant to Section 15 (1) HGB).
Reasons for deleting the Prokura include the termination of the underlying employment relationship, the de facto legal incapacity or the death of the Prokura holder, and the revocation of the Prokura (Section 52 (1) HGB).
Example: Merchant M dismisses her Prokurist P. M forgets, however, to have the Prokura deleted from the Commercial Register. P continues to conclude contracts, one with the third party TP. TP knew nothing of the termination of P’s Prokura. In this case, TP is entitled to rely on the legal validity of P’s Prokura.
c) Rules regarding signatures
Prokura holders must make it very clear in all written correspondence that they have powers of representation. This is usually done by adding the supplement “ppa.” (per procura) to the signature.

Limited commercial authority

Limited commercial authority (German: “Handlungsvollmacht”) authorizes the holder of it to undertake all transactions and legal acts commonly associated with operating a commercial enterprise. The powers of representation pursuant to this authority are limited to the execution of business transactions of the commercial enterprise. The taking out of loans and the conducting of litigation proceedings are per Section 54 (2) HGB not covered by it. The scope of a limited commercial authority must be defined. A restricting of the authority vis-à-vis a third party is invalid if the third party did not know of or did not have to know of the restriction.
a) Granting and terminating the limited commercial authority
The granting of a limited commercial authority may be declared to the authorized person (internal authority) as well as to third parties (external authority) or may be publicized via a public announcement. It does not have to be registered in the Commercial Register, and there are no requirements as to the form in which it must be granted or terminated, i.e. it can be done orally. But for evidentiary reasons, it is advisable to grant it in writing. If the authority is terminated by way of revocation, then it is important to notify those individuals of the revocation who had been notified of the granting of it. For example, if the authority was granted by way of notification to a third party, then such authority remains in effect towards the third party until he or she has been notified of its revocation, i.e. until the third party obtains or had to have obtained knowledge of the termination. The termination of the underlying legal relationship, i.e. the employment relationship, ordinarily operates to terminate the authority.
b) Rules regarding signatures
The holder of the limited commercial authority generally signs with the German supplement “i. V.”, which is the abbreviation of “in Vollmacht” and means “authorized to act for”.

Authority to conclude contracts

The authority to conclude contracts (German: “Abschlussvollmacht”) is a subcategory of the limited commercial authority. It is primarily an instrument of commercial agents (German: “Handelsvertreter”) and employees working in external sales (German: “Handlungsgehilfe”). These persons are authorized to conclude contracts within the scope of their job duties. What this authority does not include, however, is the authority to modify contracts that have already been concluded, particularly those terms stipulating payment deadlines.

Special authority (to conclude specific legal transactions)

The special authority (German: “Spezialvollmacht”) authorizes the holder of it to execute specific transactions or specific kinds of transactions. The wording of the special authority must be unambiguous and precise. Particularly the purpose of the authority must be stated in the most exact terms. The special authority should also be granted in writing. If the authority was granted for carrying out one specific transaction only, then it lapses automatically upon completion of such transaction.

Shop employee’s authority

Whoever is employed in a shop or a storehouse is deemed to have the authority to transact those sales and take those deliveries common to such a shop or storehouse (German: “Ladenvollmacht”). Excluded from such common transactions, however, are purchases of goods and promises to exchange goods. Such transactions must be carried out by a merchant or by another authorized person. The granting of the authorization takes place automatically with the hiring of the person and ends automatically with the termination of the employment relationship. The idea behind the shop employee’s authority is to provide customers with legal certainty so that they do not have to worry about whether the salesperson is in fact authorized to make the sale or not.

Authority by virtue of an ostensible legal situation

In exceptional cases, authorized representation may be found to exist even though authority was not expressly granted:
a) Apparent authority
The acts of employees who actually have no powers of representation but who present themselves to third parties as if they do can bind the company for whom they are employed even when the company does not know of such acts if the company could have known of them and could have prevented them had it exercised the requisite duty of care (German: “Anscheinsvollmacht”).
b) Authority by acquiescence
Authority by acquiescence (German: “Duldungsvollmacht”) is found to exist when a company allows employees who actually have no limited commercial authority to present themselves to third parties as if they do (the company acquiesces in this) and the third party is justified in thinking that such authority had been granted. In such a case, the company must accept full responsibility for the acts of the employees, because there is no way for the third party to know that authority actually did not exist. It is the good faith of the business partner that is being protected.
Example: Merchant M hired the office manager OM. OM was never granted any kind of authority or Prokura. Because OM sometimes finds his work boring, he negotiates contracts directly with partners of M and concludes these on behalf of M. M allows this to go on, because OM is surprisingly good at making deals.

Representation without powers of representation

Representation without powers of representation is found when authorized persons exceed the powers of representation granted to them or when there has been no authorization at all and the contracting partner had no knowledge of such lack of representational powers. The transaction is provisionally invalid. If the principal ratifies it, then it becomes valid. If the principal refuses to ratify it, then the agent who acts without authority is him- or herself bound by it and is personally liable for any loss incurred.

Further Information

This online information can only provide you with a very summarized overview of these topics and does not claim to be complete. If you need more information, you can visit our Commerzbibliothek (Library of Commerce) where you will find all the usual legal literature such as legislation, legal commentaries, collections of judicial decisions, periodicals, and monographs. The Commerzbibliothek is located on the ground floor of the Hamburg Chamber of Commerce at Adolphsplatz 1 in 20457 Hamburg. It is open Monday to Thursday from 10 am to 8 pm and on Friday and Saturday from 10 am to 3 pm.
Registration

Registering a Trade or Business in Germany

The registration, changes to a registration, or the cancellation of a registration of your trade or business (German: “Gewerbe”) and a variety of activities associated with these can be done either personally in the start-up centre of the Hamburg Chamber of Commerce or online via the “Point of Single Contact”.

What is a “Gewerbe”?

A “Gewerbe” is basically a trade or a business. The registering of it is often one of the first steps for self-employment in Germany. A “Gewerbe” for these purposes refers to any self-employed, regular, profit-oriented, and not merely temporary occupation. Anyone who is personally independent and is not bound by the instructions of another person and who pursues an occupation that is not unlawful, such as commercially dealing in stolen goods, is regarded as carrying on a “Gewerbe”. The occupation must be carried on regularly and not only occasionally, and must be done for payment. And although it must also be profit-oriented, it is irrelevant whether any profits are really made.
Exempted from the registration obligation are the so-called independent or liberal professions (“freie Berufe”).

Registering a trade or business

The registration of your trade or business (German: “Gewerbeanmeldung”) and a variety of activities associated with it can be carried out in a number of places. You can do this personally in the Service Centre of the Hamburg Chamber of Commerce, in the so-called “Handwerkskammer” (Chamber of Trades), in the  district administration office (German: “Bezirksamt”) with jurisdiction in the place where your trade or business has its business seat, or online via the “Point of Single Contact”.
Unless there are special requirements for carrying on a trade or a business, the registration fee is EUR 20.00.
Please bring your German “Personalausweis” if you have one or your passport together with your “Meldebescheinigung” (residence registration card). If there is a notification that the business activities of a company registered in the Commercial Register (German: “Handelsregister”) are about to begin, then please provide us with the corresponding certificate of registration in the Commercial Register (German: “Handelsregisterauszug”). This must be accompanied by the company’s articles of association in notarized form by a Germany notary public. More information about the notification of companies that must be registered in the Commercial Register is obtainable here.
Some kinds of occupations require that you obtain a special permit. If this is the case, the Point of Single Contact located in the Hamburg Chamber of Commerce can assist you with this. The staff there will be happy to help you with filing the applications for permits and for other necessary documents. A list of those businesses/trades that require permits is found here.
You can also commission another person to perform these formalities for you. You must give the person commissioned by you a power of attorney for this specific purpose and a photocopy of your German “Personalausweis” (or your passport together with the “Meldebescheinigung”). Such persons must also be able to prove their own identity as well.
Upon registration of the trade/business, an automatic notification will be sent to the German tax office (German: “Finanzamt”). And depending on which industry is involved, a notification will also be sent to the Hamburg Chamber of Commerce and/or the Handwerkskammer Hamburg, to the government employment office (German: “Arbeitsagentur”), to certain professional/trade associations (German: “Berufsgenossenschaft” ), and where applicable to the building inspection department of the district “Bezirksamt”.
Important: The registration of a trade or business does not entitle the registering party to carry on the commercial occupation if a special permit (e.g. restaurant license) or the registration in a tradesmen’s register is still required.
Advice: Find out ahead of time whether you are obligated to obtain any permits. You can ask the Service-Center of the Hamburg Chamber of Commerce, the Point of Single Contact, or the so-called “Bezirksamt” competent for this.

Changing the registration of a trade or business

If any changes arise in conjunction with your trade or business activities, our Service-Center and the Point of Single Contact will also be happy to assist you with changing the registration of the trade or business (German: “Gewerbeummeldung”). The registration must be changed if the business operations, the branch establishment, or the branch office is moved within the city limits. The fee for this is EUR 20.00.
Please also inform us of the following things:
  • changes or expansions of your business to include other goods or services,
  • changes to persons’ or company names,
  • management changes in the case of companies registered in the Commercial Register,
  • changes to the private addresses of the business operators or the managing directors.
No fees are charged for this. Cancelling the registration of a trade or businessIf you discontinue your business activities, then you can cancel the registration of the trade or business (German: “Gewerbeabmeldung”) free of costs.
Legal Affairs

From the Accounting Duty to the Publication Duty in Germany

Introduction

All merchants (German: “Kaufleute”) within the meaning of the [German] Commercial Code (German: “Handelsgesetzbuch” or “HGB”) are under the accounting duty. Special additional duties are imposed on corporations (e.g. the AG (public limited company) and the GmbH (private limited company)). Such duties vary depending on the size of the company: duty to prepare the accounts, duty to audit the accounts, duty to publish the financial statements. A breach of these duties constitutes an administrative offence.
According to the Commercial Code (HGB), all merchants are under an accounting duty. Persons under an accounting duty must prepare their annual financial statements by a certain date and must preserve the accounts for a certain length of time. The HGB contains supplementary provisions for corporations and for certain commercial enterprises in relation to their size. These provisions contain more extensive rules for preparing and auditing the accounts and for publishing the financial statements. The legal representatives of the companies are responsible for fulfilling these duties, breaches of which may be punishable with penalties.

Accounting duty

Section 238 HGB defines that basically all merchants and certain entities are under a duty to keep proper accounts:
  • the “Kaufmann”, the merchant,
  • the “offene Handelsgesellschaft (oHG)”, the general commercial partnership,
  • the “Kommanditgesellschaft (KG)”, the limited partnership,
  • the “Aktiengesellschaft (AG)”, the public limited company,
  • the “Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)”, the private limited company,
  • the "eingetragene Genossenschaft (eG)", the registered cooperative.
Some other professional businesspeople may be under an accounting duty pursuant to tax law.
Proper accounting means that the party with the duty must report on the state of its commercial business and its financial situation. This means that the merchant, in addition to the annual inventory, must prepare financial statements that show, as per the close of the respective financial year, the relationship between assets and liabilities (balance sheet) and a comparison of expenses and income (income statement). The balance sheet and the income statement form the annual financial statements (Section 242 HGB). The annual financial statements must be prepared in accordance with German accepted accounting principles and within a period that is consistent with orderly business conduct (Section 243 HGB). The merchant must preserve the annual financial statements for ten years (Section 257 HGB).

Corporations

The two main types of German corporations are the AG (public limited company) and the GmbH (private limited company). Special rules apply to them depending on the size of the company. The Commercial Code (HGB) distinguishes between three size classes:
small corporations (Section 267 (1) HGB), which may only exceed one of the following criteria:
  • EUR 6,000,000 in total assets after deduction of a deficit reported on the asset side (Section 268 (3) HGB)
  • EUR 12,000,000 in sales in the twelve months preceding the balance sheet date
  • an annual average of 50 employees
medium-sized corporations (Section 267 (2) HGB), which may only exceed one of the following criteria:
  • EUR 20,000,000 in total assets after deduction of a deficit reported on the asset side (Section 268 (3) HGB)
  • EUR 40,000,000 in sales in the twelve months preceding the balance sheet date
  • an annual average of 250 employees
All others are considered large corporations (Section 267 (3) HGB).
The provisions on corporations apply analogously to certain types of commercial enterprises, particularly the GmbH & Co. KG (limited partnership with a GmbH as general partner). The broader duties do not apply to those commercial enterprises in which at least one personally liable partner is:
- a natural person, or
- another commercial enterprise with a natural person as the personally liable partner or where the latter situation continues on through a connected chain of companies.

Duty to prepare the financial statements

Corporations must supplement the annual financial statements with notes and with a management report (Section 264 HGB).
The notes (Section 284 ff. HGB) must explain the annual financial statements, for example they must explain the accounting policies applied to the balance sheet and the income statement or the ratio of current liabilities to total liabilities. The management report (Section 289 HGB) must describe the course of business and the position of the company.
These documents must be prepared by the legal representatives of the corporation. This is the management board (German: “Vorstand”) in an AG and the managing director (German: “Geschäftsführer”) in a GmbH. The deadline for preparing the statements is three months after the close of the financial year.
Certain exceptions apply to small corporations. They do not have to prepare a management report, and the deadline for preparing the statements is six months after the close of the financial year provided that this is consistent with orderly business conduct.

Duty to audit

The annual financial statements and the management report must be audited by an auditor (Section 316 ff. HGB). The duty to audit does not apply to small corporations.
The auditors must be elected by the shareholders prior to the end of the financial year to which their audit activities relate (Section 318 HGB). If the shareholders are late in electing an auditor, then the auditor must be appointed by the competent court upon application [of the legal representatives, the supervisory board, or a shareholder].
The auditor must prepare an audit report (Section 321 HGB) and must accompany the annual financial statements with an auditors’ report that summarizes the findings of the audit (Section 322 HGB).
It is important to note that anyone who participates in the preparation of the annual financial statements is not allowed to be an auditor.

Duty to publish

The duty to publish is regulated in Section 325 ff. HGB. The annual financial statements together with the auditors’ report or the non-affirmative auditors’ report must be filed in electronic form with the operators of the online federal gazette called the “elektronischer Bundesanzeiger”. They must be filed by the legal representatives of the corporation without undue delay following submission of them to the shareholders, however no later than the end of the 12th month of the financial year following the balance sheet date. Other documents that have to be published are set out in Section 325 HGB. The legal representatives of corporations must also file these documents in the “elektronischer Bundesanzeiger” without undue delay after their submission to the shareholders.

Small corporations only have to file the balance sheet and the notes. These must be filed in electronic form with the operator of the “elektronischer Bundesanzeiger”. The notes do not have to contain any disclosures relating to the income statement (Section 326 HGB). Section 327 HGB contains exemptions from certain publication obligations for medium-sized corporations. Whether a corporation is classified as small, medium-sized, or large is decided pursuant to the definitions in Section 267 HGB. The operator of the “elektronischer Bundesanzeiger” reviews whether the required documents have been filed on time and in a complete form (Section 329 HGB).

Penalties

Breaches of these duties are considered administrative offences. Administrative offences are punishable by fines of up to EUR 50,000. The Federal Office of Justice also has the power to prescribe fines to enforce fulfilment of certain duties.
Important: This online information can only provide you with a general overview of the duties owed. There are exceptions for example in the case of consolidated financial statements of parent companies and in the case of consolidated financial statements pursuant to European Union law directives. This online information is no substitute for the individual advice of a member of the legal or accounting professions.
Corporate Law

Liability of the Managing Director of a "GmbH" in Germany

A “GmbH” is a private limited liability company under German law. The managing director (German: “Geschäftsführer”) of a GmbH is exposed to personal liability in a wide variety of ways. Managing directors can be held liable to the company for failing to exercise the standard of care owed to the company and under certain circumstances can be sued by the business partners of the company for acts of misconduct towards them. There is also the possibility of being held accountable under criminal law or under the law of administrative offences.
The following is intended as an overview - and not a complete review - of the liability of managing directors in these areas.

I. Liability towards the company (internal liability)

II. Liability towards third parties (external liability)

The managing director is an organ of the GmbH and therefore acts on behalf of the company. For this reason, the GmbH is liable to third parties for any loss caused by misconduct on the part of its managing directors. Although in principle managing directors are not themselves liable to these third parties, there are exceptions to this rule.
Recht

Auftraggeberhaftung nach dem Mindestlohngesetz

1. Einleitung

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) enthält verschiedene Instrumente zur Sicherung der Gewährung des Mindestlohns. Ein für die Praxis absolut relevantes Sicherungselement ist die in § 13 MiLoG verankerte unmittelbare Haftung des Auftraggebers von Werk- bzw. Dienstleistungen für die Zahlung des Mindestlohns gegenüber den Arbeitnehmern, die sein Auftragnehmer zur Erbringung der vereinbarten Leistung einsetzt. Dadurch können große Haftungsrisiken auch für Unternehmen entstehen, die selbst sogar Löhne über dem gesetzlichen Mindestlohnniveau zahlen. Denn diese haften nunmehr nicht nur ihren eigenen Arbeitnehmern gegenüber für die Einhaltung des Mindestlohns, sondern sie haften auch - in gewissen Grenzen - für die Arbeitnehmer der von ihnen beauftragten Unternehmen.
Dieses Merkblatt gibt Ihnen einen Überblick darüber, wer vom Anwendungsbereich der Norm erfasst ist, in welchem Umfang gehaftet wird und welche Möglichkeiten zur Reduzierung des Haftungsrisikos es gibt.

2. Welche gesetzliche Grundlage gibt es für die Auftraggeberhaftung?

Das MiLoG selbst enthält gar keine eigenständige Haftungsregelung für Auftraggeber. Vielmehr wird in § 13 MiLoG auf die entsprechenden Grundsätze des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) verwiesen. Dort ist in § 14 AEntG geregelt, dass "ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt hat, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts [...] wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, haftet." Inwiefern auch die bisher entwickelten Leitlinien der Rechtsprechung zur Haftung des Auftraggebers gem. § 14 AEntG künftig für den § 13 MiLoG herangezogen werden können, bleibt abzuwarten.

3. Ist jeder Auftraggeber Haftungsadressat?

Nein, auch wenn der Wortlaut des § 14 AEntG dies nahezulegen scheint. Haftender Unternehmer im Sinne der Bürgenhaftung ist mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Norm nur der Unternehmer, der sich seinerseits gegenüber seinem Vertragspartner zur Erbringung von Werk- und Dienstleistungen verpflichtet hat, und diese Pflicht nicht mit eigenen, sondern mit fremden Arbeitskräften erfüllen will oder kann. Man spricht vom sog. Generalunternehmer. Damit scheiden jedenfalls Privatleute aus der Haftung aus. Der Generalunternehmer haftet dagegen auch unabhängig von seiner Rechtsform als Auftraggeber. Auch Handwerker, Landwirte und freiberufliche Selbstständige fallen also unter die Haftung des § 14 AEntG, bzw. § 13 MiLoG.  
Begründet wird die Haftung damit, dass den erwähnten Generalunternehmern der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmern zugutekommt und sie deswegen auch für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer einstehen sollen.

4. Wie weit reicht die Haftung?

Bei bloßer Betrachtung des Wortlauts von § 14 AEntG kann leicht der Eindruck entstehen, dass sich die Mindestlohnhaftung auf jede Art von Dienstleistungsunternehmen, das vom Auftraggeber/Unternehmer beauftragt wird, erstreckt. Denn nach dem klaren Wortlaut umfasst die Haftung grundsätzlich alle Werk- und/oder Dienstleistungen, mit deren Erbringung ein Unternehmer einen anderen Unternehmer beauftragt. Das würde in letzter Konsequenz aber dazu führen, dass der Unternehmer auch für den Gärtner, der das Betriebsgelände pflegt, oder den Bäcker, der die Brötchen für das Catering liefert, haftet. Dies ist nicht der Fall!
Der Wortlaut des  § 14 AEntG sollte daher mit folgender Ergänzung gelesen werden: Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung seiner Werk- oder Dienstleistungen beauftragt hat, haftet...".
Das heißt: § 13 MiLoG iVm § 14 AEntG verbrieft keine umfassende Auftraggeberhaftung, sondern vielmehr nur die bereits erwähnte Generalunternehmerhaftung. Nur soweit ein Auftraggeber sich zur Erfüllung einer ihm selbst vertraglich obliegenden Verpflichtung zur Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen eines Subunternehmers bedient, haftet er auch. Wenn er lediglich einen Eigenbedarf befriedigt, also zB einen Gärtner zur Pflege des Unternehmensgeländes beschäftigt, so beauftragt er ihn gerade nicht in Erfüllung einer eigenen vertraglichen Leistungspflicht. Vereinfacht gesagt kann man sich vielleicht merken, dass stets nur auftragsabhängig gehaftet werden muss.
Die Haftung besteht für Ansprüche gegen die gesamte Nachunternehmerkette (sog. Kettenhaftung). Der Auftraggeber haftet also nicht nur für solche Arbeitnehmer, die mit dem Auftragnehmer in einem Arbeitsverhältnis stehen. Seine Haftung erstreckt sich auch auf alle von diesem Auftragnehmer eingesetzten Personen - also auch auf Leiharbeitnehmer oder Arbeitnehmer von Nachunternehmern, die der Auftragnehmer mit einzelnen Tätigkeiten betraut. Eine zahlenmäßige Begrenzung von denkbaren Nach- bzw. Subunternehmern sieht das Gesetz nicht vor. Dieser kaskadenartige Haftung sollten sich Unternehmer bei der Auswahl ihrer Subunternehmer bewusst sein.

5. Wie wird gehaftet?

Der Unternehmer haftet für die Zahlung des Mindestlohns gem. § 14 AEntG wie ein Bürge, wodurch die Vorschriften der §§ 765 ff. BGB Anwendung finden. Das macht die Auftraggeberhaftung zu einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung. Damit greift die Haftung selbst dann ein, wenn die Nichtleistung des Mindestlohns an die Arbeitnehmer für den Auftraggeber weder erkennbar noch vermeidbar war. Hinzu kommt noch, dass die Arbeitnehmer sich direkt an den Auftraggeber wenden können, wenn ihnen der Mindestlohn nicht gezahlt wurde. Sie müssen vorab keine erfolglose Zwangsvollstreckung gegen den Auftragnehmer, d.h. ihren eigenen Arbeitgeber, versucht haben. Der Auftraggeber haftet also nicht erst subsidiär, sondern wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.
Analog zum Bürgenausgleich kann der Auftraggeber sich, wenn er tatsächlich direkt von einem Arbeitnehmer auf Zahlung des Mindestlohns in Anspruch genommen wird, wiederum an den Auftragnehmer wenden und diesen intern in Regress nehmen.
Bisher nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit der Auftraggeber gem. § 14 AEntG haftet, wenn der Nachunternehmer insolvent ist. Sofern man nur auf den Wortlaut des § 14 S.1 AEntG abstellt, wird man eine vollumfängliche Haftung des Auftraggebers in diesem Falle wohl bejahen können. Deswegen sollte gründlich überlegt werden, wie das Risiko des Insolvenzfalls bereits vor Vertragsschluss durch eine sorgfältige Auswahl des Nachunternehmers minimiert werden kann. Gerichtlich hat die Einstandspflicht des Auftraggebers nach dem AEntG jedoch schon eine Einschränkung erfahren: jedenfalls dann, wenn die Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld zahlt, erlischt der Anspruch aus § 14 AEntG im Umfang dieser Zahlung. Für alles Weitere bleibt die Auslegung des Ausfallrisikos durch die Rechtsprechung abzuwarten.

6. Welchen Umfang hat die Haftung?

Der Haftungsumfang nach § 13 MiLoG lässt sich wiederum mithilfe des § 14 S. 2 AEntG bestimmen. Das vom Auftraggeber zu leistende Mindestentgelt umfasst danach grundsätzlich nur das Nettoentgelt. Als Nettoentgelt iSv § 14 S. 2 AEntG gilt der nach dem für den betreffenden Arbeitnehmer maßgeblichen Steuer- und Sozialversicherungsrecht zur Auszahlung verbleibende Betrag des Mindestentgelts. Nur für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt für tatsächlich geleistete Arbeit muss also gehaftet werden. Damit sind sowohl Annahmeverzugslohnansprüche als auch Ansprüche auf Verzugszinsen wegen verspäteter Lohnzahlung nicht von der Haftung umfasst.

7. Welche Möglichkeiten zur Reduzierung des Haftungsrisikos gibt es?

Da der Arbeitgeber die Vergütungshaftung vertraglich nicht generell ausschließen kann, sollten Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Haftungsrisiko zu minimieren und einem Bußgeld entgegenzuwirken. 
Bereits vor Vertragsabschluss sollte die Auswahl des zu beauftragenden Unternehmens besonders gewissenhaft erfolgen und etwa überprüft werden, ob konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Auftragnehmers in der Vergangenheit vorliegen. Weiterhin kommt die Einholung einer schriftlichen Verpflichtungserklärung des Auftragnehmers, dass er den Mindestlohn zahlen werde, in Betracht. In der Vertragsgestaltung ist die Einführung vertraglicher Prüf- und Kontrollrechte (etwa durch Vorlage der Lohnabrechnungen, oä) sinnvoll. Darüber hinaus kann darüber nachgedacht werden, eine Haftungs-Freistellungserklärung des Auftragnehmers und/oder einen Zustimmungsvorbehalt des Auftraggebers für die Beauftragung von Nachunternehmern vertraglich zu verankern. Auch ein (außerordentliches) Kündigungsrecht des Auftraggebers sowie eine Vertragsstrafe für den Fall, dass der Auftragnehmer den geschuldeten Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig vergütet, könnte ratsam sein. Während der Durchführung des Vertragsverhältnisses sollte der Auftraggeber dann den Auftragnehmer um Informationen bitten, sofern Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den gesetzlichen Mindestlohn bekannt werden. Formvorschriften für diese Vereinbarungen gibt es nicht - hier sind die Parteien in der Gestaltung also frei.
Grundsätzlich sollte jedoch unbedingt beachtet werden, dass derartige Vereinbarungen nicht dazu dienen sollen, Haftungsrisiken auf Vertragspartner zu übertragen und diese dadurch unbillig zu benachteiligen. Wie weit eine solche Vereinbarung nach Einführung des MiLoG überhaupt wirksam ist, ist im Übrigen rechtlich nicht für jeden Einzelfall abschließend geklärt. Sollten Sie selbst eine solche Vereinbarung mit Ihren Geschäftspartnern abschließen wollen, sollten Sie sich daher unbedingt von einem erfahrenen Rechtsbeistand beraten lassen und sich dabei immer kritisch überlegen, wie eine für beide Vertragsparteien angemessene Vereinbarung aussehen kann. Wenn Sie Adressat einer solchen Vereinbarung sein sollten, sollten Sie sich im Zweifel ebenfalls rechtlichen Rat einholen, bevor Sie eine solche Vereinbarung abschließen. Es besteht die Gefahr, dass solche Vereinbarungen zu weit gefasst sind und deshalb erhebliche Nachteile nach sich ziehen.

8. Beratungsangebote von Arbeitgeberverbänden

Bitte beachten Sie, dass dieses Merkblatt nur einen groben Überblick geben kann und daher keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit hat, obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde. In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es außerdem eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr).

9. Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Mindestlohn  

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat ein Bürgertelefon zum Thema Mindestlohn eingerichtet, welches unter der Rufnummer 030 60280028 von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 8 Uhr bis 20 Uhr erreichbar ist.
Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Legal Affairs

Limited Liability Company and Entrepreneurial Limited Company (Limited Liability)

The act for modernisation of the Limited Liability Company Law and for the combating of abuses (known in German as MoMiG for short) entered into force on 1 November 2008. This marked a comprehensive reform of the Limited Liability Company Law.
These changes are contained (or described specifically) in this pamphlet.

1. What are GmbH and UG (limited liability)?

The Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in the following: limited liability company, GmbH) and the Unternehmensgesellschaft (in the following: UG, entrepreneurial limited company (limited liability)) are joint-stock companies with their own legal identity (= legal entities), for which liability is limited to the company's assets.
GmbH and UG (limited liability) act autonomously – represented by the executive management – during business transactions, are able to file lawsuits and are themselves subject to lawsuits, are able to acquire property and possess their own assets. They are independently subject to taxation. The particular rights and obligations of the GmbH and UG (limited liability) exist autonomously from those of the shareholders and the executive managers.

2. What are the differences between GmbH and UG (limited liability), or – what is a UG (limited liability)?

Both the GmbH with a capital stock of 25,000 Euros and the UG (limited liability) are companies with limited liability. The provisions concerning the GmbH, namely the GmbHG (Limited Liability Company Act), apply for both forms.
The capital stock of the GmbH totals – as before – 25,000 Euros
The UG (limited liability) represents an entry-level model for the GmbH for enterprises, especially start-ups, with a low capital endowment. The capital stock of a UG (limited liability) amounts to at least 1 Euro! 
The UG (limited liability) offers an alternative to foreign legal forms with a low capital stock where founders of a start-up have to subject themselves to unfamiliar legal provisions (the English Limited, for example).
Apart from the difference in capital stock, the UG (limited liability) largely equates with the GmbH. The UG (limited liability) can, however, work its way up to become a GmbH. The UG (limited liability) is obligated, every year, to place one quarter of the annual surplus (minus loss carryforward) in the reserves. Once these reserves have reached the capital stock of 25,000 Euros, the entrepreneurial limited company will be able (but not obligated), by means of a capital increase without change of legal form, to become a GmbH.

3. Limitation of liability

The limitation of liability arises once the GmbH or the UG (limited liability) has been entered in the trade register (=Handelsregister). Limitation of liability means that not the shareholders– personal fortune, but the company's assets will be liable for the obligations of the GmbH or the UG (limited liability). Owing to the strict separation between private and company assets, in the event of a crisis the shareholders thus bear only the risk that the investment agreed in the articles of association will be lost. If the investment is not yet fully paid in, the shareholders must, if need be, pay the outstanding difference in full.
It should be clarified that the company is liable strictly with its assets as a whole (therefore, not only up to the sum of the capital stock). An example: a GmbH has been founded with a capital of 25,000 Euros. If this capital is used up as a result of bad investments, there will not be any more company assets available as recoverable assets, either. If, on the other hand, this same GmbH has company assets of 100,000 Euros, it will be liable with these in full. The exceptions from this limitation of liability are, for example, typical cases of abuse or delayed filing of insolvency, along with missed social contribution payments. In these cases recourse may be sought privately against the shareholders and executive managers.
Exkursus: To hedge a loan agreement with a GmbH or a UG (limited liability) banks often conclude a guarantee with the shareholders/founders of a GmbH or a UG (limited liability). That guarantee is usually directly enforceable against the shareholders. In theses cases the shareholders have to keep in mind that they are liable for the due loan of the GmbH or a UG (limited liability) in full on the basis of the agreed guarantee, if they are party of that guarantee and their GmbH or a UG (limited liability) fails to provide payments for the loan.

4. How do I start up a GmbH or a UG (limited liability)?

The GmbH (or UG (limited liability)) is started up by the shareholders. The first step on the way towards a GmbH or UG (limited liability) is the conclusion of articles of association – also known as bylaws – between the shareholders. They must be signed by all shareholders and certified by a notary. Representation is possible if any shareholder is unable to attend in person at the signing of the articles. In that event, the proxy must present authorisation which has been accredited by a notary.

5. Contents of the articles of association

Articles of association must contain at least the following:

6. Managing director's liability

It is incumbent upon the managing director to manage the company. To this end, he has third-party asset interests under his trusteeship and the duty to ensure a smooth, efficient and profit-oriented course of business. The managing director is subject to various liability risks at the same time. Just to mention some of the most important of these:
  • Liability of trust and liability when acting as representative
Liability in respect of the company may arise from the managing director's position of trust, for example during speculative dealings.
  • Liability in the area of taxes / bookkeeping
One of the managing director's most important tasks is orderly bookkeeping and preparation of balance sheets. In the event of a breach of obligation in this area the managing director must assume personal liability in respect of the company and of the creditors and will even, potentially, render himself punishable by law.
If the GmbH recruits employees, the managing director will assume the tasks of an employer and must submit advance wage tax and turnover tax statements on a monthly basis, as well as withhold wage tax on the behalf of the employee and pay it to the tax office. The same applies for turnover tax. If these obligations are breached, the managing director will face both liability under asset law according to §§ 69 ff AO (German Employment Regulations) and consequences under criminal law according to § 370 I or § 378 I AO.
  • Liability in the area of social insurance law
Duties arising from social law also concern managing directors. The employees working at the GmbH must be registered with a health insurance institution and the withheld contributions to health insurance, pension and unemployment insurance paid into the health insurance fund concerned. The managing director is liable personally for withheld and non-paid employee contributions to the social insurance premiums and renders himself punishable by law in addition.
  • Liability in insolvency
In the event of impending insolvency – in the event, therefore, of the company's over-indebtedness or illiquidity – the managing director will be obligated, within three weeks, to make a request for the opening of insolvency proceedings. If he fails to do this in a timely manner, he will face criminal law consequences according to § 15a Abs. 4 InsO (German Insolvency Code).
If the managing director continues to activate payments once the enterprise is ready for insolvency, he will be liable to the company for these payments personally.
Potentially, he will be in breach of fraud and insolvency laws in addition.
  • New: shifted liability
When payments are made to shareholders, the managing director's liability is now shifted to the foreground as far as these payments led necessarily to the company's illiquidity, unless this had not been discernible from the viewpoint of a diligent managing director.

7. Start-up costs

The start-up costs are dependent upon the capital stock and the value of the business, and upon whether the more cost-effective formation report or individual articles of association are being used. As far as they have been overlooked according to the stipulations so far, the costs are incurred as follows:
a) With a capital stock of 25,000 Euros and individually devised articles of association, the following notary costs can be anticipated:
- Certification of the articles of association 187 Euros
- Certification of the managing director appointment 187 Euros
- Application for trade register entry and accreditation approx. 62,50 Euros
- List of shareholders 96 Euros
- Outlay approx. 35 Euros
- plus 19 % VAT
The costs are reduced in the case of a one-person GmbH.
b) For the certification of a 25,000 Euro GmbH with the formation report approx. 181 Euros are incurred, while the remaining costs stay the same:
- Certification of the formation report (incl. list of shareholders and appointment of managing director) 168 Euro, (for a one-person GmbH only 84 Euro)
- Application for entry in the trade register and accreditation approx. 42 Euros
- Outlay approx. 35 Euros
- plus 19 % VAT
c) For the formation of an entrepreneurial limited company (limited liability), for which the capital stock can amount to 1 Euro, with underlying capital stock of 1 Euro and use of the formation report the following notary costs will be the result:
- Certification of the articles of association
for the one-person UG (limited liability) 20 Euros
for the multi-person UG (limited liability) 30 Euros
- Application for entry in the trade register and accreditation approx. 10 to 15 Euros
- Outlay approx. 35 Euros
- plus 19 % VAT
d) Without a formation report the costs of forming a UG (limited liability) will be exactly as high as for a GmbH without a formation report. The fee for entry of a company in the trade register is approximately 100 Euros.
Added to these are costs for publication of the entry in the German Federal Gazette and potentially in other bulletins. A sum of the magnitude of 100 to 300 Euros per publication should be considered in this context too. This calculation does not include costs for additional support for certain formulations by the notary and for consulting a lawyer (for the purpose of compiling articles of association, for example). With regard to the compilation of articles of association in particular, it is advisable to address the cost issue in advance, as the fees incurred are not subject to collective agreement.

8. Application for entry

Once the capital stock has been paid in, entry of the company in the trade register must be applied for by the managing director/s.
When applying for entry of the GmbH in the trade register, managing directors must provide written assurance that no circumstances (grounds for exclusion – see above) prevail which oppose their appointment. Alongside this, it must also be declared whether the services agreed in the bylaws have been effected on the capital stock and whether the capital stock is ultimately at the free disposal of the managing directors.

9. Effect of the entry

It must be remembered that the GmbH and the UG (limited liability) will not come into existence until entry in the trade register. Two phases can be distinguished until time of entry in the trade register, namely the pre-start-company and the pre-incorporated company phases (also described as Vor-GmbH, GmbH in Gründung or GmbH i. G.).
A pre-start-up company exists where agreements have been made between the founders with the aim to conclude a GmbH contract or UG (limited liability) bylaws. Legally speaking, a pre-start-up company is to be qualified as a company constituted under civil law. Therefore, during this phase there is also a personal liability risk for obligations which are entered into in the interest of the company yet to be founded. Any release from liability would have to be agreed expressly with the contract shareholders.
Vor-GmbH is the term used once the GmbH contract has been certified by a notary (see numeral 8). A Vor-GmbH is not governed by law, but is recognised by jurisdiction as a company in its own right. A Vor-GmbH can bear rights and obligations: for example, it is competent to assume a name or a trade name. Therefore, a Vor-GmbH is permitted to act under its trade name even prior to entry in the trade register. However, in that case it must carry the adjunct in Gründung or i.G. – undergoing establishment, as otherwise this would constitute impermissible use of a trade name. The persons dealing prior to entry of the GmbH are jointly and severally liable. This promoters– liability will terminate with entry in the trade register. Independently of this, the shareholders will also be liable for the obligations of the Vor-GmbH.

10. A number of key points concerning other changes in GmbH law as a result of the GmbH reform

Equity substitution law
Amortisation payments on shareholder loans are not prohibited payments. Shareholder loans and equivalent payments are not to be treated as liable equity. Any shareholder loan will be of secondary importance in the event of insolvency.
Cash pooling
Return to a balance-sheet approach to corporate assets: any payment made by the company to a shareholder cannot be classified as a prohibited payment from the corporate assets if this is a straightforward active exchange, therefore the company's claim to counter-performance or reimbursement against the shareholder covers the payment and is full-value in addition. The intention behind this is to back the cash pooling which is customary in group funding internationally and to place it on a reliable legal basis.
Shareholders– liability during appointment of managing directors
If, deliberately or gross negligently, the shareholders have appointed a managing director who – according to the grounds for exclusion – should not have been appointed managing director, they will be liable for the damage arising from this.
Shareholders– insolvency application duties
The changes in the GmbH law also provide for an expansion of the insolvency application duties and of entitlement to submit insolvency applications. According to the changes (in the case of a GmbH and of a UG (limited liability)), if the executive management is absent any shareholder will be entitled, but not obligated, to submit an application for the opening of insolvency proceedings.
List of shareholders
Lists of shareholders – in detail, with corresponding consequences under liability law – are gaining in significance, as the acquisition in good faith of business shares is also becoming possible in certain cases.
Approved capital
In the bylaws, shareholders can authorise managing directors to increase the basic capital. This opportunity is more in line the German Stock Corporation Act.
Electronic trade register
Due to the introduction of an electronic trade register, the required start-up documents can be submitted to the trade register in electronic form only, and indeed by the notary, who will send application and additional documents to the registry court's electronic PO box; the data can be added to the register directly from there.

11. Further Information

This online information can only provide you with a very summarized overview of these topics and does not claim to be complete. If you need more information, you can visit our Commerzbibliothek (Library of Commerce) where you will find all the usual legal literature such as legislation, legal commentaries, collections of judicial decisions, periodicals, and monographs. The Commerzbibliothek is located on the ground floor of the Hamburg Chamber of Commerce at Adolphsplatz 1 in 20457 Hamburg. It is open Monday to Thursday from 10 am to 8 pm and on Friday and Saturday from 10 am to 3 pm.
Mindestlohngesetz

Dokumentationspflichten

Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn ist in Deutschland die Lohnuntergrenze, die nicht unterschritten werden darf. Seit 1. Januar 2024 gilt ein Mindestlohn von 12,41 Euro.

Zum 1. Januar 2025 steigt der Mindestlohn auf 12,82 Euro. Mit dem Mindestlohngesetz wurden bestimmte Dokumentationspflichten für Arbeitgeber geschaffen: In einigen Wirtschafts­bereichen sind Arbeitgeber nun verpflichtet, den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit innerhalb einer bestimmten Frist zu erfassen und die Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
In diesem Merkblatt erklären wir, wen die Aufzeichnungspflichten treffen, wie die Aufzeichnungen zu führen sind und welche Sanktionen bei einer Verletzung der Aufzeichnungspflichten drohen. Zudem finden Sie weitere Informationsmöglichkeiten und eine Zusammenstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen.

Wen trifft die Aufzeichnungspflicht?

Die Aufzeichnungspflicht trifft im Ausgangspunkt diejenigen Arbeitgeber, die geringfügig Beschäftigte nach § 8 Absatz 1 SGB IV oder Arbeitnehmer in den in § 2a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigen. Diese Wirtschaftsbereiche bzw. Wirtschaftszweige sind:
  • das Baugewerbe,
  • das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
  • das Personenbeförderungsgewerbe,
  • das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe,
  • das Schaustellergewerbe,
  • Unternehmen der Forstwirtschaft,
  • das Gebäudereinigungsgewerbe,
  • Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
  • die Fleischwirtschaft und
  • das Prostitutionsgewerbe.
Zudem besteht die Pflicht auch für Entleiher, die Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in einem dieser Wirtschaftszweige beschäftigen.
In Zweifelsfällen entscheidet die jeweilige Krankenkasse oder – bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen – die Minijob-Zentrale, welchem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig eine Beschäftigung zuzuordnen ist.

Was muss in welcher Form aufgezeichnet werden?

Aufzuzeichnen sind Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers. Die exakte Lage und Dauer von Pausen muss nach dem Gesetzeswortlaut zwar nicht aufgezeichnet werden; es kann sich aber anbieten, auch diese zu erfassen, da sich dann die Dauer der Arbeitszeit genauer nachvollziehen lässt.
In Fällen, in denen die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nach bestimmten Planungen – beispielsweise in einem wöchentlichen Einsatzplan – geregelt ist, kann die Dokumentation anhand dieser Pläne erfolgen.
Eine bestimmte Form der Aufzeichnung ist nicht vorgeschrieben. Die Aufzeichnung kann daher sowohl schriftlich als auch elektronisch geführt werden, beispielweise mittels Stundenzetteln, Stempelkarten, einer elektronischen Tabellenkalkulation oder eines Zeiterfassungssystems. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnung der Arbeitszeiten auch seinen Arbeitnehmern überlassen, muss dann aber die Dokumentation überwachen und insbesondere die gemachten Angaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen. Das Risiko einer fehlerhaften Dokumentation, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen kann, trägt der Arbeitgeber.
Zum Mindestlohngesetz wurden einige Verordnungen erlassen, die die Dokumentationspflichten teilweise einschränken. Nach der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) muss lediglich die tägliche Arbeitszeit aufgezeichnet werden, soweit Arbeitnehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten beschäftigt werden, sie keinen Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und Ende) unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen können.
Die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) lässt die Dokumentationspflicht für Arbeitnehmer entfallen, deren verstetigtes regelmäßiges Bruttomonatsentgelt über 2.958 Euro liegt; die Grenze liegt bei 2.000 Euro, wenn der Arbeitgeber dieses Monatsentgelt für die letzten vollen zwölf Monate nachweislich gezahlt hat, wobei Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt unberücksichtigt bleiben. Die Dokumentationspflichten gelten ebenfalls nicht mehr für Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers, für vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder deren Mitglieder (also beispielsweise GmbH-Geschäftsführer und Vorstände eines Aktiengesellschaft) sowie für vertretungsberechtigte Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft (wie der GbR oder oHG). Der Arbeitgeber muss lediglich die Unterlagen bereithalten, die die genannten Voraussetzungen belegen.
Wichtig: Die Pflichten des Arbeitgebers aus § 16 Absatz 2 ArbZG bleiben in jedem Fall unberührt. Der Arbeitgeber ist nach dieser Norm verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit nach § 3 Absatz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Absatz 7 ArbZG eingewilligt haben. Diese Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Was ist zu beachten?

  1. Es ist egal, ob die Liste handschriftlich oder maschinell erstellt und ausgefüllt wird.
  2. Unterschriften des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sind nicht erforderlich.
  3. Dass die Liste korrekt ist, hat der Arbeitgeber sicherzustellen.
  4. Die Arbeitszeit muss bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages dokumentiert sein, also eine Woche später.
  5. Das Dokument verbleibt beim Arbeitgeber und muss bei einer Kontrolle durch den Zoll vorgezeigt werden. Es ist also ratsam, die aktuelle Aufzeichnung griffbereit zu haben.

Welche Fristen sind zu beachten?

Die Aufzeichnungen der täglichen Arbeitszeit sind spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages anzufertigen. Die Aufzeichnungen müssen mindestens zwei Jahre lang aufbewahrt werden, gerechnet ab dem dokumentierten Arbeitstag.

Welche Sanktionen drohen bei der Verletzung der Aufzeichnungspflichten?

Gemäß § 21 Absatz 1 Nr. 7, Absatz 3 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 17 Abs. 1 S. 1, auch in Verbindung mit Satz 2, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Die Einhaltung der Dokumentationspflichten kontrolliert der Zoll.

Weitere Informationsmöglichkeiten

Bitte beachten Sie, dass dieses Merkblatt nur einen groben Überblick geben kann. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit nicht übernommen werden.
In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es außerdem eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen Anwalts-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt. Sie können das Angebot der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer online oder telefonisch unter der Rufnummer 040 / 34 53 98 (Montag bis Donnerstag: 9 bis 17 Uhr, Freitag: 9 bis 15 Uhr) erreichen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat ein Bürgertelefon zu Themen aus seinen Aufgabenbereichen eingerichtet, das montags bis donnerstags zwischen 8 und 20 Uhr erreichbar ist. Unter der Rufnummer 030 / 60 28 00 28 werden speziell Fragen zum Mindestlohn beantwortet.

Rechtsquellen

Veröffentlicht am 3. Januar 2024
Legal Affairs

Law on Works Contracts in Germany

A contract for producing a work is called a “Werkvertrag” in German. If a work produced under a works contract is defective, then the basic right of the party ordering the work is the right to have the defect cured by the contractor of the work. If the curing of the defect proves unsuccessful, then the ordering party has the right to a reduction of the purchase price or to rescind/terminate the contract. If a work is defective, then the warranty period is generally for two years from the time the work was accepted as contractually conform (German: “Abnahme”).
Please note that on January 1, 2018 the new law an works contracts will come into force. That new legal framework will be effective for all works contracts concluded  after December 31, 2017. There will be specific types of works contracts for consumers, architects and engineers. The works contracts for consumers for example will stipulate further conditions for the benefit of consumers, such as the right to withdraw from a contract within a certain deadline, a discription of the specifications of an ordered building and a cap for advance payments.

1. Introduction

On January 1, 2002, the Act Modernizing the Law of Obligations came into force in Germany. This law also changed parts of the law on works contracts. The changes affecting contractors of works are found in the following areas: cost estimates, definition of defect, remedying defects, limitation periods, applicability of the law on works contracts.

2. Cost estimates

In the absence of an agreement to the contrary, cost estimates are free of charge.

3. Definition of defect

The definition of a defect in the law on works contracts was brought into line with that of the law of sales. A work is therefore defective if:
  • it does not possess the attributes/qualities agreed to between the party ordering the work and the contractor of the work,
  • it is unfit for the purpose contemplated in the contract,
  • it is unfit for the usual purpose and it does not exhibit attributes/qualities that are common to works of the same kind and that the ordering party can expect in works of this kind or
  • a work other than the work ordered is produced or the work is produced in insufficient quantities.

4. Remedying defects

The rights and claims of the ordering party are largely parallel to those of a buyer.
The ordering party can demand the curing of the defect (= remedying of the defect or production of a new work). But unlike sales law, it is the contractor here who has the option to either remedy the defect or produce a new work.
Ordering parties are generally entitled to remedy the defect themselves and then demand reimbursement of their costs from the contractor. But in order to do this, they must set a deadline for the contractor to cure the defect and the contractor must fail to do this before the expiry of the deadline. For defects remedied by ordering party themselves, advance payment of the costs can be demanded from the contractor. Ordering parties are not entitled to remedy defects themselves in cases where the contractor refuses to cure the defect because of the unreasonableness of the costs of doing so.
In lieu of the right to have the defect cured, the ordering party has the right to rescind/terminate the contract or to have the purchase price reduced. This only applies, however, if the ordering party has first given the contractor a reasonable deadline to cure the defect and the contractor fails to do this before the deadline expires.
The ordering party also has a right to claim damages from the contractor. This requires that the ordering party first set a deadline for the contractor to perform the work or cure the defect and that the deadline expires without successful performance or cure. Also required is fault [intent and negligence] on the part of the contractor. Fault also includes ordinary negligence. The claim for damages may be higher than the price of the work.

5. Warranty periods

Like in the law of sales, the warranty period is generally two years from the time performance is accepted as contractually conform. The warranty period for building structures is five years from the time performance has been accepted as contractually conform.
The regular limitation period of three years applies in cases where a contractor has fraudulently concealed a defect. This begins to run at the close of the year in which the warranty claim arose and the creditor obtained or, in the absence of gross negligence, had to have obtained knowledge of the facts in support of the warranty claim and of the identity of the debtor. However, in the case of a building, claims are not statute-barred before the end of the period specified there .
In the case of incorporeal works, for example building plans, the regular three-year limitation period applies.
For more information on the limitation of actions, please consult our leaflet “Limitation of Actions”.

6. Does the law on works contracts or the law on sales apply?

Contracts for the production of movable goods are now governed solely by the provisions of the law on sales. The so-called “Werklieferungsvertrag” (contract for work and materials) no longer exists.
Contracts for the production of building structures and contracts for incorporeal works, such as building plans, are governed by the law on works contracts.

7. Further Information

This online information can only provide you with a very summarized overview of these topics and does not claim to be complete. If you need more information, you can visit our Commerzbibliothek (Library of Commerce) where you will find all the usual legal literature such as legislation, legal commentaries, collections of judicial decisions, periodicals, and monographs. The Commerzbibliothek is located on the ground floor of the Hamburg Chamber of Commerce at Adolphsplatz 1 in 20457 Hamburg. It is open Monday to Thursday from 10 am to 8 pm and on Friday and Saturday from 10 am to 3 pm.
Legal Affairs

German Sales Law

In the case of defective goods, the buyer’s basic right against the seller is the right to have the defect cured (German: “Nacherfüllung”). If the cure proves unsuccessful, then the buyer has the right to a reduction of the purchase price or to rescind/terminate the contract. Any rights or claims that the buyer has against the seller on account of a defect of the purchased goods are barred by limitation generally after two years. If the buyer is a private consumer  and the seller a businessperson (German: “Unternehmer”), then the two-year limitation period may not be departed from. Only in the case of used goods does a different rule apply. The limitation period here can be shortened to one year. If both the buyer and the seller are businesspeople, then different rules apply in some cases. For example the limitation period can be shortened to one year even in the case of new goods by stipulating this in standard terms and conditions of business (German: “AGB”).

1. Purchases of Consumer Goods

The German law on sales regulates the legal relationship between buyers and sellers. If the buyer is a private consumer and the seller a businessperson, then a so-called purchase of consumer goods exists. A consumer is defined as any natural person who concludes a legal transaction that can be attributed to neither the commercial nor the self-employed professional activities of such person. It is irrelevant whether the goods sold are actually consumer goods or not. For purchases of consumer goods, the following rules in particular apply:
1.1 Buyers’ rights in the case of defective goods
If the purchased goods are defective at the time they are delivered to the buyer, then the buyer has certain rights and claims against the seller if certain conditions are met. Basically, the goods must already be defective at the point in time at which risk passes to the buyer. Risk passes at the point in time when the risk of accidental loss (destruction, lost goods) passes to the buyer. This is generally the time of delivery. The goods must therefore already be defective at the time of their delivery. In the case of a dispute, it is up to the buyer to prove that the goods were already defective at the time of delivery.
If the buyer already knew of the defect at the time the sale contract was concluded, then no warranty claims with respect to such defect may be asserted. The same is true if the seller can prove to the buyer that the defect was initially caused by the improper handling of the goods after risk passed, for example by usage contrary to the instruction manual or by a wilful destruction of the goods.
1.1.1 Defects
The goods must be defective. Goods are defective if:
  • They do not conform to what the buyer and the seller agreed to.
  • They are unfit for the purpose contemplated by the buyer.
    The particular purpose contemplated by the buyer alone is sufficient to satisfy this criterium. Therefore close attention should be paid to everything the buyer says about the goods during sales negotiations, and any wrong ideas he or she may have about the possible use of the goods should be corrected.
  • They are unfit for the purpose for which such goods are usually used and the buyer could expect that the goods are fit for such purpose.
  • The seller, the manufacturer, or their assistants make representations about the qualities of the goods, especially in advertising or sales negotiations, and the goods do not have these qualities. The advertising does not have to have taken place in Germany. It can have taken place outside of Germany as well. However, goods will only be deemed defective if the seller knew or had to have known of the representations or if the representations were capable of influencing the buyer’s decision to purchase the goods.
Manufacturers should therefore take precautions within their distribution networks to avoid any thoughtless advertising.
Goods are also deemed defective if:
  • They were improperly assembled by the seller or by those engaged by the seller to perform its legal obligations.
  • They were incorrectly assembled on account of incorrect - or even missing - assembly instructions.
  • The wrong goods or insufficient quantities of goods were delivered.
A valid right or claim of the buyer also presupposes that the buyer actually lacked knowledge of the defect or that a lack of knowledge of the defect was not the result of the buyer’s gross negligence. But if the seller fraudulently concealed the defect or gave a guarantee that the goods had certain qualities/attributes, then the buyer is entitled to any rights in conjunction with the warranty even if the buyer had to have known of the defect.
Goods are therefore not regarded as defective in cases where the buyer uses the goods in an improper manner. The normal wear and tear of goods is also not regarded as a defect. It is often difficult to distinguish between a defect and mere wear and tear.
If goods have a limited length of durability or a limited serviceable life and become defective after this period expires, then no defect will be found to exist. The same applies even if the limitation period has not yet expired.
Used goods will only be regarded as defective if goods of the same kind would not (yet) usually exhibit such a defect. Used goods should be examined very carefully before they are sold, and the buyer should be given detailed information about any defects in order to include this as part of the contract.
1.1.2 Curing a defect, reducing the purchase price, and rescinding/terminating the contract
If goods are defective, the buyer is entitled to certain rights and claims against the seller.
The buyer’s basic right is the right to have the defect cured (German: “Nacherfüllung”). The buyer has the option to have the defect remedied or to have defect-free goods delivered. The goods subsequently delivered do not necessarily have to be new. It generally suffices if equivalent and defect-free used goods are subsequently delivered. It is only when a curing of the defect is unreasonable for the seller that the seller may refuse to do it.
If insufficient quantities are delivered, then the right to have the defect cured is generally limited to the right to have the missing quantities subsequently delivered. There are exceptions to this, however, for example when tiles originate from a certain series in order to avoid minor differences in colour.
The seller must pay the costs of curing the defect, especially transport costs, toll fees, material costs, and labour costs. The same applies even if the buyer has relocated the goods to a different location than the commercial establishment or place of residence.
In lieu of having the defect cured, the buyer also has the right to rescind/terminate the sale contract or have the purchase price reduced. This only applies, however, if the buyer has first set a reasonable deadline for the seller to cure the defect and this deadline expires without the defect being cured.
The buyer also has the right to rescind/terminate the contract if:
  • the seller seriously and definitively refuses to perform.
  • the seller was supposed to perform on a certain day and such performance was of interest to the buyer on this very day only (e.g. wedding cake for a wedding).
  • the costs for curing the defect are unreasonable for the seller and because of this the seller refuses to do it.
  • it is unreasonable to expect the seller to cure the defect.
  • the curing of the defect proves unsuccessful. An attempt to subsequently remedy a defect (German: “Nachbesserung”) that fails twice is deemed an unsuccessful cure.
  • after the interests of both sides have been weighed, the immediate rescission/termination of the contract is justified.
The buyer in these cases no longer has to set a deadline for the seller to cure the defect.
The buyer may also rescind/terminate the contract if the only goods still available are in a poor condition or if they are no longer available at all. The seller must of course reimburse the buyer the value of the goods.
The buyer still has a right to have the defect cured or to have the purchase price reduced even if the defect is a minor one.
1.1.3 Claims for damages
The buyer may also have a claim for damages against the seller. This claim for damages may be asserted in lieu of performance. This requires that the buyer first set a reasonable deadline for the seller to perform or to cure the defect and that the deadline expires without successful performance or cure. The claim for damages may also be asserted in addition to performance. In such a case, the buyer does not have to set the seller a deadline. Also possible is compensation for pecuniary loss incurred in direct association with the goods purchased. An example of this would be the fallout of a production facility due to some kind of defect and the loss of profits associated with it. The prerequisite to both is fault [intent and negligence] on the part of the seller. Fault also comprises ordinary negligence, which means that sellers are already at fault when they fail to exercise the due care and diligence required for commercial dealings. Decisive here are the specific duties of care imposed on the seller. This most likely depends on the nature of the product: The higher the value of the product, the higher the standard of care. The claim for damages may be higher than the claim for the purchase price.
1.1.4 Limitation periods and burden of proof
The warranty period is the period of time in which warranty claims may be asserted.
  • The basic statutory limitation period (German: “Verjährungsfrist”) is two years starting from the time the defective goods are delivered to the buyer. If the seller fraudulently conceals a defect, then the rights and claims of the buyer are barred by limitation three years after obtaining knowledge of the identity of the seller and of the facts in support of the claim.
  • The warranty period for goods that have been used for a building structure in accordance with their usual manner of use and that cause a defect to occur in such building structure is five years. This applies not only to new building structures but to renovation work and remodelling work on already erected building structures. The goods in such cases must be firmly fixed to the building structure.
  • Any deviation from the warranty periods to the prejudice of the consumer is prohibited. The only exception is in the case of used goods. The warranty period in the case of used goods may be shortened to one year.
Burden of proof within the two-year limitation period shifts after six months!
If the buyer and seller are in dispute about the point in time at which the defect came into existence, then the following applies: If a defect comes to light within six months from the time the buyer accepted delivery of the goods, then there is a (statutory) presumption in favour of the buyer to the effect that the defect already existed at the time delivery was accepted. This presumption only applies if the buyer is a consumer. The presumption can be rebutted by the seller by proving that the defect was caused by the consumer’s improper treatment of the goods. The burden of proof shifts at the end of the six months, and it is the buyer who then must prove that the defect already existed at the time the goods were delivered to him or her. In most cases, the buyer will be unable to do this.
1.2 Guarantees
A guarantee within the meaning of German law is when the guarantor grants to the buyer rights and claims in excess to the buyer’s statutory rights and claims. Guarantees are often offered by manufacturers and sellers to their customers as a special service and buying incentive. The statutory rights and claims continue in effect independent of the guarantee. Guarantees and warranty claims are not the same! A guarantee does not have to be made in writing.
1.3 Delay
If a debtor (which may be a purchaser or a seller) is late in rendering performance and is at fault for such late performance, then the debtor is regarded as being in delay of performance. Performance is late when the creditor is entitled to demand performance from the debtor and the debtor is obligated to render such performance. In order for the debtor to be officially in delay of performance, the creditor generally must provide the debtor with a warning notice (German: “Mahnung”).
The only cases in which the creditor does not have to provide the debtor with a warning notice are when:
  • a calendar date has been specified as the time for performance;
  • there is a condition that some event must first occur and based on the notional occurrence of such event it is possible to specify a calendar date as the time for performance;
  • the debtor seriously and definitively refuses to perform; or
  • on account of the special circumstances, it is certain that the buyer is in delay.
Irrespective of a warning notice, the debtor is in delay of performance at the latest after 30 days following the payment due date and presentation of the invoice. If the debtor is a consumer, then this applies only if the consumer was expressly notified of this on the invoice or on the list of outstanding amounts owed.
If the debtor is in delay of paying a money debt, then the creditor may claim the interest on arrears as so-called loss caused by delayed performance. The rate of interest on arrears is five percentage points above the base interest rate. The current base interest rate is found at www.bundesbank.de.

2. Contracts of sale between businesspeople

If both the buyer and the seller are businesspeople, then the foregoing discussion applies with the following differences:
2.1 Chains of delivery: manufacturer > dealer > private consumer
If the private consumer is found at the end of a chain of delivery, then the following applies to the entire delivery chain (i.e. including contracts between suppliers): In the case of new goods, end sellers have a right of recourse against their suppliers. This presupposes that the supplier had to take the goods back on account of a defect or that the (consumer) buyer had the purchase price reduced on account of a defect. The end seller is then entitled to rescind/terminate the contract with its supplier without having to set a deadline for the supplier to cure the defect or to reduce the purchase price. This does not apply if an ex gratia arrangement has been made.
End sellers may claim from their suppliers the reimbursement of the costs incurred by them, especially transport costs, toll fees, material costs, and labour costs.
If a buyer and a seller are in dispute about when a defect originated, then the discussion in 1.1.4 above applies with the following change: The six-month period after which the burden of proof shifts does not begin to run until the moment the buyer of the end seller accepted delivery of the goods.
The end seller’s recourse claim against its supplier is subject to the limitation periods set out in 1.1.4 above. The limitation period begins to run with the delivery of the goods to the end seller by the supplier and expires as a rule two years later. The earliest, however, that an action will be barred by limitation is two months after the point in time that the end seller satisfied the claims of the consumer. And the latest they will be barred by limitation is five years after delivery of the goods from the supplier to the end seller.
Although end sellers and suppliers are not entitled to enter into agreements that depart from these rules to the prejudice of the end seller, they may do so if the end seller is granted something comparable as compensation.
A special exclusion of liability in the case of commercial transactions (German: “Handelskauf”) follows from the buyer’s obligation per Section 377 HGB to inspect the goods and give notice of any defects. In such cases, the buyer and the seller must both be what is referred to in German commercial law as a “Kaufmann”, which means “merchant” in a broad sense. Such merchants are obligated to promptly inspect purchased goods upon receipt of them and to give notice of any defects. If they fail to do this, the goods are deemed as approved. It is only in the case of hidden defects that cannot be detected by an inspection of the goods that buyers retain their rights and claims. Because of the strength of the recourse claim in the case of sales of consumer goods, subsuppliers frequently invoke Section 377 HGB to defend such recourse claims. Therefore an actual inspection of the goods should be carried out promptly upon receipt of them and any defects reported without undue delay.
2.2 Commercial transactions
If both the buyer and the seller are businesspeople (and there is no consumer at the end of a chain of delivery), then it is possible to limit liability (Section 444 of the German Civil Code (BGB)) in cases where the businessperson has not fraudulently concealed a defect or has not guaranteed the attributes/qualities of the goods. A shortening of the warranty period to one year should be possible on the basis of an individual agreement or through standard terms and conditions of business (German: “AGB”). An exclusion of liability (for individual or for all defects) is generally possible on the basis of an individual (preferably) written agreement but not via standard terms and conditions of business (AGBs). If a warranty is to be for less than one year or if it is to be excluded altogether, then it is advisable – due to the current uncertainty of the law in this area – not to include such an agreement in “AGBs” but always in the form of an individual contractual agreement. You should be aware of the fact that it is not always possible to exclude a warranty altogether. The German Federal Court of Justice has ruled, for instance, that in the case of new buildings or buildings to be erected, warranties cannot be excluded by way of AGBs, and they can only be excluded on the basis of individual agreements if it has been discussed at length in advance. The same probably applies to goods commonly used for building structures that cause defects in such building structures.
Section 377 HGB would of course apply here as well. In our opinion, the burden of proof rule in 1.1.4 does not apply to a purely commercial transaction (German: “Handelskauf”). This means that the buyer must prove from the very beginning that the defect existed at the time the goods were delivered.
2.3 Miscellaneous
If the debtor is in delay of payment, the creditor may claim the interest on arrears as so-called loss caused by delayed performance. For merchants (German: “Kaufleute”), the rate of interest on arrears is eight percentage points above the base interest rate.

3. Further information

This online information can only provide you with a very summarized overview of these topics and does not claim to be complete. If you need more information, you can visit our Commerzbibliothek (Library of Commerce) where you will find all the usual legal literature such as legislation, legal commentaries, collections of judicial decisions, periodicals, and monographs. The Commerzbibliothek is located on the ground floor of the Hamburg Chamber of Commerce at Adolphsplatz 1 in 20457 Hamburg. It is open Monday to Thursday from 10 am to 8 pm and on Friday and Saturday from 10 am to 3 pm. 
Arbeitsrecht

Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

Schwerbehinderten Menschen kommt im Arbeitsleben eine Reihe von besonderen Schutzvorschriften zugute. Die Beschäftigung von Schwerbehinderten wirft daher für einen Arbeitgeber viele Fragen auf. Im Folgenden werden die häufigsten Fragen besprochen.

1. Für wen gelten die besonderen Schutzvorschriften?

1.1 Schwerbehinderte Menschen

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, ihre geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Hinweis: Als schwerbehindert gelten alle Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50%.

1.2 Gleichgestellte

Die gleichgestellten behinderten Menschen sind nicht schwerbehindert. Mit Ausnahme des zusätzlichen Urlaubs (s. u.) stehen ihnen aber alle Rechte zu, die auch Schwerbehinderte haben.
Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30% aber weniger als 50% werden auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit den Schwerbehinderten gleichgestellt. Voraussetzung für die Gleichstellung ist, dass die Person infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz
  • nicht erlangen kann
    Dies ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers davon abhängig macht, dass er bei der Berechnung der Schwerbehindertenabgabe den Bewerber auf einen Pflichtplatz anrechnen kann.
  • oder nicht behalten kann.
    Erforderlich ist die konkrete Gefahr, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert. Hierbei muss die Behinderung zumindest eine mögliche Ursache sein.
Hinweis: Die Gleichstellung wird bei ihrer Bewilligung rückwirkend mit dem Antragseingang bei der Bundesagentur für Arbeit wirksam. Sie kann auch befristet erteilt werden.

1.3 Sonderfall: Behinderte Jugendliche

Behinderte Jugendliche und junge Erwachsene können für die Zeit ihrer Berufsausbildung den Schwerbehinderten gleichgestellt werden, selbst wenn der Grad der Behinderung unter 30% liegt oder noch keine Behinderung festgestellt wurde. Es genügt eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit. Zwar sind für diese Jugendliche die Schutzvorschriften für Schwerbehinderte nicht anzuwenden, doch ist eine Betreuung durch den Integrationsfachdienst und damit der Erhalt von Leistungen möglich.

2. Darf nach einer Schwerbehinderung gefragt werden?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das am 18. August 2006 in Kraft trat, schützt über die Schwerbehinderung hinaus vor der Diskriminierung wegen jeder Behinderung. Daher ist es ratsam, nicht mehr nach einer Behinderung zu fragen. Der Arbeitgeber sollte vielmehr arbeitsplatzbezogene Fragen stellen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Tätigkeit stehen. Aber auch in diesen Fällen kann im Einzelfall das Fragerecht des Arbeitgebers eingeschränkt sein.
Wichtig! Zulässig ist die Frage nach einer Behinderung, wenn der Arbeitgeber durch gezielte Einstellung von Schwerbehinderten den Anteil der Schwerbehinderten im Unternehmen erhöhen will, etwa weil er die Zahlung der Ausgleichsabgabe (s. u.) umgehen möchte. Denn dann liegt eine positive Maßnahme vor, die Schwerbehinderte nicht benachteiligen sondern bevorzugen will.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trifft den Bewerber die Pflicht, ungefragt eine Schwerbehinderung oder eine Gleichstellung zu offenbaren, wenn er erkennen muss, dass er wegen der Behinderung die vorgesehen Arbeit nicht verrichten kann oder eine deswegen beschränkte Leistungsfähigkeit für den vorgesehenen Arbeitsplatz gegeben ist. Allerdings stammt die Entscheidung aus der Zeit vor Einführung des AGG. Ob das Bundesarbeitsgericht an dieser Rechtsprechung festhalten wird, ist derzeit offen. Der Arbeitgeber kann also nicht darauf vertrauen, dass ein Schwerbehinderter seine Behinderung offenbart, wenn er eine mögliche Leistungsbeeinträchtigung selbst erkennt. Dem Arbeitgeber bleibt auch dann nur die Möglichkeit, in engen Grenzen tätigkeitsbezogene Fragen zu stellen (s.o.).

3. Welche Auswirkungen hat der Schwerbehindertenausweis?

Mit dem Schwerbehindertenausweis, welcher auf Antrag des Schwerbehinderten von der zuständigen Behörde ausgestellt wird, kann das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft nachgewiesen werden. Er enthält Angaben über die Eigenschaft als Behinderter, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale. Die Gültigkeitsdauer ist befristet. Wird ein entsprechender Ausweis dem Arbeitgeber vorgelegt, gibt es einiges zu beachten:

3.1. Arbeitsrecht

Aus arbeitsrechtlicher Sicht tritt die Schwerbehinderung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die entsprechenden Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung vorliegen. Das Ausstellungsdatum des Schwerbehindertenausweises dient lediglich als Beweismittel. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann auch rückwirkend festgestellt werden. Dann tritt auch der Schutz, sofern möglich, rückwirkend ein. Beispielsweise muss der Zusatzurlaub (s.u.) dann auch ab dem Datum des Beginns der Schwerbehinderteneigenschaft berechnet werden.

3.2. Umgestaltung des Arbeitsplatzes

Möglicherweise muss der Arbeitsplatz umgestaltet werden. Zur Umgestaltung zahlt das Integrationsamt Hamburg Zuschüsse. Der Technische Beratungsdienst des Integrationsamtes berät vor Ort und hilft, den Arbeitsplatz umzugestalten.

4. Gibt es Beratungsstellen und Fördermöglichkeiten?

Ihre Ansprechpartner bei Beratungsbedarf und Fragen zu Fördermöglichkeiten:
Integrationsamt Hamburg
Hamburger Straße 47
22083 Hamburg
Telefon 040 42863-3953
Fax 040 4273-11022
E-Mail integrationsamt@basfi.hamburg.de
 
Integrationsfachdienst Hamburg
Schauenburgerstraße 6
20095 Hamburg
Telefon 040 389045-20
Fax 040 389045-45
E-Mail info@ifd-hamburg.de
 
Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI)
Hamburger Straße 47
22083 Hamburg
Telefon 040 42863-0
Fax 040 4273-13022
E-Mail poststelle@basfi.hamburg.de

5. Haben Schwerbehinderte Anspruch auf mehr Urlaub?

Schwerbehinderte haben einen Anspruch auf fünf zusätzliche Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr. Dabei wird eine Fünf-Tage-Woche zugrunde gelegt. Arbeitet der Schwerbehinderte an weniger oder mehr als fünf Tagen, wird der Zusatzurlaub auch entsprechend angepasst.
Wichtig! Bei der Berechnung des Jahresurlaubes wird nicht der gesetzliche Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zugrunde gelegt. Maßgeblich ist vielmehr, wie viel Urlaub der Schwerbehinderte erhielt, wenn er nicht schwerbehindert wäre. Hier werden dann nochmals fünf Tage hinzugerechnet.
Besteht die Schwerbehinderung nicht während des gesamten Kalenderjahres, wird der Anspruch auf Zusatzurlaub entsprechend gekürzt (1/12 für jeden vollen Monat der Schwerbehinderung), Bruchteile ab 0,5 Tagen werden aufgerundet.

6. Was ist mit Überstunden?

Schwerbehinderte haben auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freigestellt zu werden. Dabei ist Mehrarbeit diejenige Arbeit, welche über die normale gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich hinausgeht. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21.11.2006 – 9 AZR 176/06) spielt es dabei keine Rolle, wie lange die individuell vereinbarte oder die tarifliche Arbeitszeit ist. Auch der Bereitschaftsdienst zählt als Mehrarbeit.
Die Freistellung von der Mehrarbeit tritt mit Zugang des Verlangens des Schwerbehinderten ein. Einer besonderen Freistellungserklärung durch den Arbeitgeber bedarf es nicht.

7. Welche Besonderheiten gibt es beim Kündigungsschutz?

Auch Schwerbehinderte können gekündigt werden. Dabei müssen aber einige Besonderheiten beachtet werden, die in den §§ 85 ff Sozialgesetzbuch IX geregelt sind.

7.1. Vermeidung von Kündigungen

Zur Vermeidung von Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, das Integrationsamt, und den Betriebsrat einzuschalten. Sobald Schwierigkeiten auftreten, die zu einer personen-, verhaltens-, oder betriebsbedingten Kündigung führen könnten, ist zu erörtern, wie diese Schwierigkeiten beseitigt werden können. Allerdings ist dies keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung.

7.2. Zustimmung des Integrationsamtes

Vor einer Kündigung eines Schwerbehinderten oder Gleichgestellten bedarf es allerdings der Zustimmung des Integrationsamtes.
In folgenden Fällen ist die Zustimmung allerdings entbehrlich:
  • das Arbeitsverhältnis besteht bei Zugang der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate
  • der Schwerbehinderte ist 58 Jahre oder älter und hat aus einem Sozialplan einen Anspruch auf Abfindung, Entschädigung oder Ähnliches
  • der Schwerbehinderte hat Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistungen oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus.
Die Zustimmung ist bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich zu beantragen. Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrats (sofern vorhanden), der Agentur für Arbeit und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den Schwerbehinderten an. Es versucht eine Einigung herbeizuführen, die eine Kündigung vermeidet. Die Entscheidung des Integrationsamtes soll innerhalb eines Monats ab Eingang des Antrages ergehen und wird dem Arbeitgeber und dem Schwerbehinderten zugestellt.
Nach Erteilung der Zustimmung hat der Arbeitgeber einen Monat Zeit, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen.
Hinweis: Stimmt das Integrationsamt der Kündigung nicht zu, ist eine Kündigung zunächst nicht möglich. Der Arbeitgeber kann jedoch Widerspruch einlegen und anschließend ggf. Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben.

7.3. Mindestkündigungsfrist

Die Kündigungsfrist beträgt gemäß § 86 Sozialgesetzbuch IX mindestens vier Wochen.

7.4. Besonderheiten bei der außerordentlichen Kündigung

Auch die fristlose Kündigung bedarf der Zustimmung des Integrationsamtes. Das Verfahren erfolgt jedoch mit verkürzten Fristen. Wenn der Arbeitgeber Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, kann er innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung zur Kündigung beantragen. Das Integrationsamt entscheidet dann innerhalb von weiteren zwei Wochen. Wenn innerhalb dieser zwei Wochen keine Entscheidung getroffen wird, gilt die Zustimmung als erteilt. Zur Bekanntgabe genügt allerdings die telefonische oder mündliche Mitteilung, die Zustellung eines Bescheides muss nicht abgewartet werden.
Sofern nach Erteilung der Zustimmung die ansonsten bei außerordentlichen Kündigungen einzuhaltende zweiwöchige Kündigungsfrist schon verstrichen ist, muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich erklären.

7.5 Maßgeblicher Zeitpunkt für den besonderen Kündigungsschutz

Der besondere Kündigungsschutz von Schwerbehinderten tritt ab dem Zeitpunkt ein, zu dem die Schwerbehinderung festgestellt worden ist. Die Schwerbehinderung muss dem Arbeitgeber noch nicht mitgeteilt worden sein. Andererseits kann ein Mitarbeiter, dem gekündigt worden ist, nicht anschließend noch seine Schwerbehinderteneigenschaft feststellen lassen. Selbst wenn diese rückwirkend auf einen Zeitpunkt vor Ausspruch der Kündigung festgestellt wird, steht ihm nicht der besondere Kündigungsschutz von Schwerbehinderten zu.
Nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gilt dies auch für einen Antrag auf Gleichstellung. Nach dieser Entscheidung gilt aber gerade für den Antrag auf Gleichstellung aber eine wichtige Ausnahme: Der Sonderkündigungsschutz besteht bereits dann, wenn der Mitarbeiter den Antrag auf Gleichstellung mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung gestellt hat.
Dies bedeutet für die Praxis: Wenn ein Mitarbeiter gekündigt werden soll, der mindestens drei Wochen zuvor die Feststellung der Gleichstellung beantragt hat, muss zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Dies besteht auch hier unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Antragstellung hat.
Tipp: Allgemeine Informationen zum Thema Kündigung haben wir für Sie im Artikel "Gesetzliche Kündigungsfristen im Arbeitsrecht" zusammengestellt. 

8. Besteht eine Beschäftigungspflicht?

Private und öffentlich-rechtliche Arbeitgeber die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, haben auf wenigstens 5% der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 71 Abs.1 SGB IX). Die Pflichtquote stellt den Mindestanteil fest.
Hierbei gilt folgende Staffelung:
  • Weniger als 40 Arbeitnehmer = 1 beschäftigter Schwerbehinderter
  • 40 bis weniger als 60 Arbeitnehmer = 2 beschäftigte Schwerbehinderte
  • Größere Betriebe = 5% der Arbeitsplätze für Schwerbehinderte
Allerdings können Arbeitgeber, die durch Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen zur Beschäftigung behinderter Menschen beitragen, 50% des auf die Arbeitsleistung der Werkstatt entfallenden Rechnungsbetrages solcher Aufträge (Gesamtrechnungsbetrag abzüglich Materialkosten) auf die Ausgleichsabgabe anrechnen.
Die Ausgleichsabgabe wird zur Integration schwer behinderter Menschen verwendet.
Tipp: Kostenlos berechnen können Sie Ihre Ausgleichsabgabe mithilfe des Ersparnisrechners von IW-Elan.

9. Was ist die "Schwerbehindertenvertretung"?

Wenn in einem Betrieb wenigstens fünf Schwerbehinderte nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, haben diese eine Vertrauensperson und mindestens einen Stellvertreter zu wählen.
Die Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 01.10 bis 31.11. statt. Die letzte Wahl fand im Jahr 2014 statt. Wahlberechtigt sind alle im Betrieb oder der Dienststellen beschäftigten Schwerbehinderten. Wählbar sind alle im Betrieb nicht nur vorübergehend Beschäftigten, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind und dem Betrieb mindestens sein sechs Monaten angehören. Der Vertrauensmann/die Vertrauensfrau muss selbst nicht schwerbehindert sein.
Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, vertritt ihre Interessen und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Daneben nimmt die Schwerbehindertenvertretung Anregungen und Beschwerden von Schwerbehinderten entgegen und wirkt durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hin. Weiter hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, an Sitzungen des Betriebsrats bzw. Personalrats teilzunehmen und Anträge, die einzelne Schwerbehinderte oder die Schwerbehinderten als Gruppe betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung setzen zu lassen. Der Arbeitgeber hat eine Unterrichtungspflicht in allen Angelegenheiten, die Schwerbehinderte berühren und muss die Schwerbehindertenvertretung dazu hören.
Wichtig: Sobald sich ein Schwerbehinderter auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, muss die Vertrauensperson informiert werden (sofern die Schwerbehinderung bekannt ist, denn freiwillig "offenbaren" muss er sich grundsätzlich nicht, s.o.). Dies gilt auch dann, wenn der Schwerbehinderte nicht geeignet für die Stelle erscheint und gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden soll. Bei jeder beabsichtigten Kündigung eines Schwerbehinderten muss die Vertrauensperson ebenfalls informiert werden.
Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt unentgeltlich, müssen aber zur Durchführung ihrer Aufgaben ohne Minderung des Arbeitsentgelts freigestellt werden.
Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände
Bei weitergehenden Fragen sollten Sie sich zunächst an die unter genannten Beratungsstellen wenden. In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es im Übrigen eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 9:30 Uhr bis 14 Uhr).
Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Arbeitsrecht

Der richtige Umgang mit Praktikanten im Unternehmen

Bei der Vergabe von Praktika haben Unternehmer genau zu bedenken, wie deren Ausgestaltung erfolgen soll. Für den Unternehmer haben nämlich die unterschiedlichen Varianten von Praktikanten unterschiedliche Folgen im Betrieb. Dazu kommt die Frage, in welchen Fällen Praktikanten ein Mindestlohn gezahlt werden muss. Seit 1. Januar 2024 gilt ein Mindestlohn von 12,41 Euro. Zum 1. Januar 2025 steigt der Mindestlohn auf 12,82 Euro.

1. Der Begriff des Praktikanten

1.1 Wer ist Praktikant?

Praktikanten sind Personen, die in erster Linie berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen sammeln wollen. Zu diesem Zweck „laufen Sie im Betrieb mit”, ohne als feste Arbeitskraft in die täglichen Verrichtungen eingeplant zu werden. Ihre Arbeitsleistungen sollten den Erwerb von beruflichen Kenntnissen nicht überwiegen. Das Praktikum stellt damit eine betriebliche Tätigkeit und Ausbildung dar, ohne systematische Berufsausbildung zu sein. Praktikanten sind in der Regel nur von kürzerer Dauer im Unternehmen. Ihr Aufenthalt im Betrieb ist begrenzt und beläuft sich bei freiwilligen Praktika durchschnittlich auf drei Monate. Praktikant ist auch, wer sich einer bestimmten Tätigkeit und Ausbildung in einem Betrieb unterzieht, weil er diese entweder im Rahmen einer Gesamtausbildung (zum Beispiel um die Zulassung zu einem Studium oder zur Hochschulprüfung zu erlangen) nachweisen muss, oder weil er mit ihr aus sonstigen Gründen berufliche Erfahrung sammeln möchte. Die hier denkbaren Ausgestaltungen sind vielfältig. Praktika dienen, neben den „klassischen” Konstellationen im Schüler- und Studentenpraktikum, immer häufiger auch als Berufseinstieg. Ein Beispiel hierfür bietet im Bereich der Medienwirtschaft das „Volontariat”.

1.2. Freiwillige Praktika und Pflichtpraktika

Es werden grundsätzlich freiwillige Praktika und Pflichtpraktika unterschieden.
Pflichtpraktika finden sich vor allem in den Studienordnungen der verschiedenen universitären Fachbereiche. Sie sollen dazu dienen, neben dem theoretisch vermittelten Wissen - in zeitlich bestimmten Umfang - praktische Erfahrungen zu erwerben und so Einblicke in spätere Tätigkeitsfelder zu erlangen. Solche Praktika sind häufig dann vorgeschrieben, wenn nicht „Praxissemester” vorgesehen sind, bei denen Studierende für die Dauer eines Semesters in Betrieben arbeiten.

1.3. Praktikanten im Einzelnen

a) Studenten
Das Praktikum kann bei Studenten Bestandteil eines Studiums sein. Dies ergibt sich aus der jeweiligen Ausbildungsordnung. Arbeitsrecht findet dann grundsätzlich keine Anwendung. Innerhalb der Studienpraktika lassen sich weiter „ Zwischenpraktika”, während des eigentlichen Studiums, und die vorausgehenden oder nachfolgenden „Vor – oder Nachpraktika” unterscheiden. Im Hinblick auf die jeweilige Studienordnung muss ferner danach differenziert werden, ob es sich um ein vorgeschriebenes oder ein freiwilliges Praktikum handelt. Freiwillig sind Studentenpraktika immer dann, wenn sie nicht ausdrücklich in der Studienordnung festgelegt sind. Beide Unterscheidungen haben Auswirkung auf die Sozial- und gesetzliche Unfallversicherungspflicht des Praktikanten. Eine Verpflichtung des ausbildenden Betriebes zur Zahlung einer Vergütung besteht in diesen Fällen grundsätzlich nicht. Wird jedoch ein Entgelt bezahlt, kann dessen Höhe ebenfalls Auswirkungen auf die Sozialversicherungspflicht des Praktikanten haben.
b) Schüler
Schüler absolvieren während ihrer Schulzeit in der Regel ein oder zwei Praktika. Solche „Betriebspraktika” dauern in der Regel nicht länger als vier Wochen und dienen der beruflichen Orientierung der Schüler. Werden Schüler im Rahmen eines Betriebspraktikums im Betrieb tätig, findet Arbeitsrecht in der Regel ebenfalls - wie bei studentischen Pflichtpraktika - keine Anwendung. Der ausbildende Betrieb darf dem Praktikanten als Anerkennung seiner Tätigkeit einen kleineren Geldbetrag („Taschengeld”) zahlen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Eine gesonderte Sozial- und gesetzliche Unfallversicherungspflicht besteht üblicherweise nicht, da die Schüler zumeist über Ihre Familien versichert sind und die gesetzliche Unfallversicherung über deren Schule abgewickelt wird. Der ausbildende Betrieb sollte sorgfältig darauf achten, dass die abverlangte Präsenz (Arbeitszeit) des jeweiligen Schülers in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Reifegrad und physischer Konstitution steht. Die individuelle Belastbarkeit der Schüler, die erstmals einer „richtigen” Arbeit nachgehen, kann sehr unterschiedlich ausfallen und sollte vom ausbildenden Betrieb respektiert werden.
c) Volontariat
„Volontariat” ist die hauptsächlich im journalistischen Bereich gängige Bezeichnung für ein Ausbildungsverhältnis. Es stellt ebenfalls ein Praktikum da, weil hier auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Auch die Tatsache, dass das Volontariat zumeist darauf ausgerichtet ist in ein Festanstellung überzuleiten, ändert nichts daran, dass hier ein Praktikum vorliegt. Die Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn gelten für Volontariate nicht, so dass im Rahmen eines Volontariates kein gesetzlicher Mindestlohn zu zahlen ist. Gleichwohl ist Volontären eine angemessene Vergütung zu zahlen.
d) Vergütung von Praktikanten
Grundsätzlich besteht bei Schüler- und Studentenpraktika keine Verpflichtung zur Zahlung eines Praktikumsentgelts. Ist das Praktikantenverhältnis jedoch als Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ausgestaltet, hat der Praktikant nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Dies betrifft vor allem Fälle von Langzeitpraktika, die keine umfassende Ausbildung ergänzen, sondern eine solche komplett ersetzen, wie etwa das Volontariat. Für Volontäre wird der gesetzliche Mindestlohn ab dem 1. Januar 2015 jedoch nicht gelten (siehe oben).
Seit dem 1. Januar 2015 gilt, dass auch für Praktikanten der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen ist.
Das gilt allerdings dann nicht, wenn ein Praktikum verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie geleistet wird,ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums geleistet wird,ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung geleistet wird, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Unternehmen, bei dem das Praktikum geleistet wird, bestanden hat oderan einer Einstigesqualifizierung  nach § 54 a des Dritten Sozialgesetzbuches oder an einer Berufsbildungsvorbereitung teilgenommen wird.In folgenden Branchen ist ein Mindestlohn geregelt: Bauhauptgewerbe, Bergbau, Aus- u. Weiterbildung, das Dachdecker-, das Maler und Lackierer-, das Frisör sowie das Elektrohandwerk, die Gebäudereinigung und die Abfallwirtschaft, Pflege, Sicherheits- und Wäschereidienstleistungen, sowie Steinmetze. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz regelt zudem auch für die Zeitarbeitsbranche einen Mindestlohn.

2. Rechtliche Grundlagen

Für Praktikanten gelten unterschiedliche Vorschriften, je nach dem, welche Art von Praktikant im Unternehmen beschäftigt ist: (BBiG, Ausbildungsordnungen, Studienordnungen). Diese sollten bei Setzung des rechtlichen Rahmens für das Praktikumsverhältnis - stets auf den Einzelfall abgestimmt - berücksichtigt werden.

3. Rechtlicher Rahmen

3.1. Vertrag

Eine weitere Neuerung, die seit dem 1. Januar 2015 gilt, ist, dass unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens aber vor Aufnahme des Praktikums, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen sind, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten zu übergeben ist, soweit dieser einen Anspruch auf den Mindestlohn hat. Das galt bislang lediglich für reguläre Arbeitsverhältnisse. Es empfiehlt sich allerdings generell für das Praktikantenverhältnis einen schriftlichen Praktikantenvertrag abzuschließen, der sich nach den Gegebenheiten im Ausbildungsbetrieb richtet. Hierin sollten gemäß § 2 NachwG mindestens folgende Punkte aufgenommen sein:
  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Lern- und Ausbildungsziele
  • Beginn und Dauer des Praktikums
  • Ob eine Vergütung gezahlt wird und wenn ja, Zeitpunkt und Höhe der Vergütung
  • Urlaub (bei längeren Praktika)
  • Arbeitszeit
  • Arbeitsort
  • Ausbildungsplan
  • Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf Tarifverträge sowie Betriebs- und/oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.
Im Einzelfall können außerdem Geheimhaltungsvereinbarungen und sogar Vertragsstrafen in Betracht kommen, wenn sich dies aus dem Bedarf des ausbildenden Unternehmens ergibt. Das kann zum Beispiel erforderlich werden, wenn ein besonderer Schutz des im Betrieb zum Einsatz kommenden Wissens oder auch Diskretion gegenüber Kunden und Klienten des ausbildenden Unternehmens zu gewährleisten ist. Bei Praktikanten, die noch nicht 18 Jahre alt sind, sollten Sie vor dem Abschluss des Praktikumsvertrages immer das Einverständnis der gesetzlichen Vertreter einholen. In der Regel handelt es sich dabei um die Eltern.

3.2. Gleichstellung von Praktikanten und Arbeitnehmern

Praktikanten sind - von den Einschränkungen beim gesetzlichen Mindestlohn abgesehen - regulären Arbeitnehmern grundsätzlich gleichgestellt. Insbesondere gelten für sie die regulären Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und anderer Arbeitnehmer schützender Vorschriften. Das heißt, dass für sie dieselben Vorschriften in Bezug auf Arbeits- und Pausenzeiten wie für die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens gelten und bei längeren Praktika ein Anspruch auf Urlaub besteht.Praktikanten haben, da sie wie vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt werden, einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung (siehe oben). Ebenfalls besteht ein Anspruch auf die Erteilung eines Zeugnisses, in dem der Zeitraum des Praktikums und die Tätigkeiten des Praktikanten dokumentiert werden. Eine Ausnahme gilt hierbei für Studenten während Ihrer Pflichtpraktika, sog. Fachhochschul – oder Hochschulpraktikanten und Schülerpraktikanten.

4. Praktikantenführung

Praktikanten sind keine billigen Arbeitskräfte. Für den Unternehmer besteht vielmehr die Pflicht, den Praktikanten berufliche Einblicke zu vermitteln, deren Kenntnisse zu fördern und beruflichen Fertigkeiten zu vertiefen. Es ist daher sinnvoll, gemeinsam mit den Praktikanten einen Ausbildungsplan aufzustellen, der den individuellen Bedürfnissen angepasst ist. Wegen des Ausbildungscharakters des Praktikums sollten die Praktikanten auch nicht ausschließlich mit bloßen Aushilfstätigkeiten (Kaffeekochen, Postsortieren und Ähnliches) beschäftigt werden. Praktikanten sollten mit verantwortlicher Bearbeitung von Standard-Vorgängen betraut werden, sofern ihre Fähigkeiten dies zulassen. Praktikanten sollten darüber hinaus nicht als kurzfristig kündbare qualifizierte Arbeitskräfte verstanden werden. Zwar haben sich einige Unternehmen darauf eingestellt, Hochschulabsolventen als längerfristige Praktikanten einzustellen und mit der Aussicht auf eine spätere Anstellung unter Umständen zur Verlängerungen der Praktika zu locken, solche Beschäftigungen sind aber mit dem Sinn des Praktikums nicht vereinbar. Aus diesem Grunde hat sich eine Reihe von Unternehmern dazu entschlossen, Praktika nicht mehr an Hochschulabsolventen zu vergeben und darüber hinaus sämtliche Praktika zu vergüten. Diese Unternehmen haben sich unter dem Label „Fair Company” zusammengefunden. Sie bieten anstelle von Praktika so genannte „Traineeships” an, die im Rahmen einer praktischen Ausbildung, ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Unternehmens, in der Regel zu einer Anstellung führen.

5. Folgen

Hinsichtlich der unterschiedlichen Folgen der verschiedenen Praktikums-Ausgestaltungen für die ausbildenden Betriebe, hauptsächlich in Bezug auf die Versicherungspflicht, bietet die nebenstehende Tabelle einen Überblick.

6. Andere Praktikanten-Verhältnisse

Neben den hier aufgeführten Praktikanten existieren als praktikumsverwandte Beschäftigungsverhältnisse noch die so genannten „Einstiegs-Qualifizierungen”. Für nähere Informationen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an die jeweils für Sie zuständige Arbeitsagentur.

7. Weitergehende Hinweise

Arbeitsrechtliche Literatur finden sie in unserer Commerzbibliothek. Für Fragen zur Sozialversicherungspflicht stehen Ihnen insbesondere die Krankenkassen zur Verfügung.

8. Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden.  Sofern Sie verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 040-3574410, Montag bis Freitag von 9.30 Uhr bis 14 Uhr).
Recht und Steuern

A 4a Nr. 150

A 4 a Nr. 150 § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO – „Offensichtliche“  Unvereinbarkeit der Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs mit dem Ordre Public. Entstehungsgeschichte und ratio legis dieses Kriteriums
Die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs verstößt nur dann gegen die öffentliche Ordnung (ordre public), wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts „offensichtlich“ unvereinbar ist. Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung und eklatante Vorstöße gegen die materielle Gerechtigkeit, wobei nicht jeder Widerspruch -- selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts – genügt. Es ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ und „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken.  
BGH Beschl.v. 28.1.2014 – III ZB 40/13 WM 2014, 1151 = RKS A 4 a Nr. 150
Aus den Gründen:
Die Annahme des OLG Celle, dass ein Widerspruch gegen den ordre public nur bei „offensichtlicher“ Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vorliege und der Einwand einer Verletzung nur in „extremen Ausnahmefällen“ greife, ist zutreffend und entspricht der Senatsrechtsprechung. Die abweichende Auffassung ist  auf ältere, noch zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.d.F. v. 12.9.1950 (BGBl. S. 533) ergangene   BGH-Entscheidungen von 1958 bis 1983 gestützt. Danach konnte die Aufhebung beantragt werden, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde“. Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer „offensichtlichen“ Unvereinbarkeit nicht problematisiert , vielmehr heißt es im Urt.v. 25.10.1966 (BGHZ 46,365, 370): „Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung … auch von anderen geteilt wird und deshalb zumindest ‚vertretbar‘ erscheint, ist unerheblich.“ Geprüft wurde nur, was zu den „guten Sitten“ bzw. zur „öffentlichen Ordnung“ gehört. 
Das Kriterium der Offensichtlichkeit wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl. I S. 1142) in § 1041Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in das Schiedsrecht eingeführt. Parallel wurde der ordre-public-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB betr. Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates  und in § 328 Abs. 2 Nr. 4 ZPO betr. Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert (vgl. BGH 12.7.1990 WM 1990, 1766 = NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30).  Hintergrund ist letztlich das Verbot der révision au fond, also das Verbot, ein ausländisches Urteil oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen (EuGH 28.3.2000  NJW 2000, 1853 Rdn.37 und 11.5.2000 NJW 2000, 2185 Rdn. 30).  Dieses Verständnis der Norm ergibt sich auch aus dem Schiedsverfahrensrechts-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3224), auch wenn in dessen Text das Kriterium der Offensichtlichkeit nicht mehr ausdrücklich ausgesprochen ist (BT-Drucksache 13/5274 S. 59).
Ein anderes Verständnis der Norm würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ und „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken (aaO. 1, 34 – siehe BGH Beschl.v. 30. 10.2008 = WM 2009, 573, 574 = RKS A 4 a Nr. 110).
Ergänzend ist anzumerken, dass das Kriterium der Offensichtlichkeit inzwischen in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt im Familien-und Erbrecht verwandt wird (wird ausgeführt).
27.6.2014       
Recht und Steuern

D 1a Nr. 2

D 1 a Nr. 2 Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom  I VO“) Amtsblatt L 177/6 vom 4.7.2008; § 25 a ECC – Anzuwendendes Recht bei grenzüberschreitenden Handelsverträgen
Gemäß Art. 10 Abs.1 Rom I VO, die für Schuldverhältnisse in Handelssachen mit einer Verbindung zum Recht verschiedener Staaten gilt, beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags (oder einer seiner Bestimmungen) nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2e, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 Rom I VO).
Haben die Parteien ein Schiedsgericht vereinbart, so haben sie damit eine Rechtswahl in dem Sinne getroffen, dass im Streitfall das Recht desjenigen Landes maßgeblich ist, in welchem das Schiedsverfahren durchzuführen ist. Das ist Deutschland, wenn der Vertrag auf des Basis des Europäischen Kaffee-Kontrakts (ECC) geschlossen ist und damit das Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg vereinbart ist.
Zwar sind Schiedsvereinbarungen als solche gem. Art. 1 Abs. 2 e Rom I VO ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser VO ausgenommen. Aber als Schiedsklausel in einem Hauptvertrag, z.B. einem Kaufvertrag, folgen sie als eine seiner Bestimmungen dem Statut des Hauptvertrages.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg Schiedsspruch vom 10.10.2013 (Az. GIX/2/Sch/2213) RKS D 1 a Nr. 2  
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Zahlung von Schadensersatz wegen der Nichterfüllung von fünf Kaufverträgen, deren Zustandekommen die Beklagte bestreitet.
Zwischen den Parteien besteht seit November 2008 eine enge geschäftliche Beziehung. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Mischkonzern. Die Abteilung, welche bei der Beklagten für den Kaffeehandel zuständig ist, wurde … unter der Leitung von Herrn … V. gegründet. Die Klägerin tritt im Rahmen dieser geschäftlichen Beziehung als Verkäuferin und die Beklagte als Käuferin auf. Neben E-Mail wurden insbesondere AOL Instant Messenger und Skype als Kommunikationsmittel eingesetzt.
Gemäß Kommunikation auf AOL Instant Messenger zwischen Herrn V. und dem für die Klägerin tätigen … kaufte die Beklagte von der Klägerin am 2. Mai 2011 2 x 550 Säcke Colombia Supremo screen 17/18 zu US-Cents 320 per lb FOB Buenaventura für Verschiffung 550 Sack im Juni, und 550 Sack im Juli 2011, und - ebenfalls gemäß Kommunikation auf AOL Instant Messenger - kaufte die Beklagte am 25. August 2011 6.300 Säcke verschiedener Qualitäten: 60%  Colombia Excelso UGQ und 40% Colombia Supremo zu einem Mischpreis von US-Cents 301 per lb FOB Buenaventura, für Verschiffung während der Monate Oktober, November und Dezember 2011. Mit E-Mail vom 31. August 2011 präzisierte die Beklagte den Einkauf bezüglich der in den verschiedenen Verschiffungszeiträumen zu verschiffenden Qualitäten und Quantitäten, insgesamt 6.210 Säcke.
Zu einer schriftlichen Fixierung dieses Vorganges in Form von Kaufbestätigungen, Kontraktdokumenten oder Ähnlichem kam es zunächst nicht.
Die Klägerin hat in der Folgezeit wiederholt per E-Mail auf den Teil ihrer Verkäufe hingewiesen, für den Einkaufsbestätigungen mit entsprechenden Verschiffungsinstruktionen noch nicht ausgestellt waren.
Am 27. Februar 2012 bestätigte Herr V. per E-Mail, dass folgende Positionen noch offen seien:
„June          pend 550  Sup 17/18 320,00
October      pend 570  Sup 17/18 301,00
November  pend 275  Sup 17/18 301,00
December pend 1425 UGQ         301,00
December pend 825  Sup 17/18  301,00”
Am 18. Juni 2012 stellte Herr V. per E-Mail für die Beklagte mit Datum 15. Juni 2012 die Kontrakte
No. CO-6030 für   550 Sack Colombia Supremo  screen 17/18 zu US-Cents 320 per lb,
No. CO-6031 für   570 Sack Colombia Supremo screen 18 zu US-Cents 301per lb,
No. CO-6032 für   275 Sack Colombia Supremo screen 18 zu US-Cents 301 per lb,
No. CO-6033 für 1425 Sack Colombia Excelso zu US-Cents 301 per lb,
No. CO-6034 für   825 Sack Colombia Supremo screen 18 zu US-Cents 301 per lb
alle per FOB Buenaventura und für Verschiffung während November/Dezember 2012, aus und sandte sie als E-Mail Anhang (Anlage 26) an die Klägerin. Der Kaffee wurde durchweg mit „Crop 2012“ beschrieben. Alle Dokumente tragen eine Unterschrift, die leserlich in der linken Signaturzeile den Namen „… V.“ wiedergibt. Alle von der Klägerin in Anlage 26 vorgelegten Dokumente wurden am 14. November 2012 von der Klägerin unterschrieben und an die Beklagte zurückgeschickt. In dieser beidseitig gezeichneten Fassung wurden sie als Anlage vorgelegt.
Alle Dokumente enthalten die Formulierung
„This contract has been made on the conditions of the European Contract for Coffee (E.C.C.) last edition in force at time or conclusion of the contract and on the above conditions which override all others.”
sowie die weitere Formulierung:
“Please return one copy of this contract duly signed”
Die E-Mail vom 18. Juni 2012, mit der die Kontrakte übersendet wurden, enthielt folgende Formulierung von Herrn V.:
„Dear …, attached contracts as promised for the end of the year. Once again thanks for your help. Thanks and regards, V.”
Diese E-Mail in etwas anderer optischer Widergabe und mit anders ausgewiesener Sendezeit wurde von der Beklagten mit überwiegend identischen Kontraktdokumenten vorgelegt. Der Unterschied in den Kontraktdokumenten besteht lediglich darin, dass die Unterschrift für die Klägerin fehlt.
Unstreitig sind Dokumente mit den Nummern CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, und CO-6034 im elektronischen Dokumentationssystem der Beklagten vorhanden. Diese von der Beklagten am 19. November 2012 in ihrem EDV-System aufgefundenen und dem Schiedsgericht vorgelegten Dokumente unterscheiden sich von den von der Beklagten als Anlage 26 vorgelegten Dokumenten lediglich durch die fehlende Unterschrift der Klägerin und die wie folgt lautende Preisklausel:
„Price: To be fixed against NYC March 2013 plus 26.00 UScents per lb, price fixation in seller`s option, prior to first notice day or upon invoicing, whichever comes first.”
Insbesondere findet sich in allen Dokumenten die oben zitierte Verweisung auf den ECC.
Am 12. Oktober, 2. November und 8. November 2012 informierte die Klägerin die Beklagte per E-Mail, dass Muster gegen die Kontrakte Nr. CO-6033, 6031, 6032, 6034 und 6030 per DHL abgeschickt würden.
Gleichfalls am 2. November 2012 schickte die Klägerin der Beklagten eine E-Mail mit Hinweisen auf total 6.495 Säcke, die gegen verschiedene Kontrakte bzw. Käufe noch zu verschiffen seien. Diese E-Mail wurde wiederholt am 6., 9., 13. und 14. November. Die Antwort der Beklagten erfolgte am gleichen Tag mit Hinweis auf gesundheitliche Probleme und Hinweisen auf anhängige Verschiffungen. Mit einer weiteren E-Mail vom 19. November 2012 stellt die Klägerin der Beklagten die Frage, ob anhängige 5.640 Säcke noch im November verladen werden können.
Am 23. November 2012 schickte die Beklagte eine E-Mail an die Klägerin, in welcher sie der Klägerin unter Bezugnahme auf eine Skype-Konversation die Stornierung der Kontrakte CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, und CO-6034 bestätigte. Die Klägerin antwortete per E-Mail und angehängtem Brief am 27. November 2012. In der Antwort widersprach sie, diese Kontrakte storniert zu haben und bestand auf den Erhalt von Verschiffungsinstruktionen für total 5640 Säcke, es sei denn, dass zwischen den Parteien formell andere Abmachungen getroffen würden.
Mit Schreiben vom 30. November 2012 informierte … als „head of coffee“ für die Beklagte, dass Herr V. nicht mehr bei der Beklagten arbeite und sie künftig Adressatin für Anfragen und Korrespondenz sei. Am selben Tag schickt … als E-Mail Anhang einen Brief an die Klägerin, in welchem er u.a. mitteilt:
„We acknowledge receipt of your letter, dated November 27th, contents of which are duly noted. In response, we would like to stress that … has only become aware of the situation as from November 19th, through the discovery of a certain number of contracts at fixed prices signed between your esteemed company and Mr. V., whereas … had in its books these same contracts with price to be fixed……As a consequence of this abnormal situation, our company is forced to initiate an in-depth audit….”
Am 18. Dezember 2012 schrieb die Klägerin in einer E-Mail u.a.:
„After an official meeting discussing the phone conversation and official communications send from you, shareholders at … agreed that is not acceptable a cancellation over these contracts and is not acceptable the prices you offered in differential basis that you said you had in your books either. Contracts CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, CO-6034 are valid and we have proofs to explain why these contracts were issued just by June 2012. We tried to reconsider different possibilities in order to help your company due to the mistakes you say you have in your book due to your ex-trader’s messy actions within your company but we have no options over these contracts  .…… Awaiting your comments or your default declaration in order to go on arbitrage in this last case.”
Mit E-Mail am 27. Dezember 2012 schrieb …, General Manager der Beklagten u.a.
„We acknowledge receipt of your mail, dated Dec 18, which content is duly noted. We reiterate that we do not recognize the “contracts” you send us by mid November 2012, “contracts” you mentioned having been made with Mr V. in 2011. As already stated … had in its books others contracts, dated June 15th 2012, with price to be fixed. We particularly fail to understand the level of pricing that you alleged agreed between you and Mr V. in “contracts” CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, CO-6034. … shall have known that Mr V. has no authority to conclude such “agreements”…… We nevertheless remain at disposal to jointly elaborate a solution at the satisfaction of the parties, besides the tremendous losses already supported.”
In der Niederschrift eines Telefongesprächs vom 10. Januar 2013 zwischen den Parteien wird Herr … unter anderem wie folgt zitiert:
„ok just to come back on our issue…from the last time with respect to the contracts…we don’t see much from our side here on that, meaning that if we would be the contract that the price fixed it would be a huge loss for us. So to be honest it doesn’t make sense.”
Auf eine entsprechende Anfrage der Klägerin vom 4. Januar 2013 forderte das ECF Contracts Committee die Beklagte mit Schreiben vom 11. Januar 2013 auf, bis zum 18. Januar 2013 12 Uhr CET zur Frage des Schiedsortes Stellung zu nehmen und kündigte gleichzeitig an, nach Erhalt einer Stellungnahme oder fruchtlosem Ablauf der Frist über den Schiedsort zu entscheiden.
In der Antwort der Beklagten vom 17. Januar 2013 lehnte sie eine Stellungnahme zu einem Schiedsgerichtsort mit der Begründung ab, es gebe keine gültigen Kontrakte und damit auch keine gültige Schiedsgerichtsklausel.
Mit E-Mail vom 12. Februar 2013 informierte die ECF beide Parteien, dass man entschieden hat, Hamburg als Schiedsgerichtsort zu benennen.
Am 14. Februar 2013 schickte die Klägerin eine weitere E-Mail an die Beklagte, in welcher es unter anderem heißt:
„Please be aware of the following on the pending (unshipped) contracts: As this dispute apparently cannot be resolved amicably, arbitration proceedings shall be initiated.“
Die Beklagte antwortete darauf mit einer E-Mail vom selben Tag in der es unter anderem heißt:
“You mention that the dispute cannot be resolved amicably, however to resolve a dispute, there should be two parties discussing and trying to find an alternative to the disputed situation; unless mistaken we haven`t received any single proposal from your part other that what is disputed, therefore we fail to understand where … intended to solve amicably the situation. In parallel, you will have noted that all remaining outstanding issues apart from the unshipped contract have been solved from … site.”
Mit Klageschrift vom 21. Februar 2013, beim Schiedsgericht eingegangen am 28. Februar 2013, beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen
1. an die Klägerin USD … zu zahlen,
2. an die Klägerin Zinsen in Höhe von USD … für die Zeit vom 31. Dezember 2012 bis zum 21. Februar 2012 (Datum der Klageschrift) zu zahlen,
3. die Kosten des Schiedsverfahren zu tragen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, es sei am 2. Mai 2011 und am 25. August 2011 nicht zu Vereinbarungen über den Verkauf von Kaffee gekommen. Die Kontrakte CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033 und CO-6034 seien daher nicht das Ergebnis solcher Verhandlungen oder Vereinbarungen. Die Vertragsnummern würden zudem eher auf einen Vertragsschluss im Jahr 2012 hindeuten und nicht im Jahr 2011.
In den Kontrakten würden keinesfalls Konditionen etwaiger Verträge aus dem Jahr 2011 wiedergegeben. Die Beklagte hätte Kontrakte zu den Konditionen, wie sie in den von der Klägerin vorgelegten Schriftstücken vom 15. Juni 2012 enthalten sind, niemals abgeschlossen.
Die Beklagte ist der Ansicht, Herr V. habe die von der Klägerin behaupteten Kontrakte nicht Namens der Beklagten abschließen können. Herr V. habe von der Beklagten keine Berechtigung gehabt, für seine Tätigkeit AOL Instant Messenger zu verwenden, insbesondere nicht um Verträge abzuschließen. Im Übrigen sei es Herrn V. nicht möglich gewesen, auf den Systemen der Beklagten AOL Instant Messenger zu nutzen.
Die Beklagte bestreitet die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadens. Die Klägerin habe den Kaffee, welcher Gegenstand der im Streit stehenden Kontrakte sei, inzwischen an Dritte weiterverkauft. Sie ist der Ansicht, dass der Klägerin der von ihr geltend gemachte Schaden nicht entstanden sein könne.
Die Beklagte rügt im Übrigen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Sie ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung bestehe. Die European Coffee Federation habe zudem über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts entschieden, ohne den Parteien zuvor hinreichend Gelegenheit gegeben zu haben, den Streit einvernehmlich zu lösen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Klage und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 und die Anmerkungen der Beklagten zu dieser Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat mit Ihrer Klageschrift H. zum Schiedsrichter bestimmt. Mit Schreiben vom 28. März 2013 wurde die Klageschrift der Beklagten am 2. April 2013 zugestellt. Mit gleichem Schreiben wurde die Beklagte aufgefordert, bis zum 26. April 2013 auf die Schiedsklage zu erwidern und ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen. Auf Antrag der Beklagten vom 18. April 2013, beim Schiedsgericht per E-Mail vorab eingegangen am selben Tag, wurde der Beklagten mit Schreiben vom 23. April 2013, der Beklagten zugegangen am 29. April 2013, eine Fristverlängerung bis zum 6. Mai 2013 gewährt. Die Klägerin wurde darüber mit Schreiben vom 23. April 2013, zugegangen am 25. April 2013, informiert.
Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2013, beim Schiedsgericht vorab per E-Mail eingegangen am selben Tag, erwiderte die Beklagte auf die Schiedsklage und benannte zugleich Herrn J. als Schiedsrichter. Der Klägerin wurde die Klageerwiderung mit Schreiben vom 13. Mai 2013, zugegangen am 15. Mai 2013, mit der Aufforderung des Schiedsgerichts zugesandt, bis zum 7. Juni 2013 zu der Klageerwiderung Stellung zu nehmen. Die Beklagte wurde darüber mit Schriftsatz vom 13. Mai 2013, zugegangen am 17. Mai 2013, informiert.
Die Schiedsrichter H. und J. haben sich gem. § 5 Nr. 7 S.1 SchGO auf Herrn C. als Obmann geeinigt. Dieses wurde den Parteien jeweils mit Schreiben vom 4. Juni 2013, der Klägerin zugegangen am 7. Juni 2013, der Beklagten zugegangen am 10. Juni 2013, mitgeteilt.
Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2013, bei Gericht eingegangen am 5. Juni 2013, nahm die Klägerin zu der Klageerwiderung Stellung. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2013, der Beklagten zugegangen am 17. Juni 2013, wurde der Schriftsatz vom 31. Mai 2013 der Beklagten mit der Aufforderung zugestellt, auf diesen bis zum 5. Juli 2013 zu erwidern.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2013, per E-Mail vorab bei Gericht am selben Tag eingegangen, nahm die Beklagte zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 31. Mai 2013 Stellung. Der Schriftsatz der Beklagten wurde der Klägerin per E-Mail vorab am 16. Juli 2013, zugegangen am selben Tag, zugesandt.
Nach vorheriger Rücksprache mit den Parteien wurden diese jeweils mit Schreiben vom 22. Juli 2013, der Beklagten zugegangen am 31. Juli 2013, zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 geladen.
Mit Schriftsatz vom 10. September 2013, beiden Parteien per E-Mail zugegangen am selben Tag, erhielten die Parteien Gelegenheit, sich bis zum 24. September 2013 zu der gleichzeitig übersandten Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2013 zu äußern. Die Beklagte machte mit Schriftsatz vom 13. September 2013, beim Schiedsgericht eingegangen am 17. September 2013, von dieser Möglichkeit Gebrauch.
In der mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 haben die Parteien zu Protokoll gegeben, dass Sie bis zum Beginn der Verhandlung ausreichendes rechtliches Gehör hatten. Abgesehen von der grundsätzlichen Zuständigkeitsrüge der Beklagten wurden keine Verfahrensrügen erhoben. Die Bildung des Schiedsgerichts wurde als ordnungsgemäß bestätigt. Gegen den Ablauf der mündlichen Verhandlung wurden bis zum Ende des Termins keine Einwände erhoben.
Die Klägerin hat eine Sicherheitsleistung in Höhe von … Euro für die voraussichtlichen Kosten des Schiedsverfahrens überwiesen. Der Betrag wurde am 26. März 2013 dem Konto der Handelskammer gutgeschrieben.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Verfahren vor dem Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Han­delskammer Hamburg ist zulässig.
Das Schiedsgericht ist für die Entscheidung des Rechtsstreits der Parteien aus den Kontrakten CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, und CO-6034 gemäß § 2 Ziff. 1b der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg (im Weiteren: „SO“) zuständig (§ 12 Ziff. 5 SO). Die Zuständigkeitsrüge der Beklagten ist unbegründet. Denn durch die Übersendung der Kontraktdokumente durch die Beklagte an die Klägerin ist die Schiedsvereinbarung mangels eines unverzüglichen Widerspruchs der Klägerin zustande gekommen.
Die Klägerin hat in Anlage 26 Dokumente zu allen Kontrakten vorgelegt, die vom 15. Juni 2012 datieren und die Unterschrift von Herrn V. tragen. Dass die abgebildete Unterschrift dem üblichen Unterschriftsbild von Herrn V. entspricht, ist unstreitig. Alle Dokumente beziehen sich auf den European Contract for Coffee (im folgenden „ECC“). Die am 15. Juni 2012 gültige Fassung des ECC war die 2002 Edition in der ab 1. September 2007 gültigen Fassung.
Die Beklagte legt einen Satz von Dokumenten vor, den sie am 19. November 2012 in Ihrem EDV-Dokumentationssystem aufgefunden hat. Diese Dokumente sind in allen Punkten und auch dem optischen Bild der Unterschrift von Herrn V. identisch mit den von der Klägerin vorgelegten Dokumenten mit Ausnahme der Preisklausel, die eine Fixierung nach dem Börsenpreis New York vom März 2013 anstelle eines Festpreises vorsieht.
Damit ist bereits unstreitig, dass Herr V. in seiner am 15. Juni 2012 uneingeschränkt bestehenden Vertreterstellung für die Beklagte Dokumente zu den Kontrakten CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, und CO-6034 unterzeichnet hat, die jedenfalls auf den ECC verweisen. Denn streitig ist lediglich, ob der Dokumentensatz mit der Festpreisklausel (Klägerin) oder der Fixierungsklausel (Beklagte) korrekt ist.
Artikel 24 ECC enthält eine Schiedsgerichtsklausel, auf die § 2 Absatz 1b SO Bezug nimmt.
Es steht nach Lage der Akten und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Schiedsgerichts ferner fest, dass die Klägerin mit Mail von Herrn V. vom 18. Juni 2012 Dokumente zu den Kontrakten CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033, und CO-6034 erhalten hat, die den Verweis auf den ECC und die Festpreisklausel enthalten sowie die Unterschrift von Herrn V. tragen. Die Klägerin hat diese Mail in Anlage 26 vorgelegt. In Anlage D-6 legt auch die Beklagte einen Ausdruck der Mail von Herrn V. vor, der inhaltlich identisch mit der Version der Klägerin ist, sich aber in der optischen Wiedergabe und der angegebenen Uhrzeit der Sendung (Anlage 26: 8:20 a.m., Anlage D-6: 15:20) unterscheidet. Auch die in Anlage D-6 beigefügten Dokumente unterscheiden sich (nur) darin, dass die Unterschrift für die Klägerin fehlt. Im Übrigen sind sie mit den Dokumenten aus der Anlage 26 identisch, auch im Hinblick auf die Festpreisklausel. Die Beklagte stellt in ihrer Klageerwiderung vom 6. Mai 2013 die tatsächliche Existenz dieser Dokumente nicht in Abrede. Sie setzt sich vielmehr ausführlich mit deren Inhalt auseinander (Klageerwiderung, Rz. 56ff). Auch der Umstand, dass die Kopie der begleitenden E-Mail von Herrn V. in Details von der Kopie abweicht, die die Klägerin vorgelegt hat (s.o.) zeigt, dass die Beklagte diese Dokumente selbstständig aufgefunden haben muss. Die Beklagte stellt damit unstreitig, dass diese Dokumente jedenfalls in der am 15. Juni 2012 einseitig von Herrn V. unterzeichneten Form existieren und dass sie mit Mail vom 18. Juni 2012 an die Klägerin übermittelt worden sind. Es ist ferner unstreitig, dass die Klägerin nach Erhalt dieser Dokumente keinen Widerspruch zu deren Inhalt erklärt hat. Sie hat sich vielmehr stets ausdrücklich auf diese Kontrakte berufen.
Das Zustandekommen der Schiedsvereinbarungen beurteilt sich nach deutschem Recht.
Gemäß Art. 10 Abs. 1 Rom I-Verordnung, die für Schuldverhältnisse in Handelssachen – wie hier – mit einer Verbindung zum Recht verschiedener Staaten gilt, beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags (oder einer seiner Bestimmungen) nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (vergleiche Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Amtsblatt L 177/6 vom 4.7.2008).
Zwar sind Schiedsvereinbarungen als solche ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe e). Aber als Schiedsklausel in einem Hauptvertrag – dem Kaufvertrag – folgen sie als eine seiner Bestimmungen dem Statut des Hauptvertrags (vergleiche HansOLG, 6 Sch 18/12, Beschluss vom 19.12.2012).In diesem Sinne haben die Parteien eine Rechtswahl vorgenommen (Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung). Denn Art. 25 a ECC bestimmt, dass im Streitfall das Recht desjenigen Landes maßgeblich ist, in welchem nach dem Vertrag der Parteien das Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen ist oder das durch das ECF Contracts Committee bestimmt wird. Dieses Land ist Deutschland.
Die örtliche Festlegung des Gerichtsstands erfolgte wirksam durch das ECF-Komitee. Die Aufforderung des Komitees an die Beklagte, zur Frage des zuständigen Schiedsgerichts Stellung zu nehmen, wurde der Beklagten unstreitig zugestellt. Die Beklagte gab fristgerecht eine Stellungnahme ab (Anlage D-4). Zwar hat sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme nicht zur örtlichen Zuständigkeit eines Schiedsgerichts geäußert, sondern generell die Existenz der streitgegenständlichen Verträge in Abrede gestellt. Dies ist jedoch unschädlich, da das Komitee der Beklagten hinreichend Gelegenheit gegeben hat, sich zur Sache zu äußern. Ob und wie die Beklagte sich dann äußerte, lag bei ihr. Das Komitee ist nicht befugt und daher auch nicht verpflichtet, die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zu beurteilen. Dies obliegt alleine dem Schiedsgericht oder, je nach Verfahrensweg, einem staatlichen Gericht.
Nach deutschem Recht stellen die am 18. Juni 2012 übermittelten Dokumente kaufmännische Bestätigungsschreiben der Beklagten dar, denen die Klägerin als Empfängerin nicht unverzüglich widersprochen hat.
Dass es sich bei den Dokumenten um Bestätigungen auf der Basis entsprechender, vorhergehender Verhandlungen zwischen Herrn V. und der Klägerin handelt, wird durch die im Text unstreitige Mail von Herrn V. vom 18. Juni 2012 nach Überzeugung des Schiedsgerichts eindeutig zum Ausdruck gebracht. Auch der Vortrag der Klägerin über das den Bestätigungsschreiben vorhergehende Gespräch mit Herrn V. im Juni 2012 unterstützt diese Bewertung nach Überzeugung des Schiedsgerichts in schlüssiger Weise.
Die Beklagte wendet ein, dass die von der Klägerin vorgelegten Dokumente erst am 14. November 2012 von ihr gegengezeichnet und an die Beklagte zurückgesendet worden seien. Dies wurde von der Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 bestätigt. Die Klägervertreterin begründete diesen Umstand damit, dass es in der langjährigen Vertragsdurchführung zwischen den Parteien üblich gewesen sei, einseitig gezeichnete Kontrakte erst später im zeitlichen Umfeld der Verschiffung gegenzuzeichnen und zurückzusenden.
Dass in den Dokumenten die Bitte um Rücksendung einer gegengezeichneten Ausfertigung enthalten war, bringt nach der deutschen Rechtsprechung keineswegs zwangsläufig oder auch nur regelmäßig zum Ausdruck, dass der Inhalt des Schreibens nur dann verbindlich ist, wenn die Gegenbestätigung erfolgt; vielmehr kommt es auf den Einzelfall an (BGH NJW-RR 2007, 325, 330 [27]).
Es ist nicht ersichtlich, dass hier der Inhalt der Schreiben mit der Gegenzeichnung stehen oder fallen sollte. Vielmehr ist die von der Klägerin angeführte Vorgehensweise, Kontrakte erst zu einem späteren Zeitpunkt und nur zu Dokumentationszwecken gegengezeichnet zurückzusenden, in der Kaffeebranche nach Kenntnis des Schiedsgerichts nicht ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass die Dokumente keinen Zusatz enthalten, wonach die Rücksendung einer gegengezeichneten Ausfertigung sofort oder baldmöglichst erfolgen soll. Auch dies zeigt, dass die Rücksendung aus Sicht der Beklagten eher von untergeordneter Wichtigkeit für das Zustandekommen der Vereinbarung war.
Auch die besonderen Formerfordernisse einer Schiedsvereinbarung gemäß § 1031 der deutschen Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO) stehen nicht entgegen.
Die Formvorschrift des §§ 1031 Abs. 2 ZPO ist erfüllt, da die Klägerin den die Schiedsabrede umfassenden Bestätigungsschreiben nicht widersprochen hat.         
Die 90-Tage-Frist des Art. 24 b (ii) ECC wurde eingehalten. Die Schiedsklage vom 21. Februar 2013 ist der Geschäftsstelle des Schiedsgerichts am 28. Februar 2013 zugegangen. Die Frist begann mit dem Datum der E-Mail der Klägerin vom 14. Februar 2013 (Anlage 50) zu laufen. Darin befand sich im letzten Absatz die für den Fristbeginn relevante Ankündigung der Einleitung des Schiedsverfahrens.
Unschädlich ist dabei, dass das ECF-Komitee mit E-Mail der Klägerin vom 4. Januar 2013 bereits vor der Ankündigung des Schiedsverfahrens durch die Klägerin gegenüber der Beklagten um Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gebeten wurde. Denn der ECC sieht hierfür keinen bestimmten Zeitpunkt vor.
II.
Die Klage ist in der Hauptforderung begründet.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf fünf Kontrakte, die in Dokumenten mit den Nummern CO-6030, CO-6031, CO-6032, CO-6033 und CO-6034, alle datierend vom 15. Juni 2012, dokumentiert sind. Die Beklagte bestreitet die Gültigkeit dieser Kontrakte unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die Dokumente, auf die sich die Klägerin stützt, wurden dem Schiedsgericht von beiden Parteien vorgelegt (Anlage 26 und Anlage D-6). Zu dem einzigen Unterschied in den präsentierten Dokumentensätzen beider Parteien, der Unterschrift für die Klägerin, hat sich die Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 hinreichend erklärt, s.o.
Die Dokumente stützen den Anspruch der Klägerin in schlüssiger und hinreichender Weise. Insbesondere enthalten sie eine dem Vortrag der Klägerin entsprechende Festpreisklausel. Damit trifft die Beweislast für alle Umstände, die die Glaubwürdigkeit dieser Dokumente erschüttern, im vollen Umfang die Beklagte. Offensichtliche Umstände wie etwa eine erkennbare Urkundenfälschung sieht das Schiedsgericht nicht. Es gelingt der Beklagten nach Überzeugung des Schiedsgerichts auch nicht, hinreichende Beweise für eine Unglaubwürdigkeit der Dokumente vorzubringen.
Die Beklagte trägt zunächst in Ziffer 62 der Klagerwiderung einige Aspekte vor, die belegen sollen, dass der Vortrag der Klägerin, wonach die vom 15. Juni 2012 datierenden Dokumente auf Vereinbarungen im Mai und August 2011 beruhen, unglaubwürdig sei.
Dies ist nach Überzeugung des Schiedsgerichts nicht der Fall.
Das Kontraktdokument CO-6030 betrifft eine Lieferung von 550 70-kg Säcken Arabica Supremo 17-18 zu 320 US-Cent pro lb. Die Klägerin belegt, dass in einer AOL-Kommunikation am 2. Mai 2011 Kaffee in dieser Qualität zu diesem Preis von Herrn V. geordert wurde und trägt im weiteren schlüssig vor, wie sich die Abwicklung bis zu einem Punkt dargestellt hat, an dem 550 70-kg Säcke daraus nicht abgenommen wurden. Der Vortrag der Klägerin ist auch glaubwürdig, da Herr V. am 27. Februar 2012 bestätigt hat, dass zu diesem Zeitpunkt die Abnahme von Kaffee in dieser Menge und Qualität zum Preis von 320 US-Cent pro lb offen stand.
Die Kontraktdokumente CO-6031 bis 6034 betreffen Lieferungen bestehend aus 1.670 70-kg Säcken Arabica Supremo 18 (CO-6031, -6032 und -6034) sowie 1.425 70-kg Säcken Arabica Excelso, alle zu 301 US-Cent pro lb. Die Klägerin belegt, dass in einer AOL-Kommunikation am 25. August 2011 Kaffee in dieser Qualität zu diesem Preis von Herrn V. geordert wurde und trägt im weiteren schlüssig vor, wie sich die Abwicklung bis zu einem Punkt dargestellt hat, an dem insgesamt 1.670 plus 1.425 70-kg Säcke daraus nicht abgenommen wurden. Der Vortrag der Klägerin ist auch glaubwürdig, da Herr V. am 27. Februar 2012 bestätigt hat, dass zu diesem Zeitpunkt die Abnahme von Kaffee in dieser Menge und Qualität zum Preis von 301 US-Cent pro lb offen stand. Herr V. weist hier auch die Untermengen aus, die später in den Kontrakten dokumentiert wurden (570, 275 und 825 70-kg Säcke Supremo, 1.425 70-kg Säcke UGQ, entsprechend Excelso). Dass Herr V. sich auf die Qualität „SUP 17 / 18“ bezieht und dass in den betreffenden Dokumenten nur die Qualität Supremo 18 erwähnt wird, ist nach Auffassung des Schiedsgerichts eine unerhebliche Abweichung in der Nomenklatur, da jedenfalls Mengen und Preis übereinstimmen.
Der Preis von 320 US-Cent per lb FOB für die 550 Sack Supremo Kaffee entsprach einem Differential von „plus 12,20 cents“ gegenüber dem New York Kaffeebörsen-Schluss am 2. Mai 2011 (307,80) für Lieferung September 2011. Der Preis von 301 US-Cent per lb FOB entsprach einem Differential von „plus 24,85 cents“ für den New Yorker Kaffeebörsen-Schluss am 25. August 2011 (278,15) für Lieferung März 2012. Damit entsprachen die gehandelten Preise zum Zeitpunkt der Bestellungen durch Herrn V. nachweislich dem Marktpreis für diese Qualitäten.
Die Beklagte weist darauf hin, dass in den Kontraktdokumenten der Kaffee u.a. mit „Crop 2012“ beschrieben wird. Außerdem weiche auch der Verschiffungszeitraum November / Dezember 2012 von den 2011 getroffenen Vereinbarungen ab. Daher könne es sich nicht um Kaffee handeln, der 2011 verkauft worden sei. Die Klägerin behauptet und belegt durch umfangreiche E-Mail und AOL-Kommunikation, dass die ursprünglich 2011 von Herrn V. georderten Mengen nicht abgenommen wurden und dass eine ständige, einvernehmliche Prolongation stattgefunden habe, bis man schließlich im Juni 2012 die endgültigen Dokumente mit endgültigem Verschiffungszeitraum Ende 2012 erhalten habe. Dieses rollierende Verfahren sei auch ständig in der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien und in der Vergangenheit zur allseitigen Zufriedenheit und in gegenseitigem Vertrauen praktiziert worden. Das Schiedsgericht hält diese Darstellung der Klägerin für glaubhaft. Ein einvernehmlich flexibler Umgang mit Verschiffungszeiträumen ist im internationalen Kaffeehandel bei ständigen, guten Geschäftsbeziehungen sinnvoll und üblich. Der ECC schließt einvernehmliche Anpassungen der Konditionen durch die Vertragsparteien nicht aus und enthält auch keine zwingenden Formvorschriften dafür. Dass unter diesen Voraussetzungen bei einem einvernehmlich von ursprünglich Mitte bis Ende 2011 auf Ende 2012 verlagerten Verschiffungszeitraum kein Kaffee mehr aus der Ernte 2011 geliefert werden konnte, erklärt sich aus Qualitätsgründen. Es ist angesichts des gesamten Handelsvolumens der Klägerin plausibel, dass sie 2011 eingekauften Kaffee für andere Geschäfte einsetzen konnte, um sich für die Erfüllung dieser Kontrakte mit neuer Ware aus der Ernte 2012 einzudecken. Dies ist im internationalen Kaffeehandel auch nicht ungewöhnlich. Ob und in welchem Umfang sich die Klägerin tatsächlich mit Kaffee der Jahrgänge 2011 und 2012 eingedeckt hat, kann insgesamt dahingestellt bleiben. Denn die Klägerin berechnet ihre Ersatzforderung auf abstrakter Basis.
Die Beklagte rügt, dass die Kontraktdokumente mit Datum und laufender Nummer im Juni 2012 zu verorten seien und sich daher nicht auf Vereinbarungen aus 2011 beziehen können. Das Schiedsgericht teilt diese Auffassung nicht und folgt aus den bereits geschilderten Gründen der Darstellung der Klägerin. Danach dokumentieren die Kontrakte die 2011 getroffenen Vereinbarungen in der Form, die diese durch mehrfache Prolongation 2012 einvernehmlich erhalten haben.
Die Beklagte rügt ferner, dass die Klägerin 2011 keine der nach dem ECC vorgesehenen Schritte ergriffen habe, um ihre Rechte aus den Vereinbarungen vom Mai und August 2011 durchzusetzen. Das Schiedsgericht folgt insoweit der Darstellung der Klägerin, wonach man sich mit Herrn V. in einem ständigen, einvernehmlichen Prolongationsprozess befunden habe und daher keine derartigen Schritte erforderlich gewesen seien.
Schließlich betont die Beklagte, dass die Art der Führung der Geschäftsbeziehung durch Herrn V. nicht den üblichen Standards der Beklagten entsprochen habe. Insbesondere sei eine Kommunikation über AOL Instant Messenger nicht zulässig. Auch würde es bei korrekter Verwendung des elektronischen Dokumentationssystems der Beklagten keine Möglichkeit geben, eine derartig unkontrollierte Vertragsabwicklung wie durch Herrn V. geschehen vorzunehmen.
Diese internen Vorschriften und Kontrollmechanismen der Klägerin sind jedoch für die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht relevant und müssen durch das Schiedsgericht nicht im Einzelnen bewertet werden. Denn die Beklagte trägt nicht vor, dass diese Interna der Klägerin bekannt waren oder bekannt hätten sein müssen. Daher muss sich die Klägerin nur die Regeln des ECC und allgemein übliche Usancen des internationalen Kaffeehandels zu ihren Lasten entgegen halten lassen. Artikel 27 ECC 2002 sieht in der ab 1. September 2007 geltenden Fassung sehr flexible Formen der Geschäftsdokumentation vor. Insbesondere zeigt Absatz b dieser Vorschrift, dass im Zweifel die Angemessenheit und Wirksamkeit von Kommunikationsmethoden durch das Schiedsgericht im Einzelfall zu beurteilen ist. Die Verwendung des AOL Instant Messenger Systems ist im internationalen Kaffeehandel üblich und gilt als zuverlässig. Gleiches gilt für die Kommunikation per E-Mail. Die Umgehung interner Kontrollmechanismen der Beklagten durch Herrn V. muss sich die Klägerin nicht entgegen halten lassen. Denn Herr V. trat stets als autorisierter Vertreter der Beklagten auf. Erst mit Brief vom 30. November 2012 (Anlage 39) widerrief die Beklagte gegenüber der Klägerin die Vertretungsmacht von Herrn V.. Bis zu diesem Zeitpunkt gehen alle für die Klägerin nicht erkennbaren Verstöße von Herrn V. gegen interne Regeln der Beklagten zu Lasten der Beklagten, da es sich um deren Verantwortungsbereich handelte. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass sich in dem elektronischen Dokumentationssystem der Beklagten Dokumente ähnlich den Kontraktdokumenten finden, die eine andere Preisklausel enthalten. Dies mag durch Herrn V. zur internen Vortäuschung eines entsprechenden Abschlusses geschehen sein, muss aber durch das Schiedsgericht nicht beurteilt werden.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Klägerin aufgrund der hohen Differenz der Kontraktpreise zum Marktpreis im Juni 2012 hätte misstrauisch werden müssen und daher verpflichtet gewesen wäre, von sich aus über Herrn V. hinaus weitere Autoritätspersonen bei der Beklagten zu kontaktieren. Das Schiedsgericht folgt dieser Auffassung nicht. Denn aus Sicht der Klägerin ging es nicht um den Abschluss neuer Geschäfte, sondern um die einvernehmliche Abwicklung von bestehenden Vereinbarungen aus dem Mai und August 2011. Die langfristige Prolongation der Lieferung wurde ausschließlich seitens der Beklagten gewünscht. Der Preis wurde dabei niemals nachverhandelt. Die Klägerin durfte sich also aufgrund der langen, vertrauensvollen und bis dahin auch allseits zufriedenstellenden Geschäftsbeziehung darauf verlassen, dass Herr V. zu der ursprünglichen Preisvereinbarung stehen wollte und eventuelle Risiken oder gar Nachteile für seinen Geschäftsherrn intern kommunizieren und autorisieren lassen würde.
Schließlich deutet die Klägerin an, dass es ein kollusives Zusammenwirken von Herrn V. und …, Geschäftsführer der Klägerin, zu Lasten der Beklagten gegeben habe. Für diesen auch möglicherweise strafrechtlich relevanten Vorwurf bietet die Beklagte jedoch lediglich einige Indizien an, die das Schiedsgericht nicht zu überzeugen vermögen. Es werden auch keine ermittlungsbehördlichen Vernehmungsprotokolle mit Aussagen von Herrn V. vorgelegt oder strafprozessuale Maßnahmen erwähnt, die die Wahrscheinlichkeit einschlägiger Delikte untermauern.
Die Klägerin kann von der Beklagten nach alledem gemäß Art. 23 (a) ECC Schadensersatz verlangen, weil die Beklagte sich "in default" befand.
Die Klägerin hatte aufgrund der wirksamen Kontrakte einen Anspruch gegen die Beklagte, zwischen dem 1. November und 31. Dezember 2012 verbindliche Verschiffungsanweisungen im Sinne des Art. 13 ECC zu bekommen. Nach kontroverser Kommunikation forderte die Klägerin die Beklagte mit E-Mail vom 18. Dezember 2012 zu einer Erklärung auf, ob die Beklagte die Kontrakte anerkennen werde. Die Beklagte verneinte dies mit E-Mail vom 27. Dezember 2012, und bot lediglich in ganz allgemeiner Form weitere Verhandlungen an.
Daraufhin ergaben sich weitere Verhandlungen, die durch die Klägerin mit E-Mail vom 14. Februar 2013 für endgültig gescheitert erklärt wurden. Die Klägerin kündigte darin die Einleitung des Schiedsverfahrens im Sinne von Art. 24 a (ii) ECC an.
Die Klägerin hat also die Beklagte zu keinem Zeitpunkt gemäß Art. 13d ECC formell „in default“ gesetzt. Die E-Mail der Klägerin vom 18. Dezember 2012 war dafür vom Zeitpunkt her nicht geeignet, da die Verschiffungsperiode noch nicht verstrichen war. Eine spätere Erklärung im Sinne des § 13d ECC mit einer Nachfristsetzung von 3 Werktagen liegt dem Schiedsgericht nicht vor.
Die Beklagte hat jedoch spätestens mit ihrer E-Mail vom 14. Februar 2013 in Reaktion auf die E-Mail der Klägerin vom selben Tage ernsthaft und endgültig ihre vertragsgemäße Mitwirkung verweigert.
Das Verfahren unterliegt deutschem Recht. Die Vorschriften des deutschen Zivil- und Handelsrechts sind daher ergänzend zu den Regelungen des ECC anzuwenden. Der ECC ist nicht so auszulegen, dass eine Partei ausschließlich auf dem Weg des § 13d ECC „in default“ gesetzt werden kann. Denn die Regelung des Art.23 ECC ist das funktionale Äquivalent zu §§ 323 / 325 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der vertragstreue Partner kann sich auf diese Weise von der Leistungspflicht befreien („discharge of the contract“) und statt des Kaufpreises Schadensersatz (with or without damages“) verlangen. § 13d ECC ersetzt im Rahmen des Schadensersatzrechts lediglich die Nachfristregelung des § 323 Absatz 1 BGB. Es ist hingegen aus dem Gesamtzusammenhang des ECC und nach den Gepflogenheiten des internationalen Kaffeehandels nicht erkennbar, dass auch für den Fall einer eindeutigen Vertragsaufkündigung  dem anderen Partner zugemutet werden soll, vollkommen sinnlos eine Nachfrist zu setzen. Der internationale Kaffeehandel legt vielmehr großen Wert auf möglichst schnelle Prozeduren, sodass mit dem Gedanken des § 323 Absatz 2 Satz 1 BGB im Falle der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Mitwirkung der vertragstreue Partner jederzeit den „default“ der Gegenseite erklären kann.
Für diese außerordentliche „default“-Erklärung gibt es im ECC keine besonderen Regelungen oder Ausschlussfristen. Die Klägerin hat erstmals in der Schiedsklage vom 21. Februar 2013 eindeutig erklärt, dass sie die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch nehmen möchte. Dies ist vom Grunde her zulässig und kann allenfalls Auswirkungen auf die Berechtigung der Zinsforderung  haben, siehe dazu unten.
Der Schadensersatzanspruch besteht also dem Grunde nach.
Er ist auch in der Höhe von … USD gerechtfertigt. Die Klägerin verlangt als Schadensersatz die Differenz zwischen dem Marktpreis im Zeitpunkt der Einreichung der Schiedsklage und dem wesentlich höheren Vertragspreis aus den fünf Kontrakten.
Der ECC enthält keine differenzierten Regeln zur Berechnung der Schadenshöhe. § 23 b ECC regelt lediglich: „The defaulting party shall pay on demand any damages. Consequential damages are excluded. … “ Daher gilt hier ergänzend das deutsche Zivil- und Handelsrecht. In § 252 Satz 2 BGB ist eine abstrakte Schadensberechnung vorgesehen. Danach kann im Handelsverkehr als abstrakt berechneter Schaden die Differenz zwischen Marktpreis und Vertragspreis gefordert werden, BGH NJW 88, 2236 und NJW-RR 01, 985, näher im Detail Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 252 Rz. 6.
Die Schadensberechnung ist arithmetisch korrekt. Die von der Klägerin zum Vergleich herangezogenen Marktpreise sind für des Schiedsgerichts nach eigener Recherche der einschlägigen Preisinformationsquellen (u.a. New Yorker Kaffeebörse) ebenfalls als zutreffend anzusehen.
Hinsichtlich der Zinsforderung für die Zeit ab dem 31. Dezember 2012 bis zum 21. Februar 2013 ist die Klage hingegen unbegründet. Denn die Klägerin hat die Beklagte erst mit der Klageschrift „in default“ gesetzt.
Zinsen für den Zeitraum nach dem Datum der Klageschrift hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
III.
Die Entscheidung über die Schiedsgerichtskosten beruht auf § 15 SO in Verbindung mit dem Rechtsgrundsatz des § 91 ZPO ("the costs follow the event"). Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie abgesehen von der untergeordneten Nebenforderung auf Verzugszinsen unterlegen ist.
Zur Berechnung der Kosten hat das Schiedsgericht den in der mündlichen Verhandlung fest­gesetzten Streitwert des Verfahrens in Höhe von … Euro zugrunde gelegt (… USD umgerechnet zum Interbankenkurs vom Tag des Klageeingangs am 27. Februar 2013). Gemäß § 15 Absatz 1 a, 2 und 3 SO betragen die Verfahrenskosten demnach … Euro. Diese setzen sich zusammen aus den in § 15 Absatz 2 und 3 SO vorgesehenen Positionen in Höhe von … Euro sowie den gemäß § 15 Absatz 1a SO zu erstattenden sonstigen Kosten, hier für Kurierzustellungen, in Höhe von … Euro. Die Abrechnung der von der Klägerin gestellten Sicherheitsleistung erfolgt separat über die Geschäftsstelle. Das Schiedsgericht wird die Verfahrenskosten aus dieser Sicherheitsleistung begleichen. Die Klägerin kann diese Beträge im Wege der Vollstreckung aus Ziffer 3 des Schiedsspruchs von der Beklagten erhalten.
01.04.2014
Recht und Steuern

A 6 Nr. 64

A 6 Nr. 64 §§ 767, 1059, 1060 ZPO – Zulässigkeit sachlich-rechtlicher Einwendungen  über die gesetzlichen Aufhebungsgründe für Schiedssprüche hinaus – gegen die Erstattung von Anwalts- und Schiedsrichterhonoraren im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs
1. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren können – über die gesetzlichen Aufhebungsgründe für inländische Schiedssprüche (§ 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO) hinaus – sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den in einem Schiedsspruch festgestellten Anspruch auf Erstattung von Anwalts- und Schiedsrichterhonoraren geltend gemacht werden, falls entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO  die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, nach dem Schiedsverfahren entstanden sind. Dabei kommt es nur darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt die objektiven Voraussetzungen für die Einwendungen vorgelegen haben, nicht dagegen darauf, ob diese dem Schuldner bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.
2. Die Rechtsprechung zur staatlichen Kostenfestsetzung nach 103 ff. ZPO, bestimmte materiell-rechtliche Einwendungen seien dem Verfahren der Vollstreckungsgegenklage vorbehalten, ist auf das Schiedsverfahren nicht übertragbar. Vielmehr ist i.d.R. das Schiedsgericht selbst umfassend zuständig.
BGH Beschl.v. 18.12.2013 – III ZB 92/12 WM 2014, 316 = MDR 2014, 364 = RKS A 6 Nr.64
Gründe siehe  RKS A 4 a Nr. 148
2.4.2014
Recht und Steuern

A 4a Nr. 149

A 4 a Nr. 149 §1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO  - Ablehnung der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nur bei Verstoß gegen ordre public
1. Die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs verstößt nur in extremen Ausnahmefällen, d.h. dann gegen die öffentliche Ordnung (den ordre public), wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts „offensichtlich“ unvereinbar ist.
2. Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung. Eklatante Verstöße gegen die materielle Gerechtigkeit und ein Widerspruch selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts genügen nicht.
BGH Beschl.v. 28.1.2014 – III ZB 40/13 ZIP 2014 S. 595 RKS A 4 a Nr. 149
Aus den Gründen:
1. Nach den älteren, noch zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. vom 12.9.1950 (BGBl. 533) ergangenen Entscheidungen (… u.a. BGH 25.10.1966 KZR 7/65  BGHZ 46, 365, 367 f. = RKS A 4 a Nr. 6) konnte die Aufhebung beantragt werden, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde“. Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer „offensichtlichen“ Unvereinbarkeit nicht problematisiert; vielmehr hieß es im Urteil vom 25.10.1966 (BGHZ 46, 365, 370 = HSG/RKS A 4 a Nr. 6): „Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung … auch von anderen geteilt wird und deshalb zumindest ‚vertretbar‘ erscheint, ist unerheblich“. Geprüft wurde nur, was zu den „guten Sitten“ bzw. zur „öffentlichen Ordnung“ gehört.
Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl. I 1142) wurden dann allerdings u.a. § 1041 Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dahin geändert, dass die Aufhebung eines (inländischen) Schiedsspruchs bzw. die Versagung der Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs nur auszusprechen ist, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist“. Parallel zur Änderung im Schiedsrecht wurde der ordre-public-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB zur Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates und in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die Vorbehaltsklausel der „Kernbestand“ der inländischen Rechtsordnung  geschützt werden, wobei in Anlehnung an die neuere völkervertragliche Praxis, insbesondere an Art. 16 des EG-Schuldvertragsübereinkommens vom 19.6.1980, der Vorbehalt des ordre public durch den Zusatz „offensichtlich unvereinbar“ bewusst eng und damit einschränkend formuliert wurde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 222/83 S. 42f., 88f., 92).
Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung (vgl. nur Urt.v.12.7.1990 – III ZR 174/89 NJW 1990,3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30) darauf abgestellt, ob der Schiedsspruch „offensichtlich“  eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ob er „offensichtlich“ zu den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht.  Hierbei hat der Senat betont, dass eine bloße Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden sollte, für einen solchen Verstoß nicht ausreicht. Der Schiedsspruch ist nicht in allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt bzw. ein eklatanter Verstoß gegen die materielle Gerechtigkeit vorliegt.
Hintergrund des „Offensichtlichkeitskriteriums“ ist dabei letztlich das Verbot der révision au fond, d.h. das Verbot, eine ausländische Entscheidung oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Der EuGH (vgl. Urt.v. 28.3.2000 ZIP 2000, 859 mit Anm. Geimer S. 863 = NJW 2000, 1853 Rz. 37, dazu EWiR 2000, 441 [Hau] und Urt.v. 11.5.2000 NJW 2000, 2185 Rz. 30, dazu EWiR 2000, 627 [Geimer]; jeweils zum entsprechenden ordre-public-Vorbehalt nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ, der  -- anders als jetzt Art. 34 Nr. 1 EuGVVO -- das Wort „offensichtlich“  nicht enthielt) hat diesen Zusammenhang wie folgt umschrieben: „Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.“  
Im Zuge des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBL. I 3224) ist dann allerdings der inländische Ordre public in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO neu gefasst worden. Die Bestimmung lautet nunmehr, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann, wenn das Gericht feststellt, dass „ die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht“. Das Kriterium der Offenkundigkeit ist im Text nicht mehr ausdrücklich angesprochen. Aus der Entstehungsgeschichte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5274 S.59) ergibt sich allerdings nichts dafür, dass der Gesetzgeber – zudem nur für das Schiedsverfahren und nicht im Anwendungsbereich der unverändert gebliebenen Art. 6 EGBGB, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO – insoweit an der bisherigen Rechtslage etwas ändern wollte. Vielmehr hatte die Änderung sprachliche Gründe (BT-Drucks. 13/5274 S. 59); eine Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs sollte jedoch wie nach bisherigem Recht weiter ausgeschlossen bleiben (BT-Drucks, 13/5274 S. 58f.). Ein anderes Verständnis der Norm würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ bzw. „als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken (BT-Drucks. 13/5274 S. 1, 34).
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat (vgl. Beschl.v. 30.10.2008 – III ZB 17/08 WM 2009, 573, 574 = RKS A 4 a Nr. 110) ausdrücklich festgestellt, dass auch nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes die Aufhebung eines Schiedsspruchs voraussetzt, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public darstellt.
Hieran hält der Senat weiter fest. Insoweit ist ergänzend auch anzumerken, dass das Offensichtlichkeitskriterium inzwischen durchgängig in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt verwandt wird (vgl. neben Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nur Art. 22 a, Art. 23 a EuEheVO, Art. 24 a  EuUnterhVO, Art. 40 a EuErbRVO zur Anerkennung von Entscheidungen sowie Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 12 Rom III-VO, Art. 13 HUntProt, Art. 35 EuErbVO zur Anwendung ausländischen Rechts; s auch § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).        
2.4.2014
Recht und Steuern

A 3 Nr. 42

A 3 Nr. 42 Art. 267 AEUV: Vorabentscheidungsersuchen eines Schiedsgerichts an EuGH?
Ein vertragliches Schiedsgericht ist grundsätzlich kein ‚Gericht eines Mitgliedstaates‘ i.S.v. Art. 267 AEUV. Jedoch kann ein Schiedsgericht, das nicht auf dem Willen der Parteien, sondern - wie das portugiesische Tribunal Arbitral necessário – auf einem Gesetz beruht, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen. Denn der Schiedsspruch hat die gleichen Wirkungen wie Entscheidungen der ordentlichen Gerichte. Die Schiedsrichter müssen genau so unabhängig und unparteilich sein wie die Richter der ordentlichen Gerichte. Darüber hinaus beachtet das Tribunal Arbitral die Grundsätze der Gleichbehandlung und des kontradiktorischen Verfahrens. Es ist auf einer gesetzlichen Grundlage errichtet, verfügt über eine dauerhafte zwingende Zuständigkeit, und das anzuwendende Verfahren wird durch die nationale Gesetzgebung festgelegt. Daher hat das Tribunal Arbitral necessário auch ständigen Charakter.
EuGH Beschl.v. 13.2.2014 - Rs C-555/13  ZIP 2014 Seite A 19 = NZG 7/2014  Seite V = RKS A 3 Nr. 42
Vgl. BGH 28.1.2014 ZIP 2014, 595 = RKS A 4 a Nr. 149 zu § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO:
Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers stärkt das  Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz  vom 22.12.1997 (BGBl. I  3224) die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ bzw. als „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ (BT-Drucks. 13/5274 S. 1, 34, 57, 58).
1.4.2014
Recht und Steuern

K 3 Nr. 1

K 3 Nr. 1 Art. 27 ECC – Moderne Dokumentation und Kommunikation im europäischen Kaffeehandel: AOL und E-mail
Die Klägerin muss sich nur die Regeln des ECC und allgemein übliche Usancen des internationalen Kaffeehandels zu ihren Lasten entgegenhalten lassen. Art. 27 ECC 2002 sieht in der ab 1. September 2007 geltenden Fassung sehr flexible Formen der Geschäftsdokumentation vor. Insbesondere zeigt Absatz b dieser Vorschrift, dass im Zweifel die Angemessenheit und Wirksamkeit von Kommunikationsmethoden durch das Schiedsgericht im Einzelfall zu beurteilen ist. Die Verwendung des AOL Instant Messenger Systems ist im internationalen Kaffeehandel üblich und gilt als zuverlässig. Gleiches gilt für die Kommunikation per E-Mail.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg Schiedsspruch vom 10.10.2013 (Az. GIX/2/Sch/2213) RKS  K 3 Nr. 1
Sachverhalt und Gründe siehe RKS D 1 a Nr. 2
Article 27 ECC – Notices
(a) Notices to be given under the contract shall be given only by one or more of the following methods:
(i) Facsimile
(ii) E-mail,
(iii) eCops,
(iv) any other method of written electronic communication provides that record of the notice is capable of being preserved by both parties and printed by both parties and that such method of communication has been expressly agreed in writing.
(b) If there is a dispute as to whether or not a notice was given in accordance with this Article 27 such dispute shall be determined in all the circumstances of the case and on the balance of probabilities.
01.04.2014
Recht und Steuern

E 5c Nr. 4

E 5 c Nr. 4  §§ 13 d, 23(a) ECC, §§ 323 – 325 BGB – Internationaler Kaffeehandel: Nachfristsetzung trotz endgültiger Weigerung des Vertragspartners?
§ 13d ECC ersetzt im Rahmen des Schadensersatzrechts lediglich die Nachfristregelung des § 323 Absatz 1 BGB. Es ist hingegen aus dem Gesamtzusammenhang des ECC und nach den Gepflogenheiten des internationalen Kaffeehandels nicht erkennbar, dass auch für den Fall einer eindeutigen Vertragsaufkündigung  dem anderen Partner zugemutet werden soll, vollkommen sinnlos eine Nachfrist zu setzen. Der internationale Kaffeehandel legt vielmehr großen Wert auf möglichst schnelle Prozeduren, sodass mit dem Gedanken des § 323 Absatz 2 Satz 1 BGB im Falle der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Mitwirkung der vertragstreue Partner jederzeit den „default“ der Gegenseite erklären kann.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg Schiedsspruch vom 10.10.2013 (Az. GIX/2/Sch/2213) RKS E 5 c Nr. 4
Sachverhalt und Gründe siehe RKS D 1 a Nr. 2  
Recht und Steuern

D 1a Nr. 1

D 1 a Nr. 1 Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom  I VO“) Amtsblatt L 177/6 vom 4.7.2008; § 25 a ECC – Anzuwendendes Recht bei grenzüberschreitenden Handelsverträgen
Gemäß Art. 10 Abs.1 Rom I VO, die für Schuldverhältnisse in Handelssachen mit einer Verbindung zum Recht verschiedener Staaten gilt, beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags (oder einer seiner Bestimmungen) nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2e, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 Rom I VO).
Haben die Parteien ein Schiedsgericht vereinbart, so haben sie damit eine Rechtswahl in dem Sinne getroffen, dass im Streitfall das Recht desjenigen Landes maßgeblich ist, in welchem das Schiedsverfahren durchzuführen ist. Das ist Deutschland, wenn der Vertrag auf des Basis des Europäischen Kaffee-Kontrakts (ECC) geschlossen ist und damit das Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg vereinbart ist.
Zwar sind Schiedsvereinbarungen als solche gem. Art. 1 Abs. 2 e Rom I VO ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser VO ausgenommen. Aber als Schiedsklausel in einem Hauptvertrag, z.B. einem Kaufvertrag, folgen sie als eine seiner Bestimmungen dem Statut des Hauptvertrages.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg Schiedsspruch vom 2.8.2013 (Az: GIX/2/Sch/2113) RKS D 1 a Nr. 1   
Aus dem Sachverhalt:
Die Schiedsklägerin (im Weiteren: Klägerin) fordert von der Schiedsbeklagten (im Weiteren: Beklagte) die Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung von zwei Kaufverträgen, deren Zustandekommen die Beklagte bestreitet.
Die Parteien sind beide Kaffeehändler. Ihren Sitz hat die Klägerin in …, die Beklagte in ... Die Klägerin verfügt in … über ein als Broker tätiges Tochterunternehmen, die …. .
Die Klägerin kaufte von der Beklagten durch Vermittlung von … und des weiteren Brokers … Kaffee.
Gemäß Kaufbestätigung von … Nr. P004926 vom 29.9.2010 waren 1100 Säcke je 69 kg Nicaragua Arabica Kaffee, „strictly high grown, max. 8 defects, European preparation“ im Dezember 2010 zu verschiffen. Die Destination lautete: "Worldwide Open". Der Kaufpreis betrug US-Dollar 1.9080 per lb., Free Carrier at Origin. Dem Vertrag lagen die Bedingungen der Green Coffee Association (GCA) zu Grunde.
Hinsichtlich weiterer Lieferungen im Januar und Februar 2011 besteht zwischen den Parteien Streit.
Jedenfalls sandte … mit E-Mail vom 30.9.2010 an … die Kaufbestätigung für diese Dezember-Verschiffung und teilte mit, dass sie die Januar- und Februar-Verschiffungen auf die Klägerin übertragen hätten; von dort werde die entsprechende Kaufbestätigung kommen. Anschließend schrieb … ebenfalls am 30. September an die Beklagte:
"Here is a business confirmation from …. You will notice that they represent their parent company in … . … plans on taking the December shipment of 4 containers and ship them to USA. ... plans on shipping the Jan & Feb to Europe. This means that the Documents of December shipments would come here to ..., but the Jan & Feb docs would go to … . Does this present a problem for Nicaragua? They also want to choose the vessel. Is that a problem for you? If it is, please let me know right away. When I sold the coffee, these particulars were not discussed, and I don't perceive a problem. Yet, I want you to be aware of it and of course if you or Nicaragua have a problem with it, I can go back and tell what is acceptable or feasible from your side. Just give me a call or email to confirm this."
Später an diesem Tag sandte … an die Beklagte zwei mit "confirmation of purchase" überschriebene Schreiben der Klägerin vom 29.9.2010 mit den Nummern P46739 und P46740 über den Kauf von Kaffee zur Verschiffung von jeweils 1100 Säcken im Januar 2011 (P46739) und Februar 2011 (P 46740). Qualität und Kaufpreis deckten sich mit der im Dezember zu verschiffenden Ware. Einleitend hieß es in den beiden Schreiben:
"We confirm having bought from you under the terms and conditions of the European Contract for Coffee [fortan: ECC] latest edition and according to the following particular conditions which override all others:"
Ferner lautete die Klausel "Arbitration: ….. Principal Deutscher Kaffee-Verband e.V., Hamburg, at Chamber of Commerce, Hamburg."
Abschließend hieß es: "Please return one copy duly signed and stamped.            accepted: ….."
Die Beklagte sandte keines der beiden Schreiben zurück.
Mit E-Mail vom 12.1.2011 teilte der Broker … dem Broker … zur Weiterleitung an die Klägerin mit:
"I spoke to … and he gave me the following update:     1. Two containers for December shipment. ….. 2. Two containers for December shipment. ….. 3. Four containers for Jan shipment, according to …, will go out fh    Feb shipment. ….. They designated a vessel for their Jan shipments and … is asking if the steamship company has an office in Nicaragua who they can contact for shipments going to Europe. They need to have the containers at the mill for transport to Pt Limon, CR."
Am 17.2.2011 informierte … die Klägerin wie folgt:
"As you may have been made aware by your affiliate company in …, the shipments coming from … have been slow in coming. He has & will be shipping two containers to … this coming weekend and has one more container to got to complete his December requirements to … .The owner/seller ..., …, will be travelling to Nicaragua next week in order to try to expedite more shipments from his partner in Jinotega. After the coffee is shipped this coming weekend to …, I am impressing upon him to start making the shipments that he owes you. I will have better picture next week and will relay any information that I may get from … to you."
Im Ergebnis lieferte die Beklagte auf den GCA-Vertrag (Dezember-Verschiffung) jeweils 275 Säcke am 16. Januar, 22. Februar und 5. April 2011; restliche 275 Säcke blieben unverschifft. Weitere Verschiffungen fanden nicht statt.
Am 9.5.2011 schrieb die Klägerin an den Lieferanten in Nicaragua und zugleich an die Beklagte:
"Dear …,
We have been trying to solve the matter with your non-fulfillment through the possibility to deliver the coffee to … warehouse from which you will receive the funds at time of delivery. Finally please let us know if that is possible. This is the only possibility, and we hope that you can comply with this. Otherwise we will have no other choice than to arbitrate and put you in defaults."
Der Lieferant antwortete darauf ebenfalls am 9.5.2011, dass die Klägerin tun könne, was ihr beliebe. Ohne Kaufpreiszahlungen gäbe es nichts weiter zu erörtern. Er, der Lieferant, werde den Kaufpreis einklagen.
Mit E-Mail vom 20. Mai 2011 setzte die Klägerin der Beklagten eine Nachfrist von drei Geschäftstagen zur Anzeige der Verschiffung mit folgender Begründung:
"Given the apparent impossibility to solve the problem amicably despite our willingness and efforts to be flexible and comprehensive, we have to hold you in defaults for non-fulfillment of pending contracts for January (P46739) and February (P46740) shipments as per the European Contract for Coffee. We have additionally in contact with your shipper, …, trying to find a solution without success. As no solution was found, we herewith give you 3 working days notice to furnish us with a contractual shipping advice, until Wednesday May 25th, 18.30 pm Europe time, 12.30 pm New York time, for the 2 contracts. Failing this, we will establish the amount of damages based on market exposure and price difference."
Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2011 berechnete die Klägerin der Beklagten ihren Schaden auf der Grundlage eines Marktpreises von US-$ … an diesem Tage und forderte die Zahlung von US-Dollar … . Die Beklagte zahlte nicht.
Danach fanden zwischen den Parteien keine Verhandlungen hinsichtlich der beiden ECC-Kontrakte mehr statt.
Am 3.1.2012 leitete die Beklagte dann gegen die Klägerin ein GCA-Schiedsgerichtsverfahren hinsichtlich des GCA-Kontrakts wegen des ausstehenden Kaufpreises für die gelieferten 825 Säcke Kaffee ein. Im Laufe jenes Schiedsgerichtsverfahrens rechnete die Klägerin mit ihrer behaupteten Schadensersatzforderung von US-Dollar … auf. Das GCA Schiedsgericht in N.Y. erklärte sich am 25.4.12 hinsichtlich der beiden ECC-Kontrakte (P46739 und P46740) für nicht zuständig, befasste sich dementsprechend nicht mit der Berechtigung der Aufrechnung und verurteilte die hiesige Klägerin zur Zahlung von US-Dollar … nebst Zinsen in Höhe der Primerate zzgl. 2 % seit 13.4.2011 an die hiesige Beklagte (jene Klägerin). In einem anschließenden Berufungsverfahren wurde dieser Schiedsspruch am 16.8.2012 bestätigt.
Im Herbst 2012 mahnte die Beklagte wiederholt eine Zahlung entsprechend dem GCA-Schiedsspruch an. Mit E-Mail vom 11. Dezember 2012 fragte die Klägerin dann die Beklagte, ob diese die Forderung von US-Dollar … aus den ECC-Verträgen P 46739/46740 akzeptiere und kündigte anderenfalls ein Schiedsgerichtsverfahren an. Die Beklagte lehnte diese Forderung mit E-Mail vom 17. Dezember 2012 ab. Daraufhin erhob die Klägerin die vorliegende Schiedsklage, welche am 7.1.2013 bei der Geschäftsstelle des Schiedsgerichts einging.
Die Klägerin trägt vor:
Die Parteien hätten einen Vertrag über insgesamt 3300 Säcke geschlossen. Dies ergebe sich aus der im Verfahren vorgelegten Korrespondenz sowie der schriftlichen Erklärung von … des Brokers … vom 22.5.2013.
Die Nichterfüllung der Beklagten sei einem Finanzierungsmangel zuzuschreiben. Da dem­entsprechend die Erfüllung eines der Klägerin günstigen Schiedsspruchs nicht zu erwarten gewesen sei, hätte die Klägerin vorerst kein Schiedsgerichtsverfahren gegen die Beklagte eingeleitet. Erst als die Beklagte die Vollstreckung des GCA-Schiedsspruches betrieben hätte, habe die Klägerin im Dezember 2012 wieder mit der Beklagten korrespondiert und sodann das Schiedsgerichtsverfahren begonnen.
Die Klägerin beziffert die Forderung der Beklagten aus dem GCA-Schiedsspruch per 17.12.2012 auf US-Dollar … (US-Dollar … zuzüglich Zinsen). Auf diesen Betrag beschränkt die Klägerin ihre Klage auf Schadensersatz, um gegen die Forderung der Beklagten aufrechnen zu können.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin US-Dollar … zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf US-Dollar … seit dem 17. Dezember 2012 im Zusammenhang mit den Kontrakten P 46739 und P 46740 zu zahlen; der Beklagten die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten auf­zuerlegen.
Sie rügt die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts und trägt dazu vor:
Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin im GCA-Schiedsgerichtsverfahren seien die beiden streitgegenständlichen ECC-Kontrakte nicht zu Stande gekommen. Die Klägerin habe dort vorgetragen, dass sie – nachdem sie Aufträge auf der Grundlage von GCA-Verträgen zur streitgegenständlichen Verschiffung von Kaffee erteilt gehabt habe – einseitig entschieden habe, die Destination des Kaffees nach Deutschland zu ändern. Sie habe daher vorgeschlagen, die GCA-Kontrakte in ECC-Kontrakte mit den neuen Nummern P46739 und P46740 zu ändern. Die Klägerin habe zugegeben, dass die Beklagte dem niemals zugestimmt habe. Die Klägerin habe in jenem Verfahren für diese Ver­schiffungen zwei unterschiedliche Sätze von Kontrakten (zum einen als GCA, zum anderen als ECC) vorgelegt. Diese beiden Geschäftsbedingungen wichen jedoch in mehrfacher Hinsicht, insbesondere des Ortes und der Regeln für Schiedsstreitigkeiten, voneinander ab.
Die Beklagte sei zwar willens und in der Lage gewesen, der Klägerin den gewünschten Kaffee zu liefern, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Klägerin den bereits gelieferten Kaffee bezahle. Aber die Beklagte habe nie ECC-Konditionen für diese weiteren Lieferungen zugestimmt.
Die Zahlung sei Voraussetzung gewesen, damit die Beklagte ihren Pflanzern in Nicaragua weitere Kaffeelieferungen habe bezahlen können. Die Beklagte habe die Klägerin wiederholt entsprechend gewarnt. Dies führe jedenfalls zum vollständigen Fortfall jeglicher Verantwortung der Beklagten.
Ferner hält die Beklagte die Klage für verspätet im Sinne von Art. 24 der ECC-Bedingungen; denn die Klage sei mehr als 18 Monate nach den Notifikationen der Klägerin an die Beklagte vom Mai und Juni 2011 eingereicht worden.
Die Beklagte bestreitet den Schaden auch der Höhe nach, da die Klägerin keine Unterlagen vorgelegt habe.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Klage und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Schiedsklägerin hat mit der Klageschrift vom 04. Januar 2013 ihren Schiedsrichter ernannt, die Schiedsbeklagte ist mit Schreiben vom 15. Januar 2013 aufgefordert worden, ihrerseits bis zum 12. Februar 2013 einen Schiedsrichter zu benennen. Dieses Schreiben ist ihr mit Kurier am 17. Januar 2013 zugestellt worden. Auf Antrag der Beklagten vom 4. Februar 2013 ist die Frist zur Benennung eines Schiedsrichters auf den 14. März 2013 verlängert worden. Die Beklagte hat keinen Schiedsrichter benannt. Daraufhin ist ein Zwangsschiedsrichter für die Beklagte ernannt worden. Dies ist der Beklagten mit Schreiben vom 15. März 2013 mitgeteilt worden. Die beiden Schiedsrichter haben sich am 25. März 2013 auf den Obmann geeinigt. Beiden Parteien ist die Konstituierung des Schiedsgerichts mit Schreiben vom 28. März 2013, der Klägerin zugestellt am 2. April 2013 und der Beklagten zugestellt am 5. April 2013, mitgeteilt worden.
Auf die Klageerwiderung vom 13. März 2013 ist der Klägerin mit Schreiben vom 21. März 2013, per Fax vorab zugegangen am selbigen Tage, Gelegenheit gegeben worden, auf die Klageerwiderung bis zum 19. April 2013 Stellung zu nehmen. Der Beklagten ist mit Schreiben vom 17. April 2013, per Email vorab zugegangen am 18. April 2013, Gelegenheit gegeben worden, auf die Replik vom 12. April 2013 bis zum 10. Mai 2013 Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 3. Mai 2013, der Beklagten zugegangen am 9. Mai 2013, sind die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2013 geladen worden. Mit Schreiben vom 13. Mai 2013 und vom 21. Mai 2013 ist der Klägerin bis zum 23. Mai 2013 12 Uhr Gelegenheit zur Äußerung zu streitigem Sachvortrag gegeben worden. Mit Schreiben vom 23. Mai 2013 ist der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3. Juni 2013 gegeben worden. Die Klägerin ist mit Schreiben selben Datums aufgefordert worden, bis zum selben Datum Dokumente über Verhandlungen zwischen den Parteien zwischen dem 16. August 2012 und Klageeingang vorzulegen. Der Klägerin ist mit Schreiben vom 19. Juni 2013, zugegangen am 20. Juni 2013, und der Beklagten mit Schreiben selbigen Datums, zugegangen am 19. Juni 2013, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung zugestellt worden. Der nicht zur mündlichen Verhandlung erschienenen Beklagten ist in dem Protokoll Gelegenheit gegeben worden, sich zu den dem Protokoll zu entnehmenden Inhalten der mündlichen Verhandlung zu äußern.
Die Klägerin hat einen Kostenvorschuss in Höhe von … Euro als Sicherheitsleistung für die voraussichtlichen Kosten des Schiedsverfahrens überwiesen. Der Betrag wurde am 14. Januar 2013 dem Konto der Handelskammer Hamburg gutgeschrieben.
Aus den Gründen:
I.
Das Verfahren vor dem Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg ist zulässig.
Dieses Schiedsgericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits der Parteien in Bezug auf die Kaufbestätigungen der Klägerin P 46739 und P 46740 vom 29.9.2010 gemäß § 2 Ziff. 1b der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Kaffeeverbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg (im Weiteren: Schiedsgerichtsordnung) zuständig (§ 12 Ziff. 5 der Schiedsgerichtsordnung). Die Rüge der Unzuständigkeit ist unbegründet. Zwischen den Parteien sind zwei Kaufverträge entsprechend diesen beiden Kaufbestätigungen zustande gekommen (1.), die jeweils eine wirksame Schiedsabrede enthalten (2.). Ferner ist die Schiedsklage nicht ver­spätet erhoben (3.).
1.
a) Das Schiedsgericht ist davon überzeugt, dass die Parteien sich jedenfalls auf die
Lieferung von insgesamt 3300 Säcken Kaffee geeinigt hatten. Trotz des entsprechen­den Hinweises der Klägerin (Schriftsatz vom 23.5.2013 S. 2 Buchst. b) hat die Beklagte dem nicht eindeutig widersprochen. Das hätte aber auf der Hand gelegen, wenn es zu einer solchen Einigung nicht gekommen wäre. Die Beklagte wendet sich vielmehr ge­gen das Zustandekommen der beiden streitgegenständlichen Verträge zu ECC-Bedin­gungen. Insbesondere die – an die Beklagte gerichtete – E-Mail des Brokers … bereits vom 30.9.2011 unterstreicht jedoch den Verkauf von 3.300 Säcken, indem die Verschiffungen im Dezember, Januar sowie Februar angesprochen werden und es in diesem Zusammenhang hieß: "When I sold the coffee ….". Auch die beiden E-Mails dieses Brokers vom 12.1. und 17.2.2011 sprechen eine eindeutige Sprache.        Das Schiedsgericht ist auch davon überzeugt, dass diese 3300 Säcke in gleichen Par­tien von je 1100 Säcken in den Monaten Dezember 2010 sowie Januar und Februar 2011 verschifft werden sollten. Das ergibt sich ebenfalls aus der E-Mail des Brokers … vom 30.9.2011, der diese Verschiffungen ansprach.     
b) Die Klägerin hat zur Überzeugung des Schiedsgerichts bewiesen, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Verschiffungen im Januar und Februar 2011 die beiden ECC-Kaufverträge P 46739 und P 46740 zu Stande gekommen sind.          
aa) Das Zustandekommen der beiden ECC-Kaufverträge beurteilt sich nach deutschem Recht.
Gemäß Art. 10 Abs. 1 Rom I-Verordnung, die für Schuldverhältnisse in Handels­sachen – wie hier – mit einer Verbindung zum Recht verschiedener Staaten gilt, beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags (oder eines seiner Bestimmungen) nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (vergleiche Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwen­dende Recht (Rom I), Amtsblatt L 177/6 vom 4.7.2008).
In diesem Sinne haben die Parteien eine Rechtswahl vorgenommen (Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung). Denn Art. 25 Buchst. a ECC in der maßgeblichen Fassung von 2007 bestimmt, dass im Streitfall das Recht desjenigen Landes maßgeblich ist, in welchem nach dem Vertrag der Parteien das Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen ist. Das ist Deutschland, wie es sich aus der Schiedsabrede auf den Deutschen Kaffee-Verband, Hamburg, in den beiden Kaufbestätigungen ergibt.
bb) Nach deutschem Recht liegen zwei kaufmännische Bestätigungsschreiben vor, denen die Beklagte nicht widersprochen hat. Damit gilt gewohnheitsrechtlich das Schweigen der Beklagten als Zustimmung.
Mit E-Mail vom 30.9.2010 kündigte der Broker … gegenüber der Beklagten die Umstellung der Januar- und Februar-Verschiffungen – mithin die Umstellung bestehender Verträge – auf Verschiffungen nach Europa an mit der Folge, dass die entsprechenden Dokumente in Europa anzudienen wären. Er bat die Beklagte in dieser E-Mail um eine kurze Bestätigung der Umstellung, die er jedoch als unproblematisch empfand. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Auch als später an jenem Tage … die beiden "confirmation of purchase" der Klägerin an die Beklagte gesandt hatte, reagierte die Beklagte weiterhin nicht. Beide "Verkaufsbestätigungen" sind der Beklagten damals zugegangen – das ist unstrei­tig. Die Beklagte hätte nach deutschem Recht spätestens nunmehr den beiden Bestätigungen widersprechen müssen, wenn sie deren Inhalt nicht gegen sich hätte gelten lassen wollen. Ein Widerspruch der Beklagten ist jedoch seinerzeit nicht geschehen – das ist ebenfalls unstreitig.
Die Beklagte wendet ein, dass keine Verhandlungen in Bezug auf die ECC-Bedin­gungen, insbesondere deren Schiedsgericht, stattgefunden hätten und dass der Wortlaut des Schreibens nicht "free of doubts" gewesen sei, weil die Beklagte die Spalte "accepted" nicht unterschrieben habe und weil es für sie als kleine Firma im … bedeutet hätte, wissentlich zugestimmt zu haben, ihre Streitigkeiten im fernen Deutschland mit hohen Kosten unter unbekanntem Recht zu prozessieren.
Diese Einwendungen sind unbegründet.
Der Broker … hat in seiner schriftlichen Erklärung vom 22.5.2013 unter anderem bekundet:
"….. Upon completion of the negotiation of the quantities, qualities & prices as described above, the buyer requested that a portion of the negotiated quantities (2,200 bags) be shipped to Europe under the ECC contract & conditions. The seller agreed to the request and con­tracts were prepared accordingly ….".
Dies ist eine eindeutige Erklärung, und zwar auch hinsichtlich der Einbeziehung der ECC-Bedingungen. … ist unternehmensmäßig nicht mit der Klägerin verbunden. Eher im Gegenteil: Im Kaffeehandel üben Broker nicht nur die Funktion eines Maklers sondern auch eines Agenten aus. In diesem Fall wäre der Broker … der Beklagten zuzurechnen, während der Broker … der Klägerin näher stand. Die Beklagte hat sich mit dieser ihr vorliegenden Erklärung nicht auseinandergesetzt.
Im Übrigen muss ein Kaufmann grundsätzlich damit rechnen, dass einem Kaufvertrag allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde liegen (vgl. BGH NJW 1978, 2243, 2244 zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben). Die Einbeziehung der ECC-Bedingungen war für die Beklagte auch nicht überraschend in dem Sinne, dass sie damit nicht zu rechnen brauchte. Diese Bedingungen sind von dem Europäischen Kaffeeverband (European Coffee Federation) unter Mitwirkung unter anderem von Repräsentanten der Exporteure und der Verbände in den Erzeugerländern erstellt worden. Sie sind im Internet verfügbar.
Soweit es die nicht ausgefüllte Sparte "accepted" betrifft, bringt im Falle eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens die Bitte um Gegenbestätigung keineswegs zwangsläufig oder auch nur regelmäßig zum Ausdruck, dass der Inhalt des Schreibens nur dann verbindlich ist, wenn die Gegenbestätigung erfolgt; vielmehr kommt es auf den Einzelfall an (BGH NJW-RR 2007, 325, 330 [27]). Es ist nicht ersichtlich, dass der Inhalt der beiden Schreiben mit der Gegenzeichnung stehen oder fallen sollte. Denn die Beklagte hatte – und das ist von besonderem Gewicht – auch die GCA-Kaufbestätigung trotz entsprechender Spalte ("Accepted for Seller: ...") nicht unterschrieben und dennoch erfüllt. Sinn und Zweck dieser Spalte in den beiden ECC-Schreiben war daher lediglich, einen urkundlichen Beweis für den Vertragsschluss in die Hände zu bekommen (vergleiche BGH a.a.O.).
cc) Allerdings trägt die Beklagte zutreffend vor, dass die Klägerin selber in den GCA-Schiedsgerichtsverfahren ein Zustandekommen der beiden ECC-Verträge bestritten hat. Indes war die Klägerin rechtlich nicht gehindert, ihren Vortrag zu ändern, nach­dem das GCA-Schiedsgericht sich hinsichtlich dieser beiden Verträge für unzustän­dig erklärt hat. Daher liegt insoweit kein treuwidriges ("improper") Verhalten der Klä­gerin vor. Andererseits stellt der Wechsel der Klägerin im Vortrag nicht – wie die Klägerin meint – lediglich einen Wechsel der rechtlichen Meinung dar sondern be­trifft – worauf die Beklagte mit Recht hinweist – Tatsachen.
2. Die beiden ECC-Kaufbestätigungen enthalten auch eine formwirksame Schiedsvereinba­rung. Diese Wirksamkeit beurteilt sich ebenfalls nach deutschem Recht. Zwar sind Schieds­vereinbarungen als solche ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Rom I-Verordnung ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe e). Aber als Schiedsklausel in einem Hauptver­trag – dem Kaufvertrag – folgen sie als eine seiner Bestimmungen dem Statut des Hauptvertrags (HansOLG Beschluss vom 19.12.2012 – 6 Sch 18/12 RKS A 1 Nr. 231). Die Formvorschrift des §§ 1031 Abs. 2 ZPO ist erfüllt, da die Beklagte den beiden Bestätigungsschreiben mit der Schiedsabrede nicht widersprochen hat.    
3. Zu Unrecht hält die Beklagte die Klagerhebung für verspätet im Sinne von Art. 24 ECC. Weder die E-Mail der Klägerin vom 9.5.2011 noch diejenige der Klägerin vom 20.5.2011 stellen eine formelle Mitteilung im Sinne von Art. 24 (b) (ii) dar. Da ab einer derartigen Mitteilung die 90-tägige Frist zu laufen beginnt, innerhalb derer die formelle Entscheidung über die Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens der anderen Partei mitgeteilt werden soll, sind an die Mitteilung im Interesse der Rechtsklarheit strenge Anforderungen zu stellen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Mit­teilung "formally" zu geschehen hat. Die Mitteilung vom 9.5.2011 enthielt nur eine Androhung eines Schiedsgerichtsverfah­rens für den Fall, dass die vorgeschlagene Lösung des Lieferproblems nicht umsetzbar ist. Insbesondere steht einer formellen Mitteilung entgegen, dass mit der Mitteilung der Lieferant … in Nicaragua angesprochen wurde. Mit der E-Mail vom 20.5.2011 setzte die Klägerin der Beklagten eine Nachfrist zur Ver­schiffungsanzeige und kündigte im Falle des ergebnislosen Fristablaufs an, ihren Scha­den zu ermitteln. Ein Schiedsgerichtsverfahren wurde hier ebenso wie in der nachfolgen­den Schadensrechnung und Zahlungsaufforderung nicht erwähnt. Der – für die Klägerin negative – Ausgang des GCA-Berufungsverfahrens vermochte auch nicht indirekt einen Fristbeginn im Sinne von Art. 24 (b) zu bewirken. Denn es blieb ungewiss, ob die Klägerin ihre vergeblich zur Aufrechnung gestellte Forderung nun in ei­nem eigenen Schiedsgerichtsverfahren weiterverfolgen würde. Das kaufmännisch besetzte Schiedsgericht gelangt zu diesem Ergebnis aus rechtlichen Gründen, möchte aber gleichwohl nicht verhehlen, dass es im Interesse des Kaffeehan­dels ein zügigeres Verhalten für wünschenswert hält.
II.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß Art. 23 (a) ECC Schadensersatz verlangen, weil die Beklagte sich "in default" befand. Denn die Klägerin hat die Beklagte mit E-Mail vom 20.5.2011 wegen der Nichterfüllung der Kontrakte für die Januar- und Februar-Verschiffun­gen zu Recht in Verzug erklärt und ihr erfolglos eine Nachfrist von drei Geschäftstagen zur Erstattung der Verschiffungsanzeige gesetzt.
Zu Unrecht meint die Beklagte hilfsweise, sie trage auch im Falle wirksamer Verträge keine Verantwortung für deren Nichterfüllung, da die Klägerin die Lieferungen nicht bezahlt habe und damit es der Beklagten nicht möglich gewesen sei, weiteren Kaffee einzukaufen. Vielmehr war es die Beklagte, die den "ersten Stein warf", indem sie den Dezember-Kontrakt nur verspätet sowie zögerlich (erst Mitte Januar, zweite Hälfte Februar und Anfang April 2011) und teilweise überhaupt nicht erfüllte. Hätte die Beklagte ihre Dezember-Lieferverpflichtung korrekt erfüllt, wären Gegenforderungen der Klägerin nicht entstanden.
Gemäß Art. 23 (b) ECC hat die Klägerin mit Schreiben vom 6.6.2011 ihren Schaden spezifiziert und Zahlung gefordert.
Das Schiedsgericht bestimmt gemäß Art. 23 (c) ECC das Datum des Verzugs auf den 26.5.2011 als dem ersten Geschäftstag nach Ablauf der am 20.5.2011 gesetzten Nachfrist.
Wie dem mit Kaufleuten besetzten Schiedsgericht aus eigener Sachkunde bekannt ist, belief sich an diesem Tage die Differenz zwischen dem Kontraktpreis von US-Dollar … per 100 lbs und dem Marktpreis zumindest auf den Betrag von US-Dollar …, wie ihn die Klägerin mit ihrer Klage geltend macht.
Zu Unrecht fordert die Beklagte von der Klägerin Belege für diesen Schaden. Die Klägerin hat ihren Schaden auf abstrakter Grundlage berechnet. Das war zulässig. Ein Schaden kann im Grundsatz abstrakt oder konkret berechnet werden (vergleiche beispielsweise im Heimatrecht der Beklagten: Maryland Code, Commercial Law einerseits § 2-711 (1) (a) i.V.m. § 2-712 konkret/"cover", andererseits § 2-711 (1) (b) i.V.m. § 2-713 abstrakt/"market price"). Die ECC sprechen allgemein von "damages", ohne dies dahin einzuschränken, dass nur ein Schaden auf konkreter Grundlage zu ersetzen ist.
Wie beantragt, hat die Beklagte die Forderung von US-Dollar … wegen Verzugs in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz (§ 247 BGB) p.a. seit dem 17.12.2012 zu verzinsen (§ 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 BGB).
III.
Die Entscheidung über die Schiedsgerichtskosten beruht auf § 15 der Schiedsgerichtsordnung in Verbindung mit dem Rechtsgrundsatz des § 91 ZPO ("the costs follow the event"). Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist.
Zur Berechnung der Kosten hat das Schiedsgericht den in der mündlichen Verhandlung festgesetzten Streitwert des Verfahrens in Höhe von … Euro zugrunde gelegt (… USD umgerechnet zum Interbankenkurs vom Tag des Klageeingangs am 7. Januar 2013 sind … Euro [1 USD ≈ 0,767 EUR]). Gemäß § 15 Absatz 1 a, 2, 3 und 10 der Schiedsgerichtsordnung betragen die Verfahrenskosten demnach … Euro. Diese setzen sich zusammen aus den in § 15 Absatz 2 und 3 Schiedsgerichtsordnung vorgesehenen Positionen in Höhe von … Euro sowie den gemäß § 15 Absatz 1 a Schiedsgerichtsordnung zu erstattenden sonstigen Kosten, hier für Kurierzustellungen …, in Höhe von … Euro sowie der nach § 15 Absatz 10 Schiedsgerichtsordnung zu erstattenden Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt … Euro. Die Abrechnung des von der Schiedsklägerin gezahlten Kostenvorschusses erfolgt separat über die Geschäftsstelle.
01.04.2014
Recht und Steuern

A 4a Nr. 148

A 4 a Nr. 148 §§ 767, 1059, 1060 ZPO – Zulässigkeit sachlich-rechtlicher Einwendungen  über die gesetzlichen Aufhebungsgründe für Schiedssprüche hinaus – gegen die Erstattung von Anwalts- und Schiedsrichterhonoraren im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs
1. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren können – über die gesetzlichen Aufhebungsgründe für inländische Schiedssprüche (§ 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO) hinaus – sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den in einem Schiedsspruch festgestellten Anspruch geltend gemacht werden, falls entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO  die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, nach dem Schiedsverfahren entstanden sind. Dabei kommt es nur darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt die objektiven Voraussetzungen für die Einwendungen vorgelegen haben, nicht dagegen darauf, ob diese dem Schuldner bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.
2. Die Rechtsprechung zur staatlichen Kostenfestsetzung nach 103 ff. ZPO, bestimmte materiell-rechtliche Einwendungen seien dem Verfahren der Vollstreckungsgegenklage vorbehalten, ist auf das Schiedsverfahren nicht übertragbar. Vielmehr ist i.d.R. das Schiedsgericht selbst umfassend zuständig.    
BGH Beschl.v. 18.12.2013 – III ZB 92/12 WM 2014, 316 = RKS A 4 a Nr. 148
Aus den Gründen:
1. Siehe Senat  Beschl.v. 30.9.2010 = WM 2010, 2236 = RKS A 4 a Nr. 128; 21.5.1973 BGHZ 61,25, 26 f. = WM 1973, 778; Beschl.v. 6.5.2004 NJW-RR 2004, 1422, 1423. Der Ausschluss von vor dem Abschluss des Schiedsverfahrens entstandenen Einwendungen gilt allerdings nicht ausnahmslos. Ist ein Einwand bereits vor dem Schiedsgericht geltend gemacht worden, hat sich dieses aber einer Entscheidung darüber enthalten, weil es sich – zu Recht oder Unrecht – bezüglich der Entscheidung über den Einwand für unzuständig erachtet hat, steht nichts im Wege, diesen Einwand vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen (vgl. zur Aufrechnung mit einer Gegenforderung BGH 21.11.1962 BGHZ 38, 257, 264 ff. = WM 1963, 196). Gleiches gilt, wenn der Einwand zwar vor dem Schiedsgericht erhoben wurde, aber feststeht, dass das Schiedsgericht sich damit mangels Zuständigkeit nicht befasst hätte (BGH 7.1.1965 WM 1965, 293 = NJW 1965, 1138, 1139 = HSG/RKS A 4 a Nr. 1) 
2. Zu Unrecht rügt der Schiedskläger, das Kammergericht sei seinem Vortrag nicht nachgegangen, dass die Anwaltskosten nicht entstanden bzw. nicht i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig gewesen seien. Auch hierbei handelt es sich um Einwendungen, deren Gründe bereits vor dem nach § 767 Abs. 2 maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind. Diese Einwendungen sind auch nicht deshalb im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung zulässig, weil das Schiedsgericht die Auffassung vertreten hat, bestimmte materiell-rechtliche Einwendungen könnten nicht Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens sein. Das Schiedsgericht hat insoweit darauf Bezug genommen, dass im staatlichen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ff. ZPO die Klärung streitiger Tatsachen und komplizierter Rechtsfragen nicht vorgesehen und der Betroffene insoweit auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen sei (BGH 23.3.2006 WM 2006, 1698 = NJW 2006, 1962 und 22.11.2006 NJW-RR 2007, 422).     
Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass es unpraktikabel und einem Betroffenen nicht zumutbar wäre, ihm im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vor dem OLG einen materiell-rechtlichen Einwand abzuschneiden, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären und den Betroffenen auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, für die als staatliches Gericht wiederum das OLG zuständig wäre (Senat 30.9.2010 WM 2010, 2236 = RKS A 4 a Nr. 128).
Die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und damit des OLG für eine Vollstreckungsgegenklage ist aber dann nicht gegeben, wenn das Schiedsgericht, weil der geltend gemachte Einwand in seine Zuständigkeit fällt, zur Entscheidung berufen ist  (Senat aaO). Nach § 1057 Abs. 1, Abs. 2 S.1 ZPO hat nicht das staatliche, sondern das Schiedsgericht, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, über den Grund (Quotelung) und die betragsmäßige Höhe der Kostentragung zu entscheiden (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 33 Rd-Nr. 3 ff; BT-Drucks. 13/5274, S. 57f.).
Die Auffassung, bestimmte materiell-rechtliche Einwendungen seien – wie bei der staatlichen Kostenfestsetzung – dem Verfahren der Vollstreckungsgegenklage vorbehalten, ist nicht überzeugend. Die diesbezügliche Rechtsprechung zur staatlichen Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff ZPO beruht entscheidend darauf, dass dieses Verfahren auf die formale Prüfung der Kostentatbestände und die Klärung einfacher Rechtsfragen zugeschnitten und insofern auch dem Rechtspfleger übertragen ist, weshalb darüber hinausgehende materiell-rechtliche Einwendungen durch das Prozessgericht im Verfahren nach § 767 ZPO zu klären sind (BGH Beschl.v. 23.3.2006 WM 2006, 1698 = NJW 2006, 1962 und 22.11.2006 NJW-RR 2007, 422). Eine vergleichbare Situation liegt im Schiedsverfahren nicht vor. Eine dem Verfahren vor dem Rechtspfleger entsprechende Einrichtung gibt es im Schiedsverfahren nicht (vgl. auch BT-Drucks. aaO.); vielmehr ist das Schiedsgericht selbst insoweit umfassend zuständig. Deshalb ist es zumindest sinnvoller, wenn ein Schiedsgericht sämtliche in seine Zuständigkeit fallenden Einwendungen bereits im Kostenschiedsspruch erledigt, ungeachtet dessen, dass wegen des Verbots der révision au fond gegenteilige Entscheidungen eines Schiedsgerichts grundsätzlich hinzunehmen sind. Dass das Schiedsgericht nicht so verfahren ist, führt nicht dazu, dass der Schiedskläger nunmehr seine materiell-rechtlichen Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vor den staatlichen Gerichten geltend machen könnte. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Schiedsgericht – gleichgültig ob zu Recht oder Unrecht – eine Behandlung der Einwendungen, so sie bereits vor ihm geltend gemacht worden sind,  mangels Zuständigkeit abgelehnt hätte, oder, so sie erstmals vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht worden sind, feststeht, dass das Schiedsgericht sich mit ihnen mangels Zuständigkeit nicht befassen würde.
11.3.2014
Recht und Steuern

A 5 Nr. 54

A 5 Nr. 54 Qualitätsarbitrage = Schiedsgutachten-, kein Schiedsverfahren
Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedrichterlichen Verfahrens ist unzulässig, wenn er auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Qualitätsarbitrage (§ 31 Abs. 1 S. 2 WVB i.V.m. §§ 16 ff. VerfO für Sachverständige des W-V) gerichtet ist, diese ist kein Schieds-, sondern ein Schiedsgutachtenverfahren.
OLG Hamburg Beschl.v. 19.12.2012 IHR 2014, 12 = RKS A 5 Nr. 54
Aus den Gründen:
Die Qualitätsarbitrage ist  kein schiedsrichterliches Verfahren, in dem ein Schiedsgericht an Stelle eines staatlichen Gerichts entscheidet, sondern ein Schiedsgutachten zur Klärung bestimmter Tatsachen, nämlich der Beschaffenheit der verkauften Ware (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 4). Das Verfahren gem. § 1032 Abs. 2 ZPO bezieht sich indes allein auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens. Die begehrte Feststellung der Qualitätsarbitrage ist in diesem Verfahren mithin unstatthaft und damit unzulässig.
Sachverhalt und Gründe siehe RKS A 1 Nr. 231 unter 2.
9.3.2014
Recht und Steuern

A 1 Nr. 231

A 1 Nr. 231 – Art. 10 Abs. 1 und 2 Rom I-VO Einbeziehung von AGB mit Schiedsvereinbarung in Verträge mit Auslandsberührung: Für ausländischen Partner verständlicher Hinweis auf AGB erforderlich und ausreichend. Ausschluss von UN-Kaufrecht (CISG) 
1. Über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedrichterlichen Verfahrens entscheidet das OLG, das in der Schiedvereinbarung bezeichnet ist, mangels einer solchen Bezeichnung das OLG, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt.
2. Der Antrag ist unzulässig, wenn er auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Qualitätsarbitrage (§ 31 Abs. 1 S. 2 WVB i.V.m. §§ 16 ff. VerfO für Sachverständige des W-V) gerichtet ist, diese ist kein Schieds-, sondern ein Schiedsgutachtenverfahren.
3. Die Frage, ob eine Schiedsvereinbarung zustandegekommen ist, ist bei Fällen mit Auslandsbezug nach dem Schiedsvereinbarungsstatut zu beurteilen, das nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts zu ermitteln ist. Mangels Rechtswahl für die Schiedsvereinbarung führen diese Regeln zur Geltung des Statuts des Hauptvertrages. Daher ist eine evtl. Rechtswahl der Parteien für diesen zu beachten.      
4. Die Einbeziehung von AGB einer Partei, auch wenn dort eine Rechtswahl getroffen wird (hier: Waren-Vereins-Bedingungen, deutsches Recht) gehört zum Zustandekommen des Vertrages i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO. Die Einbeziehung der Waren-Vereins-Bedingungen richtet sich mithin nach deutschem Recht. Danach genügt es im Verkehr zwischen Unternehmern, dass der Verwender dem anderen Teil die Möglichkeit verschafft, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Bei Verträgen mit Auslandsberührung ist ein für den ausländischen Vertragspartner verständlicher Hinweis auf die AGB erforderlich, aber auch ausreichend. Das gilt auch für die in den AGB enthaltene Schiedsklausel (hier: Schiedsgericht des Waren-Vereins).
5. Die Einbeziehung der AGB  und die Geltung des deutschen Rechts sind für den ausländischen Vertragspartner nicht gem. § 10 Abs. 2 Rom I-VO unbillig, wenn die Vertragsparteien seit längerem in ständiger Geschäftsbeziehung stehen.
6. Infolge wirksamer Wahl des deutschen Rechts ist das UN-Kaufrecht (CISG) nicht anwendbar.
Hans. OLG Hamburg Beschl.v. 19.12.2012 – 6 Sch 18/12; IHR 2014, 13 = RKS A 1 Nr. 231
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens. Die Antragsgegnerin (AGg) belieferte die Antragstellerin (ASt) im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung seit 2007 mit getrockneten Zwiebeln. Seit Januar 2009 enthielten die Auftragsbestätigungen der AGg folgenden Hinweis:
„Wir danken für Ihren Auftrag und verkaufen Ihnen gemäß den Geschäftsbedingungen des ‚Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. Hamburg‘“ (WVB)
Seit 2011:
„We thank you for your order and sell according to the arrangement of the ‘Waren-Verein der Hamburger Börse e.V’”
Nach § 2 WVB ist das deutsche Recht anzuwenden. Das UN-Kaufrecht (CISG) soll keine Anwendung finden. In § 30 WVG heißt es unter „Schiedsgericht“:
„Alle Streitigkeiten aus einem zu diesen Geschäftsbedingungen oder mit der Klausel „Waren-Vereins-Arbitrage“ abgeschlossenen Verträge werden unter Ausschluss des Rechtswegs durch ein Schiedsgericht entschieden. … Für die Organisation dieses Schiedsgerichts, für das von ihm einzuhaltende Verfahren, für die Kosten des Verfahrens und für die Zuständigkeit staatlicher Gerichte (§ 1062 ZPO) … gilt die von der Mitgliederversammlung des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. beschlossene Schiedsgerichtsordnung; für jede Verfahrenshandlung gilt die jeweils neueste Fassung.“
§ 31 WVB bestimmt unter der Überschrift „Sachverständige“:
(1) Der streitige Minderwert einer Ware oder der streitige Marktpreis einer Ware oder ein streitiger Gewichtsabgang bei Käufen nach ausgeliefertem Gewicht (§ 35 Abs. 4) können durch ein nach der Verfahrensordnung für Sachverständige erwirktes Gutachten bewiesen werden. Die streitige Beschaffenheit einer Ware oder eines Musters kann nur durch ein derart herbeigeführtes Gutachten bewiesen werden.
(2) Die Verfahrensordnung wird von der Mitgliederversammlung des Waren-Vereins beschlossen. Für jede Verfahrenshandlung gilt die jeweils neueste Fassung.
(3) Das Gutachten ist für das Schiedsgericht verbindlich, es sei denn, dass es offenbar unrichtig ist oder auf einem unzulässigen Verfahren beruht.
Unter dem 11.3.2011 übersandte die AGg der ASt einen „contract“ Nr. 165, in dem sie das Angebot der ASt über den Kauf von ca. 60.000 kg getrocknete Zwiebeln zu einem Gesamtpreis von Euro 147.000 bestätigte. Mit einem „contract“ Nr. 308 vom 1.11.2011 bestätigte die AGg die Kauforder der ASt über eine weitere Partie von ca. 60.000 kg getrocknete Zwiebeln zu einem Gesamtpreis von Euro 147.000.
Die Geschäfte wurden nicht ausgeführt. In einem E-Mail vom 12.9.2012 teilte die ASt der AGg u.a. mit: „… we wish to close this matter down finally and cancel the contracts 308 and 165 due to huge problems with quality.”
Mit Schreiben vom 17.9.2012 warf die AGg der ASt vor, sie habe die Erfüllung beider Kontrakte zu Unrecht verweigert, so dass sie gem. § 18 Abs. 2 WVB berechtigt sei, Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Außerdem kündigte sie an, zunächst die vertragsmäßige Beschaffenheit der Ware durch ein Gutachten nach § 31Abs. 1 S. 2 WVB klären zu lassen, benannte einen eigenen Sachverständigen und forderte die ASt auf, ihrerseits einen Sachverständigen zu benennen
Die ASt meint, eine Schiedsklausel sei nicht wirksam vereinbart worden. Die WVB seien nicht wirksam einbezogen worden. Auch habe die AGg ihr die Schiedsklausel nicht zur Kenntnis gebracht. Sie beantragt, den Antrag der AGg. auf Feststellung  der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens zurückzuweisen und festzustellen, dass ein schiedsrichterliches Verfahren, insbesondere eine „Qualitätsarbitrage“ i.S.d. Verfahrensordnung des Waren-Vereins zwischen der ASt und der AGg unzulässig sei.
Die AGg beantragt, den Antrag zurückzuweisen, und festzustellen, dass ein Verfahren vor dem Schiedsgericht des Waren-Vereins zulässig ist.  
Aus den Gründen:
Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Die AGg beabsichtigt die Einleitung eines Verfahrens nach der SchGO des W-V, das Schiedsgericht hat sich aber noch nicht konstituiert.
1. Die Zuständigkeit des Senats folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Danach ist für das Verfahren gem. § 1032 Abs. 2 ZPO das OLG zuständig, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Nach § 11 Abs. 1 SchGO W-V ist das OLG Hamburg zuständig für Entscheidungen über Anträge gem. § 1062 Abs. 1 ZPO. Im vorliegenden Verfahren geht es zwar vorab um Klärung, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung vorliegt. Ist das der Fall, ist das OLG Hamburg aber als das für Entscheidungen gem. § 1062 Abs. 1 ZPO zuständige staatliche Gericht in der Schiedsvereinbarung bezeichnet. Außerdem bestimmt § 2 SchGO  W-V Hamburg als Sitz des Schiedsgerichts.
2. Der Antrag der ASt ist hingegen unzulässig, soweit er sich auf die Feststellung richtet, dass eine Qualitätsarbitrage unzulässig ist. § 31 Abs. 1 S. 2 WVB i.V.m. § 16 ff. der Verfahrens-ordnung für Sachverständige des Waren-Vereins sieht zwar eine Qualitätsarbitrage durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vor. Die AGg hat im Schriftsatz vom 17.9.2012 auch die Klärung der vertragsgemäßen Beschaffenheit der Zwiebeln durch die Einholung eines solchen Gutachtens angekündigt. Die Qualitätsarbitrage ist aber kein schiedsrichterliches Verfahren, in dem ein Schiedsgericht an Stelle eines staatlichen Gerichts entscheidet, sondern ein Schiedsgutachten zur Klärung bestimmter Tatsachen, nämlich der Beschaffenheit der verkauften Ware (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 4). Das Verfahren gem. § 1032 Abs. 2 ZPO bezieht sich indes allein auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens. Die begehrte Feststellung der Qualitätsarbitrage ist in diesem Verfahren mithin unstatthaft und damit unzulässig.
Der Antrag der ASt auf Feststellung der Unzulässigkeit des von der AGg beabsichtigten Schiedsverfahrens nach der Schiedsgerichtsordnung des W-V ist unbegründet. Die Parteien haben eine Schiedsvereinbarung getroffen.  § 30 WVB sieht die Entscheidung von Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung des W-V vor.  Die WVB sind auch wirksam in die beiden streitgegenständlichen Vedrtragsverhältnisse einbezogen worden.
3. Die Frage, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung durch eine entsprechende Willenseinigung der  Parteien zustandegekommen ist, ist bei Fällen mit Auslandsbezug nach dem Schiedsvereinbarungsstatut zu beurteilen, das nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts zu ermitteln ist.   Nach der Rechtsprechung des BGH führen diese Regeln, wenn wie hier keine Rechtswahl für die Schiedsvereinbarung getroffen ist, zur Geltung des Statuts des Hauptvertrages (BGH WM 2010, 2025 Tz. 30 ff.; WM 2010, 2032 Tz. 26 = RKS A 1 Nr.189; SchiedsVZ 2011, 157 Tz. 24 = RKS A 1 Nr. 192).
Die Entscheidungen erfolgten allerdings noch auf der Grundlage der dort zeitlich noch anwendbaren Art. 27 ff EGBGB a.F. Die seit dem 17.12.2009 und damit auch vorliegend anwendbare Rom I-VO nimmt aber Schiedsvereinbarungen ebenso wie Gerichtsstand-vereinbarungen in Art. I Abs. 2 e ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Das ist ein zusätzliches Argument für die im Schrifttum vertretene Auffassung, die die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung unter Hinweis auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a ZPO mangels einer Rechtswahl stets nach dem deutschen Recht beurteilen will, also auch dann, wenn es nicht um die Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung eines schon erlassenen Schiedsspruchs geht, sondern auch schon im Verfahren gem. § 1032 Abs. 2 ZPO (Zöller/Geimer aaO. § 1029 Rd-Nr. 109, 113f.; MünchKommMünch ZPO 3. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 31ff.; Schmidt-Ahrendts/Höttler SchiedsVZ 2011, 267ff; König SchiedsVZ 2012, 129ff.; differenzierend Musielak/Voit ZPO 9. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 28).         
Ob Art. 1 Abs. 2 e Rom I-VO der bislang vom BGB vertretenen Anknüpfung des Schiedsvereinbarungsstatuts an das Statut des Hauptvertrags entgegensteht, kann indes dahin stehen. Denn auch dieser Weg führt hier zur Anwendung des deutschen Rechts und damit zum gleichen Ergebnis wie eine unmittelbare Anknüpfung an § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a ZPO.
Stellt man nämlich auf das Statut des Hauptvertrages ab, so ist auch eine Rechtswahl der Parteien für den Hauptvertrag zu beachten (BGH WM 2010, 2032 = RKS A 1 Nr. 189). Nach § 2 WVB gilt deutsches Recht unter ausdrücklichem Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG vom 11.4.1980). Nach Art. 6 CISG können die Parteien die Anwendung des CISG auch ausschließen. Ob die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts wirksam ist, richtet sich nach dem deutschen Recht. Denn gem. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO beurteilen sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages  oder einer seiner Bestimmungen nach dem Recht, das nach der Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Das  gilt gem. Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO auch für eine für den Hauptvertrag geschlossene Rechtswahlvereinbarung (Palandt/Thorn BGB 72. Aufl. Rom I-VO Art. 10 Rd-Nr. 1). Die Wahl des deutschen Rechts unter Ausschluss des CISG begegnet gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO i.V.m. Art. 6 CISG keinen Bedenken.
4. Fraglich könnte allerdings sein, ob die ASt der Rechtswahl in § 2 WVB überhaupt zugestimmt hat, weil es sich bei den WVB um allgmeine Geschäftsbedingungen handelt. Auch das ist indes zu bejahen. Die Einbeziehung von AGB einer Partei, auch wenn dort eine Rechtswahl getroffen wird, gehört zum Zustandekommen des Vertrages i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO (Palandt/Thorn aaO. Rom I-VO Art. 10 Rd-Nr.1 und 3; MünchKommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 10 Rom I-VO Rd-Nr. 150, 165). Die Einbeziehung der WVB richtet sich mithin nach deutschem Recht. Danach genügt es im Verkehr mit Unternehmern, dass der Verwender dem anderen Teil die Möglichkeit verschafft, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (BGHZ 102, 304 Tz. 28 zit. nach juris; BGH NJW 2002, 370, 372; Palandt/ Grüneberg aaO. § 305 Rd-Nr. 53). Bei Verträgen mit Auslandsberührung ist ein für den ausländischen Vertragspartner verständlicher Hinweis auf die AGB erforderlich, aber auch ausreichend (Palandt/Grüneberg aaO. § 305 Rd-Nr. 58).
5. Dies Voraussetzungen sind erfüllt. Die Parteien befinden sich seit 2007 in einer ständigen Geschäftsverbindung. Seit Januar 2009 wiesen die Auftragsbestätigungen der AGg deutlich darauf hin, dass sie nach den WVB verkaufe. Dass die Auftragsbestätigungen und der Hinweis auf die AGB  in deutscher Sprache verfasst sind, steht einer Einbeziehung nicht entgegen. Denn die ASt behauptet nicht, dass sie den Inhalt der Auftragsbestätigungen nicht verstanden habe, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrscht. Vor diesem Hintergrund steht der Einbeziehung der WVB in die hier streitigen Verträge durch die in englischer Sprache verfassten Auftragsbestätigungen nicht entgegen, dass der für AGB unübliche Begriff „arrangement“ verwendet wurde. Die ASt wusste, dass die AGg seit 2009 auf der Grundlage der WVB arbeitete.
Es besteht auch kein Anlass, die Anwendung des deutschen Rechts über die Billigkeitskontrolle gem. Art. 10  Abs. 2 WVB die Geltung zu versagen (wird ausgeführt).
6. Die Sonderanknüpfung nach Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung fehlt, dass die Beurteilung der Einbeziehung der AGB nach dem durch Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO berufenen deutschen Recht nicht gerechtfertigt wäre. Dann müsste es nämlich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls, insbesondere den bisherigen Gepflogenheiten der Parteien unbillig sein, die streitige Zustimmung der ASt ausschließlich nach dem ihr fremden deutschen Vertragsstatut zu bemessen (Palandt/Thorn aaO. Rom I-VO Art. 10 Rd-Nr. 4). Das ist aber nicht der Fall. Die Parteien stehen seit 2007 in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Seit 2009 findet sich in den Auftragsbestätigungen der AGg ein Hinweis auf die WVB. Die ASt wusste oder musste wissen, dass die AGg ihre AGB einbeziehen wollte. Sie konnte auch damit rechnen, dass sich in den AGB eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts unter Ausschluss des CISG befinden würde. Um Klarheit zu erhalten, hätte sie die AGg um Übersendung der WVB bitten können. Sie hätte die WVB auch im Internet aufrufen können, was mit einer Suchmaschine auch ohne Kenntnisse des Link möglich ist. Angesichts der ständigen Geschäftsbeziehung mit einem deutschen Lieferanten, der in seinen Schreiben stets auf AGB Bezug nimmt, erscheint es nicht unbillig i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO, die Einbeziehung der AGB nach dem gem. § 10 Abs. 1 Rom I-VO berufenen deutschen Recht zu entscheiden.         
Der Senat setzt sich mit dieser Wertung nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH (NJW 2002,370 = IHR 2002,1). Denn dort gab es in den AGB keine keine Rechtswahl. In den hier zu beurteilenden AGB findet sich hingegen eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts mit einem ausdrücklichen Ausschluss des CISG, was gem.  Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 ROM I-VO zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts – ohne die Bestimmungen des CISG – auch für die Frage führt, ob die AGB überhaupt einbezogen wurden. Die dargestellten Erwägungen erfolgen also auf einer anderen Ebene, nämlich einer Überprüfung des grundsätzlich anwendbaren Rechts im Hinblick auf eine etwaige Unbilligkeit (Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO).
Die Vereinbarung der WVB samt Rechtswahl und Schiedsklausel scheitert auch nicht daran, dass es zu keinem Vertragsschluss im Übrigen – ungeachtet der Einbeziehung der AGB – gekommen ist. Ihre Zustimmung zu beiden Verträgen mit dem Inhalt der Auftragsbestätigungen vom 11.3. und 1.11. hat die ASt. nicht nur durch ihr Schweigen bestätigt. Ihr eigenes Verständnis von einem verbindlichen Abschluss hat sie für den Vertrag 165 vom 11.3.2011 dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie mit einer E-Mail vom 9.5.2012 um eine Verlängerung bis zum Jahresende 2012 bat. Unter dem 17.5.2012 bat sie sodann um eine Aufhebung des zweiten Vertrags Nr. 308 vom 1.11.2011 („…Regarding the contract of Dried onion no. 308 I would like to ask you kindly to cancel this contract”). Ebenso hat sie mit ihrer E-mail vom 12.9.2012 um Aufhebung beider Verträge 308 und 165 gebeten, was zunächst einen Abschluss voraussetzt.
Die Auftragsbestätigungen erfüllen auch die Anforderungen an die Form einer Schiedsvereinbarung gem. § 1031 Abs. 3 ZPO. Es genügt, dass die einbezogenen WVB in § 30 eine Schiedsklausel enthalten. Ein spezieller Hinweis auf die Schiedsklausel ist nicht erforderlich (Zöller/Geimer aaO. § 1031 Rd-Nr.9 und 24).
Aus den genannten Gründen folgt zugleich, dass der Antrag der AGg auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens vor dem Schiedsgericht des Waren-Vereins gem. § 1032 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet ist.
Mit ablehnender Anmerkung von Gaber IHR 2014, 16 unter Hinweis auf Piltz NJW 2012, 3061, 3063 und weitere Nachweise.
9.3.2014
Recht und Steuern

A 2 Nr. 68

A 2 Nr. 68 § 42 Abs. 2, §§ 1036, 1037, 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Entscheidung über die Ablehnung eines Schiedsrichters entfällt grundsätzlich nicht, wenn vor der Entscheidung des staatlichen Gerichts ein Schiedsspruch in der Hauptsache erlassen wird.
2. Für die Beurteilung der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit eines Schiedsrichters gelten im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie für die Befangenheit eines staatlichen Richters.
3. Unzulängliche Stellungnahmen eines Richters zum Ablehnungsgesuch können ebenso wie unsachliche Stellungnahmen die Besorgnis der Befangenheit begründen.
OLG München, Beschl.v. 03.01.2014 - 34 SchH 7/13 = RKS A 2 Nr. 68
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Laufzeit eines zwischen ihnen am 6.11.1986 abgeschlossenen Pachtvertrages, dessen Gegenstand der Betrieb eines Thermalbads ist; dieses hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin, einer niederbayerischen Gemeinde, verpachtet.
1. Die Antragstellerin ist Inhaberin von Wasserrechten an der Therme I in F. und aufgrund eines Nießbrauchs berechtigt, das Grundstück, zu dem die Wasserrechte gehören, sowie ein benachbartes Grundstück – beide stehen im Eigentum der Familie O. - zur Tiefenwasserförderung, Errichtung und Betrieb von Anlagen zu nutzen. Die Antragsgegnerin hatte im vergangenen Jahrhundert dort ein Kurhaus errichtet und die Anlagen mehrmals erweitert. Nach wiederholten Streitigkeiten zwischen den Parteien wurde mit Vertrag vom 6.11.1986 eine neue Regelung getroffen, wonach die Antragstellerin an die Antragsgegnerin die Therme I und deren Einrichtungen verpachtet.
In dem Vertrag (§ 15) ist folgendes vereinbart:
(1) Für Streitigkeiten, die sich aus dem Vertrag ergeben, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen.
(2) Die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag erfolgt durch ein Schiedsgericht nach näherer Maßgabe des beiliegenden Schiedsvertrages, der wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages ist.
Der zugleich abgeschlossene Schiedsvertrag enthält zum Verfahren des Schiedsgerichts folgende Regelung (§ 3 Abs. 1):
Das Schiedsgericht kann nur aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden. Es soll eine gütliche Beilegung des Streitfalles erstreben. Es ist befugt, rechtsgestaltende Regelungen festzusetzen, wenn dies zur sachgerechten Entscheidung des Streitfalles geboten ist.
Am 17.11.1986 traf die Antragsgegnerin in Absprache mit der Antragstellerin eine Vereinbarung mit den Erben (im Folgenden: V.) eines ehemaligen Gesellschafters der Antragstellerin, denen 40% aus der Schüttung der Therme I zustehen. Hiernach verpflichtete sich die Antragsgegnerin, V. ein Entgelt für die Nutzung des Wassers zu entrichten.
Anfang 2008 ersuchte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die Erben V. sowie die Familie O. wegen beabsichtigter Investitionen um eine Verringerung der Pacht. Familie O. und V. lehnten dies ab. Die Antragstellerin wäre zwar zu einer Reduzierung der Pacht bereit gewesen, man konnte sich aber auf die Modalitäten nicht einigen. Die Antragsgegnerin berief sich nun darauf, dass der Pachtvertrag vom 6.11.1986 infolge eines Formmangels nicht bis 31.12.2031 fest abgeschlossen sei, sondern auf unbestimmte Zeit laufe und jederzeit gekündigt werden könne.
Im Dezember 2010 erhob die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin Schiedsklage und begehrte festzustellen, dass das Pachtverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist.
Die von den beiden Parteien benannten Schiedsrichter verständigten sich auf die Richterin Dr. K. als Obfrau.
Das Schiedsgericht am Schiedsort Wolfratshausen traf am 20.12.2012, nachdem mehrere Vergleichsbemühungen gescheitert waren, folgende Verfügung (A6):
1. Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf …
2. Das Schiedsgericht könnte sich vorstellen, dass eine auf Dauer befriedigende Lösung zu erreichen wäre, wenn die Familie O. und die Rechtsnachfolger nach Familie V. in die Verhandlungen mit einbezogen werden. In der Verhandlung am 9.1.2013 bietet das Schiedsgericht die Plattform für derartige Gespräche. Voraussetzung dieser Gespräche ist die Teilnahme aller vier Beteiligten (Klägerin, Beklagte, Rechtnachfolger V., Familie O. – jeweils ein Verhandlungsbevollmächtigter ist ausreichend) an diesem Termin. Die Parteien des Verfahrens werden gebeten, insoweit Kontakt zu den Familien O. und Z. aufzunehmen. Sollte Interesse an einem solchen Gespräch bestehen, ist das Schiedsgericht in Falle der Verhinderung eines Beteiligten gerne bereit, eine neue Terminabsprache zu treffen. Das Schiedsgericht bittet um Äußerung bis spätestens 4.1.2013. Andernfalls wird am 9.1.2013 ein Schiedsspruch verkündet werden. In diesem Fall genügt die Anwesenheit der anwaltlichen Vertreter.
3. Das Schiedsgericht geht davon aus, dass der angeforderte Vorschuss vollständig bis spätestens 4.1.2013 eingegangen ist.
2. Mit Schriftsatz vom 3.1.2013 lehnte die Antragstellerin die Obfrau des Schiedsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Ihr Verfahrensbevollmächtigter begründete dies u.a. folgendermaßen:
Schließlich ist hier von Relevanz, dass die Klägerin und Herr Bürgermeister A. B. – wie gehabt – bereits vor dem 24.12.2012 über die Absichten des Schiedsgerichtes informiert waren und in Bad F. verlautbarten, dass das Schiedsgericht im Termin vom 9.1.2013 einen Schiedsspruch verkünden würde, wenn nicht neuerliche Vergleichsverhandlungen stattfinden und zum Ergebnis führen würden. … Ich habe den Zweck des Termins vom 9.1.2013 dann erst am 27.12.2012 mit Zugang des Schreibens vom 21.12.2012 nebst Beschluss vom 20.12.2012 erfahren. Die Gegenseite kannte ihn aber bereits vor Weihnachten (siehe oben)! Der Unterfertigte hatte schon mit Schriftsatz vom 31.10.2012 … für die Beklagte beklagt, dass Herr Bürgermeister B. sich regelmäßig über die Absichten des Schiedsgerichts informiert gezeigt hatte, die der Beklagten bis dahin unbekannt waren, was denknotwendig voraussetzte, dass er solche Informationen auch tatsächlich erhalten hatte. …
Die abgelehnte Richterin gab am 9.1.2013 zu dem Gesuch folgende Stellungnahme ab:
1. Es besteht kein Anlass, von meinem Amt als Vorsitzende des Schiedsgerichts zurückzutreten.
2. Der Beschluss vom 20.12.2012 war das Ergebnis einer mehrstündigen Beratung des gesamten Schiedsgerichts. Er wurde in Anwesenheit aller Schiedsrichter gemeinsam verfasst und am nächsten Tag durch Verfügung der Vorsitzenden an die Parteien versandt.
3. Mit Herrn Bürgermeister B. (= Vertreter der Antragsgegnerin) hatte ich zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2012 Kontakt.
Unter dem 10.1.2013 hat die Antragstellerin die Obfrau des Schiedsgerichts erneut abgelehnt, weil deren Stellungnahme vom 9.1.2013 in Ziffer 3 nicht der Wahrheit entspreche. Tatsächlich habe noch nach der Sitzung vom 9.5.2012 Kontakt zu Bürgermeister B. bestanden. Zur Erklärung dazu führte die Vorsitzende in ihrer weiteren Stellungnahme vom 15.1.2013 aus:
Meine Stellungnahme vom 9.1.2013 bezog sich ausschließlich auf die in dem Befangenheitsantrag der Schiedsbeklagten vom 3.1.2013 gegen meine Unparteilichkeit erhobenen Vorwürfe, insbesondere, ich hätte mit der Schiedsklägerin oder deren Vertreter der Schiedsbeklagten nicht bekannte Gespräche geführt. Derartige Gespräche fanden nicht statt.
Das Schiedsgericht wies mit Beschluss vom 6.2.2013 den Ablehnungsantrag zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
7. … Die Äußerung der Vorsitzenden, mit Herrn Bürgermeister B. seit dem Termin vom 9.5.2012 keinen Kontakt mehr gehabt zu haben, bezog sich auf den Vorwurf der Schiedsbeklagten, die Schiedsklägerin vorab und einseitig über Fortgang und Ausgang des Verfahrens informiert zu haben. Sich in der dienstlichen Stellungnahme zu dem der Schiedsbeklagten bekannten Kontakt am 25.6.2012 zu verhalten, hatte die Vorsitzende keinen Anlass. Dieser Kontakt betraf die – wie der Schiedsbeklagten bekannt ist - seinerzeitigen Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien, insbesondere den Wunsch der Schiedsbeklagten, Personalunterlagen zu erhalten, für deren Übersendung sich die Vorsitzende verwenden wollte. Dieses Gespräch wurde somit im Interesse der Schiedsbeklagten geführt und wurde von der Vorsitzenden – selbstverständlich – niemals geleugnet. Im Gegenteil findet sich in den Akten der Vorsitzenden über dieses Gespräch ein Aktenvermerk. …
3. Die Antragstellerin hat am 27.2.2013 gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung beantragt und zur Begründung u.a. vorgebracht:
a) Bereits mit der Bestimmung des Streitwerts und der Kostenanforderung für die Schiedsrichter habe das Gericht unterstellt, dass ein Vergleich geschlossen werde. Die Verhandlungen vor dem Schiedsgericht hätten sich auch immer um einen möglichen Vergleich gedreht. Die Obfrau habe im ersten Termin am 2.3.2011 – ohne die Beisitzer – getrennte Vergleichsgespräche mit den Parteien geführt, allerdings ohne Ergebnis. Im Termin vom 5.5.2011 habe die Obfrau aufgrund von Zahlen, die die Antragsgegnerin vorgegeben habe, anhand eines Schaubildes einen Vergleichsvorschlag entwickelt, den die Antragstellerin jedoch abgelehnt habe. Daraufhin habe die Obfrau ein Gespräch mit deren Geschäftsführer ohne Beteiligung des Anwalts führen wollen, was ebenso abgelehnt worden sei. Um das Verfahren nicht schon in diesem Stadium zu belasten, habe die Antragstellerin seinerzeit auf einen Befangenheitsantrag verzichtet.
b) Mit Beschluss vom 5.7.2011 habe das Schiedsgericht die Anhörung von Zeugen angeordnet und die Antragsgegnerin aufgefordert, zu diesem Termin O. und V. „zum Zwecke der Abklärung einer gütlichen Erledigungsmöglichkeit zu stellen“. Sie sei hierzu nicht befragt worden und habe sich dem widersetzt; u.a. deswegen, weil gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit verstoßen werde. Bei einer Öffnung des Verfahrens für Dritte sei nämlich die Zustimmung beider Parteien erforderlich. Der Beschluss sei stillschweigend nicht ausgeführt worden.
c) Das Gericht habe mit Verfügung vom 22.8.2011 den Parteien einen neuen Vergleichsvorschlag unterbreitet, auf den diese sich aber nicht hätten einigen können. Ähnliches habe sich im Termin vom 9.5.2012 wiederholt.
d) Mit Beschluss vom 15.10.2012 habe das Schiedsgericht bei den Parteien angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe, was bejaht worden sei. Am 30.11.2012 habe das Schiedsgericht einen neuerlichen Verhandlungstermin für den 9.1.2013 angekündigt. Mit Beschluss vom 20.12.2012, der Antragstellerin zugegangen am 27.12.2012, habe das Schiedsgericht den Termin bestimmt und gleichzeitig angeregt, weitere an der Therme Beteiligte zu dem Termin mitzubringen. Andernfalls werde das Gericht einen Schiedsspruch verkünden. Aus dieser Anordnung ergebe sich, dass die Obfrau nicht bereit sei, die für das Schiedsverfahren erforderliche Vertraulichkeit zu beachten, und nicht mehr unparteilich entscheiden könne. Es ergebe sich der Verdacht, dass die Vorsitzende hierbei auch eigene Interessen verfolge, nämlich die bei einem Vergleichsabschluss fällige höhere Vergütung zu erzielen.
Der Antragstellerin sei auch bekannt geworden, dass der Vertreter der Antragsgegnerin von diesem Beschluss bereits während der Weihnachtsfeiertage Kenntnis gehabt habe, so dass wieder einmal jene zuvor in Kenntnis gesetzt worden sei.
e) Die Obfrau habe in Ziffer 3 ihrer Stellungnahme vom 9.1.2013 eine nachweislich falsche Erklärung abgegeben. Sie habe nämlich noch im Juni 2012 mit Bürgermeister B. telefoniert, was sie auch in einem damaligen Telefongespräch gegenüber den Verfahrensbevollmäch-tigten der Antragstellerin erwähnt habe. Warum die Obfrau diese Rücksprache in Abrede gestellt habe, sei nicht nachvollziehbar. Es nähre aber die Furcht, dass sie nicht unvoreingenommen handle.
4. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat – soweit für die Entscheidung relevant – ausgeführt:
a) Wie sich aus dem Schiedsvertrag ergebe, sei es Aufgabe des Schiedsgerichts, auf eine gütliche Einigung des Streitfalls hinzuwirken. Da die Beendigung des Pachtvertrags auch unmittelbare Auswirkungen auf Dritte habe, sei es doch sinnvoll, eine Einigung unter Hinzuziehung nicht am Verfahren Beteiligter anzustreben. Eine Voreingenommenheit lasse sich daraus nicht ableiten. Ebenso wenig lasse sich aus dem Beschluss vom 20.12.2012 die Drohung mit einem Schiedsspruch herleiten. Vielmehr sei nicht verwunderlich, dass das Schiedsgericht im Hinblick auf den Schiedsvertrag versucht habe, sämtliche Möglichkeiten einer gütlichen Streitbeilegung auszuloten.
b) Die Stellungnahme der Obfrau vom 9.1.2013 gebe keine Zweifel an deren Unvoreingenommenheit. Diese habe nur klarstellen wollen, dass der Vorwurf, die Antragsgegnerin sei vor der Antragstellerin von dem Beschluss vom 20.12.2012 informiert worden, unzutreffend sei. Dass die in Ziffer 3 abgegebene Erklärung zu den tatsächlichen Gegebenheiten nicht passe, stelle die Unparteilichkeit nicht infrage. Denn es sei bei der Erklärung nur darum gegangen, die Vorhaltungen der Antragstellerin, die Gegenseite sei bereits vor dem 24.12.2012 über die Absichten des Schiedsgerichts informiert gewesen, zu entkräften. In dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 3.1.2013 seien andere angebliche Kontakte zwischen der Obfrau und der Antragsgegnerin nicht thematisiert, so dass sich diese in ihrer Stellungnahme ersichtlich ausschließlich mit dem letzten behaupteten Kontakt habe auseinandersetzen müssen. Der unbefangene Beobachter lese hieraus, dass sie habe mitteilen wollen, keineswegs im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 20.12.2012 Kontakt mit dem Vertreter der Antragsgegnerin gehabt zu haben, sondern dass der letzte Kontakt schon sehr lange zurückliege. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der letzte Kontakt tatsächlich in der Sitzung vom 9.5.2012 stattgefunden habe, oder kurz vor dem 25.6.2012. Überdies habe die Antragstellerin davon Kenntnis gehabt; es könne keine Rede davon sein, dass die Obfrau einen Kontakt zur Gegenseite vorsätzlich verschwiegen habe.
5. Der Senat hat der abgelehnten Schiedsrichterin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese hat mit Schreiben vom 11.3.2013 ergänzend zu ihren Äußerungen vom 9. und 15.1.2013 u.a. ausgeführt, es sei nach dem Schiedsvertrag ihre Aufgabe, stets auf eine gütliche Beilegung hinzuwirken. Vorschuss für eine Einigungsgebühr sei weder angefordert noch bezahlt worden. Die erwähnten Verfügungen und Beschlüsse seien sämtlich das Ergebnis von Beratungen des gesamten Schiedsgerichts.
6. Das Schiedsgericht erließ am 10.4.2013 einen abschließenden Schiedsspruch. Mit ihm wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien aufgrund Pachtvertrags vom 6.11.1986 bestehende Pachtverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Die Antragstellerin – Schiedsbeklagte – hat am 15.5.2013 beim Oberlandesgericht München beantragt, den Schiedsspruch aufzuheben (Az. 34 Sch 7/13). Hierüber ist noch nicht entschieden.
Aus den Gründen:
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin, über das der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (vgl. § 1063 Abs. 1 i. V. m. § 128 Abs. 4 ZPO), hat Erfolg.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1037, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1043 Abs. 1 ZPO – Wolfratshausen) liegt im Bezirk dieses Gerichts. Die Parteien haben zwar, was vorrangig zu berücksichtigen wäre, noch unter dem früheren (vor dem 1.1.1998 geltenden) Rechtszustand als zuständiges Gericht das Landgericht Passau bezeichnet. Indessen ist die Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 1062 (Abs. 1 bis 3) ZPO derogationsfest (Senat vom 21.11.2011, 34 SchH 11/11; Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 1062 Rn. 1).
2. Die formellen Voraussetzungen für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung der Vorsitzenden sind erfüllt. Der Schiedsvertrag enthält hierfür keine speziellen Regelungen, sondern verweist in § 6 auf §§ 1025 ff. ZPO. Die abgelehnte Obfrau ist nicht zurückgetreten. Mit Beschluss vom 6.2.2013 hat das Schiedsgericht über die Ablehnungsgesuche entschieden (vgl. § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist form- und fristgerecht gestellt worden (§ 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO), die Antragstellerin mithin auch nicht präkludiert.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nicht deshalb unzulässig, weil das Schiedsgericht am 10.4.2013 einen Schiedsspruch in der Hauptsache getroffen hat, dessen Aufhebung beantragt ist (vgl. Az. 34 Sch 7/13). Denn es steht damit keineswegs fest, dass mit dem Schiedsspruch das Verfahren in jeder Hinsicht bereits beendet ist (vgl. § 1056 Abs. 1, 3 ZPO i. V. m. § 1057 Abs. 2, § 1058 ZPO). Aufgrund des Aufhebungsantrages ist es überdies nicht ausgeschlossen, dass das Schiedsgericht erneut mit der Sache befasst werden kann (vgl. § 1059 Abs. 4 ZPO). Dann aber besteht das Amt der Schiedsrichter ohne Neubestellung fort (vgl. Zöller/Geimer § 1059 Rn. 88; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 2391). Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin an der begehrten Feststellung ist daher über den abschließenden Schiedsspruch hinaus vorhanden und das Ablehnungsverfahren ist fortzusetzen (siehe BGHZ 40, 342; OLG Frankfurt SchiedsVZ 2008, 96 = RKS A 2 Nr. 48; Hk-ZPO/Saenger 5. Aufl. § 1037 Rn. 6).
Nach einem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 19.9.2013 (MDR 2013, 1362 = RKS A 1 Nr. 228) kann das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Zwischenentscheid (§ 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) entfallen, wenn vor der Entscheidung des staatlichen Gerichts ein Schiedsspruch in der Hauptsache erlassen wird. Dafür sprechen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs besonders auch verfahrensökonomische Überlegungen (siehe Rz. 11). Anders als bei einer Entscheidung über einen Zwischenentscheid ist bei einem Antrag auf Ablehnung eines Schiedsrichters gesetzlich aber bereits nicht sichergestellt, dass für beide Entscheidungen dasselbe Gericht zuständig ist. Denn nach § 1025 Abs. 3 ZPO kann, wenn das Ablehnungsgesuch bereits vor Bestimmung des Orts des schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt wird, das für den Befangenheitsantrag örtlich zuständige Oberlandesgericht ein anderes sein als das für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung bzw. die Aufhebung des Schiedsspruchs. Schon deshalb spricht vieles für die auch nach neuem Recht fortbestehende Unabhängigkeit beider Verfahren. Dass das Schiedsgericht gemäß § 1037 Abs. 3 Satz 2 ZPO einschließlich des abgelehnten Schiedsrichters das Verfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch erlassen kann, beschreibt deshalb auch nicht den Regelfall (siehe MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1037 Rn. 26 bei Fn. 65), sondern will diesem ein Mittel gegen Verfahrenssabotage an die Hand geben. Bei einer Entscheidung über die Aufhebung des Schiedsspruches muss zudem nicht stets über die Frage der Befangenheit eines Schiedsrichters mitentschieden werden. Denn wenn andere Gründe vorliegen, die die Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigen, muss nicht zwangsläufig auch die Befangenheitsfrage einer Klärung zugeführt werden. Dies kann ein neuerliches Schiedsverfahren zur Folge haben, ohne dass über die zuvor bereits gerichtlich anhängig gemachte Frage, ob das Schiedsgericht zuständig ist, entschieden worden wäre. Hinzu kommt der Gesichtspunkt, dass – anders als in den Verfahren nach § 1040 ZPO sowie § 1059, §§ 1060 ff. ZPO (siehe § 1062 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 ZPO) – im Ablehnungsverfahren (§ 1037 ZPO) die Rechtsbeschwerde nicht stattfindet (§ 1065 Abs. 1 ZPO; siehe auch OLG Frankfurt SchiedsVZ 2008, 96/99 = RKS A 2 Nr. 48).          
Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart (SchiedsVZ 2003, 84/87) über die Ablehnung zugleich im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens entschieden hat, lag dem zugrunde, dass das Befangenheitsgesuch erst nach Verkündung des Schiedsspruchs angebracht wurde. Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich im Beschluss vom 26.7.2012 (3 SchH 04/12 = SchiedsVZ 2012 Heft 5 VI) mit einer Fallgestaltung zu befassen, dass der gerichtliche Antrag nach § 1037 Abs. 3 ZPO zugleich mit dem Aufhebungsantrag gestellt wurde, nachdem die schiedsgerichtliche Entscheidung nach § 1037 Abs. 2 ZPO zugleich mit dem Schiedsspruch getroffen worden war. Insoweit ist das Gericht von fehlendem Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Ablehnungsverfahrens ausgegangen. Mit diesen Verfahrenssituationen ist die vorliegende nicht vergleichbar, in der das Verfahren nach § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO durchlaufen und der gerichtliche Antrag nach § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO geraume Zeit vor Erlass des Schiedsspruchs gestellt worden war.
3. Das Ablehnungsgesuch ist in der Sache begründet.
Die Antragstellerin hat Gründe dargelegt, die geeignet sind, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der Schiedsrichterin aufkommen zu lassen (§ 1036 Abs. 2 ZPO). Für die Beurteilung gelten trotz unterschiedlicher gesetzlicher Fassung im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie für die Befangenheit eines staatlichen Richters (vgl. § 42 Abs. 2 ZPO; KG SchiedsVZ 2010, 225 = RKS A 2 Nr. 58; OLG Frankfurt SchiedsVZ 2008, 96/99 = RKS A 2 Nr. 48; MüKo/Münch ZPO § 1036 Rn. 30; Hk-ZPO/Saenger § 1036 Rn. 7 ff.).
a) Der Schiedsrichter ist dementsprechend verpflichtet, die für jeden Richter geltenden Gebote, insbesondere der Neutralität, Objektivität und der Wahrung der Ausübung der Parteirechte, zu beachten. Dabei rechtfertigen allerdings nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Schiedsrichter stehe dem Schiedsverfahren nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, eine Ablehnung, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Schiedsrichter tatsächlich befangen ist (siehe Zöller/Vollkommer § 42 Rn. 9). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden berechtigen hingegen nicht zur Ablehnung (KG SchiedsVZ 2010, 225 = RKS A 2 Nr. 59).
b) Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien hat die Antragstellerin noch ausreichende Umstände vorgetragen, die auch nach Meinung einer „ruhig und vernünftig denkenden Partei“ Anlass zu einem subjektiven Misstrauen geben.
(1) Objektiv unzutreffend ist die Tatsachenmitteilung der Vorsitzenden in ihrer Stellungnahme vom 9.1.2013, sie habe zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2012 Kontakt zu dem Vertreter der Klägerin gehabt. Tatsächlich hatte die Richterin noch später, nämlich um den 25.6.2012, wie ausdrücklich in einem zeitnahen Telefonat mit dem Antragstellervertreter offengelegt wurde, unmittelbaren Kontakt mit dem Vertreter der Schiedsklägerin. Dies wird von keiner Seite in Abrede gestellt. Auch die Schiedsrichterin selbst hat in ihrer Stellungnahme vom 15.1.2013 ihre Erklärung vom 9.1.2013 dahingehend eingeschränkt, dass diese sich ausschließlich auf die Vorwürfe in dem Antrag vom 3.1.2013 bezogen hätte; sie habe keine der Schiedsbeklagten nicht bekannten Gespräche mit der Klägerseite geführt.
(2) Auch wenn man die Erklärung vor dem Hintergrund des Ablehnungsgesuchs (S. 3 letzter Absatz: „Schließlich ist hier von Relevanz, …“) würdigt, kann sie nicht als belangloser Irrtum verstanden werden, der keinen Grund zur Annahme der Voreingenommenheit böte (vgl. OLG Naumburg SchiedsVZ 2003, 134/138). Im Mittelpunkt standen zwar Kontakte der Vorsitzenden im Zusammenhang mit der von der Antragstellerin vermuteten vorzeitigen Information der Gegenseite über den Inhalt des Beschlusses vom 20.12.2012. Darum ging es jedoch nicht allein. Vielmehr berief sich die Antragstellerin in ihrem Gesuch ausdrücklich auch auf einen vorangegangenen – vom Schiedsgericht unbeantwortet gebliebenen – Schriftsatz vom 31.10.2012 („vgl. dort S. 1/2“). An der bezeichneten Stelle wurde aus bekannt gewordenen Äußerungen von Vertretern der Gegenseite – jedenfalls in umschriebener Form:
Die Beklagte und der Unterfertigte können und wollen sich nicht vorstellen, dass das Schiedsgericht oder Mitglieder des Schiedsgerichts gegenüber der Klägerin und/oder ihrem Protagonisten Äußerungen getätigt haben, die die zitierten Annahmen rechtfertigen
– der Verdacht geäußert, das Schiedsgericht behandle die Parteien im Informationsfluss ungleich, nämlich die Klägerseite bevorzugt, weil in gerichtlichen Verhandlungsterminen derartige Äußerungen wie die von der Gegenseite zum voraussichtlichen Verfahrensausgang in Umlauf gebrachten nicht gefallen seien. Insoweit umfasste die Stellungnahme aus Sicht der Partei einen ersichtlich weiter gefassten Rahmen als nur den Zeitraum zwischen Erlass und Bekanntgabe des Beschlusses vom 20.12.2012 und war auch nicht auf solche nach dem 9.5.2012 beschränkt, die der Antragstellerin unbekannt sein mussten.
(3) Unzulängliche Stellungnahmen eines Richters zum Ablehnungsgesuch können ebenso wie unsachliche Stellungnahmen die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 858; Zöller/Vollkommer § 42 Rn. 24 m.w.N.). Dazu zählen auch objektiv unrichtige Darstellungen, die den Schluss zulassen, der Richter arbeite nicht mit der nötigen Sorgfalt (vgl. OLG Frankfurt MDR 1978, 409; siehe auch OLG Köln OLGZ 1994, 210/213). Dabei spielt es keine Rolle, dass der Antragstellerin der weitere Kontakt mit Bürgermeister B. im Juni 2012 bekannt war. Denn das subjektive Misstrauen einer Partei genügt, wenn der Ablehnende Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Schiedsrichter ihm gegenüber eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und seine Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGH BeckRS 2012, 19562). Dafür genügen Umstände, die geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben, weil es darum geht, bereits den bösen Schein einer fehlenden Unvoreingenommenheit oder Objektivität zu vermeiden (BGH BeckRS 2012, 19562). Derartige Umstände liegen hier vor. Die Antragstellerin kann bei besonnener und vernünftiger Würdigung der Sachlage die Befürchtung hegen, dass die Obfrau des Schiedsgerichts, die ihre Stellungnahme zu einem Befangenheitsantrag derart unpräzise formuliert und einen wichtigen Kontakt – der sich noch dazu aus einem Aktenvermerk ergibt – nicht erwähnt, auch sonst unsorgfältig verfährt, dies jedenfalls im Verhältnis zur Antragstellerin. Gerade in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot (§ 1042 Abs. 1 Satz 1 ZPO) - dieses zählt zu den bedeutsamsten Prinzipien im Schiedsverfahrensrecht (MüKo/Münch § 1042 Rn. 1) - kann insoweit kein großzügiger Maßstab angelegt werden.
Auf die weiteren zur Befangenheit vorgetragenen Gründe kommt es bei dieser Sachlage nicht an.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 91 ZPO. Der Streitwert (§ 3 ZPO) entspricht dem Bruchteil (ca. 1/3) des Wertes der Hauptsache.
12.1.2014
Recht und Steuern

A 1 Nr. 230

A 1 Nr. 230 § 1040 Abs. 3 S. 1, 1059 ZPO – Zwischenentscheid nur bei Zuständigerklärung; bei Verneinung: förmlicher Schiedsspruch, dagegen nur Aufhebungsantrag
Der Abschluss eines Schiedsverfahrens durch förmlichen Schiedsspruch ist nicht zu beanstanden, wenn das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneint.
Die Form des Zwischenentscheides sieht § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO nur für die Fälle vor, in denen das Schiedsgericht seine Zuständigkeit bejaht.
Ein die Zuständigkeit verneinender Prozessschiedsspruch ist als regulärer verfahrensbeendender Schiedsspruch zu qualifizieren, gegen den nur der Aufhebungsantrag  nach § 1059 ZPO zulässig ist.
OLG Frankfurt Beschl.v. 17.1.2013 – 26 Sch 24/12 SchiedsVZ 2013, 341= RKS A 1 Nr. 230
Aus den Gründen:
Die Entscheidung des Schiedsgerichts, mit der es die Klage mangels Zuständigkeit abgewiesen hat, ist nur im Aufhebungsverfahren nach § 1059 überprüfbar. Der die Zuständigkeit verneinende Prozessschiedsspruch ist als verfahrensbeendender Schiedsspruch zu qualifizieren, gegen den ebenso wie gegen in der Sache entscheidende Schiedssprüche nur der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO zulässig ist (BGH Beschl.v. 6.6.2002 – III ZB 44/01 RKS A 4 b Nr. 28 zit. nach juris).  
Soweit der Antragsteller geltend macht, die Entscheidung über die Zuständigkeit hätte durch Zwischenentscheid erfolgen müssen, so  dass der Erlass eines Prozessschiedsspruchs ohne vorherigen Hinweis wegen der damit verbundenen Rechtswegverkürzung einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör begründe, ist eine Aufhebung nicht zu rechtfertigen. § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO sieht die Form des Zwischenentscheides nur für die Fälle vor, in denen das Schiedsgericht seine Zuständigkeit bejahen will. Die dem Schiedsgericht gem. § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO zugewiesene (vorläufige) Kompetenz-Kompetenz rechtfertigt es in jedem Fall, bei Verneinung der Zuständigkeit durch einen endgültigen Prozessschiedsspruch zu entscheiden (vgl. BGH aaO. Tz. 7). Die damit verbundene beschränkte Überprüfbarkeit durch das staatliche Gericht nach § 1059 Abs. 2 ZPO gegenüber der umfassenden Prüfungsmöglichkeit im Rahmen des § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO rechtfertigt insbesondere nicht die entsprechende Anwendbarkeit des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 c ZPO, wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für unzuständig erklärt hat. Selbst wenn in diesen Fällen auch eine Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 ZPO mangels Aufhebungsgrund ausscheidet, ist der Schiedskläger damit nicht rechtsschutzlos gestellt. Ihm steht für sein Klagebegehren dann in jedem Fall der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten offen. Der umgekehrte Fall, in dem sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig erklärt oder seine Zuständigkeit überschritten hat  (§§ 1040 Abs. 3 bzw. § 1059 Abs.2 Nr. 1 a und c ZPO), ist damit nicht vergleichbar; bei fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit wird den Parteien der gesetzliche Richter entzogen, während hier der Rechtsstreit vor den zuständigen staatlichen Richter gebracht werden kann (vgl.BGH aaO. Tz.17). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt allein die Form der angefochtenen Entscheidung nicht bereits die Aufhebung. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist in diesem Zusammenhang nicht festzustellen, zumal das Schiedsgericht auch nicht verpflichtet war, darauf hinzuweisen, nicht durch Zwischenentscheid, sondern durch einen verfahrensrechtlich zulässigen und gebotenen Prozessschiedsspruch entscheiden zu wollen.
Der Schiedsspruch unterliegt auch nicht der Aufhebung gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b, d, 2 b,
  • weil ein Beteiligter von der Bestellung des Schiedsgerichts oder dem Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt, das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt worden wäre,
  • weil die Bildung des Schiedsgerichts oder dessen Verfahren einer gesetzlichen Regelung oder Parteivereinbarung widersprochen hätte,
  • die Anerkennung zu einem dem ordre public widersprechenden Ergebnis führen würde; entsprechende Tatsachen hat der ASt. nicht geltend gemacht
(wird ausgeführt).
23.12.2013
Recht und Steuern

A 1 Nr. 229

A 1 Nr. 229 § 1040 Abs. 3 Nr. 2 ZPO – Schiedsabrede im Gesellschaftsvertrag: Geltung gegenüber ausgeschiedenen Gesellschaftern. Fortgeltung nach Vergleich. Beschlussmängelstreitigkeiten.
Die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Schiedsabrede gilt auch für Zahlungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter, und auch dann, wenn die für Beschlussmängelstreitigkeiten anerkannten Informationsrechte der Gesellschafter nicht ausreichend beachtet wurden.   
Zahlungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter sind keine originären Beschlussmängelstreitigkeiten.
Ein Vergleich hat i.d.R. keine schuldumschaffende Wirkung, das bisherige Schuldverhältnis besteht fort, ebenso eine für alle daraus entstehenden Streitigkeiten  abgeschlossene Schiedsvereinbarung.
OLG Köln Beschl.v. 29.1.2013 – 19 Sch 30/12 SchiedsVZ 2013, 339
Aus dem Sachverhalt:
Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft wandelten diese in eine GmbH (= die Antragstellerin) um. In dem am selben Tag geschlossenen Gesellschaftsvertrag hieß es in § 6 u.a.:
(4) „Erfolgt über die Höhe der Vergütung keine Einigung, so wird sie rechtsverbindlich durch einen vom Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu benennenden Sachverständigen festgesetzt.“
Der Gesellschaftsvertrag bestimmt:
Die Entscheidung aller Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft wird  – soweit gesetzlich zulässig –  unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte einem Schiedsgericht übertragen. Dies gilt insbesondere für Rechtsstreitigkeiten, die wegen der Gültigkeit, der Anwendung und der Auslegung des Gesellschaftsvertrages entstehen, für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis und auch für die Klärung von Zweifelsfragen sowie die Beseitigung von Unbilligkeiten und Härten.  
Die Antragsgegner waren Gesellschafter der Antragstellerin und schieden 2008 aus. In einem Streit u.a. über die Frage, welche Zahlungsansprüche den AGg. für die Aufgabe ihrer Geschäftsanteile an der ASt. zustehen, schlossen die Parteien einen Vergleich:
„Die Antragsgegner haben zusätzlich Anspruch auf eine zeitanteilige Beteiligung am Ergebnis der Antragstellerin für das Geschäftsjahr. Dieses Ergebnis wird ermittelt auf der Grundlage des von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu testierenden Jahresabschlusses.“
Dieser endete mit einem negativen Ergebnis, so dass danach den AGg. jedenfalls keine Ansprüche gegen die ASt. mehr zustanden. Die AGg. erhoben Zahlungsklage vor dem Schiedsgericht; eine Rückstellung im Jahresabschluss sei zu Unrecht gebildet worden, so dass ihnen sehr wohl daraus ein entsprechender Anspruch auf der Basis des Vergleichs zustehe.
Die ASt. hielt das Schiedsgericht für unzuständig. Dieses erklärte sich mit Zwischenbescheid für zuständig und die Schiedsklage für zulässig.
Aus den Gründen:
Zu Recht hat das Schiedsgericht im Zwischenentscheid die Zulässigkeit der Schiedsklage und seine Zuständigkeit angenommen.
Die Schiedsvertragsabrede ist auf die Streitigkeit der Parteien anwendbar. Dem steht die Tatsache, dass die AGg. aus der ASt. mit der Zahlung der Einziehungsabfindung gem. Ziffer 1 des Vergleichs durch Einziehung ihrer Geschäftsanteile aus der ASt. ausgeschieden sind, nicht entgegen. Denn der Wille der vertragschließenden Gesellschafter geht regelmäßig dahin, sämtliche Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis intern zu lösen, wozu auch solche mit ausgeschiedenen Gesellschaftern gehören. Es ist daher nicht zwingend Voraussetzung, dass die Streitparteien auch im Zeitpunkt der Streitigkeit noch Gesellschafter sind. Davon ist jedenfalls – vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte – auszugehen, wenn – wie hier – die Rechtsstreitigkeit noch dem Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander entspringt (BGH Beschl.v. 1.8.2002 - III ZB 66/01 RKS A 1 Nr. 118; OLG Koblenz 6.3.2008 – 6 U 610/07 RKS A 1 Nr. 159; beide zitiert nach juris). Der Streit mit den AGg. hängt mit der Frage des Bestehens sowie ggf. der Errechnung der Abfindungssumme zusammen, betrifft also gesellschaftsinterne Vorgänge. Soweit die ASt. meint, dass mit dem Abschluss des Vergleichs eine neue Anspruchsgrundlage geschaffen worden sei, so dass Streitigkeiten um die Frage der Auslegung der Regelungen in dem Vergleich keine Rechtsstreitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft seien, ist das schon deshalb nicht zutreffend, weil der Vergleich keine neue, die Regelung in § 6 des Gesellschaftsvertrages ablösende, sondern eine diese konkretisierende Regelung darstellt.      
Die Anwendbarkeit der vereinbarten Schiedsgerichtsabrede scheitert nicht daran, dass hier die für Beschlussmängelstreitigkeiten anerkannten Informationsrechte der Gesellschafter (hierzu BGH 6.4.2009 - II ZR 255/08 RKS A 1 Nr. 176, zitiert nach juris) nicht ausreichend beachtet worden wären. Denn es handelt sich vorliegend nicht um eine originäre Beschlussmängelstreitigkeit, da es nicht um Streitigkeiten der Gesellschaft mit Gesellschaftern bzw. um Streitigkeiten von Gesellschaftern einer Gesellschaft untereinander geht, sondern um geltend gemachte Zahlungsansprüche ausgeschiedener vormaliger Gesellschafter gegen die Gesellschaft. Zu Recht hat das Schiedsgericht ausgeführt, dass es hier genüge, wenn sich die (verbliebenen) Gesellschafter der ASt. um entsprechenden Einfluss auf das Verfahren und die gewünschte Transparenz bemühen. Es ist nicht erforderlich, dass jeder Gesellschafter neben den Gesellschaftsorganen über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert werden muss, wie dies für Beschlussmängelstreitigkeiten vom BGH aaO. verlangt wird. Dies ergibt sich schon daraus, dass in der vorliegenden Konstellation einzelne Gesellschafter der ASt. nicht betroffen sind, sondern nur die Gesellschaft selbst, die von ehemaligen Gesellschaftern in Anspruch genommen wird.
Auch ist der Schiedsvertrag aus dem Gesellschaftsvertrag nicht durch den beim Landgericht geschlossenen Vergleich abgelöst worden. Es liegt keine sog. Schuldumschaffung vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt.v. 24.6.2003 IX ZR 228/02; v.25.6.1987 VII ZR 214/86 zitiert nach juris) hat ein Vergleich i.d.R. keine schuldumschaffende Wirkung. Durch einen Vergleich wird das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht derart umgestaltet, dass die neue Forderung an die Stelle der alten Forderung träte. Vielmehr besteht das alte Rechtsverhältnis regelmäßig unverändert fort, sofern von den Parteien nicht etwas anderes vereinbart wurde. Das Fortbestehen des alten Schuldverhältnisses ist auch deshalb anzunehmen, weil der geschlossene Vergleich sich oftmals nur unter Berücksichtigung des ursprünglichen Schuldgrundes zutreffend beurteilen lässt (BGH 24.6.2003 - X ZR 228/02 – wird ausgeführt).
Mit der vergleichsweisen Einigung sollte auch nicht § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages abbedungen werden, wofür auch gar kein Anlass bestand (wird ausgeführt).
Zutreffend hat das Schiedsgericht ausgeführt, dass mit der vergleichsweisen Einigung der Parteien nur § 6 Abs. 4 letzter Satz – dass über die Höhe der Vergütung ein von der IHK zu benennender Sachverständiger entscheidet – abbedungen ist, dass die Parteien diesen Weg der Ermittlung der Vergütung nicht gewählt, sondern sich einvernehmlich auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geeinigt haben …  
23.12.2013     
Einkommensteuer und Lohnsteuer

Steuerliche Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern

Das steuerliche Reisekostenrecht hat erhebliche praktische Bedeutung für die Einkommensteuer und die Lohnsteuer von Arbeitnehmern mit beruflich veranlasster Auswärtstätigkeiten. Es regelt die Frage, ob und in welcher Höhe ein Arbeitnehmer Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten steuerlich als Werbungskosten geltend machen bzw. der Arbeitgeber solche Kosten steuerfrei an den Arbeitnehmer erstatten kann. Hierbei gilt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber Reisekosten steuerfrei in der Höhe erstatten kann, in der der Arbeitnehmer die Aufwendungen ansonsten als Werbungskosten abziehen könnte.
Zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung von Werbungskosten bzw. die steuerfreie Erstattung von Reisekosten ist eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit. Diese liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte tätig wird. Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte ist in § 9 Abs. 4 EStG definiert. Das Bundesministerium der Finanzen nimmt zur steuerlichen Behandlung von Reisekosten von Arbeitnehmern in seinem Schreiben vom 25.11.2020 (BStBl. I 20, 1228 ff.) Stellung und  gibt dort umfangreich Hinweise zum Begriff der ersten Tätigkeitsstätten und weiteren Fragen. 
Nachfolgend geben wir in Anlehnung an das BMF-Schreiben einen Überblick über wesentliche Aspekte des Reisekostenrechts (Verweise auf Randziffern beziehen sich auf das BMF-Schreiben.

1. Definition erste Tätigkeitsstätte (Randziffer 2 ff.)

Ein Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben. Sowohl betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers als auch betriebliche Einrichtungen von Dritten (Kunden) können erste Tätigkeitsstätte sein. Ein häusliches Arbeitszimmer (Home-Office) ist mangels betrieblicher Eigenschaft hiervon ausgenommen.
Damit eine Tätigkeitsstätte "erste" sein kann, muss der Arbeitnehmer ihr dauerhaft zugeordnet sein. Grundlage für diese Beurteilung sind die dienst- oder arbeitsvertraglichen Festlegungen sowie die diese konkretisierenden – und ggf. auch mündlich erfolgenden – Absprachen und Weisungen.  Eine dauerhafte Zuordnung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer ohne Befristung “bis auf weiteres” (und unbeschadet der Möglichkeit einer Versetzung) oder während der gesamten Dauer seines unbefristeten oder befristeten Beschäftigungsverhältnisses oder für einen fixen Zeitraum von mehr als 48 Monaten einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet ist. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer die Dienste überwiegend am Ort der ersten Tätigkeit leistet. Erforderlich und ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung dort zumindest in einem geringen Umfang erbringt. 
Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, ist keine Zuordnung i. S. d. § 9 Absatz 4 EStG. Sofern der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krank- und Urlaubsmeldung abgeben etc.), kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu dieser Tätigkeitsstätte allerdings zuordnen, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind.
Die Zuordnung des Arbeitgebers ist immer vorrangig und hat Sperrwirkung. Zeitliche oder quantitative Kriterien spielen bei Vorliegen einer Zuordnung durch den Arbeitgeber keine Rolle. Es reichen auch Hilfstätigkeiten aus. Die Zuordnung muss zudem ents0prechend dokumentiert sein. Hier reichen Reisekostenabrechnungen, -richtlinien, Vermerke oder Notizen aus.
Grundsätzlich ist die Dauerhaftigkeit anhand einer Prognose “es ante” zu Beginn der Tätigkeit zu beurteilen. Änderungen der Zuordnung gelten nur für die Zukunft. Unvorhergesehene Ereignisse wie beispielsweise Krankheit, politische Unruhen oder Insolvenz führen nicht zu einer rückwirkenden Änderung der Prognose.
Beim grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz kann die Zuordnung durch das aufnehmende Unternehmen (eigenständiger Arbeitsvertrag) oder durch das entsendende Unternehmen erfolgen. Hier gelten die gleichen zeitlichen Kriterien wie oben beschrieben.
Die Zuordnungsentscheidung sollte für steuerliche Zwecke dokumentiert werden.
Fehlt es an Zuordnungsentscheidung (durch Vereinbarung oder arbeitgeberseitige Weisung) nach den vorstehenden Kriterien (z. B. weil der Arbeitgeber ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat oder ausdrücklich erklärt, dass organisatorische Zuordnungen keine steuerliche Wirkung entfalten sollen) oder die getroffene Festlegung nicht eindeutig ist, legt § 9 Absatz 4 Satz 4 EStG fest, dass erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung ist, an der der Arbeitnehmer 
  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
tätig werden soll.
Auch hier handelt es sich um eine Prognose, in welchem Umfang der Arbeitnehmer an einer Tätigkeitsstätte tätig werden soll.  Zudem beinhaltet die Zuordnung hier ein qualitatives Element. Der Arbeitnehmer muss in der  betreffenden Tätigkeitsstätte seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Hilfstätigkeiten (Abholen von Auftragszetteln, Ware, Abgeben von Berichten oder Stundenzetteln) reichen nicht aus, abweichend von den Grundsätzen im Falle einer aktiven Zuordnung durch Vereinbarung oder Weisung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. 
Kommen nach den zeitlichen Kriterien mehrere Tätigkeitsstätten als "erste" in Betracht, so kann der Arbeitgeber wiederum die erste bestimmen. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit an dieser ist unerheblich. Liegt keine Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte vor, so ist die nächstgelegene Tätigkeitsstätte zur Wohnung des Arbeitnehmers die erste.
Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte (z.B. bei Home-Office  oder wegen fehlender Zuordnungsentscheidung bei gleichzeitiger Nichterfüllung der quantitativen Kriterien für eine gesetzliche Zuordnung), ist – vorbehaltlich nachstehender Ziffer 2 – jede Tätigkeit, die er außerhalb seiner Wohnung eine Auswärtstätigkeit, für die die Bestimmungen ds Reisekostenrechts gelten.

2. Sammelpunkt und weiträumiges Arbeitsgebiet (Randziffer 38, 41 ff.)

Liegt keine erste Tätigkeitsstätte (nach Randziffer. 6 ff. oder Randziffer. 26 ff.) vor und bestimmt der Arbeitgeber durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung, dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft (Randziffer. 14 ff.) typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen (z. B. Treffpunkt für einen betrieblichen Sammeltransport, das Busdepot, der Fährhafen), werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem vom Arbeitgeber festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Für diese Fahrten dürfen Fahrtkosten nur im Rahmen des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 EStG für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend gemacht werden (Entfernungspauschale) Ein Ansatz tatsächlicher Kosten für solche beruflich veranlassten Fahren ist ausgeschlossen.. Ebenso verhält es sich bei Fahrten zum dichtesten Zugang eines weiträumigen Arbeitsgebietes. Dieses liegt vor, wenn der Arbeitnehmer Tätigkeiten auf einer Fläche und nicht innerhalb von betrieblichen Einrichtungen verrichten soll. Zu den weiträumigen Arbeitsgebieten zählen beispielsweise Häfen-, Wald-, Zustell- oder Ablesegebiete.
In den genannten Fällen, können Arbeitnehmer aber Verpflegungsmehraufwand steuerlich geltend machen, da sie nach wie vor keine erste Tätigkeitsstätte haben und dementsprechend Auswärtstätigkeiten ausüben. 

3. Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand (Randziffer 47 ff.) 

Das BMF-Schreiben nimmt nicht zur Höhe des Fahrtkostenersatzes für Auswärtstätigkeiten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4a EStG Stellung. Der Arbeitnehmer kann als Fahrtkosten wahlweise die nachgewiesenen tatsächlichen Kosten oder die pauschalen Kilometersätze, die im Bundesreisekostengesetz für das jeweilige Beförderungsmittel festgesetzt sind, als Werbungskosten geltend machen oder als steuerfreie Erstattung vom Arbeitgeber erhalten. Dies gilt auch für Fahrten eines Arbeitnehmers in einem weiträumigen Arbeitsgebiet (siehe vorstehend zu 2.).
Das BMF-Schreiben nimmt Stellung zum Verpflegungsmehraufwand und stellt klar,  dass eine eintägige auswärtige Tätigkeit vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht auswärts übernachtet, sondern zurückkehrt. Hierfür kann der Arbeitnehmer bei einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden bis zu 14 Euro steuerfrei als Pauschale erhalten.
Bei mehrtägigen auswärtigen Tätigkeiten, also mit auswärtiger Übernachtung, dürfen bis zu 14 Euro je An- und Abreisetag und 28 Euro für jeden Zwischentag steuerfrei gezahlt werden.
Der Abzug der Verpflegungspauschalen ist auf die ersten drei Monate einer längerfristigen beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Eine Unterbrechung der Tätigkeit für einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen führt zu einem Neubeginn des Bemessungszeitraumes.   
Die Lohnsteuer kann vom Arbeitgeber mit einem Steuersatz von 25 Prozent pauschal versteuert werden, wenn dem Arbeitnehmer Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich einer Auswärtstätigkeit gezahlt werden, soweit diese die dem Arbeitnehmer steuerlich zustehenden Verpflegungspauschalen ohne Anwendung der Kürzungsregelung nach § 9 Absatz 4a Satz 8-10 EStG um nicht mehr als 100 Prozent übersteigen.

4. Mahlzeitengestellung (Randziffer  100 ff.)

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während einer auswärtigen beruflichen selbst oder durch einen Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung, wird diese für die Zwecke der Besteuerung mit dem Sachbezugswert angesetzt, der sich in diesem Fall nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung bemisst, § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG. Dies gilt allerdings nur für Mahlzeiten bis zu einem Wert von 60 Euro, wobei sich dieser Wert nach dem tatsächlichen Preis inkl. Umsatzsteuer richtet. Teurere Mahlzeiten sind Belohnungsessen und unterliegen mit dem tatsächlichen Preis der Besteuerung als Arbeitslohn.
Für das Verhältnis der Besteuerung von zur Verfügung gestellten Mahlzeiten und dem pauschalierten Verpflegungsmehraufwand gilt dem Grunde nach, dass zur Verfügung gestellte Mahlzeiten nicht der Besteuerung als Arbeitslohn unterliegen, wenn der Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften zur Geltendmachung von Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand berechtigt ist. In diesem Fall verringern sich lediglich die Pauschalbeträge, wie in § § 9 Abs. 4a Satz 8-10 EStG geregelt. Übersteigt der Wert der Mahlzeit die 60 Euro-Grenze, ist sie stets als Arbeitslohn zu versteuern. Die Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand werden in diesem Fall nicht gekürzt.
Sind Mahlzeiten in Rechnungen nicht beziffert (z. B. bei Fortbildungsveranstaltungen in Tagungspauschalen enthalten), so ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu entscheiden, ob die Mahlzeit üblich und ein Wert von maximal 60 Euro anzusetzen ist oder ein höherer Brutto-Wert. Hinweis: Für arbeitgeberveranlasste Mahlzeiten muss eine auf den Arbeitgeber ausgestellte Rechnung vorliegen. Auf die Adresse kann im Rahmen der Kleinbetragsrechnungsregelung nach § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. § 33 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) bei einem Rechnungsbetrag bis zu 250 Euro verzichtet werden.
Kann der Arbeitnehmer nach dem Gesetz eine Verpflegungspauschale beanspruchen und wird er während der Auswärtstätigkeit mit üblichen Mahlzeiten verpflegt, beträgt die bereits angesprochene Kürzung der Pauschalen 5,60 EURO für ein Frühstück und jeweils 11,40 EURO für ein Mittag- und/oder Abendessen. Dementsprechend kann der Arbeitnehmer bei Vollverpflegung durch den Arbeitgeber nicht zusätzlich einen pauschalierten Verpflegungsmehraufwand geltend machen (Reduzierung der Pauschale auf Null). Vom Arbeitnehmer zu zahlende Entgelte für die Verpflegung werden bei der Kürzung angerechnet. Hierzu enthält das BMF-Schreiben zahlreiche Beispiele.
Die Kürzung muss auch erfolgen, wenn der Arbeitnehmer während der Auswärtstätigkeit an einer geschäftlich veranlassten Bewirtung oder einem Arbeitsessen teilnimmt (Randziffer 82 ff.),  wenn dr Arbeitgeber oder auf seine Veranlassung ein Dritter die Mahlzeit bezahlt hat. Eine durch einen Dritten bezahlte bzw. veranlasste Bewirtung führt nicht zur Kürzung.
Wie gesagt, ist der Sachbezugswert für die Zwecke der Besteuerung anzusetzen, wenn der tatsächliche Wert (Preis) der Mahlzeit 60 Euro nicht übersteigt und der Arbeitnehmer keine Verpflegungspauschale beanspruchen kann. Für diesen Fall ist besteht die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG mit einem Steuersatz von 25 Prozent eingeführt worden.
Für Mahlzeiten, die der Arbeitgeber veranlasst, muss beim Arbeitnehmer ein „M“ auf die Jahreslohnsteuerbescheinigung eingetragen werden (Randziffer 92 f.). WeitUnterkunft ist ere Bescheinigungen sind vom Arbeitgeber, auch nicht zur Vorlage beim Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung, über die Reisekostenabrechnungen hinaus nicht erforderlich.

5. Unterkunftskosten (Randziffer 115 ff.)

Beruflich veranlasste Unterkunftskosten im Rahmen von Auswärtstätigkeiten können unbegrenzt in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Die Angemessenheit der Unterkunft ist nicht zu überprüfen. Es ist vom Arbeitgeber lediglich die Notwendigkeit der auswärtigen Übernachtung zu überprüfen. Einschränkungen bezüglich der Hotelkategorie gibt es nicht.
Bei längerfristigen Auswärtstätigkeiten mit Übernachtungen an derselben Tätigkeitsstätte dürfen ab dem 49. Monat nur 1000 Euro monatlich steuerfrei erstattet oder als Werbungskosten abgezogen werden. Für Auslandsübernachtungen gilt dies nicht.
Die 48-Monatsfrist beginnt erst, wenn dieselbe Tätigkeitsstätte an mindestens drei Tagen aufgesucht wird. Eine Unterbrechung von mindestens sechs Monaten führt zum Neubeginn der Frist.

6. Doppelte Haushaltsführung (Randziffer 93 ff.)

Das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung erfordert zukünftig die finanzielle Beteiligung an der Wohnung am Lebensmittelpunkt. Diese liegt vor, wenn mehr als 10 Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten vom Arbeitnehmer mitgetragen werden. Bei Arbeitnehmern mit der Steuerklasse III-V kann die finanzielle Beteiligung ohne Nachweise unterstellt werden. Ledige Arbeitnehmer müssen dies dem Arbeitgeber schriftlich bestätigen (Randziffer 113).
Die Höhe der steuerfrei erstatteten Unterkunftskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung darf 1.000 Euro im Monat nicht übersteigen. Soweit der monatliche Höchstbetrag nicht ausgeschöpft wird, kann das nicht genutzte Volumen in andere Monate desselben Kalenderjahres vorgetragen werden, in denen der Arbeitnehmer einen doppelten Haushalt hat. Der erstattungsfähige Maximalbetrag in Höhe von 1.000 Euro im erhöht sich dann in den betreffenden Monaten um den Vortrag.
Hierzu zählen alle mit der Wohnung anfallenden Kosten. Wird der Betrag nicht ausgeschöpft, so kann er auf die Folgemonate im selben Kalenderjahr übertragen werden (Randziffer 110). Erstattungen von Nebenkosten mindern die Unterkunftskosten im Zeitpunkt des Zuflusses. Auf die Größe und die ortsübliche Miete kommt es künftig nicht mehr an.

Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben in dieser Information keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich zur abschließenden Klärung an Ihren steuerlichen Berater oder das für Sie zuständige Finanzamt. 
Stand: Dezember 2013
Recht und Steuern

A 1 Nr. 228

A 1 Nr. 228  §§ 1040 Abs. 3 S. 2, 1059 ZPO – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen zuständigkeitsbejahenden Zwischenentscheid des Schiedsgerichts – Rechtsschutzbedürfnis?
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Zwischenentscheid, mit dem sich ein Schiedsgericht für zuständig erklärt, entfällt, wenn das Schiedsgericht vor der Entscheidung des staatlichen Gerichts einen Schiedsspruch in der Hauptsache erlässt.
2. Ein Schiedsspruch wird nicht dadurch nichtig, dass das staatliche Gericht in einem Verfahren gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellt. Im Hinblick auf den urteilsgleichen Charakter eines Schiedsspruchs, auf Rechtssicherheit und -klarheit kann gegen den Schiedsspruch nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung gem. § 1059 ZPO gestellt werden.
BGH Beschl. v. 19.9.2013 – III ZB 37/12 MDR 2013, 1362 = RKS A 1 Nr. 228
Aus den Gründen:
1. Aufgrund des in der Hauptsache ergangenen abschließenden Schiedsspruchs vom 7.12.2012 dürfte der gem. § 1040 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der schiedsbeklagten Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung gegen den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 26.10.2010 unzulässig geworden sein. Mit Erlass des Schiedsspruchs in der Hauptsache ist das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag entfallen (vgl. auch Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1040 Rd-Nr. 15). Eine Gegenansicht wird zwar nicht ausdrücklich formuliert. Auf ihr beruht aber offensichtlich die Auffassung, ein vor Eintritt der Rechtskraft der  Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zwischenstreit über die Zuständigkeit ergehender Schiedsspruch in der Hauptsache sei nichtig, jedenfalls aber aufhebbar, wenn das staatliche Gericht die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ausspricht (Musielak/Voit ZPO 10. Aufl. § 1040 Rd-Nr. 12 unter Bezug auf § 1032 Rd-Nr. 15; so wohl auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 5). Dem liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO auch dann fortzuführen sei, wenn zwischenzeitlich ein Schiedsspruch in der Hauptsache ergangen ist. Dies überzeugt allerdings nicht.
2. Dass ein Schiedsspruch in der Hauptsache nichtig wird oder ist, wenn das staatliche Gericht später in einem Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellt, sieht das Gesetz nicht vor. Dies wäre auch mit den Belangen der Rechtssicherheit und der Systematik des 10. Buchs der Zivilprozessordnung unvereinbar. Danach ist es vielmehr erforderlich, dass auch ein das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO „überholender“ Schiedsspruch über die Hauptsache gesondert nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufgehoben wird, wenn er mangels Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht hätte ergehen dürfen. Die Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zuständigkeitsstreit nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO kann sich ihrem Gegenstand nach nur auf den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts beziehen. Eine Feststellung, dass ein inzwischen in der Hauptsache ergangener Schiedsspruch wegen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nichtig ist, kann in diesem Verfahren ebenso wenig ausgesprochen werden wie eine Aufhebung des Schiedsspruchs. Das Gericht sieht solche, den Gegenstand des Zwischenstreits erweiternde Entscheidungen in diesem Verfahren nicht vor. Unterbliebe auch die Aufhebung des Schiedsspruchs  in der Hauptsache nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO, wäre dessen von der Mindermeinung in erster Linie befürwortete Unwirksamkeit nur als rechtliche Schlussfolgerung aus der negativen Entscheidung des staatlichen Gerichts über den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zur Zuständigkeit ableitbar. Dies wäre aber im Hinblick auf den urteilsgleichen Charakter eines Schiedsspruchs (vgl. § 1055 ZPO), dessen Vollstreckbarerklärung (§ 1060 Abs. 1 ZPO) nur unter den engen Voraussetzungen des § 1060 Abs. 2 ZPO abgelehnt werden kann, mit den Belangen der Rechtssicherheit und -klarheit unvereinbar. Diese erfordern vielmehr die ausdrückliche Aufhebung des Spruchs eines unzuständigen Schiedsgerichts. Dies gilt zumal in ausländischen Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines deutschen Schiedsspruchs, in denen die Fernwirkung einer Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO auf den Schiedsspruch kaum vermittelbar wäre.
Hinzu tritt, dass ohne ein Verfahren nach § 1059 ZPO die ebenfalls der Rechtssicherheit und  -klarheit dienende Regelung der Fristen, innerhalb deren gem. §1059 Abs. 3 ZPO (s. auch § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO) der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs beim staatlichen Gericht zu stellen ist, unterlaufen würde. Dieser Gesichtspunkt steht auch  der von der Mindermeinung hilfsweise erwogenen Alternative entgegen. Danach soll im Anschluss an eine – ungeachtet des „überholenden“ Schiedsspruchs in der Hauptsache  –  die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aussprechende Entscheidung im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO jedenfalls ein Aufhebungsverfahren stattfinden (Musielak/Voit aaO.). Dann aber würde § 1059 Abs. 3 ZPO unterlaufen, wenn das Verfahren des staatlichen Gerichts über den Zwischenentscheid zur Zuständigkeit nicht vor Ablauf der darin bestimmten Fristen abgeschlossen werden kann, was vielfach der Fall sein wird.
Hiernach ist gegenüber einem in der Hauptsache ergangenen Schiedsspruch ein innerhalb der nach §1059 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Frist einzuleitendes Aufhebungsverfahren gem. § 1059  ZPO, in dem die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend zu machen ist (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), auch dann erforderlich, wenn bereits ein Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO durchgeführt wird, aber noch nicht abgeschlossen ist. Dann aber wären in beiden Verfahren dieselben Fragen zur Zuständigkeit zu klären.  Das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO betrifft hierbei den Schiedsspruch zur Hauptsache und hat damit im Unterschied zum Verfahren über den Zwischenschiedsspruch gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO den umfassenderen, den inhaltlichen Kern des Streits ausmachenden Gegenstand. Damit besteht für das Zwischenverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Dies gilt im Übrigen auch und erst recht in dem Fall, dass ein Aufhebungsantrag nicht innerhalb der Fristen des § 1059 Abs. 3 ZPO gestellt wird. Dann bleibt der Schiedsspruch unabhängig von dem Ausgang des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über den Zwischenentscheid bestehen, so dass dieses obsolet wird.      
27.1.2013
Recht und Steuern

A 1 Nr. 227

A 1 Nr. 227 §§ 387 BGB, §§ 148, 302, 767, 1029 ZPO – Keine Aufrechnung mit schiedsabredebefangener Forderung vor dem ordentlichen Gericht: Schiedsgericht zuständig! Vollstreckungsabwehrklage?
Vor dem ordentlichen Gericht ist die Aufrechnung mit einer Forderung, für die eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wurde, unzulässig. Hinsichtlich dieser Forderung ist das Verfahren entscheidungsreif, so dass diesbezüglich kein Vorbehaltsurteil ergehen kann. Wird dem Beklagten im Schiedsverfahren die Aufrechnungsforderung zugesprochen, ist diese mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.
OLG Zweibrücken Urt.v. 2.8.2013 – 2 U 6/13 MDR 2013, 1368 = RKS A 1 Nr. 227
Aus den Gründen:
Zwar wird in der Literatur teilweise vertreten, dass das Gericht in solchem Fall den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO auszusetzen oder ein Vorbehaltsurteil zu erlassen habe (Wagner in MünchKomm 3. Aufl. 2013, § 145 ZPO Rd-Nr. 35; Münch in MünchKomm 3. Aufl. 2008 Rd-Nr. 15, Zöller/Geimer 28. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 90 – zum Vorbehaltsurteil). Der BGH hat jedoch bereits in der Entscheidung vom 20.12.1956 (II ZR 177/55 BGHZ 23, 17 ff.) ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Aufrechnungseinwand auch dann sachlich und abschließend Stellung genommen werden könne, wenn die zur Aufrechnung verwendete Gegenforderung mit einer Schiedsgerichtsklausel versehen sei. Dabei hat der BGH die Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO ausgeschlossen, letztlich jedoch ausgeführt, dass der ihm vorliegende Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme nötige. Mit Rücksicht auf die Bedeutung von Urteilen staatlicher Gerichte sei es nicht angängig, dem privaten Schiedsgericht der Parteien ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung die Befugnis zuzusprechen, in dem anschließenden Schiedsgerichtsverfahren das Vorbehaltsurteil des staatlichen Gerichts aufzuheben.
Mit seinem Urteil vom 22.11.1962 (VII ZR 264/61 BGHZ 38, 254 = MDR 1963, 125 f.) hat der BGH im Anschluss an RG v. 1.3.1929 (RGZ 123, 348) entschieden, dass die Einrede der Aufrechnung bei bestehender Schiedsvereinbarung unter Verletzung einer entgegenstehenden Abmachung zwischen den Parteien geschehe und deshalb unzulässig sei. Der Schiedsvertrag enthalte ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen. Daher dürfe im ordentlichen Prozess die Gegenforderung nicht beachtet werden, wenn sie mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen sei. Zwar hat der BGH in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich ausgeführt, dass ein Endurteil und nicht etwa ein Vorbehaltsurteil zu ergehen habe; auch mit der Frage einer Aussetzung nach §148 ZPO hat er sich nicht ausdrücklich befasst. Dies hätte jedoch vor dem Hintergrund der Entscheidung des zweiten Zivilsenats vom 20.12.1956, mit der sich der siebte Senat ausdrücklich auseinandersetzt, nahe gelegen. Damit ist die Entscheidung vom 22.11.1962 dahingehend zu verstehen, dass ein Endurteil zu ergehen hat. In der Entscheidung vom 20.12.1972 (VIII ZR 186/70 BGHZ 60, 85 = MDR 1973, 311) befasste sich der achte Zivilsenat des BGH erneut mit der Frage der Aufrechnung. Er hat ausgeführt, dass in Fällen der fehlenden Gerichtsbarkeit und des fehlenden ordentlichen Rechtswegs zwingendes Prozessrecht einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung des ordentlichen Gerichts über das Bestehen der Gegenforderung entgegenstehe. Ein Schiedsvertrag enthalte für die Vertragsparteien das vertragliche Verbot, einem ordentlichen Gericht durch Geltendmachung des Aufrechnungseinwandes die Prüfung zu unterbreiten, ob eine dem Schiedsvertrag unterfallende Forderung bestehe. Auch in dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage eines Vorbehaltsurteils oder der Aussetzung des Verfahrens beschäftigt.
Schließlich hat der dritte Zivilsenat des BGH in dem Beschluss vom 17.1.2008 (III ZR 320/06 MDR 2008, 460 f. = RKS A 1 Nr. 156) ausdrücklich in Fortführung von BGH 22.11.1962 aaO. entschieden, dass das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung im Wege der Aufrechnung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, nicht mehr bestehe, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die Gegenforderung  beendet worden sei. In den Gründen hat der BGH ausgeführt, dass die Schiedsabrede anerkanntermaßen ein vertragliches Verbot enthalte, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden sollte. Die Aufrechnung mit einer solchen Gegenforderung dürfe im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht nicht beachtet werden. Auch hier setzt sich der BGH nicht mit der Frage eines Vorbehaltsurteils oder einer Aussetzung des Verfahrens wegen der Schiedsgerichtsabrede auseinander (soweit in der Entscheidung eine Aussetzung thematisiert wird, betrifft sie einen anderen Sachverhalt).
Vor diesem Hintergrund wird auch in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Endurteil zu ergehen habe (vgl. Voit in Musielak 10. Aufl. 2013, § 1029 ZPO Rd-Nr. 25; Elzer in BeckOK, Stand 1.4.2013 § 302 ZPO Rd-Nr. 23). Dies wird damit begründet, dass ein Vorbehaltsurteil nur dann zu ergehen habe, wenn die Gegenforderung noch nicht entscheidungsreif sei. Entscheidungsreife liege jedoch nur vor, wenn die Aufrechnung mit der Gegenforderung unzulässig sei (Elzer aaO. unter Hinweis auf BGH 22.6.1961 – VII ZR 166/60 MDR 1961, 846f.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die Beklagte kann sie, wenn ihr im Schiedsverfahren die Gegenforderung zugesprochen wird, im Rahmen einer Klage nach § 767 ZPO geltend machen; sie wäre auch nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil die Aufrechnung im vorliegenden Prozess unzulässig ist und deshalb bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung  im Ausgangsprozess gerade nicht geltend gemacht werden kann. Das Verfahren ist auch nicht nach §148 ZPO auszusetzen. Die Vorschrift ist schon von ihrem Wortlaut her nicht einschlägig, weil das Schiedsgerichtsverfahren noch nicht anhängig ist.
27.11.2013
Recht und Steuern

A 6 Nr. 63

A 6 Nr. 63 Nr. 3100 VV-RVG, Vorb. 3.2.2 Nr. 1 lit.a, Nr. 3206, 3208 VV-RVG, §§ 574, 1025, 1065 ZPO – Anwaltsgebühr für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs verbleibt es für das Rechtsbeschwerdeverfahren bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG.
Eine entsprechende Anwendung des Unterabschnitts 2 (Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a), der die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel betrifft und Verfahrensgebühren nach Nr. 3206 mit Nr. 3208 zur Folge hätte, auf Schiedssprüche kommt nicht in Betracht. Titel im Bereich der ZPO sind nur zur Vollstreckung geeignete Titel (vgl. die Sonderregel § 794 Abs. 1 Nr. 4a für Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären); ein Schiedsspruch fällt nicht darunter.  
OLG München Beschl.v. 8.8.2013 – 34 Sch 10/11 NJW 2013, 3186 = RKS A 6 Nr. 63
Aus dem Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 14.11. erklärte der Senat einen am 27.1.2011in Zürich/Schweiz  ergangenen Schiedsspruch, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung verurteilt wurde,  für vollstreckbar. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf der BGH mit Beschl. v. 13.9.2012 auf Kosten der AGg. als unzulässig. Am 31.10.2012 hat die Antragstellerin Kostenfestsetzung hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem BGH beantragt und dabei eine 2,3-Verfahrensgebühr entsprechend Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a i.V.m. Nr. 3206, 3208 VV-RVG geltend gemacht. Mit Beschluss v. 10.12.2012 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen: gem. Vorb. 3.1. Abs. 2 VV-RVG falle für die Rechtsbeschwerde nach § 1065 ZPO eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG in Höhe von 1,3 an. Gegen diese Entscheidung hat die ASt. Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Kosten in der geltend gemachten Höhe festzusetzen und hilfsweise die Rechtsbeschwerde zum BGH zuzulassen. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde findet gem. § 567 Abs. 1 ZPO nur statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte  und Landgerichte, nicht gegen Entscheidungen des OLG (Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. § 567 Rd-Nr. 38). Da gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, findet die befristete Erinnerung statt, über die der Einzelrichter (§ 11 Abs. 2 S. 4 RPflG i.V.m. § 568 S. 1 ZPO) und nach Übertragung des Verfahrens gem. § 568 S. 2 ZPO der Senat entscheidet.
Die Erinnerung ist unbegründet. Gem. Teil 3 Abschn. 1 Vorb. 3.1 Abs. 2 VV-RVG ist dieser Abschnitt – ohne dass insoweit eine Einschränkung ersichtlich wäre – auf Rechtsbeschwerde-verfahren nach § 1065 ZPO anzuwenden.  Damit fällt dort gem. Nr. 3100 VV-RVG eine Verfahrensgebühr von 1,3 an. Zwar bildet der vorgenannte Abschnitt eine Auffangregelung (vgl. etwa Hartung/Römermann VV-RVG Teil 3 Rd-Nr. 22)  für die gerichtlichen Verfahren,  für die in den folgenden Abschnitten dieses Teils keine Gebühren bestimmt sind. Allerdings ist in Abs. 2 das rechtsbeschwerdeverfahren nach § 1065 ZPO ausdrücklich als diesem Abschnitt unterfallend genannt, so dass schon zweifelhaft erscheint, ob insoweit Abs. 1 überhaupt noch zum Zuge kommt.
Zieht man Abschnitt 1heran, stellt sich die Frage, ob Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 vorgeht mit der Folge, dass grundsätzlich ein Gebührensatz von 1,6 bzw. – weil sich wegen § 78 Abs. 1 S. 3 ZPO die Parteien nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können -  ein solcher von 2,3 zur Anwendung kommt. Gem. Vorb. 3.2.2. Nr. 1 lit. a VV-RVG ist dieser Unterabschnitt anzuwenden in Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel.
Unter Titel wird aber im Bereich der ZPO ein zur Vollstreckung geeigneter Titel verstanden, das Gesetz selbst spricht nur von Vollstreckungstiteln (vgl. etwa § 794 ZPO und dort die Sonderregel zu Schiedssprüchen in Abs. 1 Nr. 4 a). Auch im juristischen Sprachgebrauch ist Titel die abgekürzte Bezeichnung für Vollstreckungstitel (vgl. etwa Creifelds Rechtswörterbuch 19. Aufl. „Titel [vollstreckbarer]“; „Vollstreckungstitel“), der die Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung bildet. Ein Schiedsspruch fällt somit nicht darunter (s. §§ 1060 Abs. 1, 1061 ZPO und Art.III UN-Übereinkommen über  die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 BGBl. II 1961 1961, 122). Solche bedürfen erst der Vollstreckbarerklärung.
So wird ganz allgemein für das Vollstreckbarerklärungsverfahren – ohne Differenzierung danach, ob es sich um einen inländischen oder ausländischen Schiedsspruch handelt – von der Anwendbarkeit der Nr. 3100 VV-RVG ausgegangen (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1065 Rd-Nr. 7; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1065 Rd-Nr. 7; Mayer in Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. § 36 Rd-Nr. 9 für die 1. Instanz;  Müller/Rabe in Gerold/Schmidt VV  Vorb. 3.1Rd-Nrn. 3, 4 für die Rechtsbeschwerde). Soweit auch ausländische Schiedssprüche Abschnitt 2 unterstellt werden (Müller/Rabe in Gerold/Schmidt VV Vorb. 3.2.1.Rd-Nr. 12), wird dies nicht begründet.
Eine Regelungslücke, die durch teleologische  Reduktion auszufüllen wäre, liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes sind nicht ersichtlich.
17.11.2013  
Recht und Steuern

A 1 Nr. 226

A 1 Nr. 226 § 207 InsO, §§ 1032 Abs. 1 ZPO – Undurchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung wegen Masseunzulänglichkeit
Eine vom Schuldner getroffene Schiedsvereinbarung, an die der Insolvenzverwalter grundsätzlich gebunden ist, wird undurchführbar, wenn die Kosten des Schiedsverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit nicht aufzubringen sind und auch nicht anderweitig für eine Kostendeckung gesorgt ist. Die Undurchführbarkeit führt ex lege zum Wegfall der Schiedsvereinbarung.
OLG Köln Beschl.v. 5.6.2013 – 18 W 32/13 ZIP 2013, 2024
Aus den Gründen:
Die Einrede der Schiedsvereinbarung (§ 1032 Abs. 1 ZPO) setzt nicht nur den Bestand einer wirksamen und die Parteien bindenden Schiedsvereinbarung voraus, sondern darüber hinaus darf die Schiedsvereinbarung, wie § 1032 Abs. 1 letzter Halbsatz Alt. 3 ausdrücklich vorsieht, nicht undurchführbar sein. In der Undurchführbarkeit liegt dabei kein Kündigungsgrund, sondern sie führt ex lege zum Wegfall der Schiedsvereinbarung (BGH Urt.v. 14.9.2000 – III ZR 33/00 NJW 2000, 3720 = BGHZ 145, 177 = juris Rz. 11f = RKS A 1 Nr. 107). Undurchführbar in diesem Sine ist eine Schiedsvereinbarung schon dann, wenn der Anspruchsteller wegen Mittellosigkeit die Kosten des vereinbarungsgemäß erforderlichen Schiedsverfahrens nicht aufzubringen vermag und nicht anderweitig für eine Kostendeckung gesorgt ist (vgl. BGH Urt.v. 14.9.2000 RKS A 1 Nr. 107).
Im vorliegenden Fall folgt die Mittellosigkeit des als Insolvenzverwalter tätigen Antragstellers schon daraus, dass das Insolvenzverfahren zum einen mit Beschluss vom 23.9.2010 mangels kostendeckender Masse nach § 207 InsO eingestellt wurde, zum anderen aber mit demselben Beschluss gem. § 203 InsO eine Nachtragsverteilung hinsichtlich des Genossenschaftsanteils der Schuldnerin an der Beklagten und den damit zusammenhängenden rechten sowie eines Genossenschaftsanteils von 300 Euro an einer W. eG angeordnet wurde. Denn daraus ergibt sich, dass der Kläger die nach Ziffer V der Schiedsvereinbarung u.U. ihn treffenden Kosten eines Schiedsverfahrens aus der bereitstehenden Masse nicht tragen  könnte. Da auch nicht ersichtlich ist, wie die Kosten in zumutbarer Weise anderweit gedeckt werden könnten, ist die Schiedsvereinbarung hier undurchführbar und steht der Zulässigkeit der beabsichtigten Klage nicht entgegen.  
18.11.2013
Recht und Steuern

N 1 Nr. 1

N 1 Nr. 1 BGB § 314, § 320, § 535, § 543, § 611, § 626, § 631, § 675; HGB § 84, § 89a; ZPO § 286, § 416, § 1050, § 1062 Internet-Recht: Onlineshop- und Webhosting-Vertrag mit Umsatzprovision
1. Bei einem Vertrag über Bereitstellung und Betrieb eines Onlineshops mittels Webhosting handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit miet- bzw. leasing- nebst z.T. dienstvertraglichen oder handelsvertreterähnlichen und anfangs werkvertraglichen Elementen.
2. Auslandszeugen im Schiedsverfahren können entweder durch Schiedsparteien gestellt oder über das Amtsgericht gemäß dem Haager Beweis-Übereinkommen im Ausland vernommen werden.
3. Die vorbehaltlose Ingebrauchnahme des Onlineshops kann als Abnahme anzusehen sein; eine verspätete Fertigstellung kann der Auftraggeber nur nach Bereitstellung seiner Unterlagen (z.B. über Produkte und Preise) geltend machen.
4. Die Eröffnung eines Onlinezugangs für den Auftraggeber kann der Abkürzung der Shop-Pflege dienen.
5. Aufgrund mietrechtlicher Einordnung der im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen, noch nicht abgeschlossenen Leistungen kann der Onlineshop- bzw. Webhosting-Vertrag wegen Zahlungsverzugs mit mehr als zwei Monatsbeträgen fristlos gekündigt werden; und zwar bei Zurverfügungstellung von virtuellen Räumen entsprechend dem für die Geschäftsraum-Miete geltenden Kündigungsrecht, einschließlich der Berechtigung des Vermieters zur Abschaltung der Versorgung.
Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, Schiedsspruch vom 8. Mai 2013, GIX/2/Sch/1112, rechtskräftig  - RKS N 1 Nr. 1
Aus dem Sachverhalt:
Streitig ist eine Forderung der Schiedsklägerin gegen die Schiedsbeklagte aus einem Vertrag über die Erstellung und den Betrieb eines Onlineshops auf Provisionsbasis. ...
Aus den Gründen:
Die Schiedsklage ist in der Hauptsache begründet. Der Schiedsklägerin steht gegen die Schiedsbeklagte die Schiedsklageforderung aus Umsatzbeteiligung am Onlineshop gemäß Vertrag ... zu.
1. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich aus dem ... zustande gekommenen Onlineshop-Vertrag. Dieser ist im Rahmen der Vertragsfreiheit wirksam und verstößt nicht gegen (zwingende) gesetzliche Vorschriften wie z.B. §§ 134, 138 BGB.
Dafür, dass die Schiedsklägerin allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hätte, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder aus der Vertragsgestaltung zu ersehen. Davon abgesehen wäre auch keine unangemessene Benachteiligung des Unternehmens der Schiedsbeklagten als Handelsgesellschaft (GmbH) im kaufmännischen Verkehr zu erkennen nach § 307, § 310 Abs. 1, § 14 BGB, §§ 1, 6 HGB.
Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (§ 314 BGB) mit miet- bzw. leasing- nebst z.T. dienstvertraglichen oder handelsvertreterähnlichen und anfangs werkvertraglichen Elementen (vgl. §§ 535 ff BGB, §§ 611 ff BGB, §§ 84 ff HGB; BGH vom 15. November 2006 XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394; OLG Köln vom 13. Mai 2002 19 U 211/01, CR 2002, 832; AG Charlottenburg vom 11. Januar 2002 208 C 192/01, CR 2002, 297 m. Anm. Runte; Dieselhorst/Grages, MMR 2011, 368); im Unterschied zu einem Kauf von Standard-Software (§§ 433 ff BGB) oder zu einer bloßen Geschäftsbesorgung (vgl. §§ 675 f BGB; OLG München vom 5. Dezember 2002 6 U 5770/01, NJW-RR 2003, 1423) oder zu einem im Schwerpunkt werkvertraglichen Charakter (vgl. §§ 631 ff BGB; Brandenburgisches OLG vom 22. November 2011 Kart U 4/09, MMR 2011, 368; BGH vom 28. Juli 2011 VII ZR 45/11, NJW-RR 2011, 1588; vom 24. März 2011 VII ZR 164/10, WM 2011, 1716; VII ZR 135/10, CR 2011, 528; VII ZR 134/10, Juris; VII ZR 111/10, WM 2011, 1997; vom 27. Januar 2011 VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149: vom 4. März 2010 III ZR 79/09, BGHZ 184, 1449).
Nachdem die Schiedsklägerin die Anfangsaufwendungen für die Gestaltung und Inbetriebsetzung und das mit diesen Aufwendungen verbundene Risiko übernommen hat, erhält sie anschließend für die Dauer ihrer Shop- nebst Domain-Bereitstellung und Pflege die 5 % Umsatzbeteiligung. Während der Shop weiterhin der Schiedsklägerin gehört, wachsen neue Online-Kunden mit Kundendaten der Schiedsbeklagten zu. Durch diese Gestaltung wurde die Schiedsbeklagte von hohen Anfangskosten entlastet. Zugleich bewirkt die Umsatzbeteiligung ein gleichgerichtetes Interesse der Vertragsparteien an der Entstehung und Erhöhung der Umsätze sowie an einem entsprechenden Geschäftserfolg (vgl. OLG Düsseldorf vom 7. September 2009 I-16 U 62/08, Juris). ...
Soweit die Schiedsbeklagte jetzt im Schiedsverfahren einwendet, nur eine Umsatzbeteiligung an den durch die vorgesehene Onlinewerbung generierten Umsätzen sei vereinbart worden, so ergibt sich dagegen aus dem klaren Vertragswortlaut, dass die Umsatzbeteiligung sich auf 5 % „aller im Onlineshop generierten“ Umsätze beläuft. Es kommt danach nur auf die Bestellungen über den Onlineshop an und nicht auf realistisch kaum feststellbare Umstände, wie etwa der jeweilige Kunde ursprünglich geworben wurde oder was oder welche Werbung ihn zu seiner jeweiligen Bestellung bewogen hat.
2. a) Sofern eine Partei den schriftlichen Vertragsinhalt einschränkende Vereinbarung geltend machen und damit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde widerlegen will, obliegt dieser Partei der Beweis (entsprechend §§ 286, 416 ZPO; vgl. BGH vom 17. April 1997 I ZR 251/94, NJW-RR 1998, 32; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 93 „Form“, § 416 Rd. 7 „Vertragsurkunde“ m.w.N.; Geimer in Zöller, ZPO, 29. A., § 416 Rd. 10 m.w.N.). ...
b) Außerdem hat die Schiedsbeklagte für den ... Zeugen ... dessen angekündigte jetzige schweizerische Adresse nicht nachgereicht. Danach kommt es nicht mehr an auf Verfahren gemäß § 1050, § 1062 Abs. 4 ZPO und gemäß dem Haager Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970 (BGBl. 1977 II, s. 1452, 1472) i.V.m. Beitritt und Vorbehaltserklärungen der Schweiz mit Wirkung ab 1995 (BGBl II 1995, 532 ff). Im Übrigen hat die Schiedsbeklagte weder ein entsprechendes Verfahren beantragt noch angeboten, den außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässigen Zeugen selbst zu stellen.
c) Davon abgesehen hat die Schiedsbeklagte unstreitig auf die Umsatzbeteiligungen die im September und Dezember 2011 verbuchten Zahlungen geleistet, die bei der Berechnung der Schiedsklageforderung berücksichtigt worden sind ... Mangels ersichtlicher oder von der Schiedsbeklagten behaupteter Vorbehalte lassen die Zahlungen auf eine Anerkennung der vertraglichen Verpflichtung schließen (vgl. BGH vom 8. Juni 1988 IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 m.w.N.; ferner Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 194 „Teilleistung“; BGH vom 1. Dezember 2005 I ZR 284/02, TransportR 2006, 202) ...
3. Soweit die Schiedsbeklagte sich jetzt im Schiedsverfahren auf verspätete Bereitstellung des Onlineshops - erst nach dem Weihnachtsgeschäft 2010 - beruft, bleibt die Schiedsklageforderung unberührt.
a) Ohnehin bezieht sich die Schiedsklage nur auf Umsatzbeteiligungen aus den Monaten, in denen der Onlineshop bereitgestellt war und durch Online-Bestellungen Umsätze generierte ...
b) Der jetzigen Beanstandung stehen im Übrigen die als Abnahme anzusehende vorbehaltlose Ingebrauchnahme des Onlineshops ... sowie die vorbehaltlosen Zahlungen im September und Dezember 2011 entgegen, die auf eine Anerkennung der ihnen zugrundeliegenden monatlichen Umsatzbeteiligungen schließen lassen ...
c) Davon abgesehen ist dem Vertrag keine verbindliche Terminsvereinbarung vor dem Weihnachtsgeschäft zu entnehmen. Dass der erst am 26. November 2010 unterschriebene Vertrag „zum 01. 11. 2010“ geschlossen wurde, lässt nicht ohne weiteres auf einen verbindlichen Fertigstellungstermin schließen. Dieser hätte nämlich eine beiderseitige vorherige Tätigkeit oder Mitwirkung erfordert. Eine genaue Vereinbarung war auch nicht zwingend erforderlich, weil bei Vertragsschluss zugleich ein Interesse der Schiedsklägerin an frühestmöglicher Inbetriebsetzung des Online­shops zwecks ihrer Umsatzbeteiligung angenommen werden konnte.
d) Selbst wenn ein solcher Termin hätte festgestellt werden können, könnte die Nichteinhaltung gegenüber der Schiedsklägerin nur dann von der Schiedsbeklagten geltend gemacht werden, wenn letztere alle ihrerseits dazu erforderlichen Mitwirkungen ... rechtzeitig vorher erbracht hätte ...
4. Die von der Schiedsbeklagten erhobene Einrede der unzureichenden Vertragserfüllung der Schiedsklägerin (§ 320 BGB) greift insbesondere insoweit nicht durch, als es um die Shop-Pflege geht.
a) Soweit die Schiedsbeklagte vorträgt, die von ihr bereitgestellten Texte, Fotos und Erläuterungen, auch in russischer Sprache, betreffend aktuelle Artikel, Preise, Rabatte und Zahlungsarten einfacher und schneller durch eigenes Personal ins Netz gestellt zu haben, kann daraus geschlossen werden, dass ihr die Schiedsklägerin einen geeigneten und leicht zu bedienenden Zugang bereitgestellt hat. Dadurch konnte die beiderseitige Mitwirkung und Zusammenarbeit zeitlich effektiver und nicht nur für die Schiedsklägerin, sondern auch für die Schiedsbeklagte erleichtert werden. Durch diese Weg-Abkürzung und Beschleunigung konnten Pflege und Aktualität verbessert werden, ohne dass der Schiedsklägerin mangelnde Vertragserfüllung vorzuwerfen wäre. Sie blieb für gestalterisch oder technisch anspruchsvolle Arbeiten zuständig und verantwortlich und musste aufgrund ihrer Betreuungspflicht ... mit ihrem Personal ständig zur Verfügung stehen, um den Onlineshop betriebsbereit zu halten, etwa auch bei technischen Störungen oder Internetangriffen von außen ...
c) Im Übrigen fehlt es an einer substanziierten Darlegung und hinreichenden Beweisbehauptung der Schiedsbeklagten ..., welche Verpflichtung die Schiedsklägerin konkret nicht erfüllt haben sollte oder bezüglich welcher Daten oder Unterlagen die Schiedsklägerin eine Netzeingabe verweigert oder verzögert habe ...
Sofern die Schiedsbeklagte weiter bestreiten will, dass die Schiedsklägerin ihrer Verpflichtung zur Werbung in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter nicht nachgekommen sei, wird demgegenüber diese Werbung - mit einer Reihe von interessanten Aufmachern und Ideen - überzeugend belegt durch die eingereichten Kopien aus den Facebook- und Twitter-Accounts für den Onlineshop ... Auch insoweit lässt sich aus dem pauschalen ... Vortrag der Schiedsbeklagten ohne konkrete Beweisbehauptung nicht nachvollziehen ..., welches von ihr bereitgestellte Material oder welche sonst in Betracht kommenden Möglichkeiten die Schiedsklägerin nicht genutzt oder umgesetzt hätte ....
Soweit die Schiedsbeklagte den Zugang und die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung des Onlineshop-Vertrags seitens der Schiedsklägerin bestreitet, bleibt dadurch die Schiedsklageforderung auf die ausstehenden Umsatzbeteiligungen für die vorangegangenen Monate unberührt ...
5. Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob oder dass - unabhängig von der Vertrags-Mindestlaufzeit oder von einer ordentlichen Kündigung - das vorstehend charakterisierte Dauerschuldverhältnis ... fristlos gekündigt werden konnte, nicht nur gemäß Vertrag ... oder aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 626 BGB, § 89a HGB, sondern speziell, nach mietrechtlicher Einordnung der - im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen - noch nicht abgeschlossenen Leistungen, wegen Zahlungsverzugs mit mehr als zwei Monatsbeträgen gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB; das heißt bei dauerhafter Zurverfügungstellung von Software und Speicherkapazität im Sinne von virtuellen Räumen entsprechend dem für die Geschäftsraum-Miete geltenden Kündigungsrecht (vgl. LG Mannheim vom 7. Dezember 2010 11 O 273/10, Juris m. Anm. Lapp); einschließlich der Berechtigung des Vermieters zur Abschaltung der Versorgung (vgl. Klärung des vorherigen Meinungsstreits durch BGH vom 6. Mai 2009 XII ZR 137/09, BGHZ 180, 300) ...
3.11.2013
Recht und Steuern

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RECHT UND STEUERN

A 4b Nr. 57

A 4 b Nr. 57 §§ 767, 887, 888 ZPO – Erfüllungseinwand des Schuldners im Verfahren zur Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch
1. Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu berücksichtigen. Seine Prüfung kann auch im Verfahren gem. §§ 887, 888 ZPO prozessökonomisch sinnvoll sein.
2. Einen der Schiedsabrede unterliegenden bestrittenen Erfüllungseinwand hat das OLG hierbei nicht zu prüfen; dadurch würde das staatliche Gericht in die parteiautonom bestimmte Zuständigkeit des Schiedsgerichts eingreifen.
BGH Beschl. v. 6.6.2013 – I ZB 56/12 MDR 2013, 1188 = RKS A 4 b Nr. 57 (OLG München 18.6.2012 - 34 Sch 32/11 RKS A 4 b Nr. 54)
Aus den Gründen:
1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGH  Beschl.v. 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161,67 [71ff.] = MDR 2005, 351; Beschl.v. 17.9.2009 – I ZB 67/09 – Rz. 7, MDR 2011, 433 = JurBüro 2009, 662). Das gilt gleichermaßen für das – hier in Rede stehende . Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO (OLG Hamm Beschl.v. 7.6.2010 – 7 W 13/10 –Rz. 18 juris m.w.N; OLG Frankfurt Beschl.v. 10.12.2010 – 13 Sch 1/10 – Rz. 7 juris; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl., § 888 Rz. 11; Musielak/Lachmann ZPO 10. Aufl. § 888 Rz. 8).
Für die Prüfung des Erfüllungseinwandes in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann  - u.a. – die Prozessökonomie sprechen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist – soweit nötig – in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde durch die Verweisung des Schuldners auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage auch nicht beschleunigt. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müsste dem Schuldner unter Umständen Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden und würde das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht auf Grund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits zudem am ehesten entscheiden (vgl. BGH 5.11.2004 –IXa ZB 32/04 BGHZ 161, 67 [72f.] = MDR 2005, 351).
Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus  einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung  des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs.  1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte (BGH Beschl.v. 8.11.2007 – III ZB 95/06 Rz. 31 MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102; Beschl. v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 Rz. 8 f., MDR 2010, 1415 = NJW-RR 2011, 213 = RKS A 4 a Nr. 128 m.w.N.).
Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner  Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (BGH 8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 31, MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102 m.w.N.).
Sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Schiedsspruch können aber auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden.
Dafür kann allerdings nicht angeführt werden, die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebiete, könne am ehesten vom OLG als Vollstreckungsgericht auf Grund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits entschieden werden (s.o.). Das OLG ist im Erkenntnisverfahren nicht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen  und hat von daher auch keine Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits. Für eine Zulassung sachlich-rechtlicher Einwendungen im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs sprechen jedoch die anderen Gründe, die der BGH bereits in seinen früheren Entscheidungen als maßgeblich angesehen hat (BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161,67 [71ff.] = MDR 2005, 351; 8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 31 MDR 2008,156  = NJW-RR 2008, 659 [662] = RKS A 4 a Nr. 102).  So hängt die Vollstreckung  gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine – auf die Vornahme einer  (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete – Verpflichtung nicht erfüllt.
Dass der Erfüllungseinwand in Verfahren nach § 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen sein soll, ergibt sich ferner aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung der Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO durch die 2.Zwangsvollstreckungsnovelle v. 17.12.1997 (BGBl. I 3039). Danach soll diese Neufassung der Möglichkeit Rechnung tragen, dass  Vollstreckungsanträge des Gläubigers etwa nur deshalb teilweise  erfolgreich sind, weil der Schuldner nachweist, dass er die vertretbare oder unvertretbare Handlung teilweise erfüllt hat (s. BT-Drucks. 13/341, 41).
Schließlich ist es auch im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, sachlich-rechtliche Einwendungen, auf die eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, bereits im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs zuzulassen und den Schuldner nicht auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, sondern könnte eher verzögert werden, wenn der Schuldner auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage verwiesen würde (BGH 5.11.2004 – IXa ZB 32/04 BGHZ 161, 67 [72 f.] = MDR 2005, 351).
2. Abweichendes gilt im Schiedsverfahren allerdings, wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt. In diesem Fall ist nicht das OLG, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung berufen (BGH 3.12.1986 -  IVb ZR 80/85 BGHZ 99, 143, [146ff.] =MDR 1987, 302; v.8.11.2007 – III ZB 95/06 – Rz. 19, MDR 2008, 156 = NJW-RR 2008, 659 = RKS A 4 a Nr. 102; v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 – Rz. 10, MDR 2010, 1415 = NJW-RR 2011, 213 Rz. 20-22 = RKS A 4 a Nr. 128.
18.10.2013   
RECHT UND STEUERN

A 4b Nr. 56

A 4 b Nr. 56 §§ 707 Abs. 1 S. 2, 1063 Abs. 3, 1065 Abs. 2 S. 2 ZPO – Ausländischer Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärungsverfahren, fortbestehendes Sicherungsinteresse trotz Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs entfällt die Veranlassung für eine vom Rechtsbeschwerdegericht angeordnete Sicherheitsleistung nicht deswegen, weil der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren an das OLG zurückverwiesen worden ist.
BGH Beschl. v. 14.5.2013- III ZB 40/12 RKS A 4 b Nr. 56 RIW 2013, 634 = RKS A 4 b Nr. 56
Aus den Gründen:
Wie sich aus § 1063 Abs. 3 ZPO ergibt, besteht im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ein legitimes Sicherungsinteresse derjenigen Partei, zu deren Gunsten ein Schiedsspruch ergangen ist, bereits vor dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung. Dieses Interesse bleibt von einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses unberührt. Dies muss vor allem im vorliegenden Fall gelten, in dem unstreitig im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland kein weiteres Vermögen des Antragsgegners [als das sicherungsgepfändete Flugzeug – Anm. d. Red.], in das vollstreckt werden könnte, vorhanden ist, d.h. im Falle des Erlöschens der Sicherheiten die Fortführung des Verfahrens wirtschaftlich sinnlos wäre. Der Zweck der insoweit gestellten Bürgschaften ist nicht entfallen. Es steht noch nicht fest, dass eine Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht in Betracht kommt. Allein die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses genügt nicht.
6.9.2013
RECHT UND STEUERN

A 2 Nr. 67

A 2 Nr. 67 §§ 1025 Abs. 1 und 3, § 1043 Abs. 1, § 1035 ZPO. Keine internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zur Bestellung eines Schiedsrichters für ein Verfahren an ausländischem Schiedsort – Umfang der Rechtskraft eines deutschen Prozessurteils betr. u.a. die Wirksamkeit einer Schiedsabrede nach ausländischem Recht.
1. Ein deutsches (Oberlandes-) Gericht hat keine internationale Zuständigkeit zur Bestellung eines Schiedsrichters für ein Schiedsverfahren mit bestimmbarem Schiedsort, der sich nicht im Inland befindet.
2. Zum Umfang der Rechtskraft eines deutschen Prozessurteils, das die Klage auf Fortbestehen eines Vertragsverhältnisses (hier: Mitgliedschaft eines in einem deutschen Büro tätigen Rechtsanwalts in einer „General Partnership“ nach dem Recht des US-Bundesstaats Ohio) als unzulässig abweist, weil entweder der Partnerschaftsvertrag nicht wirksam zustandegekommen oder aber die Schiedsvereinbarung wirksam ist: Wird eine Klage als unzulässig abgewiesen, so bildet nur die Zulässigkeitsfrage den Gegenstand der Entscheidung. Fest steht nur die Unzulässigkeit der Klage auf Grund des jeweiligen Zulässigkeitsmangels. Die Beurteilung von Vorfragen, auch materiellrechtlicher Art, aus denen sich der Unzulässigkeitsgrund ableiten lässt, erwächst nicht in Rechtskraft. Die Rechtskraft kann sich auch nicht auf weitere prozessuale oder gar materielle Rechtsfolgen auswirken, die sich aus diesem Unzulässigkeitsgrund ableiten ließen. Enthält das Urteil insoweit Ausführungen zum Inhalt der Schiedsklausel, nämlich zum Schiedsort und zum anwendbaren Recht, erwachsen auch derartige Ausführungen nicht in Rechtskraft.
OLG München, 34. Zivilsenat Beschluss vom 9.10.2013 -34 SchH 6/13 RKS A 2 Nr. 67
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt mit derzeitigem Wohn- und Kanzleisitz in Berlin. Er begehrt vor dem Oberlandesgericht München Schiedsrichterbestellung für ein beabsichtigtes Schiedsverfahren gegen einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten in der Rechtsform einer "General Partnership" nach dem Recht des US-Bundesstaates Ohio.
1. Zum 1.1.2003 trat der Antragsteller als Partner der Antragsgegnerin bei. Diese ist weltweit wirtschaftsrechtlich beratend tätig. Ihre Geschäfte werden von einem "Managing Partner" geleitet. In Deutschland unterhält sie derzeit drei Büros, nämlich in Düsseldorf, Frankfurt und München. In dem letzteren war der Antragsteller tätig. Der Sitz der rechts- und parteifähigen Antragsgegnerin befindet sich derzeit in Washington D.C..
Die Aufnahme des Antragstellers fand zu den Bedingungen eines "Partnership Agreements" vom 1.1.1999 statt (im Folgenden PSA). Dieses enthält u. a. (in deutscher Übersetzung) folgende Regelungen:
14.2 Die Gültigkeit, Auslegung und Durchsetzbarkeit dieser Vereinbarung unterliegen den Gesetzen des US-Bundesstaates Ohio, ohne dass dessen Kollisionsregelungen zur Anwendung kommen, sofern nicht der Managing Partner schriftlich festgelegt hat, dass diese Vereinbarung nach den Gesetzen eines anderen Gerichtsbezirkes in den USA auszulegen ist. Wenn der Managing Partner in einem Büro außerhalb der USA ansässig ist, bestimmt er/sie entsprechend der Gerichtsbarkeit, deren Recht dann gemäß dem vorstehenden Satz die Gültigkeit, Auslegung und Durchsetzbarkeit dieser Vereinbarung unterliegt, schriftlich eine Stadt, wo gemäß Artikel 14.3 und 14.4 ein Schiedsverfahren durchgeführt oder Klage eingereicht werden kann. Bestimmungen des Managing Partners im Rahmen des vorstehenden Satzes sind Zusätze zu diesem Artikel 14.2.
14.3 (a) Soweit dieser Artikel 14.3 nichts anderes bestimmt, werden jegliche Ansprüche, wann immer diese geltend gemacht werden und unabhängig davon, ob sie erhoben werden aufgrund von unerlaubten Handlungen oder Vertragsverletzungen, basierend auf Gewohnheitsrecht oder auf einer angeblichen Verletzung der Gesetze und Vorschriften auf Bundesstaats- oder Bundesebene, aus Rechtsstreitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen oder unter den Partnern, ehemaligen Partnern oder deren Nachfolgern (...) oder zwischen der Kanzlei und einem oder mehreren Partnern, ehemaligen Partnern oder deren Nachfolgern im Hinblick auf die Geschäfte, Tätigkeiten oder Angelegenheiten der Kanzlei oder einer ihrer Partner, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, ... den Partnerschaftsstatus eines jeglichen Partners oder ehemaligen Partners (...), im Rahmen eines Schiedsverfahrens von einem Schiedsrichter, der ein ehemaliger Richter ist, nach den Regeln und Verfahrensweisen, die in Anlage D zu dieser Vereinbarung aufgeführt sind, entschieden.
(b) Sofern diese Vereinbarung nichts anderes bestimmt, ist ein Schiedsverfahren im Rahmen dieses Artikels 14.3 und der Anlage D die einzige Methode, um über Ansprüche zu entscheiden und unter keinen Umständen darf über einen Anspruch auf andere Art und Weise entschieden werden. Ohne Einschränkung des Vorstehenden hat der Schiedsrichter, und kein Gericht auf Bundes-, Bundesstaats- oder regionaler Ebene, die ausschließliche Befugnis, eine Streitigkeit hinsichtlich der Auslegung, Anwendbarkeit, Vollstreckbarkeit oder des Abschlusses dieser Vereinbarung zu entscheiden, insbesondere jeglichen Anspruch, dass diese Vereinbarung ganz oder teilweise nichtig oder anfechtbar sei. Der endgültige Schiedsspruch und die Entscheidung (nach einer zulässigen Berufung gemäß Abschnitt 9, Anlage D) sind für die Parteien im größtmöglichen rechtlich zulässigen Rahmen endgültig und verbindlich.
(c) ...
(d) Soweit dieser Artikel 14.3 oder Anlage D nichts anderes bestimmt, unterliegen Verfahren im Rahmen dieser Vereinbarung dem Federal Arbitration Act. Sollte der Federal Arbitration Act nicht anwendbar sein, gelten die entsprechenden Rechtsvorschriften in Bezug auf Schiedsgerichtsvereinbarungen des jeweiligen Gerichtsstands, der in Artikel 14.2 festgelegt ist.
14.4 Jegliche Klage eines Partners, ehemaligen Partners oder Nachfolgers gegen die Kanzlei, ob zur Erzwingung eines Schiedsverfahrens in Bezug auf einen Anspruch oder zur Bestätigung oder Anfechtung der Durchsetzung eines Schiedsspruchs, ist in dem zuständigen ordentlichen Gericht an dem Ort zu erheben, an dem der Managing Partner zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage sein Hauptbüro hat oder, wenn das Büro nicht in den Vereinigten Staaten liegt, in der Stadt, die zuletzt gemäß Artikel 14.2 vor Erhebung der Klage bezeichnet wurde. ... Keine der Bestimmungen dieses Artikels 14.4 kann dahingehend ausgelegt werden, dass die Einreichung einer Klage hinsichtlich einer jeglichen Streitigkeit oder Meinungsverschiedenheit, die gemäß Artikel 14.3 einem obligatorischen Schiedsverfahren unterliegt, zulässig ist.
In Anlage D ist weiter geregelt:
Schiedsverfahren von Ansprüchen
1. Anwendbare Verfahrensordnung. Über die Geltendmachung jeglicher Ansprüche wird im Rahmen eines endgültigen und verbindlichen Schiedsverfahrens vor einem Schiedsrichter, bei dem es sich um einen ehemaligen Richter handelt, entschieden, gemäß den jeweils geltenden Vorschriften der Employment Arbitration Rules of Judicial Arbitration & Mediation Services, Inc. ("J*A*M*S") oder deren Rechtsnachfolger (ausgenommen, dass diese Vereinbarung oder eine Anlage davon eine andere Verfahrensart festlegt). Falls die J*A*M*S nicht mehr existiert und es keinen Rechtsnachfolger gibt, erfolgt das Schiedsverfahren unter dem Vorsitz einer ähnlichen, privaten Schiedsinstitution, die sich aus ehemaligen Richtern zusammensetzt, und deren Bestimmungen den J*A*M*S Employment Arbitration Rules entsprechen, die ab dem Datum dieser Vereinbarung anwendbar sind, sofern hierin nichts anderes festgelegt wird. Geeignete ehemalige Richter, sind Richter die als Federal Judge, State Trial Judge oder Appellate Judge an Gerichten allgemeiner Zuständigkeit tätig waren.
2. ... 3. ...
4. Schiedsort. Schiedsort ist die Stadt, in der sich das Hauptbüro des Managing Partners zum Zeitpunkt der schriftlichen Mitteilung der Geltendmachung eines Anspruchs durch den Anspruchsteller befindet; wenn sich das besagte Büro nicht in den USA befindet, ist der Schiedsort zu wählen, der zuletzt gemäß Artikel 14.2 vor der schriftlichen Mitteilung der Geltendmachung eines Anspruchs festgelegt wurde.
5. Wahl des Schiedsrichters. Der Schiedsrichter ist wie folgt zu wählen: die J*A*M*S-Niederlassung in der Stadt, in der das Schiedsverfahren stattfinden wird, händigt jeder Partei eine Liste mit neun Schiedsrichtern aus. Die Parteien streichen dann alle Namen von der Liste, die sie für nicht geeignet erachten. Wenn nur ein von beiden Parteien als geeignet erachteter Name übrig bleibt, ist diese Person als Schiedsrichter zu benennen. Wenn mehr als ein von beiden Parteien als geeignet erachteter Name übrig bleibt, streichen die Parteien abwechselnd jeweils einen der gemeinsamen Namen von der Liste, bis nur noch ein Name übrig bleibt. Die Partei, die nicht den Anspruch erhoben hat, streicht den ersten Namen. Wenn es keinen gemeinsamen Namen auf den Listen der Parteien gibt, stellt die J*A*M*S eine zusätzliche Liste zur Verfügung, und die Parteien streichen abwechselnd Namen von der Liste, wobei die Partei, die den Anspruch erhoben hat, den ersten Namen streicht, bis nur noch ein Name übrig bleibt. Diese Person wird zum Schiedsrichter ernannt. ...
6. ... 7. ... 8. ... 9. ...
10. Gerichtliches Verfahren. Jede Partei eines Anspruchs kann Klage vor einem zuständigen Gericht an dem in Artikel 14.4 genannten Gerichtsstand erheben, um ein Schiedsverfahren im Rahmen dieses Vertrags zu erzwingen oder die Vollstreckung eines Schiedsspruchs zu bestätigen oder anzufechten.
2. Die Antragsgegnerin beendete im Juli 2008 die Partnerschaft mit dem Kläger aus wichtigem Grund („for cause“). Die Feststellungsklage auf Fortbestand des Vertragsverhältnisses wurde vom Landgericht München I auf die durch die Antragsgegnerin erhobene Schiedseinrede hin am 11.6.2012 als unzulässig abgewiesen. Die Berufung wurde mit Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 14.1.2013 (Az. 21 U 2904/12) mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen:
Es könne offen bleiben, ob der Kläger von vorneherein nicht Partner der Beklagten geworden sei, weil der seinerzeitige Managing Partner letztere nicht habe vertreten können. In diesem Fall fehle der Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Andernfalls stünde die Schiedsklausel der Zulässigkeit der Klage entgegen. Auf das zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis sei deutsches Recht anzuwenden. Dies ergebe sich hier aus Art. 27, 28 EGBGB. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB unterliege der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht, wobei sich die Rechtswahl ausdrücklich und mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergeben müsse. Die vereinbarte Geltung des PSA bewirke, dass auch Ziffer 14.2 gelten solle; wegen Verstoßes gegen Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB stelle diese Regelung aber keine wirksame Rechtswahlklausel dar. Die Rechtswahl werde nämlich nicht im Vertrag selbst getroffen, vielmehr dem Managing Partner die Möglichkeit eingeräumt, einseitig und ohne Zustimmung der anderen Partner festzulegen, dass nicht das Recht des Staates Ohio, sondern das Recht eines anderen Staates der USA oder gegebenenfalls auch irgend eines anderen Staates weltweit gelten solle. Allein die Möglichkeit, dass er dies jederzeit tun konnte, bewirke, dass sich die Rechtswahl nicht mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages ergebe.
Dann folge aus Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB, dass deutsches Recht anzuwenden sei. Charakteristische Leistung sei nämlich die Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt. Im Zeitpunkt seines Beitritts habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und als deutscher Anwalt in der deutschen Niederlassung der Beklagten in München tätig werden sollen.
Dies habe zur Folge, dass auch das Schiedsverfahren in Deutschland durchzuführen sei. Die Parteien hätten eine Regelung getroffen, dass dann, wenn nicht US-amerikanisches Recht angewendet werde, sondern das Recht eines Staates außerhalb der USA, Sitz des Schiedsgerichts die Stadt sein solle, deren Recht Anwendung finde. Diese Vereinbarung sei, wenn nicht schon unmittelbar, jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung hier anzuwenden. Dasselbe ergebe sich aus folgender auf § 139 BGB beruhender Überlegung: Es sei nicht anzunehmen, dass die Parteien als Ort des Schiedsgerichts grundsätzlich den Sitz des Managing Partners in den USA vereinbart hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Rechtswahlklausel mit der grundsätzlich vorgesehenen Anwendung des Rechts des Staates Ohio unwirksam sei.
Bei einem Schiedsverfahren in Deutschland unter Anwendung deutschen Rechts führten die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte nicht zu einer Unwirksamkeit auch der Schiedsklausel als solcher. Es könne dahinstehen, ob dessen Einwände zuträfen, ein Schiedsverfahren in den USA sei unzumutbar teuer, verstoße gegen den deutschen ordre public und führe zu in Deutschland nicht vollstreckbaren Ergebnissen.
3. Der Antragsteller hat daraufhin mit Schriftsatz vom 16.2 beantragt, einen Einzelschiedsrichter gemäß § 1035 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu bestellen.
4. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Antrag.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt bereits an der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für die Hilfe bei der Konstituierung des Schiedsgerichts. Ob sich ein Sitz der Antragsgegnerin in München befindet, bedarf keiner Prüfung. Von einer mündlichen Verhandlung - wie von der Antragsgegnerin beantragt - war nach dem Ermessen des Senats abzusehen.
1. Gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung - als Ausdruck des Territorialitätsprinzips - dann anzuwenden, wenn der Schiedsort i. S. v. § 1043 Abs. 1 ZPO in Deutschland liegt. Daran knüpfen die gerichtlichen Zuständigkeiten in § 1062 ZPO an, so dass ein Gleichlauf von anwendbarem Schiedsverfahrensrecht und gerichtlicher Zuständigkeit hergestellt wird (siehe Wagner SchiedsVZ 2004, 317/318). In Ergänzung dieses Grundsatzes sind die deutschen Gerichte für die Ausübung der in § 1035 ZPO bezeichneten gerichtlichen Aufgabe (Schiedsrichterbestellung) auch dann zuständig, wenn ein Schiedsort noch nicht bestimmt ist und der Beklagte oder Kläger seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (§ 1025 Abs. 3 ZPO). Dies soll eine zügige Konstituierung des Schiedsgerichts ermöglichen (Wagner a.a.O.), weil in diesem Fall die territoriale Anknüpfung (noch) versagt (MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1025 Rn. 22). Nach der Rechtsprechung des vormals zuständigen Bayerischen Obersten Landesgerichts besteht die Bestellungskompetenz des deutschen Gerichts darüber hinaus auch dann, wenn zwar feststeht, dass das Schiedsverfahren im Ausland stattfinden wird, ein konkreter Schiedsort aber noch nicht bestimmt ist (vgl. BayObLG 5.10.2004 4 Z SchH 08/04 RKS A 2 Nr. 32 = SchiedsVZ 2004, 316 mit kritischer Anm. Wagner; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1025 Rn. 3).
2. Ob Letzterem zu folgen ist, kann offen bleiben, denn zum einen steht fest, dass ein eventuelles Schiedsverfahren im Ausland stattzufinden hat und damit auch deutsches Schiedsverfahrensrecht nicht gilt (Wagner a.a.O.); zum anderen ist auch der (konkrete) ausländische Schiedsort bestimmt, jedenfalls bestimmbar.
a) Die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14.1.2013 steht dieser eigenständigen Beurteilung durch den Senat nicht entgegen.
(1) Ein Urteil entscheidet rechtskräftig darüber, ob eine bestimmte Rechtsfolge einge-treten ist oder nicht (vgl. BGHZ 42, 349; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. vor § 322 Rn. 37). Das klageabweisende Urteil stellt fest, dass die streitige Rechtsfolge unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt aus einem bestimmten Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer vor § 322 Rn. 41). Der Inhalt der Entscheidung ist für die Frage nach der Rechtskraftfähigkeit ohne Bedeutung; insbesondere ist auch ein Prozessurteil, das eine Klage als unzulässig abweist, der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. Zöller/Vollkommer vor § 322 Rn. 8 m.w.N.). Die materielle Rechtskraft des Prozessurteils besagt nicht nur, dass die abgewiesene Klage unzulässig war, sondern auch, dass die Klage mit dem damals anhängigen Streitgegenstand unter den damals gegebenen prozessualen Umständen mindestens aus dem in den Entscheidungsgründen genannten Grund unzulässig war und ist. Eine neue Klage kann nur als zulässig behandelt werden, wenn sich die prozessualen Umstände im fraglichen Punkt gegenüber dem Vorprozess geändert haben (Zöller/Vollkommer § 322 Rn. 1 a).
(2) Aufgrund der Entscheidung vom 14.1.2013 steht nur die Unzulässigkeit der Klage fest.
Die Unzulässigkeit wird damit begründet, dass entweder mangels wirksamer Vertretung der Antragsgegnerin beim Vertragsschluss kein Partnerschaftsvertrag und auch keine Schiedsvereinbarung zustandegekommen sei und damit der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle oder aber eine Klage vor dem staatlichen Gericht wegen des Vorrangs der Schiedsvereinbarung unzulässig (§ 1032 Abs. 1 ZPO) sei.
Damit steht nicht rechtskräftig fest, wo ein Schiedsverfahren nach welcher Verfahrensordnung zu führen ist, mag sich auch das Urteil hiermit befassen.
Wird eine Klage als unzulässig abgewiesen, so bildet nur die Zulässigkeitsfrage den Gegenstand der Entscheidung. Die Beurteilung von Vorfragen, auch materiellrechtlicher Art, aus denen sich der Unzulässigkeitsgrund ableiten lässt, erwächst nicht in Rechtskraft. Fest steht nur die Unzulässigkeit der Klage aufgrund des jeweiligen Zulässigkeitsmangels. Der Unzulässigkeitsgrund als solcher erwächst nicht in Rechtskraft, so dass die Rechtskraft sich nicht auf weitere prozessuale oder gar materielle Rechtsfolgen auswirken kann, die sich aus diesem Unzulässigkeitsgrund ableiten ließen (vgl. Leipold in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 131).
Das Urteil gelangt für den Fall, dass überhaupt ein Gesellschaftsvertag zustandegekommen ist, zur Wirksamkeit der Schiedsklausel. Es trifft hierzu Erwägungen zum anzuwendenden Recht und zum sich hieraus ergebenden Schiedsort (in Deutschland). Daraus leitet es ab, dass es auf weitere Einwände des Antragstellers nicht mehr ankomme. Hierbei handelt es sich durchwegs um Vorfragen, die nicht in Rechtskraft erwachsen sind.
b) Wäre eine Schiedsvereinbarung nicht zustande gekommen, so bestünde auch kein Anlass zur Bestellung eines Schiedsrichters. Ist eine solche aber wirksam, was der Senat im Folgenden unterstellt, liegt der Schiedsort nicht in Deutschland und ist im Übrigen auch bestimmt, jedenfalls zweifelsfrei bestimmbar.
(1) Eine Unwirksamkeit des PSA wirkt sich nicht automatisch auf die Schiedsvereinbarung aus. Sollte aber nach dem maßgeblichen (ausländischen) Recht eine eventuelle Unwirksamkeit auf die Schiedsvereinbarung durchschlagen, käme schon aus diesem Grund eine Schiedsrichterbestellung nicht in Betracht. Es kann daher zunächst offen bleiben, ob die Schiedsvereinbarung nach dem Recht des US-Bundesstaates Ohio, nach deutschem oder nach sonstigem Recht zu beurteilen ist. Dies gilt ebenso für die Frage, ob die Vereinbarung getrennt vom Hauptvertrag zu prüfen ist, wie dies das deutsche Recht in § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt und sich entsprechend in den meisten ausländischen Verfahrensrechten findet ("Trennungsprinzip"; vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 532; Zöller/Geimer § 1040 Rn. 3). Die Schiedsvereinbarung legt ausdrücklich fest, dass das Schiedsgericht über die Wirksamkeit des PSA entscheidet (Art. 14.3 (b)). Auch dies spricht für die Unabhängigkeit der Klausel vom übrigen Vertrag.
(2) Der Senat geht weiter davon aus, dass Nr. 14.2 PSA wirksam ist und die Gesetze des US-Bundesstaats Ohio zur Anwendung kommen. Etwas anderes ergäbe sich zunächst dann, wenn der "Managing Partner" schriftlich festgelegt hätte, dass diese Vereinbarung nach den Gesetzen eines anderen Gerichtsbezirks in den USA auszulegen ist. Dafür fehlen im Parteivortrag jegliche Anhaltspunkte. Der Bundesgerichtshof hat für Zustandekommen und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Kollisionsfall die auch im hiesigen Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27, 28 EGBGB herangezogen, wonach regelmäßig das Statut des Hauptvertrags gilt, sofern eine ausdrückliche auf die Schiedsvereinbarung bezogene Abrede fehlt (vgl. BGH SchiedsVZ 2006, 46/48 = RKS A 4 a Nr. 88, 89 m. w. N.; anders Zöller/Geimer § 1029 Rn. 107). Aus Art. 27 (Abs. 1 Satz 2) EGBGB ergibt sich für den erkennenden Senat nicht, dass die Rechtswahl unwirksam wäre. Soweit dort vorausgesetzt ist, dass die Rechtswahl ausdrücklich sein muss oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergeben muss, ist dies der Fall. Es genügt nämlich nach herrschender Meinung, wenn einer Partei oder auch einem Dritten (selbst im Rahmen einer Losentscheidung) die Wahl zwischen mehreren Rechten zugewiesen wird (vgl. Staudinger/Magnus BGB Bearb. 2002, Art. 27 EGBGB Rn. 44 m.w.N.; MüKo/Martiny BGB 4. Aufl. Art. 27 Rn. 17). Dabei kann dahin stehen, ob die Wahl eines ausländischen Vertragsstatuts bei inlandsbezogenen Sachverhalten unbeschränkt zulässig ist (vgl. dazu Ostendorf SchiedsVZ 2010, 234/241 f.); denn bei der Beteiligung an einer Partnerschaft mit Sitz im Ausland handelt es sich schon nicht um einen solchen Sachverhalt.
(3) Im Fall eines wirksamen Schiedsvertrags befindet sich der Schiedsort zum einen nicht in Deutschland und ist zum anderen zumindest bestimmbar.
Schiedsort ist (Anlage D Nr. 4) grundsätzlich die Stadt, in der sich das Hauptbüro des Managing Partners zum Zeitpunkt der schriftlichen Mitteilung der Geltendmachung des Anspruchs befindet. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrags scheidet die Wahl eines Schiedsortes in der Bundesrepublik Deutschland aus. Wenn der Managing Partner in einem Büro außerhalb der USA ansässig ist, hat er entsprechend der Gerichtsbarkeit, deren Recht dann gemäß "dem vorstehenden Satz" die Gültigkeit, Auslegung und Durchsetzbarkeit dieser Vereinbarung unterliegt, eine Stadt zu bestimmen, wo ge-mäß Art. 14.3 und 14.4 PSA ein Schiedsverfahren durchgeführt oder Klage eingereicht werden kann. Da es sich aber nach Art. 14.2 Satz 1 PSA um das Recht eines US-amerikanischen Staates handeln muss, kommt auch nur ein Schiedsort in den USA in Betracht. Dass die Parteien keinen Schiedsort außerhalb der Vereinigten Staaten im Auge hatten, ergibt sich im Übrigen aus Nr. 5 von Annex D. Das dort vorgesehene Sys-tem zur Wahl des Schiedsrichters setzt das Vorhandensein einer J*A*M*S-Niederlassung voraus. Es setzt auch voraus, dass der Schiedsrichter ehemaliger US-amerikanischer Richter war. Im Übrigen läge die Wahl eines Schiedsrichters außerhalb der Vereinigten Staaten angesichts der Firmengeschichte und –ausrichtung völlig fern.
3. Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob die Bestimmung eines Schiedsorts in den USA eine unzumutbare Benachteiligung des Antragstellers darstellt. Da nämlich nach dem Willen der Vertragsparteien der Schiedsort in den USA liegen muss, könnte dies allenfalls zu einer Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung - mit der oben genannten Folge - führen. Eine derartige Benachteiligung sieht der Senat aber nicht schon darin, dass in einer gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit als Schiedsort der Sitz der Gesellschaft bestimmt ist.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Streitwert bestimmt sich nach einem Bruchteil der Hauptsache (regelmäßig 1/3), die der Antragsteller mit 300.000 € veranschlagt hat (§ 48 Abs. 1 GKG; § 3 ZPO; Senat vom 10.1.2007, 34 SchH 08/06 = SchiedsVZ 2007, 280 = RKS A 6 Nr. 36).
9.10.2013
RECHT UND STEUERN

A 1 Nr. 224

A 1 Nr. 224 Umfang der Rechtskraft eines deutschen Prozessurteils betr. u.a. die Wirksamkeit einer Schiedsabrede nach ausländischem Recht.
Zum Umfang der Rechtskraft eines deutschen Prozessurteils, das die Klage auf Fortbestehen eines Vertragsverhältnisses (hier: Mitgliedschaft eines in einem deutschen Büro tätigen Rechtsanwalts in einer „General Partnership“ nach dem Recht des US-Bundesstaats Ohio) als unzulässig abweist, weil entweder der Partnerschaftsvertrag nicht wirksam zustandegekommen oder aber die Schiedsvereinbarung wirksam ist: Wird eine Klage als unzulässig abgewiesen, so bildet nur die Zulässigkeitsfrage den Gegenstand der Entscheidung. Fest steht nur die Unzulässigkeit der Klage auf Grund des jeweiligen Zulässigkeitsmangels. Die Beurteilung von Vorfragen, auch materiell-rechtlicher Art, aus denen sich der Unzulässigkeitsgrund ableiten lässt, erwächst nicht in Rechtskraft. Die Rechtskraft kann sich auch nicht auf weitere prozessuale oder gar materielle Rechtsfolgen auswirken, die sich aus diesem Unzulässigkeitsgrund ableiten ließen. Enthält das Urteil insoweit Ausführungen zum Inhalt der Schiedsklausel, nämlich zum Schiedsort und zum anwendbaren Recht, erwachsen auch derartige Ausführungen nicht in Rechtskraft.
OLG München, 34. Zivilsenat Beschluss vom 9.10.2013 -34 SchH 6/13 = RKS A 1 Nr. 224
Sachverhalt und Gründe siehe A 2 Nr. 67
Arbeitsrecht

Weihnachtsgeld

1. Muss Weihnachtsgeld gezahlt werden?

Das Weihnachtsgeld ist grundsätzlich eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Eine Verpflichtung zur Zahlung des Weihnachtsgeldes besteht nur, wenn dies
  • im Arbeitsvertrag vereinbart wurde,
  • eine verbindliche tarifvertragliche Regelung getroffen wurde
  • oder eine Betriebsvereinbarung besteht
  • betrieblicher Übung.

2. Wie entsteht ein Anspruch auf Weihnachtgeld aus betrieblicher Übung und wie kann dies verhindert werden?

Die vorbehaltlose Zahlung eines Weihnachtsgeldes in drei aufeinanderfolgenden Jahren führt zur betrieblichen Übung und damit zu einem Anspruch des Arbeitsnehmers. Um das zu vermeiden, muss sich der Arbeitgeber die Frewilligkeit der Zahlung immer ausdrücklich und zweifelsfrei gegenüber dem Arbeitnehmer vorbehalten. Sinnvoll ist es die "freiwillige Leistung" im Arbeitsvertrag zu regeln. Dabei ist es aber nicht ausreichend, das Weihnachtsgeld nur als "freiwillige Leistung" zu bezeichnen. Ebenfalls nicht ausreichend ist eine Erklärung gegenüber dem Betriebsrat.
Vielmehr sollte in etwa so formuliert werden:
Weihnachts- und Urlaubsgeld sind Bonuszahlungen, die freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt werden und auch bei wiederholter Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen.
Ist eine solche Freiwilligkeitsklausel nicht bereits in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden, sollte sich der Arbeitgeber daher bei jeder Zahlung des Weihnachtsgeldes eine solche Freiwilligkeitsklausel gesondert vom Arbeitnehmer unterschreiben lassen.
Soweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weihnachtsgeld hat, kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld nicht ohne dessen Zustimmung einbehalten oder kürzen.
Freiwillige Weihnachtsgeldzahlungen, die jeweils unter Vorbehalt geleistet worden sind, können vom Arbeitgeber hingegen jederzeit eingestellt oder gekürzt werden. Das Weihnachtsgeld kann auch von vornherein von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht werden.

Aber Achtung: Auch die mehrmalige Zahlung trotz eines Freiwilligkeitsvorbehalts kann eine betriebliche Übung und damit einen Rechtsanspruch zur Zahlung begründen. Insbesondere dann, wenn mehr als dreimal jährlich die gleiche Summe ausgezahlt wird. (vgl auch BAG Urteil v. 13.05.2015 - 10 AZR 266/14)

3. Höhe des Weihnachtsgeldes

Die Höhe des Weihnachtsgeldes kann der Arbeitgeber nach freiem Ermessen bestimmen. Bei der Zahlung des Weihnachtsgeldes dürfen die Arbeitnehmer jedoch nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden. Es kann aber einzelvertraglich festgelegt werden, dass ein Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld erhält. Sachliche Gründe für eine unterschiedliche Höhe des Weihnachtsgeldes können die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Höhe der Fehlzeiten, der Familienstand oder die Zahl der Kinder sein. Unzulässig ist eine unterschiedliche Behandlung von Angestellten und Arbeitern.

4. Kann das Weihnachtsgeld jederzeit aufgehoben oder gekürzt werden?

Soweit nach den bereits genannten Kriterien ein verbindlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegeben ist, kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld nicht ohne dessen Zustimmung aufheben oder kürzen. Freiwillige Weihnachtsgeldzahlungen, die jeweils unter Vorbehalt geleistet worden sind, können jederzeit vom Arbeitgeber eingestellt werden. Das Weihnachtsgeld kann auch von vornherein von der Ertragslage des Unternehmers abhängig gemacht werden.

5. Haben Arbeitnehmer, die vor Jahresende gekündigt haben, einen Anspruch auf Zahlung?

Kündigt ein Arbeitnehmer vor Jahresende, so verliert er seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld, wenn mit dem Arbeitgeber nichts anderes vereinbart wurde. Da die Zahlung des Weihnachtgeldes eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers ist und es keinen generellen Anspruch auf Weihnachtgeld gibt, kann nach Auffassung des BAG auch kein anteiliger Anspruch geltend gemacht werden. Die Vereinbarung eines konkreten Fälligkeitzeitpunktes ist empfehlenswert

6. Wann kommt eine Rückzahlung des Weihnachtsgeldes in Betracht?

Die Rückzahlung kommt nur in Betracht, wenn sie für den Fall des Ausscheidens des Arbeitsnehmers tatsächlich vereinbart wurde. Ein allgemeiner Hinweis auf den Vorbehalt der Rückforderung genügt nicht. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich daher, jeden Arbeitnehmer bei der Auszahlung des Weihnachtsgeldes eine Rückzahlungsverpflichtung unterschreiben zu lassen. Die Rechtssprechung hat einige Bedingungen für die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln aufgestellt:
  • ist das Weihnachtsgeld nicht höher als 102,26 EUR ist eine Rückzahlungsklausel unzulässig,
  • wird ein Weihnachtsgeld gezahlt, das 102,26 EUR nicht jedoch einen Monatsbezug übersteigt, ist dem Arbeitnehmer die Einhaltung einer Rückzahlungsklausel zuzumuten, die bis zum 31. März des Folgejahres reicht. Wer also vor dem 31.3 des Folgejahres aus dem Unternehmen ausscheidet, muss das Weihnachtsgeld zurückzahlen, wenn eine entsprechende Rückzahlungsklausel besteht,
  • bei einem Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsbezuges oder mehr, ist es zulässig, die Rückzahlung davon abhängig zu machen, dass der Arbeitnehmer den Betrieb erst nach dem 31.3 des Folgejahres-spätestens aber zum 30.6. verlässt.

7. Was ist das 13. Monatsgehalt?

Weihnachtsgeld und 13.Monatsgehalt werden oft verwechselt, sinder aber rechtlich unterschiedlich zu behandeln. Das 13. Monatsgehalt ist regelmäßig eine festgelegte Gehaltserhöhung, die bei Änderung oder AUfhebung des Arbeitsvertrages auf das Kalenderjahr verteilt wird. Es handelt sich damit um ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung. Die Regeln zum Weihnachtsgeld gelten daher ähnlich.

8. Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr).
Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
RECHT UND STEUERN

A 1 Nr. 223

A 1 Nr. 223 § 89 Abs. 3 HGB, § 1040 Abs.3 ZPO -  Keine Kompetenz-Kompetenz  des Schiedsgerichts. Streitigkeiten „aus oder im Zusammenhang“ mit dem zugrundeliegenden Vertrag nach dessen Verlängerung und Beendigung; Geltung § 89 Abs. 3 HGB analog für Vertragshändler.
1. Eine Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts besteht im deutschen Recht nicht.
2. Eine Schiedsklausel betreffend „alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang“ mit dem zugrundeliegenden Vertrag bedeutet nicht, dass das Schiedsgericht mit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch endgültig über die zeitliche Geltung der Schiedsabrede entscheiden konnte. Es kann aber entscheiden, ob eine Streitigkeit sich „aus oder im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Vertrag“ ergibt, einschließlich der Frage, ob § 89 Abs. 3 HGB analog für einen Partner dieses Vertrages als Vertragshändler gilt.
3. Ist dies zu bejahen und setzen Vertreter/Vertragshändler und Unternehmer nach Ablauf  der Vertragszeit ihre Tätigkeit fort, so wird ohne besondere Einigung über sämtliche Bedingungen der Zusammenarbeit das bisherige Vertragsverhältnis einschließlich der Schiedsabrede fortgesetzt.
OLG München Beschl. v. 25.2.2013 – 34 Sch 12/12 IHR 2013, 176 = RKS A 1 Nr. 223
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin (ASt.) begehrt die Aufhebung inländischer Schiedssprüche. Die Antragsgegnerin „FSC“ (AGg.), eine Herstellerin von Computerzubehör, und die ASt. schlossen am 18./27.10.2004 einen „Broadline-Distributionsvertrag“. Dieser hatte für die GUS (CIS) außer Aserbaidschan Geltung. Der Distributor (die ASt.) war danach berechtigt, gewisse Produkte im eigenen Namen zu vertreiben. Vereinbart waren die Anwendung deutschen Rechts und das DIS-Schiedsgericht „für alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages“.    
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unbegründet. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
1. Die Schiedsklausel umfasst den gesamten dem Schiedsgericht unterbreiteten Streitstoff, so dass ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegt. Allerdings kann das Schiedsgericht nicht endgültig über die eigene Zuständigkeit entscheiden /Zöller/Geimer § 1040 Rd-Nr. 1). Eine Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts besteht im deutschen Recht nicht (§ 1040 Abs. 3; BGH NJW 2005, 1125 = RKS A 1 Nr. 135). Damit bindet die Entscheidung des Schiedsgerichts, dass der Vertrag über den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wurde, das staatliche Gericht nicht dahin, dass die nachfolgenden Bestellungen unter die Schiedsklausel fallen.
2. Gemäß Nr.19.2 des Distributionsvertrages unterliegen der Schiedsabrede alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages. Das bedeutet zwar nicht, dass das Schiedsgericht mit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch endgültig über die zeitliche Geltung der Schiedsvereinbarung entscheiden konnte. Indessen fallen die späteren Bestellungen noch unter die Schiedsklausel. Denn sie gehören zu den Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben. Unstreitig hat die ASt. zur Durchführung des Vertrages ein Kennwort erhalten. Dieses System wurde – unter Benutzung des ausschließlich der ASt. zugeteilten Kennworts – auch nach dem Vertragsende weiter benutzt. Damit stehen die Bestellungen im anschließenden Zeitraum und damit aber auch Bestellungen, die in diesem Zeitraum ohne Benutzung des Kennworts getätigt wurden, noch im Zusammenhang mit dem Vertrag. Denn das Kennwort wurde im Rahmen des Vertrages zugeteilt.
Das Schiedsgericht ist aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Distributionsvertrag gemäß § 89 Abs. 3 HGB verlängert wurde. § 89 Abs. 3 HGB („Ein für eine bestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis, das nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird, gilt als auf unbestimmte Zeit verlängert“) gilt zwar dem Wortlaut nach nur für Handelsvertreter. Die Vorschrift wird aber analog auch auf Verträge mit Vertragshändlern angewendet. Voraussetzung hierfür ist, dass die ASt.  einerseits handelsvertretertypische Rechte und Pflichten übernommen hat und erfüllt, andererseits in die Verkaufsorganisation des Herstellers eingegliedert war. Beides trifft zu: Nach dem Vertrag vom 18.10./27.10.2004 war die ASt. Vertragshändlerin der AGg. (wird ausgeführt).
3. Gemäß § 89 Abs. 3 HGB gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn er nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Handelsvertreter (Vertragshändler) einfach seine Tätigkeit fortsetzt und der Unternehmer die von ihm beigebrachten Geschäfte ausführt. Eine erneute Einigung oder ein Fortdauern des Einigseins der Parteien über sämtliche Bedingungen ihrer Zusammenarbeit ist nicht erforderlich (vgl. etwa Thume in Röhricht/Graf von Westphalen HGB 3. Aufl. § 89a Rd-Nr. 27; Baumbach/Hopt HGB 35. Aufl. § 89 Rd-Nr. 21).
Für die AGg. mussten sich aber die Bestellungen unter Benutzung des unstreitig der ASt. exklusiv zugeteilten Passworts als Fortsetzung darstellen, was diese akzeptiert hat. Damit wurde, ohne dass es einer besonderen Einigung bedurfte, das Vertragsverhältnis – einschließlich der Schiedsklausel – fortgesetzt.
Anm. der Redaktion: Zur Frage der Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts siehe auch OLG München 10.9.2013 RKS A 1 Nr. 222
30.9.2013
RECHT UND STEUERN

A 1 Nr. 222

A 1 Nr. 222  § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB, § 15 Abs. 4 GmbHG, §§ 1029, 1040 Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO - Schiedsklausel mit "Endkompetenz-Kompetenz-Klausel". Formbedürftigkeit der Schiedsgerichtsordnung?
1. Enthält eine Schiedsklausel betreffend jede Streitigkeit, die aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag oder über dessen Wirksamkeit entsteht, den Zusatz "Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden", so ist diese Endkompetenz-Kompetenz-Klausel unwirksam. Die Wirksamkeit der Schiedsklausel im Übrigen bleibt unberührt.
2. Auch wenn die Schiedsvereinbarung als Teil eines einheitlichen, formbedürftigen Vertragswerks mit zu beurkunden ist, bedarf die maßgebliche Schiedsgerichtsordnung (hier die der DIS) regelmäßig nicht der Mitbeurkundung. Anders liegt der Fall aber dann, wenn die Schiedsabrede Teil eines einheitlichen nach § 15 GmbHG oder § 311 b BGB formbedürftigen Vertragswerks ist.
OLG München Beschl. v. 10.9.2013 – 34 Sch 10/13  RKS A 1 Nr. 222
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerinnen schlossen zu notarieller Urkunde vom 22.12.2010 mit den Antragsgegnerinnen einen Rahmenvertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen sowie als Anlagen hierzu u. a. entsprechende Einzelverträge. Der Rahmenvertrag (im Folgenden RV) enthält unter Nr. 16 folgende Regelungen:
   Schiedsgericht
16.1 Jede Streitigkeit, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder seinen Anlagen entsteht, einschließlich jeder Streitigkeit über die Wirksamkeit oder das Bestehen dieses Vertrags, mit Ausnahme derjenigen Streitigkeiten, die von Gesetzes wegen einem Schiedsgericht nicht zur Entscheidung zugewiesen werden können, wird entsprechend der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) endgültig entschieden, ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden.
Aus den Gründen:
1. Die Schiedsklausel in Ziffer 16.1 RV ist nicht wegen ihres Inhalts unwirksam.
(1) Würde man Satz 2 der Klausel so auslegen, dass er einer Überprüfung der schiedsgerichtlichen Zwischenentscheidung durch das staatliche Gericht nicht entgegenstände, wäre die Klausel auch insoweit wirksam; sie könnte sich dann nicht auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel insgesamt auswirken.
Die Bestimmung in § 16.1 Satz 2 RV ist jedoch unwirksam, ohne dass es dafür der Heranziehung der §§ 305 ff. BGB bedürfte. Der Senat interpretiert Nr. 16.1 Satz 2 RV nämlich so, dass die Regelung dem Schiedsgericht die Befugnis einräumen soll, in letzter Instanz über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Die Entscheidung des Schiedsgerichts soll dem Wortlaut zufolge und über § 1040 Abs. 1 Satz 1 BGB ersichtlich hinaus gehend bindend sein. Das bedeutet, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts über seine eigene Zuständigkeit sachlich nicht überprüft werden kann. Zwar ist die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auch nach § 1040 ZPO bindend, sofern kein Antrag nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestellt wird. Wenn die Klausel aber nur dies ausdrücken sollte, wäre sie überflüssig. Die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts eine Entscheidung des staatlichen Gerichts herbeizuführen (§ 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO), kann indessen nicht abbedungen werden (vgl. z.B. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1040 Rn. 1).
(2) Hingegen ist die Regelung in Nr. 16.1 Satz 1 RV - jedenfalls nach ihrem Inhalt - für sich genommen wirksam. Empfangsbedürftige Willenserklärungen (§ 133 BGB) sind nach den allgemeinen Regeln - von Ausnahmefällen abgesehen - so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. z. B. Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 133 Rn. 9). Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut. Hiernach wird jede Streitigkeit entsprechend der DIS-SGO endgültig entschieden, ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht. Die Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird also für die Entscheidung über Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem (Rahmen-)Vertrag und über dessen Wirksamkeit ausgeschlossen. Dies entspricht aber der Gesetzeslage. § 1029 Abs. 1 ZPO definiert die Schiedsvereinbarung als eine Vereinbarung, durch die Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden. Die Streitentscheidung muss - gerade unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte - einem Schiedsgericht zugewiesen werden (vgl. MüKo/Münch § 1029 Rn. 90 und 93; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 379), was zwar nicht ausschließt, durch ausdrückliche Vereinbarung den Parteien freizustellen, innerhalb bestimmter Fristen den Schiedsspruch nicht anzuerkennen und in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis doch den Weg zu den staatlichen Gerichten zu beschreiten. Dies ändert aber nichts am Grundsatz, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts endgültig - wie eben auch in Nr. 16.1 Satz 1 RV angesprochen - und die staatliche Gerichtsbarkeit ausgeschlossen sein muss. Nichts anderes kommt in der Klausel zum Ausdruck. Es darf nicht im Belieben der Parteien stehen, trotz und nach Entscheidung eines Schiedsgerichts doch den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten (vgl. Zöller/Geimer § 1029 Rn. 54). Die Endgültigkeit der schiedsgerichtlichen Entscheidung schließt es nicht aus, dass während und nach dem Schiedsverfahren bestimmte Aspekte durch das staatliche Gericht überprüft werden. In der Hauptsache muss die Entscheidung grundsätzlich endgültig sein. Dies kommt auch im Verbot der révision au fond zum Ausdruck. Der Schiedsspruch kann zwar gemäß § 1059 ZPO aufgehoben werden. Dies betrifft aber insbesondere die - nicht abdingbare - staatliche Überprüfung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder der Bestellung des Schiedsgerichts selbst oder eben des von den Parteien vereinbarten Verfahrens, schließlich die Schiedsfähigkeit und eventuelle Verstöße gegen den ordre public. Das bedeutet aber nicht, dass gegen das Ergebnis des Schiedsverfahrens die staatlichen Gerichte in Anspruch genommen werden könnten. Die Entscheidung des Rechtsstreits obliegt allein dem Schiedsgericht. Nichts anderes wird durch die Klausel ausgedrückt, mag auch ihr Zusatz ("ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht") überflüssig (MüKo/Münch § 1029 Rn. 90; Schiedsgericht der IHK Kassel SchiedsVZ 2006, 167/168), jedoch ohne zusätzlichen Regelungsgehalt sein.
(3) Die Unwirksamkeit von Nr. 16.1 Satz 2 RV berührt die Wirksamkeit von Nr.16.1 RV im Übrigen nicht, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klauseln als AGB der Gegenseite anzusehen wären.
aa) Bei der unwirksamen Endkompetenz-Kompetenz-Klausel handelt es sich nämlich um eine zusätzliche Schiedsabrede zu der Frage von Gültigkeit und Auslegung des Schiedsvertrags (vgl. BGHZ 162, 9/14; BGH NJW 1991, 2215 = RKS A 1 Nr. 65; BGH NJW-RR 1988, 1526 = RKS A 4 a Nr. 28; BGH NJW 1977, 1397 = RKS A 4 a Nr. 17). Damit war vor dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224) eine klare Trennung verbunden. Falls die Schiedsvereinbarung die Kompetenz-Kompetenz dem Schiedsgericht zugesprochen hatte, konnte das staatliche Gericht nur die letztere Klausel überprüfen. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung (BGHZ 162, 9) aber auch unter der Geltung des neuen Schiedsverfahrensrechts aufrecht erhalten. Zwar steht nunmehr dem Schiedsgericht die Kompetenz-Kompetenz nicht mehr zu. Dies ändert aber nichts daran, dass zwei gesonderte Schiedsvereinbarungen vorliegen, von denen freilich eine von vorne herein unwirksam ist. Dass die Parteien in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO.) zugrunde liegenden Rechtsstreit möglicherweise in Unkenntnis des neuen Rechtes die Schiedsvereinbarung getroffen hatten, spielt dabei keine Rolle. Denn die Entscheidung versteht sich nicht als bloße Übergangslösung. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Kompetenz-Kompetenz-Regelung nicht als eigenständiger Schiedsvertrag qualifiziert werden kann. Denn diese Klausel regelt, wer den Streit über die Zuständigkeit des staatlichen oder eines Schiedsgerichts zu entscheiden hat. In der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs blieb auch nicht unberücksichtigt, dass die vorangegangene Rechtsprechung sich auf das alte Schiedsverfahrensrecht bezog. Gerade wegen der nun von vorn herein und in jedem Fall gegebenen Unwirksamkeit dient die Aufspaltung in zwei Schiedsklauseln der erwünschten Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung im Übrigen. Letztlich ist auch dies ein Fall des § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO; § 139 ZPO gilt gerade nicht (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1040 Rn. 1; Zöller/Geimer § 1029 Rn. 1; MüKo/Münch § 1040 Rn. 8). Der "favor validitatis" gilt auch im Verhältnis dieser beiden Schiedsklauseln. Eine Schiedsvereinbarung ist auch im Falle ihrer Unwirksamkeit eine solche. Auch wenn eine wirksame Kompetenz-Kompetenz-Absprache nicht getroffen werden kann (vgl. hierzu Habscheid KTS 1964, 146/153), ändert die Unwirksamkeit nichts an der Eigenschaft als Schiedsabrede.
Die Schiedsklausel in Ziffer 16.1 RV ist auch nicht in sich widersprüchlich und aus diesem Grund unwirksam. Nr. 16.1 Satz 2 RV stellt keine ad hoc-Schiedsklausel dar. Auch wenn man von zwei selbständigen Schiedsklauseln ausgeht, schließt dies nicht aus, dass die eine Schiedsklausel zur Auslegung der anderen herangezogen werden kann bzw. dass Nr. 16.1 Satz 2 RV auf Nr. 16.1 Satz 1 RV aufbaut. Denn Nr. 16.1 Satz 1 RV verweist zwar auf die DIS-SGO. Die in den beiden aufeinander folgenden Sätzen getroffenen Regelungen können aber nicht unabhängig voneinander gelesen werden. Nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) bezieht sich Nr. 16.1 Satz 2 RV auf Satz 1. Es ist die Rede von dem Schiedsgericht. Damit ist aber ersichtlich das gemäß Nr. 16.1 Satz 1 RV gebildete Schiedsgericht gemeint. Es ist weder die Rede von (irgend) einem Schiedsgericht noch von "einem anderen" Schiedsgericht. Dies entspricht auch dem mutmaßlichen Willen der Parteien, die ersichtlich nicht die beiden Fragen verschiedenen Schiedsgerichten zuweisen wollten.
Im Übrigen kommt es auf den inneren Widerspruch zwischen den Regelungen in Nr. 16.1 Satz 1 und Satz 2 RV schon deswegen nicht an, weil Nr. 16.1 Satz 2 RV aus den oben genannten Gründen unwirksam ist.
bb) Dasselbe gilt, wenn man mit den Antragstellerinnen von einer einheitlichen Schiedsklausel ausgeht. Anwendbar ist dann § 139 BGB. Denn es ist anzunehmen, dass die Schiedsvereinbarung auch getroffen worden wäre, wenn den Parteien die Unwirksamkeit der Regelung in Nr. 16.1 Satz 2 RV bekannt gewesen wäre. Zu Recht weisen die Antragstellerinnen darauf hin, dass Nr. 16.1 Satz 2 RV eine "extrem große Abweichung" von den üblichen Regelungen enthält. Eine größere Abweichung von den üblichen Regelungen als eine unwirksame Klausel ist nicht denkbar. Dass in Kompetenz-Kompetenz-Regelungen eine eigene, einer selbständigen Beurteilung zugängliche Klausel gesehen wird, spricht schon gegen die von den Antragstellerinnen unterstellte untrennbare Einheit. Es ist auch nicht vorstellbar, dass die Antragsgegnerinnen - oder ein sonstiger an einem derartigen Schiedsvertrag Beteiligter - für den Fall, dass das Schiedsgericht nicht bindend über seine eigene Zuständigkeit entscheiden und gegen diese Entscheidung das staatliche Gericht angerufen werden kann, auf die Zuweisung an das Schiedsgericht gänzlich verzichtet und statt dessen die Entscheidung durch ein staatliches Gericht getroffen wissen will. Die Gründe, die üblicherweise dazu führen, dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart wird, werden vom Wegfall dieser Klausel nicht berührt. Beiden Parteien steht die Anrufung des staatlichen Gerichts zu. Von den denkbaren Motiven, die Schiedsvereinbarung zu treffen, könnte allenfalls der Wunsch nach einer im Verhältnis zu staatlichen Prozessen vermeintlich kürzeren Verfahrensdauer unwesentlich beeinträchtigt werden, wobei (vgl. Lachmann Rn. 155 ff.) auch im Schiedsverfahren - ohne staatliche Eingriffe - Verzögerungen etwa bei der Konstitution des Schiedsgerichts denkbar sind. Aus dem Rahmenvertrag ergibt sich zudem, dass offenbar die Vertraulichkeit ein ganz wesentlicher Aspekt für die Schiedsabrede war (siehe Nr. 15 im selben Abschnitt VI. wie die unmittelbar anschließende Schiedsabrede in Nr. 16). Mag auch die Vertraulichkeit durch die fehlende Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts Einschränkungen erfahren, so ist doch nicht anzunehmen, die Parteien hätten, wenn sie dies gewusst hätten, ihre Streitigkeiten umfassend in der Öffentlichkeit  austragen wollen.
Aus demselben Grund bliebe dann, wenn man zum einen von einer einheitlichen Schiedsklausel ausginge, zum anderen Nr. 16.1 als AGB-Regelung ansähe, die Wirksamkeit von Nr. 16.1 Satz 1 RV nach § 306 Abs. 1 BGB erhalten. § 306 BGB gilt auch, wenn die Nichtigkeit nicht auf §§ 307 ff. BGB beruht, sondern auf § 134 BGB oder anderen Vorschriften (BGHZ 129, 297/306; vgl. Palandt/Grüneberg § 306 Rn. 5 m.w.N.).
cc) Nr. 16.1 Satz 1 RV stellt auch keine überraschende Klausel dar. Im Rechtsverkehr zwischen Unternehmen sind Schiedsvereinbarungen nicht schon als solche überraschend (Lachmann Rn. 429). Die gewählte Schiedsgerichtsordnung der DIS enthält auch keine überraschende - nämlich unübliche - Gestaltung des Schiedsverfahrens.
2. Die Klausel ist auch nicht wegen Formmangels (§ 125 Satz 1 BGB) nichtig. Die Mitbeurkundung der DIS-SGO war für den formwirksamen Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht erforderlich. Der Formzwang folgt weder aus § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus § 15 Abs. 4 GmbHG noch indirekt aus § 17 Abs. 1 BeurkG.
Grundsätzlich muss die Schiedsvereinbarung nicht notariell beurkundet werden. Die Form der Schiedsvereinbarung ist vielmehr in § 1031 ZPO abschließend geregelt. Hätten die Parteien also in einer separaten Urkunde eine Schiedsvereinbarung geschlossen, wäre diese - vorbehaltlich einer "erschwerenden" Formmodifikation durch die Parteien (MüKo/Münch § 1031 Rn. 29) -  nur an § 1031 ZPO zu messen gewesen. Die schiedsverfahrensrechtlichen Formvorschriften sind auch insoweit abschließend (vgl. etwa Lachmann Rn. 362).
Anders liegt der Fall aber dann, wenn die Schiedsabrede Teil eines einheitlichen nach § 15 GmbHG oder § 311b BGB formbedürftigen Vertragswerks ist. Sämtliche Vereinbarungen aus denen sich der schuldrechtliche Vertrag nach dem Willen der Beteiligten zusammensetzen soll, unterliegen dann dem Formzwang (Vollständigkeitsgrundsatz). Die Vereinbarungen sind nur dann vollständig beurkundet, wenn sie alles verlautbaren, was die Parteien als regelungsbedürftig angesehen haben (vgl. Staudinger/Schumacher BGB Neubearb. 2011 § 311b Rn. 154 und 155 m.w.N.); formbedürftig sind zunächst die rechtlich wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii), nach einer Meinung aber auch Bestimmungen, von deren Wirksamkeit die Beteiligten der Bestand des Vertrages nicht abhängig gemacht haben (vgl. Staudinger/Schumacher § 311b Rn. 156 m.w.N.).
Die Parteien können jedoch formwirksam auch die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung und sogar die Bezeichnung etwa des Erwerbers eines Grundstücks einem Beteiligten oder einem Dritten überlassen (vgl. Staudinger/Schumacher § 311b Rn. 168), gleichgültig ob das Bestimmungsrecht wesentliche oder nicht wesentliche Abreden betrifft. Das Bestimmungsrecht als solches muss zwar in der Urkunde selbst zum Ausdruck kommen. Die Überlassung des Bestimmungsrechts an einen Dritten kann aber gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden. Wenn sogar hinsichtlich der essentialia die Bestimmung einem Dritten überlassen werden kann, spricht nichts dagegen, auch etwa im Rahmen einer mitbeurkundeten Schiedsvereinbarung die Bestimmung des Verfahrens einem Dritten zu überlassen. Nichts anderes bedeutet aber die Vereinbarung, dass sich das Verfahren nach der DIS-SGO richtet. Dieser Institution wird damit die Bestimmung des Verfahrens durch deren Schiedsgerichtsordnung in der jeweils gültigen Fassung übertragen. Eine Pflicht zu deren Beurkundung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn es den Parteien auf ganz bestimmte Verfahrensregelungen angekommen wäre und weder Schiedsklausel noch Hauptvertrag ohne diese Regelungen geschlossen worden wären. Denn bei den formbedürftigen Geschäften nach § 311b BGB und § 15 GmbHG erstreckt sich das Beurkundungserfordernis auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt, auf nicht zum Grundstücksgeschäft gehörende Vereinbarung nur dann, wenn sie eine rechtliche Einheit mit diesem bilden sollen, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Vertragsschließenden derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" (vgl. etwa BGH NJW-RR 1989, 198). Hiervon ist hier aber schon deshalb nicht auszugehen, weil Schiedsvereinbarung und materiell-rechtlicher Vertrag getrennt zu beurteilen sind, Wirksamkeitsmängel nicht auf den jeweils anderen Vertrag durchschlagen sollen. Kommt es den Beteiligten darauf an, dass das betreffende institutionelle Schiedsgericht tätig wird und dass dieses dann seine jeweils gültige Verfahrensordnung anwendet, ist nur die Bestimmung der Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts und die Anwendung der zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung für das Schiedsgericht geltenden Verfahrensordnung vom Beurkundungserfordernis erfasst. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hiervon abweichend etwa gerade die zum Zeitpunkt der Beurkundung geltende DIS-SGO angewandt wissen wollten und nicht die zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gültige, sind nicht ersichtlich. Der Inhalt des Schiedsverfahrensordnung ist somit dem Schiedsgericht als Drittem zur näheren Bestimmung (ähnlich § 317 BGB) anvertraut (vgl. DNotI-Report 2008, 188; im Ergebnis ebenso Lachmann Rn. 365).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der notariellen Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG. Aus der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmung kann sich eine Beurkundungspflicht allenfalls mittelbar ergeben, da der Notar nur über das belehren kann, was ihm bekannt ist. Immer dann, wenn Regelungen der Bestimmung Dritter überlassen sind, kann der Notar allenfalls über die damit verbundenden Gefahren belehren. Gerade bei der Wahl einer Schiedsordnung einer anerkannten Schiedsorganisation wird sich der Umfang der Belehrungspflicht aber in Grenzen halten, wie denn dann eine Belehrungspflicht auch nur insoweit besteht, als eine Belehrung erforderlich ist, um den Willen der Beteiligten rechtswirksam, wahrheitsgemäß und vollständig niederzulegen (vgl. Lerch BeurkG 3. Aufl. § 17 Rn. 10 m.w.N.).
22.9.2013
RECHT UND STEUERN

A 5 Nr. 48

A 5 Nr. 48 Unverbindlichkeit eines Schiedsgutachtens
Ein Schiedsgutachten über den Minderwert eines nach Ablauf der Leasingvertragslaufzeit zurückgegebenen Fahrzeugs ist unverbindlich, soweit es auf einer unrichtigen Vorgehensweise zur Ermittlung des Minderwerts beruht. Eine Gleichsetzung von Reparaturkosten und Minderwert darf nur hinsichtlich festgestellter Schäden an Karosserie, Felgen u.Ä. erfolgen, nicht aber hinsichtlich Schäden an Verschleißteilen wie etwa Reifen.
OLG Frankfurt Urt.v. 24.8.2012 – 17 U 242/11 Betriebs-Berater 2012, 2382  = RKS A 5 Nr. 49
Volltext BB-ONLINE BBL 2012-2382-7 www.betriebs-berater.de
RECHT UND STEUERN

A 5 Nr. 53

A 5 Nr. 53 Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne: Fälligkeit und Verzinsung der vom Schiedsgutachter zu ermittelnden Forderung
1. Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne liegt vor, wenn der Gutachter nicht unmittelbar die Leistung bestimmen, sondern für die Klarstellung des Vertragsinhalts maßgebliche Tatsachen (z.B. Unternehmenswert oder Verkehrswert zum bestimmten Zeitpunkt) ermitteln und für die Parteien verbindlich feststellen soll. Der Vertrag  enthält in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass die Begleichung der betroffenen Forderung für die Dauer der Erstattung des Gutachtens weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann mit der Folge, dass die Forderung in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist.
2. Diese Wirkung besteht fort, wenn die zur Bemessung der geschuldeten (Geld-)Leistung erforderliche Tatsachenfeststellung analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB auf das Gericht übergeht, so dass die betreffende Forderung erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig wird. Demzufolge können Fälligkeits-, Verzugs- oder Prozesszinsen erst ab diesem Zeitpunkt zugesprochen werden.
BGH Urt.v. 4.7.2013 –III ZR 52/12 MDR 2013, 1019 = RKS A 5 Nr. 53     
Aus den Gründen:
1. Die Parteien haben einen Schiedsgutachtenvertrag geschlossen. Danach sollte der Gutachter nicht unmittelbar die „Bestimmung der Leistung“ als zur Rechtsgestaltung befugter Dritter vornehmen. Vielmehr war die Erfolgsvergütung auf der Grundlage nicht einer tatsächlichen Veräußerung, sondern des“ Unternehmenswertes (Verkehrswerts) der Beteiligungen zum Kündigungsstichtag“  zu zahlen. Den Beteiligten war allerdings dieser „Unternehmenswert (Verkehrswert)“ unbekannt, den der Schiedsgutachter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen mitzuteilen hatte. Es lag somit ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne vor, bei dem der Schiedsgutachter für die Klarstellung des Vertragsinhalts maßgebliche Tatsachen zu ermitteln und für die Parteien verbindlich festzustellen hatte (BGH 9.6.1983 IX ZR 41/82 MDR 1983, 839 = NJW 1983, 2244 f.; 26.10.1989 VII ZR 75/89 MDR 1990, 427 = NJW 1990, 1231 mwN.). Auf eine Schiedsgutachtenvereinbarung dieses Inhalts, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient, sind mangels einer anderen Vereinbarung der Parteien die §§ 317 bis 319 BGB entsprechend anzuwenden (BGH 26.10.1989 aaO.).
Da er sonst seinen Zweck weitgehend verfehlen würde, enthält ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens aus der Forderung gegen den Schuldner nicht vorgehen werde (BGH 26.10.1989 aaO.). Es handelt sich dabei um eine Abrede, wonach die Feststellung der betroffenen Tatsachen einem Dritten überlassen werden soll mit der Folge, dass diese Tatsachen einer gerichtlichen Beweisaufnahme (zunächst) unzugänglich sind und die Begleichung der Forderung (zunächst) weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann. Eine Klage ist insgesamt als verfrüht („als zur Zeit unbegründet“) abzuweisen, wenn die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist  (BGH Urt.v. 8.6.1988 – VIII ZR 105/87 MDR 1988, 1053 = NJW-RR  1988, 1405; v.7.6.2011 – II ZR 186/08 Rz. 13 MDR 2011, 926 =NJW-RR  2011, 1059 = RKS A 5 Nr. 48). Daraus wird deutlich, dass die Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne (auch) eine Regelung der Leistungszeit i.S.v. § 271 BGB enthält, und zwar dahin gehend, dass die Fälligkeit der Forderung bis bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird (soweit im Urteil des BGH vom 26.10.1989 aaO. von einem pactum de non petendo die Rede ist, ist dies ersichtlich nicht dahin zu verstehen, dass eine Schiedsgutachtenabrede auf die Fälligkeit der Forderungen keine Auswirkungen hätte…).
2. Die Leistungsbestimmung (Tatsachenfeststellung) ist analog § 319 Abs. 1 S. 2 durch das Gericht vorzunehmen, wenn sich die von den Vertragsparteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist (BGH Urt.v. 7.4.2000 - V ZR 36/99 MDR 2000,  1027 = NJW 2000, 2986 f.). Eine Undurchführbarkeit ist schon dann gegeben, wenn die hierzu verpflichtete Partei den Schiedsgutachter nicht innerhalb angemessener Zeit benennt, ohne dass es hierbei auf ihr Verschulden ankommt (BGH 26.10.1989 aaO.; v. 7.6.2011 aaO. – Rz. 15 m.w.N. = RKS A 5 Nr. 48). Dies gilt entsprechend für den vorliegenden Fall, in dem nicht eine Partei den Gutachter zu benennen hatte, sondern die Parteien über seine Person eine Einigung herbeizuführen hatten (BGH Urt.v. 12.1.2001 V ZR 372/99 MDR 2001, 625 = NJW 2001, 1928f.).
Mit dem Übergang der Leistungsbestimmung (Tatsachenfeststellung) auf das Gericht gem. § 319 Abs. 1 S. 2 (analog)  tritt das Gericht gleichsam an die Stelle des Schiedsgutachters; in dieser Weise wirkt die Schiedsgutachtenabrede weiter fort. Dies hat zugleich die Folge, dass die Fälligkeit der betroffenen Forderung erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung beginnt.
Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im weiteren Sinne, auf welche die §§ 317 bis 319 BGB unmittelbar anzuwenden sind und bei denen der Schiedsgutachter den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen hat, ist es allgemein anerkannt, dass die Forderung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht (§ 319 Abs, 1 S. 2 BGB) erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig wird, so dass Zinsen – vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen – vorher nicht verlangt werden können (BGH 5.7.2005 - X ZR 60/04 MDR 2006, 14 = NJW 2005, 2919 f.; 4.4.2006 – X ZR 122/05 Rz. 22f., BGHZ 167, 139 [149f.] = MDR 2007, 75). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen.
Auch beim Schiedsgutachten im engeren Sinne haben sich die Parteien darauf verständigt, dass die Leistungsbestimmung – hier zwar nur mittelbar, aber gleichwohl maßgeblich – durch einen Dritten geschehen und die betroffene Forderung deswegen in aller Regel zunächst, bis zur Verbindlichkeit dieser Bestimmung, noch nicht fällig werden soll. Das hat seinen inneren Grund darin, dass die vom Schiedsgutachter (bzw. an seiner Stelle vom Gericht) festzustellende Tatsache typischerweise nur auf Grund besonderer fachlicher Kenntnisse unter Einsatz eines größeren Aufwandes ermittelt werden kann und dass insoweit, zumal wenn es um Bewertungsfragen geht, Beurteilungs- und Wertungsspielräume bestehen, die eine Mehrzahl vertretbarer Ergebnisse zulassen. Bei einer solchen Lage ist es den Vertragsparteien – Gläubiger und Schuldner – nicht oder kaum möglich, den Anspruchsinhalt selbst zuverlässig festzustellen. Dies hat zur Folge, dass die Vor- oder Annahme von Erfüllungshandlungen Schwierigkeiten bereitet und sogar unzumutbar sein kann. Ebenso wie bei Schiedsgutachten im weiteren Sinne steht auch bei Schiedsgutachten im engeren Sinne die streitige Forderung bis zur Rechtskraft des Urteils des nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB (analog) zur Bestimmung berufenen Gerichts „noch nicht fest“.
Die Gleichbehandlung zwischen Schiedsgutachten im weiteren und engeren Sinne rechtfertigt sich zudem daraus, dass deren Abgrenzung zueinander im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten und von bloßen Formulierungsvarianten abhängig sein kann.
Das Hinausschieben bis zur Fälligkeit bis zur Rechtskraft des Urteils führt auch nicht zu einer unbilligen Benachteiligung des Gläubigers (wird ausgeführt).
26.9.2013
Steuern

Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Gelangensbestätigung)

Mit Schreiben vom 16. September 2013 äußert sich das BMF zur Anwendung der neuen Vorschriften zum Buch- und Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (insbesondere Gelangensbestätigung). Das Schreiben enthält eine Nichtbeanstandungsregelung. Es wird danach nicht beanstandet, wenn für bis zum 31.12.2013 ausgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen die Steuerfreiheit anhand der "alten" Buch- und Belegnachweise nachgewiesen wird.
Gegenüber dem zur Stellungnahme übersandten Entwurf ergeben sich insbesondere folgende Änderungen:
  • Für die Anerkennung der elektronischen Übermittlung der Gelangensbestätigung ist es unschädlich, wenn die E-Mail-Adresse nicht vorher bekannt war sowie die Domain weder auf den Ansässigkeitsstaat des Abnehmers noch den Bestimmungsmitgliedstaat der Lieferung hinweist (Abschnitt 6a.4 Abs. 3 S. 3 und 4).
  • Die Gelangensbestätigung kann auch in englischer oder französischer Sprache abgefasst werden; andere Sprachfassungen bedürfen einer amtlichen Übersetzung (Abschnitt 6a.4 Abs. 5 S. 7).
  • Wird die Gelangensbestätigung per Mail übersandt, kann die E-Mail für Umsatzsteuerzwecke in ausgedruckter Form aufbewahrt werden (Abschnitt 6a.4 Abs. 6 S. 3).
  • Auch der Nachweis per Frachtbrief, Spediteurbescheinigung, Kurierdienst sowie Postdienstleister kann jeweils aus mehreren Dokumenten bestehen, die nicht aufeinander Bezug nehmen müssen (Abschnitt 6a.5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 und 4, Abs. 5 S. 2, Abschnitt 6a.5 Abs. 7 S. 2)
  • Beim tracking and tracing (Kurierdienstleistungen) wurde eine Vereinfachungsregelung für Warensendungen mit einem Gesamtwert von max. 500 Euro aufgenommen (Abschnitt 6a.5 Abs. 5 Satz 3): Danach kann in diesen Fällen auf das tracking-and-tracing-Protokoll verzichtet werden, wenn der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine schriftliche oder elektronische Auftragserteilung und durch den Nachweis über die Entrichtung der Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstandes oder der Gegenstände geführt werden kann.
  • Zudem kann bei Kurierdienstleistungen hinsichtlich der schriftlichen bzw. elektronischen Auftragserteilung auf schriftliche Rahmenvereinbarungen oder schriftliche Bestätigungen des Kurierdienstes verwiesen werden (Abschnitt 6a.5 Abs. 6 S. 2 und 3).
  • Zudem wurde im Muster der Spediteurbescheinigung (Anlage 4) auf einige Angaben zu Packstücken, deren Anzahl,
    Verpackungsart, Zeichen und Nummer verzichtet (vgl. Anlage 4 des BMF-Schreibens).
Durch das BMF-Schreiben wurde die von der UStDV gewährte Übergangsfrist noch einmal verlängert: Für Umsätze, die zwischen dem 1. Januar 2012 und 30. September 2013 ausgeführt werden, kann der Beleg- und Buchnachweis gem. § 74a Abs. 3 UStDV nach altem Recht, d.h. nach den Regelungen, die bis Ende 2011 galten, geführt werden. Dies ist bereits so in der UStDV enthalten und bietet den Unternehmen auch vor Gericht Rechtssicherheit.
Die Anwendungsregelungen des BMF-Schreibens sehen zusätzlich eine Nichtbeanstandungsregelung vor, wonach es nicht beanstandet wird, wenn für Umsätze bis 31. Dezember 2013 die Nachweisführung nach altem Recht erfolgt. Diese Regelung hat die Finanzverwaltung wegen der verzögerten Veröffentlichung des Anwendungsschreibens aufgenommen. Es handelt sich um eine interne Verwaltungsanweisung, die die Gerichte nicht bindet.
Unter Berücksichtigung der Nichtbeanstandungsregelung sind der neue § 17a UStDV und die nun vorliegenden Erlassregelungen ab dem 1. Januar 2014 zwingend anzuwenden.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
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Stand: Juli  2018
Recht und Steuern

A 1 Nr. 221

A 1 Nr. 221 § 166 Abs. 2 InsO, § 1032 Abs. 1 ZPO – Bindung des Insolvenzverwalters bei Einziehung einer sicherungsabgetretenen Forderung
Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht.
Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher die Erfüllung nicht ablehnen. Auch erlischt der Schiedsvertrag nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Bindung an die Schiedsabrede gilt auch dann, wenn der Verwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht.  
Dagegen erfassen Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht eigene Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen. Dies gilt insbesondere für den Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung.
BGH Urt.v. 25.4.2013 – IX ZR 49/12 – ZIP 2013, 1539 = RKS A 1 Nr. 221
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.7.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin).  Mit Vertrag vom 28.10.2008 kaufte die Beklagte bei der Pflanzenschutz W.-B. e.Kfr. (im Folgenden: P) Getreide. Dem Vertrag lagen die „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“ zugrunde, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung enthalten. Aufgrund dieser Bedingungen hatte die P. die gegen die Beklagte gerichtete Forderung an die Vorlieferanten abzutreten. In der Folgezeit brachte die P.ihr Einzelunternehmen in die Schuldnerin ein, wobei die Wirksamkeit dieses (nicht näher beschriebenen) Rechtsgeschäfts streitig ist. Das Getreide wurde im März 2009 geliefert.
Der Kläger verlangt Bezahlung des Kaufpreises für das gelieferte Getreide. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das OLG Naumburg die Bekl. zur Zahlung verurteilt. Die Bekl. erstrebt die Wiederherstellung des LG-Urteils.  
Aus den Gründen:
Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht (RGZ 137, 109, 111; BGH 28.2.1957 VII ZR 204/56 BGHZ 24, 15, 18; BGH Beschl.v. 29.1.2009 III ZB 88/07 BGHZ 179, 304 = RKS  A a A Nr. 111 =  ZIP 2009, 627 Rz.11 dazu EWiR 2009, 451 (Wirth/Undritz); Wagner KTS 2010, 39, 41f.). Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlischt der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH Beschl.v. 20.11.2003 – III ZB 24/03 ZInsO 2004, 88 = RKS A 1 Nr. 132). Die Schiedsabrede gilt auch im Feststellungsrechtsstreit (BGHZ 179, 304 = ZIP 2009, 627 Rz. 11 = RKS A 4 a Nr. 111; Wagner  KTS 2010, 39, 44f.).
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Verwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht. Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen zwar nicht solche Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der InsO beruhen. Dazu gehört insbesondere die Insolvenzanfechtung (BGH Urt.v. 17.10.1956 – IV ZR 137/56 NJW 1956, 1920, 1921; BGH Beschl.v. 17.1.2008 – III ZB 11/07 ZIP 2008, 478 Rz. 17 = RKS A 1 Nr. 157; BGH Beschl.v. 30.6.2011 – III ZB 59/10  ZIP 2011, 1477 = NZI 2011, 634 Rz. 14 = RKS A 3 Nr. 32, dazu EWiR 2011, 545 (Prütting)). Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung (§ 143 Abs. 1 InsO) folgt nicht aus dem anfechtbar geschlossenen Vertrag, sondern aus einem selbständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Recht des Insolvenzverwalters (BGH ZIP 2008, 478 Rz. 17 = RKS A 1 Nr. 157; Wagner/Braem KTS 2009, 242, 245). Der Schuldner ist an dem materiellen Streitverhältnis  der Insolvenzanfechtungsansprüche nicht beteiligt; er kann nicht über sie disponieren (Berger, ZInsO 2009, 1033, 1037; Wagner KTS 2010, 39, 48).
Um derartige Rechte geht es hier jedoch nicht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter Forderungen einziehen oder verwerten, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Nur dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter von der InsO besonders verliehen. Es geht insoweit über die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gem. § 80 Abs. 1 InsO hinaus, als es nicht nur eigene Forderungen des Schuldners erfasst, sondern auch solche Forderungen, welche der Schuldner vor der Eröffnung sicherheitshalber abgetreten hat. Der Schuldner selbst hätte dieses Einziehungsrecht nicht. Auf die einzuziehende Forderung als solche, welche der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gem. § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und sicherungshalber abgetretene Forderung. Der Sicherungsnehmer als der Einzelrechts-nachfolger des Schuldners (§ 398 S. 2 BGB) hätte sich gem. § 404 BGB die Schiedsabrede entgegenhalten lassen müssen, wenn er versucht hätte, die abgetretene Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den ordentlichen Gerichten einzuklagen (BGH Urt.v. 2.3.1978 – III ZR 99/76 BGHZ  71, 162, 165 f. = RKS A 1 Nr. 23; BGH Urt.v. 2.10.1997 – III ZR 2/96 ZIP 1997, 2082 = NJW 1998, 371 = RKS A 1  Nr. 91). Gleiches gilt für den Verwalter, der gem. § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.
20.8.2013     
RECHT UND STEUERN

A 4b Nr. 55

A 4 b Nr. 55 §§ 887, 888, 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO – Erfüllungseinwand im Verfahren der Zwangsvollstreckung  aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch
Sachlichrechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch sind innerhalb des Vollstreckbarerklärungsverfahrens – im Interesse der Verfahrenskonzentration - zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte.
Sie können auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden. Dies gilt auch für den Erfüllungseinwand im Zwangsvollstreckungsverfahren gem. §§ 887, 888 ZPO.
Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist erforderlichenfalls in beiden Verfahren möglich.
Wenn allerdings der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt, ist nicht das OLG, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung darüber berufen.
BGH Beschl.v. 6.6.2013 – 1 ZB 56/12 WM 2013 S. 612 = RKS A 4 b Nr. 55 (OLG München 18.6.2012 RKS A 4 b Nr. 53)
Aus den Gründen:
Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind sachlichrechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte (BGH Beschl.v. 8.11.2007 –III ZB 95/06 NJW-RR 2008, 659 Rd-Nr. 31 = RKS A 4 a Nr. 102; Beschl.v. 30.9.2010 - III ZB 57/10 NJW-RR 2011, 313 Rd-Nr. 8 m.w.N.).
Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (BGH NJW-RR 2008, 659 Rd-Nr. 31 m.w.N. = RKS A 4 a Nr. 102).
Sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Schiedsspruch können aber auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden. So hängt die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine – auf die Vornahme einer (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete – Verpflichtung nicht erfüllt.  
Schließlich ist es auch im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, sachlich-rechtliche Einwendungen, auf die eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, bereits im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zuzulassen und den Schuldner nicht auf den Weg der Vollstreckungsklage zu verweisen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, sondern könnte eher verzögert werden, wenn der Schuldner auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage verwiesen würde (BGH 5.11.2004 IXa ZB 32/04 BGHZ 161, 67, 72 f).
Abweichendes gilt im Schiedsverfahren allerdings, wenn der geltend gemachte Einwand der Schiedsabrede unterliegt. In diesem Fall ist nicht das OLG, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung berufen (BGH Urt.v. 3.12.1986 - IV ZR 80/85 BGHZ 99, 143, 146 ff; Beschl.v.19.12,1995 III ZR 194/94 NJW-RR 1996, 508; BGH NJW-RR 2011, 213 Rd-Nr. 10; OLG Frankfurt/M. Beschl. v. 10.12.2010 juris Rn. 8).
5.9.2013
Recht und Steuern

A 1 Nr. 220

A 1 Nr. 220 § 1032 Abs. 2 ZPO. Kein Rechtsschutzbedürfnis für OLG-Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO bei zuvor vor LG erhobener Schiedseinrede
Erhebt der Beklagte in einem Verfahren vor dem ordentlichen Gericht die Schiedseinrede, so besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für ein gesondertes Verfahren auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO vor dem Oberlandesgericht.
OLG Naumburg Beschl. v. 5.3.2013 – 10 Sch 2/13 SchiedsVZ 2013, 237 = RKS A 1 Nr. 220
Aus den Gründen:
Der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des LG Magdeburg ist gem. §§ 1032 Abs. 1, 1062 ZPO unzulässig.
Die ZPO eröffnet den Parteien drei verschiedene Wege zu klären, ob für die Entscheidung einer Streitfrage anstelle staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht zuständig ist. Zum einen kann die beklagte Partei vor dem staatlichen Gericht nach § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede erheben, zum zweiten kann ein Antrag an das dann  nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständige OLG auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 gestellt werden, und zum dritten besteht die Möglichkeit, die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im schiedsrichterlichen Verfahren  nach § 1040 Abs. 1 S.1 ZPO geltend zu machen (vgl. nur OLG München Beschl.v. 22.6.2011 – 34 SchH 3/11 RKS A 3 Nr. 38).
Im Streitfall hat die Bekl. die Schiedseinrede erhoben, womit ein Fall des § 1032 Abs. 1 ZPO gegeben ist. Damit besteht kein sachliches Bedürfnis für ein nach Auffassung des LG offenbar von Amts wegen durchzuführendes gesondertes Feststellungsverfahren i.S.d. §§ 1032 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor dem grundsätzlich (nur) in diesem Fall zuständigen OLG.
Dagegen wird regelmäßig – und so auch im Streitfall – das LG als Gericht der Hauptsache auf die entsprechende Einrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO eine Entscheidung über die streitige Schiedsklausel  selbst zu treffen haben, in dem es die Klage entweder als unzulässig abweist oder in der Sache selbst entscheidet und damit die Unsicherheit zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beseitigt (nochmals dazu OLG München aaO. RKS A 3 Nr. 38; ebenso BayObLG Beschl.v. 7.10.2002 – 4 Z SchH 8/02 RKS A 1 Nr. 120; OLG Koblenz Beschl.v. 12.6.2008 – 2 SchH 2/08 RKS A 1 Nr. 165; s. auch www.juris.de; Zöller/Geimer 29.Aufl. 2012 Rd-Nr. 32 zu § 1032 ZPO entgegen seinen eigenen Ausführungen in Rd-Nr. 3 a).
Denn überzeugende Gründe dafür, dass sich ein weiteres Gericht mit der gleichen Fragestellung befassen solle, sind nicht ersichtlich. Damit fehlt für eine gesonderte Feststellung im Rahmen des § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens auch jegliches Rechtsschutzbedürfnis, wenn – wie im Streitfall – bereits das Hauptsacheverfahren rechtshängig und die Schiedseinrede dort erhoben worden ist. Auch der Grundsatz der Prozessökonomie spricht für diese Sichtweise: Entscheidend ist, dass bereits ein ordentliches Gericht mit der Frage befasst ist und hinreichender Rechtsschutz und Rechtssicherheit für die Parteien in diesem Verfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO gewährleistet sind. Damit scheidet auch eine Aussetzung des  Hauptsacheverfahrens nach § 148 ZPO aus (auch hier ebenso Zöller aaO. [Rd-Nr. 32] m.w.N.).
20.8.2013       
Recht und Steuern

A1 Nr. 219

A 1 Nr. 219 Rechtsnachfolger der schiedsvertraglich vereinbarten Schiedsinstitution: DAS>DIS
Wird in der Schiedsklausel eine Schiedsinstitution benannt (DAS Deutscher Ausschuss für Schiedsgerichtswesen), die nicht mehr existiert, aber einen Rechtsnachfolger hat (DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit), so kann das Schiedsverfahren wirksam nach den Regeln der Institution stattfinden, die dem ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarten Deutschen Ausschuss für Schiedsgerichtswesen rechtlich nachfolgt. Die Gültigkeit der Klausel wird auch nicht durch einen ausdrücklichen Verweis auf ein bestimmtes Regelwerk, vorliegend der Schiedsgerichtsordnung des DAS, das nun in der Schiedsgerichtsordnung der DIS aufgeht, beeinträchtigt.
Cour d’Appel de Paris Entscheidung vom 20.3.2012 (SAS ADB ./.  Société Reo Inductive Components AG)
19.8.2013
Recht und Steuern

A 5 Nr. 51

A 5 Nr. 51 § 317 ff. BGB – Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne, mittelbare Bestimmung der Leistung, einseitige Information des Schiedsgutachters
1. Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne liegt vor, wenn der Schiedsgutachter nicht unmittelbar die Leistung (z.B. eine Ausgleichszahlung), sondern die für die Bestimmung der Leistung maßgeblichen Tatsachen (z.B. den Unternehmenswert) zu ermitteln und verbindlich festzustellen hat. Auf eine Schiedsgutachtenvereinbarung dieses Inhalts, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient, sind §§ 317 – 319 BGB entsprechend anzuwenden, wenn die Parteien einen entgegenstehenden Willen nicht ausdrücklich erklärt haben.
2. Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne enthält i.d.R. die stillschweigende Vereinbarung, dass der Anspruch auf die zu bestimmende Leistung für die Dauer der Erstattung des Gutachtens weder gerichtlich noch außergerichtlich geltend gemacht werden kann mit der Folge, dass der Anspruch in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist.
3. Hat ein Schiedsgutachter für sein Gutachten nur von einer Partei vorgelegte Informationen verwendet, ist er nur mit dieser Partei in Kontakt getreten und hat die andere Partei nicht über der Fortgang der Begutachtung sowie die einseitig vorgelegten Informationen unterrichtet, so ist das Gutachten nicht verbindlich.
4. Im Fall des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht ist die Leistung erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig.
BGH Urteil v. 4.7.2013 – III ZR 52/12 WM 2013, 1452 RKS A 5 Nr. 51
Aus den Gründen:
1. Die Parteien haben am 25./28.5.2004 einen Schiedsgutachtenvertrag geschlossen. Dabei sollte der Schiedsgutachter nicht unmittelbar die „Bestimmung der Leistung“ (hier: die Erfolgsvergütung bzw. Ausgleichzahlung) als zur Rechtsgestaltung befugter Dritter i.S.d. § 317 BGB vornehmen, sondern den „Unternehmenswert (Verkehrswert der Beteiligungen)“ zum Kündigungsstichtag entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen verbindlich feststellen (BGH 9.6.1983 WM 1984, 318 = NJW 1983, 2244, 2245, vom 26.10.1989 = WM 1990, 399 = NJW 1990, 1231, 1232 m.w.N.;  s. zur Abgrenzung des Schiedsgutachtens im engeren und weiteren Sinne BGH Urt.v. 26.4.1991 = WM 1991, 1602 = NJW 1991, 2761 = RKS A 5 Nr. 24; MünchKomm/Würdinger  BGB 6.Aufl., § 317 Rd-Nrn. 29- 32 m.w.N.; Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 317 Rd-Nrn. 3, 5, 6). Auf eine Schiedsgutachten-vereinbarung dieses Inhalts, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient, sind mangels einer anderen Vereinbarung der Parteien die §§ 317 – 319 BGB entsprechend anzuwenden (BGH Urt.v. 26.10.1989 aaO.; OLG Düsseldorf  NJW-RR 2000, 279, 281 m.w.N.; MünchKomm/Würdinger BGB aaO. § 317 Rd-Nr. 38; Palandt/Grüneberg aaO. § 317 Rd-Nr. 3 m.w.N.).
2. Da er sonst seinen Zweck weitgehend verfehlen würde, enthält ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne i.d.R. die stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens aus der Forderung gegen den Schuldner nicht vorgehen werde (BGH Urt.v. 26.10.1989  aaO.). Es handelt sich dabei um eine Abrede, wonach die Feststellung der betroffenen Tatsachen einem Dritten überlassen werden soll mit der Folge, dass diese Tatsachen einer gerichtlichen Beweisaufnahme (zunächst) unzugänglich sind und die Begleichung der Forderung (zunächst) weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann. Eine Klage ist insgesamt als verfrüht („als z.Zt. unbegründet“) abzuweisen, wenn die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist (BGH Urt.v. 8.6.1988 = WM 1988, 1500 = NJW-RR 1988, 1405 und 7.6.2011 WM 2011, 1374 = NJW-RR 2011, 1059, 1060 Rd-Nr. 13 = RKS A 5 Nr. 48). Daraus wird deutlich, dass die Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne auch eine Regelung der Leistungszeit i.S.v. § 271 BGB enthält, und zwar dahingehend, dass die Fälligkeit der Forderung bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird.
3. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R ist kein verbindliches Schiedsgutachten, weil es einseitig unter Verwertung nur von der Klägerin zur Verfügung gestellter Informationen erstellt worden ist und der Gutachter nur mit der Kl., nicht aber mit der Beklagten in Kontakt getreten ist, wobei die Bekl. auch von der Kl. nicht über den Fortgang der Begutachtung und die zur Verfügung gestellten Informationen unterrichtet wurde (zur Unverbindlichkeit eines „einseitigen“ Schiedsgutachtens: BGH Urt.v. 6.6.1994 WM 1994, 1778 = NJW-RR 1994, 1314, 1315).
Die Leistungsbestimmung (Tatsachenfeststellung)  ist analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB immer dann, wenn sich die von den Vertragsparteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist, durch das Gericht vorzunehmen (BGH Urt.v. 6.6.1994 aaO. und vom 7.4.2000 WM 2000, 2104 =NJW 2000, 2986, 2987).
4. Im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht  (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB) wird die Forderung erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig, so dass Zinsen vorbehaltlich anderer Vereinbarungen nicht verlangt werden können (BGH Urt.v. 10.3.1993 = BGHZ 122, 32, 32, 45 f. = WM 1993, 696, vom 24.11.1995 = WM 1996, 445 = NJW 1996, 1054, 1056, vom 30.5.2003 = WM 2004, 186 = NJW-RR 2003, 1355, 1357 f.; vom 5.7.2005 = WM 2005, 1768 = NJW 2005, 2919, 2920 und vom 4.4.2006 = BGHZ 167, 139, 149 f. = WM 2006, 1921 Rd-Nrn. 22 f., 16.4.1999 = WM 1999, 1715). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen. Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im engeren Sinne, auf welche §§ 317 – 319 BGB entsprechend anwendbar sind, gilt im Ergebnis nichts anders (wird ausgeführt).
19.8.2013
Recht und Steuern

A 4a Nr. 147

A 4 a Nr. 147 § 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO - Unterschrift der Schiedsrichter: Fehlen, Vertretung, unterschiedliche Blätter
In Schiedsverfahren mit mehreren Schiedsrichtern genügt die Unterschrift der Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird.
Ein förmlicher Schiedsspruch erfordert die (persönliche, eigenhändige) Unterschrift der Schiedsrichter. Vertretung in der Unterschriftsleistung ist unzulässig.
Die urkundsabschließende, den Schiedsspruch räumlich abdeckende Unterschrift der Schiedsrichter auf unterschiedlichen Blättern  ist für die formelle Wirksamkeit des Schiedsspruchs unschädlich.
OLG München Beschl.v.25.2.2013 – 34 Sch 12/12 SchiedsVZ 2013,231 = RKS A 4 a Nr. 147
Aus den Gründen:
In schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügt zwar die Unterschrift der Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird (§ 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der in der Urkunde vermerkte Umstand, dazu ermächtigt zu sein, erklärt nur die zweite Unterschrift des Obmanns und ist kein Grund für die fehlende Unterschrift des Vollmachtgebers selbst. Der Umstand der Ortsabwesenheit ist als Grund für die fehlende Unterschrift nicht angeführt.
Der Schiedsspruch genügt den Formerfordernissen des § 1054 ZPO. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es möglich ist, dass gleichlautende Ausfertigungen durch jeweils einen Schiedsrichter unterzeichnet werden (dagegen zB. MüKoMünch ZPO 3. Aufl. § 1054 Rd-Nr. 10 und Musielak/Voit § 1054 Rd-Nr. 6). Denn die Unterschriften sämtlicher Schiedsrichter decken hier den Schiedsspruch räumlich ab. Sie sind nicht in verschiedenen Ausfertigungen enthalten. Der Schiedsspruch stellt eine durch diese Unterschriften gedeckte einheitliche Urkunde dar. Dass das Unterschriftenblatt (S. 26) doppelt vorhanden ist, rechtfertigt nicht den Schluss, dass ursprünglich die Schiedsrichter ihre Unterschriften jeweils auf unterschiedlichen gleichlautenden Urkunden geleistet hätten. Denn vorgelegt sind schriftliche Fassungen des Schiedsspruchs, die jeweils zweimal die Seite 26 enthalten. In welcher Form und Abfolge die Schiedsrichter ihre Unterschriften geleistet haben, hat das staatliche Gericht nicht zu überprüfen, Dies könnte es auch nicht. Selbst Blankounterschriften würden der Formvorschrift des § 1054 Abs. 4 ZPO genügen (MüKo/Münch § 1054 Rd-Nr. 12) Es liegt in der Verantwortung des einzelnen Schiedsrichters, wie er sich von der notwendigen Übereinstimmung zwischen der Beratung und dem im schriftlichen Schiedsspruch niedergelegten Ergebnis überzeugt.
19.8.2013
RECHT UND STEUERN

A 4a Nr. 146

A 4 a Nr. 146 §§ 328, 1061 Abs. 1 S. 1 + 2 ZPO, Art. V Abs. 1 a – e, Art. VII Abs. 1 UNÜ, Art. IX Abs. 1 und 2 EuÜ – Vollstreckbarerklärung eines im Ursprungsstaat Ukraine aufgehobenen Schiedsspruchs
1. Nach § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Die diesbezüglichen  Vorschriften in anderen Staatsverträgen bleiben unberührt. Art. V Abs. 1 a – d, Abs. 2 a + b UNÜ regeln die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung. Art. V Abs. 1 e UNÜ enthält u.a. als zusätzlichen Versagungsgrund, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Ursprungsstaates aufgehoben worden ist. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen die Bestimmungen des UNÜ die Gültigkeit mehr- oder zweiseitiger Verträge, die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt.  Eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie Art. VII Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das EuÜ über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 dar. Deutschland und Ukraine sind Vertragsstaaten beider Übereinkommen.
2. Art.  IX EuÜ schränkt Art. V Abs. 1 e UNÜ dahin ein, dass eine Aufhebung durch die Gerichte des Ursprungsstaats nur dann für eine Versagung ausreicht, wenn die Aufhebung durch das staatliche Gericht auf einen der in Art. IX Abs. 1 a – d angeführten Gründe gestützt ist (Art. IX Abs. 2 EuÜ). Hierzu gehört u.a. die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. IX Abs. 1 d EuÜ), nicht aber ein Verstoß gegen den nationalen ordre public.        
3. Hat die Vorinstanz die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt, weil das Gericht des Ursprungsstaats ihn nicht nur wegen eines Verstoßes gegen den nationalen ordre public, sondern auch wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben hat, so ist die Rechtsbeschwerde mit der Rüge, die Vorinstanz hätte inzidenter prüfen müssen, ob das aufhebende Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht anerkannt werden kann, nicht ausreichend begründet.
4. Zwar ist umstritten, ob die Regelung über die Prüfung und Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO auf schiedsspruchaufhebende Entscheidungen ausländischer Gerichte anwendbar ist, insbesondere das deutsche Gericht die Anerkennung mangels Verbürgung  der Gegenseitigkeit versagen kann  (Abs. 1 Nr. 5).
5. Art. V Abs. 1e UNÜ gibt aber dem deutschen Gericht die Beachtung der ausländischen Entscheidung auf, auch wenn es bei einer eigenen Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ keinen Verstoß feststellen könnte.
6. Wenn man die Anwendung von Art. V UNÜ von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig machen würde, wäre dies in Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO (Rücknahme des Vertragsstaatenvorbehalts BGBl. 1999 II 7).
BGH Beschl.v. 23.4.2013 – III ZB 59/12 SchiedsVZ 2013, 229 = RKS A 4 a Nr. 146
Aus den Gründen:
1. Nach § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Die Vorschriften in anderen diesbezüglichen Staatsverträgen bleiben unberührt (§ 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO). Art. V Abs. 1 a – d, Abs. 2 a + b UNÜ regeln – in gleicher Weise wie § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a – d, Nr. 2 a + b ZPO für inländische Schiedssprüche – die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs. Art. V Abs. 1 e UNÜ enthält u.a. als zusätzlichen Versagungsgrund, dass der Schiedsspruch von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben worden ist. Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen die Bestimmungen des Übereinkommens die Gültigkeit mehr- und zweiseitiger Verträge, welche die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt. Eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie Art. VII  Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das Europäische Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1061 (EuÜ) dar. Deutschland und die Ukraine sind jeweils Vertragsstaaten sowohl des UNÜ wie des EuÜ. 
2. Art. IX EuÜ schränkt Art. V Abs. 1 e UNÜ dahingehend ein, dass die Aufhebung durch die Gerichte des Staates , in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, nicht generell, sondern nur dann für eine Versagung ausreicht, wenn die Aufhebung durch das staatliche Gericht auf einen der in Art. IX Abs. 1 a – d EuÜ angeführten Gründe gestützt worden ist (Art. IX Abs. 2 EuÜ). Hierzu gehört u.a. die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. IX Abs. 1 d EuÜ), nicht aber ein Verstoß gegen den nationalen ordre public.
3. Das OLG ist davon ausgegangen, der streitgegenständliche Schiedsspruch sei in der Ukraine nicht nur wegen eines Verstoßes gegen den nationalen ordre public, sondern auch wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben worden. Die hiergegen gerichteten Rügen der Antragstellerin sind ungeeignet, die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zu begründen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der für den Fall der Anwendbarkeit des Art. IX Abs. 1 d EuÜ von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob das OLG inzidenter hätte prüfen müssen, inwieweit das den Schiedsspruch aufhebende Urteil mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1   Nr. 5 ZPO nicht anerkannt werden kann, kommt keine grundsätzliche Bedeutung (zu dieser BGH Beschl.v.8.2.2010 – II ZR 156/09 NJW- RR 2010, 978 Rn3 mwN.). zu. Im Übrigen stellt sich diese Frage im Verhältnis der Vertragsstaaten des UNÜ/EuÜ in dieser Form auch nicht.
4. Zwar ist umstritten, ob die Regelung über die Anerkennung ausländischer Urteile in § 328 Abs. 1 ZPO auf Entscheidungen ausländischer Gerichte, durch die ein Schiedsspruch aufgehoben worden ist, Anwendung findet, d.h. ob das über die Anerkennung des Schiedsspruchs befindende Gericht inzidenter zu prüfen hat, ob dem aufhebenden Urteil in einem Verfahren nach § 328 ZPO die Anerkennung zu versagen wäre.
Überwiegend wird das verneint (vgl. nur OLG Rostock BB 2000, Beilage 8, S. 20, 23 = RKS A 4 a Nr. 45; Musielak/Voit ZPO 9. Aufl., § 1061 Rd-Nr. 18, MünchKomm/Münch 3. Aufl. § 1061 Rd-Nr. 12; Schwab/Walter  Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 30 Rd-Nr. 14). Auch in den sogenannten Denkschriften zum UNÜ (BT-Drucks. III/2160 S.26, 27 zu Art. V) und zum EuÜ (BT-Drucks. IV/1597. S. 36f. zu Art. IX) wird das Verfahren nach § 328 ZPO nicht erwähnt, vielmehr davon ausgegangen, es sei „an sich selbstverständlich, dass die Aufhebung des Schiedsspruchs der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung entgegenstehen muss“ (aaO. S. 27) bzw. „das Gericht des Vollstreckungsstaates hat sich bei der Prüfung, ob das Aufhebungsurteil anzuerkennen sei, darauf zu beschränken, ob das Aufhebungsurteil auf einem der genannten vier Gründe beruht“, wobei es „keinesfalls nachprüfen darf, ob das Gericht des Urteilsstaates das Gesetz und das Übereinkommen richtig angewendet hat“ (aaO. S. 36 f.).
Von den Autoren, die eine Anwendung des § 328 ZPO im Grundsatz bejahen, wird hiervon zumeist § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ausgenommen, um Spannungen und Divergenzen mit dem Schiedsverfahrensstatut zu vermeiden (vgl. etwa Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 328 Rd-Nr. 267, § 1061 Rd-Nr. 25, derselbe in Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. Rd-Nr. 3944; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22.Aufl. Anh.zu § 1061 Rd-Nr. 131 a, der nur § 328 Abs. 1 Nr. Nr. 2, 4 ZPO anwenden will).     
5. Lediglich vereinzelt (vgl. etwa Schütze, Das internationale Zivilprozesssrecht in der ZPO, 2.Aufl. § 1061 Rd-Nr.120) wird die Meinung vertreten, auch § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO gelte. Zur Begründung wird angeführt, der Schuldner des Schiedsspruchs erfahre keinen Nachteil, wenn die Aufhebungsentscheidung mangels Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht anerkannt werden könne, da er die Gründe, die er im Ausland gegen den Schiedsspruch geltend gemacht habe, genauso im inländischen Vollstreckungsverfahren wieder vorbringen könne. Hierbei wird jedoch übersehen, dass es nicht um den Schutz des Schuldners, sondern um die in den internationalen Übereinkommen/Verträgen geregelte Frage der Anerkennung von Schiedssprüchen und deren Aufhebung im Ausland geht. Zwar sind die in Art. IX Abs. 1 a – d EuÜ angeführten Gründe im Kern mit denen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ identisch, also vom deutschen Gericht unabhängig von einer Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland (Art. V Abs. 1 e UNÜ) zu prüfen. Durch Art. V Abs. 1 e UNÜ, Art. IX EuÜ wird aber dem deutschen Gericht die Beachtung der ausländischen Entscheidung aufgegeben, auch wenn es bei einer eigenen Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a – d UNÜ keinen Verstoß feststellen könnte. Art. V Abs. 1 e UNÜ, Art. IX EuÜ enthalten insoweit einen eigenständigen, über Art. V Abs. 1 a – d UNÜ hinausgehenden Versagungsgrund.
6. Würde man die Anwendbarkeit von Art. V Abs. 1 e UNÜ von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig machen, stünde dies auch im Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche künftig generell – und nicht nur gegenüber Vertragsstaaten  des UNÜ – nach dem UNÜ richtet (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 61 f.); die Bundesregierung hat dementsprechend den zunächst (BGBl. 1962 II 102) erklärten Vertragsstaatenvorbehalt zum UNÜ zurückgenommen (BGBl. 1999 II 7).
Die Frage der Anwendbarkeit des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ist deshalb nicht im obigen Sinn klärungsbedürftig. Selbst wenn man die Verbürgung der Gegenseitigkeit für notwendig hielte, käme es nicht darauf an, ob generell im Verhältnis zur Ukraine die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen verbürgt ist (zu letzterem Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. E 1 Rd-Nr. 247; Solotych in Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr, Loseblattsammlung, O 115 210f; s.auch den Hinweis bei Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl., Anh. V S. 3307 auf die Reformgesetze in der Ukraine im Jahr 2010). Vielmehr würde es für die Frage der Anerkennung und Vollstreckung des hier streitgegenständlichen ukrainischen Schiedsspruchs ausreichen, wenn die Gegenseitigkeit im Hinblick auf einen Schiedsspruch aufhebende gerichtliche Entscheidungen gewährleistet ist. Sowohl Deutschland als auch die Ukraine sind aber Vertragsstaaten des UNÜ und des EuÜ und haben sich insoweit den Regelungen in Art. V UNÜ, Art. IX EuÜ unterworfen. Damit ist die Gegenseitigkeit rechtlich abgesichert. Dass sich in der Gerichtspraxis die Ukraine an das UNÜ/EuÜ nicht halten werde, ist weder mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Vorinstanz: OLG München 30.7.2012 – 34 Sch 18/10 = RKS A 4 a Nr. 142
16.8.2013
RECHT UND STEUERN

A 4a Nr. 144

4 a Nr. 144 Art. V Abs. 2 b UNÜ, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 a.F., § 1061 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 a UNÜ -Verstöße des ausländischen Schiedsgerichts gegen inländischen ordre public; sittenwidriger Kaufvertrag,  Fehlen wirksamer Schiedsabrede; Prüfungsumfang, Verbot der révision au fond
1. Im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erstreckt sich die  Über-prüfung eines ausländischen Schiedsspruchs auch auf Verstöße gegen den inländischen ordre public und auf das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Schiedsabrede.
2. Nach neuem Schiedsverfahrensrecht steht dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegen, dass der Schiedsbeklagte versäumt hat, dies im Schiedsverfahren zu rügen oder gegen den Schiedsspruch im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen.
3. Dies gilt nicht, wenn der Antragsgegner den Verstoß gegen den ordre public und die Rüge der Unwirksamkeit auf eine materiell-rechtliche Einwendung stützt, deren Tatsachengrundlage ihm im Schiedsverfahren bereits bekannt war und nicht erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden ist.
4. Bei einer Kontrolle, ob das ausländische Gericht oder Schiedsgericht bei der Tatsachenfeststellung oder bei der Rechtsanwendung gegen den inländischen ordre public verstoßen hat, muss das staatliche Gericht  das Verbot der révision au fond  beachten.
5. Die Inhaltskontrolle von Kaufverträgen unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den guten Sitten ist im CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) nicht vereinheitlicht.
6. Die Beweiswürdigung kann nicht im gleichen Umfang überprüft werden wie dies beispielsweise deutsche Berufungsgerichte in Zivilsachen tun, die nur in den von § 529 ZPO gezogenen Schranken an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden sind. Das Gericht, das über den Antrag nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ entscheidet, ist kein dem ausländischen (Schieds-)Gericht übergeordnetes Instanzgericht. Die Beweiswürdigung kann allenfalls insoweit überprüft werden, wie sie im Revisionsverfahren der Richtigkeitskontrolle unterliegt.  
OLG Saarbrücken Beschl.v. 30.5.2011 – 4 Sch 3/10 IHR 2013, 21= RKS A 4 a Nr. 144
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsgegner rügt einen Verstoß gegen den inländischen ordre public: Der vereinbarte Kaufpreis von 1,3 Mio Euro sei wegen (bereits im Schiedsverfahren) behaupteter Mängel des verkauften Hengstes bei Gefahrübergang weit übersetzt gewesen. Es habe ein besonders grobes Mißverhältnis zum Verkehrswert von allenfalls 100.000 Euro  vorgelegen. Der Kaufvertrag sei daher gemäß des wegen der in Deutschland erfolgten Übergabe maßgeblichen § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig. Nach deutscher Spruchpraxis bestehe bei einer den Wert der Gegenleistung um 100 % übersteigenden Leistung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln des Verkäufers aus verwerflicher Gesinnung.     
Aus den Gründen:
1. Die Überprüfung eines ausländischen Schiedsspruchs (ICC-Verfahren Schiedsort Stockholm) erstreckt sich im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gem. Art. V Abs. 2 b UNÜ auch auf Verstöße gegen den inländischen ordre public und auf das Fehlen oder die Unwirksamkeit einer Schiedsgerichtsvereinbarung.
2. Der Einwand, eine wirksame Schiedsvereinbarung liege nicht vor, ist dem Antragsgegner nicht schon deshalb verwehrt, weil er die behauptete Unwirksamkeit im ausländischen Schiedsverfahren nicht beanstandet hat. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung (Beschl. v. 16.12.2010 – III ZB 100/09 = NJW 2011, 1290, 2092 =  IHR 2011, 265 = RKS A 4 a Nr. 129) muss das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung nicht schon im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden. Der BGH geht davon aus, dass nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224), durch das u.a. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F. aufgehoben worden ist, dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegensteht, dass der Schiedsbeklagte es versäumt hat, dies im Schiedsverfahren zu rügen oder im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen (BGH aaO.). Auch ein substantiiert dargelegter Verstoß gegen den deutschen ordre public wäre ein beachtlicher Einwand (Zöller/Geimer ZPO 27.Aufl. Rd-Nrn. 30, 31 zu § 1061).
3. Der Streitfall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der Antragsgegner den Verstoß gegen den ordre public und die geltend gemachte Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auf eine materiell-rechtliche Einwendung stützt, deren Tatsachengrundlage ihm im Schiedsverfahren bereits bekannt war  und die nicht erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden ist. Der Antragsgegner wusste um die behaupteten Mängel des verkauften Hengstes, mit denen er nun die grobe Wertdiskrepanz begründet, die zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB führen und die zugleich das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung zur Folge haben soll.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung (NJW-RR 1997, 1289 = RKS A 4 a Nr. 40; NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30; BGHZ 34, 274, 277 ff). sind im Vollstreckbarerklärungs-verfahren neben gesetzlichen Aufhebungsgründen zwar auch sachliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zulässig. Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein (BGH Beschl.v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 RKS A 4 a Nr. 128).
Hiervon ausgehend ist der Antragsgegner mit dem vor Erlass des Schiedsspruchs entstandenen materiell-rechtlichen Einwand eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts, dessen tatsächliche Grundlagen ihm im Schiedsgerichtsverfahren  bekannt waren, in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen und deshalb daran gehindert, im Verfahren nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ den (angeblichen) Verstoß gegen den ordre public und das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung auf die vor Erlaß des Schiedsspruchs entstandene materiell-rechtliche Einwendung zu stützen, die er wegen vorhandener Tatsachenkenntnis schon in dem Schiedsgerichtsverfahren hätte erheben können. Die Ordre-public-Prüfung dient nicht dazu, eine nachlässige oder unzweckmäßige Rechtswahrnehmung im Ausland zu korrigieren (Geimer, Intenationales Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. Rd-Nr. 3926a i.V.m. Rd-Nr. 2991).
Selbst wenn man materiellrechtliche Einwendungen, die einen Verstoß gegen den inländischen ordre public und die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge haben könnten, entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO als präkludiert ansehen wollte, würde das der Rechtsverteidigung des Antragsgegners nicht zum Erfolg verhelfen.
4. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein für vollstreckbar zu erklärender ausländischer Schiedsspruch gegen den inländischen ordre public verstößt, ist das Verbot der révision au fond zu beachten. Hiernach findet weder eine umfassende Kontrolle der Tatsachenfeststellungen statt noch ist eine unrichtige Rechtsanwendung für sich allein ein Grund, dem ausländischen Schiedsspruch oder Urteil die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung zu verweigern. Fehlentscheidungen sind bei Schiedssprüchen ebenso hinzunehmen wie bei Urteilen staatlicher Gerichte (Zöller/Geimer Rd-Nr. 40 zu § 1061 ZPO).  
Die Unwirksamkeit des Kaufvertrages ist nicht mit einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung zu begründen, das auf  dem Käufer/Antragsgegner bekannten Mängeln der Kaufsache bei Übergabe beruhen soll, über die das Schiedsgericht Beweis erhoben hat. Der ordre public greift nur in krassen Fällen zur Wahrung grundlegender und unverzichtbarer Werte der deutschen Rechtsordnung ein, bei Fallgestaltungen also, wo die Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheidungen gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstoßen und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates stehen würde (EuGH NJW 2000, 1853, 1854).
Was zum ordre public des Anerkennungsstaates zählt, legt das nationale Recht fest (MünchKomm/Gottwald ZPO 3. Aufl. Art 36 IZPR Rd-Nr. 5). Ein Verstoß gegen den ordre public kommt wie dargelegt  nur ausnahmsweise in Betracht, wobei die Voraussetzungen im nationalen Recht international auszulegen sind (BGH NJW 1990, 2201, 2203 = RKS A 4 a Nr. 29). Der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den ordre public (BGH NJW 1993, 3269, 3270).
Ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1061 ZPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 b UNÜ) kann sich sowohl in verfahrensrechtlicher wie materiell-rechtlicher Hinsicht ergeben.
Ebenso wie bei der Anerkennung ausländischer Urteile staatlicher Gerichte erzwingt der ordre public eine Kontrolle des ausländischen Schiedsverfahrens. Nur besonders schwere  Verfah-rensmängel verletzen verfahrensrechtlich den deutschen ordre public. Dass das dem auslän-dischen Schiedsspruch zugrunde liegende Verfahren –  das Schiedsgericht hat die beiderseits angebotenen Beweise über die streitigen Mängel im Zeitpunkt der Übergabe erhoben – insgesamt nicht mehr als ein geordnetes, rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann (BGH NJW 1990, 2201, 2203 = RKS A 4 a Nr. 29) ist weder dargetan noch ersichtlich. Der Antragsgegner beruft sich allein auf einen Verstoß gegen den materiellen ordre public.
Dieser liegt nur vor, wenn der Inhalt der ausländischen Entscheidung den Grundwertungen der deutschen Rechtsordnung völlig zuwider läuft, dh. unabhängig davon, ob das ausländische Gesetz auf den gleichen Prinzipien wie die inländische Regelung beruht, wenn das konkrete Ergebnis einer Anerkennung und Vollstreckung des zuerkannten Anspruchs unter Berücksichtigung des Grades der Inlandsbeziehung des Sachverhalts vom Standpunkt des inländischen Rechts krass zu missbilligen ist (BGH NJW 1993, 1801, 1802).
Zwar kann einem ausländischen Schiedsspruch, der Ansprüche zuerkennt, die aus einem Vertrag resultieren, der bei Anlegung inländischer Maßstäbe gegen die guten Sitten verstößt, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung u.U. zu versagen sein. Denn § 138 BGB ver-weist auf  der deutschen Rechtsordnung immanente rechtsethische Werte und Prinzipien, weshalb er jedenfalls im Kernbereich zum inländischen ordre public gehört (Palandt/ Ellenberger BGB 70. Aufl. Rd-Nr. 3 zu § 138). Das bedeutet jedoch nicht, dass ausländische Urteile und Schiedssprüche, die Ansprüche aus einem Vertrag zuerkennen, dem nach der Spruchpraxis deutscher Gerichte die Wirksamkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu versagen wäre, ausnahmslos nicht anzuerkennen und nicht für vollstreckbar zu erklären sind. Die deutsche Rechtsprechung zu § 138 Abs. 1 BGB kann nicht Messlatte für den ordre public sein.
5. Das CISG (Convention on Contracts for the International Sale of Goods), auf dessen Geltung die Parteien sich in ihrem Kaufvertrag verständigt haben, regelt nach dem für den sachlichen Geltungsbereich maßgeblichen Art. 4 S. 2b nicht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen. Die Inhaltskontrolle von Kaufverträgen  unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den guten Sitten ist im CISG nicht vereinheitlicht (MünchKomm/Westermann BGB 4. Aufl. Rd-Nr. 8 zu Art. 4 CISG). Mithin unterliegt der Vertrag gem. Art. 28 Abs. 1 EGBGB a.F. dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB a.F. ist das i.d.R. der Staat, in dem die Partei, die die vertragscharakteristische  Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre gewerbliche Niederlassung hat
6. Die Beweiswürdigung im Urteil eines ausländischen Staats- oder Schiedsgerichts kann wegen des Verbots einer révision au fond nicht im gleichen Umfang überprüft werden wie  ein deutsches Urteil durch das Berufungsgericht, das nur in den Schranken des § 529 ZPO an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz gebunden ist: Beachtliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Beweiswürdigung können hier schon dann bestehen, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts auf Grund gewisser Anhaltspunkte eine gewisse, (nicht notwendig überwiegende) Wahrscheinlichkeit für ein anderes Beweisergebnis besteht; dass die Beweiswürdigung vertretbar erscheint, genügt nicht.
Dieser Maßstab darf bei der Überprüfung der Beweiswürdigung in Entscheidungen ausländischer Staats- oder Schiedsgerichte im Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungs-verfahren nicht angelegt werden. Das Gericht, das über den Antrag nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ entscheidet, ist kein dem ausländischen Gericht übergeordnetes Instanzgericht, und ihm ist keine entsprechende Tatsachenkontrollfunktion zugewiesen. Die Beweiswürdigung kann daher allenfalls in dem Rahmen nachgeprüft werden, in dem sie im Revisionsverfahren der Richtigkeitskontrolle unterliegt.
5.4.2013               
Recht und Steuern

A 4a Nr. 145

A 4 a Nr. 145 Art. 5 Abs. 1, 2 UNÜ i.V.m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO; Art. 5 Abs. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961; Art. 1477 Code de Procédure Civil (französisches Zivilprozessgesetz) a.F.: Zustellungserfordernis für französischen Schiedsspruch? Schiedsvereinbarung mit Frist für den Erlass des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht, unterlassene Rüge der Fristüberschreitung)
1. Gemäß § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ). Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Art. 3 ff.UNÜ  ist das staatliche Gericht weder an die rechtliche Beurteilung noch an die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden.
2. Haben die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung geregelt, dass der Schiedsspruch innerhalb einer bestimmten Frist nach Unterzeichnung der Vereinbarung ergehen muss,  führt die Überschreitung der Frist nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Auf die Überschreitung kann sich eine Partei nicht berufen, wenn sie nach Ablauf der Frist verhandelt hat, ohne die Überschreitung zu rügen.
3. Nach Art. 1477 Code de Procédure Civil a.F. bedurfte es nicht der Zustellung des Schiedsspruchs; Voraussetzung für die Vollstreckung war allein die Exequatur-Entscheidung des Landgerichts, in  dessen Zuständigkeit das Urteil ergangen ist. Ist der Schiedsspruch durch ein französisches Gericht für vollstreckbar erklärt worden und sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung in Frankreich geringer sind als in  der Bundesrepublik Deutschland, liegt ein Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor.
4. Der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung steht nicht entgegen, dass gegen den ausländischen Schiedspruchs im Ursprungsland ein Rechtsmittel (hier: recours en annulation gegen einen französischen Schiedsspruch) gegeben ist, wenn der Antragsgegner von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. 
OLG Koblenz Beschl.v. 27.11.2012  - 2 Sch 2/12 WM 2013, 1327 = RKS A 4 a Nr. 145
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin erwarb von der Antragsgegnerin deren französische Tochtergesellschaft im Wege der Abtretung von 13.200 Aktien (Gesamtkapital der Gesellschaft). Im Rahmen der Vertragsbeziehungen  trafen die Parteien am 25.8.2008 eine "schiedsgerichtliche Verfahrensordnung"  u.a. des Inhalts, dass die im Antrag der Antragstellerin genannten Schiedsrichter über den nach Abschluss des Abtretungsvertrages entstandenen Streit durch einen Schiedsspruch entscheiden sollten. Gegenstand des Schiedsverfahrens waren  zum einen die vertragskonforme Bestimmung des Abtretungspreises und die Rückzahlung der von der ASt. reklamierten Differenz zur tatsächlich bezahlten Summe. Zum anderen stritten die Parteien über die Anwendbarkeit und die Erfüllung eines Garantieversprechens, das die Bezahlung der von der "C" SA noch geschuldeten gewerblichen Mieten absichern sollte. Als Ort des Schiedsgerichts wurde Straßburg vereinbart. Das Schiedsgericht in Straßburg hat am 28.3.2010 nachfolgenden Schiedsspruch erlassen:
"Die Antragsgegnerin ist verurteilt worden, an die Antragstellerin einen Betrag von 79.653 Euro für die Überzahlung des Verkaufspreises und einen Betrag von 72.780 Euro für die Mietzinsgarantie vom 1.1.2004 bis 31..2005 zu zahlen."
Der Schiedsspruch ist am 21.9.2010 durch den Cour d`Appel Colmar in Frankreich für vollstreckbar erklärt worden.   
Aus den Gründen:
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Koblenz ergibt sich aus § 14 LVO über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22.11.1985 i.V.m. dem Verweisungsbeschluss des 1. Zivilsenats des OLG Zweibrücken vom 11.6.2012. ….
1. Versagungsgründe nach Art. 5 Abs.  1, 2 UNÜ i.V.m. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO stehen der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht entgegen (wird ausgeführt).
2. Die Parteien haben in Ziffer 7.1 ihrer „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“  vom 25.8.2008 geregelt, dass der Schiedsspruch innerhalb von 10 Monaten nach Unterzeichnung der Vereinbarung zu ergehen hat. Das Schiedsgericht in Straßburg hat am 28.3.2010 den Schiedsspruch erlassen, d.h. nach Ablauf von ca. 19 Monaten nach Unterzeichnung der  Vereinbarung vom 25.8.2008. Darin könnte eine Überschreitung der Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel im Sinne von Art. 5 Abs. 1 c UNÜ gesehen werden. Allerdings gründet vorliegend das Schiedsverfahren auf einer Schiedsklausel, Gründe, die der Fortführung  des Schiedsverfahrens entgegenstanden, waren nicht ersichtlich. Der Ablauf der Zehnmonatsfrist nach Ziffer 7.1 der „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“ führt nicht zur Aberkennung der Wirkung der Schiedsklausel (vgl. auch Cour de Cassation, Chambre Civil 2, 18.2.1999 Nr. 97-12770).
Nach Seite 4 des Schiedsspruchs hat die Antragsgegnerin  am 10.9.2009, d.h. nach Ablauf der Zehnmonatsfrist am 25.6.2009, zusammenfassende Anträge eingereicht und damit rügelos verhandelt, so dass der Antragsgegnerin gemäß Art. 5 Abs. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II S. 426, BGBl. 1965 II S. 107; vgl. Schwab/Walter/Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 S. 596 ff.; BGH Beschl. v. 16.12.2010 = WM 2011, 523 = ZIP 2011, 302 = NJW 2011, 1290 = RKS A 4 a Nr. 129) verwehrt ist, sich auf die Fristüberschreitung zu berufen.
3. Die Antragsgegnerin rügt zu Unrecht die fehlende Zustellung des Schiedsspruchs.  Gemäß Ziffer 7.4 der „schiedsgerichtlichen Verfahrensordnung“ ist der Schiedsspruch per Einschreiben gegen Rückschein den Parteien zu übersenden und wird vom Vorsitzenden des Schiedsgerichts bei der Gerichtsgeschäftsstelle des Landgerichts zwecks Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs hinterlegt. Den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin ist der Schiedsspruch durch den Vorsitzenden des Schiedsgerichts am 31.3.2010 gegen Empfangsbekenntnis übersandt worden; diese haben den Empfang am 1.4.2010 unterschriftlich bestätigt.
Die AGg. rügt ohne Erfolg, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verstoßen würde. Sie meint, die fehlende Zustellung des Schiedsspruchs durch einen Gerichtsvollzieher verstoße gegen den Grundsatz „Titel, Klausel, Zustellung“.
Die ASt. verweist darauf, dass nach französischem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Schiedsspruchs dieser nicht förmlich durch einen französischen Gerichtsvollzieher  zuzustellen  war. Nach Art. 1477 des Code de Procédure Civil a.F. war Voraussetzung für die Vollstreckung allein die Exequatur-Entscheidung des Landgerichts, in dessen Zuständigkeit das Urteil ergangen ist. Da die Zustellung des Schiedsspruchs an die Parteien erfolgt ist, da dieser durch das Berufungsgericht Colmar mit Beschluss vom 21.9.2010 für vollstreckbar erklärt worden ist, und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind,  dass die Verfahrensweise in Frankreich  hinsichtlich der Vollstreckbarkeitserklärung rechtsstaatlich geringere Anforderungen beinhaltet, ist ein Verstoß gegen den ordre public in Deutschland nicht erkennbar.
4. Soweit die AGg vorträgt, dass nach der französischen Zivilprozessordnung nach Art. 1491 ff. Code de Procédure  Civile (CPC) die Möglichkeit eröffnet sei, einen Anfechtungsrechtsbehelf  (recours en annulation) zum Berufungsgericht zu erheben, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.
25.7.2013
Recht und Steuern

A 2 Nr. 65

A 2 Nr. 65 §§ 1036, 1037, 1040, 1062 ZPO, § 7 Gerichtliche ZuständigkeitsVO Justiz (GZVJu) – Ablehnung von Schiedsrichtern wegen persönlicher Verflechtungen mit Vertretern der Schiedsparteien und Verstößen gegen die Offenlegungspflicht
1. Die in der Schiedsvereinbarung erfolgte Bezeichnung eines u.a. für die Ablehnung eines Schiedsrichters zuständigen Oberlandesgerichts (§§ 1037, 1062 Abs. 1 Nr. 1) wird überlagert von § 1062 Abs. 5 i.V.m. § 7 GZVJu, wonach alle schiedsrichterlichen Angelegenheiten nach § 1062 ZPO dem Oberlandesgericht München übertragen sind. Ein anderes bayerisches Oberlandesgericht kann nicht durch Parteivereinbarung bestimmt werden. Die mit der Konzentration bezweckten Effekte der Spezialisierung, der Rationalisierung und der stetigen Rechtsfortbildung wären dadurch gefährdet.
2. Die Zweiwochenfrist gem. § 1037 Abs. 2 S. 1 für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen beginnt mit Kenntnis der Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder eines Umstandes i.S.v. § 1036 Abs. 2, der berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters aufkommen läßt. Der Umstand ist zunächst gegenüber dem Schiedsgericht darzulegen.
3. Die Frist des § 1037 Abs. 2 S. 1 ist auch vom staatlichen Gericht zu beachten. Sie wird durch das staatliche Verfahren nicht gehemmt. Während dessen Anhängigkeit kann das Schiedsgericht sein Verfahren fortsetzen (§ 1040 Abs. 3 S. 3).
4. Durch die Kündigung erlischt die Schiedsvereinbarung nicht und wird das Schiedsgericht nicht nachträglich unzuständig. Über Wirksamkeit und Zuständigkeit entscheidet zunächst das Schiedsgericht, danach  auf Antrag das staatliche Gericht.
5. Freundschaften, persönliche oder sonstige enge Beziehungen der Schiedsrichter untereinander, zu einer Partei oder ihrem Bevollmächtigten, ein Mietverhältnis, geschäftliche Verbindungen, frühere Tätigkeit in einer gemeinsamen Sozietät können eine Ablehnung rechtfertigen. Zwangsläufig kennen sich aber Juristen, die in der Schiedsgerichtsbarkeit, deren Gremien und Institutionen tätig sind oder sich auf gemeinsamen Veranstaltungen begegnen.      
6. Anders als die Unparteilichkeit zu beurteilen sind u. U. die Offenbarungspflicht und die Frage, ob sich aus deren Verletzung die Besorgnis der Befangenheit ergibt.
7. Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich ausreichend, aber auch notwendig.  Ein Beweisangebot darf nicht auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
OLG München Beschl.v. 10.7.2013 – 34 SchH 8/12 RKS A 2 Nr. 65
Aus dem Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens bildet die Ablehnung sämtlicher drei Richter in einem Schiedsverfahren, das die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung einer Architektengemeinschaft zum Gegenstand hat.
Der Antragsteller war zusammen mit den Antragsgegnern zu 2 und 3 Gesellschafter der damals noch als xxx (GbR) firmierenden Antragsgegnerin zu 1 mit Geschäftssitz in Bayreuth. Ihr Zweck ist die gemeinsame Erbringung von Architektenleistungen. Mit dem Gesellschaftsvertrag hatten die Beteiligten am 24.2.2001 auch eine Schiedsvereinbarung (SV) getroffen, wonach alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Partnern untereinander oder zwischen Partnern und der Gesellschaft unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht, bestehend aus drei Schiedsrichtern, von denen der Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt haben muss, endgültig entschieden werden. Das Schiedsgericht tagt am Sitz der Gesellschaft  (§ 3 Abs. 1 SV). Als zuständiges Gericht im Sinne von § 1062 Abs. 1 ZPO ist das Oberlandesgericht Bamberg bezeichnet (§ 4 SV).
Im Juni 2008 hat der Antragsteller Schiedsklage gegen die Antragsgegner erhoben, mit welcher er Zahlungs- und Auskunftsansprüche geltend macht. Am 20.11.2010 kündigte der Antragsteller die Schiedsvereinbarung.                            
In einer Sitzung des Schiedsgerichts am 20.11.2010 hat dessen Vorsitzender geäußert, das Schiedsverfahren sei "nicht justiziabel", besonders dann nicht, wenn "eine Partei nicht prozessfähig" sei.
Mit Schriftsatz vom 16.3.2012 hat der Antragsteller die Schiedsrichter ersucht, gemäß § 1036 Abs. 1 ZPO alle Verhältnisse offen zu legen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit begründen könnten. Dazu gehörten "insbesondere Nähe-beziehungen zu den Parteien, personelle Verbundenheit, geschäftliche Beziehungen und vor allem Parteikontakte, die sich auf den Verfahrensgegenstand beziehen". Unter den Parteien seien auch deren Rechtsbeistände zu verstehen.
Der Vorsitzende hat daraufhin unter dem 17.4.2012 erklärt, die Antragsgegner zu 2 und 3 erst durch das schiedsgerichtliche Verfahren kennengelernt zu haben. Der Beisitzer Dr. Siegfried W. hat mit Schreiben vom 18.4.2012 erklärt, dass ihm die Parteien des Schiedsverfahrens bis zur Anfrage des damaligen Klägervertreters unbekannt gewesen seien. Der ursprüngliche Klägervertreter, Rechtsanwalt P., sei in der Zeit vom 1.10.2005 bis 28.2.2007 Anwalt in der Kanzlei gewesen, deren Partner er - Dr. W. – bis zum 31.3.2004 gewesen und in der er jetzt im Ruhestand als freier Mitarbeiter tätig sei. Der Bevollmächtigte der Antragsgegner zu 1 und 2 sei bis Frühjahr 2005 ebenfalls Partner dieser Sozietät gewesen. Der Antragsgegner-vertreter zu 3 habe in der ersten Hälfte der siebziger Jahre ebenfalls in derselben Kanzlei wie er gearbeitet.
Der Schiedsrichter Dr. G führte mit Erklärung vom 19.4.2012 aus, alle Parteien seien ihm zur Zeit der Anfrage, ob er das Schiedsrichteramt übernehmen wolle, unbekannt  gewesen. Mit keiner habe er außerhalb des Schiedsverfahrens Kontakt gehabt. Er sei aber bis zum Jahre 1988 mit dem Vertreter des Antragsgegners zu 3 in einer gemeinsamen Sozietät verbunden gewesen, aus der dieser zum 31.12.1998 ausgeschieden sei.
Ebenfalls mit Schreiben vom 16.3.2012 hat der Antragsteller den Obmann und mit Schreiben vom 10.5.2012 die beisitzenden Schiedsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
a) Hinsichtlich des Vorsitzenden hat er dies zum einen mit der oben genannten Bemerkung begründet, zum anderen mit der Äußerung, man müsse mit dem Verfahren zu einem baldigen Ende kommen, da die Antragsgegner ein Büro hätten, um das sie sich kümmern müssten. Auf den Hinweis des Antragstellers, dass er ebenfalls ein Büro habe, habe der Vorsitzende bemerkt, dass der Schiedskläger dann wohl Tag und Nacht arbeiten würde. Zum Ende der Sitzung habe der Vorsitzende noch zum Kläger gewandt geäußert: "Nous verrons". Dies habe sich auf die in der Verhandlung diskutierte Frage zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts bezogen und habe nur als "Warnhinweis" interpretiert werden können. Außerdem sei im Protokoll vermerkt worden, dass das Schiedsgericht geäußert habe, für das gegenständliche Verfahren weiter zuständig zu sein, was in der Sitzung jedoch nicht zum Ausdruck gebracht worden sei. Dieser Passus erwecke daher den Eindruck, dass bewusst "auf Präklusion gesetzt" worden sei. Hätte der Kläger gegen diese in der Verhandlung nicht geäußerte Auffassung des Schiedsgerichts nicht unverzüglich Rüge erhoben, hätte das Schiedsverfahren wegen der durch die Rügeversäumnis veranlassten Präklusion fortgesetzt werden können. Darüber hinaus sei der Vorsitzende seiner Verpflichtung zur Offenlegung aller Verhältnisse, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit begründen könnten, nicht nachgekommen. Im selben Schreiben hat der Antragsteller "zur Verwahrung gegen vermutetes Einverständnis" mit der Verfahrensgestaltung des Schiedsgerichts verschiedene Rügen erhoben. Die Prozessführung habe berechtigte Zweifel an dessen Neutralität hervorgerufen. Auch deshalb lehne er den Vorsitzenden ab.
b) Die Ablehnung der Beisitzer hat der Antragsteller damit begründet, dass sie ihrer Offenbarungspflicht als Schiedsrichter nicht nachgekommen seien. Aus ihren Erklärungen ergäben sich vielfältige Verflechtungen mit der Gegenpartei. Die daraus folgende Majorisierung stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar. Das Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes sei bedroht. Die fehlende Neutralität der Schiedsrichter ergebe sich schon aus ihrem konkreten Prozessverhalten. Sie hätten auch Kontakte zu den Prozessvertretern der Gegenpartei nicht offengelegt und nicht auf die Frage geantwortet, ob ein Schiedsrichter den Verdacht habe, dass einer der Mitschiedsrichter parteiisch sei.
In seinem Ablehnungsgesuch bittet der Antragsteller erneut um Offenlegung. Dies gelte im Übrigen auch für den Vorsitzenden. Der Antragsteller führt Indizien an, aus denen er schließt, dass dem Vorsitzenden entgegen dessen Erklärung der Antragsgegner zu 3 doch schon bekannt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 14.7.2012 hat das Schiedsgericht den Antrag abgelehnt. Die Äußerungen des Vorsitzenden entsprängen weder einer Voreingenommenheit noch erweckten sie bei einem objektiven Betrachter einen derartigen Eindruck; sie dienten der Förderung des Verfahrensfortgangs auf der Grundlage des bisherigen Verfahrens. Der Umstand, dass ein Schiedsrichter früher einmal derselben Sozietät angehört habe wie einer der Verfahrensbevollmächtigten, begründe keinen Ablehnungsgrund.
Der Antragsteller erlangte von dem Beschluss Kenntnis am 6.8.2012.
Am 5.9.2012 hat der Antragsteller beim Oberlandesgericht München gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung der drei Schiedsrichter beantragt. Er begründet den Antrag im Wesentlichen folgendermaßen:
a) Zur Ablehnung des Vorsitzenden:
(1) Dessen Äußerung, das Verfahren sei "nicht justiziabel", insbesondere dann nicht, wenn "eine Partei nicht prozessfähig" sei, sei in ihrem ersten Teil nicht eindeutig, könne aber so aufgefasst werden, dass der Weg bereitet werden solle zu einem "willkürlichen Durchentscheiden" ohne Aufklärung des Sachverhalts. Eine Ermächtigung zum Billigkeitsentscheid habe das Schiedsgericht aber nicht. Insbesondere liege der Ablehnungsgrund aber im auf den Antragsteller bezogenen zweiten Teil der Äußerung. Diese sei ehrverletzend, herabwürdigend und verächtlich machend. Aus ihr ergebe sich die Voreingenommenheit des Vorsitzenden. Dasselbe sei bei den beisitzenden Schiedsrichtern durch ihr "zustimmendes Schweigen" zu vermuten.
(2) Aus der im weiteren Verlauf der Verhandlung gefallenen Äußerung, dass man mit dem Verfahren zu einem baldigen Ende kommen müsse, da die Antragsgegner ein Büro hätten, um das sie sich kümmern müssten, ergebe sich, dass nach Auffassung des Vorsitzenden die Interessen der Antragsgegner Priorität hätten. Damit werde gegen das Verfahrensprinzip der Gleichbehandlung verstoßen.
(3) Die Äußerung zum Ende der Sitzung ("Nous verrons") habe sich eindeutig auf die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach Kündigung der Schiedsverein-barung bezogen. Sie habe nur als Warnhinweis und sogar als Drohung interpretiert werden können.
(4) Das Verhandlungsprotokoll sei entgegen früherer Übung bereits innerhalb zweier Tage erstellt worden und habe noch vor der Stellungnahme des Schiedsklägers zur Prozesslage diesem zur Kenntnis gebracht werden sollen. Dass "nach Auffassung des Schiedsgerichts dieses für das gegenständliche Verfahren weiter zuständig bleibt", sei in der Sitzung nicht zum Ausdruck gebracht und daher unter Verstoß gegen die Anforderungen des § 160 ZPO aufgenommen worden. Der Passus habe das Protokoll verfälscht und erwecke zudem den Eindruck, das Schiedsgericht habe bewusst "auf Präklusion gesetzt".
(5) Die Schiedsrichter hätten die Dauerpflicht, alle Verhältnisse offenzulegen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit begründen könnten. Dies umfasse auch den Verdacht, dass einer der Mitschiedsrichter parteiisch sei. Ihrer Verpflichtung seien die drei Schiedsrichter in den über vier Jahren des Verfahrens nicht nachgekommen. Bis zur Sitzung am 20.11.2010 habe es auch so ausgesehen, als lägen keine Gründe für eine Offenlegung vor. Der die Schiedsbeklagten überaus und einseitig begünstigen-de Verfahrensverlauf habe jedoch beim Antragsteller seitdem Zweifel an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden aufkommen lassen. Daher habe er am 16.3.2012 die Schiedsrichter ersucht, alle Verhältnisse offenzulegen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit begründen könnten. Die Erklärung des Vorsitzenden, er fühle sich nicht befangen, hätte seine berechtigten Zweifel nicht ausräumen können. Der Antragsteller habe daher mit Schriftsatz vom 10.5.2012 noch einmal um Offenlegung nachgesucht und gleichzeitig die ihn erheblich benachteiligende  Verfahrens-gestaltung aufgezeigt. Zu der konkreten Prozessführung in der Verhandlung am 20.11.2010 habe sich der Vorsitzende bisher nicht geäußert. Dieser habe nicht offengelegt, ob während des Schiedsverfahrens zu den Beklagten und deren Prozessvertretern Kontakte bestanden hätten, die sich über die Abklärung organisatorischer Fragen hinaus auch auf den Verfahrensgegenstand bezogen hätten.  Auch auf die Frage, ob ein Verdacht bestehe, dass einer der Mitschiedsrichter parteiisch sei, sei der Vorsitzende nicht eingegangen. Daher sei die Pflicht zur vollständigen Offenlegung nicht erfüllt. Aufgrund des Verlaufs des Schiedsverfahrens könne nicht ausgeschlossen werden, dass derartige Kontakte bestanden hätten.
Als Beweis bietet der Antragsteller den Vorsitzenden des Schiedsgerichts sowie die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner als Zeugen an.
(6) Der Vorsitzende habe bei der ersten Verhandlung am 30.1.2010 dargelegt, dass er den Schiedskläger und den Schiedsbeklagten zu 2 vorher nicht gekannt habe. Im Hinblick auf den Schiedsbeklagten zu 3 habe er sich nicht geäußert, was wegen inzwischen bekannt gewordener Umstände von Bedeutung sein könne. Der Vorsitzende sei daher unter dem 10.5.2012 noch einmal um Bestätigung gebeten worden, dass der Schiedsbeklagte zu 3 ihm tatsächlich vorher nicht bekannt gewesen sei, was der Vorsitzende mit Schreiben vom 14.5.2012 versichert habe. Dem Antragsteller sei aber bekannt, dass der Antragsgegner zu 3 sich einem Strafprozess vor dem Landgericht Bayreuth, in dem es um den Tod seines Sohnes gegangen sei, als Nebenkläger angeschlossen habe. Deshalb habe er den Vorsitzenden um ergänzende Offenlegung ersucht, ob dieser in dem besagten Strafprozess als Strafrichter tätig gewesen sei. Der Vorsitzende habe daraufhin am 14.7.2012 erklärt, ihm sei vom tragischen Tod des Sohnes des Schiedsbeklagten zu 3 bisher nichts bekannt und er sei mit einem entsprechenden Verfahren als Strafrichter nicht befasst gewesen. Diese Aussage sei indes nicht glaubwürdig. Nach dem Geschäftsverteilungsplan habe das Landgericht Bayreuth zwei Strafkammern. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts mit dem Strafverfahren befasst gewesen sei, liege daher bei 50 %. Wegen verschiede-ner Umstände könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegnervertreter zu 3 aufgrund der "Nähebeziehung" zu seinem ehemaligen Sozius und mit dem Hintergrund des seinerzeit anhängigen Strafverfahrens die Wahl des Vorsitzenden des Schiedsgerichts im Interesse des Antragsgegners zu 3 und damit auch der anderen Schiedsbeklagten beeinflusst habe. Es gebe ansonsten keinen plausiblen Grund, einen Strafrichter als Vorsitzenden des Schiedsgerichts vorzuschlagen. Die Besetzung des damaligen Gerichts sei über die Beiziehung der Akten dieses Strafverfahrens zu klären. Der Antragsteller wisse vom Antragsgegner zu 3, dass der Strafrichter sich seinerzeit vergeblich bemüht habe, Fremdverschulden am Tod des Sohnes des Antragsgegners zu 3 nachzuweisen. Wenn sich also bestätigen sollte, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts tatsächlich mit diesem Verfahren befasst gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass die lancierte Bestellung des Vorsitzenden in der Absicht  stattgefunden habe, das Mitleid und daher die Voreingenommenheit des Strafrichters des damaligen Verfahrens für die Zwecke der Antragsgegner einzusetzen.
(7) Das Schreiben vom 23.4.2012 mit den Erklärungen der Schiedsrichter zur Offenlegung habe der Antragsteller am 7.5.2012 erhalten. Der Grund für die Zustelldauer liege darin, dass der Vorsitzende das Schreiben so gefaltet habe, dass der Empfängerort im Sichtfenster des Umschlags nicht lesbar gewesen sei. Zu diesem Schreiben sei ihmGelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt worden. Durch die ihm mitgeteilten Erklärungen hätten sich die berechtigten Zweifel an der Neutralität des Vorsitzenden verdichtet und die anfänglichen Zweifel an der Neutralität der Beisitzer als berechtigt erwiesen. Hätte das Briefzentrum nicht zeitnah die Empfängeradresse ermitteln können, wäre das Schreiben bei ihm höchstwahrscheinlich erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist eingegangen und nicht nur die vom Schiedsgericht gesetzte Frist zur Stellungnahme, sondern insbesondere die Frist zur Ablehnung von Schiedsrichtern versäumt gewesen.
(8) Mit Schreiben vom 20.7.2012 sei der Beschluss des Schiedsgerichts vom 14.7.2012 über die Ablehnung übersandt worden. Dem Schreiben seien noch weitere Erklärungen der Schiedsrichter E. und Dr. R. beigelegen. In den Gründen der Zurückweisung habe das Schiedsgericht darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, nach bestandskräftigem Abschluss des Ablehnungsverfahrens mit der Umsetzung des Beschlusses vom 20.11.2010 durch Setzung neuer Fristen fortzufahren. Damit sei das Schiedsgericht erneut dem im Schriftsatz vom 8.5.2012 vorgebrachten Antrag der Antragsgegner zu 1 und 2 gefolgt, einen alsbaldigen Termin anzuberau-men und ihm unter Setzung einer Ausschlussfrist aufzugeben, Ziffer 1 eines früheren Beschlusses, der u.a. die Einreichung von an den Sachverständigen zu stellenden und von diesem mündlich zu beantwortenden Fragen betraf, zu erfüllen.
(9) Er habe den Vorsitzenden des Schiedsgerichts am 6.8.2012 telefonisch davon informiert, dass er das Schreiben vom 20.7.2012 kenne. Gleichzeitig habe er eine Stellungnahme zum Beschluss und zu den beigefügten Erklärungen angekündigt. Am 9.8.2012 habe der Vorsitzende ihn telefonisch gebeten, vorab das Empfangsbekenntnis zurückzusenden, um die Schiedsbeklagten zu informieren, damit sich diese zeitlich einrichten könnten. Dabei sei diesem bewusst gewesen, dass bei einer getrennten Versendung von Empfangsbekenntnis und Stellungnahme die Gefahr des Rügeverlustes bestanden habe. Die Bitte um vorherige Zusendung des Empfangsbekenntnisses habe der Vorsitzende damit begründet, dass der Kläger sich für die Stellungnahme ausreichend Zeit nehmen könne, da keine Fristen zu beachten seien, was unrichtig sei. Der Vorsitzende habe erneut "auf Präklusion gesetzt" und ihn offensichtlich von der Einhaltung der Frist des § 1027 ZPO abzuhalten versucht, um dann den Interessen der Schiedsbeklagten folgend "durchentscheiden" zu können.
b) Zur Ablehnung des Schiedsrichters Dr. R.
(1) Dieser habe die gegen den Vorsitzenden bestehenden Ablehnungsgründe - nicht nur durch zustimmendes Schweigen - mit zu vertreten.
(2) Auch Dr. R. sei seiner Offenlegungsverpflichtung in über vier Jahren des Schiedsverfahrens nicht nachgekommen. Bereits das Unterlassen auf die ausdrückliche Aufforderung vom 16.3.2012 stelle einen Ablehnungsgrund dar. In seiner Erklärung vom 19.4.2012 habe der Schiedsrichter nur offengelegt, dass er mit dem Bevollmächtigten des Schiedsbeklagten zu 3 bis zum Jahr 1988 in einer gemeinsamen Sozietät verbunden gewesen sei. Die fehlende Neutralität sei aufgrund seines Prozessverhaltens vermutet worden. Die anfänglichen Zweifel hätten sich mit der Erklärung als begründet erwiesen.
(3) Eventuelle Kontakte zu den Bevollmächtigten der Gegenparteien mit Bezug insbesondere auf das Schiedsverfahren habe der Schiedsrichter nicht offenbart. Er sei auch nicht auf die Frage eingegangen, ob er den Verdacht habe, dass einer der Mitschiedsrichter parteiisch sei. Zwischenzeitlich wisse der Antragsteller aus einem im Internet veröffentlichten Personenprofil, dass der Schiedsrichter 1985 bis 1988 wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten gewesen sei. Er habe daher den Schiedsrichter um ergänzende Offenlegung ersucht, ob es sich bei diesem Bundestagsabgeordneten um den Antragsgegnervertreter zu 3 gehandelt habe. Dies sei zunächst erfolglos geblieben. Unter dem 12.7.2012 habe der Schiedsrichter mitgeteilt, er sei in der fraglichen Zeit nicht wissenschaftlicher Mitarbeiter des Antragsgegnervertreters zu 3 gewesen, und habe klargestellt, in dieser Zeit bei dem Berliner Bundestagsabgeordneten Peter K. tätig gewesen zu sein. Dies sei indes nicht glaubwürdig, weil der Schiedsrichter mit dem Vertreter des Antragsgegners zu 3 bis zum Jahre 1988 in einer gemeinsamen Sozietät verbunden gewesen sei. Der Schiedsrichter habe vor seinem Eintritt in die Sozietät keine Beziehung zum Kanzleiort gehabt. Es sei daher davon auszugehen, dass er im Rahmen seines Studiums mit dem Antragsgegnervertreter zu 3 in Verbindung gekommen sei, woraus sich dann die wissenschaftliche Mitarbeit sowie die gemeinsame Berufsausübung ergeben habe. Über den tatsächlichen Sachverhalt hätten sich die Beteiligten als Zeugen zu erklären.
(4) Auch eventuelle Kontakte zu den Bevollmächtigten der Gegenpartei seien trotz wiederholter Anmahnung nicht offengelegt worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass derartige Kontakte bestanden hätten.
c) Zur Ablehnung des Schiedsrichters Dr. W.
(1) Auch dieser Schiedsrichter habe das zur Ablehnung des Vorsitzenden führende Verhalten mit zu vertreten.
(2) Der Schiedsrichter habe zu Beginn mitgeteilt, dass keinerlei Berührungspunkte vorlägen, die ihn befangen machen könnten. Er hätte "Verflechtungen und Nähebeziehungen" spätestens nach Kenntnis der Namen der Bevollmächtigten offenlegen müssen. Mit Schreiben vom 16.3.2012 sei auch er ersucht worden, alle Verhältnisse offenzulegen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit begründen könnten. Bereits das Unterlassen stelle einen Ablehnungsgrund dar.
In seiner Erklärung vom 18.4.2012 habe der Schiedsrichter angegeben, dass der Bevollmächtigte der Antragsgegner zu 1 und 2, Rechtsanwalt Dr. L., Partner der Sozietät gewesen sei, der er ebenfalls angehört habe. Er habe auch zugegeben, dass er mit dem Antragsgegnervertreter zu 3 in den siebziger Jahren in einer Kanzlei zusammengearbeitet habe. Zweifel an der Unparteilichkeit hätten sich in der "wenn auch nur teilweise erfolgten" Offenlegung als berechtigt erwiesen. Eventuelle Kontakte zu dem Bevollmächtigten der Gegenpartei, insbesondere mit Bezug auf das Schiedsverfahren, seien nicht offenbart worden. Auch dieser Schiedsrichter sei nicht auf die Frage eingegangen, ob er den Verdacht habe, dass einer der Mitschieds-richter parteiisch sei. Die verlangte ergänzende Erklärung habe der Schiedsrichter nicht abgegeben, weshalb nicht auszuschließen sei, dass derartige Kontakte insbesondere aufgrund der Verflechtungen des Schiedsrichters mit beiden Bevollmächtigten der Gegenparteien bestanden hätten.
d) Die im Verlauf des mehrjährigen Schiedsverfahrens festzustellenden Verfahrensfehler erweckten den Eindruck, dass die Schiedsrichter sich ihre Rechtsauffassung nicht unvoreingenommen bildeten und in ihrer Entscheidungs-freiheit beeinträchtigt seien. Insoweit verweist der Antragsteller auf seinen Schriftsatz vom 16.3.2012.  Insbesondere rügt der Antragsteller Parteilichkeit und Verstöße gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs.
e) Verfristet sei das Ablehnungsgesuch nicht, auch soweit es weiter zurückliegende Vorgänge betreffe, da nach der Kündigung der Schiedsvereinbarung am 20.11.2010 und dem Antrag gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO das Schiedsgericht zunächst das Ergebnis des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht abgewartet habe. Damit sei das Schiedsverfahren analog § 148 ZPO ausgesetzt worden. Hätte er die Ablehnung weiter verfolgt, hätte dies als konkludentes Anerkenntnis der weiteren schiedsgericht-lichen Zuständigkeit ausgelegt werden können. Hingegen hätten sich die anfänglichen Zweifel an der Neutralität der Schiedsrichter Dr. W. und Dr. R. erst durch deren Erklärungen vom April 2012 zur Gewissheit verdichtet.
6. Die Antragsgegner beantragen Zurückweisung.
Aus den Gründen:
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Die Zuständigkeit des Senats zur Entscheidung über die Ablehnung folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295). Die Parteien haben zwar, was vorrangig zu berücksichtigen wäre, als zuständiges Gericht das Oberlandesgericht Bamberg bezeichnet. Jedoch wird diese Bezeichnung überlagert von § 7 GZVJu, wonach die schiedsrichterlichen Angelegenheiten nach § 1062 ZPO landesweit dem Oberlandesgericht München übertragen sind. Diese Übertragung ist insoweit derogationsfest, als ein anderes bayerisches Oberlandesgericht nicht durch Parteivereinbarung bestimmt werden kann. Sonst hätte dies das unbefriedigende Ergebnis, dass ein Oberlandesgericht bestimmt werden könnte, das mit derartigen Angelegenheiten gesetzlich nicht befasst ist. Die mit der Konzentration verbundenen Effekte der Spezialisierung, der Rationalisierung wie auch einer stetigen Rechtsfortbildung wären dadurch gefährdet.
Die Frist des § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist eingehalten. Indessen ist ein wesentlicher Teil der Ablehnungsgründe wegen Verfristung bereits präkludiert und kann schon deshalb nicht inhaltlich geprüft werden (a). Aber auch im Übrigen ist der Antrag unbegründet (b).
2. (a) Nach § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Ablehnungsgründe innerhalb einer Frist von zwei Wochen dem Schiedsgericht schriftlich darzulegen.
Die Frist beginnt mit Kenntnis der Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder aber eines Umstandes im Sinn von § 1036 Abs. 2 ZPO, also eines Umstandes, der berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters aufkommen lässt. Daraus ist zu schließen, dass Umstände nicht nur innerhalb dieser Frist, sondern auch, dass sie zunächst gegenüber dem Schiedsgericht darzulegen sind, das - in voller Besetzung - zunächst über den Ablehnungsantrag befindet, sofern der Abgelehnte nicht von seinem Amt zurücktritt oder die andere Partei zustimmt. "Subsidiär" entscheidet dann das rechtzeitig angerufene (§ 1037 Abs. 3 ZPO) staatliche Gericht. Dieses nimmt eine eigenständige und vom Vorschaltverfahren unabhängige Prüfung vor (vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 1102). Es ist bei seiner Entscheidung weder an die Sachverhaltsfeststellung noch an die rechtliche Würdigung des Schiedsgerichts gebunden. Daraus folgt, dass im Verfahren vor dem staatlichen Gericht (nicht präkludierte) Ablehnungsgründe nachgeschoben werden können (vgl. Lachmann Rn. 1103), dies freilich nur insoweit, als neue Tatsachen den Rahmen der ursprünglich vor dem Schiedsgericht geltend gemachten Gründe nicht sprengen, da sonst § 1037 Abs. 1 Satz 1 ZPO (Zweiwochenfrist) und das Subsidiaritätserfordernis leer liefen (vgl. MüKo/Münch ZPO 3. Aufl. § 1037 Rn. 21 und 28).
3. Die Frist des § 1037 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auch vom staatlichen Gericht zu beachten, selbst wenn das Schiedsgericht über den Ablehnungsantrag in der Sache entschieden hat. Dies ergibt sich daraus, dass das staatliche Gericht eine eigenständige Prüfung vornimmt. Andernfalls könnte die gesetzliche Frist des § 1037 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch die Verfahrensweise des Schiedsgerichts außer Kraft gesetzt werden. Wird die Frist versäumt, ist der Ablehnungsgrund auch im Verfahren vor dem staatlichen Gericht nach § 1037 Abs. 3 ZPO präkludiert (vgl. Musielak/Voit ZPO 10. Aufl. § 1037 Rn. 3).
Die zweiwöchige Frist ist nicht durch das staatliche Verfahren nach § 1040 ZPO gehemmt gewesen. Während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann das Schiedsgericht sein Verfahren fortsetzen (§ 1040 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Wartet das Schiedsgericht nach pflichtmäßigem Ermessen (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1040 Rn. 8) den Ausgang des Verfahrens ab, ist dies nicht gleichbedeutend mit einer Aussetzung analog § 148 ZPO. Den Erlass einer entsprechenden Entscheidung analog § 1048 ZPO hat auch der Antragsteller nicht vorgetragen. Ein faktischer Stillstand ist dem nicht gleichzusetzen. Die Gründe, die das Schiedsgericht bewogen haben mögen, abzuwarten, stehen einer rechtzeitigen Geltendmachung der Ablehnungsgründe nicht entgegen. Ob das Schiedsgericht dann sofort darüber entscheidet oder nicht, obliegt allein dessen Entscheidung.
4. Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass durch seine Kündigung die Schiedsvereinbarung erloschen und das Schiedsgericht nachträglich unzuständig geworden sei. Denn darüber entscheidet zunächst das Schiedsgericht, auf Antrag dann das staatliche Gericht (vgl. § 1040 Abs. 2 und 3 ZPO). Dass in dem Ablehnungsgesuch ein konkludentes Anerkenntnis der weiteren Zuständigkeit gesehen werden könnte, kann der Schiedskläger verhindern, indem er die Ablehnung vorsorglich anbringt und ausdrücklich auf seiner Rechtsansicht zur - vorrangigen - Beendigung des Schiedsverfahrens besteht. Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen, in der ein Schiedsbeklagter sich trotz Rüge der Unzuständigkeit weiter am Schiedsverfahren beteiligt. Auch insoweit schadet dies nicht.
Daraus ergibt sich, dass der Senat an der Prüfung folgender nunmehr vom Antragsteller vorgebrachten Gründe gehindert ist:
aa) Schiedsrichter E. (Vorsitzender des Schiedsgerichts):
Das Ablehnungsgesuch gemäß § 1037 Abs. 2 ZPO wurde am 16.3.2012 angebracht. Damit sind Ablehnungsgründe, die sich aus den Äußerungen in der Verhandlung des Schiedsgerichts am 20.11.2010 ergeben könnten, präkludiert (vgl. etwa Reichold in Thomas/Putzo § 1037 Rn. 9).
Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit der Fassung des Protokolls dieser Sitzung erhobenen Vorwürfe und für den im Schreiben vom 16.3.2012 bezeichneten Grund, der Vorsitzende habe seiner Verpflichtung, auch ohne Aufforderung alle Verhältnisse offenzulegen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit begründen könnten, nicht genügt.
Sind aber diese Vorwürfe präkludiert, so kann der Senat auch nicht prüfen, ob das weitere Verhalten des Vorsitzenden im Zusammenhang mit der Offenlegung von Beziehungen zu den Antragsgegnern Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lässt. Rügen hierzu können auch nicht als "ergänzende" Gründe nachgeschoben werden, setzt dies doch einen vom staatlichen Gericht zu prüfenden Vorwurf voraus, zu dem erst Gründe nachgeschoben werden können. Fehlt es hieran, ist zunächst das Verfahren nach § 1037 Abs. 2 ZPO einzuhalten - wobei hier offen bleiben kann, ob die dort vorgesehene Frist eingehalten ist. Das gilt besonders auch für die nicht nachvollziehbaren Vermutungen des Antragstellers, der abgelehnte Vorsitzende wolle "aus Mitleid" dem Antragsgegner zu 3 helfen.
Ebenfalls neu und noch nicht vom Schiedsgericht entschieden ist der Vorwurf, der Vorsitzende habe bewusst ein Schreiben so versandt, dass es nicht rechtzeitig beim Antragsteller eingehen konnte. Dasselbe gilt für das weitere Schreiben vom 20.7.2012 und die daraus vom Antragsteller gezogenen Schlussfolgerungen sowie für das Telefonat vom 9.8.2012.
bb) Schiedsrichter Dr. R.:
Soweit der Antragsteller Ablehnungsgründe aus dem "zustimmenden Schweigen" herleiten möchte, gilt dasselbe wie für die Erklärung des Vorsitzenden im Termin vom 20.11.2010. Ein Ablehnungsgrund - sofern insoweit überhaupt einer bestanden hat – ist verfristet. Nichts anderes gilt für die behauptete Verletzung der Offenlegungs-verpflichtung durch Unterlassen in der Vergangenheit.
cc) Schiedsrichter Dr. W.:
Zur Präklusion gilt dasselbe wie für den Schiedsrichter Dr. R.
b) Soweit die Ablehnung sachlich zu prüfen ist, erweisen sich die Anträge als unbegründet:
(1) Gegen den Vorsitzenden vorgebrachte Ablehnungsgründe aus dessen Verhalten und verbalen Äußerungen können insgesamt vom Senat nicht geprüft werden.
(2) Ablehnung des Schiedsrichters Dr. R. wegen persönlicher Verflechtungen:
Der Antragsteller meint, Zweifel an dessen Unparteilichkeit ergäben sich daraus, dass dieser mit dem Bevollmächtigten des Schiedsbeklagten zu 3 bis zum Jahr 1988 in einer gemeinsamen Sozietät verbunden gewesen sei und es bis zur vom Antragsteller geforderten Erklärung vom 19.4.2012 nicht von sich aus erklärt habe.
5. Die Regelung in § 1036 Abs. 2 ZPO verweist zwar nicht auf die Gründe für die Ablehnung eines staatlichen Richters, diese können aber als Anhaltspunkt dafür dienen, in welchen Fällen Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unpartei-  lichkeit bestehen (vgl. z. B. Musielak/Voit § 1036 Rn. 4 m.w.N.). Persönliche Beziehungen können einen solchen Ablehnungsgrund bilden. Maßgebend ist in erster Linie das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Partei. Eine Freundschaft oder sonstige nahe Beziehung der Schiedsrichter untereinander oder zu einem Bevollmächtigten einer Partei bildet in der Regel keinen Ablehnungsgrund (vgl. z. B. KG SchiedsVZ 2010, 225/226 = RKS A 2 Nr. 59; Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1036 Rn. 11; Musielak/Voit § 1036 Rn. 8).
Zwangsläufig kennen sich Juristen, die in der Schiedsgerichtsbarkeit bzw. gemeinsam in Gremien oder Institutionen der Schiedsgerichtsbarkeit tätig sind oder sich auf gemeinsamen Veranstaltungen begegnen. Auch der Antragsteller legt nicht dar, dass etwa ein ins Private gehendes engeres Freundschaftsverhältnis zwischen Bevollmächtigten der Gegenpartei und dem Schiedsrichter besteht oder bestanden hat. Allein die Tatsache, dass er vor vielen Jahren zusammen mit diesem in einer Sozietät verbunden war, reicht nicht aus.
6. Unter Umständen anders zu beurteilen könnte zwar die Frage sein, ob der abgelehnte Schiedsrichter den Umstand, dass er mit dem Bevollmächtigten des Antragsgegners zu 3 früher in einer gemeinsamen Sozietät verbunden war, hätte von sich aus offenlegen müssen und ob sich aus dem Unterlassen dieser Offenlegung ein Ablehnungsgrund ergibt. So wird die Meinung vertreten, dass die Offenbarungspflicht weiter greift als das Ablehnungsrecht, dass "irgendwelche Zweifel" (vgl. etwa MüKo/Münch § 1036 Rn. 20; vgl. Musielak/Voit § 1036 Rn. 2) genügen. Auch wenn man dies bejaht, sind persönliche Beziehungen zu den Verfahrensvertretern der Parteien nicht ohne weiteres anzugeben (vgl. KG SchiedsVZ 2010, 225 = RKS A 2 Nr. 59; Musielak/Voit aaO.; a. A. wohl OLG Frankfurt NJW 2008, 1325 = RKS A 2 Nr. 46 bei Mietverhältnis und besonderer Nähe). Eine Anzeigepflicht soll auch bestehen für geschäftliche und engere persönliche Beziehungen zu einer Schiedspartei (vgl. Reichold in Thomas/Putzo § 1036 Rn. 1). Allgemein wird vertreten, dass § 1036 Abs. 1 ZPO restriktiv auszulegen ist (vgl. Zöller/Geimer § 1036 Rn. 9).
Zu trennen von der Frage, ob eine Offenbarungspflicht besteht, ist aber die, ob sich aus einer eventuellen Verletzung der Pflicht schon die Besorgnis der Befangenheit ergibt, was einen Ausnahmefall darstellen dürfte (vgl. Zöller/Geimer § 1036 Rn. 9).
Angesichts der Vielzahl der in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinungen, wird man nicht ohne weiteres aus dem Verschweigen einer geschäftlich/beruflichen Beziehung zum Prozessbevollmächtigten einer Partei auf fehlende Neutralität schließen können. Eine viele Jahre zurückliegende gemeinsame Tätigkeit in einer Sozietät dürfte schon nicht offenbarungspflichtig sein. Aus ihr ergeben sich ohne sonstige Anhaltspunkte - wie etwa eine noch nicht abgeschlossene Auseinandersetzung - keine Bindungen für die Gegenwart, die dazu führen könnten, dass der Schiedsrichter für den Antragsgegner zu 3 voreingenommen ist. Zumindest aber wird angesichts der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinungen die unterbliebene Offenbarung eines Umstands, der aus der Sicht des abgelehnten Schiedsrichters unerheblich ist, nicht auf mangelnde Neutralität schließen lassen. Wer eine Offenlegung unterlässt, zu der er sich mit guten Gründen nicht verpflichtet fühlen konnte, erregt damit bei einer ruhigen und besonnenen Partei noch keine Zweifel an seiner Unparteilichkeit.
7. Soweit der abgelehnte Schiedsrichter Dr. R. zunächst nicht und dann auf Nachfrage angegeben hat, er sei zwischen 1985 und 1988 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Peter K. gewesen, und der Antragsteller nun vermutet, der Schiedsrichter habe für den Antragsgegner-vertreter zu 3 gearbeitet, kann offen bleiben, ob sich aus der ursprünglich unterbliebenen Angabe - die Tatsache allein kann nach dem oben Gesagten keinen Ablehnungsgrund begründen - die Besorgnis der Befangenheit ergibt. Der Antragsteller hat den behaupteten Ablehnungsgrund nämlich nicht glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung wird allgemein als ausreichend angesehen (vgl. MüKo/Münch § 1037 Rn. 29), ist aber auch notwendig. Ob daneben auch eine Beweiserhebung mit vom Gericht zu ladenden Zeugen in Betracht kommt, kann offen bleiben. Denn das Beweisangebot läuft auf einen reinen Ausforschungsbeweis hinaus. Dagegen lässt sich aus der vom Antragsteller herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (13.7.1988 VIII ZR65/88 NJW-RR 1988, 1529) nichts herleiten. Es mag im Zivilprozess zulässig sein, eine nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Das bedeutet aber nicht, dass das Ablehnungsverfahren dazu benutzt werden kann, erst Ablehnungsgründe zu suchen, für die es bis dahin keine Tatsachengrundlage gibt, sondern die auf bloßen Vermutungen des Ablehnenden beruhen.
Dasselbe gilt, soweit der Antragsteller Angaben zur Befangenheit der Mitschiedsrichter vermisst.
(3) Ablehnung des Schiedsrichters Dr. W. wegen persönlicher Verflechtungen:
Insoweit kann auf die Ausführungen zur Ablehnung des Schiedsrichters Dr. R. verwiesen werden. Zwar liegt die Zusammenarbeit in einer Sozietät nicht so lange zurück wie im Falle jenes Schiedsrichters. Trotzdem erkennt der Senat keine in die Gegenwart reichenden Berührungspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten.
(4) Zur Ablehnung der Schiedsrichter Dr. R. und Dr. W. wegen angeblicher Verfahrensfehler:
Mit Schriftsatz vom 10.5.2012 hat der Antragsteller auch die konkrete Prozessführung als ein Indiz für das Fehlen der notwendigen Neutralität herangezogen, weil durch die Erklärungen vom 18. und 19.4.2012 sich die bislang schon bestehenden Zweifel bestätigt hätten und nun erst bestimmten Schiedsrichtern zugeordnet werden könnten.
Damit mag dies als Ablehnungsgrund dem Schiedsgericht unterbreitet worden sein. Ein Ablehnungsgrund ist gleichwohl nicht dargetan. Allerdings können (vgl. z. B. Musielak/Voit § 1036 Rn. 8) gravierende Verfahrensfehler im Einzelfall Indiz dafür sein, dass die Schiedsrichter sich ihre Meinung nicht verfahrensmäßig korrekt bilden. Dazu kommen im Allgemeinen Fehler wie etwa die Ablehnung von Termins-verlegungsgesuchen in Betracht. Es genügt aber nicht, dass das Schiedsgericht nach Auffassung des Ablehnenden eine andere Rechtsmeinung vertritt als er selbst. So ist es aber hier. Der Antragsteller verweist wegen Verfahrensfehlern auf seine Aufstellung im Schreiben vom 16.3.2012. Darin setzt er lediglich seine Meinung an die Stelle derjenigen des Schiedsgerichts. Inwieweit das Schiedsgericht seine Einwendungen und Anträge nicht zur Kenntnis genommen hat, kann ohnehin erst mit Erlass des Schiedsspruchs sicher bestimmt werden. Ebenso kann erst dann beurteilt werden, welche Schlussfolgerungen aus bestimmten Reaktionen des Schieds-gerichts auf das Verhalten der Schiedsbeklagten, die nach Vortrag des Antragstellers einer Verfügung des Schiedsgerichts bisher nicht nachgekommen sind, gezogen werden können. Wenn das Schiedsgericht einen Antrag der Schiedsbeklagten auf Anhörung eines Sachverständigen stattgibt, ist darin noch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder gar Parteilichkeit zu sehen. Für die Anträge nach § 740 BGB (Rechenschaft über inzwischen beendigte Geschäfte) gilt Ähnliches. Hier scheint es bereits fraglich, inwieweit solche Ansprüche nach dem Schiedsklage-antrag zum Verfahrensgegenstand gehören. Wäre dies der Fall, so könnte die Entscheidung hierüber auch Teil des abschließenden Schiedsspruchs werden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO. Streitwert: §§ 48 GKG, 3 ZPO. Der Senat bestimmt diesen in Nebenverfahren wie der Schiedsrichterablehnung grundsätzlich mit einem Bruchteil der Hauptsache, wobei hier streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist, dass die Ablehnung sämtliche Richter betrifft (vgl. dazu bereits Senat vom 17.8.2010, 34 SchH 8/10), so dass der angemessene Streitwert nahe dem Hauptsachewert liegt.
20.7.2013
RECHT UND STEUERN

A1 Nr. 218

A 1 Nr. 218 Kündigung des Hauptvertrages. Erlöschen, Verwirkung der Schiedsabrede?
Die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ist unabhängig davon, ob der Hauptvertrag zustandegekommen, nichtig, durch Rücktritt aufgehoben, gekündigt oder geändert worden ist.
Das Recht, ein vereinbartes Schiedsgericht anzurufen, kann allenfalls in Ausnahmefällen verwirkt werden.
OLG Hamburg Beschl.v. 21.12.2012 – 6 Sch 19/12 SchiedsVZ 2013, 180 = RKS A 1 Nr. 218
Aus den Gründen:
Ohne Erfolg bezieht sich die Antragsgegnerin auf den Beschluss des OLG München vom 4.9.2006 – 34 SchH 006/06 (BeckRS 2006, 10841 = RKS A 1 Nr. 144) [1]. Das OLG München stellt in dem Beschluss klar, dass die Schiedsklausel deshalb nicht greife, weil der Schiedsvertrag lediglich für Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag („VGA-Vertrag“) gelte. Um solche Ansprüche ging es bei den dort streitgegenständlichen Ansprüchen aber nicht.
Die Antragsgegnerin hat ihr im Kooperationsvertrag vereinbartes Recht, im Streitfall ein Schiedsgericht nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung anzurufen, nicht verwirkt. Die Grundsätze der Verwirkung gelten zwar auch im Prozessrecht einschließlich des Anspruchs auf gerichtliche Klärung (BGH NJW 2011, 1833 Tz. 21 ff; Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 242 Rd-Nr. 89). Es bestehen aber Zweifel, ob das auch die Entscheidung betreffen kann, ob ein Schiedsgericht oder die staatlichen Gerichte zuständig sind. Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment. Eine Verwirkung ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (Palandt/Grüneberg aaO. § 242 Rd-Nr. 94). So liegen die Dinge hier. Die Antragsgegnerin ist zwischen der Kündigung vom 29.12.2010 und der Einreichung der Schiedsklage vom 12.9.2012 nicht untätig geblieben, sondern hat ausweislich der Anwaltsschriftsätze vom 7.7.2011,10.8.2011 und 17.7.2012 mit der Antragstellerin verhandelt.
2.8.2013
[1] Leitsatz: Wird ein einer Schiedsklausel unterliegender Vertrag von einer Partei gekündigt, und schließen die Parteien anschließend einen neuen Vertrag mit demselben Inhalt, so gilt die Schiedsklausel des früheren nicht ohne weiteres für den neuen Vertrag. Die Fortsetzung der vertraglichen Zusammenarbeit macht die Kündigung nicht ohne weiteres wegen Widerspruchs zu eigenem früheren Verhalten (§ 242 BGB) unwirksam.
Die Schiedsklausel gilt insbesondere dann nicht für den neuen Vertrag, wenn daran eine dritte Partei beteiligt ist. Siehe RKS A 4 a Nr. 144.
Recht und Steuern

A 2 Nr. 61

A 2 Nr. 61 § 1038 Abs. 1 ZPO - Gerichtliche Beendigung des Schiedsrichteramtes nach „unangemessener“ Verzögerung
Wenn der Schiedsrichter einen konkreten, nachvollziehbaren, bei Amtsübernahme so noch nicht absehbaren Grund für das zeitweilige Nichtbetreiben seines Amtes nennt, und wenn dieser Zeitraum im Vergleich zu den in der Vergangenheit aufgetretenen, auch von den Parteien oder jedenfalls nicht vom Schiedsrichter verursachten Verzögerungen nicht unverhältnismäßig ist, erscheint die angemessene Frist i.S.d. § 1038 Abs.1 ZPO noch nicht überschritten.
OLG Dresden Beschl. v. 3.11.2010 – 23 UF 500/10 MDR 2011, 566 = RKS A 2 Nr. 61
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unbegründet. Die Beendigung des Schiedsrichteramtes kann gem. § 1038 Abs. 1 ZPO ausgesprochen werden, wenn der Schiedsrichter entweder rechtlich oder tatsächlich außer Stande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder er aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt. Für eine rechtliche oder tatsächliche Unfähigkeit, das Schiedsverfahren durchzuführen, gibt es keine Anhaltspunkte. Der Schiedsrichter hat das Verfahren unverzüglich aufgenommen. Voraussetzung für den Ausspruch der Beendigung des Schiedsrichteramtes ist somit, dass der Schiedsrichter das Verfahren ungebührlich verzögert hat.
Die Frage, ob der Schiedsrichter seinen Aufgaben binnen angemessener Zeit nachkommt, ist nach der Zumutbarkeit weiteren Abwartens zu beurteilen, Das Schiedsgerichtsverfahren soll den Parteien dienen. Wird es derart verzögert, dass ihnen Nachteile entstehen, die bei der Verhandlung vor den staatlichen Gerichten fehlen würden, greift § 1038 Abs. 1 ZPO ein (OLG Düsseldorf 8.7.2008 – 4 Sch 4/08 juris; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap.10 Rz. 32). Es stehen aber nur offensichtlicher Missbrauch und Ausreißer einer Zumutbarkeit weiteren Abwartens entgegen (OLG  Düsseldorf aaO.).Allerdings verbinden die Parteien mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts meist die Erwartung eines zügigeren Prozessierens als beim staatlichen Gericht. Andererseits können beim Verfahren vor dem staatlichen Gericht mehrere Instanzen mit der Sache befasst sein (vgl. OLG Düsseldorf aaO.; Münch in MünchKomm/ZPO 3. Aufl. § 38 Rz. 19). Entsprechend stehen im Schiedsverfahren grundsätzlich auch keine Korrekturmöglichkeiten durch eine höhere Instanz zur Verfügung. Staatlichen Gerichten wird aber durch § 1038 Abs. 1 ZPO nicht die Möglichkeit eröffnet den Struktur- und Zeitplan eines Schiedsgerichts mit eigenen Vorstellungen auszufüllen. Der Anwendungsbereich der gerichtlichen Entscheidung ist deshalb auf  Ausnahmefälle beschränkt (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rz. 1128).
Eine Frist zur Stellung des Antrags ist nicht vorgesehen. Es ist auch selten möglich, einen genauen Zeitpunkt für den Fristbeginn zu fixieren. Wird aber mit dem Antrag zu lange zugewartet, kann er unbegründet werden, wenn der Hinderungsgrund oder die Pflichtvergessenheit inzwischen behoben ist, der Schiedsrichter also wieder ordentlich  gearbeitet hat (Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. $ 1038 Rz. 5; Lachmann Rz. 1135). In Korrelation zu setzen ist auch die gesamte Verfahrensdauer und die Schwierigkeit des Falles mit einer während des Verfahrens aufgetretenen Verzögerung. Das bisherige procedere enthält bis zum November 2009 (Ablauf einer Frist zur Stellungnahme) keine größeren, durch bloßes Nichthandeln des Schiedsrichters verursachten Unterbrechungen oder Stillstände. Für die Leitung der Sachverständigentätigkeit gemäß der insoweit (mit-)vereinbarten Bestimmung des § 404a ZPO hat das (Schieds-)Gericht einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, namentlich dazu, wann, in welcher Form und mit welchen Maßnahmen der Sachverständige zur Erstellung des Gutachtens anzuhalten ist. Eine Bewertung, ob die jeweils ergriffenen schiedsrichterlichen Maßnahmen zur Beschleunigung geeignet und ausreichend waren, kann an dieser Stelle vom staatlichen Gericht nicht getroffen werden. Dabei wird die erhebliche Zeitdauer für die Gutachtenerstellung vom Mai 2003 bis Januar 2008 zwar nicht außer Betracht gelassen; es sind aber auch die (objektiven) Verzögerungen zu berücksichtigen, die aus der Sphäre der Parteien stammen, so insbesondere auf Schiedsklägerseite die lange Dauer für eine Stellungnahme zu einer (excel-)Tabelle der Gegenseite (Nov. 2004 bis Juni 2006) und auf Schiedsbeklagtenseite der Umstand, dass erst am 13.6.2007 eine Besichtigung der Kanzleiräume stattfinden konnte. Die Schiedskl. hat in dieser Phase auch keinen Anlass gesehen, die Beendigung des Schiedsrichteramtes anzutragen, sondern hat jeweils Stellungnahmen abgegeben, Anträge gestellt und sich am Verfahren beteiligt, auch selbst – wie genannt – erhebliche Fristverlängerungen erwirkt.
Eine größere – und durchaus deutliche, aus den objektiven Verfahrensumständen nicht erklärbare – Lücke in der schiedsrichterlichen Bearbeitung hat sich schwerpunktmäßig in der ersten Hälfte des Jahres 2010 ergeben. Soweit der Schiedsrichter nunmehr – nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gem. § 1038 ZPO – Anstalten zur Fortsetzung des Schiedsverfahrens getroffen und eine Entscheidung angekündigt hat, ist zwar die  Ernsthaftigkeit dieser Ankündigung zu prüfen. Allein die Behauptung des Schiedsrichters, Verzögerungen seien künftig ausgeschlossen, sind im Regelfall unerheblich (vgl.z.B. Musielak/Voit ZPO 7.Aufl. § 1038 Rz. 6). Indessen hat der Schiedsrichter einen konkreten und nachvollziehbaren, in der Kanzleiumstrukturierung liegenden Grund für das zeitweilige Nichtbetreiben genannt, der bei Übernahme des Amtes so noch nicht absehbar war. Der in Frage stehende Zeitraum ist in Relation zu setzen zu den in der Vergangenheit aufgetretenen, teils auch von den Parteien und jedenfalls nicht vom Schiedsrichter verursachten Verzögerungen. Unter diesem Blickwinkel erscheint die angemessene Frist, die § 1038 Abs. 1 ZPO zum Maßstab nimmt, noch nicht überschritten.
Gewerberecht

Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit

1. Einleitung: Die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO

Als Ausdruck der im Grundgesetz verankerten Berufsfreiheit ist die selbstständige Ausübung eines stehenden Gewerbes grundsätzlich jedem gestattet, ohne dass es dafür einer Erlaubnis bedarf. Es ist aber zu beachten, dass auch ein solches erlaubnisfreies Gewerbe bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muss (Anzeigepflicht).
Die Ausübung eines selbstständigen Gewerbes kann allerdings untersagt werden, wenn die für den Betrieb des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nicht gegeben ist und eine Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Was dies für einen Gewerbetreibenden bedeutet, liegt auf der Hand: Die wirtschaftliche Existenz ist gefährdet!
Auf diesem Merkblatt möchten wir Ihnen zeigen, was eine Gewerbeuntersagung ist, wann eine solche droht, was für Folgen sie hat und was man unternehmen sollte, wenn eine Gewerbeuntersagung droht.

2. Was ist eine Gewerbeuntersagung?

Mit einer Gewerbeuntersagung wird einem Gewerbetreibenden vom zuständigen Bezirksamt untersagt, sein Gewerbe ganz oder teilweise auszuüben. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun. Als unzuverlässig ist anzusehen, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, das von ihm ausgeübte Gewerbe künftig (Zukunftsprognose) ordnungsgemäß zu betreiben. Zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten werden bei Anhaltspunkten, die für eine Unzuverlässigkeit sprechen, vom zuständigen Bezirksamt die maßgeblichen Tatsachen ermittelt und auf Basis dieser Ermittlungen die Erforderlichkeit einer völligen oder teilweisen Untersagung der Ausübung des Gewerbes geprüft.
Bei dem Gewerbeuntersagungsverfahren handelt es sich um ein förmliches Verwaltungsverfahren. Das bedeutet, dass dem betroffenen Gewerbetreibenden die Einleitung des Verfahrens immer schriftlich mitgeteilt und ausführlich begründet wird. Der Gewerbetreibende hat dann innerhalb einer vom zuständigen Bezirksamt gesetzten Frist, die mit der Zustellung des Schreibens des Bezirksamtes beginnt, Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt zu äußern.
Hinweis: Schon auf dieses Schreiben sollten Sie unbedingt reagieren!

3. Was sind die häufigsten Fälle, in denen es zu einer Gewerbeuntersagung kommt?

Häufig müssen Unternehmer finanzielle Engpässe überwinden. In solchen Situationen sehen sie oftmals die Zahlung von Löhnen und Gehältern als Arbeitgeber sowie von offenen Rechnungen an Lieferanten als ihre vorrangige Pflicht an. Die außerdem abzuführenden laufenden Steuern, die Beiträge an die Sozialversicherungsträger und an die Berufsgenossenschaften können jedoch oft nicht mehr zeitgleich, bzw. gar nicht mehr entrichtet werden. Viele Unternehmer wissen nicht, dass gerade durch das Finanzamt und die Krankenkassen Gewerbeuntersagungen wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden angeregt und dann von der zuständigen Behörde eingeleitet werden.
Das Vorliegen eines oder mehrerer nachstehend aufgeführten Merkmale begründet in der Praxis zumeist die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens:
  • Missachtung steuerrechtlicher Pflichten, d.h. Steuererklärungen werden nicht oder erheblich verzögert abgegeben und/oder Steuern werden nicht oder erheblich verspätet gezahlt, so dass Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt auflaufen.
  • Missachtung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten, d.h. Sozialversicherungsbeiträge werden nicht abgeführt (Hinweis: Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, kann sich sogar strafbar machen!).
  • Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, welche Bezug zum ausgeübten Gewerbe haben (Bsp.: Der Betreiber einer Kneipe wird wegen der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels verurteilt).
  • Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (eV, früher Offenbarungseid) oder es ergeht ein Haftbefehl zur Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung.
  • Mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
  • Mangelndes berufliches Verantwortungsbewusstsein.

4. Mir droht eine Gewerbeuntersagung. Was kann ich tun?

Wichtig ist zunächst, dass die Angelegenheit von dem betroffenen Gewerbetreibenden ernst genommen wird. Es muss klar sein, dass sich das Problem nicht von selbst lösen wird. Je eher reagiert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit das zuständige Bezirksamt davon zu überzeugen, dass er auch künftig sein Gewerbe ordnungsgemäß führen kann (Zukunftsprognose!).
Unnötige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem Gewerbeuntersagungsverfahren lassen sich am ehesten vermeiden, wenn folgende Hinweise beachtet werden:
  • Reagieren Sie unbedingt auf Schreiben des zuständigen Bezirksamtes, insbesondere wenn darin die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens angekündigt wird. Sie sollten schriftlich oder telefonisch mit dem zuständigen Sachbearbeiter Kontakt aufnehmen. Die Kontaktdaten sollten sich auf dem Schreiben befinden.
  • Nehmen Sie vereinbarte Gespräche mit dem Bezirksamt unbedingt war.
  • Halten Sie Absprachen, die Sie mit dem Bezirksamt getroffen haben, z.B. die Vorlage eines Sanierungsplans, ein. Sollten Sie Absprachen mal nicht einhalten können, teilen Sie mit, warum Sie dazu nicht in der Lage waren.
  • Geben Sie dem Bezirksamt außerdem Auskunft über persönliche Schwierigkeiten, die zu ihrer persönlichen Situation beigetragen haben oder sogar ausschlaggebend dafür waren.
  • Sprechen Sie mit ihren Gläubigern (z.B. Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Krankenkassen) und signalisieren Sie ihren Willen zur Tilgung der Schulden und versuchen Sie Ratenzahlungen zu vereinbaren.
  • Informieren Sie in jedem Fall das Bezirksamt über positive als auch negative Ergebnisse ihrer Gespräche mit ihren Gläubigern und belegen Sie diese wenn möglich schriftlich.

5. Welche Konsequenzen hat eine Gewerbeuntersagung?

Erlässt das Bezirksamt eine Gewerbeuntersagungsverfügung, wirkt sich dies für den betroffenen Gewerbetreibenden wie ein Berufsverbot aus. Die Gewerbeuntersagung verhindert rechtlich die Ausübung des Gewerbes durch den Betroffenen für die Zukunft. Ist die Gewerbeuntersagung sofort vollziehbar bedeutet dies, dass die gewerbliche Tätigkeit sofort eingestellt und das Gewerbe abgemeldet werden muss. Wird das Gewerbe trotzdem weitergeführt, drohen empfindliche Bußgelder. Ist die Gewerbeuntersagung bestandskräftig geworden, kann grundsätzlich erst nach einem Jahr (nur in Ausnahmefällen auch früher) ein Antrag auf Wiedergestattung der Ausübung des selbstständigen Gewerbes beim Bezirksamt gestellt werden. Voraussetzung für einen solchen Antrag ist dann, dass Tatsachen vorliegen, nach denen der betroffene Gewerbetreibende nicht mehr unzuverlässig, die Zukunftsprognose also wieder positiv ist.
Bitte beachten Sie, dass eine Gewerbeuntersagung grundsätzlich keine Auswirkungen bspw. auf laufende Miet- oder Lieferantenverträge hat. Die daraus entstehenden Kosten laufen also weiter.

6. Was kann man gegen eine Gewerbeuntersagung tun?

Betroffene können binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Gewerbeuntersagung schriftlich oder zur Niederschrift beim Bezirksamt Widerspruch gegen die Gewerbeuntersagung einlegen. Ist die Gewerbeuntersagung sofort vollziehbar, kann beim Verwaltungsgericht ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gestellt werden. In diesem Fall sollte jedoch unbedingt anwaltlicher Rat hinzugezogen werden.

7. Was tut die Handelskammer Hamburg?

Das Bezirksamt bittet die Handelskammer Hamburg in der Regel um die Abgabe einer Stellungnahme zu der Gewerbeuntersagung. Der Betroffene Gewerbetreibende erhält dann in der Regel Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Endscheidung über die Gewerbeuntersagung trifft dennoch immer das Bezirksamt.
RECHT UND STEUERN

A1 Nr. 217

A 1 Nr. 217 Art. II Abs. 2 UNÜ, Art. 21 UNCITRAL-Schiedsordnung, § 242 BGB -- Schiedsklausel in Investitionsschutzabkommen. - Missbräuchliche Berufung des Schiedsklägers auf das Fehlen einer Schiedsabrede - ordre public
Auf die in einem Investitionsschutzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Staat enthaltene Schiedsklausel kann sich in der Regel auch ein Investor berufen, obwohl er nicht Vertragspartner ist.
Hat er dementsprechend eine Schiedsklage erhoben, muss das Schiedsgericht befugt sein zu entscheiden, ob die geltend gemachten Ansprüche in dem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, und – falls nicht -- den Antrag mit entsprechender Kostenfolge zurückzuweisen. Anderenfalls würde der Schiedsbeklagte seinen Kostenerstattungsanspruch nicht realisieren können.
Dem Schiedskläger ist es gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf das Fehlen einer Schiedsvereinbarung zu berufen; nach deutschem Recht muss hinzukommen, dass für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist.
Dass die Ansprüche nach Auffassung des Schiedsgerichts nicht dem Investitionsschutzabkommen unterfallen, führt nicht dazu, dass es an einer formgerechten Schiedsvereinbarung und damit an der Grundlage für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs fehlt.
OLG Hamm Beschl.v. 13.7.2012 – I-25 Sch 3/11 SchiedsVZ 2013, 182 = RKS A 1 Nr. 217
Aus den Gründen:
Von dem Bestehen einer Schiedsvereinbarung gem. Art. II Abs. 1 UNÜ ist auszugehen. Diese liegt hier in Art. 9 und 10 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat X über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen. Der Antragsgegner ist nicht unmittelbarer Vertragspartner, kann sich aber, wenn er als Investor anzusehen ist, auf die Schiedsvereinbarung berufen, was er mit Erhebung der Schiedsklage getan hat.
Der Umstand, dass die seitens des AGg. im Wege der Schiedsklage geltend gemachten Schadensersatzansprüche zumindest nach Auffassung des Schiedsgerichts nicht dem Investitionsschutzabkommen unterfielen, führt nicht dazu, dass es an einer formgerechten Schiedsvereinbarung und damit an der Grundlage für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches fehlt.
Der Sinn und Zweck der Regelung des Art. II Abs. 2 UNÜ ist darin zu sehen, die Vertragsbeteiligten davor zu schützen, sich voreilig einem Schiedsverfahren zu unterwerfen, das dann möglicherweise einer Verfahrensordnung unterliegt, die der Verfahrensbeteiligte nicht durchschaut.
Hier hat der AGg. aber selbst das Schiedsgericht angerufen und sich darauf berufen, dass das Investitionsschutzabkommen und die darin enthaltene Schiedsabrede für ihn einschlägig sind. Dann muss das Schiedsgericht auch die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachten Ansprüche in dem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, was Art. 21 der UNCITRAL-Schiedsordnung so vorsieht, und den Antrag mit einer ent-sprechenden Kostenfolge zurückweisen können. Der Antrag muss schließlich durch das Schiedsgericht ordnungsgemäß beschieden werden. Würde man dann die Vollstreckbarkeits-erklärung wegen des Fehlens einer Schiedsvereinbarung versagen, würde dies dazu führen, dass der Gegner des Schiedsverfahrens nie seinen Kostenerstattungsanspruch realisieren könnte. Das wäre in sich widersprüchlich.
Dem AGg. wäre es zumindest nach § 242 BGB verwehrt, sich auf das Fehlen einer Schiedsvereinbarung zu berufen.
Dem internationalen Schiedsverfahrensrecht ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu eigen, und zwar auch in der hier allein in Betracht kommenden Gestalt des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, wobei nach deutschem Recht hinzutreten muss, dass für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH Beschl.v. 17.4.2008 – III ZB 97/06 Tz. 12 = NJW-RR 2008, 1083, 1084 = RKS A 4 a Nr. 105). Das ist hier der Fall. Der AGg. hat selbst das Schiedsgericht angerufen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er die Schiedsabrede für sich in Anspruch nimmt. Er hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass der Schiedsspruch für ihn mangels einer ihn verpflichtenden Schiedsabrede nicht verbindlich ist.
Versagungsgründe nach Art. V UNÜ wurden von dem AGg. in der nach § 1063 Abs. 2 ZPO  notwendigen mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
Ein Verstoß gegen den ordre public, was von Amts wegen zu prüfen ist (BGH NJW 2007, 772, 773 = RKS A 4 b 37) kann der Senat auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens nicht feststellen. Es geben sich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der Anerkennung und Vollstreckung gegen den ordre public national; denn es ist nicht ersichtlich, dass der Schiedsspruch im Zeitpunkt der Entscheidung durch das staatliche Gericht zu den Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder zu den deutschen Gerechtigkeits-vorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (dazu Musielak/Voit § 1061 ZPO Rd-Nr. 23).
Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Kostenentscheidung so unangemessen ist, dass sie grundlegenden deutschen Rechtsprinzipien und Gerechtigkeitsvorstellungen widerspricht. Sie entsprach der von dem Schiedsgericht zugrundegelegten Schiedsordnung, die ihrerseits mit den grundlegenden deutschen Prinzipien des Kostenrechts in Einklang steht (wird ausgeführt).
2.8.2013
RECHT UND STEUERN

A 1 Nr. 216

A 1 Nr. 216 § 1061 Abs. 1 ZPO, § 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG – Immunität ausländischer Staaten im Vollstreckbarerklärungsverfahren. Irrtum des Schiedsgerichts über seine Zuständigkeit
Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (§ 1061 ZPO) ist kein Verfahren der Zwangsvollstreckung, sondern ein Erkenntnisverfahren eigener Art, auf das die Grundsätze über die Immunität ausländischer Staaten im Erkenntnisverfahren anzuwenden sind.
Nach den gem. § 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG als Bundesrecht geltenden Regeln des allgemeinen Völkerrechts sind Staaten im Erkenntnisverfahren der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit und nicht lediglich ihr kommerzielles Handeln betroffen ist.
Enthält ein Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem ausländischen Staat eine Regelung, wonach im Rahmen einer Schiedsabrede der Schiedsspruch nach innerstaatlichem Recht vollstreckt wird, unterwirft sich der ausländische Staat damit grundsätzlich auch dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§ 1061 ZPO), das in Deutschland als Vorstufe einer späteren Zwangsvollstreckung notwendig ist.
Sind die Entscheidungen des Schiedsgerichts nach dem Inhalt eines solchen Vertrags „bindend“, gilt dies grundsätzlich nur im Rahmen der vereinbarten Schiedsklausel, so dass der Schiedsspruch -- soweit das Schiedsgericht den Anwendungsbereich des Vertrags verkennt und sich irrtümlich für zuständig erachtet -- nicht bindet und im Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs die Berufung auf die Immunität nicht hindert.
Dies gilt auch, soweit eine die Zuständigkeit bejahende Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts unangefochten geblieben ist. Dass eine Partei kein Rechtsmittel gegen die Zwischenentscheidung eingelegt und sich im weiteren Verfahren auf die Klage eingelassen hat, kann regelmäßig nicht als Verzicht auf die Immunität gewertet werden.
BGH Beschl.v. 30.1.2013 – III ZB 40/12 – MDR 2013, 676 = RKS A 1 Nr. 216
17.7.2013
RECHT & STEUERN

A 1 Nr. 215

A 1 Nr.215 §§ 633 ff. BGB, 50, 1032 ZPO, § 10 WEG – Schiedsabreden in einzelnen, nicht allen Bauträgerverträgen zu einer Wohnungseigentumsanlage: Schiedsabrede undurchführbar
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann einen Anspruch gegen den Bauträger in Prozessstandschaft der Eigentümer gerichtlich geltend machen, wenn die Verträge des Bauträgers nicht mit allen, sondern nur mit einigen Eigentümern eine Schiedsklausel enthalten. Das Schiedsverfahren ist dann nicht durchführbar und die Schiedseinrede des Bauträgers unbegründet.
OLG Hamm Urt.v. 15.5.2012 – I-21 U 113/11 NJW-RR 2013, 522 = RKS  A 1 Nr. 215
Aus den Gründen:
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft, die das Gemeinschaftseigentum betreffende Ansprüche geltend macht, ist gem. §§ 10 Abs. 4 S. 1, 2, 3, 5 WEG i.V.m. § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig und als gesetzliche Prozessstandschafterin  (BGH NJW 2007, 1952 Rd-Nr. 15; Kniffka Bauvertragsrecht 2012 § 633 BGB Rd-Nr. 187 m.w.N.) prozessführungsbefugt.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass unstreitig in einigen, aber nicht in allen  Erwerberverträgen der Gemeinschaft eine Schiedsklausel enthalten ist und der bekl. Bauträger die Schiedseinrede erhoben hat.  Der WEG wäre es in diesem Falle unmöglich, ihre Gewährleistungsrechte am Gemeinschaftseigentum einheitlich geltend zu machen. Die Schiedsvereinbarung ist deshalb undurchführbar (§ 1032 Abs. 1 letzter Halbsatz Alt. 3 ZPO).
16.7.2013
RECHT & STEUERN

A 1 Nr. 214

A 1 Nr. 214  Art. II UNÜ, §§ 133, 157, 166 BGB, § 94 HGB, §§ 1031,  1040 Abs. 2 ZPO - Wirksames Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung unter deutschen Kaufleuten mit Schiedsort Paris durch Schlussnote eines Handelsmaklers
1. Enthält ein Makler-Schlussschein eine Schiedsklausel, die ein bestimmtes Schiedsgericht bezeichnet, so steht nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) fest, dass aus dem beurkundeten Vertrag herrührende Rechtsstreitigkeiten der Entscheidung durch dieses Schiedsgericht unterworfen sein sollen. Die Schiedsklausel ist wirksam, auch wenn das  Zustandekommen des im Schlussschein beurkundeten Vertrages streitig ist; diesen Streit hat das Schiedsgericht zu entscheiden.
2. Ob der vermittelnde Makler berechtigt war, die Maklergesellschaft allein zu vertreten, kann offen bleiben. Der Schlussschein ist keine Willenserklärung, sondern eine dem Beweis dienende private Urkunde. Sie soll Klarheit über das Zustandekommen und den Inhalt des vermittelten Vertrages schaffen. Der Handelsmakler ist Urkundsperson. Durch die Schlussnote soll den Parteien für das abgeschlossene Geschäft ein Beweismittel gesichert werden. Der Makler beurkundet lediglich den zustande gekommenen Vertrag.
3. Die Kenntnis des Maklers von der fehlenden Vertretungsbefugnis des Vertreters für die von ihm vertretene Partei des vermittelten und beurkundeten Vertrages steht der Wirksamkeit dieses Vertrages nicht entgegen. Gesetzlich geregelt ist die Wissenszurechnung in § 166 Abs. 1  Abs. 1 BGB für den Vertreter. Der den Schlussschein erteilende Makler wird in der Regel als Bote,  nicht als Vertreter, fungieren. Auf den Boten ist § 166 BGB nicht anwendbar, da er keine eigene Willenserklärung abgibt. Allerdings sind hier die Grenzen fließend, und es ist auf den Einzelfall abzustellen. Kennen und Kennen-Müssen eines Abschlussgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn diese Hilfsperson ähnlich wie ein Vertreter erkennbar als Verhandlungsführer oder –gehilfe tätig wird, d.h. Aufgaben übernimmt, die typischerweise der Vertragspartei obliegen.
4. Zugegangen sind Erklärungen dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dazu gehören auch die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltenen Einrichtungen. Wenn deshalb aufgrund von im Bereich des Empfängers liegenden Umständen die zur Entscheidung befugten Personen für sie bestimmte Erklärungen nicht erhalten, z.B. weil diese „abgefangen“ werden, kann dies für die mit einer Schlussnote verbundenen Wirkungen keine Rolle spielen.
5. Ist streitig, ob ein Makler-Schlussschein beiden Parteien mit identischem Inhalt zugegangen ist, ist zwischen Kaufvertrag und Schiedsklausel zu unterscheiden. Ist die Schiedsklausel identisch, ist die Schiedsabrede zustandegekommen. Ob und ggf. mit welchem Inhalt der Kaufvertrag zustandegekommen ist, hat das Schiedsgericht zu entscheiden.            
6. Unter inländischen Kaufleuten ist unbedenklich und kann sachlich gerechtfertigt sein, für ihre Streitigkeiten einen ausländischen Schiedsort zu wählen. Begrenzt ist diese Befugnis, wenn die Wahl des Schiedsorts einen Vertragsteil gröblich benachteiligen würde.  
OLG München Beschl.v. 7.6.2013 – 34 SchH 9/12 RKS A 1 Nr. 214
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine Genossenschaft mit Sitz in Südhessen, verlangt die Feststellung der Unzulässigkeit eines von der Antragsgegnerin, einer bayerischen Handelsgesellschaft, bei der Internationalen Schiedsgerichtskammer Paris (Chambre Arbitrale Internationale de Paris) eingeleiteten Schiedsverfahrens.
Die Antragsgegnerin handelt mit Getreide, Futtermitteln und Ölsaaten, die Antragstellerin betreibt für ihre Mitglieder den gemeinsamen Einkauf landwirtschaftlicher  Bedarfsartikel sowie den gemeinschaftlichen Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit sonstigen Waren. In dem vor dem Schiedsgericht in Paris eingeleiteten Verfahren begehrt die Antragsgegnerin die Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung von 1.305.733 €  aus ihrem Vortrag zufolge von Ende Juni 2011 bis Ende März 2012 zwischen den Parteien abgeschlossenen  Weizen- und Rapsverträgen. Die Antragsgegnerin legte hierzu u. a. Schriftstücke der Heike und Volker B. GbR - Getreidemakler (im Folgenden: B. GbR) vor, die jeweils eine Kontrakt-Nummer enthalten und in denen Volker B. vermittelte Abschlüsse bestätigt. Die Schriftstücke enthalten ausnahmslos die Klausel „Schiedsgericht: Paris“ und den Zusatz „Vorstehende Abschlussbestätigung gilt als anerkannt, wenn nicht umgehend dagegen Einspruch erhoben wird.“
Die Antragstellerin hat noch vor Konstituierung des Schiedsgerichts beantragt festzustellen, dass die Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens unzulässig ist.
Dies ergebe sich aus der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarungen.
Die der Schiedsklage zugrunde liegenden Verträge seien von Jörg H. abgeschlossen worden. Dieser sei am 9.5.2006 zum "Geschäftsführer" und durch Beschluss des Aufsichtsrates vom 24.5.2011 ab 1.6.2011 zum hauptamtlichen gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragstellerin bestellt worden. Die Bestellung sei am 23.8.2011 im Genossenschaftsregister eingetragen und am 25.8.2011 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.
Die Parteien hätten im Jahr 2009 erstmals Warentermingeschäfte abgeschlossen, auf Seiten der Antragstellerin durch den seinerzeit noch als "Geschäftsführer" tätigen Jörg H.. Dieser habe der B. GbR den Auftrag erteilt, bestimmte landwirtschaftliche Produkte zu kaufen oder zu verkaufen. Letztere habe sodann das entsprechende Geschäft zwischen den Parteien vermittelt.
Eine Generalvollmacht für diese Art von Warentermingeschäften sei Jörg H. nicht erteilt worden.
Am 5.4.2011 habe eine Vorstands- und Aufsichtsratssitzung stattgefunden, an der auch der Makler Volker B. teilgenommen habe. Im Rahmen dieser Sitzung hätten Vorstand und Aufsichtsrat sowie Jörg H. ein Warenrisikomanagement beschlossen. Dieses habe vorgesehen, dass der Geschäftsführer maximal offene Geschäfte in Höhe eines Viertels des Eigenkapitals der Genossenschaft tätigen könne; pro Jahr durfte maximal ein Verlust in dieser Höhe erwirtschaftet werden.
Ohne Wissen der übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder habe Jörg H. über die B. GbR auch im Jahre 2011 im Namen der Antragstellerin Warentermingeschäfte mit der Antragsgegnerin geschlossen.
Am 10.11.2011 seien die aus den genannten Geschäften resultierenden Verbindlichkeiten - ihre wirksame Vertretung bei Vertragsschluss unterstellt - soweit angestiegen, dass die Antragstellerin nicht mehr in der Lage gewesen sei, diese zu begleichen.
Die erwähnten Rechnungen und Gutschriften seien nicht in die Buchhaltung gelangt, sondern gegenüber den übrigen Organen und Mitgliedern der Antragstellerin verheimlicht worden. Um die Forderungssumme zu verschleiern, habe Jörg H. die Antragsgegnerin gebeten, zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der oben genannten Raten "gefälschte Rechnungen" zu erstellen, aus denen der tatsächliche Inhalt der geschlossenen Geschäfte nicht hervorgehe. Die Antragsgegnerin habe am 17.11.2011 sowie am 10.2.2012 diese Rechnungen erstellt, die eine an das Datum der Rechnungserstellung angelehnte fiktive Rechnungsnummer getragen und folgenden Wortlaut gehabt hätten:
„Wir berechnen MATIF-Weizen/Raps - Abrechnung November (bzw. Februar) 2011: € .... Zahlbar sofort netto Kasse auf unser unten stehendes Bankkonto.“
Zahlreiche Verträge seien nicht so, wie von der Antragsgegnerin behauptet, abgeschlossen worden. Für diese gebe es deswegen auch keine Schiedsvereinbarung. Im einzelnen ergebe sich die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarungen aus folgendem:
Der damalige nicht organschaftliche "Geschäftsführer" habe keine ausdrückliche Vollmacht zum Abschluss von Warentermingeschäften besessen. Demgemäß sei er auch nicht bevollmächtigt gewesen, im Zusammenhang mit deren Abschluss Schiedsvereinbarungen zu treffen.
Daran ändere auch das am 5.4.2011 beschlossene Risikomanagement nichts, da dies - mit Ausnahme gegenüber Volker B. - nicht nach außen gelangt sei und in dessen Rahmen keinem der damals Anwesenden eine entsprechende Einzelvollmacht erteilt worden sei.
Jörg H. habe auch keine Handlungsvollmacht zum Abschluss von Schiedsvereinbarungen besessen.
Auch die Grundsätze einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht seien nicht anwendbar.
Aus den Gründen:
In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg, da der von der Antragsgegnerin erhobenen Schiedsklage wirksame Schiedsvereinbarungen zugrunde liegen.
Für die formellen Anforderungen an die Schiedsvereinbarung ist § 1031 ZPO einschlägig, da sich dies nach deutschem Recht bestimmt. Die Vereinbarungen sind als Klauseln (vgl. § 1029 Abs. 2 ZPO) im Rahmen von Kaufverträgen zwischen deutschen Unternehmen in Inland geschlossen (vgl. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1031 Rn. 1). Dass als Schiedsort Paris vereinbart wurde, ändert an der Maßgeblichkeit des § 1031 ZPO nichts. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass für die Vollstreckbarerklärung des französischen Schiedsspruchs das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (UNÜ) einschlägig sein wird und damit auch grundsätzlich die strengeren Voraussetzungen des Art. II UNÜ gelten. Anerkannt ist aber auch, dass ein ausländischer Schiedsspruch im Inland für vollstreckbar erklärt werden kann, wenn er der für inländische Schiedsvereinbarungen geltenden Formvorschrift des § 1031 ZPO genügt (BGHZ 30.9.2010 E 187, 126 = RKS A 4 a Nr. 127).
Gemäß § 1031 Abs. 1 ZPO muss die Schiedsvereinbarung entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument oder in zwischen ihnen gewechselten Schreiben (oder einer anderen Form der Nachrichtenübermittlung) enthalten sein, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen. Diese Form gilt gemäß § 1031 Abs. 2 ZPO u.a. auch dann als erfüllt, wenn die Schiedsvereinbarung in einem von einem Dritten beiden Parteien übermittelten Dokument enthalten ist und der Inhalt des Dokuments im Fall eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird. Die Einbeziehung des von einem Dritten an beide Parteien gerichteten Schreibens erfasst auch die Schlussnote des Handelsmaklers (vgl. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1031 Rn. 4). In Fällen ohne Auslandsbezug ist die Bindung an unwidersprochen gebliebene kaufmännische Bestätigungsschreiben und Schlussnoten ("Schlussscheine") eines Handelsmaklers gewohnheitsrechtlich verfestigt (vgl. Schlosser aaO.). Die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsorts führt zu keiner anderen Bewertung.
Die Schlussscheine der B. GbR genügen diesen Anforderungen.
1. Die Parteien sind sich einig, dass über die Mehrzahl der gegenständlichen Geschäfte von der B. GbR Schlussscheine versandt wurden. Die Einordnung als Schlussschein ist unstreitig und wird auch durch die Bezugnahme auf § 94 HGB bestätigt. Diese Schlussscheine enthalten die Klausel: "Schiedsgericht: Paris". Hinzu kommt bei den meisten Verträgen der Hinweis "INCOGRAINS Abwicklung gem. Reglement Euronext, Paris". Dass damit das angerufene Schiedsgericht gemeint ist, wird von der Antragstellerin nicht bestritten. Damit steht nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) fest, dass aus den genannten Verträgen herrührende Rechtsstreitigkeiten der Entscheidung durch ein, und zwar dieses, Schiedsgericht unterworfen sein sollten, auch wenn im Einzelfall der Hinweis "INCOGRAINS" fehlen sollte.
2. Unterschrieben sind die Schlussscheine von Volker B., einem Gesellschafter der B.  GbR. Ob dieser berechtigt war, die Maklergesellschaft allein zu vertreten, kann offenbleiben. Der Schlussschein ist keine Willenserklärung, sondern eine dem Beweis dienende private Urkunde. Sie soll Klarheit über das Zustandekommen und den Inhalt des vermittelten Vertrags schaffen. Der Handlungsmakler ist Urkundsperson. Durch die Schlussnote soll den Parteien für das abgeschlossene Geschäft ein Beweismittel gesichert werden. Der Makler beurkundet lediglich den zustande gekommenen Vertrag (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene HGB 3. Aufl. § 94 Rn. 1 und 3). Vermittelt hat die Verträge aber unstreitig Volker B. Nur er konnte daher auch den Abschluss des Vertrages beurkunden.
Vorbehaltlose Annahme durch die Parteien - Schweigen auf die Schlussnote - bedeutet nach Handelsbrauch Zustimmung zur Verbindlichkeit des Abschlusses mit dem angegebenen Inhalt, führt also zu einer Genehmigungsfiktion (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 12; Staub/Thiessen HGB 5. Aufl. § 94 Rn. 23). Die Wirkung entspricht der des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (vgl. Staub/Thiessen aaO.). Voraussetzung ist lediglich die vorbehaltlose Annahme, also die körperliche Entgegennahme und das "inhaltliche Einverständnis", das sich aus dem Schweigen ergibt. Wie im Falle des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (vgl. z. B. BGH NJW 1964, 1951; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 147 Rn. 11) wird auch das Fehlen der Vertretungsbefugnis geheilt.
Bei den durch die Schlussscheine beurkundeten Geschäften handelt es sich um Termingeschäfte mit der Folge, dass der Schlussschein den Parteien zur Unterschrift zuzustellen ist (vgl. § 94 Abs. 2 HGB). Auf diese Förmlichkeit kann aber zum Einen verzichtet werden (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 17). Zum Anderen (MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 12) gilt die Genehmigungsfiktion auch bei Geschäften, die nicht sofort erfüllt werden sollen. Die gemäß § 94 Abs. 2 HGB erforderlichen Unterschriften dienen nur der Beweissicherung.
3. Die von der Antragstellerin behauptete Kenntnis des Maklers von der fehlenden Vertretungsbefugnis des Vorstandsmitglieds Jörg H. steht der Wirksamkeit der von diesem beurkundeten Verträge nicht entgegen. Gesetzlich geregelt ist die Wissenszurechnung in § 166 Abs. 1 BGB für den Vertreter. Der den Schlussschein erteilende Makler wird in der Regel als Bote fungieren (vgl. z. B. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 1). Hiervon ist auch hier auszugehen. Auf den Boten ist § 166 BGB grundsätzlich nicht anwendbar, da er keine eigene Willenserklärung abgibt
(vgl. z. B. MüKo/Schramm BGB 6. Aufl. § 166 Rn. 40). Allerdings sind hier die Grenzen fließend und es ist auf den Einzelfall abzustellen (vgl. MüKo/Schramm aaO.). Kennen und kennen Müssen des Abschlussgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn die Hilfsperson ähnlich wie ein Vertreter erkennbar als für den Geschäftsherrn handelnd in Erscheinung getreten ist. Der Makler jedoch ist in der Regel nicht Hilfsperson seines Auftraggebers, sondern Dritter. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er als Hilfsperson der Vertragspartei als Verhandlungsführer oder  Verhandlungsgehilfe tätig wird und damit die Aufgaben übernimmt, die typischerweise der Vertragspartei obliegen (vgl. MüKo/Schramm § 166 Rn. 40). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Der Vorstand der Antragstellerin hatte sich an den Makler gewandt. Einem Vertragsschluss entgegenstehende Hindernisse in der Sphäre der Antragstellerin kann der Geschäftspartner nicht kennen. Eine Kenntnis des Maklers ist diesem grundsätzlich - auch im gegebenen Fall - nicht zuzurechnen.
Eigene Kenntnis der Antragsgegnerin vom Fehlen der (Allein-) Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds Jörg H. ergibt sich nicht aus den ihr am 10.11.2011 offenbarten Zahlungsschwierigkeiten. Sie lässt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin als "gefälscht" bezeichneten Rechnungen herleiten. Die Antragsgegnerin hat mit Jörg H. eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Wenn dieser aus - vielleicht nur vorgeschobenen - buchhalterischen Gründen hierfür eine Rechnung verlangte, musste die Antragsgegnerin noch nicht an seiner Vertretungsbefugnis zweifeln. Soweit die Antragstellerin einige der von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren vorgelegten "Kontrakte" nicht im Besitz haben und auch nicht erhalten haben will, ist der Senat überzeugt, dass ihr auch insoweit Schlussscheine mit den entsprechenden Schiedsklauseln zugegangen sind.
Zum Einen ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Makler sie nur an eine Partei - entgegen § 94 HGB und der zuverlässigen Handhabung in den zahlreichen übrigen Fällen - versandt haben sollte. Zum Anderen bezweifelt der Senat nicht, dass die Schlussscheine bei der Antragstellerin auch eingegangen sind. Diese betreffen nämlich Warentermingeschäfte mit teilweise langen Laufzeiten. Wäre ihr in einzelnen Fällen keine wie immer geartetete Dokumentation des Vertragsschlusses zugegangen, hätte die Antragstellerin bzw. der für sie handelnde Jörg H. dies mit Sicherheit moniert. Derartiges wird aber nicht behauptet. Schließlich legt es der von der Antragstellerin geschilderte Umgang mit den eingegangenen Dokumenten nahe, dass auch in den übrigen Fällen ebenfalls Schlussscheine eingegangen sind, aber nicht aufgefunden werden konnten. Die den angeblich fehlenden Schlussscheinen zuzuordnenden Geschäfte wurden offensichtlich durchgeführt.
4. Unerheblich ist, ob das Vorstandsmitglied Jörg. H. die Schlussscheine "abgefangen" hat. Zugegangen sind Erklärungen dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, wobei zum Bereich des Empfängers auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen gehören (vgl. für Willenserklärungen Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 5). Wenn deshalb aufgrund von im Bereich des Empfängers liegenden Umständen die zur Entscheidung Befugten nicht in den Besitz von Erklärungen gelangen, kann dies für die mit dem Bestätigungsschreiben verbundenen Wirkungen keine Rolle spielen (siehe auch BGH NJW 1964, 1951). Im Übrigen sind die Schlussscheine in den Bereich des (gesamtvertretungsberechtigten) Vorstandsmitglieds Jörg H. gelangt. Dies genügt, da zur Passivvertretung jeder Gesamtvertreter allein berechtigt ist (vgl. z. B. Palandt/Ellenberger § 167 Rn. 14 m.w.N.).
5. Soweit die Antragstellerin behauptet, die Schlussscheine zu den Kontrakten 12360, 12361 und 12362 seien ihr mit einem anderen als dem von der Antragsgegnerin dargestellten Inhalt zugegangen, ist zwischen dem Kaufvertrag und der Schiedsklausel zu unterscheiden (§ 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die stets vorhandene Schiedsklausel deckt sich jeweils. Sie bezieht sich auf eine bestimmte Kontraktnummer. Inwieweit ein Vertrag im Übrigen zustande gekommen ist, ist gerade im (schieds-) gerichtlichen Verfahren zu klären.
Sofern der Antragstellerin der Kontrakt 11302 nicht vorliegt, gilt das oben Gesagte. Wenn die Antragstellerin im Besitz von neun Kontrakten mit derselben Warenmenge ist, spricht dies nicht gegen die Zustellung des Kontraktes 11302 über 22.850 Tonnen Weizen. Offensichtlich geht die Antragsgegnerin allein aus diesem Kontrakt vor. Dies ist auch nachvollziehbar, denn der von der Antragstellerin mit den Unterlagen aus dem Schiedsverfahren vorgelegte Schlussschein 11302 trägt den Zusatz "Wash-out zu bestehenden Kontrakten", was auf eine Verrechnung oder Zusammenfassung von Warentermingeschäften schließen lässt. Auch dies zu klären ist letztlich Aufgabe des Schiedsgerichts.
Zwar muss der Geschäftspartner Änderungen, die im Genossenschaftsregister eingetragen sind, gegen sich gelten lassen (§ 29 Abs. 2 GenG). Das bedeutet aber nicht, dass die Antragsgegnerin so zu behandeln wäre, als hätte sie die - behauptete - fehlende Vertretungsbefugnis gekannt. Zum Vertragsschluss kann führen, wenn ein (nur) gesamtvertretungsberechtigtes Organ Kenntnis vom Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens erhält, ohne dass dem Inhalt widersprochen worden wäre (vgl. BGH NJW 1988, 1199/ 1200). Für Schlussscheine kann nichts anderes gelten. Ob Kenntnis des anderen Teils schadet, kann offen bleiben, denn die Tatsache, dass Jörg H. (nur) gesamtvertretungsbefugt war, schließt nicht zwingend aus, dass er nicht doch gerade zum Abschluss der gegenständlichen Geschäfte allein vertretungsberechtigt war (vgl. § 25 Abs. 3 GenG).
Soweit die Antragsgegnerin selbst Bestätigungsschreiben versandt hat, kann es dahinstehen, ob deren AGB, nach welchen Maklerschlussscheine nicht "maßgeblich" für diesen Vertrag seien, es verhindern, dass aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 94 HGB die Schiedsvereinbarung zustande gekommen ist. Bei den Bestätigungsschreiben, wie sie beispielhaft von der Antragstellerin vorgelegt sind, handelt es sich um kaufmännische Bestätigungsschreiben und nicht etwa um Auftragsbestätigungen (vgl. etwa Palandt/Ellenberger § 147 Rn. 12). Dies ergibt sich schon daraus, dass dem Empfänger die Möglichkeit des schriftlichen Widerspruchs innerhalb von 24 Stunden nach Eingang ausdrücklich eingeräumt ist. Auch diese Schreiben enthalten aber die Klausel: "Schiedsgericht: Paris". Darin liegt kein Widerspruch zu dem in den AGB bestimmten Gerichtsstand. Die Vereinbarung eines Gerichtsstands bedeutet nämlich nicht denknotwendig, dass die staatlichen Gerichte für alle Streitigkeiten zuständig sein müssen und damit Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen sind. Die Vereinbarung ergibt vielmehr auch dann einen Sinn, wenn sie nur für den Fall gelten soll, dass ausnahmsweise die staatlichen Gerichte zuständig sind (vgl. BGH WM 2007, 698 = RKS A 1 Nr. 147; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 389).
Soweit die Antragsgegnerin keine eigene Auftragsbestätigung versandt hat, stehen deren AGB der Wirkung, die von den erstellten Schlussscheinen ausgeht, nicht entgegen. Diese sollen nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur für den jeweiligen Vertrag ("dieser Vertrag") maßgeblich sein. Entsprechend ist auch eine Vielzahl von Geschäften abgewickelt worden.
6. Ein rechtlicher Grund, der gegen die Wirksamkeit des übereinstimmend bestimmten Schiedsorts Paris sprechen würde, ist nicht ersichtlich. Die Parteien sind Kaufleute. Grundsätzlich ist es unbedenklich, für Streitigkeiten unter Inländern aus gegenseitigen Verträgen auch einen ausländischen Schiedsort zu wählen. Begrenzt ist diese Befugnis, wenn die Wahl des Schiedsortes einen Vertragsteil gröblich benachteiligen würde (vgl. etwa OLG Dresden IPRax 2010, 241 = RKS A 1 Nr. 160 für Franchiseverträge; vgl. Schulz/Niedermaier SchiedsVZ 2009, 196). Es ist nicht ersichtlich, dass eine Partei im Verhältnis zur anderen durch die Wahl des ausländischen Schiedsorts benachteiligt würde. Zudem betrafen die Verträge an der französischen Warenbörse gehandeltes Getreide, überwiegend sind sie den dort aufgelegten Regeln ("INCOGRAINS") unterstellt. Dann gibt die Vereinbarung des französischen Schiedsortes auch einen durchaus sachbezogenen Grund, weil damit gerechnet werden kann, dass das dortige (institutionelle) Schiedsgericht in besonderer Weise über die speziellen Kenntnisse zur Erfassung und Beurteilung des Sachverhalts verfügt.
Der Vernehmung der insbesondere zum Verhalten des Vorstandes Jörg H. und zur Festlegung eines Risikomanagements angebotenen Zeugen bedarf es unter diesen Umständen nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Für den Streitwert ist ein Bruchteil (ein Drittel) der beim Schiedsgericht anhängigen Hauptsache festzusetzen (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG).
7.7.2013
Steuern

Steuerliche Behandlung von Betriebsfeiern

Betriebsfeiern wie Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern oder Jubiläumsfeiern zielen darauf ab, den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander zu fördern und damit das Betriebsklima zu verbessern. Sie stehen somit im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers.
Die steuerrechtliche Behandlung von Betriebsfeiern wurde zuletzt durch Gesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2015 geändert.  Danach können Aufwendungen in Höhe von bis zu 110 € je Betriebsfeier und Arbeitnehmer steuerfrei getätigt werden (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a Einkommenssteuergesetz (EStG)). Weitere Details sind im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 14. Oktober 2015 erläutert. 

1. Wann ist von einer Betriebsfeier auszugehen?

Eine Betriebsfeier ist eine Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG).
Eine solche Veranstaltung muss grundsätzlich allen Arbeitnehmern offenstehen. Der Arbeitgeber kann entweder alle Angestellten seines Betriebes einladen oder alle Zugehörigen eines Betriebsteils, wie beispielsweise einer Abteilung. Möglich ist es auch, einen begrenzten Teilnehmerkreis einzuladen, solange dieser dadurch nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern bevorzugt wird. Die Finanzverwaltung sieht es beispielsweise als zulässig an, wenn nur Angestellte eingeladen werden, die bereits mehr als 10 Jahre im Unternehmen tätig sind (Jubilarfeiern), auch wenn neben diesen ein begrenzter Kreis weiterer Arbeitnehmer, wie engere Mitarbeiter, eingeladen werden (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S.4).
Wichtig! Steuerlich begünstigt ist die Teilnahme an zwei Betriebsfeiern jährlich (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 3 EStG). Nimmt ein Angestellter an mehr als zwei Veranstaltungen teil, kann er wählen, welche steuerbefreit sein soll. Die Finanzverwaltung macht eine Ausnahme für solche Arbeitnehmer, die teilnehmen, um ihre beruflichen Aufgaben zu erfüllen, wie beispielsweise Personalleiter (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S. 5).

2. Welche Zuwendungen dürfen Arbeitnehmern steuerfrei zufließen?

Eine Zuwendung im Rahmen einer Betriebsveranstaltung ist jede Aufwendung, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Betriebsfeier tätigt. Die Finanzverwaltung hat einen nicht abschließenden Katalog aufgestellt, der einen Überblick darüber gibt, welche Zuwendungen in Betracht kommen.
Wichtig! Die Umsatzsteuer ist stets Teil der Zuwendungen.

Der Katalog der Zuwendungen an Arbeitnehmer und Begleitpersonen umfasst folgende Positionen (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S. 2):
  • Speisen, Getränke, Tabakwaren und Süßigkeiten;
  • die Übernahme von Fahrtkosten und Übernachtungskosten;
  • Musik, künstlerische Darbietungen sowie Eintrittskarten für kulturelle und sportliche Veranstaltungen, wenn sich die Veranstaltung nicht im Besuch der kulturellen oder sportlichen Veranstaltung erschöpft;
  • Geschenke. Dies gilt auch für die nachträgliche Überreichung der Geschenke an solche Arbeitnehmer, die aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht an der Betriebsveranstaltung teilnehmen konnten. Dies gilt nicht für Barzuwendungen;
  • Barzuwendungen, nur wenn sichergestellt ist, dass sie verwendet werden für Speisen, Getränke, Tabakwaren, Süßigkeiten, Musik, künstlerische Darbietungen oder Eintrittskarten für kulturelle oder sportliche Veranstaltungen;
  • Aufwendungen für den äußeren Rahmen, z. B. für Räume, Beleuchtung oder einen Eventmanager. Zu diesen Aufwendungen zählen auch Kosten für anwesende Sanitäter, für die Erfüllung behördlicher Auflagen, für Trinkgelder und Stornokosten.
Keine Zuwendungen an Arbeitnehmer und Begleitpersonen sind die folgenden Positionen:
  • Anteilige Kosten der Buchhaltung für die Erfassung der Aufwendungen;
  • Kosten für den Energie- und Wasserverbrauch bei Betriebsveranstaltungen in den eigenen Räumlichkeiten des Arbeitgebers.

3. Bis zu welchem Betrag sind Zuwendungen steuerfrei?

Jeder Arbeitnehmer kann steuerfreie Zuwendungen von insgesamt bis zu 110 € je Betriebsfeier erhalten. Erhält er mehr, wird der überschießende Teil als steuerpflichtiger geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers erfasst. Dieser geldwerte Vorteil kann vom Arbeitgeber pauschal mit 25 % abgegolten werden, soweit die Zuwendung anlässlich einer Betriebsfeier gewährt wurde (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG). Wählt der Arbeitgeber keine Pauschalbesteuerung, muss in der Lohnbuchhaltung der überschießende Betrag bei jedem Arbeitnehmer mit dem individuellen Steuersatz erfasst werden.
Im BMF-Schreiben wird darauf hingewiesen, dass die Freigrenze in Höhe von 44 € für Sachbezüge vom Arbeitgeber (§ 8 Abs. 2 S. 11 EStG) in diesem Kontext nicht anwendbar ist (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S. 4).

4. Wie wird die Zuwendung je Arbeitnehmer berechnet?

Laut Gesetz dürfen Zuwendungen den Betrag von 110 € je „teilnehmenden Arbeitnehmer“ nicht übersteigen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 3 EStG). Die Finanzverwaltung versteht unter teilnehmenden Arbeitnehmern nur solche, die anwesend waren. Entsprechend werden die Kosten auf alle anwesenden Arbeitnehmer verteilt. Als Arbeitnehmer gelten neben aktiven Arbeitnehmern auch ehemalige Arbeitnehmer sowie Praktikanten, Referendare, Leiharbeiter und Arbeitnehmer aus anderen konzernangehörigen Unternehmen (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S. 3).

Für die Berechnung der Zuwendung je Arbeitnehmer ist wie folgt zu verfahren:
  • Die Gesamtaufwendungen als Summe aller Aufwendungen einer Betriebsveranstaltung sind zu ermitteln.  
  • Die Gesamtaufwendungen sind durch die anwesenden Teilnehmer inklusive der Begleitpersonen zu teilen. 
  • In einem nächsten Schritt sind die auf die Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen dem Arbeitnehmer zu zurechnen, der begleitet wurde.
Beispiel 1: Auf einer Weihnachtsfeier fallen Aufwendungen von insgesamt 10.000 € an. Es nahmen 100 Personen Teil; darunter waren 25 Begleitpersonen, die jeweils einen Arbeitnehmer begleiteten.
Zunächst werden die Gesamtaufwendung von 10.000 € durch die Anzahl der Teilnehmer geteilt. Es ergeben sich Zuwendungen von 100 € je Teilnehmer. 75 Personen waren ohne Begleitung; für sie bleibt es bei 100 €. 25 Arbeitnehmer wurden von insgesamt 25 Personen begleitet; für diese 25 Arbeitnehmer betragen die Zuwendungen 200 € pro Person, da jedem Arbeitnehmer jeweils 100 € für seine Begleitperson zugerechnet werden.  

5. Sachgeschenke des Arbeitgebers auf Betriebsfeiern

Sachgeschenke an Arbeitnehmer sind grundsätzlich beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben abzugsfähig und unterliegen als geldwerte Vorteile der Lohnsteuer. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen. Zum einen gehören Zuwendungen nicht zum Arbeitslohn, wenn sie nicht in Geld bestehen und einen Wert von 60 € nicht übersteigen (BMF-Schreiben vom 19.5.2015, Rz. 19 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 68 KB)). Zum anderen gehören Sachzuwendungen nicht zum Arbeitslohn, wenn sie anlässlich einer Betriebsfeier überreicht werden (BMF-Schreiben vom 14.10.2015, S. 2). Sachgeschenke anlässlich einer Betriebsfeier werden als Teil der Aufwendungen der Betriebsfeier gewertet und sind entsprechend auf den 110 € Freibetrag anzurechnen.
Beispiel 2: Anlässlich einer Betriebsfeier erhalten alle Teilnehmer ein Sachgeschenk im Wert von 30 €. Die Kosten der restlichen Betriebsfeier betragen pro Kopf 80 €. Das Sachgeschenk wird zu den übrigen Kosten hinzugerechnet. Der Freibetrag von 110 € wird eingehalten und es liegt kein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil vor.
Beispiel 3: Anlässlich einer Betriebsfeier erhalten alle Teilnehmer ein Sachgeschenk im Wert von 70 €. Die Kosten der restlichen Betriebsfeier betragen pro Kopf 50 €. Die Zuwendungen betragen damit insgesamt 120 € und übersteigen den Freibetrag um 10 €. In dieser Höhe liegt ein geldwerter Vorteil vor, welche der Arbeitgeber mit einem Pauschsteuersatz von 25 % versteuern kann (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Wert des Sachgeschenks den Betrag von 60 € übersteigt, da das Sachgeschenk anlässlich einer Betriebsfeier gewährt wurde und daher im Rahmen des Freibetrags steuerfrei ist.  
Um den Freibetrag und die Pauschalversteuerung durch den Arbeitgeber nutzen zu können ist es Voraussetzung, dass die Geschenke anlässlich und nicht nur bei Gelegenheit einer Betriebsveranstaltung gewährt werden. Das Gesetz gibt jedoch keine Hinweise darüber, wann Geschenke anlässlich einer Betriebsveranstaltung überreicht werden.
Laut Bundesfinanzhof (BFH) bedeutet anlässlich einer Betriebsveranstaltung, dass Zuwendungen den Rahmen und das Programm der Betriebsfeier betreffen müssen. Dazu gehören solche Zuwendungen, die durch das Programm bedingt und für eine Betriebsveranstaltung nicht untypisch sind. Es muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen Betriebsveranstaltung und Zuwendung bestehen (BFH, Urteil vom 7.2.1997 – VR R 3/96).  
Einen sachlichen Zusammenhang sah der BFH bei der Übergabe von Goldmünzen auf einer Weihnachtsfeier als nicht mehr gegeben an. Die Übergabe von Goldmünzen sei eine untypische Programmgestaltung. Sie hätte auch losgelöst von einer Weihnachtsfeier vorgenommen werden können (BFH, Urteil vom 7.11.2006 - VI R 58/04).  
Wenn Zuwendungen nur bei Gelegenheit einer Betriebsfeier überreicht werden, es am Anlass fehlt, dann fallen diese Zuwendungen aus der besonderen Behandlung für Betriebsveranstaltungen heraus und es gelten die allgemeinen Regeln. Entweder werden die Zuwendungen mit dem persönlichen Grenzsteuersatz des Arbeitnehmers versteuert oder der Arbeitgeber versteuert sie pauschal mit einem Steuersatz von 30 % (§ 37b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). 

6. Gemischt veranlasste Betriebsveranstaltungen

Eine gemischt veranlasste Veranstaltung ist eine solche, die sowohl Elemente einer Betriebsveranstaltung enthält als auch Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung, wie die Betriebsbesichtigung bei einem Hauptkunden (H 19.5 Lohnsteuer-Richtlinie, LStR). Weitere Beispiele sind die Kombination einer Konferenz oder einer Kongressteilnahme mit einem Wellnessaufenthalt. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Veranstaltung allen Arbeitnehmern offen steht (vergleiche Abschnitt 1).
Bei derartigen Veranstaltungen sind die Zuwendungen aufzuteilen. Zuwendungen für ausschließlich betriebliche Zwecke stellen keinen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer dar und sind daher nicht wie Arbeitslohn zu behandeln. Zuwendungen, die mit der Betriebsfeier im Zusammenhang stehen, sind entsprechend der zuvor erörterten lohnsteuerlichen Grundsätze zu behandeln (BFH-Urteil vom 16.11.2005 - VI R 118/01).
Die Kosten für die gemeinsame An- und Abreise und die Übernachtungskosten sind im Verhältnis der Zeitanteile aufzuteilen (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - VI R 55/07).
Beispiel 4: Eine Firma veranstaltet eine Drei-Tage-Fahrt in die Pfalz. Dort stehen an zwei Tagen die Weihnachtsfeier und eine Weinprobe und an einem Tag die Besichtigung eines Lieferantenbetriebes auf dem Programm. Sofern die Kosten für die Weihnachtsfeier und die Weinprobe pro Arbeitnehmer den Freibetrag von 110 € nicht überschreiten, liegt kein zu versteuernder Arbeitslohn vor.
Unter der Annahme, dass der zeitliche Anteil von Betriebsfeier und Betriebsbesichtigung zwei zu eins beträgt, sind zwei Drittel der Kosten für An- und Abreise und Übernachtung der eigentlichen Betriebsfeier zuzuordnen und unterliegen dem 110-Euro-Freibetrag.

7. Reisekosten bei Betriebsveranstaltungen

Grundsätzlich sind die Kosten für den Hin- und Rücktransport von Arbeitnehmern vom Einsatzort zur Betriebsveranstaltung Teil der Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung und müssen daher auf Freibetrag von 110 € angerechnet werden. Ausnahmsweise können diese Aufwendungen jedoch als Reisekosten des Arbeitnehmers behandelt werden. Dies setzt voraus, dass die Betriebsveranstaltung außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers stattfindet, die Anreise der Teilnahme an der Betriebsveranstaltung dient und die Organisation dem Arbeitnehmer obliegt. In diesem Fall ist eine steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber zulässig gem. § 3 Nr. 13, 16 EStG (BFM-Schreiben vom 14.10.2015, S. 5).
Beispiel 5: Mitarbeiter, welche an einem anderen Standort tätig sind, reisen zunächst zur Unternehmenszentrale und fahren von dort aus gemeinsam in einem Bus, welcher durch den Arbeitgeber organisiert wurde, zum Ort der Betriebsveranstaltung. Die Fahrkosten der Mitarbeiter zur Unternehmenszentrale gelten als Reisekosten. Die gemeinsame Busfahrt gilt als Teil der Zuwendungen anlässlich der Betriebsveranstaltung, da sie durch den Arbeitgeber organisiert wurde.

8. Sonstige Fallstricke im Zusammenhang mit Betriebsfeiern

Neben dem lohnsteuerrechtlichen Freibetrag sind typischerweise auch noch die folgenden Aspekte im Rahmen einer Betriebsfeier zu beachten:
  • Auf der Ebene des Unternehmens unterliegen Leistungen des Unternehmers an seine Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsfeier nicht der Umsatzsteuer, wenn sie sich im üblichen Rahmen halten. Hiervon ist auszugehen,  wenn sie den Betrag von 110 € nicht übersteigen (1.8 Abs. 4 Nr. 6 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)). Übersteigen die Zuwendungen 110 € je Arbeitnehmer und hält die Verwaltung die Zuwendungen für nicht mehr im üblichen Rahmen, unterliegen die gesamten Zuwendungen der Umsatzsteuer. (Siehe dazu ergänzend BMF-Schreiben vom 28.6.2018 bei Zuwendungen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses).
  • Sofern eine Betriebsfeier in ähnlicher Form über mindestens drei Jahre in Folge veranstaltet wird, kann eine sogenannte betriebliche Übung entstehen (BAG-Urteil vom 17.9.2013 – 3 AZR 300/11). Arbeitnehmer haben dann auch in den Folgejahren einen Anspruch auf eine Betriebsfeier. Arbeitgeber können diese Wirkung vermeiden, indem sie einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt in die Einladung aufnehmen.
  • Es besteht keine Teilnahmepflicht an Betriebsfeiern (BAG-Urteil vom 04.12.1970 - 5 AZR 242/70). Arbeitnehmer, die nicht an der Betriebsfeier teilnehmen, müssen jedoch während dieser Zeit ihre Arbeitsleistung im Unternehmen erbringen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, nicht teilnehmenden Arbeitnehmern die Erbringung ihrer normalen Arbeitsleistung zu ermöglichen.
  • Ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz der Berufsgenossenschaften (§ 8 Abs. 1 S. 1 Siebentes Sozialgesetzbuch (SGB VII)) besteht nur dann, wenn die Betriebsfeier vom Unternehmen durchgeführt wird, alle Arbeitnehmer daran teilnehmen können und die Veranstaltung nach ihrer Konzeption darauf ausgelegt ist, dass möglichst viele Arbeitnehmer teilnehmen (BSG-Urteil vom 9.12.2003 - B 2 U 52/02 R). Unfälle unter Einfluss von Alkohol sind nicht erstattungsfähig, wenn der Unfall im Wesentlichen auf dem Alkoholgenuss beruht (BSG-Urteil vom 5.7.1994 - 2 RU 24/93).
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Rechtsstand: Oktober 2020
Steuern

Umsatzsteuer-Rückvergütung / Länderlisten Gegenseitigkeit

Ausländische Unternehmer, die in Deutschland für ihr Unternehmen Lieferungen oder Leistungen beziehen, können die ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen im sogenannten Vorsteuer-Vergütungsverfahren zurückerhalten. Dies gilt grundsätzlich für Unternehmen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU).

Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten

  • reichen die Vergütungsanträge elektronisch bei Ihren zentralen nationalen Umsatzsteuererstattungsinstitutionen ein, die diese dann an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bearbeitung weiterreichen.

Unternehmen aus Drittstaaten

  • sind Unternehmen, die in einem Staat außerhalb der EU (sogenannter Drittstaat) ansässig sind.
  • kann die Umsatzsteuer nur dann vergütet werden, wenn in dem Staat, in dem sie ihren Sitz haben, entweder keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben wird oder dieser Staat die erhobene Umsatzsteuer auch an in Deutschland ansässige Unternehmen vergütet (Gegenseitigkeit, § 18 Abs. 9 Satz 6 Umsatzsteuergesetz). Von der Vergütung ausgeschlossen sind bei diesen Unternehmern, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, die Vorsteuerbeträge, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen.
  • haben den Antrag auf Umsatzsteuerrückvergütung elektronisch über das BZStOnline-Portal (BOP) zustellen. Eine Antragstellung in Papierform ist nur in begründeten Einzelfällen (Härtefallregelung) möglich. Für die Nutzung des BOP ist eine einmalige Registrierung erforderlich. Bitte beachten Sie, dass auf Grund längerer Postlaufzeiten bei der Versendung von Zugangsdaten ins Ausland die Anmeldung zum BOP einige Wochen bis Monate dauern kann. Kalkulieren sie dieses bei der Beachtung der Antragsfristen ein. Detaillierte Informationen zu den Antragsvoraussetzungen und die Antragsformulare mit Anleitungen sind abrufbar auf der Webseite des BZSt.
  • müssen hierfür die Originalrechnungen und den je nach gewähltem Zugangsweg erforderlichen, im Original binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, eingereicht haben (Eingangsdatum ist ausschlaggebend) bei

    Bundeszentralamt für Steuern
    Dienstsitz Schwedt
    Passower Chaussee 3b
    16303 Schwedt/Oder
    Deutschland
  • Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Eine Übermittlung per Fax oder E-Mail ist nicht fristwahrend. Die Belege sind fortlaufend zu nummerieren. Die Nummerierung muss mit der Anlage zum Antrag übereinstimmen. Für die Übersendung wird dem antragstellenden Unternehmen im Postfach des BOP ein Deckblatt zur Verfügung gestellt, welches eine Zuordnung der übersendeten Unterlagen gewährleistet.
  • Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen.
Hinweis: Auch nach dem Brexit können sich deutsche Unternehmen in UK gezahlte Umsatzsteuer erstatten lassen. Für Umsatzsteuerbeträge, die im Jahr 2020 gezahlt wurden, müssen Anträge spätestens bis zum 31. März 2021 beim Bundeszentralamt für Steuern eingereicht werden. Anträge, die Vergütungszeiträume ab dem Jahr 2021 betreffen, sind nach den Regelungen für die Vorsteuervergütung an Unternehmer aus Drittstaaten zu stellen.
Weitere Informationen zur Vorsteuervergütung an Unternehmen aus Drittstaaten finden Sie auf der Webseite des BZSt.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu mit Schreiben vom 15. März 2021 aktualisierte Gegenseitigkeitslisten (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 124 KB) herausgegeben, die die Listen des Schreibens vom 17. Oktober 2014 ersetzt.
Die Änderungen beruhen auf der Feststellung, dass die Gegenseitigkeit zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) seit dem 1. Januar 2021 gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass die Gegenseitigkeit zu Antigua und Barbuda, Iran, Liberia und zum Königreich Eswatini (ehemals: Swasiland) nicht mehr und zu Laos, Gambia, Kosovo sowie St. Kitts und Nevis nicht gegeben ist.
Verzeichnis der Drittstaaten, bei denen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG vorliegen (Gegenseitigkeit gegeben):
Andorra
Israel (seit 14.7.1998)
Pakistan (seit 1.7.2008)
Antigua und Barbuda (Bis 28. Januar 2007)
Jamaika
Salomonen
Australien
Japan
San Marino
Bahamas
Jersey
Saudi Arabien
Bahrain
Kanada
Schweiz
Bermudas
Katar
Serbien (seit 1.7.2013)
Bosnien und Herzegowina (seit 1.1.2006)
Korea, Dem. Volksrepublik
St. Vincent und die Grenadinen
Britische Jungferninseln
Korea, Republik (seit 1.1.1999)
Vatikan
Brunei Darussalem
Kuwait
Vereinigte Arabische Emirate
Cayman-Insel
Libanon
Vereinigtes Königreich (seit 1. Januar 2021)
China (Taiwan) (seit 1.7.2010)
Liberia (bis 30. Juni 2001)
Vereinigte Staaten von Amerika (USA)
Eswatini (Swasiland) (bis 31. März 2012)
Libyen
Gibraltar
Liechtenstein
Grenada
Macao
Grönland
Malediven
Guernsey
Marshallinseln
Hongkong (VR China)
Mazedonien (seit 1.4.2000)
Irak
Neuseeland (seit 1. April 2014)
Iran (bis 21. September 2008)
Norwegen
Island
Oman
Wichtig! Da Monaco seit 1993 umsatzsteuerrechtlich zum übrigen Gemeinschaftsgebiet gehört, ist es nicht gesondert in der Gegenseitigkeitsliste geführt. Die Voraussetzungen für ein Vergütungsverfahren sind für in Monaco ansässige Unternehmen nach wie vor gegeben.
In folgenden Drittstaaten besteht eine Vergütungsmöglichkeit der in Rechnung gestellten ausländischen Umsatzsteuer für deutsche Unternehmen mit Einschränkungen:
  • Japan (mit erheblichen Einschränkungen, weil der deutsche Unternehmer bei den japanischen Finanzbehörden eine Art Veranlagungsverfahren durchzuführen hat),
  • Kanada (mit den bekannten Einschränkungen auf die Teilnahme an Messen und
    Ausstellungen, Geschäftsreisen und Pauschalreisen von Reiseveranstaltern).
Verzeichnis der Drittstaaten, bei denen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG nicht vorliegen (Gegenseitigkeit nicht gegeben):
Ägypten
Jordanien
Seychellen
Albanien
Kasachstan
Sierra Leone
Algerien
Kenia
Simbabwe
Angola
Kolumbien
Singapur
Antigua und Barbuda (seit 29. Januar 2007)
Kongo, Demokratische Republik
Sint Maarten (seit 10. Oktober 2010)
Argentinien
Korea, Republik (bis 31. Dezember 1998)
Somalia
Armenien
Kosovo (seit 1. Januar 2001)
Sri Lanka
Aserbaidschan
Kuba
St. Kitts und Nevis (seit 1. Januar 2010)
Äthopien
Laos (seit 1. Januar 2010)
Südafrika
Bangladesch
Lesotho
Sudan
Barbados
Liberia (seit 1. Juli 2001)
Syrien
Belize (seit 1.7.2013)
Madagaskar
Tansania
Bolivien
Malawi
Thailand
Bosnien und Herzegowina (bis 31. 12.2005)
Malaysia
Togo
Botsuana
Marokko
Trinidad und Tobago
Brasilien
Mauretanien (ab 1.1.1995)
Tunesien
Chile
Mauritius
Türkei
China (Volksrepublik)
Mazedonien (bis 31.3.2000)
Turkmenistan
China (Taiwan) (bis 30.6.2010)
Mexiko
Ukraine
Costa Rica
Moldawien
Uruguay
Côte d'Ivoire
(Elfenbeinküste)
Mongolei
Usbekistan
Curacao (seit 10.10.2010)
Montenegro
Venezuela
Dominikanische Republik
Mosambik
Vietnam
Ecuador
Myanmar
Westsamoa
El Salvador
Namibia
Weißrußland
Eritrea
Nepal
Eswatini (Swasiland) (seit 1. April 2012)
Neuseeland (bis 31.März 2014)
Färöer-Inseln
Nicaragua
Fidschi
Niederländische Antillen
(1. Mai 1999 bis 9. Oktober 2010)
Französisch
Polynesien (Tahiti)
Niger
Gambia (seit 1. Januar 2013)
Nigeria
Georgien
Pakistan (bis 30.6.2008)
Ghana
Panama
Guatemala
Paraguay
Haiti
Peru
Honduras
Philippinen
Indien
Puerto Rico
Indonesien
Russland
Iran (seit 22. September 2008)
Sambia
Israel (bis 13. 7.1998)
Senegal
Jemen
Serbien (bis 30.6.2013)
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach dem IHK-Finder entnehmen.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: März 2021
Ambulantes Gewerbe

Reisegewerbe (ambulantes Gewerbe): Umsatzsteuerheft

Mit Schreiben vom 30. März 2020 hat das Bundesfinanzministerium das aktuelle Muster für das Umsatzsteuerheft veröffentlicht, zu dessen Führung im Grundsatz alle Betreiber eines Reisegewerbes (ambulanten Gewerbes) verpflichtet sind. Das Muster des Umsatzsteuerheftes und das BMF-Schreiben sind am Ende dieses Merkblattes abrufbar.
Reisegewerbetreibende (Unternehmer des ambulanten Gewerbes), die ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen Umsätze ausführen, sind nach  § 22 Abs. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) im Rahmen der Aufzeichnungspflichten zur Führung eines Umsatzsteuerheftes verpflichtet. Sie können nach §§ 22 Abs. 6 UStG, 68 Abs. 1 UStDV  von dieser Verpflichtung allerdings befreit sein, und zwar im Wesentlichen dann, wenn ordnungsgemäße Aufzeichnungen bereits anderweitig (außerhalb eines Umsatzsteuerheftes) sichergestellt sind (s.u. Ziff. 2).
1. Wer muss ein Umsatzsteuerheft führen?
Unternehmer, die ihre Waren in Deutschland auf Märkten, auf öffentlichen Straßen oder von Haus zu Haus verkaufen, also ein Reisegewerbe (auch ambulantes Gewerbe genannt) nach § 22 Abs. 5 UStG betreiben, sind verpflichtet, ein Umsatzsteuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen und dort Ihre Umsätze und Vorsteuern aufzuzeichnen.
Das Umsatzsteuerheft müssen auch Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes führen, von denen die geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben wird (Voraussetzungen der Eigenschaft als Kleinunternehmer: Gesamtumsatz zuzüglich Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr nicht über 22.000 Euro und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht über 50.000 Euro bzw. bei Existenzgründern voraussichtlicher Umsatz im Kalenderjahr des Beginns der Tätigkeit nicht über 22.000 Euro; Einzelheiten siehe unser Merkblatt "Umsatzsteuer für Existenzgründer", Dok-Nr. 21063). Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer haben täglich unter Angabe des Datums die Brutto-Tageseinnahmen im Umsatzsteuerheft einzutragen.
Das Umsatzsteuerheft und die Belege sind in der Regel 10 Jahre aufzubewahren.

2. Wer ist von der Führung des  Umsatzsteuerhefts befreit?

Von der Verpflichtung, ein Umsatzsteuerheft zu führen, sind nach § 68 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) Unternehmer befreit u.a.,
  • wenn sie im Inland eine gewerbliche Niederlassung besitzen und ihren Aufzeichnungspflichten ordnungsgemäß nachkommen (in diesen Fällen stellt das Finanzamt eine Bescheinigung über die Befreiung von der Führung des Steuerheftes aus.);
  • soweit ihre Umsätze nach den Durchschnittssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe besteuert werden; 
  • wenn sie mit Zeitungen und Zeitschriften handeln;
  • wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen, oder ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen.

3. Wo erhält der Unternehmer das Umsatzsteuerheft?

Vor Beginn der Tätigkeit eines ambulanten Gewerbes ist die Ausstellung eines Umsatzsteuerheftes beim Finanzamt Hamburg-Hansa, Steinstr. 10, 20095 Hamburg, Zimmer 9 und 11c, zu beantragen.
Dafür müssen Sie im Finanzamt persönlich erscheinen und einen Fragebogen ausfüllen.
Síe müssen außerdem mitbringen
  • Ihren Personalausweis oder Reisepass,
  • eine Meldebescheinigung für ihren Wohnsitz in Hamburg 
Sie erreichen das Finanzamt Hansa unter der Rufnummer: 040 / 428 53-3497, 3506. Die Sprechzeiten sind Montag und Dienstag 8.00-14.00 Uhr, Do 8.00 - 17.00, Mittwochs und Freitags geschlossen.
Hinweis: Weitere Informationen erhalten Sie auf hamburg.de

4. Besteuerungsverfahren und Vorlage des Umsatzsteuerheftes

Das  Besteuerungsverfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, die für alle Unternehmer gelten. Dementsprechend müssen auch Reisegerbetreibende, die ein Umsatzsteuerheft führen, Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Jahreserklärungen nach den gesetzlichen Vorschriften abgeben. Hinweis: Existenzgründer müssen im Jahr des Betriebsbeginns und im folgenden Kalenderjahr jedenfalls und unabhängig von der Höhe ihrer Umsätze monatliche Voranmeldungen abgeben.   
Das Finanzamt legt im Umsatzsteuerheft den Termin zur Vorlage des Umsatzsteuerheftes fest.  Grundsätzlich ist das Heft innerhalb von 10 Tagen nach Ablauf des Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraums vorzulegen. Das Finanzamt kann von Fall zu Fall aber längere Vorlegefristen festsetzen.
Zusätzlich zum Umsatzsteuerheft ist eine gesonderte Kostenaufstellung zu führen, in der die sonstigen Ausgaben aufzuführen sind, die nicht den Wareneinkauf betreffen, z.B. Standgebühren, Benzinkosten, usw. Diese wird vom Finanzamt ggf. angefragt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023

Weitere Informationen

Arbeitsrecht

Jugendliche Beschäftigte im Unternehmen

Die nachfolgenden Regeln gelten für die Beschäftigung von jugendlichen Auszubildenden, jugendlichen Praktikanten und Jugendliche, die durch Aufnahme einer Tätigkeit lediglich ihr Taschengeld etwas aufbessern möchten.

1. Abgrenzung Beschäftigung und Hilfeleistungen

Vom arbeitsrechtlichen Begriff der Beschäftigung sind zunächst geringfügige Hilfeleistungen zu unterscheiden. Geringfügige Hilfeleistungen sind üblicherweise gelegentliche Tätigkeiten, die aus Gefälligkeit erbracht werden. Hierzu zählen weiter Beschäftigungen in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Einrichtungen zur Eingliederung Behinderter oder solche, bei denen Minderjährige durch die Personensorgeberechtigten, in der Regel die Eltern, im Familienhaushalt zu bestimmten Tätigkeiten eingesetzt werden. Der Nachbarsjunge also, der ab und an den Rasen mäht, oder die Nachbarstochter die gelegentlich den Hund spazieren führt und dafür als Dankeschön einen kleineren Geldbetrag erhält sind nicht als jugendliche Beschäftigte zu betrachten.

2. Definition: Jugendlicher

a) Wer ist Jugendlicher?

Jugendliche sind Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet haben aber noch nicht volljährig sind. Mit Jugendlichen können wirksame Arbeitsverträge nur dann geschlossen werden, wenn deren gesetzliche Vertreter vorher zugestimmt haben. Die Gesetzlichen Vertreter von Minderjährigen sind in der Regel die Eltern ( §§ 1626, 1629 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Liegt eine solche Zustimmung nicht vor, entfaltet der Vertrag so lange keine Bindungswirkung bis die gesetzlichen Vertreter den Vertrag genehmigt haben. Die Vereinbarung wird in einem solchen Fall als „schwebend unwirksam” bezeichnet, §§ 105,106,107 BGB.

b) Minderjährigenschutz

Hintergrund ist, dass Minderjährige – mit Ausnahme derjenigen Geschäfte, die Sie mit ihren eigenen Mitteln ("Taschengeld") bewirken - nur solche Verträge ohne die Einwilligung Ihrer Erziehungsberechtigten abschließen dürfen, die Ihnen lediglich einen rechtlichen Vorteil verschaffen. Bei einem Arbeitsvertrag erwirbt der Minderjährige zwar einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt, wird aber auch verpflichtet, die Arbeitsleistung zu erbringen. Damit ist für den Minderjährigen nicht lediglich ein rechtlicher Vorteil mit dem Geschäft verbunden. Minderjährige sind nach allgemeiner Auffassung geschäftlich unerfahrener als Volljährige. Sie sind deshalb besonders schutzwürdig im Rechtsverkehr. Aus diesem Grund stehen unter anderem auch Arbeitsverträge unter dem Einwilligungsvorbehalt der gesetzlichen Vertreter.

c) Rechtsfolge

Rechtsfolge der „schwebenden Unwirksamkeit” ist, dass der Arbeitsvertrag als von Anfang an nichtig angesehen wird, sofern die erforderliche Einwilligung nicht erteilt wurde oder erteilt wird. Ansprüche aus einem durch verweigerte Einwilligung „geplatzten” Vertrag kann der Arbeitgeber gegen den Minderjährigen oder dessen Vertreter allerdings nicht herleiten.
Arbeitgeber sollten aus diesem Grund, sobald sie mit Minderjährigen Beschäftigungsverhältnisse planen, umgehend die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter überprüfen. Am Besten sollte diese Einwilligung direkt bei den Erziehungsberechtigten eingeholt werden. Liegt diese Ermächtigung des Jugendlichen zum Eintritt in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis vor, gilt er im Übrigen für alle Angelegenheiten, die mit diesem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zusammenhängen, als unbeschränkt geschäftsfähig, § 113 BGB.

3. Besonderer arbeitsrechtlicher Jugendschutz

Für die Beschäftigung jugendlicher Mitarbeiter gibt es keine besonderes gestalteten Verträge. Für Berufsauszubildende werden jedoch üblicherweise Musterverträge von den Industrie- und Handelskammern oder sonstigen zuständigen Stellen verwendet. Ansonsten werden Jugendliche über herkömmliche Arbeitsverträge zum Beispiel als geringfügig Beschäftigte im Unternehmen geführt. Im Zusammenhang mit der Beschäftigung Jugendlicher gibt es jedoch einige arbeitsrechtliche Besonderheiten, die besonders zu beachten sind.
Die maßgeblichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse mit Jugendlichen finden sich - neben dem allgemeinen Minderjährigen-Recht im BGB – im Jugendarbeitsschutzgesetz, (JArbSchG).

a) Nacht-, Sonn-, und Feiertagsruhe: Einschränkungen für die Beschäftigung von Jugendlichen

Nach dem JArbSchG dürfen Jugendliche grundsätzlich nicht mehr als acht Stunden täglich beschäftigt werden. Die wöchentliche Arbeitszeit darf vierzig Stunden an fünf Arbeitstagen nicht überschreiten.
Nach einem Arbeitstag müssen Jugendlichen mindestens zwölf Stunden ununterbrochener Freizeit gewährt werden, bevor sie erneut zur Arbeit eingesetzt werden dürfen. In der Zeit zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens ist eine Beschäftigung nicht gestattet („Nachtruhe”). Zudem besteht ein Beschäftigungsverbot an Samstagen und Sonntagen ( „Samstagsruhe”, „Sonntagsruhe”) und an Feiertagen (" Feiertagsruhe”). Am 24. und am 31. Dezember ist eine Beschäftigung Jugendlicher nach 14 Uhr durch das JArbSchG untersagt.
Weiterhin dürfen jugendliche Beschäftigte nicht für gefährliche Arbeiten eingesetzt nicht werden. Dies sind solche Arbeiten, bei denen die psychische oder physische Leistungsfähigkeit der Jugendlichen überstiegen wird oder sie sittlichen oder gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind. Auch Akkordarbeit oder ähnliche Vergütungssysteme sind durch das JArbSchG verboten.

b) Ausnahmen zu den Beschränkungen

Für die grundsätzlichen Beschränkungen sieht das JArbSchG Ausnahmen vor. So ist etwa die Nachtruhe (§ 14 JArbSchG) bei Jugendlichen über sechszehn Jahren teilweise abweichend geregelt. Danach gilt
  • im Gaststätten- und Schaustellergewerbe eine Beschäftigung bis 22 Uhr
  • in mehrschichtigen Betrieben eine Beschäftigung bis 23 Uhr.
  • in der Landwirtschaft eine Beschäftigung von Jugendlichen ab 5 Uhr morgens oder bis 21 Uhr abends
  • in Bäckereien und Konditoreien eine Beschäftigung ab 5 Uhr morgens
als zulässig. In Bäckereien und Konditoreien ist es außerdem möglich, Jugendliche über 17 Jahre, bereits ab 4 Uhr Morgens einzusetzen.
Für die Ausnahmen zur Nachtruhe ist es allerdings erforderlich, dass am darauffolgenden Tag, sofern Berufsschulunterricht folgt, die Berufsschule nicht vor 9 Uhr beginnt. § 14 Abs. V – VII JArbSchG regeln weitere Ausnahmen für die Nachtruhe.
Auch die Samstagsruhe ist für die Jugendlichen nicht allgemeingültig, sondern von deren Tätigkeit abhängig. Ausnahmen gelten unter anderem für Krankenanstalten, Konditoreien, Gaststätten oder Kfz-Reparaturwerkstätten, § 16 Abs. II JArbSchG. Allerdings sollen mindestens zwei Samstage pro Monat frei bleiben und die Fünf-Tage-Woche durch andere Freistellungen gewährleistet werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Sonntagsruhe. Ausnahmen zum Beschäftigungsverbot bestehen unter anderem ebenfalls in Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen, im Schaustellergewerbe oder in Gaststätten, gemäß § 17 Abs. II JArbSchG. Auch hier ist aber die Fünf-Tage-Woche und die Freistellung an mindestens zwei Sonntagen pro Monat sicherzustellen.
Für die Feiertagsruhe gilt, dass die Beschäftigung an gesetzlichen Feiertagen entsprechend der Ausnahmen zur Sonntagsruhe außer am ersten Weihnachtstag, dem Neujahrstag, dem ersten Ostertag und dem ersten Mai zulässig ist.

c) Erholung von der Arbeit: Pausen und Urlaub

Jugendlichen müssen vom Arbeitgeber ausreichende Pausen gewährt werden. Dabei ist als Pause eine Arbeitsunterbrechung von mindestens fünfzehn Minuten zu verstehen. Bei einer Arbeitszeit von viereinhalb bis sechs Stunden hat der Jugendliche Anspruch auf insgesamt mindestens dreißig Minuten Pause, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden besteht ein Anspruch mindestens sechzig Minuten gewährt werden. Länger als viereinhalb Stunden hintereinander dürfen Jugendliche nicht ohne Ruhepausen beschäftigt werden. Die Ruhepausen müssen in angemessener zeitlicher Lage gewährt werden, frühestens eine Stunde nach Beginn und spätestens eine Stunde vor Ende der Arbeitszeit.
Für diese Ruhepausen muss der Arbeitgeber einen geeigneten Aufenthaltsraum zur Verfügung stellen, es sei denn, dass in den Arbeitsräumen während der Pausenzeiten nicht gearbeitet wird oder die notwendige Erholung sonst wie nicht beeinträchtigt wird.
Jugendlichen ist ausreichender Urlaub zu gewähren. Der Urlaubsanspruch ist entsprechend dem Lebensalter gestaffelt. Danach erhalten:
  • Jugendliche, die zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht sechzehn Jahre alt sind, mindestens dreißig Werktage,
  • Jugendliche, die zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht siebzehn Jahre alt sind, mindestens siebenundzwanzig Werktage,
  • und Jugendliche, die zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht achtzehn Jahre alt, sind mindestens fünfundzwanzig Werktage bezahlten Erholungsurlaub

d) Schutzpflicht für das körperliche und psychische Wohl der Jugendlichen

Den Arbeitgeber trifft, wie für seine übrigen Mitarbeiter auch, eine Fürsorgepflicht gegenüber den Jugendlichen. Da es sich um Heranwachsende handelt, die häufig körperlich, geistig und moralisch noch nicht vollständig gefestigt sind, wird ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der ungestörten Entwicklung gelegt.
aa) Schutz der Gesundheit und körperlichen Entwicklung
Bei Aufnahme der Tätigkeit und bei wesentlichen Änderungen der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitgeber seine jugendlichen Mitarbeiter über die damit verbundenen Gefahren informieren. Die Arbeitsplätze im Betrieb sind außerdem so zu gestalten, dass keine Gefahren für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen der körperlichen, geistigen oder seelischen Entwicklung der Jugendlichen zu befürchten sind.
Bei Eintritt in das Berufsleben und ein Jahr nach Eintritt in das Berufsleben hat der Arbeitgeber eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen, „Erstuntersuchung” und „Erste Nachuntersuchung”. Sofern die Jugendlichen im Betrieb allerdings nur geringfügig oder nicht länger als zwei Monate beschäftigt sind, gilt diese Pflicht nicht. Wechselt der Jugendliche den Arbeitgeber, darf der neue Arbeitgeber ihn erst beschäftigen, sobald ihm Bescheinigungen über diese Untersuchungen vorliegen. Erstuntersuchung und erste Nachuntersuchung unterliegen grundsätzlich der freien Arztwahl des Jugendlichen beziehungsweise seiner gesetzlichen Vertreter. Für die Untersuchung erteilt die zuständige Behörde so genannte Berechtigungsscheine ( vgl. Ziffer 6, Aufsichtsbehörde).
bb) Schutz der sittlich-moralischen Entwicklung
Dem Arbeitgeber ist es untersagt, bestimmte Personen mit der Beschäftigung oder Beaufsichtigung der Jugendlichen zu betrauen. Dies sind insbesondere Personen, die entweder zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe oder wegen Betäubungsmitteldelikten, Sexualstraftaten, Körperverletzungen, Verbreitung jugendgefährdender Schriften und bestimmten anderen Straftaten auch zu geringeren Strafen verurteilt wurden. Durch dieses Verbot soll der Schutz der störungsfreien moralisch-sittlichen Entwicklung der Heranwachsenden gewährleistet werden.
cc) Sonstiger Schutz der ungestörten Entwicklung
Selbstverständlich ist dem Arbeitgeber zudem durch das Gesetz ausdrücklich die körperliche Züchtigung der Jugendlichen verboten. Der Arbeitgeber muss sie außerdem vor körperlicher Züchtigung, Misshandlung oder sittlicher Gefährdung durch seine übrigen Mitarbeiter schützen. Die Verabreichung von Alkohol und Tabak an Jugendliche unter sechzehn Jahren ist, genauso wie die Verabreichung von Branntwein an Jugendliche unter achtzehn Jahren, ebenfalls verboten.

e) Aushangpflichten

Dem Jugendlichen ist das JArbSchG auszuhändigen. Ein Auslegen des Gesetzes im Betrieb genügt. Der Arbeitgeber muss in diesem Zusammenhang auch die zuständige Aufsichtsbehörde benennen, sowie die täglichen Arbeits- und Pausenzeiten durch Aushang bekannt geben.
Tipp: Weitere Informationen zur Aushangpflicht erhalten Sie im Dokument "Aushangpflichtige Gesetze".

f) Verzeichnis jugendlicher Beschäftigter

Schließlich regelt das JArbSchG, dass Arbeitgeber ein Verzeichnis der im Betrieb beschäftigten Jugendlichen führen müssen, in dem Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnanschrift und Beginn der Beschäftigung enthalten sind. Dieses Verzeichnis muss der Aufsichtsbehörde auf Verlangen vorgelegt und bis mindestens zum Ablauf von zwei Jahren nach der letzten Eintragung aufbewahrt werden.

4. Verbot von Kinderarbeit

Grundsätzlich ist es verboten Kinder zu beschäftigen (Verbot der Kinderarbeit). „Kind” ist jede Person, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Arbeitsverträge mit Kindern sind unwirksam. Dies ergibt sich aus § 2 Abs.1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen gelten im Übrigen als Kinder. Damit fallen sie grundsätzlich unter das Verbot der Kinderarbeit.

Ausnahmen für die Beschäftigung von Kindern

Zum Verbot der Kinderarbeit gibt es Ausnahmen für Kinder unter dreizehn Jahren und für Kinder über dreizehn Jahren.
a) Kinder unter 13 Jahren
Kinder unter dreizehn Jahren können und dürfen ausnahmsweise beschäftigt werden,
  • bei Theateraufführungen, allerdings nicht länger als vier Stunden und nur in der Zeit zwischen 10 und 23 Uhr, wenn Sie über sechs Jahre alt sind,
  • bei Musik- und anderen Aufführungen, Werbeveranstaltungen Hörfunk- und Fernsehaufnahmen wenn Kinder daran gestaltend mitwirken und dafür proben müssen. Kinder über drei und unter sechs Jahre dürfen allerdings nur bis zu zwei Stunden täglich und nur in der Zeit zwischen 8 und 17 Uhr beschäftigt werden, Kinder über sechs Jahre maximal drei Stunden in der Zeit von 8 bis 22 Uhr.
Für die Mitwirkung in Kabaretts, Tanzlokalen, Vergnügungsparks und Volksfesten, Schaustellungen oder Darbietungen werden keine Ausnahmen gemacht. Hier gilt ein Beschäftigungsverbot.
b) Grundsätzlicher Genehmigungsvorbehalt für Ausnahmen zum Verbot der Kinderarbeit
Ausnahmen für die Beschäftigung von Kindern müssen durch die zuständige Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Voraussetzung dafür ist die schriftliche Einwilligung der Erziehungsberechtigten, eine ärztliches Attest über die Unbedenklichkeit der Beschäftigung, Maßnahmen zum Schutz des Kindes vor Gefahren für Leib, Leben und Entwicklung. Die Betreuung des Kindes während der Beschäftigung muss ebenso sichergestellt werden wie eine ununterbrochene Freizeit von mindestens vierzehn Stunden zwischen den einzelnen Beschäftigungen und die Gewähr dafür, dass das Fortkommen des Kindes in der Schule durch die Tätigkeit nicht beeinflusst wird. Damit wäre etwa die Übernahme eines kindlichen Darstellers in einem Theaterstück grundsätzlich zulässig, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind.
In der Genehmigung legt die Aufsichtsbehörde die Modalitäten für die Beschäftigung im Einzelnen fest. Bitte beachten Sie, dass der Arbeitgeber das Kind nicht vor schriftlicher Genehmigung beschäftigen darf. Die Antragsformulare finden Sie auf der Internetseite des Amtes für Arbeitsschutz.
c) Weitere Ausnahmen für Kinder über 13 Jahren
Weitere Ausnahmen zum Verbot der Kinderarbeit, für Kinder über dreizehn Jahren und vollzeitschulpflichtigen Jugendlichen - wie etwa die Zulässigkeit von Prospektverteilung und Ähnlichem - regelt die so genannte Kinderarbeitsschutzverordnung. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat hierzu im Übrigen eine hilfreiche Broschüre verfasst, die Auf der Internetseite des Amtes für Arbeitsschutz verfügbar ist.

5. Mindestlohn

Gemäß § 22 Abs. 2 MiLoG i.V. m. § 2 Abs. 1 und 2 JArbSchG ist für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kein Mindestlohn zu zahlen.

6. Aufsichtsbehörde

Zuständige Aufsichtsbehörde für die Durchführung des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz dort das
Amt für Arbeitsschutz
Arbeitsschutztelefon
Tel: 040 42837-2112
Fax: 040 42837-3100
E-Mail: arbeitnehmerschutz@bsg.hamburg.de
Untersuchungsberechtigungsscheine für die Erstuntersuchung ( vgl. 4.d.aa) geben als zuständige Jugendämter die Bezirksämter (Altona, Bergedorf, Eimsbüttel, Hamburg-Mitte, Hamburg-Nord, Harburg und Wandsbek) aus. Die Bezirksämter sind anbei verlinkt. 

7. Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 09:30 Uhr bis 14 Uhr).
Steuern

Verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung

Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht, vgl. § 89 Abs. 2 S. 1 AO. Eine verbindliche Auskunft kann auch gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich abgegeben werden (z.B. Organgesellschaften). Verbindliche Auskünfte werden auf Antrag erteilt und sind grundsätzlich gebührenpflichtig. Über den Antrag soll innerhalb von 6 Monaten ab Eingang bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; eine Überschreitung dieser Frist ist dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Ob ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft im konkreten Fall angezeigt sein kann, sollte stets mit Hilfe steuerlicher Expertise geklärt werden.
In diesem Merkblatt wollen wir Ihnen die Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft und weitere Aspekte kurz darstellen. Weitere Details finden Sie in dem BMF-Schreiben vom 11. Dezember 2007 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 84 KB) und unter § 89 AEAO.

Welchen Inhalt muss ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft haben?

Welchen Inhalt ein solcher Antrag haben muss, ergibt sich grundsätzlich bereits aus § 89 Abs. 2 S. 1 AO. Weiter konkretisiert wird der erforderliche Inhalt durch die Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV). Der Antrag muss demnach folgenden Inhalt haben:
  • die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, bei natürlichen Personen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt, bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, soweit vorhanden Steuernummer),
  • eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts,
  • die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers,
  • eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes des Antragstellers,
  • die Formulierung konkreter Rechtsfragen,
  • die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen der in § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Abgabenordnung genannten Finanzbehörden (Finanzämter oder Bundeszentralamt für Steuern) eine verbindliche Auskunft beantragt wurde, sowie
  • die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.
  • Zusätzlich soll der Antragsteller in dem Antrag den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände darlegen, vgl. § 89 Abs. 4 S. 2 AO (s.a. Ziff. 5).
Hinweis: Die verbindliche Auskunft erfolgt auf Grundlage des vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhaltes. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen anzustellen. Dem Antragsteller soll jedoch Gelegenheit gegeben werden seinen Sachvortrag zu ergänzen, wenn dadurch eine Entscheidung in der Sache ermöglicht werden kann.
Regelmäßig werden keine Auskünfte bei Angelegenheiten erteilt, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht. Nicht zulässig ist auch eine Auskunft über alternative Gestaltungsvarianten. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist, AEAO zu § 89 Abschn. 3.5.2. Sie gilt auch nicht für Anträge auf verbindliche Zusagen auf Grund einer Außenprüfung oder für Lohnsteueranrufungsauskünfte nach § 42e EStG.

Welches Finanzamt ist für die verbindliche Auskunft zuständig?

Zuständig ist grundsätzlich diejenige Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhaltes örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 AO keine Finanzbehörde zuständig ist, ist abweichend das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zuständig. Letzteres gilt jedoch nur dann, wenn sich der Sachverhalt auf Steuern erstreckt, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden. Für andere von den Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung kann das Bundeszentralamt für Steuern auch dann keine verbindliche Auskunft erteilen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung nach §§ 18 bis 21 AO kein Finanzamt für die Besteuerung des Antragstellers zuständig ist, AEAO Abschn. 3.3.1.1. S. 3.

In welcher Form muss der Antrag gestellt werden?

Der Antrag ist schriftlich oder elektronisch zu stellen.

Welche Gebühren entstehen durch eine verbindliche Auskunft?

Wegen der entstehenden Gebühren sollten sich Steuerpflichtige, bzw. Antragsteller vorab gut überlegen, ob und wie ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt werden sollte.

Gegenstandsgebühr

Die Gebühr ergibt sich in entsprechender Anwendung von § 34 GKG grundsätzlich aus dem Gegenstandswert. Die Finanzbehörde soll zur Bestimmung der Gebühr den vom Antragsteller angegeben Gegenstandswert verwenden, es sei denn, dass dieses Vorgehen zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Für den Gegenstandswert ist regelmäßig die steuerliche Auswirkung des dargelegten Sachverhaltes maßgeblich. Bei Dauersachverhalten kommt es auf die durchschnittliche steuerliche Auswirkung eines Jahres an. Der Gegenstandswert ist auf 30 Mio. Euro begrenzt, was bei ab dem 1.8.2013 gestellten Anträgen zu einer Gebühr von maximal 109.736,- Euro führt. Bei einem Gegenstandswert unter 10.000,- Euro wird keine Gebühr erhoben (Bagatellgrenze).

Zeitgebühr

Hat der Antragsteller keine Angaben zum Gegenstandswert gemacht und ist der Gegenstandswert auch nicht zu schätzen, wird eine Zeitgebühr i.H.v. 50,- Euro je angefangener halbe Stunde berechnet. Wird die Gebühr nach der Bearbeitungszeit berechnet, wird keine Gebühr erhoben, wenn die Bearbeitungszeit weniger als 2 Stunden beträgt.
Wird ein Antrag auf Erteilung einer Verbindlichen Auskunft vor der Bekanntgabe der Entscheidung zurückgenommen, kann die Gebühr ermäßigt werden. Hat die Finanzverwaltung noch nicht mit der Bearbeitung begonnen, entfällt die Gebühr mitunter sogar.

Inwieweit ist die Auskunft bindend?

Eine verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung des Antragstellers bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem im Antrag geschilderten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. Ob der mitgeteilte und der später verwirklichte Sachverhalt "wesentlich" voneinander abweichen ist stets eine Frage des Einzelfalls. Hat das BZSt rechtmäßig eine Auskunft erteilt, bindet diese Auskunft auch das Finanzamt, welches bei Verwirklichung des Sachverhaltes zuständig ist.
Eine verbindliche Auskunft zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ist dann nicht bindend, wenn sie rechtswidrig ist. Bei einer einheitlich an mehrere Beteiligte erteilte Auskunft entfällt die Bindungswirkung gegenüber allen Beteiligten, wenn die Auskunft geltendem Recht widerspricht und sich mindestens ein Beteiligter darauf beruft. Betrifft die verbindliche Auskunft einen Dauersachverhalt, entfällt die Bindungswirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung des Sachverhaltes, ab welchem der Sachverhalt in wesentlichen Punkten mit dem der Auskunft zugrundeliegenden Sachverhalt nicht mehr übereinstimmt.
Eine verbindliche Auskunft kann unter den Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO außerdem berichtigt, zurückgenommen und widerrufen werden. Darüber hinaus kann sie nach pflichtgemäßem Ermessen der zuständigen Finanzbehörde mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich die Auskunft als unrichtig herausstellt.

Gibt es Rechtsbehelfe gegen eine erteilte verbindliche Auskunft?

Die verbindliche Auskunft ist ein Verwaltungsakt, gegen den ein Einspruch gem. § 347 AO statthaft ist.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihr Unternehmen zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023
Umsatzsteuersätze

Umsatzsteuersätze in der Europäischen Union und in Drittstaaten

In der nachfolgenden Übersicht sind die Umsatzsteuersätze in der Europäischen Union (EU) und in einigen Drittstaaten aufgeführt. Allgemeine Hinweise zur Anwendung einzelner Steuersätze in den Mitgliedstaaten der EU finden Sie in der Veröffentlichung der Europäischen Kommission "Die Mehrwertsteuersätze in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 2192 KB)" mit Stand vom 1. Januar 2020.

I. Umsatzsteuersätze in EU-Staaten

Stand: 1. Januar 2021
Staat
Bezeichnung
Normalsatz
Ermäßigte Sätze
Nullsatz
Belgien
Taxe sur la valeur ajoutée (TVA) oder belasting over de toegevoegde waarde (BTW)
21
6 / 12
ja
Bulgarien
Dana Dobavena Stoynost (DDS)
20
9
nein
Dänemark
Omsaetningsavgift (MOMS)
25
ja
Deutschland
Umsatzsteuer (USt)
19
7
nein
Estland
Käibemaks (KMKR)
20
9
nein
Finnland
Arvonlisävero (AVL) oder mervärdesskatt (ML)
24
10 / 14
ja
Frankreich
Taxe sur la valeur ajoutée (TVA)
20
2,1 / 5,5 / 10
nein
Griechenland
Foros prostithemenis axias (FPA)
24
6 / 13
nein
Irland
Value added tax (VAT)
23
4,8 / 9 / 13,5
ja
Italien
Imposta sul valore aggiunto (IVA)
22
4 / 5 / 10
Ja
Kroatien
Porez na dodanu vrijednost (PDV)
25
5 / 13
nein
Lettland
Pievienotas vertibas nodoklis (PVN)
21
5 / 12
nein
Litauen
Pridetines vertes mokestis (PVM)
21
5 / 9
nein
Luxemburg
Taxe sur la valeur ajoutée (TVA)
17
3 / 8  / 14
nein
Malta
Value added tax (VAT)
18
5 / 7
ja
Niederlande
Omzetbelasting (OB) oder belasting over de toegevoegde waarde (BTW)
21
9
nein
Österreich
Umsatzsteuer (USt)
20
10 / 13
nein
Polen
Podatek od towaròw i uslug (VAT)
23
5 / 8
Ja
Portugal
Imposto sobre o valor acrescentado (IVA)
23
6 / 13
nein
Rumänien
Taxa pe valoarea adãugata (TVA)
19
5 / 9
nein
Schweden
Mervärdeskatt (ML)
25
6 / 12
ja
Slowakische Republik
Dan z pridanej hodnoty (DPH)
20
10
nein
Slowenien
Davek na dodano vred nost (DDV)
22
9,5
nein
Spanien
Impuesto sobre el valor añadido (IVA)
21
4 / 10
nein
Tschechische Republik
Dani z pridane hotnoty (DPH)
21
10 / 15
nein
Ungarn
Általános forgalmi adó (AFA)
27
5 / 18
nein
Vereinigtes Königreich
Großbritannien
Value added tax (VAT)
20
5
ja
Zypern (nur griechischer Teil)
Foros prostithemenis axias (FPA)
19
5 / 9
Ja

II. Umsatzsteuersätze in Drittstaaten

Stand: Juni 2019
Staat
Bezeichnung
Normalsatz
Ermäßigte Sätze
Nullsatz
Bosnien und Herzegowina
Porez na dodanu vrijednost (PDV)
17
-
-
Island
Virðisaukaskattur (VSK, VASK)
24
11
-
Israel
Value added tax (VAT)
17
7,5
ja 
Japan
Shōhizei („consumption tax“)
82)
-
Kanada1)

Goods and Services Tax (GST)
Harmonized Sales Tax (HST)
Quebec Sales Tax (QST)
5 GST
13-15 HST
9,975 QST
ja (GST)
Mazedonien
Danok na dodadena vrednost (DDV)
18
5
-
Montenegro
Porez na dodatu vrijednost (PDV)
21
7
ja
Norwegen
Merverdiavgift (bokmål) (MVA)
25
11,11 / 12 / 15
-
Russland
Nalog na dobavlennuyu stoimost (NDS)
20
10
ja
Schweiz
Mehrwertsteuer (MWSt)
7,7
2,5 / 3,7
ja
Serbien
Porez na dodatu vrednost (PDV)
20
10
ja
Türkei
Katma deger vergisi (KDV)
18
1 / 8
nein
Ukraine
Podatok na dodanu vartist (PDV)
20
7
ja
1) Kanada: 5 % Goods and Services Tax  (GST) in den Provinzen: Alberta, British Columbia, Manitoba, Northwest Territories, Nunavut,  Saskatchewan und Yukon. 13% HST in der Provinz Ontario. 15 % HST in der Provinz Prince Edward Island. 15% HST in den Provinzen Newfoundland and Labrador, Nova Scotia, New Brunswick. 9,975 % QST in der Provinz Quebec.
2) Japan: 10% ab 1.10.2019.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer

Kleinunternehmerregelung in den EU-Mitgliedstaaten

Die Umsatzsteuer wird nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) in Deutschland von Unternehmen nicht erhoben, deren Gesamtumsatz 22.000 Euro im Vorjahr (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht überschreiten wird.
Die Übersicht mit den entsprechenden Schwellenwerten für die Kleinunternehmerreglung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 146 KB) in den anderen EU-Mitgliedstaaten können Sie hier herunterladen.

1. Bemessungsgrundlage für Kleinunternehmerregelung

Gesamtumsatz in diesem Sinne ist der Umsatz nach § 19 Abs. 3 UStG also zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer; also netto nicht mehr als 18.487,40 Euro (bis 31.12.2019: 14.705,88) bei 19 Prozent Umsatzsteuer im vorangegangenen Jahr bzw. 42.016,80 im laufenden Jahr.
Die entsprechenden Schwellenwerte für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung in den EU-Mitgliedstaaten finden Sie als pdf-Dokument, abrufbar rechts neben diesem Merkblatt.
Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Kleinunternehmerregelung des § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Schreiben vom 16. Juni 2009 (Dokument-Nr. 53929) (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 38 KB) festgelegt, dass seit dem 1. Januar 2010 bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes in den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG sowie der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht länger auf den Differenzbetrag, sondern auf die vereinnahmten Entgelte abgestellt wird.
Im Gründungsjahr wird der tatsächliche Gesamtumsatz, soweit der Unternehmer nur in einem Teil des Kalenderjahres tätig war, in einen Jahresgesamtumsatz umgerechnet; entscheidend ist hier im laufenden Jahr jedoch die Grenze von 22.000 Euro, bzw. 18.487,40 (bis 31.12.2019: 17.500 Euro, bzw. 14.705,88 Euro, siehe oben) und nicht die von 50.000,00 €.
Beispiel 1
Ein Existenzgründer gründet am 1.2.2020 sein Unternehmen und erzielt einen Umsatz von 18.000 Euro im Jahr 2020. Damit hat er 19.635 Euro für das Kalenderjahr 2020 (umgerechnet auf 12 Monate) erzielt und liegt damit unter der Grenze von 22.000 Euro. Im Jahr 2021 erzielt er einen Umsatz von 32.000 Euro, also nicht über 50.000 Euro. Damit ist er umsatzsteuerlich weiterhin Kleinunternehmer. Im Jahr 2022 erzielt er einen Umsatz von 38.000 Euro. Damit liegt er zwar unter der Grenze von 50.000 Euro, aber er hatte bereits im Vorjahr (2021) die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschritten und ist nunmehr umsatzsteuerpflichtig.
Überschreitet der Unternehmer, der kein Existenzgründer ist, während des Kalenderjahres die Kleinunternehmergrenze von 22.000 Euro, so muss er im darauf folgenden Kalenderjahr die Regelbesteuerung anwenden.
Beispiel 2
Ein Existenzgründer, der im Kalenderjahr 2020 die Kleinunternehmergrenze von 22.000 Euro nicht überschreitet und im Kalenderjahr 2021 beispielsweise einen Umsatz von 40.000 Euro erzielt und damit die Umsatzsteuergrenze von 50.000 Euro nicht überschreitet, aber im Kalenderjahr 2021 die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschreitet, muss im darauf folgenden Kalenderjahr 2022 die Regelbesteuerung anwenden.

2. Rechnungsbeispiele

Ein umsatzsteuerlicher Kleinunternehmer muss folgende Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG in seiner Rechnung bei einem Gesamtbetrag von mehr als 250 Euro (Grenze der Kleinbetragsrechnung) aufführen: 
  • vollständiger Name und Anschrift des leistenden Unternehmers
    • z.B. Hans Schneider Unternehmensberatung
      Schneeallee. 12
      D-20000 Hamburg
  • vollständiger Name und Anschrift des Leistungsempfängers
    • z.B. Sigrid Hansen GmbH
      Herbsstraße 3
      D-20148 Hamburg
  • Steuernummer
    • z.B. Finanzamtsbezogene Ertragsteuer-Nr. XXXXXXXX
  • fortlaufende Rechnungsnummer
    • z.B. Rechnungs-Nr. 24689
  • Rechnungsdatum
    • z.B. 24.10.2018
  • Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung
    • z.B. 25 Stunden Beratungsleistungen zur Vermarktung des Produktes XY
  • Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung
    • z.B. im Oktober 2018
  • Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung
    • z.B. 1000 Euro (25 Stunden à 40 Euro Beratung)
  • Bei Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück an Nichtunternehmer oder Unternehmer, der die Leistungen für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers (2 Jahre, § 14b Abs. 1 S. 5 UStG)
  • Bei Kleinunternehmern ist ein Hinweis „Umsatzsteuer wird nicht erhoben, da Kleinunternehmer nach § 19 UStG Abs. 1” nicht erforderlich, aber empfehlenswert.

3. Verzicht auf die Kleinunternehmerreglung

Der Unternehmer kann nach § 19 Abs. 2 UStG auf die Steuerbefreiung als Kleinunternehmer auf Antrag gegenüber dem Finanzamt verzichten. Er unterliegt damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Die Erklärung kann er bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung abgeben. Die Erklärung gilt vom Beginn des Kalenderjahres an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat. Beginnt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit während des Kalenderjahres, gilt die Erklärung von Beginn dieser Tätigkeit an. Für die Erklärung gegenüber dem Finanzamt ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Berechnet der Unternehmer in den Voranmeldungen oder in der Steuererklärung für das Kalenderjahr die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ist damit grundsätzlich eine entsprechende Erklärung zu sehen.
Der Unternehmer ist dann jedoch 5 Kalenderjahre an den Antrag, auf die Steuerbefreiung zu verzichten, gebunden. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist kann der Unternehmer die Erklärung jederzeit mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen.
Tipp: Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung kann z.B. dann sinnvoll sein,
  • wenn es sich bei dem Kundenkreis überwiegend um Unternehmer handelt, die Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis verlangen oder
  • wenn aufgrund erheblicher Gründungsinvestitionen der Vorsteuer-Abzug genutzt werden soll.

4. Erwerbe aus und Lieferungen in EU-Mitgliedstaaten

Für Kleinunternehmer gibt es auch die Möglichkeit, bei Erwerben aus EU-Mitgliedstaaten die Erwerbsbesteuerung zu wählen, auch wenn Sie unter der Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG (12.500 Euro im Kalenderjahr) bleiben. Dabei müssen sie nicht auf den Kleinunternehmerstatus nach § 19 Abs. 2 UStG verzichten. Sie müssen nur ihr Finanzamt hierüber informieren und eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (§ 27 a Abs. 1 UStG) beantragen. Als Verzicht gilt die Verwendung einer dem Erwerber erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferer. (§ 1a Abs. 4 Satz 2 UStG). Für die innergemeinschaftlichen Erwerbe sind sie dann 2 Jahre an die eigene Erwerbsbesteuerung gebunden. Die Umsatzsteuererklärung für die innergemeinschaftlichen Erwerbe muss nach § 18 Abs. 4a UStG (Voranmeldung und Steuererklärung) vorgenommen werden. Der Voranmeldungszeitraum ist im Regelfall das Kalendervierteljahr, bei Existenzgründern der Kalendermonat, siehe § 18 Abs. 2 UStG.
Hinweis: Die Verpflichtung zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Neugründer wird vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 ausgesetzt. Als Voranmeldungszeitraum gilt dann grundsätzlich das Kalendervierteljahr.
Entsprechend beantragen Kleinunternehmer eine Umsatzsteueridentifikationsnummer, wenn sie Leistungen von ausländischen Unternehmen (Dokument-Nr. 48236) beziehen und hierfür die Steuerschuldnerschaft auf sie als Leistungsempfänger (§ 13b UStG) übergeht.
Kleinunternehmer nach § 19 UStG, die an Kunden in der EU Waren (Ausnahme neue Fahrzeuge) verkaufen, weisen keine Umsatzsteuer in ihren Rechnungen aus. Diese Lieferungen gelten im Inland als steuerpflichtig, unabhängig davon, dass die Umsatzsteuer nicht erhoben wird. Folglich kann der Erwerber im anderen Mitgliedstaat der EU keinen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt haben, eine Anmeldung dieser Umsätze in der Zusammenfassenden Meldung durch den Kleinunternehmer ist ebenfalls nicht erforderlich. Ausgenommen hiervon ist die Lieferung neuer Fahrzeuge, denn insoweit gilt auch der Kleinunternehmer - wie auch jeder Private - als Fahrzeuglieferer.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: August 2021
Erwerbsschwellen und Lieferschwellen

Lieferung von Waren an Nichtunternehmer innerhalb der EU

Die Lieferung von Waren an Privatpersonen innerhalb der Europäischen Union (EU) folgt anderen Regeln als die Lieferung im unternehmerischen Verkehr. So kann der liefernde Unternehmer bis zu einer bestimmten Umsatzhöhe (Lieferschwelle), die Umsatzsteuer des eigenen Staates in Rechnung stellen und abführen. Überschreitet er diese Grenze, muss der Unternehmer sich im Staat des Letztverbrauchers umsatzsteuerlich registrieren lassen und dort Umsatzsteuer abführen. Diese Regeln gelten für Lieferungen sowohl an Privatpersonen als auch an diesen gleichgestellten Personen, wenn die an sie ausgeführten Umsätze eine bestimmte Grenze nicht überschreiten (Erwerbsschwelle).
Hinweis: Mit der Umsetzung des Umsatzsteuer-Digitalpakets zum 1.7.2021 wird es verschiedene Neuerungen bei der Besteuerung der Lieferungen von Waren an Privatpersonen in der EU geben, siehe dazu unten Ziff. 3.

1. Erwerbsschwellen

Solange eine von dem jeweiligen Mitgliedstaat festgelegte Umsatzhöhe (Erwerbsschwelle) nicht überschritten wird, gelten bei der Lieferung an Kleinunternehmer und andere bestimmte Personengruppen dieselben Regeln wie für Privatpersonen. Dabei gilt folgendes zu beachten:

1.1 Für wen gelten die Erwerbsschwellen?

Liefert ein Unternehmer Waren an Privatpersonen aus anderen Mitgliedstaaten der EU, so muss er grundsätzlich die Umsatzsteuer des eigenen Staates abführen (vgl. § 3 Abs. 6 S. 1 Umsatzsteuergesetz, UStG). Dies gilt auch für Personengruppen, die Privatpersonen gleichgestellt sind, allerdings nur soweit ihre grenzüberschreitenden Warenbezüge die Erwerbsschwelle nicht überschreiten und sie nicht auf die Erwerbsschwelle verzichten.
Als eine dem Letztverbraucher gleichgestellte Person gilt, wer (§ 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG)
  • ein Unternehmer ist, der nur umsatzsteuerbefreite Umsätze ausführt, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzug führen (§ 15 Abs. 2 UStG),  
  • ein Kleinunternehmer ist (§ 19 UStG), der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates von der Umsatzsteuer befreit ist oder auf andere Weise von der Umsatzbesteuerung ausgenommen ist,
  • ein Unternehmer ist, der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates die Pauschalierung für landwirtschaftliche Erzeuger anwendet (durchschnittsbesteuerte Land- und Forstwirte (§ 24 UStG)),
  • eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Bezieht ein Empfänger dieser Personengruppen innerhalb eines Jahres Umsätze, welche die jeweilige Erwerbsschwelle seines Mitgliedstaates überschreiten, wird er wie ein Unternehmer behandelt. Dies hat zur Folge, dass er selbst den Erwerb in seinem Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung zu unterwerfen hat (§ 3d S. 1 UStG). Ein deutscher Erwerber muss dann eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beantragen und Steuern für den Erwerb an das zuständige Finanzamt abführen.
Die Erwerbsschwellen unterscheiden sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und betragen jeweils:
Mitgliedstaat
Betrag in Hauswährung
Betrag in Euro
Belgien
11.200 EUR
Bulgarien
20.000 BGN
10.226 EUR
Dänemark
80.000 DKK
10.717 EUR
Deutschland
12.500 EUR
Estland
10.000 EUR
Finnland
10.000 EUR
Frankreich
10.000 EUR
Griechenland
10.000 EUR
Irland
41.000 EUR
Italien
10.000 EUR
Kroatien
77.000 HRK
10.410 EUR
Lettland
10.000 EUR
Litauen
14.000 EUR
Luxemburg
10.000 EUR
Malta
10.000 EUR
Niederlande
10.000 EUR
Österreich
11.000 EUR
Polen
50.000 PLN
11.785 EUR
Portugal
10.000 EUR
Rumänien
34.000 RON
7.291 EUR
Schweden
90.000 SEK
8.535 EUR
Slowakische Republik
14.000 EUR
Slowenien
10.000 EUR
Spanien
10.000 EUR
Tschechische Republik
326.000 CZK
12.795 EUR
Ungarn
10.000 EUR
Vereinigtes Königreich
85.000 GBP
94.741 EUR
Zypern
10.251,61 EUR
Die Aufstellung beruht auf dem Dokument der Europäischen Kommission, VAT-Thresholds (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 145 KB) (April 2019). Die Grundlage ist Art. 34 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1386 KB).
Der Erwerber kann jedoch auch auf die Anwendung der Erwerbsschwellen verzichten. Ein Verzicht wird vermutet, wenn der Erwerber mit seiner USt-IdNr. gegenüber dem Lieferer auftritt (§ 1a Abs. 4 UStG). Wird verzichtet, muss der Abnehmer selbst die Erwerbsbesteuerung in seinem Staat durchführen. Eine Übersicht über die jeweiligen Steuersätze innerhalb der EU finden Sie in unserem Dokument Nummer 78907.

1.2 Erwerb neuer Fahrzeuge

Auf den Erwerb neuer Fahrzeuge finden die Erwerbsschwellen keine Anwendung (§ 1a Abs. 5 UStG). Dementsprechend unterliegt der Erwerb unabhängig von den Eigenschaften des Erwerbers und der Höhe der Umsätze immer der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes. Der Erwerber hat die Umsatzsteuer dort zu entrichten, wo die Beförderung oder Versendung endet. Dies gilt auch für Privatpersonen, die nur gelegentlich Fahrzeuge erwerben (§ 2a UStG). Für die Bestimmung, ob es sich um ein neues Fahrzeug handelt, gilt (§ 1b UStG):
für motorisierte Landfahrzeug:
  • mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimeter oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt für Personen- und Güterbeförderung,
  • das Fahrzeug hat nicht mehr als 6000 km zurückgelegt oder
  • wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt;
für Wasserfahrzeuge:
  • mit einer Länge von mehr als 7,5 Metern,
  • wenn das Wasserfahrzeug nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt hat oder
  • wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt;
für Luftfahrzeuge:
  • deren Starthöchstmasse mehr als 1550 kg beträgt,
  • wenn das Luftfahrzeug nicht mehr als 40 Betriebsstunden genutzt worden ist oder
  • wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Monate zurückliegt.

1.3 Erwerb verbrauchssteuerpflichtiger Waren

Ebenso müssen verbrauchsteuerpflichtige Waren (§ 1a Abs. 5 UStG) stets vom Erwerber versteuert werden. Dazu gehören Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren.

2. Lieferschwellen

Lieferschwellen stellen die Grenzen dar, bis zu denen der Unternehmer die Umsatzsteuer seines Mitgliedstaates für eine Lieferung an Privatpersonen aus anderen Mitgliedstaaten in Rechnung stellen kann (§ 3c Abs. 3 UStG). Überschreitet der liefernde Unternehmer die Lieferschwelle eines Mitgliedstaates, muss er sich umsatzsteuerlich in diesem Staat registrieren lassen, die dortige Umsatzsteuer in Rechnung stellen und diese dort abführen.
Diese Regelung wird auch Versandhandelsregelung genannt. Von ihr sind solche Sachverhalte erfasst, in denen eine Privatperson Waren bei einem Unternehmer erwirbt und der Transport in den Mitgliedstaat der Privatperson durch den liefernden Unternehmer selbst durchgeführt (Beförderung) oder veranlasst wird (Versendung).
Die Regelung gilt nicht nur für Lieferungen an Privatpersonen, sondern auch für diesen gleichgestellten Personengruppen, soweit diese die jeweilige Erwerbsschwelle nicht überschritten haben. Als eine dem Letztverbraucher gleichgestellte Person gilt, wer (§ 3c Abs. 2 S.1 UStG)
  • ein Unternehmer ist, der nur umsatzsteuerbefreite Umsätze ausführt, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzug führen (§ 15 Abs. 2 UStG), 
  • ein Kleinunternehmer ist (§ 19 UStG), der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates von der Umsatzsteuer befreit ist oder anderen Weise von der Umsatzbesteuerung ausgenommen ist,
  • ein Unternehmer ist, der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates die Pauschalierung für landwirtschaftliche Erzeuger anwendet (durchschnittsbesteuerte Land- und Forstwirte (§ 24 UStG)),
  • eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Zu unterscheiden von den Versendungsfällen sind die Abholfälle. Erwirbt ein Letztverbraucher aus einem anderen Mitgliedstaat Waren und verbringt diese selbst in seinen Mitgliedstaat, so wird immer mit der Umsatzsteuer des Staates abgerechnet, in dem die Waren erworben wurden (§ 3 Abs. 7 UStG).
Die Lieferschwellen betragen für Lieferungen in die einzelnen Staaten:
Mitgliedstaat
Betrag in Hauswährung
Betrag in Euro
Belgien
35.000 EUR
Bulgarien
70.000 BGN
35.791 EUR
Dänemark
280.000 DKK
37.510 EUR
Deutschland
100.000 EUR
Estland
35.000 EUR
Finnland
35.000 EUR
Frankreich
35.000 EUR
Griechenland
35.000 EUR
Irland
35.000 EUR
Italien
100.000 EUR
Kroatien
270.000 HRK
36.501 EUR
Lettland
35.000 EUR
Litauen
35.000 EUR
Luxemburg
100.000 EUR
Malta
35.000 EUR
Niederlande
100.000 EUR
Österreich
35.000 EUR
Polen
160.000 PLN
37.712 EUR
Portugal
35.000 EUR
Rumänien
118.000 RON
25.305 EUR
Schweden
320.000 SEK
31.346 EUR
Slowakische Republik
35.000 EUR
Slowenien
35.000 EUR
Spanien
35.000 EUR
Tschechische Republik
1.140.000 CZK
44.744 EUR
Ungarn
35.000 EUR
Vereinigtes Königreich
70.000 GBP
78.022 EUR
Zypern
35.000 EUR
Die Aufstellung beruht auf dem Dokument der Europäischen Kommission, VAT-Thresholds (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 145 KB) (April 2019). Die Grundlage ist Art. 34 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1386 KB).
Beispiel: Ein deutscher Unternehmer liefert Anfang 2020 an Privatpersonen in Dänemark Waren im Wert von insgesamt bis 280.000 DK (~ 37.510 EUR). Er kann diese Umsätze mit deutscher Umsatzsteuer abrechnen.
Führt er am 20. September 2020 eine weitere Lieferung aus und überschreitet damit insgesamt die Lieferschwelle, verlagert sich bereits für den am 20. September 2020 ausgeführten Umsatz der Lieferort nach Dänemark. Der deutsche Unternehmer muss sich dann in Dänemark umsatzsteuerlich registrieren lassen, seinen Umsatz mit dänischer Umsatzsteuer abrechnen und in Dänemark eine Umsatzsteuererklärung abgeben.
Auf die Lieferschwellen kann verzichtet werden. Möchte der liefernde Unternehmer seine Umsätze unabhängig von deren Höhe der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes unterwerfen, kann er hierfür optieren (§ 3c Abs. 4 UStG). Die Erklärung ist gegenüber der zuständigen Behörde abzugeben und bindet den Unternehmer für zwei Kalenderjahre.
Adressen von Informationsstellen für die Umsatzsteuer in den einzelnen EU-Staaten haben wir für Sie in dem Dokument #3666604 zusammengetragen. Des Weiteren können die Auslandshandelskammern (AHK) Hilfestellung bei der umsatzsteuerliche Registrierung geben.

3. Ausblick: Umsetzung des Umsatzsteuer-Digitalpakets zum 1.7.2021

Mit der Umsetzung des sog. Umsatzsteuer-Digitalpakets zum 1.7.2021 ist die Einführung eines One-Stop-Shops (OSS) für Warenlieferungen an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten geplant. Unternehmen sollen dann ihre Umsätze an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten über eine zentrale Umsatzsteuererklärung beim Bundeszentralamt für Steuern (BzSt) erklären und die sich daraus ergebende Umsatzsteuer abführen können. Vorgesehen ist ein EU-weit einheitlicher Schwellenwert für Lieferungen von 10.000,- Euro, auf dessen Anwendung Unternehmen jedoch verzichten können. Es ist geplant, dass ab dem 1.4.2021 eine Registrierung für die Nutzung des One-Stop-Shops möglich sein soll. Unternehmen werden die Möglichkeit haben, statt der Nutzung des One-Stop-Shops, eine Registrierung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vorzunehmen. Unternehmen aus Drittländern, die Warenlieferungen an Privatpersonen in der EU erbringen, sollen einen sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS) nutzen können.
Stand: Januar 2021
Steuerfreiheit

Leistungen zur Förderung der Mitarbeitergesundheit

Die Förderung der Mitarbeitergesundheit wird steuerlich begünstigt, § 3 Nr. 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Bis zu 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr kann ein Unternehmen lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei für entsprechende Maßnahmen der Gesundheitsförderung zuwenden, ohne dass es zur Anrechnung eines geldwerten Vorteils bei dem Arbeitnehmer kommt.

1. Allgemeines

Die betriebliche Gesundheitsförderung findet zunehmendes Interesse, weil sie dazu dient, gesundheitlichen Belastungen der Beschäftigten vorzubeugen. Die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung können entweder durch den Arbeitgeber selbst veranlasst oder aber durch die Kostenübernahme für die Inanspruchnahme entsprechender externer Angebote gefördert werden.
Wichtig! Von der steuerlichen Begünstigung erfasst werden nur Leistungen, die zusätzlich zu der ohnehin bereits aufgrund des Arbeitsverhältnisses geschuldeten Leistungen erbracht werden. 
Entgeltumwandlungen sind von der Regelung des § 3 Nr. 34 EStG daher ausgeschlossen. Das bedeutet, dass nicht ein Teil des ohnehin geschuldeten Entgelts zweckgebunden steuerfrei für Gesundheitsförderleistungen zugewendet werden kann.
Es werden Maßnahmen gefördert, die hinsichtlich der Qualität, Zweckbindung Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20, 20b Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) genügen. Dies ist insbesondere bei Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Fall, wie
  • Bewegungsprogrammen,
  • Informationen zu gesunder Ernährung,
  • Suchtprävention,
  • Stressbewältigung.
Wichtig: Die Voraussetzung, dass es sich um zertifizierte Maßnahmen handelt, gilt seit dem 31.12.2019. Bis zum 31.12.2019 galt eine Übergangsfrist für unzertifizierte Maßnahmen, die bereits vor dem 1.1.2019 begonnen worden sind (vgl. § 52 Abs. 4 S. 6 EStG n.F.)
Hinweis: Zu beachten ist, dass die Übernahme von Beiträgen für einen Sportverein oder für ein Fitnessstudio in der Regel nicht darunter fällt. Weitere Informationen finden Sie auch auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 20. April 2021 eine Umsetzungshilfe veröffentlicht, in dem u.a. aufgeführt ist, welche Leistungen nicht unter die Steuerfreiheit fallen.
Bei der Förderung der Mitarbeitergesundheit im Rahmen des steuerfrei gewährten Betrags von bis zu 600 Euro jährlich handelt es sich um eine Vereinfachung und Pauschalierung, bei der die Prüfung, ob die Aufwendungen im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, entfällt.
Möchte ein Unternehmen mehr als 600 Euro pro Mitarbeiter pro Jahr zur Verfügung stellen, ergeben sich daraus zwei mögliche Konsequenzen:
  • Es erfolgt eine Prüfung, ob die Aufwendungen zur Gesundheitsförderung nachweislich im überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen,
oder
  • der die 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr übersteigende Betrag wird als geldwerter Vorteil steuer- und sozialversicherungspflichtig.
Letzteres ist der Fall, wenn die Leistungen des Arbeitgebers ausschließlich dem Mitarbeiter und nicht dem Betrieb zugutekommen. Bei dem steuer- und sozialversicherungsfreien Betrag von 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr handelt es sich um einen Freibetrag und nicht um eine Freigrenze. Damit unterliegt lediglich der übersteigende Betrag und nicht die gesamte Aufwendung des Arbeitgebers der Steuer- und Sozialversicherungspflicht.
Die Frage, ob Aufwendungen zur Gesundheitsförderung im überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, ist für jede Einzelmaßnahme zu prüfen. Im ganz überwiegend betrieblichen Interesse erbrachte Leistungen werden vom Arbeitgeber nicht mit dem Ziel der Entlohnung gewährt und von dem Arbeitnehmer nicht als Gegenleistung für seine Arbeit aufgefasst. Grundsätzlich liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung dem Arbeitgeber deutlich mehr Vorteile bringt als dem Arbeitnehmer. Dies ist der Fall, wenn sich der zugewendete Vorteil bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung der betrieblichen Zielsetzung erweist. Weitere Einzelheiten und Beispiele enthält die Umsetzungshilfe des BMF vom 20. April 2021.
Sind Aufwendungen von mehr als 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr angedacht, ist vorab eine in Lohnsteuerfragen gebührenfreie Anrufungsauskunft nach § 42e EStG bei dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt empfehlenswert. So kann vorab die Frage geklärt werden, ob die Aufwendungen im ganz überwiegend betrieblichen Interesse liegen.

2. Persönlicher Anwendungsbereich: Für wen gilt die Begünstigung?

Begünstigte der Regelung in § 3 Nr. 34 EStG sind alle Arbeitnehmer, einschließlich Geringverdiener und Gesellschafter-Geschäftsführer.
Steuerpflichtige mit anderen Einkunftsarten (z.B. Altersbezüge aus einem früheren Arbeitsverhältnis, Vergütung bei Werkverträgen) werden von der Regelung nicht erfasst.

3. Sachlicher Anwendungsbereich: Wofür gilt die Begünstigung?

Gefördert werden können Maßnahmen, die den Anforderungen der §§ 20, 20b SGB V genügen. Welche Maßnahmen darunter fallen, kann dem Präventionsleitfaden des GKV-Spitzenverbandes entnommen werden. Die Umsetzungshilfe des BMF vom 21. April 2021 enthält ebenfalls Informationen zu den begünstigten Maßnahmen. Erforderlich ist seit dem 1.1.2019 außerdem, dass es sich um eine gem. § 20 Abs. 2 S. 2 SGB V zertifizierte Maßnahme handelt. Für nicht-zertifizierte Maßnahmen galt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2019, wenn die jeweilige Maßnahme vor dem 1.1.2019 begonnen worden war. Der Spitzenverband der Krankenkassen bestimmt die Anforderungen und ein einheitliches Verfahren für die Zertifizierung von Leistungsangeboten durch die Krankenkassen.

3.1. Primärprävention

Zur Primärprävention des § 20 SGB V gehören Maßnahmen, die den allgemeinen Gesundheitszustand fördern sollen.
Beispielhaft genannt werden können in diesem Bereich:
  • Kurse zu gesunder Ernährung und Ernährungsberatung (z.B. Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung, Vermeidung und Reduktion von Übergewicht),
  • Stressvermeidung (z.B. Förderung individueller Kompetenzen der Belastungsverarbeitung zur Vermeidung stressbedingter Gesundheitsrisiken),
  • gesundheitsorientierte Bewegungsmaßnahmen (z.B. Reduzierung von Bewegungsmangel, Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme)
Beispiel 1
Der Arbeitgeber zahlt allen seinen Arbeitnehmern, die ihm die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nachweisen, einen monatlichen Barzuschuss von 30 Euro.
Bewertung: Der Barzuschuss von monatlich 30 Euro für den allgemeinen Besuch des Fitnesscenters ist nach § 8 Abs. 1 EStG steuerpflichtig. Die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 34 EStG scheidet aus.
Beispiel 2
Der Arbeitgeber schließt einen Vertrag mit einem Fitnesscenter zur Nutzung durch seine Arbeitnehmer ab. Monatlicher Preis: 40 Euro (brutto).
Bewertung: Es handelt sich um eine Sachzuwendung an den Arbeitnehmer. Für den allgemeinen Besuch des Fitnesscenters kommt die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 34 EStG nicht zur Anwendung. Möglich ist allerdings die Anwendung der 44 Euro - Freigrenze für Sachzuwendungen nach § 8 Abs. 2 EStG.
Beispiel 3
Der Arbeitgeber schließt mit einem Fitnesscenter einen Vertrag ab oder ändert einen bestehenden Vertrag. Es wird geregelt, dass die Arbeitnehmer nur an Maßnahmen teilnehmen dürfen, die den fachlichen Anforderungen des Präventionsleitfadens des GKV-Spitzenverbandes gerecht werden.
Bewertung: Die Sachzuwendung fällt unter die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 34 EStG.  Die 44 Euro - Freigrenze des § 8 Abs. 2 EStG für Sachzuwendungen kann anderweitig ausgeschöpft werden. Zum Nachweis für den Arbeitgeber bei Inanspruchnahme der Steuerfreiheit sollte sich aus dem Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Fitnesscenter eindeutig ergeben, dass die Mitarbeiter nur begünstigte Leistungen beziehen dürfen.


3.2. Betriebliche Gesundheitsförderung

Die betriebliche Gesundheitsförderung ist in §§ 20b, 20c SGB V geregelt und zielt darauf ab, unter Beteiligung der Beschäftigten und Verantwortlichen für den Betrieb die gesundheitliche Situation der Arbeitnehmer zu analysieren, Vorschläge zur Verbesserung zu entwickeln und deren Umsetzung zu unterstützen. Hierunter fallen unter anderem:
  • Kurse zur Stressbewältigung und Entspannung (z.B. Förderung individueller Kompetenzen der Stressbewältigung am Arbeitsplatz),
  • Führungskräftetraining zur Konfliktbewältigung (z.B. Umgang mit Mobbing, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung),
  • Seminare zur Einschränkung des Suchtmittelkonsums (z.B. Raucherentwöhnung),
  • die Einführung von gesunder Kantinenkost (z.B. Ausrichtung der Betriebsverpflegungsangebote an Ernährungsrichtlinien, Schulung des Küchenpersonals, Informations- und Motivierungskampagnen),
  • Informationen im Bereich arbeitsbedingter körperlicher Belastung (z.B. Seminare zum richtigen Heben und Transportieren von Lasten, Rückenschule bei Bildschirmarbeitsplätzen)
Beispiel 4
Ein Arbeitgeber bietet seinen Arbeitnehmern mit Bildschirmarbeitsplatz im Sinne der Bildschirmarbeitsplatzvorordnung die anteilige Kostenübernahme für Rückentrainingsprogramme an. Zunächst erfolgt eine ärztliche Untersuchung der Beschwerden, anschließend wird ein Trainingsplan ausgearbeitet. Nehmen die Arbeitnehmer regelmäßig an den Trainingseinheiten teil, übernimmt der Arbeitgeber 2/3 der Kosten.
Bewertung: Mit Beschluss vom 4.7.2007 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Übernahme der Kosten für Rückentrainingsprogramme durch den Arbeitgeber keinen Arbeitslohn darstellt, sondern dass der Arbeitgeber damit ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt. In diesem Fall sind die  Aufwendungen eines Arbeitgebers für Rückentrainingsprogramme nicht in die 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr einzurechnen, da sie nicht lohnsteuerbar sind. Gleiches gilt für Massagen, die Mitarbeitern mit Bildschirmarbeitsplätzen durch den Arbeitgeber angeboten werden.
Beispiel 5
Ein Arbeitgeber bietet seinen Arbeitnehmern die Teilnahme an einer sog. Sensibilisierungswoche mit Unterbringung in einem Hotel an. Den Arbeitnehmern sollen im Rahmen eines ganzheitlichen Personalentwicklungsprogramms grundlegende Erkenntnisse für einen gesunden Lebensstil vermittelt werden. Das ganzheitliche Personalentwicklungsprogramm dient dabei in erster Linie der Sicherstellung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers.
Bewertung: Mit Urteil des BFH vom 7. Mai 2014, VI R 28/13, wurde die Bewertung einer Finanzbehörde, dass dieses Angebot des Arbeitgebers Arbeitslohn darstelle, insoweit bestätigt, als dass diese Bewertung weder dem Gesetz noch höchstrichterlicher Rechtsprechung widerspreche. Es handelt sich also um Arbeitslohn, der in Höhe von 600 Euro gemäß § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei gewährt werden kann.
Es können unter Umständen auch Maßnahmen unter die Steuerbegünstigung fallen, die nicht in dem Präventionsleitfaden des GKV-Spitzenverbandes aufgeführt sind. Um Konflikte mit der Finanzverwaltung zu der Frage, ob eine konkrete Maßnahme unter den Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 34 EStG fällt, zu vermeiden, sollten Arbeitgeber unbedingt vorab eine in Lohnsteuerfragen gebührenfreie Anrufungsauskunft nach § 42e EStG bei dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt einholen.
Hinweis: Seit 2019 ist zusätzliche Voraussetzung, dass es sich um zertifzierte Maßnahmen handelt.

4. Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers

Im Lohnkonto hat der Arbeitgeber die steuerfreien Bezüge aufzuzeichnen. Hiervon kann er nur dann absehen, wenn es das Betriebsstättenfinanzamt auf Antrag zulässt, die Aufzeichnungen nicht im Lohnkonto zu führen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um Fälle von geringer Bedeutung handelt oder die Möglichkeit zur Nachprüfung in anderer Weise sichergestellt ist. Dies dürfte der Fall sein, wenn im Lohnkonto zumindest ein hinweisender Vermerk auf die lohnsteuer- und sozialversicherungsfreien Leistungen (ohne betragsmäßige Angabe) erfolgt.
Problematisch ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber Kosten für Leistungen externer Anbieter erstattet werden. Es stellt sich die Frage, welche Unterlagen zum Lohnkonto genommen werden müssen. Zu empfehlen ist die Zertifizierung des Anbieters der Maßnahme durch die Krankenkasse, eine Teilnahmebescheinigung des Kursleiters sowie die Frequentierungsliste der Kurseinheiten mit der Unterschrift des Kursleiters beizufügen.

5. Umsatzsteuerrechtliche Aspekte

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG zielt lediglich auf das Lohnsteuerrecht, nicht aber auf das Umsatzsteuerrecht ab.
Lässt der Arbeitgeber Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeitergesundheit durch einen externen Dienstleister durchführen, gilt umsatzsteuerlich folgendes:
  • Aus der ordnungsgemäßen Rechnung eines externen Dienstleisters ist der Arbeitgeber zum Vorsteuerabzug berechtigt.
  • Liegt die Maßnahme im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse und erhält der Arbeitgeber keinen Zuschuss von den Krankenkassen oder anderen Kostenträgern, muss er selbst keine Umsatzsteuer abführen, denn er erbringt gegenüber seinen Arbeitnehmern durch die Maßnahme keine Leistung. Es bleibt beim Vorsteuerabzug in voller Höhe. Der Arbeitgeber muss allerdings darlegen, dass die gesundheitsfördernde Sachleistung zu einem deutlichen Rückgang des Krankheitsstands in seinem Betrieb geführt hat.
  • Liegt die Maßnahme im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse, erhält der Arbeitgeber jedoch einen Zuschuss von den Krankenkassen oder anderen Kostenträgern, ist durch den Arbeitgeber auf den Zuschuss Umsatzsteuer zu entrichten, da es sich bei dem Zuschuss der Krankenkasse um eine Entgeltzahlung von dritter Seite handelt. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass die gesundheitsfördernde Sachleistung zu einem deutlichen Rückgang des Krankheitsstands in seinem Betrieb geführt hat.
  • Handelt es sich bei der Maßnahme um eine Leistung, die überwiegend den Mitarbeitern zugutekommt (die Begünstigung des § 3 Nr. 34 EStG gilt), ist der Wert der gesamten Maßnahme für den Arbeitgeber umsatzsteuerpflichtig. In solchen Fällen erbringt der Arbeitgeber umsatzsteuerlich eine Leistung gegenüber seinen Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber muss auf den gesamten Wert der Maßnahme Umsatzsteuer entrichten.
Auf Barzuschüsse des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer (Kostenübernahme, Kostenerstattung für externe Angebote) muss dieser keine Umsatzsteuer entrichten.

6. Umsetzung gesundheitsfördernder Maßnahmen im Betrieb

Ansprechpartner für die Umsetzung entsprechender Pläne können sowohl die Sozialversicherungsträger (insbesondere die Krankenkassen) als auch private Dienstleister (Gesundheitszentren, Ernährungsberater, Institute für betriebliche Gesundheitsförderung etc.) sein.
Die Finanzverwaltung legt in ihrer bisherigen Praxis die Steuerbegünstigung des § 3 Nr. 34 EStG arbeitgeberbezogen aus. Im Falle eines Arbeitgeberwechsels im Laufe eines Jahres bedeutet dies, dass sich die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG auf das jeweilige Dienstverhältnis des Beschäftigten im Laufe eines Kalenderjahres bezieht. Eine zeitanteilige Kürzung des Höchstbetrages erfolgt nicht. Für dieses Vorgehen der Finanzverwaltung sprechen insbesondere praktische Erwägungen, da eine Eintragung der bereits gewährten Aufwendungen zur Gesundheitsförderung auf der Lohnsteuerbescheinigung nicht erfolgt. Bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Kalenderjahres hätte der neue Arbeitgeber ansonsten die Pflicht, sich über die Höhe der im vorherigen Dienstverhältnis ausgeschöpften Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 34 EStG Informationen zu verschaffen. Gleiches gilt für gleichzeitig nebeneinander bestehende Dienstverhältnisse.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt bzw. die Sozialversicherungsträger.
Stand: Juni 2021
Steuern

Besteuerung von Nebentätigkeiten

Häufig starten Existenzgründer neben einer Arbeitnehmertätigkeit mit einer unternehmerischen Tätigkeit. Dieses Dokument gibt Ihnen erste Informationen, wie eine solche Nebentätigkeit steuerlich zu behandeln ist. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf einer gewerblich – und nicht auf einer freiberuflich – ausgeübten Nebentätigkeit.
Tipp: Für Unternehmer ist es nicht immer leicht festzustellen, ob sie einen Gewerbebetrieb oder einen sogenannten Freien Beruf ausüben. Wir informieren Sie dazu im Dokument "Abgrenzungskriterien: Gewerbebetrieb -  Freie Berufe".

1. Sind Einkünfte aus Nebentätigkeiten steuerpflichtig? Mit welchen Steuern ist zu rechnen?

Steuerlich ist es nicht von Belang, ob Einkünfte aus einer Haupt- oder Nebentätigkeit stammen. Für Nebentätigkeiten gibt es daher im Grundsatz keine eigenen Besteuerungsvorschriften.
Personen, die ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§§ 8 und 9 Abgabenordnung (AO)) haben, unterliegen mit allen ihren Einkünften grundsätzlich der unbeschränkten Steuerpflicht. Übt ein Steuerpflichtiger mehrere Tätigkeiten aus, ist die Summe aller Einkünfte aus diesen Tätigkeiten zu versteuern. Jede Nebentätigkeit ist für sich nach ihren Merkmalen steuerlich einzuordnen. Regelmäßig unterliegen die Einkünfte aus einer Nebentätigkeit der Einkommensteuer bzw. bei Wahl der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer. Sofern eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, fällt zusätzlich die Gewerbesteuer an. Kapitalgesellschaften sind bereits aufgrund ihrer Rechtsform gewerblich tätig. Werden Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht, ist zudem die Umsatzsteuer zu beachten.
Tipp: Zu den Einzelheiten der jeweiligen Steuerarten informieren wir Sie in gesonderten Dokumenten – Einkommensteuer / Körperschaftsteuer / Gewerbesteuer. Nützlich ist auch die Auflistung "Steuern für Existenzgründer".

2. Welche Einkunftsarten unterliegen der Einkommensteuer und wie wird für diese der zu versteuernde Betrag ermittelt?

Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer, die an die Einkünfte natürlicher Personen anknüpft. Dies gilt auch für Anteilseigner an einer Personengesellschaft, wie zum Beispiel der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR/BGB-Gesellschaft), der Kommanditgesellschaft (KG), der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der GmbH & Co. KG. Der Gewinn wird für die Personengesellschaft festgestellt und auf Ebene der Gesellschafter (sogenannte Mitunternehmer) besteuert. Hierzu ist ein gesondertes und einheitliches Gewinnfeststellungsverfahren nach §§ 179 f. AO notwendig.

2.1. Zu welcher Einkunftsart gehören Einkünfte aus einer Nebentätigkeit?

Der Einkommensteuer unterliegen Einkünfte aus den folgenden sieben Einkunftsarten, unter die auch die Einkünfte aus einer Nebentätigkeit einzuordnen sind. Die folgenden sieben Einkunftsarten werden in Gewinn- und Überschusseinkünfte eingeteilt (§ 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG):
Gewinneinkünfte
1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG)
2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG)
3. Einkünfte aus selbstständiger (freiberuflicher) Arbeit (§ 18 EStG)
Überschusseinkünfte
4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG)
5. Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
7. Sonstige Einkünfte (§ 22 EStG).
Die Zuordnung zu Gewinn- oder Überschusseinkünfte wirkt sich darauf aus, wie die steuerpflichtigen Einkünfte ermittelt werden (für Gewinneinkünfte siehe 2.2.).
Einkünfte aus Kapitalvermögen (Nr. 5) sind zwar Überschusseinkünfte. Für sie gilt allerdings im Grundsatz die Abgeltungssteuer (Quellenbesteuerung).
Ein nebenberuflich Gewerbetreibender erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Wird die Nebentätigkeit gemeinsam mit mindestens einer weiteren Person betrieben, erfolgt dies bei Kleingewerbetreibenden häufig in der Rechtsform der GbR. Die GbR stellt einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von zwei oder mehr Personen zur Verfolgung eines bestimmten gemeinsamen Zwecks dar (§§ 705 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Die GbR entsteht auch, wenn keine Regelungen über die Zusammenarbeit der Beteiligten getroffen werden; schlüssiges Handeln und Rechtsbindungswille können schon ausreichend sein. Nach der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung werden die jeweiligen Gewinnanteile eines Gesellschafters aus der gewerblich tätigen GbR bei seiner persönlichen Einkommensteuerveranlagung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuert (Mitunternehmerschaft, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

2.2. Welche Formen der Gewinnermittlung sind zulässig?

Anknüpfungspunkt der Steuererhebung für die Gewinneinkünfte (Nr. 1 bis 3) ist der steuerlich relevante Gewinn (§§ 4 ff. EStG). Um diesen zu ermitteln, sieht das Steuerrecht entweder die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) oder den Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) vor.
2.2.1.  Einnahmenüberschussrechnung
Zunächst stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) anwenden darf. Zulässig ist diese Gewinnermittlungsmethode für Gewerbetreibende, wenn sie nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zur doppelten Buchführung verpflichtet sind oder nicht freiwillig Bücher führen.
Die Pflicht zum Betriebsvermögensvergleich (doppelten Buchführung) gilt nicht für:
  • gewerbliche Einzel- und Personenunternehmen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, sowie im Handelsregister eingetragene Einzelkaufleute, für die jeweils gilt, dass sie
    • einen Umsatz in Höhe von 600.000 Euro pro Geschäftsjahr nicht überschreiten oder
    • einen Gewinn in Höhe von 60.000 Euro Gewinn pro Geschäftsjahr nicht überschreiten (§ 241a HGB, siehe auch § 141 AO).  
Zudem ist die Einnahmenüberschussrechnung grundsätzlich zulässig für Freiberufler.
Bei der Einnahmenüberschussrechnung werden von den tatsächlich erzielten Einnahmen (Einzahlungen) die betrieblich veranlassten tatsächlichen Ausgaben (Auszahlungen) abgezogen. Diese Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich in dem Zeitpunkt zu erfassen, in dem sie tatsächlich zufließen (Zahlungseingang) und abfließen (Zahlungsausgang). Ausnahme dieses Prinzips ist insbesondere die Geltendmachung von Abschreibungen.
Die Einnahmenüberschussrechnung hat auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck "Einnahmenüberschussrechnung - EÜR" zu erfolgen, welcher der Steuererklärung beigefügt werden muss. Die Regelung, wonach es nicht beanstandet wird, wenn anstelle des Vordruckes der Steuererklärung eine formlose Gewinnermittlung beigefügt wird, wenn die Betriebseinnahmen unter 17.500,- Euro liegen, ist ausgelaufen. Auf Verlangen des Finanzamts muss der steuerpflichtige Gewerbetreibende die Betriebseinnahmen und- ausgaben in Art und Höhe erläutern und glaubhaft machen. Es ist daher ratsam, Belege zu sammeln und bereits mit der Steuererklärung einzureichen.
2.2.2.    Bilanzierung
Eine Bilanz ist ein Betriebsvermögensvergleich zu Beginn und zum Ende des Wirtschaftsjahres (§ 3 Abs. 1 EStG). Zur Bilanzierung verpflichtet sind
  • ins Handelsregister eingetragene Kaufleute (vgl. § 238 Handelsgesetzbuch (HGB), § 140 AO) mit Ausnahme von Einzelkaufleuten, die bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten (§ 241a HGB) und
  • nicht eingetragene Kaufleute, wenn sie einen Umsatz von mehr als 600.000 Euro oder einen Gewinn von mehr als 60.000 Euro erzielen (§ 141 AO).

2.3. Was sind Betriebsausgaben?

Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst worden sind. Bei den Betriebsausgaben sind für Existenzgründer insbesondere die Gründungs- und Anlaufkosten von Bedeutung. Gründungs- und Anlaufkosten können auch vor der eigentlichen Betriebseröffnung erbracht und steuerlich geltend gemacht werden. Beispiele für sogenannte vorweggenommene Aufwendungen sind unter anderem Planungskosten, Gründungskosten (z.B. Notarhonorar), Kosten der Kapitalbeschaffung, Kosten für die Anschaffung von Büromaterial und -ausstattung sowie Kosten für Wareneinkäufe.
Zudem sind die besonderen Regelungen der Abschreibung (Absetzung für Abnutzung (AfA)) von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens - und dabei gesondert von geringwertigen Wirtschaftsgütern - zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 EStG bzw. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG). Für weitere Informationen siehe unser Merkblatt „Absetzung für Abnutzung: AfA-Tabellen“, auf welches unter Punkt 7. verwiesen wird.
Betriebsausgaben sind dem Finanzamt gegenüber - spätestens auf Nachfrage - bei der jeweiligen Steuererklärung durch Einreichung von Belegen nachzuweisen. Für bestimmte nebenberufliche (freiberufliche) Tätigkeiten, nämlich wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit sowie Vortrags-, Lehr- und Prüfungstätigkeit, besteht die Möglichkeit des pauschalen Betriebsausgabenabzugs (vgl. Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 21.1.1994 (Bundessteuerblatt I, S. 112)). Das heißt, dass bei der Steuererklärung 25 % der Betriebseinnahmen, höchstens jedoch 613,55 Euro pro Jahr, pauschal ohne Nachweis der tatsächlichen Ausgaben als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. Zudem kann der Steuerpflichtige höhere tatsächliche Werbungskosten nachweisen und absetzen.

2.4. Wie wird die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ermittelt?

Die Ermittlung des steuerlich anzusetzenden Einkommens erfolgt für die jeweiligen Einkunftsarten, also auch für die unternehmerische Nebentätigkeit, separat. Dabei sind die auf die gewerbliche Nebentätigkeit entfallenden Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen  abzuziehen.
Grundlage für die Berechnung der Einkommensteuerschuld ist das zu versteuernde Einkommen, das sich aus der Summe des jeweils ermittelten Gewinns bzw. Überschusses der einzelnen Einkunftsart ergibt. 
Die Ermittlung des tatsächlich zu versteuernden Einkommens sieht (vereinfacht) folgendermaßen aus:
Einkünfte aus Land- und Forstbetrieb
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
abzüglich Freibetrag nach § 14 Abs. 4 EStG
+
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
dazu gehört auch ein Veräußerungsgewinn (§§ 16, 17 EStG)
+
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
dazu gehört auch ein Veräußerungsgewinn (§ 18 Abs. 3 EStG)
+
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn des Kalenderjahres
abzüglich Werbungskosten (ggf. Arbeitnehmerpauschbetrag von derzeit 1.000 Euro)
+
Einkünfte aus Kapitalvermögen,
soweit sie nicht der Abgeltungssteuer unterlegen haben
Kapitalertrag (§ 32 d Abs. 6 EStG) des Kalenderjahres
abzüglich ggf. Sparerpauschbetrag
+
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
abzüglich Werbungskosten
+
z.B. Renten
abzüglich Werbungskosten
=
Summer der Einkünfte
-
  • Altersentlastungsbetrag (§ 24 a EStG)
  • Verlustvor- bzw. -rücktrag (§ 10 d EStG, siehe hierzu unten)
  • Sonderausgaben (in der Reihenfolge §§ 10, 10c, 10a, 10b EStG) wie
    Krankenversicherungsbeiträge, Sonderausgabenpauschbetrag, Altersvorsorgebeiträge, Spenden
  • Außergewöhnliche Belastungen (§ 33 bis 33b EStG)
  • ggf. Kinderfreibeträge (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG)
=
zu versteuerndes Einkommen

2.5. Wie wirken sich Anlaufverluste aus?

Wenn bei der Nebentätigkeit zunächst Verluste (Einnahmen-Betriebsausgaben=negativer Betrag) anfallen, ist die Verlustverrechnung (§ 10d EStG) von Bedeutung. Grundsätzlich werden Kosten bei der Einkunftsart abgezogen, bei welcher sie anfallen und auch in dem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum), in welchem sie anfallen. Werden durch die gewerbliche Nebentätigkeit Verluste erwirtschaftet, mindern diese Verluste zunächst die Summe der Einkünfte für das Kalenderjahr. Ergibt sich für diese Summe der Einkünfte ebenfalls ein negativer Betrag, gibt es die Möglichkeit des Verlustrücktrags, wobei die negativen Einkünfte bis zu insgesamt 1.000.000 Euro vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen vom Gesamtbetrag der Einkünfte des vorangegangenen Veranlagungszeitraums abgezogen werden. Außerdem kann der Verlust in folgenden Veranlagungszeiträumen steuermindernd berücksichtigt werden (sogenannter Verlustvortrag). Der Verlustvortrag muss formal von dem zuständigen Finanzamt festgestellt werden. Der Verlustvortrag umfasst die Verluste aus allen Einkunftsarten, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden und deren Ausgleich nicht ausgeschlossen ist. Diese Verluste können in folgenden Jahren von den Einkünften abgezogen werden. Hierbei sind gewissen Verlustabzugsbeschränkungen zu beachten.

2.6. Welche besonderen Freibeträge gibt es?

Für Einkünfte aus nebenberuflicher Tätigkeit gibt es generell keine besonderen Freibeträge.
Bei einer freiberuflichen Nebentätigkeit (§ 18 EStG) als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder Betreuer, sowie für nebenberufliche Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen besteht ein spezieller Steuerfreibetrag (§ 3 Nr. 26 EStG). Voraussetzung ist allerdings, dass die Nebentätigkeit innerhalb eines Kalenderjahres nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt. Die Einnahmen aus den genannten Tätigkeiten bleiben im Jahr in Höhe von bis zu 2.400 Euro steuerfrei (sog. Übungsleiterfreibetrag). Wird der Übungsleiterfreibetrag genutzt, ist eine pauschale Geltendmachung von Werbungskosten bzw. Geltendmachung von Werbungskosten (Punkt 2.3.) nicht möglich. Es können lediglich Werbungskosten über 2.400 Euro geltend gemacht werden. Diese müssen nachgewiesen werden.
Ein weiterer Freibetrag besteht für ehrenamtliche Helfer gemeinnütziger Einrichtungen in Höhe von jährlich 720 Euro (§ 3 Nr. 26 a EStG).
Diese steuerfreien Einkünfte sollten in der Einkommensteuererklärung als sonstige Einkünfte in der Anlage N in Zeile 27 erklärt werden.

2.7. Wie wird die Einkommen-Steuerschuld berechnet?

Nach der getrennten Gewinnermittlung der jeweiligen Einkunftsarten wird das Einkommen zu einem zu versteuernden Einkommen zusammengefasst und wie folgt mit dem individuellen Steuersatz belegt:
2017
2018 2019
2020
steuerfreier Grundfreibetrag
8.820 Euro
9.000 Euro
9.168 Euro
9.408 Euro
Progressionszone mit ansteigenden  Steuersätzen
14 % bis 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
14 % bis 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
14 % bis 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
4 % bis 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
1. Grenzsteuersatz von
- ab einem zu versteuernden Einkommen von
42 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 54.058 Euro
42 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 54.950 Euro
42 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 55.961 Euro
42 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 57.052 Euro
aber
2. Grenzsteuersatz von
- ab einem zu versteuernden Einkommen von (Reichensteuer)

45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 256.304 Euro
45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 260.533 Euro
45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 265.327 Euro
45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)
- 270.501
Grundtabelle für eine natürliche Person
Mit der Einkommensteuer fallen zugleich der Solidaritätszuschlag (5.5 % auf die Einkommensteuerschuld) und gegebenenfalls Kirchensteuer an.
Die Einkommensteuererklärung ist bis zum 31. Juli des folgenden Kalenderjahres bei dem zuständigen Finanzamt auf den amtlichen Vordrucken einzureichen. Wird die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch genommen, verlängert sich diese Frist auf den darauf folgenden letzten Tag des Monats Februar. Beispiel: Die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2020 ist bis zum 31. Juli 2021 abzugeben; mit Steuerberater ist die Erklärung erst am 28. Februar 2022 abzugeben.

3. Welche Steuer fällt an, wenn die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gewählt wird?

Eine Kapitalgesellschaft (z. B. Unternehmergesellschaft, GmbH, AG) unterliegt als juristische Person als eigenständiges Steuersubjekt der Körperschaftsteuerpflicht. Somit ist die Körperschaftsteuer eine „Sonderform der Einkommensteuer“ für Kapitalgesellschaften. Auf den Gewinn der Gesellschaft entfallen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Der Körperschaftsteuersatz beträgt 15 % plus 5,5 % Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuerschuld. Der Gewinn wird durch den Betriebsvermögensvergleich nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ermittelt, dabei gelten auch die Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG).

4. Gewerbesteuer

Gewerbliche Einkünfte unterliegen der Gewerbesteuer.

4.1. Wann liegt eine der Gewerbesteuer unterliegende gewerbliche Tätigkeit vor?

Die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit ist oft schwierig. Zur Orientierung, ob es sich bei der Nebentätigkeit um eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit handelt, kann der Katalog der gewerblichen bzw. der freien Berufe nach dem Einzelhinweis H 15.6 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) herangezogen werden. Die Entscheidung, ob eine freiberufliche oder eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, trifft das für den Steuerpflichtigen zuständige Wohnsitz-Finanzamt.
Wenn für die Nebentätigkeit eine Kapitalgesellschaft gegründet wurde, handelt es sich bei den Einkünften durch die Rechtsform grundsätzlich um gewerbliche Einkünfte, die der Gewerbesteuer unterliegen.
Bei einem Personenunternehmen, z. B. einer GbR, ist Steuerschuldner der Gewerbesteuer, das Personenunternehmen selber. Dies ist anders als bei der Einkommensteuer, wo die Einkünfte beim Gesellschafter/Mitunternehmer der Besteuerung unterliegen.

4.2. Was ist die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer?

Die Gewerbesteuer wird auf den sogenannten Gewerbeertrag erhoben und an die Gemeinden (in Hamburg das Finanzamt) abgeführt. Ausgangspunkt der Berechnung der Besteuerungsgrundlage ist der ermittelte Gewinn aus dem Gewerbebetrieb (vgl. Punkt 3.2). Die Gewerbesteuerschuld wird sodann entsprechend der besonderen Regelungen des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinsichtlich Hinzurechnungen und Kürzungen (§§ 8 und 9 GewStG) errechnet.
Alle gewerbesteuerpflichtigen Einzelunternehmen und Personengesellschaften, deren Gewerbebetrag im Erhebungszeitraum den gewerbesteuerlichen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro übersteigt, und alle Kapitalgesellschaften, für die es keinen Freibetrag gibt, müssen eine Gewerbesteuererklärung abgeben (§ 25 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung). Die Gewerbesteuererklärung muss jährlich in Hamburg bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden.
Gewerbliche Einkünfte mindern die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer um das 3,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum festgesetzten Steuermessbetrags (§ 35 EStG).
Wenn sich bei der Berechnung des Gewerbeertrags (nach den Vorschriften des EStG oder des KStG ermittelte Gewinn/Verlust (Punkt 3.2.), vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen nach §§ 8 und 9 GewStG) ein negativer Gewerbeertrag ergibt, handelt es sich um einen sogenannten Gewerbeverlust. Dieser Gewerbeverlust ist vortragsfähig (§ 10a GewStG). Die Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist vom zuständigen Finanzamt in dem Veranlagungszeitraum der Entstehung gesondert festzustellen (§ 10a S. 6 GewStG).

4.3. Wie wird die Gewerbesteuerschuld berechnet?

Gewerbeertrag
x 3,5 % =
Steuermessbetrag
Steuermessbetrag
x 470 % =
Gewerbesteuerschuld
Der Gewerbeertrag wird multipliziert mit der Steuermesszahl (§ 11 GewStG), die bundeseinheitlich seit 2008 3,5% beträgt. Einzelunternehmen und Personengesellschaften müssen beachten, vor der Multiplikation des Gewerbeertrags mit 3,5 % ihren Gewerbesteuerfreibetrag von 24.500 Euro vom Gewerbeertrag abzuziehen. Das Produkt aus dem sich somit ergebenden Gewerbeertrag mit der Steuermesszahl wird als Steuermessbetrag bezeichnet. Die Steuer wird auf der Basis des Steuermessbetrags mit einem Hebesatz (mindestens 200 %) festgesetzt, der von der hebeberechtigten Gemeinde festgelegt wird (§ 16 GewStG). In Hamburg beträgt der Hebesatz derzeit 470 %. Für Kapitalgesellschaften in Hamburg ergibt sich durch den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag von 3,5 % multipliziert mit dem Hebesatz von 470 % eine gewerbesteuerliche Belastung von 16,45 %.  

5. Umsatzsteuer

Jede Warenlieferung und Dienstleistung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, unterliegt der Umsatzsteuer (§ 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)). Ebenso sind die Entnahme von Waren und Dienstleistungen aus dem Unternehmen für nicht unternehmerische Zwecke sowie die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Waren und Dienstleistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Bestimmte Umsätze sind von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 UStG).
Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist der Unternehmer (§ 13a UStG). Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbst ausübt (§ 2 UStG). Das UStG geht davon aus, dass ein Personenunternehmen (z.B. die GbR) einem Unternehmer gleichgestellt und somit eigenes Steuersubjekt ist.
Die Umsatzsteuer ist während des Jahres innerhalb eines Voranmeldezeitraums beim Finanzamt anzumelden (Umsatzsteuer-Voranmeldung) und nach Abzug der Vorsteuer ist die Zahllast zu entrichten. Als Existenzgründer ist der Unternehmer in den ersten zwei Kalenderjahren zur monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet.
Hinweis: Die generelle Verpflichtung zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Neugründer wird vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 ausgesetzt. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 hat das BMF diese Maßnahme weiter konkretisiert. Demnach gilt in Neugründungsfällen § 18 Abs. 1 und 2 UStG, wonach der Voranmeldungszeitraum grundsätzlich das Kalendervierteljahr ist, es sei denn, die Steuer beträgt für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7.500 Euro. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr also mehr als 7.500 Euro bleibt es auch in Neugründungsfällen beim Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum. Für die Bestimmung des Voranmeldungszeitraums in dem Kalenderjahr der Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit ist die voraussichtliche Steuer dieses Jahres maßgebend; im folgenden Kalenderjahr ist die tatsächliche Steuer des Vorjahres in eine Jahressteuer umzurechnen. Auch für Neugründungsfälle im Jahr 2020 gelten im Besteuerungszeitraum 2021 die vorgenannten Grundsätze, wobei die tatsächliche Steuer des Jahres 2020 in eine Jahressteuer umzurechnen ist.

Weitere Details können Sie dem Schreiben des BMF vom 16. Dezember 2020 entnehmen.
Das UStG hat Sonderregelungen für sogenannte Kleinunternehmer (§ 19 UStG). Bei Unternehmen, deren Umsatz im Jahr der Gründung voraussichtlich 17.500 Euro (seit 1.1.2020: 22.000 Euro) einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer nicht übersteigt, wird keine Umsatzsteuer erhoben. Wenn ein Unternehmer seine Tätigkeit während eines Kalenderjahres beginnt, ist der voraussichtlich erzielbare Umsatz der restliche Monate des Kalenderjahres in einen Jahresumsatz umzurechnen. Kleinunternehmer dürfen keine Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausweisen. Entsprechendes gilt für Folgejahre, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
  • der Umsatz im Vorjahr lag nicht über 17.500 Euro (seit 1.1.2020: 22.000 Euro) und
  • im laufenden Jahr wird er voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen.
Im Falle der Anwendung der Kleinunternehmerregelung kann dieser allerdings keine Vorsteuer geltend machen. Der Unternehmer kann aber auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt verzichten. Der Vorsteuerabzug ist dann möglich. Ein solcher Verzicht bindet den Unternehmer allerdings für 5 Jahre.

6. Welche Steuern müssen bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern beachtet werden?

Wird ein oder werden mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, müssen der  Arbeitgeber bei jeder Lohn- und Gehaltszahlung die Lohnsteuer (§ 41a EStG) sowie den Solidaritätszuschlag, ggf. die Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge beachten. Die Lohnsteuer ist eine Sonderform der Einkommensteuer. Sie wird durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben und vom Arbeitgeber an das zuständige Finanzamt abgeführt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Dezember 2020
Umsatzsteuer / Mehrwertsteuer

Rechnungshinweis: Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Sonstige Leistungen an Unternehmer, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) ansässig sind, sind in vielen Fällen nach § 3a Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerlich zu behandeln.
Danach sind diese Dienstleistungen nach § 3a Abs. 2 UStG grundsätzlich in dem Land (umsatz)steuerbar, in dem der Leistungsempfänger seinen Sitz hat. Das bedeutet, dass die Versteuerung in dem betreffenden EU-Land des Leistungsempfängers erfolgt. Aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben verlagert sich in diesen Fällen die Steuerschuld durch das so genannte "reverse-charge-Verfahren" auf den Leistungsempfänger mit der Folge, dass der (deutsche) Leistungserbringer eine Rechnung ohne Umsatzsteuer ausstellt und auf die Steuerschuld des Leistungsempfängers in seiner Rechnung hinweisen muss. 
Tipp: Nähere Informationen zum "reverse-charge-Verfahren" erhalten Sie im Dokument "Umsatzsteuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers".
Die entsprechenden Rechnungshinweise in den Amtssprachen der Europäischen Union finden Sie in der nachfolgenden Tabelle: 
Deutsch
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
Bulgarisch
обратно начисляване
Dänisch
omvendt betalingspligt
Englisch
Reverse Charge
Estnisch
pöördmaksustamine
Finnisch
käännetty verovelvollisuus
Französisch
Autoliquidation
Griechisch
Αντίστροφη επιβάρυνση
Holländisch
Btw verlegd
Italienisch
inversione contabile
Lettisch
nodokļa apgrieztā maksāšana
Litauisch
Atvirkštinis apmokestinimas
Maltesisch
Inverżjoni tal-ħlas
Polnisch
odwrotne obciążenie
Rumänisch
taxare inversă
Portugiesisch
Autoliquidação
Schwedisch
Omvänd betalningsskyldighet
Slowakisch
prenesenie daňovej povinnosti
Slowenisch
Reverse Charge
Spanisch
inversión del sujeto pasivo
Tschechisch
daň odvede zákazník
Ungarisch
fordított adózás
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Stand: April 2018
Gewerberecht

Informationspflichten für Dienstleister

Die Dienstleistungs–Informationspflichten-Verordnung sieht umfangreiche Informationspflichten des Dienstleistungserbringers gegenüber dem Dienstleistungsempfänger vor. Dieses Merkblatt informiert über Inhalt, Umfang und Art der jeweiligen Informationspflichten.

1. Wer muss die Informationspflichten der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) beachten?

1.1 Persönlicher Geltungsbereich der Informationspflichten

Die in der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) normierten Informationspflichten treffen grundsätzlich alle Dienstleistungserbringer, die in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG fallen. Einbezogen sind beispielsweise Gewerbetreibende in den Bereichen Handel, Gastronomie, Handwerk und IT-Dienstleistungen.
Da sich der Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie auch auf bestimmte freiberufliche Dienstleistungen erstreckt, sind die Informationspflichten der DL-InfoV - trotz ihrer Verankerung in der Gewerbeordnung (§§ 6 Absatz 1a, 6c GewO) - auch auf freiberufliche und sonstige Dienstleistungserbringer anwendbar, sofern diese in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen (zum Beispiel Rechts- und Steuerberater, Architekten etc.).
Die DL-InfoV findet sowohl auf Fälle Anwendung, in denen ein im Inland niedergelassener Dienstleistungserbringer unter Inanspruchnahme seiner Dienstleistungsfreiheit in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) tätig wird, als auch auf reine Inlandssachverhalte ohne grenzüberschreitenden Bezug (vergleiche § 1 Absatz 2 DL-InfoV).
Keine Geltung haben die in dieser Rechtsverordnung festgelegten Informationspflichten jedoch für Dienstleistungserbringer, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat oder EWR-Staat niedergelassen sind und unter Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit im Inland tätig werden (vergleiche § 1 Absatz 3 DL-InfoV). Sie unterliegen insoweit aber den entsprechenden Informationspflichten ihres Niederlassungsstaats, die hinsichtlich Inhalt, Umfang und Art den Informationspflichten der DL-InfoV als gemeinschaftsweit geltendem Mindeststandard weitgehend entsprechen müssten.

1.2 Ausnahmen für bestimmte Dienstleistungszweige

Vom Anwendungsbereich der Richtlinie (Artikel 2 Absatz 2 RL 2006/123/EG) ausdrücklich ausgenommen und somit nicht von den neu eingeführten Informationspflichten der DL-InfoV betroffen sind insbesondere folgende Tätigkeiten:
Finanzdienstleistungen das heißt neben den Bank-/Finanzdienstleistungen nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) sind das vor allem Dienstleistungen im Sinne von §§ 34, 34c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a bis 3 GewO (Pfandleiher, Darlehensvermittlung und Kapitalanlagenvermittlung und -beratung) und §§ 34d und 34e GewO (Versicherungsvermittlung- und -beratung).
Private Sicherheitsdienste das heißt insbesondere Tätigkeiten im Bereich der gewerbsmäßigen Bewachung, die nach § 34a GewO der Erlaubnis bedürfen.
Glücksspiele das heißt vor allem Tätigkeiten im Sinne von §§ 33c fortfolgend GewO, § 60a GewO (zum Beispiel Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos, Wetten etc.).
Verkehrsdienstleistungen, einschließlich des Personennahverkehrs, Taxis und Krankenwagen sowie Hafendienste (Erlaubnisbedürftig unter anderem nach § 2 Personenbeförderungsgesetz).
Ebenso sind Gesundheitsdienstleistungen, bestimmte soziale Dienstleistungen von staatlichen, staatlich beauftragten oder vom Staat als gemeinnützige anerkannten Einrichtungen, Dienstleistungen von Leiharbeitsagenturen, Dienstleistungen und Netze der elektronischen Kommunikation, audiovisuelle Dienste (zum Beispiel Kino, Fernsehen, Rundfunk), Tätigkeit von Notaren und Gerichtsvollziehern nicht vom Anwendungsbereich der Dienstleistungs-Richtlinie und somit auch nicht von dem der DL-InfoV erfasst.
Das bedeutet, dass sich für diese Bereiche nichts an den bereits bestehenden Informationspflichten ändert.

2. Welche Informationspflichten müssen Dienstleistungserbringer erfüllen?

2.1 Allgemeines

Die DL-InfoV unterscheidet zwischen Informationen, die der Dienstleistungserbringer stets von sich aus – also ungefragt – zur Verfügung zu stellen hat (§ 2 DL-InfoV) und Informationen, die er nur auf Anfrage zu erbringen hat (§ 3 DL-InfoV). Zusätzlich werden Regelungen hinsichtlich der erforderlichen Preisangaben getroffen (§ 4 DL-InfoV) und ein Verbot diskriminierender Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen normiert (§ 5 DL-InfoV).
Die vollständige Ausgabe der Regelung ist online einsehbar.

2.2 Maßgeblicher Zeitpunkt der Informationspflicht

Der Dienstleistungserbringer muss die nach §§ 2 bis 4 DL-InfoV notwendigen Informationen vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung in klarer und verständlicher Form zur Verfügung stellen.

2.3 Art und Weise der Informationsübermittlung

Hinsichtlich der Informationen, die nach § 2 DL-InfoV stets zur Verfügung zu stellen sind, hat der Dienstleistungserbringer die Wahl zwischen vier Möglichkeiten, in welcher Form und auf welche Weise er seinen Informationspflichten nachkommen möchte (§ 2 Absatz 2 DL-InfoV).
Er kann dem Dienstleistungsempfänger die Informationen
(1) von sich aus mitteilen,
(2) er kann sie am Ort der Leistungserbringung oder des Vertragsschlusses so vorhalten, dass sie dem Dienstleistungsempfänger leicht zugänglich sind,
(3) er kann sie dem Dienstleistungsempfänger über eine von ihm angegebene Internetadresse elektronisch leicht zugänglich machen oder
(4) die Informationen in allen von ihm dem Dienstleistungsempfänger zur Verfügung gestellten ausführlichen Informationsunterlagen über die angebotene Dienstleistung aufnehmen.

2.4 Vom Dienstleistungserbringer stets zur Verfügung zu stellende Informationen nach § 2 DL-InfoV

Die DL-InfoV führt 11 Informationspflichten ein, die der Dienstleistungserbringer stets zu erfüllen hat. Dabei handelt es sich um Informationspflichten, die zum großen Teil für bestimmte Adressatenkreise bereits heute aufgrund anderer Rechtsvorschriften wie z. B. des Telemediengesetzes (TMG) oder der BGB-Infopflichten-Verordnung (BGB-InfoV) gelten:

Name, Firma und Rechtsform, § 2 Absatz 2 Nummer 1 DL-InfoV

Der Dienstleistungserbringer muss seinen Familien- und Vornamen, bei rechtsfähigen Personengesellschaften (zum Beispiel offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG)) und juristischen Personen (zum Beispiel GmbH, AG oder Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG)) die Firma einschließlich ihrer Rechtsform angeben. Es ist davon auszugehen, dass bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GbR), die zumindest im Zivilrecht als teilrechtsfähig anerkannt werden, aber nicht unter einer Firma im Sinne des Handelsgesetzbuchs (HGB) auftreten können, die Familien- und Vornamen aller geschäftsführungsbefugten Gesellschafter und die Rechtsform anzugeben ist. Beim eingetragenen Kauffmann / Kauffrau (e. K. / e. Kffr.) wird auch die Angabe der Firma empfohlen, auch wenn sich dies dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen lässt.

Angaben zur Kontaktaufnahme, § 2 Absatz 1 Nummer 2 DL-InfoV

Der Dienstleistungserbringer muss die Anschrift seiner Niederlassung oder, sofern eine solche nicht existiert, wie zum Beispiel in vielen Fällen des Reisegewerbes, eine ladungsfähige Anschrift benennen. Ferner muss er weitere Angaben machen, die dem Dienstleistungsempfänger eine schnelle und unmittelbare Kontaktaufnahme ermöglichen, insbesondere müssen eine Telefonnummer und E-Mail-Adresse oder Faxnummer angegeben werden.
Angabe von Registereintragungen, § 2 Absatz 1 Nummer 3 DL-InfoV
Ist der Dienstleistungserbringer in einem öffentlichen Register eingetragen, so muss das jeweilige Register (Handels,- Vereins,- Partnerschafts,- oder Genossenschaftsregister) unter Angabe des Registergerichts und der Registernummer mitgeteilt werden.

Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, § 2 Absatz 1 Nummer 4 DL-InfoV

Werden Dienstleistungen erbracht, die einer behördlichen Zulassungspflicht (zum Beispiel Immobilienmakler, Bauträger, Versteigerer) unterliegen, so muss die zuständige Aufsichtsbehörde oder der einheitliche Ansprechpartner bzw. die einheitliche Stelle, einschließlich Name und Anschrift benannt werden.
Hinweis: Bei einer Sitzverlegung kann sich die zuständige Aufsichtsbehörde ändern. Sie muss daher nicht zwangsläufig mit der Behörde identisch sein, welche die Erlaubnis erteilt hat.

Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, § 2 Absatz 1 Nr. 5 DL-InfoV

Eine für die Teilnahme am innergemeinschaftlichen Handel vom Bundesamt für Finanzen erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss angegeben werden.

Angaben bei reglementierten Berufen, § 2 Absatz 1 Nr. 6 DL-InfoV

Zu den reglementierten Berufen zählen solche, deren Zugang gesetzlich geregelt ist (zum Beispiel bei Rechtsanwälten, Ärzten etc.) und solche, bei denen das Führen der betreffenden Berufsbezeichnung von bestimmten Voraussetzungen abhängt (zum Beispiel bei Logopäden, Physiotherapeuten etc.). Der Dienstleistungserbringer muss in diesen Fällen die gesetzliche Berufsbezeichnung, sowie den Staat, in dem sie verliehen wurde, benennen und – falls vorhanden – über die Mitgliedschaft in einer Kammer, einem Berufsverband oder einer ähnlichen Einrichtung unter Angabe von deren/dessen Namen informieren.

Angaben zu allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs), § 2 Absatz 1 Nummer 7 DL-InfoV

Verwendet der Dienstleistungserbringer allgemeine Geschäftsbedingungen, das heißt für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss einseitig gestellt werden (vergleiche § 305 BGB), muss er diese dem Dienstleistungsempfänger zur Verfügung stellen. Dies gilt im übrigen auch gegenüber Unternehmern, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlichen Sondervermögen, auch wenn die AGBs gegenüber diesem Adressatenkreis nach den zivilrechtlichen Bestimmungen selbst dann Vertragsbestandteil werden können, wenn nicht auf sie hingewiesen wurde und keine Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand (vergleiche §§ 310 Absatz 1, 305 Absatz 2 BGB).

Angaben zum anwendbaren Recht und Gerichtsstand, § 2 Absatz 1 Nummer 8 DL-InfoV

Sofern der Dienstleistungsempfänger Vertragsklauseln über das auf den Vertrag anwendbare Recht und/oder über den Gerichtsstand verwendet, muss er dies dem Dienstleistungsempfänger mitteilen.

Angaben zu angebotenen Garantien, § 2 Absatz 1 Nummer 9 DL-InfoV

Bietet der Dienstleistungserbringer Garantien an, die über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hinausgehen, muss er diese gegenüber dem Dienstleistungsempfänger offenbaren, selbst wenn dieser ein Unternehmer im Sinne des § 14 BGB ist, auf den entsprechende Sonderbestimmungen des im BGB geregelten Verbrauchsgüterkaufs nicht anwendbar sind.

Angaben zur Dienstleistung, § 2 Absatz 1 Nummer 10 DL-InfoV

Der Dienstleistungserbringer muss die wesentlichen Merkmale der Dienstleistung mitteilen, soweit sich diese nicht bereits aus dem Zusammenhang ergeben.

Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung, § 2 Absatz 1 Nummer 11 DL-InfoV

Der Dienstleistungserbringer muss Angaben zu einer bestehenden Berufshaftpflichtversicherung machen, insbesondere Namen und Anschrift des Versicherers, sowie den räumlichen Geltungsbereich der Versicherung. Angaben zur Versicherungshöhe müssen nicht gemacht werden.

2.5 Vom Dienstleistungserbringer auf Anfrage zur Verfügung zu stellende Informationen

nach § 3 DL-InfoV
Folgende Informationen muss der Dienstleistungserbringer nur auf Anfrage zur Verfügung stellen. Allerdings gehen Rechtsvorschriften, welche die Mitteilung dieser Informationen in bestimmten Fällen zwingend vorschreiben (z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 5c Telemediengesetz (TMG)), dieser Regelung vor.

Angaben zu berufsrechtlichen Regelungen, § 3 Absatz 1 Nummer 1 DL-InfoV

Werden Dienstleistungen in Ausübung eines reglementierten Berufs (vergleiche § 2 Abs. 1 Nummer 6 DL-InfoV) erbracht, so muss der Dienstleistungserbringer auf Anfrage auf die für ihn geltenden berufsrechtlichen Regelungen verweisen (zum Beispiel BundesrechtsanwaltsO, BundesnotarO) und darüber informieren, wie diese zugänglich sind.

Angaben zu ausgeübten multidisziplinären Tätigkeiten, § 3 Absatz 1 Nummer 2 DL-InfoV

Auf Anfrage muss der Dienstleistungserbringer auch Auskunft geben über gemeinsam ausgeübte multidisziplinäre Tätigkeiten und den mit anderen Personen bestehenden beruflichen Gemeinschaften, die in direkter Verbindung zur Dienstleistung stehen, und zusätzlich über Maßnahmen, die zur Vermeidung von Interessenkonflikten getroffen worden sind, soweit dies erforderlich ist, weil die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit des Dienstleistungserbringers gefährdet sein könnte.

Angaben zu geltenden Verhaltenskodizes, § 3 Absatz 2 Nummer 3 DLInfoV

Der Dienstleistungserbringer muss auf Anfrage die Verhaltenskodizes mitteilen, denen er sich unterworfen hat, die Internetadresse, unter der diese elektronisch abgerufen werden können und die Sprachen, in denen diese vorliegen.

Angaben zu außergerichtlichen Schlichtungsverfahren, § 3 Absatz 2 Nummer 4 DL-InfoV

Unterliegt der Dienstleistungserbringer einem bestimmten Verhaltenskodex oder gehört er einer Vereinigung an, der oder die ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren vorsieht, muss er auf Anfrage Angaben zu diesem Schlichtungsverfahren, insbesondere zum Zugang zum Verfahren und zu näheren Informationen über dessen Voraussetzungen machen.
Hinweis: Stellt der Dienstleistungserbringer dem Dienstleistungsempfänger ausführliche Informationsunterlagen zum Beispiel Broschüren, Kataloge etc. zur Verfügung, muss er sicherstellen, dass alle diese Informationsunterlagen die Angaben zu multidisziplinären Tätigkeiten (§ 3 Absatz 1 Nummer 2 DL-InfoV), evtl. geltende Verhaltenskodizes (§ 3 Absatz 1 Nummer 3 DL-InfoV) und evtl. möglichen außergerichtlichen Schlichtungsverfahren (§ 3 Absatz 1 Nummer 4 DL-InfoV) enthalten (vergleiche § 3 Absatz 2 DL-InfoV).

2.6 Erforderliche Preisangaben nach § 4 DL-InfoV

Sofern er den Preis für eine Dienstleistung im Vorhinein festgelegt hat, muss der Dienstleistungserbringer diesen in der unter Punkt 2.2 erörterten Weise zum maßgeblichen Zeitpunkt wie unter Punkt 2.3 erörtert mitteilen (vergleiche § 4 Absatz 1 Nummer 1 DL-InfoV).
Sofern er den Preis nicht im Vorhinein festgelegt hat, muss er auf Anfrage den Preis der Dienstleistung mitteilen oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, entweder die näheren Einzelheiten der Berechnung, anhand derer der Dienstleistungsempfänger die Höhe des Preises leicht errechnen kann, oder einen Kostenvoranschlag zur Verfügung stellen (§ 4 Absatz 1 Nummer 2 DL-InfoV)
Für Preisangaben gegenüber privaten Letztverbrauchern, die die Dienstleistungen unmittelbar in Anspruch nehmen bzw. denen die angebotene Leistung oder ihr Ergebnis unmittelbar zugute kommt, enthält die Preisangabenverordnung bereits abschließende über die hier normierten Regelungen hinausgehende Pflichten (Merkblatt). § 4 DL-InfoV findet daher nur auf Preisangaben gegenüber Dienstleistungsempfängern Anwendung, die nicht Verbraucher sind.

2.7 Verbot diskriminierender Bestimmungen nach § 5 DL-InfoV

Der Dienstleistungserbringer darf keine Bedingungen für den Zugang zu einer Dienstleistung bekannt machen, die auf der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz des Dienstleistungsempfängers beruhende diskriminierende Bedingungen enthalten. Dies gilt nicht für Unterschiede bei den Zugangsbedingungen, die unmittelbar durch objektive Kriterien gerechtfertigt sind. Solche objektiven Kriterien können zu von Land zu Land unterschiedliche entfernungsabhängige Zusatzkosten, unterschiedliche Marktbedingungen wie saisonbedingte stärkere oder geringere Nachfrage sein.

2.8 Verhältnis zu Informationspflichten aufgrund anderer Rechtsvorschriften

Weitergehende Informationspflichten, die sich insbesondere dem Telemediengesetz, der BGB-Informationspflichten-Verordnung und der Preisangabenverordnung sowie dem Handelsgesetzbuch, dem GmbH-Gesetz und dem Aktiengesetz entnehmen lassen, bleiben unberührt. In der Regel handelt es sich um Regelungen, die parallele Informationspflichten enthalten, die aber nur auf einen eingeschränkten Adressatenkreis Anwendung finden.

Checkliste für gegebenenfalls zu beachtende Vorschriften:

Gewerbetreibender ohne HR-Eintrag: §§ 1-4 DL-InfoV; §§ 5, 6 TMG; §§ 1-9 PangV; §§ 1-3 BGB-InfoV (§§ 4-11 nur für Reiseveranstalter).
Eingetragener Kaufmann: wie Gewerbetreibender ohne HR-Eintrag zuzüglich §§ 37a HGB
Handelsgesellschaft (OHG, KG, etc.): wie Gewerbetreibender ohne HR-Eintrag zuzüglich §§ 125a, 177a HGB
GmbH: wie Gewerbetreibender ohne HR-Eintrag zuzüglich §§ 35a, 69, 71 Absatz 5 GmbHG
Aktiengesellschaften: wie Gewerbetreibender ohne HR-Eintrag zuzüglich § 80 AktG

3. Mit welchen Folgen ist bei einem Verstoß gegen die Pflichten der DL-InfoV zu rechnen?

Werden stets erforderliche Angaben nach § 2 Absatz 1 DL-InfoV, auf Anfrage mitzuteilende Informationen nach § 3 Absatz 1 DL-InfoV oder erforderliche Preisangaben nach § 4 Absatz 1 DL-InfoV vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Wiese oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt, so handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten nach § 6 Nummer 1 DL-InfoV, die mit einem Bußgeld bis zu 1.000 Euro geahndet werden können.
Mit einem Bußgeld bis zur selben Höhe kann geahndet werden, wenn ein Dienstleistungserbringer nicht sicherstellt, dass die in § 3 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 DL-InfoV genannten Informationen in jeder ausführlichen Informationsunterlage enthalten sind oder entgegen § 5 DLInfoV diskriminierende Bestimmungen für den Zugang zu einer Dienstleistung bekannt macht.
Anmerkung:
Dieses Merkblatt dient als erste Orientierungshilfe und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Trotz sorgfältiger Recherchen bei der Erstellung dieses Merkblatts kann eine Haftung für den Inhalt nicht übernommen werden. Die in diesem Merkblatt dargestellten Erläuterungen erfolgen vorbehaltlich etwaiger Änderungen durch anstehende verordnungsrechtliche oder gesetzliche Änderungen.
Einkommensteuer und Lohnsteuer

Kirchensteuer in Hamburg

Nach den Kirchensteuerbeschlüssen ab dem Kalenderjahr 2015 werden in Hamburg je neun Prozent als Zuschlag zur Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer für die evangelisch-lutherische Kirchensteuer, für die römisch-katholische Kirchensteuer, für die Kultussteuer der jüdischen Gemeinde Hamburg, für die Kirchensteuer des katholischen Bistums der Alt-Katholiken sowie für die Kirchensteuer der evangelisch-reformierten Kirche von den Arbeitgebern oder von den Kapitalertragsteuerabzugsverpflichteten erhoben. Die Kirchensteuer beträgt höchstens 3 v.H. des zu versteuernden Einkommens bzw. des auf das zu versteuernde Einkommen umzurechnenden Arbeitslohns, von dem die Lohnsteuer berechnet wird (Kappung).
Mit Erlass vom 25. Juni 2009 hat die Finanzbehörde Hamburg über Änderungen bei der Verwaltung der Kirchensteuer ab 1. Januar 2010 informiert, die durch Genehmigung des Antrags der Alt-Katholiken in Deutschland auf Erhebung der Kirchensteuer durch staatliche Behörden eintreten. Das Religionsmerkmal der Alt-Katholiken lautet „ak” und die Steuer ist in der Lohnsteuer-Anmeldung unter „Kz.63” zu erfassen.
Die evangelisch-reformierte Kirche in Hamburg erhebt einen Kirchenbeitrag von allen Kirchengliedern, die gemäß Mitgliederverzeichnis bereits vor dem 1. Januar 2012 Kirchenglied der evangelisch-reformierten Kirche in Hamburg waren. Die evangelisch-reformierte Kirche erhebt die Kirchensteuer von allen Kirchengliedern, die nach dem 31. Dezember 2011 Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche in Hamburg geworden sind. Die evangelisch-reformierte Kirche hat die Verwaltung der Kirchensteuer ihrer Neu-Mitglieder (Religionsschlüssel „rf“ und „fr“) ab dem 1. Januar 2014 auf staatliche Behörden in der Freien und Hansestadt Hamburg übertragen. Die Kirchensteuer als Zuschlag zur Lohnsteuer (Kirchenlohnsteuer) der Neu-Mitglieder wird durch die Arbeitgeber als evangelische Kirchensteuer einbehalten und abgeführt. Die Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer (Kircheneinkommensteuer) der Neu-Mitglieder wird durch die Finanzbehörden als evangelische Kirchensteuer erhoben.
Bei Pauschalierung der Lohnsteuer beträgt die Kirchensteuer bzw. Kultussteuer 4 Prozent (Vereinfachtes Verfahren). Weist der Arbeitgeber nach, dass einzelne Arbeitnehmer keiner Kirche angehören, ist insoweit Kirchensteuer bzw. Kultussteuer nicht zu erheben. Für die übrigen Arbeitnehmer beträgt die Kirchensteuer bzw. Kultussteuer 9 Prozent der jeweiligen pauschalen Lohnsteuer (Nachweisverfahren).
Die Kirchensteuer bzw. Kultussteuer auf die pauschale Lohnsteuer ist im Verhältnis 70 : 29,5 : 0,5 auf die evangelisch-lutherische Kirche, die römisch-katholische Kirche und die jüdische Gemeinde Hamburg aufzuteilen, soweit der Arbeitgeber die Kirchensteuer nicht durch Individualisierung der jeweils steuerberechtigten Körperschaft zuordnet. Dieser Aufteilungsschlüssel ergab sich dadurch, dass auf Antrag der Jüdischen Gemeinde in Hamburg seit dem 1. Januar 2006 auch deren Kultussteuer, die der Kirchensteuer der evangelischen und römischkatholischen Kirche entspricht, durch die Finanzämter verwaltet wird. Nach dem Erlass der Finanzbehörde vom 17. Oktober 2005 ist die Kultussteuer in der Lohnsteuer-Anmeldung unter Kz. 64 zu erfassen; das Religionsmerkmal der Jüdischen Gemeinde Hamburg ist jh.
An der Aufteilung der pauschalen Lohnsteuer nehmen die Alt-Katholiken und die evangelisch-reformierte Kirche nicht teil, so dass der Aufteilungsschlüssel mit 70, 29,5 und 0,5 Prozent für die evangelische und die römisch-katholische Kirchensteuer sowie für die jüdische Kultussteuer unverändert bleibt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2020
Umsatzsteuer

Zusammenfassende Meldung (ZM)

Aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 1 der Steuerdatenübermittlungsverordnung durch Artikel 6 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl. I 2011, S. 2131, Nr. 55) ist seit dem 1.1.2013 bei der elektronischen Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung ein sicheres Verfahren zu verwenden, das den Datenübermittler authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes gewährleistet.
Zusammenfassende Meldungen können nur noch über die bereits bestehenden Zugänge des Online-Portals des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt), das Elster-Online-Portal und Elster-Formular übermittelt werden.

1. Was ist der Hintergrund der ZM-Regelung?

Die Zusammenfassende Meldung ist ein Kernstück des Umsatzsteuer-Kontrollverfahrens innerhalb der Europäischen Union, das eingeführt wurde, um nach dem Wegfall der Binnengrenzen der EU und der Abschaffung der Einfuhrumsatzsteuer innerhalb der EU das Steueraufkommen der einzelnen Mitgliedstaaten zu sichern. Das Kontrollverfahren beruht auf einem rechnergestützten EU-weiten Informationsaustausch bestimmter Daten, die in Deutschland gespeichert sind beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Grundlage der Datenerfassung und damit auch Voraussetzung für die Teilnahme am EU-Binnenmarkt ist die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.), die in Deutschland vom BZSt an Unternehmer auf Antrag vergeben wird. Wer sie besitzt, kann steuerfrei in einen anderen EU-Mitgliedstaat liefern, sofern auch der Erwerber eine gültige USt-IdNr. besitzt und der Erwerb des Gegenstandes beim Abnehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Unternehmer können sich beim Bundeszentralamt für Steuern die USt-IdNrn. ausländischer Unternehmer bestätigen lassen. Umgekehrt können sich ausländische Unternehmer bei ihrer zentralen Behörde deutsche USt-IdNrn. bestätigen lassen
Tipp: Weiterführende Informationen finden sich im Dokument "Warenhandel in der EU".
Die in der Zusammenfassenden Meldung angegebenen Daten können über ein Automationsverfahren von jeder Finanzbehörde eines EU-Mitgliedstaates für Zwecke ihres Veranlagungsverfahrens bei der jeweils zuständigen Behörde abgefragt werden. Können bestehende Zweifel anhand dieser Daten nicht ausgeräumt werden, hat jede Finanzbehörde das Recht, über ein Einzelauskunftsersuchen bei der jeweils zuständigen Behörde (in der Bundesrepublik Deutschland das Bundeszentralamt für Steuern) weitere Auskünfte einzuholen.
Hinweis: Die ZM ist nicht mit der Meldung Intrastat zu verwechseln. Die Intrastat-Meldung wird beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden abgegeben.

2. Wer ist zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung verpflichtet?

Meldepflichtig ist jeder Unternehmer, der während eines Meldezeitraums (in der Regel der Kalendermonat)
  • steuerfreie innergemeinschaftliche Warenlieferungen und/oder
  • Lieferungen im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (nach § 25 b Abs. 2 UStG) ausgeführt hat und/oder
  • der grenzüberschreitende sonstige Leistungen an Unternehmer ausführt, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet (reverse charge, entspricht unserem § 13 b UStG). Nur diejenigen Leistungen, die aufgrund der Regel des § 3a Abs. 2 UStG beim Leistungsempfänger in der EU steuerbar sind, sind gesondert in der Zusammenfassenden Meldung und in der Zeile 41 der Umsatzsteuervoranmeldung zu melden. In der Umsatzsteuervoranmeldung ist in den Zeilen 48 bis 52 auch entsprechend die gesonderte Meldung des Leistungsbezugs für EU-Leistungen nach § 13b UStG vorzunehmen.
Ausgenommen von der Meldepflicht sind umsatzsteuerliche Kleinunternehmer i.S.d. § 19 Abs. 1 UStG (Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG im vorangegangenen Geschäftsjahr maximal 22.000 Euro (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) und im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich maximal  50.000 Euro).
Die Meldepflicht trifft auch ausländische Unternehmen, die umsatzsteuerlich relevante Umsätze im Inland ausführen. Hier besteht allerdings seit 1997 die Möglichkeit der Fiskalvertretung, wenn es sich ausschließlich um steuerfreie Umsätze handelt und Vorsteuerbeträge nicht abgezogen werden.
Tipp: Über die Einzelheiten informieren im Dokument "Fiskalvertretung für ausländische Unternehmen in Deutschland".
Nichtselbständige juristische Personen i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (Organgesellschaften) haben neben ihrem Organträger, dem ihre Umsätze umsatzsteuerrechtlich zuzurechnen sind, eine eigene ZM abzugeben und benötigen dazu auch eine eigene USt-IdNr..
Die Pflicht zur Abgabe einer ZM erstreckt sich auch auf pauschalierende Land- und Forstwirte, soweit diese meldepflichtige Umsätze ausführen.

3. Was ist zu melden (meldepflichtige Umsätze)?

Nach § 18 a Umsatzsteuergesetz (UStG) ist jeder Unternehmer mit Ausnahme der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmer (§ 19 UStG) meldepflichtig, der
  • steuerfreie innergemeinschaftlichen Warenlieferungen im Sinne des § 6a Abs. 1 und § 6a Abs. 2 UStG und/oder
  • Lieferungen im Sinne des § 25 b Abs. 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften und/oder
  • im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen im Sinne des neuen § 3a Abs. 2 UStG ausgeführt hat, für die der in dem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet.
a) Innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18 a Abs. 2 UStG)
Unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Warenlieferungen fallen vor allem die innergemeinschaftlichen Lieferungen i.S.d. § 6a Abs. 1 UStG mit Ausnahme der Lieferungen neuer Fahrzeuge an Abnehmer ohne USt-IdNr. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach dieser Vorschrift vor, wenn
  • der Unternehmer oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
  • der Abnehmer entweder ein Unternehmer ist, der den Liefergegenstand für sein Unternehmen erworben hat, oder der Abnehmer eine juristische Person ist, selbst wenn diese nicht Unternehmer ist oder den Liefergegenstand nicht für ihr Unternehmen erworben hat, und
  • der Erwerb des Liefergegenstandes beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.
Den innergemeinschaftlichen Lieferungen gem. § 6a Abs. 2 UStG gleichgestellt sind Verbringungen i.S.d. § 3 Abs. 1a UStG, also das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung. Diese "internen Lieferungen" sind somit ebenfalls von der Meldepflicht erfasst.
Maßgebend für die Einordnung als meldepflichtige Lieferung ist allein die umsatzsteuerliche Beurteilung des Vorgangs.
Nicht zu melden sind Warenbezüge (Erwerbe) aus anderen Mitgliedstaaten.
Die ZM ist unabhängig von einer Wertgrenze abzugeben.
Sogenannte Nullmeldungen sind aber nicht abzugeben. Der ZM sind keine Begleitschreiben beizufügen.
Wichtig: Ab dem 1.1.2020 ist eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht steuerfrei, wenn das zur Meldung verpflichtete Unternehmen seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist oder es die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig in der ZM angegeben hat.
b) Lieferungen im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften
Ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn
  • drei in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste Unternehmer (Erstlieferer, Erstabnehmer und Letztabnehmer) über einen Gegenstand ein Umsatzgeschäft abschließen,
  • eine direkte Beförderung oder Versendung des Gegenstandes unmittelbar vom Ort der Lieferung des Erstlieferers an den Letztabnehmer erfolgt,
  • der Liefergegenstand von dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates gelangt, und
  • der Liefergegenstand durch den Erstlieferer oder den Erstabnehmer befördert oder versendet wird.
Bei einem derartigen innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft hat der Erstlieferer in der ZM – insoweit ohne jede Besonderheit – eine innergemeinschaftliche Warenlieferung an den Erstabnehmer zu melden. Der Erstabnehmer bewirkt indes nicht nur eine einfache innergemeinschaftliche Lieferung, sondern regelmäßig eine Dreieckslieferung i.S.d. § 25b Abs. 2 UStG. Er hat deshalb bereits in der Rechnung auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuld des letzten Abnehmers hinzuweisen und zudem neben seiner eigenen USt-IdNr. auch diejenige des Leistungsempfängers anzuführen (§ 18a Abs. 7 Nr. 4 lit. a) UStG). Darüber hinaus hat er in der ZM auf das Dreiecksgeschäft hinzuweisen, indem er bei Meldung seiner innergemeinschaftlichen Lieferung in Spalte 3 des ZM-Vordrucks eine "2" einsetzt.
c) Grenzüberschreitende sonstige Leistungen an Unternehmer oder juristische Personen des öffentlichen Rechts
Seit 1.1.2010 gilt, dass jeder Unternehmer, der grenzüberschreitende sonstige Leistungen an einen Unternehmer oder an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Personen des öffentlichen Rechts, denen eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, ausführt, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Umsatzsteuer dort schuldet (reverse charge, entspricht unserem § 13 b UStG), diese Leistungen in der ZM melden muss. Betroffen sind aber nur diejenigen Leistungen, die aufgrund der neuen Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG in der EU steuerbar sind. Sie sind gesondert in der Zusammenfassenden Meldung sowie auch in der turnusgemäßen Umsatzsteuervoranmeldung zu melden. Leistungsbezug  aus  EU-Leistungen sind hingegen jeweils in Zeile 48 der turnusgemäßen Umsatzsteuervoranmeldung gesondert auszuweisen.

4. Welche Fristen sind bei der Abgabe der ZM einzuhalten?

Meldezeitraum ist der Kalendermonat, das Kalendervierteljahr oder im Ausnahmefall (bei sog. Jahreszahlern nach § 18 Abs. 2 UStG) das Kalenderjahr (dazu weiter unten).
  • Innergemeinschaftliche Lieferungen und Lieferungen gemäß § 25 b Abs. 2 UStG:
    Innergemeinschaftliche Lieferungen und Lieferungen gemäß § 25 b Abs. 2 UStG sind in der Regel bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die entsprechenden Warenbewegungen „ausgeführt“ wurden, dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzuzeigen.

    Der Zeitpunkt für die Ausführung der Lieferung ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung. Die ZM ist dann spätestens am 25. Tag des auf die Rechnungsstellung folgenden Kalendermonats abzugeben. Wird keine Rechnung erteilt oder wird diese erst später als in dem ersten Monat, der auf die Lieferung folgt, erteilt, ist die Lieferung in der Meldung für den Monat zu erfassen, der auf den Monat der Lieferung folgt.

    Beispiel: Der Zeitpunkt der Lieferung ist im Mai. Die Rechnung wird jedoch erst im August gestellt. Die Lieferung ist damit in der ZM für den Monat Juni (den auf den Liefermonat folgenden Monat) mitzuteilen. Diese ZM muss spätestens am 25. Juli abgegeben werden.

    Hinweis: Eine Dauerfristverlängerung um einen Monat für die ZM entsprechend der Dauerfristverlängerung, die das zuständige Finanzamt für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung gewährt hat, ist nicht mehr möglich.

    Seit 2012 gilt folgende neue Ausnahmeregelung: Soweit die Summe der innergemeinschaftlichen Lieferungen (auch solcher gemäß § 25b Abs. 2 UStG, sog. Dreiecksgeschäfte) weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils nicht den Betrag von 50.000 Euro übersteigt, kann die Zusammenfassende Meldung wie bislang quartalsweise abgegeben werden und zwar bis zum 25. Tag nach Ablauf des Quartals. Die vorherige Bagatellgrenze von 100.000 Euro gilt damit nicht mehr.
  • Innergemeinschaftliche sonstige Leistungen:
    Für die meldepflichtigen sonstigen Leistungen gilt, dass diese unabhängig von ihrem Volumen stets nur quartalsweise bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendervierteljahres gemeldet werden müssen. Auch hier kann jedoch im Sinne eines Gleichklangs - freiwillig - eine monatliche Meldung erfolgen. Die Angaben sind dabei für denjenigen Meldezeitraum zu machen, in dem die Leistungen oder Lieferungen ausgeführt worden sind.
  • Ausnahme: Jahreszahler

    Hat das Finanzamt einen Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der Entrichtung der Vorauszahlung befreit (sog. "Jahreszahler" nach § 18 Abs. 2 UStG), kann der Unternehmer – abweichend von den Abgabefristen für USt-Jahreserklärungen - die ZM gemäß § 18 a Abs. 9 UStG bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalenderjahres abgeben, wenn
    • die Summe aller seiner Lieferungen und sonstigen Leistungen im vorangegangenen Kalenderjahr 200.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen wird,
    • die Summe seiner innergemeinschaftlichen Warenlieferungen und/ oder der sonstigen Leistungen im vorangegangenen Kalenderjahr 15.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen wird, und
    • es sich bei den Warenlieferungen nicht um Lieferungen neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2 und 3 UStG) an Abnehmer mit ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer handelt.
  • Auf Antrag kann das BZSt, Dienstsitz Saarlouis, Einzelfristverlängerung gewähren.

5. Was sind die Folgen einer verspäteten Abgabe oder einer Nichtabgabe?

Die Abgabe der ZM kann gem. § 18 a Abs. 11 S. 1 UStG Satz 1 i.V.m. §§ 328 ff. Abgabenordnung (AO) erzwungen werden. Dabei können Zwangsgelder bis zu einer Höhe von jeweils 25.000 € festgesetzt werden.
Bei verspäteter Abgabe der ZM kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden, der bis zu 1 Prozent der Summe aller in der ZM zu meldenden Bemessungsgrundlagen, höchstens jedoch 2.500,- € betragen kann (§ 18 a Abs. 11 Satz 2 UStG i.V.m. § 152 AO).
Wird eine ZM vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig abgegeben, so kann dies zusätzlich als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 5.000,- € geahndet werden (§ 26 a UStG).
Wichtig: Ab dem 1.1.2020 ist eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht steuerfrei, wenn das zur Meldung verpflichtete Unternehmen seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist oder es die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig in der ZM angegeben hat.

6. In welcher Form muss die Zusammenfassende Meldung erfolgen und wie funktioniert die Abgabe?

Die Zusammenfassende Meldung muss auf elektronischem Wege übermittelt werden.
Aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 1 der Steuerdatenübermittlungsverordnung durch Artikel 6 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl. I 2011, S. 2131, Nr. 55) ist seit dem 1.1.2013 bei der elektronischen Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung ein sicheres Verfahren zu verwenden, das den Datenübermittler authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes gewährleistet.
Zusammenfassende Meldungen können nur noch über die bereits bestehenden Zugänge des Online-Portals des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt), des Elster-Online-Portals und auch über Elster-Formular übermittelt werden. Umfangreiche Datenmengen können unter Verwendung der Massendatenschnittstelle ELMA5 übermittelt werden; in diesem Fall ist die Verwensung des Online-Portals des BZSt zwingend. Für die Freischaltung zur Teilnahme am ELMA5-Verfahren ist ein Antrag zu stellen.
Es ist möglich, die zu meldenden Daten zunächst offline in csv-Dateien zu erfassen und anschließend in das online-Formular der ZM zu importieren.
Für die Übermittlung ist seit dem 1.1.2013 eine Authentifizierung erforderlich. 
Voraussetzung für die Teilnahme an dem Verfahren ist eine einmalige Registrierung. Sollte einem Unternehmen jedoch bereits für das bis Ende 2005 geltende vereinfachte Verfahren zur elektronischen Abgabe der Zusammenfassenden Meldung gemäß § 87a Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 6 Steuerdatenübermittlungsverordnung (StDÜV) eine Teilnehmernummer zugeteilt worden sein, behält diese Nummer auch für den Formularserver seine Gültigkeit.
Für die Form der Meldung hat das Bundeszentralamt für Steuern ein Vordruckmuster und eine Ausfüllanleitung veröffentlicht. Danach sieht die Eingabemaske ähnlich aus wie bisher. Die Identifizierung, ob eine innergemeinschaftliche Lieferung, Leistung oder ein Dreiecksgeschäft gemeldet wird, erfolgt anhand folgender Zahlenidentifizierungen:
Innergemeinschaftliche Lieferung
keine Kennzeichnung
Innergemeinschaftliche sonstige Leistung
Kennzeichnung 1
Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft:
Kennzeichnung 2
Zur Vermeidung von unbilligen Härten kann das Finanzamt auf Antrag eine Ausnahme von der elektronischen Übermittlung gestatten (§ 18a Abs. 5 Satz 1 UStG). Soweit das Finanzamt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG auf eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung verzichtet hat, gilt dies auch für die ZM. Grundsätzlich hat der Unternehmer gem. § 18 a Abs. 5 Satz 1 UStG bei der Abgabe der ZM den amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu verwenden. Zusammenfassende Meldungen in Papierform sind im Original an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln (nicht per Fax oder E-Mail).
Der Vordruck für die Abgabe der ZM steht auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern zum Download bereit.
Auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern finden sich auch umfangreiche Informationen rund um das Umsatzsteuer-Kontrollverfahren innerhalb der Europäischen Union. ZM-Vordrucke werden nicht mehr versandt.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich in Zweifelsfällen an das für Sie zuständige Finanzamt oder an das Bundeszentralamt für Steuern.
Weitere Informationen sind auf der Website des Bundeszentralamtes für Steuern verfügbar. Ansonsten wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Stand: Dezember 2019
Ausfuhrverfahren

Ausfuhrnachweis für Umsatzsteuerzwecke

Seit dem 1. Juli 2009 besteht EU-einheitlich die Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren, das die bisherige schriftliche Ausfuhranmeldung ersetzt. In Deutschland steht hierfür seit 2006 das IT-System „ATLAS–Ausfuhr” zur Verfügung.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2010 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 95 KB) nimmt das Bundesfinanzministerium (BMF) Stellung zu den Auswirkungen auf den Ausfuhrnachweis für Umsatzsteuerzwecke. Das Schreiben ist anzuwenden auf Ausfuhrlieferungen, die nach dem 30. Juni 2010 bewirkt werden, und ersetzt das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2009.
Mit dem BMF-Schreiben vom 23. Januar 2015 werden die Ausgangsvermerke, die im IT-Verfahren ATLAS erzeugt werden, erläutert und deren Anerkennung als Ausfuhrnachweis geregelt.
Unternehmen, die Ware von Deutschland ins Drittland (nicht EU-Staaten) exportieren, können diese als so genannte Ausfuhrlieferung aufgrund der Steuerbefreiungsregelung des § 4 Nr. 1a in Verbindung mit § 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei abrechnen.
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist es u.a. erforderlich, dass die entsprechenden Voraussetzungen nachgewiesen werden. Der Nachweis ist eine unverzichtbare materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Kann der Nachweis nicht geführt werden, darf die Steuerbefreiung nicht in Anspruch genommen werden. Das heißt, die Rechnung muss mit deutscher Umsatzsteuer ausgestellt werden und diese muss ans Finanzamt abgeführt werden.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.

Stand: August 2018
Hier gelangen Sie zum Umsatzsteuergesetz.

Internationales Steuerrecht

Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland

Die fortschreitende Globalisierung der Märkte bringt einen wachsenden Strom von mobilen Arbeitskräften mit sich, sowohl von Deutschland ins Ausland als auch umgekehrt. Die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland gewinnt somit immer mehr an Bedeutung. Dabei sind neben den arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten auch steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Fragen zu berücksichtigen. Zu den steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden.

Voraussetzungen für Arbeitnehmerentsendungen

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers (dem entsendenden Unternehmen) im Ausland eine Beschäftigung für diesen ausübt. Auch wenn der Arbeitnehmer im Inland eigens für eine Arbeit im Ausland eingestellt wird, ist eine Entsendung gegeben. Wenn der Arbeitnehmer jedoch bereits im Ausland seinen Wohnsitz hat bzw. dort beschäftigt ist und von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber aufnimmt, ist dies kein Fall einer Entsendung.
Die Beschäftigung im Ausland muss zudem im Voraus zeitlich begrenzt sein. Die zeitliche Begrenzung kann sich aus der Eigenart der Beschäftigung (z.B. Abwicklung eines bestimmten Projektes) oder aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Für den Umfang der Befristung gilt keine bestimmte Zeitgrenze.

Beispiele für Arbeitnehmerentsendungen

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt vor, wenn...
  • der Arbeitnehmer schon im Inland für das Unternehmen gearbeitet hat und ins Ausland entsandt wird, um dort weiterhin für das Unternehmen gegen Entgelt als Arbeitnehmer tätig zu sein.
  • der Arbeitnehmer vorher bei einem anderen Arbeitgeber im Inland beschäftigt war und im Inland extra vom neuen Arbeitgeber für die Entsendung ins Ausland eingestellt wird.
  • der inländische Arbeitnehmer noch gar nicht als Arbeitnehmer beschäftigt war und extra für die Beschäftigung im Ausland eingestellt wird.
Eine Arbeitnehmerentsendung liegt nicht vor, wenn...
  • der Arbeitnehmer schon vor Jahren ins Ausland ausgewandert ist und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und dann vom deutschen Unternehmen im Ausland eingestellt wird.
  • der Arbeitnehmer im Ausland bereits für einen anderen ausländischen Arbeitgeber tätig war und dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte und das deutsche Unternehmen den Arbeitnehmer nun extra für eine Tätigkeit in einem anderen Land einstellt.

Entsendeformen

Es wird zwischen unterschiedlichen Entsendeformen anhand der Dauer des Auslandsaufenthalts unterschieden. Diese Einteilung knüpft gedanklich an den steuerlichen Regelungen an, die steuerlichen Folgen sind aber stets separat zu überprüfen.
Auslandsentsendung
Aufenthaltsdauer
Dienstreise
bis 3 Monate
Verlängerte Dienstreise oder Delegation
3 – 6 Monate
Kurzfristige Entsendung
6 –12 Monate
Langfristige Entsendung
1 – 5 Jahre
Versetzung ins Ausland
länger als 5 Jahre
Wer in diesen Fällen den Wohnsitz im Inland hat, aber im Ausland tätig ist, ist im Inland unbeschränkt und im Ausland beschränkt steuerpflichtig. Es kann zu Konflikten bzw. zu Doppelbesteuerung auf verschiedene Weise kommen: 
  1. DBA (Doppelbesteuerungsabkommen), dann gilt die 183-Tage-Regel etc. 
  2. kein DBA, dann gibt es auf deutscher Seite zwei Entlastungsmöglichkeiten: 
  • Anrechnung der Steuer, die der Arbeitnehmer im Ausland gezahlt hat
oder 
  • der deutsche Staat verzichtet auf die Besteuerung, wenn Voraussetzungen des Auslandstätigkeitenerlasses erfüllt sind und Mindestzeitdauer in dem Staat, auf im Rahmen der Einkommensteuererklärung §34c EStG Anrechnung.

Dienstreise

Dienstreisen bis zu einer Dauer von 3 Monaten sind unproblematisch, da in steuerrechtlicher Hinsicht die Zahlung von entsprechenden Zulagen steuerfrei gewährt werden und der Mitarbeiter weiterhin nach den deutschen Bestimmungen sozialversichert bleiben kann.
Bei Dienstreisen ist insbesondere folgendes zu beachten:
Wenn kein DBA vorliegt (wie zum Beispiel mit Libyen), dann ist es unerheblich wie lange der Arbeitnehmer in Libyen tätig ist. Zunächst ist das DBA zu prüfen. Ist der Arbeitgeber im Inland und bezahlt den Arbeitnehmer im Ausland, dann handelt es sich bei einer Auswärtstätigkeit von bis zu 3 Monate um eine Dienstreise. Werden allerdings die Kosten des Arbeitnehmers von der Betriebsstätte im Ausland getragen, dann sind diese dort steuerpflichtig. Deshalb sollten Dienstreise-Kosten nicht (an Betriebsstätten) ins Ausland weiterbelastet werden, da sonst die Gefahr besteht, dass es zu Fehlern bei der steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung kommt.

Verlängerte Dienstreise oder Delegation

Bei einer verlängerten Dienstreise oder Delegation ist zu prüfen, ob es zu einer Steuerpflicht im Gastland kommt. Dabei findet zumeist die 183-Tage-Regelung Anwendung. Wie auch bei einer kürzeren Dienstreise ist auf die Kostenweiterbelastung zu achten, damit nicht unbemerkt eine Steuerpflicht im Gastland ausgelöst wird.
Es ist zudem sinnvoll, dass das Unternehmen eine spezielle hausinterne Richtlinie („Delegation-Policy”) für derartige Vorgänge erlässt, um betriebsintern ein abgestimmtes Vorgehen zu ermöglichen und von vornherein Fehlerquellen zu vermeiden.
Diese Richtlinie sollte unter anderem folgende Fragen regeln:
  • Kostentragung der Delegation
  • Steuerliche Behandlung der Delegation
  • Sozialversicherungsrecht während der Delegation
  • Zulagenregelung
  • Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers
  • Leistungen, die die Gastgesellschaft gewährt
  • Amortisationsrecht des Arbeitgebers bei vorzeitigem Ausscheiden des Mitarbeiters.
Tritt eine solche Richtlinie in Kraft, kann ein spezieller Delegationsvertrag geschlossen werden, der die einzelnen Punkte für den Mitarbeiter regelt und einen Zusatz zum Arbeitsvertrag bildet.

Kurzfristige und langfristige Entsendungen

Bei Entsendungen mit einer Dauer von mehr als sechs Monaten entsteht in der Regel eine Steuerpflicht im Gastland. Dabei muss beachtet werden, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit dem Gastland besteht und wie auf dessen Grundlage die 183-Tage-Grenze zu berechnen ist.
Sinnvoll ist es, auch bei kurzfristigen und langfristige Entsendungen mit einer Entsendungsrichtlinie ein Regelwerk zu erstellen, dass eine einheitliche Behandlung von Entsendungen sicherstellt.

Steuerrechtliche Aspekte

Wenn ein Arbeitnehmer für seinen inländischen Arbeitgeber im Ausland tätig wird, stellen sich aus steuerlicher Sicht im Wesentlichen folgende Fragen:
  1. Ist der Arbeitslohn weiterhin im Inland steuerpflichtig?
  2. Wenn der Arbeitslohn im Inland steuerpflichtig ist, wie wird die im Ausland erhobene Steuer bei der deutschen Einkommensteuer berücksichtigt?

Steuerpflicht im Inland

Ein Arbeitnehmer, der seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, unterliegt grundsätzlich als unbeschränkt Steuerpflichtiger mit seinem gesamten Welteinkommen der inländischen Besteuerung, vgl. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Im Rahmen von Arbeitnehmerentsendungen wird es in diesem Zusammenhang für die Frage der Steuerpflicht des Arbeitslohns in der Regel auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers ankommen. Ist dieser weiterhin in Deutschland, bleibt er nach dem genannten Grundsatz mit seinem Arbeitslohn in Deutschland steuerpflichtig.
Hierfür gilt gem. § 8 Abgabenordnung (AO), dass jemand steuerlich seinen Wohnsitz dort hat, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz widerlegbar zu vermuten, wenn er seine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm möglich ist und die nach ihrer Ausstattung jederzeit als Bleibe dienen kann (BFH, BStBl II 1996, Seite 2). Wesentlich ist, dass der Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensinteressen anzusehen ist. Nicht erforderlich ist, dass sich der Steuerpflichtige eine bestimmte Mindestanzahl von Tagen im Jahr in der Wohnung aufhält.
Einen Wohnsitz im Inland hat auch der, der im Ausland einen Wohnsitz begründet, und seine Wohnung im Inland beibehält (BFH, BStBl. II 1975, Seite 708).
Bei Eheleuten gilt, dass ein Ehegatte - sofern die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben - seinen Wohnsitz prinzipiell dort hat, wo seine Familie lebt. Ein regelmäßiger Aufenthalt in der Wohnung eines Angehörigen oder Bekannten reicht hingegen nicht aus.

Berücksichtigung der im Ausland erhobenen Steuer bei der deutschen Einkommensteuer

Bei Auslandstätigkeiten tritt bei der Besteuerung der Vergütungen regelmäßig als weiterer Berechtigter der Fiskus des Tätigkeitsstaats neben den deutschen Fiskus. Um in diesen Fällen eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sieht das deutsche Einkommensteuerrecht verschiedene Möglichkeiten vor. Diese sind danach zu unterscheiden, ob mit dem Staat, in den der Arbeitnehmer entsandt wird, ein sogenanntes Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht oder nicht.

Steuerfreistellung bei Staaten mit Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs)

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat die Bundesrepublik Deutschland mit einer Vielzahl von Staaten DBAs abgeschlossen.
Tipp: Mit welchen Staaten die Bundesrepublik Deutschland Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, fasst das Bundesfinanzministerium auf seiner Webseite zusammen.
In Bezug auf Einkünfte aus aktiver nicht selbstständiger Arbeit im privaten Sektor haben alle von Deutschland abgeschlossenen DBAs folgende Regelungen:
  • Wenn ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat tätig ist, in diesem Vertragsstaat auch ansässig ist (Ansässigkeitsstaat „gleich” Tätigkeitsstaat), so ist er nur in diesem Staat zu besteuern.
  • Wenn ein Arbeitnehmer in einem Vertragsstaat ansässig ist und in einem anderen Vertragsstaat arbeitet (Ansässigkeitsstaat „ungleich” Tätigkeitsstaat), steht dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die vom Arbeitnehmer dort ausgeübte unselbständige Arbeit zu, es sei denn
    • der Arbeitnehmer hält sich im Tätigkeitsstaat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des im DBA genannten Zeitraums auf und
    • die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und
    • die Vergütungen werden nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.

a) Grundsatz

Nach den Regelungen der DBAs zu den Arbeitnehmereinkünften wird das Besteuerungsrecht in der Regel dem Staat zugewiesen, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Die entsprechenden Einkünfte werden in Deutschland von der Einkommensteuer regelmäßig freigestellt. Sie beeinflussen aber die Höhe des Steuersatzes, mit dem die inländischen Einkunftsanteile, wie zum Beispiel Kapitalerträge oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, besteuert werden (Progressionsvorbehalt).
Für die Höhe des frei zu stellenden Arbeitslohns gilt, dass der Arbeitslohn, der der Tätigkeit im Ausland direkt zuzuordnen ist, in vollem Umfang in Deutschland von der Besteuerung freigestellt ist. Arbeitslohn, der der Tätigkeit im Ausland nicht direkt zugeordnet werden kann, ist mit folgendem Schlüssel aufzuteilen: Verhältnis der vereinbarten Arbeitstage im Ausland zu den übrigen vereinbarten Arbeitstagen.

b) Ausnahme

Durch die sogenannte 183-Tage-Regelung werden die Einkünfte abweichend von dem in den Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Grundsatz nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert, wenn die oben genannten drei Voraussetzungen zusammen vorliegen.
Zu beachten ist bei der Berechnung, dass es DBAs gibt, die nicht auf den Aufenthalt abstellen, was der Regelfall ist, sondern auf die Ausübung der Arbeit (zum Beispiel Dänemark; in Belgien wird auch der Urlaub im Anschluss an die Tätigkeit mitberücksichtigt ).
Als Tage des Aufenthalts werden im Grundsatz unter anderem mitgezählt:
  • Ankunfts- und Abreisetag
  • alle Tage der Anwesenheit vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, z.B. Samstage, Sonntage, Feiertage
  • Tage der Anwesenheit während Arbeitsunterbrechungen, z.B. Streik, Aussperrung
  • Urlaubstage, die unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat verbracht werden
  • kurze Unterbrechungen infolge von Reisen in den Heimatstaat oder in Drittstaaten, soweit sie im Rahmen von bestehenden Arbeitsverhältnissen erfolgen und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Sachverhalts nicht als Beendigung des vorübergehenden Aufenthalts angesehen werden können. Außer Betracht bleiben Wochenend-, Urlaubs- und Feiertage, sofern der Arbeitnehmer arbeitstäglich an seinen Wohnsitz zurückkehrt.
Beispiele zur 183-Tage-Regelung
Ausgangssituation 1: A ist für seinen deutschen Arbeitgeber in Österreich tätig. Mit Österreich besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Eine Betriebsstätte des Arbeitgebers in Österreich besteht für die folgenden Alternativen nicht.
1. A ist vom 1. Januar bis 15. Juni des gleichen Jahres in Österreich tätig
  • Die 183-Tage-Grenze ist unterschritten. Österreich hat kein Besteuerungsrecht.
2. Direkt im Anschluss hieran verbringt er dort bis zum 15. Juli seinen Urlaub.
  • Österreich hat ein Besteuerungsrecht, weil sich A länger als 183 Tage in Österreich aufgehalten hat. Der Urlaub wird in die Aufenthaltsdauer eingerechnet.
3. A verbringt nicht direkt im Anschluss, sondern erst im Herbst seinen Urlaub in Österreich.
  • Der Urlaubsaufenthalt ist nicht mit in die Berechnung einzubeziehen, da der Urlaub nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Auslandstätigkeit steht.
Der Zeitraum für die Berechnung der 183 Tage kann sich je nach DBA auf das Kalenderjahr beziehen oder auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Steuerjahr oder auf einen variablen Zeitraum von 12 Monaten.
Ausgangssituation 2: B ist für seinen deutschen Arbeitgeber vom 1. Januar bis zum 20. August des gleichen Jahres in Großbritannien tätig. Mit Großbritannien besteht ein DBA. Das Steuerjahr beginnt dort am 6. April und endet am 5. April.
  • B hält sich nicht länger als 183 Tage in Großbritannien auf, da die Aufenthaltstage für jedes Steuerjahr getrennt zu ermitteln sind.
Für die Ermittlung der jeweiligen Fristen sind aufgrund von Besonderheiten in einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen und Vertragsstaaten die jeweils konkreten Regelungen zu beachten.
Wichtig! Eine Ausnahme von der 183-Tage-Regelung ist die “Grenzgängerregelung”. Grenzgängerregelungen sind zu finden im DBA mit der Schweiz, im DBA mit Frankreich und im DBA mit Österreich.
Grenzgänger ist ein Arbeitnehmer, der im Grenzgebiet eines Staates wohnt, aber im Grenzgebiet des angrenzenden Staates tätig ist und sich regelmäßig morgens über die Grenze zur Arbeitsstätte begibt und abends wieder zum Wohnsitz zurückkehrt.
Greift die Grenzgängerregelung, so verbleibt das Besteuerungsrecht auch dann im Wohnsitzstaat, wenn die Arbeit im ausländischen Tätigkeitsstaat nicht nur vorübergehend, sondern länger als 183 Tage ausgeübt wird.
Hinweis: Im Zuge der Corona-Pandemie wurden Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten Belgien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Schweiz getroffen, die einer geänderten Aufteilung des Besteuerungsrechts begegnen soll. Erforderlich ist dies wegen der verminderten Pendelbewegung zwischen dem Wohnsitz- und dem Tätigkeitsstaat und der vermehrten Arbeitstätigkeit in der häuslichen Wohnung in Folge von Grenzschließungen und Einreiseverboten sowie behördliche Empfehlungen oder Anweisungen des Arbeitgebers. Beispielsweise sollen mittels Arbeitgeberbescheinigung die arbeitsgeberseitig angeordneten häuslichen Arbeitstage nachgewiesen werden, damit dem Verlust der Grenzgängereigenschaft im Verhältnis zur Schweiz und zu Frankreich aufgrund der höheren Anzahl von Tagen im Homeoffice entgegengewirkt werden kann.

c) Verfahrenshinweise

Für das Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Regelungen des DBA zu beachten:
  • Sofern das einschlägige DBA für die Steuerfreistellung keine Antragspflicht vorsieht, kann der Arbeitgeber schon dann den Lohnsteuerabzug unterlassen, wenn die im DBA genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen.
  • Der Arbeitgeber kann sich auch dann auf die Steuerfreiheit berufen, wenn das Betriebsstätten-Finanzamt z.B. wegen fehlender Beantragung keine Freistellungsbescheinigung ausgestellt hat (BFH, BStBl. 1989 II, Seite 755).
  • In Fällen, in denen ausnahmsweise eine Freistellung nur auf Antrag zulässig ist, darf der Arbeitgeber erst dann von einem Steuerabzug absehen, wenn das Betriebsstättenfinanzamt eine Freistellungsbescheinigung ausgestellt hat.
  • Die Freistellungsbescheinigung ist vom Arbeitnehmer oder in dessen Auftrag vom Arbeitgeber beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers auf amtlichem Vordruck zu beantragen. Das Finanzamt muss in der Freistellungsbescheinigung die Geltungsdauer angeben. Die Geltung wird auf höchstens drei Jahre begrenzt. Die Bescheinigung ist vom Arbeitgeber als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren.
  • Der Arbeitslohn, der nach einem DBA steuerfrei ist, muss auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung gemeldet werden. Nicht zu bescheinigen sind dabei die Bezüge, die im Falle einer Erzielung im Inland nach deutschem Steuerrecht nicht steuerpflichtig wären. Ebenso ist der Arbeitnehmerpauschbetrag anzugeben, sofern er nicht bei inländischem Arbeitslohn berücksichtigt wurde.
  • Zu beachten ist ferner, dass es Spezialregelungen bspw. bei Organen von Kapitalgesellschaften und bei leitenden Angestellten, bei Berufskraftfahrern sowie bei Schiffs- und Flugpersonal gibt.
  • Das Bundesministerium der Finanzen hat am 27.06.2022 ein Schreiben zur Erstattung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer veröffentlicht, wenn das Besteuerungsrecht eigentlich dem Wohnsitzstaat und nicht dem Tätigkeitsstaat unterliegt. Es ist möglich, einen Erstattungsantrag gegen das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers zu richten. Dabei sind ggf. Fristen zu beachten, die sich aus DBA ergeben. Die weiteren Einzelheiten entnehmen Sie gern dem BMF-Schreiben.

Steueranrechnung bei Staaten ohne Doppelbesteuerungsabkommen

Im Verhältnis zu Staaten, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, sind im Einkommensteuergesetz (EStG) vier Arten des einseitigen Steuerverzichts geregelt:
  • Steuerverzicht (§ 34 c Abs. 5 EStG), bei dem die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommenssteuer ganz oder zum Teil erlassen (siehe Auslandstätigkeitserlass vom 31. 10. 1983, abrufbar unter Downloads) oder in einem Pauschbetrag festgesetzt werden kann;
  • Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Steuer, soweit diese auf ausländische Einkünfte entfällt (§ 34 c Abs. 1 EStG);
  • Abzug ausländischer Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte entweder auf Antrag (§ 34 c Abs. 2 EStG) oder von Amts wegen (§ 34 c Abs. 3 EStG);
  • Freistellungen bei beschränkter Steuerpflicht.
Hinweis: Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 wird der Auslandstätigkeitserlass vom 31. Oktober 1983 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 401 KB) durch eine Neufassung ersetzt. Der neue Auslandstätigkeitserlass datiert auf den 10. Juni 2022 und ist bereits jetzt auf der Webseite des BMF abrufbar.

Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Grundsätzlich gelten die Regelungen des Sozialgesetzbuches nur für Beschäftigung im Inland, vgl. § 3 viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV). Von diesem Territorialprinzip gibt es allerdings folgende Ausnahmen:

Ausstrahlung

Ausstrahlung ist ein Begriff aus dem deutschen Sozialversicherungsrecht und bezeichnet den Tatbestand, dass bei einer vorübergehenden Verlagerung des Beschäftigungsortes eines Arbeitnehmers aus dem Inland in das Ausland weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften über Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung gelten. Gesetzliche Grundlage ist § 4 SGB IV. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften vor, so „strahlen” diese in das Ausland “aus”. Die Zeitdauer und Verlängerungsmöglichkeiten sind in den einzelnen Staaten unterschiedlich.
Liegen die Voraussetzungen der Ausstrahlung vor, bleibt der Mitarbeiter bei einer zeitlich begrenzten Entsendung in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung weiterversichert. Das trifft Arbeitnehmer, die auf Weisung des deutschen Arbeitgebers zeitlich begrenzt im Ausland tätig werden.

Voraussetzungen

Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind (vgl. § 4 SGB IV):
  • Aktive Beschäftigung im Inland
    Es müssen vertragliche Bindungen des Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber im Inland bestehen. Die Gehaltsabrechnung muss weiterhin in Deutschland durchgeführt werden und die Personalkosten müssen in der deutschen Lohnbuchhaltung verbucht werden. Damit liegt eine Entsendung nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer im Ausland wohnt und dort von einem inländischen Arbeitgeber für eine Tätigkeit im Ausland angeworben wird. Wird ein Mitarbeiter eines Großunternehmens an eine selbständige Tochterfirma im Ausland abgeordnet, bleibt die deutsche Sozialversicherungspflicht nur dann bestehen, wenn das Entgelt des abgeordneten Arbeitnehmers weiter vom Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses auch weisungsbefugt bleibt.
  • Entsendung ins Ausland
    Der Arbeitnehmer muss sich von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik in ein anderes Land begeben.
  • Zeitliche Begrenzung
    Die zeitliche Begrenzung muss im Voraus erfolgen. Sie kann sich aus dem Vertrag ergeben oder aus der Eigenart der Auslandstätigkeit. Des Weiteren muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Auslandsaufenthalts beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird. Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt. Hier sind Höchstdauer und Verlängerungsmöglichkeiten zu beachten.

Verfahrenshinweise

Die Ausstrahlung ist über die zuständige Einzugsstelle (in der Regel die zuständige Krankenkasse) zu beantragen. Die Ausstrahlung endet nach Ablauf der Auslandstätigkeit oder bei Entfallen der Voraussetzungen der Ausstrahlung, z.B. wenn ein zunächst befristeter Auslandseinsatz in einen unbefristeten umgewandelt wird. Bei der Ausstrahlung handelt es sich um eine einseitige Regelung des Sozialgesetzbuches, so dass bei Entsendungen ins vertragslose Ausland zusätzlich eine Sozialversicherungspflicht im Gastland möglich ist. Es empfiehlt sich daher, im Entsendevertrag den Umgang mit der doppelten Beitragspflicht zu regeln.

Entsendung innerhalb der EU / des EWR

Bei einer Entsendung innerhalb der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) konnten gemäß einer EU-Verordnung (EWG-VO 1408/71) Sozialversicherungsabkommen Anwendung finden. Diese Verordnung trat am 1.5.2010 außer Kraft, soweit sie die Entsendung in Mitgliedstaaten betrifft (Art. 90 VO 883/04). Nach wie vor entfaltet sie jedoch Wirkung im Verhältnis zu den Staaten des EWR und zu Drittstaaten. Die Verordnung 1408/71 regelt die Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, damit ein Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens, der in ein Abkommensland oder Drittstaat entsandt wurde, in seinem Heimatland versichert bleiben kann. Die Weiterversicherung ist grundsätzlich in allen Zweigen möglich.

Voraussetzungen

  • Versichert nach dieser Verordnung sind nur Personen, die Staatsangehörige des Mitgliedsstaates sind oder als Flüchtling oder als Staatenloser ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat haben. Dies gilt auch für familienversicherte Angehörige.
  • Der Mitarbeiter muss im Gebiet eines Mitgliedsstaates von einem Unternehmen, dem er gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt sein und
  • von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt werden.
  • Der Mitarbeiter darf nicht einen bereits in den Mitgliedsstaat entsandten Mitarbeiter ablösen.

Verfahrenshinweise

Bei der zuständigen Krankenkasse ist der Antrag auf Anwendung der EWG-VO 1408/71 für die ersten 12 Monate zu stellen. In einem umfassenden Schreiben ist dafür das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen darzulegen. Nach einer Überprüfung bestätigt die Krankenkasse die Entsendung nach EWG-VO 1408/71 mittels Übersendung des Vordrucks E 101. Das Original muss der Mitarbeiter stets bei sich führen, eine Kopie ist in der Personalakte aufzubewahren.
Wenn die ersten 12 Monate des Entsendezeitraums für die Ausübung der Beschäftigung nicht ausreichen ist es möglich, einen Verlängerungsantrag zu stellen,. Dieser muss vom Arbeitgeber bei den zuständigen ausländischen Sozialversicherungsträgern gestellt werden (Internetseite des GKV-Spitzenverband Bund der Krankenkassen).
In jedem Sozialversicherungsabkommen ist die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung vorgesehen. Diese Vereinbarungen werden zwischen den beteiligten Sozialversicherungsträgern abgestimmt und vom aufnehmenden Mitgliedsstaat befürwortet. Der entsprechende Antrag ist auf deutscher Seite über die DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, Pennefeldsweg 12 c, 53177 Bonn) zu stellen. Der Mitarbeiter muss dafür persönlich erklären, dass er die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften will und den Grund für den Verbleib in der deutschen Sozialversicherung darlegen.
Als Gründe kommen in Betracht:
  • Verbleib in der deutschen Sozialversicherung, weil der Lebensmittelpunkt in Deutschland ist;
  • Wieder- Integration des Mitarbeiters nach der Entsendung in Deutschland;
  • Wunsch nach einem lückenlosen Versicherungsverlauf.
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung 883/04, die die Verordnung 1408/71 hinsichtlich der Entsendungen von Arbeitnehmern in andere EU-Mitgliedstaaten abgelöst hat, wurden keine radikalen Veränderungen bewirkt. Vielmehr ergänzt sie das anwendbare Sozialversicherungsrecht in der EU. Insbesondere regelt sie, dass für einen im Voraus begrenzten Zeitraum von maximal 24 Monaten weiterhin die Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaats Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber für gewöhnlich in diesem Staat tätig ist. Für eine Verlängerung des Entsendezeitraums über 24 Monate hinaus bedarf es – wie auch unter der früheren Verordnung - einer Vereinbarung zwischen den zuständigen Trägern der Sozialversicherung der beteiligten Mitgliedstaaten.  
Hinweis: Durch die Verordnung 987/09 wurde der Nachweis über die fortbestehende Sozialversicherung neu geregelt. Die E101-Bescheinigung wurde durch die A1-Bescheinigung ersetzt. Viele Aspekte der EuGH-Rechtsprechung in Bezug auf die E101-Bescheinigung wurden in der Verordnung normiert. Insbesondere ist nun geregelt, dass die Prüfungspflicht für das Vorliegen einer Entsendung ausschließlich in die Verantwortung des Entsendestaats fällt. In Deutschland wird die A1-Bescheinigung ebenfalls von den gesetzlichen Krankenkassen ausgestellt. Sollte eine gesetzliche Krankenversicherung nicht bestehen, so ist hierfür die Deutsche Rentenversicherung zuständig
Zu beachten ist auch die sogenannte „Einstrahlung”, wenn Arbeitnehmer ins Inland reinkommen. Es ist mit den Versicherungsträgern zu klären, ab wann der Arbeitnehmer wieder sozialversicherungspflichtig wird.

Sozialversicherungsabkommen

Für Entsendungen außerhalb der EU /des EWR stellt sich die Frage, ob bilaterale Sozialversicherungsabkommen zum entsprechenden Land bestehen. Zwischen Deutschland und einigen Ländern bestehen diese Abkommen, welche vorsehen, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der deutschen Sozialversicherung unterliegen.
Die bilateralen Abkommen finden für alle Staatsangehörigen Anwendung; der Mitarbeiter muss nicht die Staatsangehörigkeit des Abkommenslandes haben.
Grundsätzlich wird von den Abkommen der Verbleib des Arbeitnehmers in der deutschen Rentenversicherung geregelt. Allerdings sind in einigen Schlussprotokollen weitergehende Versicherungszweige mit aufgenommen. Daher ist es empfehlenswert, sich über die Reichweite der einzelnen Abkommen genau zu informieren.
Im Juli 2016 haben Deutschland und Argentinien eine Gemeinsame Absichtserklärung über die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem bilateralen Abkommen über Soziale Sicherheit unterzeichnet.  
Darüber hinaus haben am 7. November 2018 Deutschland und die Ukraine ein Abkommen über Soziale Sicherheit unterzeichnet. Zum endgültigen Inkrafttreten bedarf es noch der Zustimmung der parlamentarischen Gremien beider Staaten. 
Der Antrag sollte vor der Entsendung gestellt werden. Nach einer Bewilligung durch den ausländischen Sozialversicherungsträger verschickt die DVKA ein Bewilligungsschreiben, das an die zuständige Einzugsstelle (Krankenkasse des Mitarbeiters bzw. bei privat versicherten Mitarbeitern die Deutsche Rentenversicherung - Bund) weiterzuleiten ist. Von dieser wird dann der Vordruck über die Anerkennung des Abkommens zugesandt, die der Mitarbeiter bei sich tragen muss.

Entsendung ins vertragslose Ausland

Wird ein Mitarbeiter in ein Land geschickt, mit dem keine vertraglichen Regelungen zur Sozialversicherung bestehen (“vertragsloses Ausland”), wird es im Regelfall zu einer doppelten Beitragszahlung kommen.

Alternative Weiterversicherungsformen

Untersteht der Arbeitnehmer nach den oben dargestellten Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, bestehen dennoch oft Möglichkeiten, den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten. Weitere Informationen dazu gibt es bei den jeweiligen Sozialversicherungsträgern.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt oder den zuständigen Sozialversicherungsträger.
Stand: Juni 2022
Einkommensteuer

Steuerliche Begünstigung von Veräußerungsgewinnen

Steuerpflichtige Einkünfte umfassen nicht nur den Gewinn aus der laufenden Geschäftstätigkeit, sondern auch die Gewinne aus dem Verkauf des Unternehmens oder von Anteilen eines Gesellschafters an einem Unternehmen (§ 16 des Einkommensteuergesetzes - EStG). Der Gewinn aus der Veräußerung eines Unternehmens im Ganzen unterliegt nicht der Umsatzsteuer (vgl. § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz, UStG). Eine Gewerbesteuerpflicht ist im Einzelnen zu prüfen.
Dieses Merkblatt befasst sich schwerpunktmäßig mit der einkommenssteuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen. Es befasst sich nicht mit dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn eine natürliche Person als Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar mit weniger als 1 % beteiligt war. Siehe hierzu das Dokument „Abgeltungssteuer.

1. Überblick: Veräußerungsgewinn eines Gewerbebetriebes

Der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebes ist nach § 16 EStG einkommensteuerpflichtig. Dazu gehören Veräußerungen
  • eines ganzen Gewerbebetriebes,
  • eines Teilbetriebes,
  • einer im Betriebsvermögen gehaltenen 100 prozentigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft,
  • eines Mitunternehmeranteils oder
  • des gesamten Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien.
Ein Sonderfall der Geschäftsaufgabe ist die Verpachtung des Betriebes. Diese kann gemäß § 16 Abs. 3b EStG ebenfalls wie eine Veräußerung behandelt werden. Dabei liegt eine Geschäftsaufgabe auch dann vor, wenn nur ein Teil des Betriebes tatsächlich veräußert, ein anderer Teil dem Erwerber jedoch nur vermietet oder verpachtet wird. (siehe dazu Nr. 3.1 dieses Merkblattes sowie das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2012).
Der Gesetzgeber hat diese Veräußerungsgewinne einkommensteuerrechtlich privilegiert. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer werden laufende und außerordentliche (nicht regelmäßig erzielbare) Einkünfte eines Veranlagungszeitraumes grundsätzlich zusammengerechnet. Die laufenden Einkünfte werden somit von der durch die außerordentlichen Einkünfte ausgelösten Progressionswirkung erfasst und in der Gesamtwirkung entsprechend höher besteuert. Um eine derartige höhere Besteuerung ohne eine nachhaltige Erhöhung der Leistungsfähigkeit zu glätten, hat der Gesetzgeber Veräußerungsgewinne (als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2, Nr. 1 EStG) einkommensteuerrechtlich privilegiert. Der Veräußerungsgewinn wird fiktiv auf fünf Jahre verteilt und die individuelle Einkommensteuer wird dann von dieser niedrigeren Basis berechnet (Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG). Weiterhin werden unter bestimmten Voraussetzungen ein Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) und ein ermäßigter Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG) gewährt. 

2. Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung

Sowohl die Einkünfte aus Veräußerung, als auch die Einkünfte aus Aufgabe eines Gewerbebetriebes sind grundsätzlich einkommensteuerpflichtige Gewinne. Die Aufgabe des Gewerbebetriebes wird in § 16 Abs. 3 EStG der Veräußerung eines Gewerbebetriebes oder von Anteilen an Unternehmen gleichgestellt. Bei dem Betriebsverkauf werden stille Reserven aufgedeckt, indem die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Dritten gegen Entgelt übertragen werden. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn die Betriebsgrundlagen in das Privatvermögen des Unternehmers überführt werden und die gewerbliche Tätigkeit eingestellt wird.
Der Veräußerungsgewinn kann um den Betrag einer schon im Vorfeld bestehenden oder anlässlich der Betriebsaufgabe gebildeten Rücklage im Sinne des § 6b EStG gemindert werden. Diese Rücklagen können vom Unternehmen für bestimmte Wirtschaftsgüter (Grund und Boden, Gebäude oder Binnenschiffe) im Wirtschaftsjahr der Veräußerung gebildet werden. Die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens führt zur Verwirklichung eines Gewinns oder eines Verlusts in Höhe des Unterschieds zwischen dem bisherigen Buchwert des Wirtschaftsgutes und seinem Erlös abzüglich der Veräußerungskosten. Die Begünstigung des § 6b EStG besteht darin, dass stille Reserven, die durch die Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter aufgedeckt werden, auf die Ansätze für bestimmte andere Wirtschaftsgüter übertragen werden dürfen. Der Veräußerungsgewinn darf im Wirtschaftsjahr der Veräußerung entweder von den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten der anderen Wirtschaftsgüter abgezogen werden oder einer Rücklage zugeführt werden, die innerhalb bestimmter Fristen übertragen oder aufgelöst werden muss. Die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG erfordert, dass innerhalb von vier Jahren nach Bildung der Rücklage ein anderes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird. Die vierjährige Reinvestitionsfrist verlängert sich bei Gebäuden auf sechs Jahre, wenn mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten Wirtschaftsjahres nach der Rücklagenbildung begonnen worden ist.
Bei den einkommensteuerrechtlich begünstigten Veräußerungen ist zu unterscheiden zwischen:

2.1. Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes

Zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes erzielt werden (§ 16 Abs. 1, Nr. 1 EStG). Eine Betriebsveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang (teil-) entgeltlich auf einen Erwerber übertragen wird, der dadurch die Möglichkeit der Betriebsfortführung hat, und damit die gewerbliche Betätigung des Veräußerers endet.
Wesentliche Betriebsgrundlagen sind die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und denen ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung zukommt. Das gilt grundsätzlich für die Gegenstände des Anlagevermögens (insbesondere Betriebsgrundstücke oder immaterielle Wirtschaftsgüter wie z.B. gewerbliche Schutzrechte). Das Umlaufvermögen (z.B. Waren) bildet grundsätzlich keine wesentliche Grundlage des Betriebs.
Die einkommensteuerrechtliche Begünstigung greift nur, wenn die stillen Reserven innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt werden, eine stückweise Veräußerung nach und nach ist keine Betriebsveräußerung im Ganzen. Eine Betriebsveräußerung im Ganzen innerhalb kurzer Zeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedenfalls dann vor, wenn die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb von sechs Monaten geschieht. Ein Zeitraum von 14 Monaten kann im Einzelfall noch angemessen sein. Dagegen dürften Veräußerungsvorgänge über 36 Monate zu lang sein. Der Betrieb muss vom Erwerber fortgeführt werden können. Ob der Erwerber diesen dann tatsächlich fortführt oder stilllegt, ist unerheblich.

2.2. Veräußerung eines Teilbetriebes

Der Gesetzgeber stellt der Betriebsveräußerung im Ganzen den Verkauf eines Teilbetriebes gleich, wenn es sich um einen organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebes handelt, der selbständig ausgestattet und für sich lebensfähig ist. Eine völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung ist nicht erforderlich. Auch muss der Unternehmer bei der Teilbetriebsveräußerung seine gewerbliche Tätigkeit nicht in vollem Umfang aufgeben, sondern nur soweit sie sich auf die veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen bezieht. Wechselt der Unternehmer lediglich die Betriebsgrundlagen und führt den Teilbetrieb mit den gewechselten Grundlagen fort, handelt es sich aber nicht um einen privilegierten Verkauf nach § 16 EStG.

2.3. Veräußerung einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

Als Teilbetrieb gilt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die im Betriebsvermögen gehaltene 100-prozentige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, weil diese wirtschaftlich betrachtet einem Gesamtbetrieb entspricht.
Die Beteiligung des Steuerpflichtigen muss das gesamte Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) erfassen, wobei die Anteile aber in verschiedenen Betriebsvermögen desselben Unternehmers liegen können (zum Beispiel zwei voneinander getrennte Einzelunternehmen). Auch bei der Auflösung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die zum Untergang der 100-prozentigen Beteiligung führt, sind die Regelungen über Veräußerung bzw. Aufgabe von Betriebsvermögen für den Steuerpflichtigen anzuwenden.
Diese steuerliche Gleichstellung hat zur Folge, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auch auf die Veräußerung einer 100 %-Beteiligung angewandt wird. Voraussetzung für diesen Freibetrag ist, dass der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Dann wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteigt. Dieser Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben zu gewähren.
Gleichzeitig mit Inanspruchnahme des Freibetrages gilt seit das sogenannte Teileinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass 40 Prozent des Veräußerungsgewinns steuerfrei sind und die übrigen 60 Prozent in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage  eingestellt und mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden. (vgl. § 34 Abs. 2, Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Nr. 40 b EStG).
Die unter Punkt 5 dieses Merkblattes genannten steuerlichen Begünstigungen finden hier keine Anwendung.

2.4. Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

Zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften, die privilegiert sind, gehören auch die Gewinne, die erzielt werden bei Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer des Betriebes anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Der Mitunternehmer ist insoweit dem Einzelunternehmer gleichgestellt.
Erfasst ist die Veräußerung oder die Aufgabe des Anteils an einer Personengesellschaft (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mit sogenanntem Gesamthandsvermögen (das heißt, jedem steht das Vermögen als Ganzes zu, es kann aber nur gemeinsam über das gesamte Vermögen verfügt werden) oder einer Personengesellschaft mit Bruchteilseigentum (das heißt, jeder hat an dem Vermögen einen bestimmten Eigentumsanteil, über den er gesondert verfügen kann z.B. bei der Partnergesellschaft). Steuerlich erfasst sind auch Anteile an wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnissen wie z.B. der Erbengemeinschaft. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft einen Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG betreibt.
Einkommenssteuerpflichtig privilegiert sind auch Gewinne, die bei Veräußerung des gesamten Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 16 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 EStG) erzielt werden.
Mitunternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist, wer teilhat an unternehmerischen Entscheidungen (wobei die Ausübung von Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten ausreicht) und am unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg des Gewerbebetriebes.

3. Sonderfälle

3.1. Verpachtung des Betriebes

Derjenige, der sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen möchte, aber den Gewerbebetrieb nicht verkaufen möchte, hat die Möglichkeit, die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Dritten zu verpachten. In diesem Fall besteht ein steuerliches Wahlrecht (Verpächterwahlrecht):
  • Er kann die Betriebsaufgabe in einer Frist von drei Monaten gegenüber dem Finanzamt erklären, so dass es sich bei dem Mietzins einkommensteuerrechtlich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt. Seit dem 5.11.2011 gilt der Betrieb erst als aufgegeben, wenn der Steuerpflichtige dies dem zuständigen Finanzamt gemeldet hat oder dieses davon anderweitig Kenntnis erlangt hat. Erfolgt die Meldung des Steuerpflichtigen innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, wird sie rückwirkend für diesen Zeitraum anerkannt. Erfolgt die Meldung später, wird die Betriebsaufgabe erst ab dem Zeitpunkt der Meldung anerkannt (§ 16 Abs. 3b Satz 3 EStG).
  • Alternativ kann er diese Aufgabeerklärung nicht abgeben, mit der Folge, dass der bisherige Betrieb einkommensteuerrechtlich als fortbestehend gilt und es sich bei dem Mietzins um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt.
Der Aufgabezeitpunkt kann selbst bestimmt werden.
Erforderlich ist, dass der Verpächter bei Beendigung der Verpachtung selbst den Betrieb wieder fortsetzen könnte. Wird der verpachtete Betrieb vom Pächter nicht weitergeführt, so entfällt auch das Verpächterwahlrecht. In diesem Fall liegt zwangsweise eine Betriebsaufgabe vor. Da die Pachteinnahmen dann nicht mehr betrieblich veranlasst sind, werden sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert.
Der Verpachtung eines Betriebs im Ganzen steht die Verpachtung eines Teilbetriebs gleich.

3.2. Teilweise Veräußerung und Vermietung oder Verpachtung

Eine Geschäftsaufgabe liegt auch dann vor, wenn nur ein Teil des Betriebes tatsächlich veräußert, ein anderer Teil dem Erwerber jedoch nur vermietet oder verpachtet wird, mit der Folge, dass auch in diesem Falle die für die Geschäftsaufgabe geltenden Privilegierungen bei der Einkommensteuer gelten.
Voraussetzung einer solchen teilweisen Veräußerung und Vermietung oder Verpachtung ist jedoch, dass die übertragenen Sachen hinreichen, dass der Erwerber eine selbstständige, wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann. Die Dauer des Mietvertrages und die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung sind indes unerheblich. In dem Fall wird für den daraus entstehenden Erlös auch keine Umsatzsteuer fällig. (Siehe dazu das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2012.)

3.3. Veräußerung gegen wiederkehrende Bezüge

Weiterhin besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Wahlrecht des Einkommensteuerpflichtigen, wenn als Gegenleistung für einen Betriebsverkauf nicht ein einmaliger Kaufpreis vereinbart wird, sondern die Zahlung einer wiederkehrenden Leistung wie z.B. eine Leibrente. Dann ergeben sich folgende Alternativen:
  • entweder kann der Gewinn sofort versteuert werden, wobei für den Veräußerungsgewinn der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes abgezinste Wert (Barwert) der Leibrente die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach § 16 EStG bildet;
  • oder die Rentenzahlungen können als nachträgliche Betriebseinnahmen behandelt werden. Das bedeutet, dass ein steuerpflichtiger Gewinn erst in dem Jahr entsteht, in dem die Summe der zugeflossenen Leibrentenbeträge die Anschaffungskosten zuzüglich der Veräußerungskosten übersteigt.

3.4. Tätigwerden des Veräußerers für den Erwerber nach Betriebsveräußerung

Eine steuerbegünstigte Veräußerung kann auch dann vorliegen, wenn der Veräußerer als selbstständiger Unternehmer oder nichtselbstständiger Mitarbeiter nach der Veräußerung des Betriebes für den Erwerber tätig wird (BFH Urteil vom 17.07.2008, X R 40/07).

4. Ermittlung des Veräußerungsgewinns

Der Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen (bei Mitunternehmern) übersteigt (§16 Absatz 2 EStG). Die Veräußerungskosten müssen in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Betriebsverkauf stehen (z.B. Notarkosten, Maklerprovisionen oder Verkehrssteuern).
Beispiel 1[1]
Veräußerungspreis
250.000 Euro
Veräußerungskosten
    2.500 Euro
Wert des Betriebsvermögens (Eigenkapital)
  72.500 Euro
Veräußerungsgewinn
175.000 Euro

5. Steuerliche Begünstigungen

5.1. Fünftelregelung (§ 34 Absatz 1, Satz 2 EStG)

Der Veräußerungsgewinn zählt zu den außerordentlichen (das heißt nicht regelmäßigen) Einkünften nach § 34 Absatz 2 Nr. 1 EStG. Der Gesetzgeber glättet den progressiven Steuertarif für diese Einkünfte durch die sogenannte Fünftelregelung. Dabei wird der Veräußerungsgewinn fiktiv auf 5 Jahre verteilt (das heißt, auf ein Fünftel des Gewinns wird der Steuerbetrag ermittelt und anschließend wird der so ermittelte Steuerbetrag mit fünf multipliziert). Bei der Steuerberechnung bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften im Sinne von § 34 Abs. 2 EStG wird stets geprüft, ob die normale Besteuerung oder die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG günstiger ist, somit wird die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG ohne Antrag von Amts wegen gewährt.
Beispiel 2[1]
Der Gewerbetrieb wurde zum 31. Dezember 2019 verkauft und es wurde ein Veräußerungsgewinn von 12.782 Euro erzielt. Daneben wurde in diesem Jahr ein laufender Gewinn aus dem Gewerbebetrieb von 24.107 Euro erwirtschaftet; andere Einkünfte lagen für 2019 nicht vor.
Ergebnis:
Der Gesamtbetrag der Einkünfte lag im Jahr 2019 bei 36.889 Euro, auf die nach dem Einkommensteuertarif nach Grundtabelle (die fällige Einkommensteuer für Ledige berechnet) eine Steuer von – 7.498,- Euro anfallen würde.
Folgende Berechnung zeigt die Wirkung der Anwendung der Fünftelregelung: Die Einkommensteuer wird für die laufenden Einkünfte plus 1/5 des Veräußerungsgewinns ermittelt und hiervon wird der Einkommensteuerbetrag auf die laufenden Einkünfte abgezogen. Der so ermittelte Differenzbetrag wird mit fünf multipliziert und zu der Einkommensteuer auf die laufenden Einkünfte hinzugerechnet.
Abkürzungsverzeichnis:
aE= außerordentliche Einkünfte
vvE= verbleibende zu versteuernde Einkünfte
Formel: Steuerschuld= 5 x [ESt(vvE +(aE : 5)) – ESt(vvE)] + ESt(vvE)
Fünftelregelung:
5 x [ESt(24.107 + (12.782 : 5)) – ESt(24.107)] + ESt( 24.107)
= 5 x [ESt(24.107 + (2.556,40)) – ESt(24.107)] + ESt(24.107)
= 5 x [ESt(26.663,40) – ESt(24.107)] + ESt (24.107)
= 5 x [4.272 – (3.537)] + ESt( 24.107)
= 5 x [735]+(3.537)
= 3.675+(3.537)
= 7.212
Die außerordentlichen Einkünfte werden also mit 3.675 Euro besteuert. Es tritt die Steuer auf den laufenden Gewinn von 24.107 Euro in Höhe von 3.537 Euro hinzu, so dass sich nach der Fünftelregelung eine Steuer von 7.212 Euro ergibt. Dies bedeutet einen Steuervorteil von 286 Euro gegenüber der regelmäßigen auf den Gesamtbetrag entfallenden Einkommensteuer in Höhe von 7.498,- Euro.

5.2. Ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG

Für Gewinne aus Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe kann für die Besteuerung unter bestimmten Voraussetzungen alternativ zur sog. Fünftelregelung der ermäßigte Steuersatz beantragt werden. Der ermäßigte Steuersatz kann dabei auf außergewöhnliche Einkünfte angewendet werden, die den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt ab Veranlagungszeitraum (VZ) 2004 56% des durchschnittlichen Steuersatzes auf das gesamte zu versteuernde Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte, mindestens jedoch den jeweils geltenden Eingangssteuersatz, seit VZ 2009 in Höhe von 14%.
Voraussetzungen der Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit dem ermäßigten Steuersatz, der nur einmal im Leben gewährt wird, sind:
  • Antrag beim Finanzamt (im Gegensatz zu der Fünftelregelung, welche von Amts wegen gewährt wird);
  • Vollendung des 55. Lebensjahres oder
  • im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernde Berufsunfähigkeit;
  • der Veräußerungsgewinn übersteigt den Betrag von 5 Millionen Euro nicht (der über 5 Millionen Euro hinausgehende Gewinn unterliegt dem vollen Steuersatz, soweit nicht anderweitige Steuerermäßigungen oder -befreiungen eingreifen.)
Besondere Hinweise:
Für die Vollendung der Altersgrenze von 55 Jahren (Voraussetzung für den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG und den ermäßigten Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG) ist nach dem BMF Schreiben vom 20.12.2005 (BStBl. 2006 I S. 7) Folgendes zu beachten: Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr zwar nach Beendigung der Betriebsaufgabe oder -veräußerung, aber noch vor Ablauf des Veranlagungszeitraumes der Betriebsaufgabe, sind weder der Freibetrag noch die Tarifermäßigung zu gewähren. Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr bei einer Betriebsaufgabe über mehrere Veranlagungszeiträume zwar vor Beendigung der Betriebsaufgabe, aber erst im zweiten Veranlagungsjahr, sind der (anteilige) Freibetrag und die Tarifermäßigung auch für den ersten Veranlagungszeitraum zu gewähren.
Der Steuerpflichtige hat eine Wahl zwischen der Fünftelregelung und dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt gewährt nur eine der beiden Vergünstigungen. Der ermäßigte Steuersatz führt dabei häufig zu einer niedrigeren Steuerlast als die Fünftelregelung. Lediglich bei einem sehr niedrigen laufenden Gewinn und/oder einem geringen Veräußerungsgewinn kann die Fünftelregelung günstiger sein. Weiterhin ist zu beachten, dass der ermäßigte Steuersatz zu einer Mindestbesteuerung in Höhe des Eingangssteuersatzes führt, bei der Fünftelregelung wird hingegen der Grundfreibetrag gewährt. Welche Regelung günstiger ist, sollte daher für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden.
Wird in einem Veranlagungszeitraum mehr als ein Veräußerungsgewinn erzielt, kann die Vergünstigung auch nur für einen Veräußerungsgewinn beantragt werden. Für das um die außerordentlichen Einkünfte bereinigte Einkommen gelten die allgemeinen Tarifvorschriften.
Beispiel 2a[1]
Wie im vorangegangenen Beispiel beträgt der laufende Gewinn 24.107 Euro und der Veräußerungsgewinn 12.782 Euro. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 36.889 Euro.
Ergebnis:
Der Gesamtbetrag der Einkünfte von 36.889 Euro unterliegt nach der Grundtabelle 2019 einer tariflichen Einkommensteuer in Höhe von 7.498 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 20,33 %. 56 % dieses Steuersatzes entspricht 11,38 %. Der ermäßigte Steuersatz ist niedriger als der Mindeststeuersatz in 2019 von 14% und wird somit auf diesen angehoben:
laufende Gewinn
24.107 Euro
Veräußerungsgewinn
12.782 Euro
Gesamtbetrag der Einkünfte
36.889 Euro
Veräußerungsgewinn von 12.782 Euro X 14%
1.789,48 Euro
 24.107 Euro nach Grundtabelle
3.537 Euro
Zu zahlende Einkommensteuer
5.326,48 Euro

Beispiel 3
Das zu versteuernde Einkommen beträgt 250.000 Euro, in dem ein Veräußerungsgewinn von 200.000 Euro enthalten ist.
Ergebnis:
Die tarifliche Einkommensteuer auf 250.000 Euro beläuft sich 2019 auf 96.219 Euro, entspricht damit einem durchschnittlichen Steuersatz von 38,48 %. 56% dieses Steuersatzes entspricht 21,59 %. Dieser ermäßigte Steuersatz übersteigt den Mindeststeuersatz von 14%, also kann der Veräußerungsgewinn auf Antrag mit 21,59 % versteuert werden.
laufender Gewinn
 50.000 Euro
Veräußerungsgewinn
200.000 Euro
zu versteuernde Einkommen
250.000 Euro
200.000 Euro X 21,69%
43.180 Euro
 50.000 Euro nach Grundtabelle
12.295 Euro
Einkommensteuer
55.475 Euro

5.3. Besonderheiten für Ausgleichszahlungen von Handelsvertretern

Ausgleichzahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB (Handelsgesetzbuch), die bei Vertragsbeendigung gezahlt werden, gehören zu den Entschädigungen (§ 24 Nr. 1c EStG). Bei Aufgabe der Tätigkeit als Handelsvertreter oder bei Veräußerung des Unternehmens ist die Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB als der letzte laufende Geschäftsvorfall des Gewerbebetriebs vor seiner Auflösung oder Veräußerung anzusehen. Dieser unterliegt der Gewerbesteuer. Ebenso, wenn der Handelsvertreter seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Für Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter gilt seit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG nicht mehr. Ausgleichszahlungen sind als laufender Gewinn zu versteuern. Die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG ist auf Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter anwendbar.

5.4. Freibetrag (§ 16 Abs.4 EStG)

Hat der steuerpflichtige Veräußerer
  • das 55. Lebensjahr vollendet oder
  • ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig,
kann er auf Antrag beim Finanzamt auf den Veräußerungsgewinn
  • nur einmal in seinem Leben
  • einen Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro erhalten.
Der Freibetrag ist auch dann voll "verbraucht", wenn der Veräußerungsgewinn im Einzelfall niedriger als der Freibetrag ist, dieser also nicht ausgeschöpft wird. Auch wenn der Steuerpflichtige mehrere selbstständige Gewerbebetriebe hat oder an mehreren Personengesellschaften als Mitunternehmer beteiligt ist, kann er den Freibetrag nur einmal beanspruchen. Andererseits kann bei Veräußerung (Aufgabe) des Gewerbebetriebes einer Personengesellschaft jeder Mitunternehmer für den auf ihn entfallenden Teil des Veräußerungsgewinns den vollen Freibetrag beanspruchen; dieser vervielfacht sich insoweit.
Eine Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu  derjenigen von körperlich, geistig und seelisch Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Der Freibetrag reduziert sich aber um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn die Obergrenze von 136.000 Euro übersteigt. Liegt der Veräußerungsgewinn über 181.000 Euro, reduziert sich der Freibetrag demnach auf Null. Ist der Veräußerungsgewinn aber geringer als 136.000 Euro steht der volle Freibetrag zur Verfügung.
Erstreckt sich eine Betriebsaufgabe über zwei Kalenderjahre und fällt der Aufgabegewinn daher in zwei Veranlagungszeiträumen an, ist der Freibetrag insgesamt nur einmal zu gewähren. Er bezieht sich auf den gesamten Betriebsaufgabegewinn und ist im Verhältnis der Gewinne auf beide Veranlagungszeiträume zu verteilen. Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG kann für diese Gewinne auf Antrag in beiden Veranlagungszeiträumen gewährt werden. Der Höchstbetrag von 5 Millionen Euro ist dabei aber insgesamt nur einmal zu gewähren (BMF Schreiben vom 20. Dezember 2005 BStBl. 2006 I S. 7, BMF IV B 2 – S 2242 – 18/05)
Beispiel 4
Der Veräußerungsgewinn beträgt wie im oberen Beispiel 175.000 Euro.
Ergebnis:
Veräußerungsgewinn
175.000 Euro
Freibetrag
  45.000 Euro
Obergrenze
136.000 Euro
übersteigender Betrag
  39.000 Euro
gekürzter Freibetrag
    6.000 Euro
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
169.000 Euro
Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn beträgt nach Berücksichtigung des Freibetrags 169.000 Euro.
[1] Alle Beispiele illustrieren lediglich den Mechanismus der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als außerordentliche Einkünfte; Sonderausgaben-Pauschalen, Altersentlastungsbeträge etc. bleiben unberücksichtigt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach anhand des IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
 Stand: September 2020
Checkliste

Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen

Das Bundesfinanzministerium hat am 6. Januar 2009 ein umfangreiches Scheiben (21 Seiten) zur Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen veröffentlicht. Mit dem BMF-Schreiben vom 6. Januar werden insbesondere die Beleganforderungen im Abholfall verschärft, die anhand der nachfolgenden Checkliste überprüfbar sind. Werden diese Beleganforderungen nicht erfüllt, kann dennoch die Steuerfreiheit unter Vertrauensschutzaspekten anerkannt werden. Auch dazu enthält das BMF-Schreiben vom 6. Januar 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 111 KB) Hinweise. Wer jedoch Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung aus dem Weg gehen will, sollte sich an der nachfolgenden Checkliste, die aus dem Erlass resultiert, orientieren.
Hintergrund: Lieferungen an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) - hierfür werden die eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und diejenige des Kunden im anderen EU-Mitgliedstaat benötigt - sind nach § 4 Nr. 1b Umsatzsteuergesetz (UStG) in Verbindung mit § 6a UStG grundsätzlich von der Umsatzsteuer im Herkunftsland befreit und unterliegen im Bestimmungsland beim Empfänger der Lieferung der Erwerbsbesteuerung. Die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche umsatzsteuerbefreite Lieferung müssen vom Unternehmer nachgewiesen werden (vgl. § 17a - § 17c Umsatzsteuerdurchführungsverordnung - UStDV).
Checkliste
1. Beförderungsfall (Lieferant transportiert selbst)
  • Doppel der Rechnung,
  • Handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, zum Beispiel Lieferschein,
  • Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines unselbständigen Beauftragten.
Erläuterungen:
  • Bestimmungsort: EU-Staat und Ort, z.B. Stadt, Gemeinde muss genau bezeichnet sein.
    Wichtig: Dies gilt auch im Reihengeschäft!
  • Empfangsbestätigung: Schriftlich mit Datum und Unterschrift.
  • Verbindung des die Bestätigung Ausstellenden mit Abnehmer muss erkennbar sein, dazu erforderlich:

    • Identitätsfeststellung über Passkopie des Abnehmers oder Vertretungsberechtigten bzw. Beauftragen
    • Bei Vertretungsberechtigten, z.B. Geschäftsführer, zusätzliche Belege, aus denen sich dies ergibt. Bei gesetzlicher Vertretungsmacht z.B. Handelsregisterauszug; bei rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht Vollmacht.
2. Beförderungsfall (Abnehmer holt selbst ab)
  • Doppel der Rechnung,
  • Handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, zum Beispiel Lieferschein,
  • eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines unselbständigen Beauftragten,
  • Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Lkw-Fahrer), den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen.
Erläuterungen:
  • Bestimmungsort: EU-Staat und Ort, z.B. Stadt, Gemeinde muss bezeichnet sein.
  • Empfangsbestätigung: Schriftlich mit Datum und Unterschrift.
  • Verbindung des die Bestätigung Ausstellenden mit Abnehmer muss erkennbar sein, dazu erforderlich:

    • Identitätsfeststellung über Passkopie des Abnehmers oder Vertretungsberechtigten bzw. Beauftragen
    • Bei Vertretungsberechtigten, z.B. Geschäftsführer, zusätzliche Belege, aus denen sich dies ergibt. Bei gesetzlicher Vertretungsmacht z.B. Handelsregisterauszug; bei rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht Vollmacht.

  • Versicherung:

    a) vom tatsächlichen Abholer
    • schriftlich,
    • mit Datum und Unterschrift,
    • Unterschrift muss über Passkopie nachprüfbar sein,
    • in deutscher Sprache,
    • Ort, an den Ware verbracht wird nach Land und Ort genau bezeichnet.
b) Holt Abnehmer nicht selbst ab, sondern sein unselbständiger Beauftragter (z.B. angestellter Mitarbeiter) zusätzlich
    • schriftliche Abholvollmacht des Beauftragten,
    • Vollmacht für die konkrete Abholung (allgemeine Vollmacht/Berechtigung Ware in Empfang zu nehmen nicht ausreichend),
    • Vollmacht muss Unterschrift des Kunden, d.h. des Vollmachtausstellers enthalten,
    • Unterschrift des Vollmachtausstellers unter Vollmacht muss über Passkopie des Vollmachtaussteller nachprüfbar sein,
    • zumindest bei Gesellschaften zusätzlich: Nachweis der gesetzlichen Vertretungsberechtigung des Vollmachtausstellers mittels Handelsregisterauszug.
3. Versendungsfall
  • Das Doppel der Rechnung und
  • einen Versendungsbeleg, insbesondere Frachtbrief (zum Beispiel Eisenbahnfrachtbrief, Luftfrachtbrief), Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke, wenn sich aus ihnen die grenzüberschreitende Warenbewegung ergibt
  • oder, für den Fall, dass die Originalversendungsbelege nicht zur Verfügung stehen durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung der beauftragten Spedition, der folgende Angaben enthält:

    • Name und Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,
    • handelsübliche Bezeichnung und Menge des verbrachten Gegenstandes,
    • Ort und Tag der Grenzüberschreitung oder Ort und Tag der Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
    • Empfänger und Bestimmungsort,
    • Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg aufgrund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind,
    • Unterschrift des Ausstellers.
Erläuterungen:
  • Frachtbrief:
    - Muss die Unterschrift des Empfängers tragen,
    - CMR-Frachtbrief kann nur im Ausnahmefall anerkannt werden, wenn

    • kein „echter" Frachtbrief (s. Beispiele oben) vorliegt
    • und keine Spediteursbescheinigung nach amtlichem Muster (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 38 KB) nachgewiesener Maßen erlangt werden kann
    • und vollständig korrekt ausgefüllt und unterschrieben ist (in Feld 24).
    • CMR-Frachtbrief des Lieferanten muss diesem zeitnah zugesandt werden. Dies muss dokumentiert (Eingangsstempel o.ä.) werden.
    • Frachtbrief ist 10 Jahre aufzubewahren.

  • Spediteursbescheinigung: Soll nach amtlichem Muster (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 38 KB) ausgestellt werden.
4. Besonderheit bei Neufahrzeugen, die an Privatpersonen geliefert werden
  • Ergänzend zu den vorstehenden Nachweisen muss amtliche Zulassung zum Straßenverkehr des Kfz in anderem EU-Staat
  • oder Erwerbsbesteuerung nachgewiesen werden.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: März 2009
Steuerrecht

Gewerbesteuer

Nachfolgend beantworten wir Ihnen grundlegende Fragen zur Gewerbesteuer. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zuletzt mit BMF-Schreiben vom 3. November 2016, welches mit BMF-Schreiben vom 17. April 2019 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 37 KB) aktualisiert wurde, zur Steuerermäßigung des § 35 Einkommensteuergesetz (EStG) Stellung genommen. Des weiteren sind die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Juli 2012 "Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nummer 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG)” zu berücksichtigen.
Um zu klären, ob Sie mit Ihrer Geschäftsidee gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte erzielen, finden Sie Hinweise im Dokument "Abgrenzung Gewerbebetrieb - Freie Berufe". Ergänzende Informationen zu Gewerbesteuerhebesätze enthält das Merkblatt "Gewerbesteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg".

1. Allgemeines

Die Gewerbesteuer ist eine Gemeindesteuer, die an die Ertragskraft eines Gewerbebetriebs anknüpft.

1.1 Wer ist gewerbesteuerpflichtig?

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Hierunter versteht man ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Absatz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) und jede Kapitalgesellschaft (zum Beispiel GmbH, AG), die qua Rechtsform (§ 2 Absatz 2 GewStG) Gewerbebetrieb ist. Personenunternehmen, die reine Vermögensverwaltung betreiben, sind hiernach kein Gewerbebetrieb.
Eine gewerbliche Tätigkeit liegt vor, wenn eine
  • selbstständige (= auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung)
  • nachhaltige Betätigung, (= auf bestimmte Dauer und Wiederholung, das heißt auf eine ständige Erwerbsquelle, angelegt)
  • die mit Gewinnerzielungsabsicht (= Absicht zur Mehrung des Betriebsvermögens), und in
  • Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (= Teilnahme am Leistungs- und Güteraustausch)
ausgeübt wird und diese
  • weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch eines freien Berufs (zum Beispiel Arzt, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Ingenieure; zur Abgrenzung vergleiche Dokument Abgrenzung Gewerbebetrieb - Freie Berufe)
  • noch als andere selbständige Arbeit (zum Beispiel Vergütungen aus der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds oder aus Vermögensverwaltung, vergleiche § 18 Absatz 1 Nummer 3 EStG) anzusehen ist.
Steuerschuldner bei Personenunternehmen ist derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird (Unternehmer). Bei Kapitalgesellschaften ist die Gesellschaft der Steuerschuldner.
Steuerberechtigt ist die Gemeinde, vergleiche § 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG), in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. Die Gemeinden legen jährlich den Gewerbesteuerhebesatz fest (§ 11 GewStG). Der Gewerbesteuerhebesatz beträgt mindestens 200 Prozent. In Hamburg beträgt er seit 1996 470 Prozent und liegt damit höher als der Durchschnitt der Gewerbesteuerhebesätze aller Gemeinden in Deutschland von 403 Prozent (Stand 2022, Quelle: Statistisches Bundesamt).

1.2 Zeitraum der Steuerpflicht

Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften beginnt die Gewerbesteuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem erstmals alle Voraussetzungen erfüllt sind, die zur Annahme eines Gewerbebetriebes erforderlich sind, für Kapitalgesellschaften mit der Handelsregistereintragung. Sie endet bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs, bei Kapitalgesellschaften erst mit Niederlegung jeglicher Tätigkeit; das ist in der Regel der Zeitpunkt, in dem das Vermögen an die Gesellschafter verteilt worden ist (vgl. GewStR Abschnitt 2.6).

2. Ermittlung der Besteuerungsgrundlage (Gewerbeertrag)

Der Gewerbeertrag bildet die Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer. Er lässt sich in vier Schritten ermitteln:
  1. Ausgangspunkt für die Berechnung des Gewerbeertrags ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb, wie er sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetz (EStG) für Einzelunternehmen und Personengesellschaften bzw. nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Verbindung mit dem EStG für Kapitalgesellschaften ergibt (§ 7 GewStG).
  2. Dem so ermittelten Gewinn werden bestimmte Beträge hinzugerechnet (Hinzurechnungen nach § 8 GewStG).
  3. Anschließend ist die Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen durch gesetzlich festgesetzte Beträge zu vermindern (Kürzungen nach § 9 GewStG).

    Nach diesen drei Schritten steht der maßgebende Gewerbeertrag gemäß § 10 GewStG fest.
  4. Schließlich muss noch ein etwaiger Gewerbeverlustvortrag vom maßgebenden Gewerbeertrag abgezogen werden (§ 10 a GewStG). Ein Gewerbeverlust liegt vor, wenn der maßgebende Gewerbeertrag (Gewinn + Hinzurechnungen – Kürzungen) einen negativen Betrag ergibt. Dieser wird für die künftige Berücksichtigung formal festgesetzt. Der aktuelle Gewerbeertrag ist um die Gewerbeverluste der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen.

2.1 Hinzurechnungen

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet, soweit Sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Die wichtigsten Hinzurechnungen sind (§ 8 GewStG):
  • Entgelte für Schulden (Nummer 1 buchst. a)),
  • Renten und dauernde Lasten (Nummer 1 buchst. b)),
  • Gewinnanteile stiller Gesellschafter (Nummer 1 buchst. c)),
  • ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschl. Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern die Hälfte), die im Eigentum eines anderen stehen (Nummer 1 buchst. d), e)),
  • ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, insb. Konzessionen und Lizenzen (Nummer 1 buchst. f)),
  • steuerbefreite Dividenden aus einer weniger als 15 % Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (Streubesitzdividenden),
  • Spenden im Sinne des § 9 Absatz 1 Nummer 2 KStG (z.B. an gemeinnützige Einrichtungen).
Hinweis: Bei Leasingraten für reine Elektrofahrzeuge sowie extern aufladbare Hybridfahrzeuge (soweit diese bestimmte Schadstoffausstoß- und Reichweitenkriterien erfüllen) und Fahrräder ist die Hinzurechnung bis 2030 nur zur Hälfte vorzunehmen, § 8 Nummer 1 buchst. d) Seite 2 in Verbindung mit § 36 Absatz 4 Seite 3 GewStG.
Die Summe aller Zinsen und pauschalierten Finanzierungsanteile aus § 8 Nummer 1 a – f GewStG ist die Ausgangsgröße zur Berücksichtigung des „Hinzurechnungs-Freibetrags”. Diese Summe wird um den Freibetrag von 200.000 Euro vermindert. Der so ermittelte Betrag ist dann die Ausgangsgröße für die anschließende Ermittlung der Hinzurechnung von 25 %.
Beispielrechnung
Zinsaufwendungen gesamt:
230.000 Euro
Lizenzaufwendungen von insgesamt 80.000 Euro
mit 25 % pauschalierten Finanzierungsanteil
+ 20.000 Euro
Mieten für bewegliche Wirtschaftsgüter von 100.000 Euro
mit einem 20 % pauschalierten Finanzierungsanteil
(keine Elektro- /Hybridfahrzeuge oder Fahrräder):
+ 20.000 Euro
Zwischensumme: 270.000 Euro
Minderung um den Hinzurechnungs-Freibetrag
- 200.000 Euro
Summe 70.000 Euro
davon 25 %:
17.500 Euro
Das Bundesfinanzministerium hat mit dem Schreiben “Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen” vom 2. Juli 2012 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 85 KB) Stellung genommen. Mit gleichlautenden Erlassen vom 6. April 2022 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 237 KB) haben sich die obersten Finanzbehörden zu den Folgen der Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen und dem Vorliegen fiktiven Anlagevermögens geäußert und das oben genannte Schreiben des BMF zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen ergänzt.

2.2 Kürzungen

Die wichtigsten Kürzungen sind (§ 9 GewStG):
  1. 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes, sofern eine Grundsteuer darauf zu zahlen ist. Bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und Nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, erfolgt die Kürzung auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (vergleiche § 9 Nimmer 1 Seite 2 GewStG). 
  2. Anteile am Gewinn einer offenen Handelsgesellschaft
  3. Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte dieses Unternehmens fällt; dies gilt nicht für Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 2 Seite 1 AStG
  4. Spenden, die aus dem Vermögen des Betriebs geleistet werden; die Kürzung gilt für alle Gewerbebetriebe unabhängig von der Rechtsform.
  • Bei entgeltlicher Überlassung von möbliertem Wohnraum an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wird aus Billigkeitsgründen bis zum 31. Dezember 2024 nicht geprüft, ob der Tatbestand der Gewerblichkeit erfüllt wird
  • Erträge, die aus sonstiger Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln oder Kleidung, erzielt werden, sind für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nur dann schädlich, wenn die Erträge aus direkten Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes resultieren und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes sind (§ 9 Nummer 1 Seite 3 lit. c GewStG)
  • Vermieten Grundstücksunternehmen Wohnraum z.B. an juristische Personen des öffentlichen Rechts, die diesen angemieteten Wohnraum an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine überlassen, gelten diese Wohnraumnutzenden aus Billigkeitsgründen im Jahr 2022 bis 2024 als (mittelbare) Mieter des Grundstücksunternehmens im Sinne des § 9 Nummer 1 Seite 3 lit. c) GewStG

2.3 Verlustverrechnung

Eine vollständige Verlustverrechnung ist bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Millionen Euro im Besteuerungsjahr möglich (§ 10 a GewStG). Der 1 Millionnen Euro übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist um die noch nicht berücksichtigten Verluste in den vorangegangenen Erhebungszeiträumen weiter zu kürzen, allerdings wird diese weitere Kürzung anteilig begrenzt. Es dürfen dann nur noch 60 % des 1 Miollionen Euro übersteigenden maßgebenden Gewerbeertrags durch noch nicht berücksichtigte Gewerbesteuerverluste aus Vorjahren gekürzt werden, so dass mindestens 40 % des 1 Millionen Euro übersteigenden maßgebenden Gewerbeertrags steuerlich berücksichtigt bleibt. Darüber hinaus gehende Verluste können in den folgenden Jahren unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Grundregeln verrechnet werden.
Beispielrechnung
Jahr 2017: festgestellter Verlust 1,5 Mio Euro
Jahr 2018: festgestellter Gewinn 1,3 Mio Euro
Abzug des Verlustvortrages:
(festgelegte Höchstgrenze)
1 Mio Euro
verbleibender Gewerbeertrag
(1,3 Mio - 1 Mio)
300.000 Euro
bislang nicht berücksichtigte Verluste:
(1,5 Mio - 1,3 Mio)
500.000 Euro
60 % des verbleibenden Gewerbeertrags, in der Höhe
noch Verlustvorträge abgezogen werden können:
(300.000 x 60 %)
180.000 Euro
weitere zulässige Verlustverrechnung:
(durch noch nicht berücksichtigte Verluste)
180.000 Euro
zu versteuernder Gewerbeertrag:
(40 % x 300.000)
120.000 Euro
verbleibender Verlustvortrag für
zukünftige Besteuerungsjahre:
(500.000 - 180.000)
320.000 Euro
Fallen beispielsweise in den Anfangsjahren Gewerbeverluste an, sind diese in späteren Jahren, in denen positive Gewerbeerträge erzielt werden, abzugsfähig (Verlustvortrag). Ein Verlustrücktrag ist bei der Gewerbesteuer nicht zulässig.
Beim gewerbesteuerlichen Verlustvortrag bei einem Gesellschafterwechsel sind Besonderheiten zu berücksichtigen. So kommt ab 2008 bei einem Anteilseignerwechsel eine Verlustverrechnungsbeschränkung zur Anwendung:
  • bei einem Anteilserwerb von mehr als 25 % bis zu 50 % innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren geht der vorhandene Verlustvortrag aus den Vorjahren anteilig unter,
  • bei einem Anteilserwerb von mehr als 50 % innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren geht ein vorhandener Verlustvortrag aus den Vorjahren in voller Höhe unter, es sei denn, es handelt sich um einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag gem. § 8d KStG.

2.4 Freibetrag

Der Gewerbeertrag ist auf volle 100 Euro nach unten abzurunden. Der abgerundete Gewerbeertrag ist bei Einzelunternehmen sowie bei Personengesellschaften (zum Beispiel OHG, KG) um einen Freibetrag von 24.500 Euro zu kürzen. Bei bestimmten sonstigen juristischen Personen, zum Beispiel bei rechtsfähigen Vereinen, beträgt dieser Freibetrag 5.000 Euro. Die Kürzung durch den Freibetrag ist jedoch begrenzt und ist höchstens in Höhe des abgerundeten Gewerbeertrags erlaubt. Für Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, KGaA) gibt es keinen Freibetrag.
Damit steht der Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer fest.
Hinweis: Zum Gewerbeertrag gehört nicht der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist oder des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit der Gewinn auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt, vergleiche § 7 Absatz 1 Seite 2 GewStG.

2.5 Vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr

Für Unternehmen, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht und die ihre Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (siehe § 238 HGB in Verbindung mit §§ 1 ff. HGB) zu führen verpflichtet sind, ist der Gewerbeertrag für den Erhebungszeitraum maßgebend, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 10 Absatz 2 GewStG).
Ein Einzelunternehmen kann ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr nur wählen, wenn es buchführungspflichtig ist und einen Antrag für das abweichende Wirtschaftsjahr beim zuständigen Finanzamt stellt. Das Finanzamt muss zudem den Antrag genehmigen.

3. Ermittlung des Steuermessbetrags

Zur Ermittlung der Gewerbesteuerlast muss in einem weiteren Schritt zunächst der Steuermessbetrag ermittelt werden. Hierzu wird der Gewerbeertrag mit der Steuermesszahl multipliziert (§ 11 GewStG). Die Steuermesszahl ist ein bundeseinheitlich festgesetzter Prozentsatz von 3,5. Einzelunternehmen und Personengesellschaften müssen beachten, vor der Multiplikation des Gewerbeertrags mit 3,5 % ihren Gewerbesteuerfreibetrag von 24.500 Euro vom Gewerbeertrag abzuziehen. Das Produkt aus dem sich somit ergebenden Gewerbeertrag mit der Steuermesszahl wird als Steuermessbetrag bezeichnet.
Beispielrechung
Einzelunternehmen
Gewerbeertrag:
50.000 Euro
abzüglich Gewerbesteuerfreibetrag
- 24.500 Euro

=
25.500 Euro
daraus zu ermittelnder Steuermessbetrag
(3,5 % von 25.500)
892,50 Euro

4. Hebesatz

Die Steuer wird auf der Basis des Steuermessbetrags mit einem Hebesatz (mindestens 200 %) festgesetzt, der von der hebeberechtigten Gemeinde festgelegt wird (§ 16 GewStG). In Hamburg beträgt der Hebesatz derzeit 470 %. Für Kapitalgesellschaften in Hamburg ergibt sich durch den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag von 3,5 % und durch den Hebesatz von 470 % eine gewerbesteuerliche Belastung von 16,45 %. Die Definitivbesteuerung der Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften beträgt folglich: 3,5 % x 470 % Þ 16,45 % Die Gewerbesteuerhebesätze der Umlandsgemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern entnehmen Sie unserem Merkblatt "Gewerbesteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg". Die Höhe der Hebesätze anderer Gemeinden erfahren Sie bei der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung
(Gewerbesteuer = Gewerbeertrag x Steuermesszahl x Hebesatz).
Beispielrechnung - Personenunternehmen
(Einzelunternehmen oder Personengesellschaft)
Gewerbeertrag
50.000 Euro
Freibetrag
 -24.500 Euro
gewerbesteuerpflichtiger Betrag
(50.000 - 24.500)
25.500 Euro
x Gewerbesteuermessbetrag 3,5 %
(25.500 x 3,5 %)
892,50 Euro
x Hebesatz (Hamburg 470 %)
= zu zahlende Gewerbesteuer
(892,50 x 470 %)
4.194,75 Euro
Für Personenunternehmen gibt es hierfür eine Anrechnung bei der Einkommensteuer, siehe 7. Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer
Beispielrechnung - Kapitalgesellschaft
Gewerbeertrag
50.000 Euro
Gewerbesteuermessbetrag 3,5 %
(50.000 x 3,5%)
1.750 Euro
x Hebesatz (Hamburg 470 %)
= zu zahlende Gewerbesteuer
(1.750 x 470%)
8.225 Euro

5. Übersicht zur Ermittlung der Gewerbesteuerschuld

Gewinn aus Gewerbebetrieb (§7 GewStG)
+ Hinzurechnungen (§ 8 GewStG)
u.a. ein Viertel (25 %) der Summe aus
  1. Entgelten für Schulden (buchst. a))
  2. Renten und dauernden Lasten (buchst. b))
  3. Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters (buchst. c))
  4. einem Fünftel (20 %) der Miet- und Pachtzinsen (einschl. Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögen, die im Eigentum des anderen stehen (buchst. d))
  5. 50 % der Miet- und Pachtzinsen (einschl. Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum des anderen stehen (buchst. e)) und
  6. einem Viertel (25 %) der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen, ausgenommen Vertriebslizenzen) (buchst. f))
vorab ist ein Freibetrag von 200.000 Euro bezogen auf die Summe der Zinsen und pauschalierten Finanzierungsanteile (§ 8 Nr. 1 buchst. a) bis f)) abzuziehen.
- Kürzungen (§ 9 GewStG)
= maßgebender Gewerbeertrag
(§ 10 GewStG)
- Gewerbeverlust (§ 10a GewStG)
= Gewerbeertrag
abgerundet auf volle 100 Euro
(§ 11 Abs.1 S. 3 GewStG)
- ggf. Freibetrag von 24.500 Euro bzw. 5.000 Euro (§ 11 Abs. 1 GewStG) für Personenunternehmen bzw. sonstige juristische Personen
= verbleibender Betrag
x Steuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG)
(3,5 %, keine Staffelung mehr für Personenunternehmen)
= Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag
x Hebesatz der Gemeinde
(§ 16 GewStG)
= Gewerbesteuerschuld

6. Bilanzielle Berücksichtigung

Seit 2008 entfällt die Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe sowohl für Personenunternehmen als auch für Kapitalgesellschaften. Die Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe gilt somit erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31 Dezember 2007 enden.
Für die Gewerbesteuer ist – sofern nicht bereits durch Vorauszahlungen geleistet – in Höhe des voraussichtlichen Nachzahlungsbetrages eine Rückstellung in die Handelsbilanz aufzunehmen. Der gesamte Aufwand für die Gewerbesteuer (Vorauszahlungen und Rückstellung für die Nachzahlung) wird jedoch für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzugerechnet.

7. Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer

Gemäß § 35 EStG wird bei Personenunternehmen die Gewerbesteuerzahlung beim Unternehmer bzw. beim Mitunternehmer auf die anteilige Einkommensteuerschuld für Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Anrechnungsfaktor von 4,0 angerechnet. Neben Rechenbeispielen zur Ermittlung der gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 35 EStG sowie zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages finden sich im BMF-Schreiben vom 3. November 2016 nähere Erläuterungen zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages.
Somit kann die Gewerbesteuer in der Regel bis zu einem Hebesatz von ca. 400 % auf die Einkommenssteuer angerechnet werden. Der Anrechnungsbetrag ergibt sich aus dem mit dem Anrechnungsfaktor multiplizierten Gewerbesteuermessbetrag. Es wird jedoch nur die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer angerechnet. Die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer kann maximal bis auf 0 Euro erfolgen.
Dabei ist zu beachten, dass eine Anrechnung nur dann erfolgen kann, wenn beim Unternehmer eine positive Einkommensteuerschuld aus Einkünften aus Gewerbebetrieb besteht. Aufgrund der Vielzahl von Hinzurechnungen kann sich trotz eines Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb eine Gewerbesteuerzahlung ergeben, die nicht mit einer Einkommensteuerschuld verrechnet werden kann. Der Vor- oder Rücktrag eines nicht genutzten Anrechnungsvolumens ist nicht möglich.
Beispiele:
A) Ein Einzelunternehmer erwirtschaftet mit seinem Gewerbebetrieb einen Gewinn in Höhe von 50.000 Euro.
Beispielrechnung bei positiver Einkommensteuerschuld - Anrechenbarkeit gegeben
Gewerbesteuer bei Hebesatz 470 % - Berechnung siehe Ziff.  3
4.194,75 Euro
Anrechnungsbetrag
(4,0 x Gewerbesteuermessbetrag, der Gewerbesteuermessbetrag
beträgt 892,50 Euro, Berechnung siehe Ziff. 3)
(4,0 x 892,50)
3.570,- Euro
Endgültige Belastung mit Gewerbesteuer
(4.194,75 - 3.570,-)
624,75 Euro
B) Ein Einzelunternehmen erzielt einen gewerblichen Verlust in Höhe von 20.000 Euro. Es bestehen Hinzurechnungen in Höhe von 50.000 Euro (zum Beispiel aus 25 % Hinzurechnungen aus Zinsaufwendungen und pauschalierten Finanzierungsanteilen aus Immobilienmieten).
Beispielrechnung bei Verlustausweis bei Einkünften aus Gewerbebetrieb - keine Anrechenbarkeit gegeben
Steuerpflichtiger Gewerbeertrag abzgl. Freibetrag
(20.000 + 50.000 - 24.500)
5.500,00 Euro
x Gewerbesteuermessbetrag 3,5%
(5.500 x 3,5%)
192,50 Euro
x Hebesatz (Hamburg 470 %)
(192,50 x 470%)
= zu zahlende Gewerbesteuer
904,75 Euro
Trotz bestehender Gewerbesteuerschuld kann kein Anrechnungsbetrag genutzt werden, da der Einzelunternehmer einen Verlust erwirtschaftet hat und damit keine positive Einkommensteuerschuld für Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegt.
Ergebnis: Der Einzelunternehmer im Beispiel A) muss letztlich eine geringere Gewerbesteuer aufgrund der Anrechenbarkeit zahlen als der Einzelunternehmer im Beispiel B), der keinen Gewinn, sondern einen Verlust mit seinem Gewerbebetrieb erzielt hat.

8. Gewerbesteuererklärung

Nach § 25 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung (GewStDV) ist eine Gewerbesteuererklärung abzugeben für
  • alle gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen, deren Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum den Freibetrag von 24.500 Euro überstiegen hat;
  • Kapitalgesellschaften, soweit sie nicht von der Gewerbesteuer befreit sind;
  • Vereine, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten und deren Gewerbeertrag im Erhebungszeitraum 5.000 Euro überstiegen hat.
Ausgangsbasis der Gewerbesteuererklärung ist der für die Einkommensteuer bzw. die Körperschaftsteuer ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Zusätzlich hierzu hat der Gewerbetreibende Hinzurechnungen und Kürzungen bei seiner Gewerbesteuererklärung vorzunehmen. Die Gewerbesteuererklärung ist elektronisch authentifiziert zu übermitteln, sofern nicht in Härtefällen weiterhin die Papierform zulässig ist. Amtliche Vordrucke werden von den Finanzämtern nur noch dann zur Verfügung gestellt, wenn in Härtefällen die Übermittlung der Gewerbesteuererklärung in Papierform noch zulässig ist. Die Verpflichtung zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung zieht die Verpflichtung zu Vorauszahlungen (§ 19 GewStG) nach sich (siehe Gliederungspunkt 10)..

9. Zuständigkeit

Für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, die Festsetzung des Steuermessbetrages und den Erlass des Messbescheides ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich der Gewerbebetrieb befindet. Für die Festsetzung der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig, in der sich der Gewerbebetrieb befindet. Sie erfolgt durch einen Gewerbesteuerbescheid. Im Stadtstaat Hamburg ist die Festsetzung der Gewerbesteuer auf die Finanzämter übertragen.

10. Fälligkeit

Fällig wird die Gewerbesteuer einen Monat nach Erteilung des Steuerbescheids, soweit sie nicht bereits durch Vorauszahlung ausgeglichen ist.

11. Vorauszahlungen

Vorauszahlungstermine sind der 15. Februar, 15. Mai, 15. August und der 15. November eines jeden Jahres (§ 19 Absatz 1 Seite 1 GewStG). Dies gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr.
Grundsätzlich beträgt jede Vorauszahlung ein Viertel der Gewerbesteuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat, das heißt die Veranlagung, die sich auf den Erhebungszeitraum bezieht, der dem Vorauszahlungsjahr zeitlich am nächsten liegt (§ 19 Absatz 2 GewStG). Allerdings kann die Gemeinde die Vorauszahlungen der Gewerbesteuer an die voraussichtliche Höhe der tatsächlich anfallenden Gewerbesteuer für den Erhebungszeitraum anpassen (§ 19 Absatz 3 GewStG). Der Unternehmer muss bei rückläufigen Gewinnerwartungen diesbezüglich einen Antrag auf Anpassung der Vorauszahlung bei der für die Gewerbesteuer zuständigen Gemeinde zu stellen. In Hamburg ist der Antrag an das zuständige Finanzamt zu stellen.

12. Gewerbesteuerzerlegung bei mehreren Betriebsstätten

Der Steuermessbetrag ist in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen, wenn mehrere Betriebsstätten zur Ausführung desselben Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten werden (§ 28 Absatz 1 Seie 1 GewStG). Als Maßstab für die Zerlegung werden die Arbeitslöhne herangezogen (§ 29 GewStG). Dabei ist die Summe aller Arbeitslöhne zu bilden und diese ins Verhältnis mit den jeweiligen Summen der Arbeitslöhne in den einzelnen Betriebsstätten zu setzen. Dabei sind nur die im Erhebungszeitraum bezahlten Arbeitslöhne zu berücksichtigen. Die Arbeitslöhne sind auf volle 1.000 Euro abzurunden.
Eine Zerlegung erfolgt ferner, wenn sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt oder innerhalb des Erhebungszeitraums von einer Gemeinde in eine andere verlegt worden ist (§ 28 Absatz 1 Seite 2 GewStG).

13. Einheitlicher Steuergegenstand bei mehreren Gewerbebetrieben

Übt eine natürliche Person stehende Gewerbe in verschiedenen Gewerbezweigen aus, so ergibt sich die Frage, ob die unternehmerischen Tätigkeiten zusammengefasst oder getrennt zu betrachten sind. Alle unternehmerischen Tätigkeiten einer natürlichen Person hängen letztlich über die Person des einen Unternehmers zusammen. Dies bedeutet für sämtliche Tätigkeitsbereiche der Gewerbebetriebe eine einheitliche Leitung.
Die Feststellung einer zusammengefassten oder getrennten Betrachtung spielt eine Rolle für den Umgang mit der steuerlichen Verrechnung von Verlusten oder der Nutzung von Freibeträgen. Dabei genügt die Verbundenheit der gewerblichen Tätigkeit noch nicht, ob von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen ist. Es kommt letztlich auf die Qualifizierung zu einem einheitlichen Steuergegenstand an. Dafür maßgebend sind die objektiv vorliegenden Verhältnisse, in denen die mehreren Gewerbebetriebe zueinander stehen. Der Wille des Unternehmers ist also nur insoweit von Bedeutung, als dieser in den tatsächlichen Verhältnissen seinen Ausdruck gefunden hat.
Ein Gewerbebetrieb ist als ein selbstständiger Steuergegenstand zu sehen, wenn die sachlichen Gegebenheiten des Betriebs eine von anderen sachlichen Gegebenheiten unabhängige selbstständige Teilnahme am Wirtschaftsleben zulassen. Grundlage dieser Entscheidung ist § 2 Absatz 1 Seite 1 GewStG, wonach jedes stehende Gewerbe ein Steuergegenstand für sich ist.
Einen einheitlichen Steuergegenstand bilden Gewerbebetriebe, wenn sie nach der Verkehrsauffassung als Einheit (Gleichartigkeit der Tätigkeit) anzusehen sind. Dafür entscheidend ist, ob die einzelnen Betätigungen wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch zusammenhängen. Dabei ist das Gesamtbild der Verhältnisse ausschlaggebend, so dass man durchaus von einem einheitlichen Gewerbebetrieb im Einzelfall ausgehen kann, wenn eine der Voraussetzungen fehlt.
Folgende Kriterien gilt es zu prüfen:
  • wirtschaftlicher Zusammenhang
    Ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht bei mehreren Betätigungen im gleichen Gewerbezweig, also bspw. beim Vertrieb gleicher Waren. Es genügt auch, wenn sich die gewerblichen Tätigkeiten wirtschaftlich ergänzen, so zum Beispiel. Vertrieb eigener Erzeugnisse mit artverwandtem Ladenverkauf. Entscheidend ist, dass Lieferanten- bzw. Kundenkreis einheitlich sind.
  • finanzieller Zusammenhang
    Dieser ist bei einheitlicher Buch- und Kassenführung gegeben. Auch bei gemeinsamen Konten und Rechnungsformularen ist dieser Zusammenhang zu bejahen. In diesen Fällen ist gewährleistet, dass die Finanzierung der gewerblichen Tätigkeiten aus einer einheitlichen Quelle gespeist wird.
  • organisatorischer Zusammenhang
    Dieser Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die laufende Betriebsführung in denselben Räumen abgewickelt wird. Eine gewisse räumliche Nähe muss somit vorhanden sein. Die gegenseitige Aushilfe beim Bedarf von Einrichtungsgegenständen ist ebenfalls Indiz für eine einheitliche Betriebsstätte.
  • Auftreten im Geschäftsverkehr
    Zu guter Letzt ist das äußere Erscheinungsbild der gewerblichen Betätigungen wichtig. Gemeinsame Anschrift, Telefonnummer oder Faxnummer, ein einheitliches Firmenschild, ein gemeinsamer Geschäftseingang etc. sind ebenfalls Indizien für einen einheitlichen Gewerbebetrieb.
Beispiele: Betreibt ein Unternehmer eine Schuhfabrik und außerdem einen Onlinehandel, ist jeder Gewerbebetrieb als selbstständiger Steuergegenstand anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Betriebe in derselben Gemeinde befinden. Anders ist hingegen der Fall zu beurteilen, wenn die Gewerbebetriebe nach der Verkehrsauffassung und nach den Betriebsverhältnissen als Teil eines einheitlichen Gewerbebetriebs anzusehen sind. Das wäre der Fall bei dem Zusammentreffen eines Cafés und einer Bäckerei oder bei einer Fleischerei und einer Speisewirtschaft in räumlicher Nähe und wesentlicher geschäftlicher Verknüpfung. Bei diesen Betrieben besteht dann eine dauernde, auf wesentlichen sachlichen Beziehungen beruhende Bindung.
Konsequenz: Gewerbesteuerliche Verrechenbarkeit von Gewinnen und Verlusten der einzelnen Bereiche für die unternehmerische Einheit; entsprechend kann der Gewerbesteuerfreibetrag nur einmal angerechnet werden.
Rechtsprechungsübersicht: Anbei eine Übersicht von der Rechtsprechung entschiedener Einzelfälle:
  • Apotheke und Kosmetikinstitut mit Fußpflege, Bewegungsbad und Sauna als ein Betrieb; BFH vom 19. Oktober 1982 – VIII R 149/81
  • Bahnhotel und Bahnhofswirtschaft als ein Betrieb; RFH vom 21. Dezember 1938 – VI 730/38
  • Einzelhandel und Großhandel mit den gleichen Waren als ein Betrieb; RFH vom 28. September 1938 – VI 611/38
  • Ladengeschäft und Versandhandel als zwei Betriebe; BFH vom 16. Dezember 1964 – I 375/62
  • Lebensmittelgeschäft, drei in einer Gemeinde als ein Betrieb; BFH vom 9. August 1989 – X R 130 /87
  • Tabakwareneinzelhandel mit Lotto- und Totoannahme als ein Betrieb; BFH vom 19. November 1985 – VIII R 310/83
  • Einzelhandelsgeschäft und Betrieb einer Photovoltaikanlage kein einheitlicher Gewerbebetrieb, FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. September 2010, 2 K 99/14
  • Zwei Bahnhofskioske ein Betrieb, FG Hamburg, Urteil vom 20. November 2014, 3 K 99/14
  • Vermietung von Apartments und Grundstückshandel ein Betrieb, FG Hamburg, Beschluss vom 19. September 2003, III 440/01
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: April 2024

Weitere Informationen

Gründung und Steuern

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Wenn mehrere Personen gemeinsam ein kleingewerbliches oder freiberufliches Unternehmen starten möchten, bilden sie häufig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder BGB-Gesellschaft). Ein besonderes Augenmerk ist bei dieser Rechtsform auf bestehende Haftungsrisiken, Rechte und Pflichten der Gesellschafter, Regelungen zur Gewinnverteilung und steuerrechtliche Besonderheiten zu werfen.

1. Begriff der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) stellt einen auf Dauer angelegter Zusammenschluss von zwei oder mehr Personen zur Verfolgung eines bestimmten gemeinsamen Zwecks dar (§§ 705 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Die Gesellschafter sind verpflichtet, diesen Zweck zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge durch Einbringung von Einlagen zu leisten. Die GbR kann für alle erlaubten Zwecke gegründet werden. Diese können erwerbswirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. In der Praxis wird die Rechtsform der GbR vielseitig genutzt, z.B. für gewerbliche Tätigkeiten, Wohn-, Fahrt- und Spielgemeinschaften oder Freiberuflern (Rechtsanwälte, Ärzte).
Die GbR ist insbesondere zur Offenen Handelsgesellschaft (OHG) abzugrenzen, da beide Gesellschaften unterschiedlichen Regelungen unterliegen und für die OHG zum Teil strengere Vorschriften bestehen. Ist der angestrebte erwerbswirtschaftliche Zweck der Personengesellschaft der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma (§ 1 Handelsgesetzbuch - HGB), ist als Gesellschaftsform nicht die GbR, sondern nur eine OHG oder eine Kommanditgesellschaft (KG) möglich. Eine Vereinbarung der Gesellschafter, wonach eine GbR gegründet werden soll, ist in diesem Fall unbeachtlich.
Der Betrieb eines Handelsgewerbes liegt vor, wenn das Gewerbe einen kaufmännischen Zuschnitt gem. § 1 Abs. 2 HGB hat. Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass ein Unternehmen nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kriterien zum Erfordernis des kaufmännischen Geschäftsbetriebs ergeben sich aus der Art der Geschäftstätigkeit, z.B. Vielfalt der Erzeugnisse und Leistungen, große Lagerhaltung und dem Umfang der Geschäftstätigkeit, z.B. Umsatzvolumen, Größe und Organisation (Größe des Geschäftsbetriebs, Zahl der Betriebsstätten). Beispielsweise spricht ein Betriebsvermögen von 100.000 Euro oder ein Jahresumsatz im Einzelhandel von 250.000 Euro regelmäßig für eine kaufmännische Einrichtung.
Tipp: Genaueres können Sie im Dokument "Eintragung in das Handelsregister" nachlesen.

2. Gründung und Auftreten der GbR

Errichtet wird eine GbR durch einen formlosen Gesellschaftsvertrag. Der Abschluss kann ausdrücklich, aber auch bloß stillschweigend erfolgen. Dies bedeutet, dass regelmäßig die mündliche Übereinkunft zwischen den Gesellschaftern zur Gründung einer GbR ausreicht. Aus diesem Grund wissen viele Personenzusammenschlüsse gar nicht, dass sie tatsächlich bereits eine GbR gegründet haben. Besonderheiten gelten u.a., wenn Grundstücke in die Gesellschaft eingebracht werden. In diesem Fall ist der Vertrag notariell zu beurkunden (§§ 311b, 873, 925 BGB). Gesellschafter können jede natürliche und juristische Person sein, ebenso wie Personen- und Personenhandelsgesellschaften. Es muss sich mindestens um zwei Gesellschafter handeln.
Aus Beweiszwecken und zur Vermeidung von späteren Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten empfiehlt es sich, einen schriftlichen Vertrag - möglichst unter Hinzuziehung eines rechtlichen Beraters - aufzusetzen. Neben den notwendigen Bestandteilen (Gesellschaftszweck und Förderpflicht) sollten möglichst Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung, internen Haftungsverteilung, Beschlussfassung, Gewinn- und Verlustverteilung, Erbfolge, Auseinandersetzung und Auflösung enthalten sein.
Eine Eintragung einer GbR in das Handelsregister ist nicht möglich. Allerdings hat die gewerblich handelnde GbR die Möglichkeit, sich als OHG in das Handelsregister eintragen zu lassen (§ 2 Abs. 1 HGB). Die Anmeldung der OHG ist von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter haben zudem ihre Namensunterschrift unter Angabe der Firma zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen, d.h. in öffentlich beglaubigter Form (notarielle Beurkundung) einreichen. Die Gesellschaft muss dann als OHG im Rechtsverkehr auftreten und unterliegt allen an die Eigenschaft als OHG anknüpfenden Rechten und Pflichten.
Soweit die GbR ein Gewerbe ausübt (vgl. § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz - GewStG), müssen die einzelnen Gesellschafter der GbR ihr Gewerbe der zuständigen Behörde (in Hamburg: Verbraucherschutzamt des örtlich zuständigen Bezirksamtes) anzeigen (vgl. § 14 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO). Dabei muss jeder einzelne der gewerblich tätigen Gesellschafter einer GbR sein Gewerbe anzeigen (vgl. § 14 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO). Dies kann auch - je nach Wohnort bzw. Büroadresse - bei unterschiedlichen Behörden geschehen, allerdings muss die GbR eine ladungsfähige Adresse (Büro oder Adresse desjenigen Gesellschafters, der für den Schriftverkehr verantwortlich ist) bei den Gewerbeanzeigen (umgangssprachlich: Gewerbeanmeldungen) angeben. In Hamburg ist für die Gewerbeanzeige das örtlich zuständige Bezirksamt (Verbraucherschutzamt) zuständig. Eine Gewerbeanzeige ist auch am Serviceschalter der Handelskammer Hamburg möglich. Bestimmte Gewerbe dürfen zum Schutz der Allgemeinheit nur ausgeübt werden, wenn zusätzlich eine Erlaubnis bzw. Genehmigung vorliegt oder der Unternehmer bestimmte Sachkunde nachweisen kann. Eine solche ist z.B. beim Vermittlergewerbe (§ 34c Abs. 1 Nr. 1 GewO), Bewachungsgewerbe (§ 34a Abs.1 S. 1 GewO) oder Gaststättengewerbe (§ 1 Abs. 1 Gaststättengesetz - GastG) notwendig.
Tipp: Weitere Informationen zum Thema "Gründung" bieten wir Ihnen in den Dokumenten zur Gewerbeanmeldung und zu den genehmigungspflichtigen Gewerben an.
Da die GbR nicht im Handelsregister eingetragen wird, führt sie kein Firmenzeichen i.S.d. §§ 17 ff. HGB, unter der sie im Geschäftsverkehr auftritt. Soweit die GbR aber gewerblich tätig wird, müssen auf Geschäftsbriefen die ausgeschriebenen Vor- und Zunamen aller Gesellschafter sowie die ladungsfähige Anschrift der GbR (Postanschrift) verwendet werden (Vgl. § 15b Gewerbeordnung). Zu den Geschäftsbriefen zählen z.B. Rechnungen, Quittungen oder Liefer- und Bestellscheine.
Daneben kann die GbR eine geschäftliche Bezeichnung (vgl. "Grundregeln des Firmenrechts) führen. Diese darf aber nicht den Eindruck des Gebrauchs einer Firma erwecken oder in sonstiger Weise täuschungsgeeignet oder irreführend sein. Der Zusatz „Gesellschaft bürgerlichen Rechts", „GbR” oder „BGB-Gesellschaft” ist nicht erforderlich, aber möglich.
Beispiel:
„Anna Reich & Robert Hut GbR - Herrenbekleidung”
oder
„Herren- und Damenbekleidung Michael Maier & Stefan Herz BGB-Gesellschaft”

3. Rechte und Pflichten der Gesellschafter

Zwischen den Gesellschaftern der GbR entstehen bestimmte Rechte und Pflichten. Diese richten sich vorrangig nach der Übereinkunft zwischen den Gesellschaftern. Haben die Gesellschafter keine Regelung getroffen, gelten die gesetzlichen Vorschriften (§§ 705 ff. BGB).
Danach haben die Gesellschafter folgende Rechte und Pflichten:
  • Die Gesellschafter sind zur Leistung der vereinbarten Beiträge verpflichtet. Die Beiträge können z.B. in Geldmitteln, im Zur-Verfügung-Stellen von Personal, Geräten oder Stoffen, in Dienst- oder Werkleistungen bestehen.
  • Die Gesellschafter haben gegenüber der GbR eine Treuepflicht. Die Treuepflicht verlangt von ihnen, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen und alles zu unterlassen, was sie schädigt.
  • Die Gesellschafter haben das Recht und die Pflicht zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung.
  • Die Gesellschafter haben ein Stimmrecht bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen.
  • Die Gesellschafter können gewisse Kontrollrechte ausüben, z.B. sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Geschäftsbücher und Papiere (Verträge, Korrespondenz etc.) der Gesellschaft einsehen und sich aus diesen Unterlagen eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anfertigen (§ 716 Abs. 1 BGB).
  • Die Gesellschafter sind an Gewinn und Verlust der GbR beteiligt (vgl. § 722 Abs. 1 BGB).

4. Gesellschaftsvermögen

Das Gesellschaftsvermögen ist das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB). Dieses besteht aus den Beiträgen der Gesellschafter sowie dem erwirtschafteten Gewinn. Das Vermögen steht allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Es unterliegt einer sogenannten gesamthänderische Bindung, dies bedeutet, dass ein Gesellschafter weder über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen noch über seinen Anteil an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstände allein verfügen kann. Dies ist nur durch alle Gesellschafter gemeinsam möglich.

5. Rechts-/Parteifähigkeit und Haftung

Die GbR ist aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2001 (BGH, Urteil vom 29.1.2001, Az.: II ZR 331/00) rechtsfähig, soweit sie durch die Teilnahme am Rechtsverkehr nach außen auftritt und eigene Rechte und Pflichten begründet. Man spricht von einer sogenannten Außen-GbR.
Dies hat u.a. zur Folge, dass die GbR
  • selber Vertragspartnerin und damit Schuldnerin bzw. Gläubigerin werden kann;
  • im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig ist, d.h. selber klagen und verklagt werden kann und Leistung an die GbR verlangen kann.
Für die Verbindlichkeiten der GbR gegenüber Dritten steht diesen als Haftungsmasse das Gesellschafts- und das Privatvermögen jedes einzelnen Gesellschafters zur Verfügung.
Zum einen haftet die Außen-GbR für Verbindlichkeiten, die durch Vertragsabschluss im Namen der Gesellschaft entstanden sind, unbeschränkt mit ihrem Vermögen. Daneben haften für solche Verbindlichkeiten grundsätzlich auch die Gesellschafter unbeschränkt persönlich mit ihrem Privatvermögen. Ein Gläubiger kann z. B. einen Gesellschafter nach seiner freien Wahl aussuchen und in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Der in Anspruch genommene Gesellschafter kann dann von den anderen Gesellschaftern anteilig internen Ausgleich verlangen. Dabei haften die Gesellschafter untereinander in der Regel zu gleichen Teilen. Die Gesellschafter können aber individuell eine andere Regelung treffen, etwa eine Haftung nach unterschiedlichen Quoten. Diese Regelung wirkt aber nicht im Außenverhältnis gegenüber Dritten.
Im Hinblick auf den Haftungsumfang ist es unter den Gesellschaftern möglich, die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen bzw. völlig auszuschließen. Eine derartige Haftungsbeschränkung ist aber nur dann wirksam, wenn sie mit dem jeweiligen Vertragspartner individuell ausgehandelt wird. Aus Beweiszwecken ist ein schriftlicher Abschluss einer solchen Zusatzvereinbarung zu empfehlen. Eine Beschränkung der persönlichen Haftung der Gesellschafter durch das Auftreten nach außen mit dem Hinweis auf die beschränkte Haftung oder mit einer ähnlichen Bezeichnung ist unwirksam.

6. Geschäftsführung und Vertretung

Zu unterscheiden ist zwischen der Geschäftsführung und der Vertretung. Aufgabe der Geschäftsführung ist das Management eines Unternehmens im Innenverhältnis, d.h. Überwachung der Produktion, Buchführung, Erledigung der Korrespondenz etc. Die Vertretung betrifft dagegen das Handeln im Außenverhältnis, z.B. die Eingehung von Verpflichtungen im Namen der GbR.
Die Führung der Geschäfte in der GbR steht den Gesellschaftern grundsätzlich gemeinschaftlich zu (Gesamtgeschäftsführung, vgl. § 709 Abs. 1 BGB). Für jedes Geschäft ist daher die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Von dieser Regelung kann aber abgewichen werden, z.B. kann vereinbart werden, dass die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern (§ 710 S. 1 BGB) oder einem einzelnen Gesellschafter übertragen wird (Einzelgeschäftsführungsbefugnis, vgl. § 710 S. 1 BGB). Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern derart zu, dass jeder alleine zu handeln berechtigt ist, besteht für die anderen Gesellschafter die Möglichkeit, das Geschäft zu blockieren (Widerspruchsrecht, § 711 BGB). Von dieser Regelung kann ebenfalls durch entsprechende Vereinbarung abgewichen werden.
Den geschäftsführungsbefugten Gesellschaftern kann die Geschäftsführungsbefugnis wieder entzogen werden. Voraussetzung ist, dass ein „wichtiger Grund” vorliegt, z.B. eine besonders grobe Pflichtverletzung oder eine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (vgl. § 712 Abs. 1 BGB). Aber auch hier sind abweichende Vereinbarungen möglich. Umgekehrt kann ein geschäftsführungsbefugter Gesellschafter die Geschäftsführung kündigen, wenn für ihn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 712 Abs. 2 BGB).
An die Geschäftsführung ist bei der GbR die Vertretung gekoppelt, d.h. die Vertretungsbefugnis reicht ebenso weit wie die Geschäftsführungsbefugnis. Soweit also einem Gesellschafter die Befugnis zur Geschäftsführung zusteht, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten (§ 714 BGB). Hiervon abweichend kann unter den Gesellschaftern vereinbart werden, dass einzelne oder mehrere Gesellschafter die GbR nach außen vertreten. Eine Entziehung dieser Befugnis ist ebenfalls möglich.

7. Gewinn- und Verlustbeteiligung

In der Praxis empfiehlt es sich, individuelle Regelungen zur Gewinn- und Verlustbeteiligung schriftlich festzulegen, um insbesondere bei unterschiedlichem Gewicht der Gesellschafterbeiträge einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Wird keine Regelung zwischen den Gesellschaftern getroffen, greifen die gesetzlichen Regelungen. Danach hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf Art und Größe seines Beitrags einen gleichen Anteil am Gewinn und Verlust („Gewinn- und Verlustbeteiligung nach Köpfen”, § 722 Abs. 1 BGB).
Die Durchführung der Gewinn- und Verlustbeteiligung sollte ebenfalls durch Übereinkunft zwischen den Gesellschaftern geregelt werden. Ist dies nicht geschehen, gelten die gesetzlichen Regelungen. Danach kann ein Gesellschafter, soweit die GbR nur für eine kurze Zeit im Kalenderjahr, z.B. für die Durchführung eines Seminars, gegründet wurde, den Rechnungsabschluss und die Verteilung des Gewinns bzw. Verlustes erst nach Auflösung der GbR verlangen (§ 721 Abs. 1 BGB). Ist die GbR auf längere Zeit geschlossen, erfolgt der Rechnungsabschluss und die Gewinnverteilung am Schluss eines jeden Geschäftsjahres (§ 721 Abs. 2 BGB).

8. Veränderung des Personenbestandes

Da die GbR nach dem traditionellen Verständnis als Personengesellschaft eng mit ihren Gesellschaftern verflochten ist, hat eine Veränderung des Personenbestandes innerhalb der GbR nach den gesetzlichen Vorgaben entscheidende Auswirkungen auf ihren Bestand. Bei Ausscheiden oder Tod eines Gesellschafters sieht das Gesetz als Folge die Auflösung der GbR vor. Diese Regel ist aber abzuwenden. So können die Gesellschafter vorab eine abweichende Regelung treffen.

8.1 Ausscheiden eines Gesellschafters

Ein Gesellschafter kann aus unterschiedlichen Gründen aus der GbR ausscheiden, z.B. bei Kündigung oder Ausschließung oder nach einer einvernehmlichen Trennung. Das Ausscheiden eines Gesellschafters hat grundsätzlich die Auflösung der GbR zur Folge. Im Gesellschaftsvertrag kann davon abweichend die Fortsetzung der GbR vereinbart werden (sog. „Fortsetzungsklausel”). Scheidet ein Gesellschafter aus einer fortbestehenden GbR aus, erhält er anstelle seines Gesellschaftsanteils einen Anspruch auf Abfindung, wobei die Höhe der Abfindung dem Betrag entspricht, den der ausscheidende Gesellschafter erhalten hätte, wenn die GbR aufgelöst worden wäre. Daneben haftet der ausgeschiedene Gesellschafter weiterhin für Verbindlichkeiten der GbR, sofern diese bei seinem Ausscheiden begründet waren, vor Ablauf von fünf Jahren fällig und ihm gegenüber festgestellt werden. Die Haftung erlischt nach 5 Jahren, nachdem die jeweiligen Gläubiger von seinem Ausscheiden aus der GbR Kenntnis erlangt haben (sog. „Nachhaftung”. vgl. § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 HGB).

8.2 Eintritt eines neuen Gesellschafters

Der Eintritt eines neuen Gesellschafters erfolgt durch Abschluss eines Vertrages mit den bisherigen Gesellschaftern. An der Identität der GbR ändert dies nichts. Zu beachten ist jedoch, dass die in eine bestehende GbR eintretenden Gesellschafter seit dem 7. April 2003 nicht nur für die seit ihrem Eintritt, sondern auch für die vor ihrem Eintritt in die GbR begründeten Verbindlichkeiten gem. § 130 HGB analog haften (BGH, Urteil v. 7.4.2003 – Az.: II ZR 56/02). Wer allerdings vor diesem Datum in eine GbR eingetreten ist, wird in seinem Vertrauen auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung, die bezüglich der Altverbindlichkeiten eine Haftung ablehnte, geschützt.

8.3 Gesellschafterwechsel

Ein Gesellschafterwechsel ist möglich, wenn das Ausscheiden eines Gesellschafters und der Eintritt eines neuen Gesellschafters dergestalt kombiniert werden, dass der neue Gesellschafter an die Stelle des Austretenden tritt. In der Praxis geschieht dies regelmäßig dadurch, dass ein Gesellschafter der GbR seinen Gesellschaftsanteil an einen Dritten mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter abtritt. Der Dritte wird dadurch neuer Gesellschafter der GbR. An der Identität der GbR ändert sich durch den Gesellschafterwechsel nichts.

8.4 Tod eines Gesellschafters

Der Tod eines Gesellschafters hat grundsätzlich ebenfalls die Auflösung der GbR zur Folge. Abweichend davon kann zwischen den Gesellschaftern vereinbart werden, dass die GbR z.B. unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt wird (sog. Fortsetzungsklauseln) oder der Erbe anstelle des Verstorbenen der GbR beitritt.

9. Auflösung und Liquidation der GbR

Eine Auflösung der GbR hat den gesetzlichen Vorgaben zufolge in unterschiedlichen Fällen zu erfolgen, wie z.B. bei Übereinkunft zwischen den Gesellschaftern, Kündigung durch einen Gesellschafter, Erreichung oder Unerreichbarkeit des vereinbarten Gesellschaftszwecks, Zeitablauf bei befristeter Gesellschaft, Tod eines Gesellschafters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR oder eines Gesellschafters. Die Gesellschafter können sich aber - wie bereits aufgezeigt - darauf verständigen, dass die GbR in solchen Fällen fortgeführt wird.
Im Anschluss an die Auflösung der GbR findet die Auseinandersetzung (Liquidation) statt. Die Modalitäten können aufgrund einer Übereinkunft zwischen den Gesellschaftern geregelt werden. Ansonsten gelten die gesetzlichen Regelungen (§§ 732 ff., 741 ff. BGB). Danach läuft die Auseinandersetzung wie folgt ab:
  • zunächst sind die laufenden Geschäfte der GbR abzuwickeln und die Schulden der GbR zu tilgen,
  • sodann sind den Gesellschaftern ihre Einlagen zurückzuerstatten oder wertmäßig zu ersetzen und die der GbR zum Gebrauch überlassenen Gegenstände an die Gesellschafter zurückzugeben,
  • schließlich wird das noch verbliebene Vermögen der GbR unter den Gesellschaftern im Verhältnis der Gewinnanteile verteilt.
Mit Abschluss der Liquidation ist die Gesellschaft erloschen und existiert nicht mehr.

10. Steuerliche Behandlung der GbR

Bei der GbR bestehen vielfältige steuerrechtliche Besonderheiten, die bei der Gründung und dem Bestehen der Gesellschaft zu beachten sind. Nachdem die gewerblich tätigen Gesellschafter der GbR beim örtlich zuständigen Gewerbeamt ihr Gewerbe angezeigt haben (in Hamburg: Verbraucherschutzamt oder in der Handelskammer Hamburg), erhalten sie von ihrem zuständigen Finanzamt (Übersicht der Finanzämter in Hamburg) einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 165 KB), den Sie ausgefüllt an das Finanzamt zurücksenden.

10.1 Gewinnfeststellung

Der maßgebliche Gewinn der GbR wird entweder durch eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) oder den sogenannten Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) ermittelt. Bei der GbR als kleingewerbliches Unternehmen dürfte regelmäßig eine Einnahmenüberschussrechnung in Betracht kommen.
Bei der Einnahmenüberschussrechnung werden die tatsächlich erhaltenen Betriebseinnahmen (Zuflussprinzip) und tatsächlich geleisteten Betriebsausgaben (Abflussprinzip) gegenübergestellt nach dem Prinzip:
Betriebseinnahmen
./. Betriebsausgaben
Gewinn bzw. Verlust
Diese Methode der Gewinnermittlung ist aber nur bei Gesellschaften möglich, die nicht zu einem Betriebsvermögensvergleich verpflichtet sind und auch nicht freiwillig Bücher führen (vgl. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG). Die Gewinnermittlung mittels EÜR ist für Gewerbetreibende, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, möglich, wenn:
  • der Jahresumsatz unter 600.000 Euro (vgl. § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO) und
  • der Jahresgewinn unter 60.000 Euro (vgl. 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AO) liegt und
  • nicht freiwillig Bücher geführt werden.
Ansonsten ist ein Betriebsvermögensvergleich (Bilanz) durchzuführen, bei dem das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres mit dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres verglichen wird. Der Unterschiedsbetrag ist der steuerpflichtige Gewinn bzw. Verlust.
Hinweis: Näheres dazu können Sie im Dokument "Einnahmenüberschussrechnung" nachlesen.
Der Betrieb der GbR ist beim zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Es ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk die GbR ihren Sitz hat. Soweit sie keine Geschäftsräume unterhält, kann dies das Wohnsitz-Finanzamt eines der Gesellschafter sein. Dieser kann von den übrigen Gesellschaftern der GbR zum Empfangsbevollmächtigten ernannt werden. Bei diesem Finanzamt erhält die GbR dann eine eigene Steuernummer. Für die Anmeldung müssen die Personalausweise aller Gesellschafter, ein unterschriebener Fragebogen zur steuerlichen Erfassung – Personengesellschaften/-gemeinschaften und, falls ein solcher abgeschlossen wurde, ein von allen Gesellschaftern unterschriebener Gesellschaftsvertrag in Kopie vorgelegt werden.
Die Steuererklärung der GbR muss bei dem zuständigen Finanzamt nach Ablauf des Kalenderjahres bis Ende Juli des Folgejahres (wird die Hilfe steuerberatender Berufe in Anspruch genommen, verlängert sich die Frist bis zum letzten Tag des Februars des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Jahres) eingereicht werden. Für die Steuererklärung gibt es bei den Finanzämtern oder online im Formularcenter des Bundesministeriums der Finanzen das Formular zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, auf dem u.a. die prozentuale Verteilung der Gewinn- und Verlustbeteilung der Gesellschafter anzugeben ist und dem die Einnahmenüberschussrechnung beigefügt wird.
Die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftern richtet sich vorrangig nach ihrer Übereinkunft. Soweit eine solche fehlt, wird jeder Gesellschafter zu gleichen Anteilen am Gewinn beteiligt. Die Gewinnanteile der Gesellschafter müssen sich dann in den persönlichen Steuererklärungen der Gesellschafter wiederfinden, welche sie bei ihrem Wohnsitz-Finanzamt abgeben müssen.

10.2 Besteuerung des Gewinns bei den Gesellschaftern

Die GbR ist, anders als z.B. die GmbH, keine eigene Rechtsperson, was dazu führt, dass die GbR selber nicht Steuersubjekt der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ist. Die GbR wird damit nicht selber zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer veranlagt. Vielmehr wird nach einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellung der Gewinn dem jeweiligen Gesellschafter in der Höhe des ihm zustehenden Anteils zugeordnet und bei diesem besteuert.
Die Gesellschafter unterliegen je nach Rechtsform der Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Sofern es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt, unterliegt der Gewinnanteil der Einkommensteuer, sofern die Gesellschafter juristische Personen sind, der Körperschaftsteuer. Sind beispielsweise mehrere natürliche Personen an einer gewerblichen GbR beteiligt, werden die entsprechenden Gewinnanteile als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beim jeweiligen Gesellschafter mit dessen individuellem Steuersatz versteuert. Die Besteuerung erfolgt unabhängig davon, ob die Gewinne im Unternehmen verbleiben oder dem Unternehmen entnommen werden.

10.3 Gewerbesteuer

Anders als bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterliegt die GbR selber der Gewerbesteuer. Die GbR ist gewerbesteuerpflichtig, soweit sie ein Gewerbe ausübt (vgl. § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz - GewStG). Ist die GbR dagegen nicht auf den Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gerichtet, sondern z.B. auf eine bloße Vermögensverwaltung, löst diese Tätigkeit keine Gewerbesteuer aus. Besonderheiten können sich aber ergeben, wenn die GbR teils gewerblich und teils vermögensverwaltend tätig wird.
Die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. Dies ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der um gesetzlich bestimmte Kürzungen und Hinzurechnungen ergänzt wird.
Bei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von einem Steuermessbetrag auszugehen. Dieser ist durch Anwendung eines Prozentsatz (Steuermesszahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln. Bei einer GbR ist der Gewerbeertrag um einen Freibetrag von 24.500 Euro zu kürzen (vgl. § 11 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz - GewStG). Der steuerliche Hebesatz ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Der Hebesatz in Hamburg beträgt derzeit 470 %. Die Gewerbesteuerhebesätze in den Hamburger Umlandsgemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern entnehmen Sie dem Dokument "Gewerbesteuerhebesätze in der Metropolregion Hamburg". Die Höhe der Hebesätze anderer Gemeinden erfahren Sie bei der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung.
Zur Kompensation der Gewerbesteuer können die Gesellschafter, soweit sie natürliche Personen sind, im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung die Gewerbesteuer anteilig auf die Einkommensteuer mit einem derzeitigen Anrechnungsfaktor von 3,8 anrechnen, vgl. § 35 Abs. 1 EStG (Ab VZ 2020: 4,0). Die tarifliche Einkommensteuer ermäßigt sich bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 EStG um das 3,8fache (Ab VZ 2020: um das 4,0fache) des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags.
Hinweis: Genaueres können Sie im Dokument "Die Gewerbesteuer" nachlesen.

10.4 Umsatzsteuer

Die GbR ist auch im Hinblick auf die Umsatzsteuer ein eigenes Steuersubjekt, soweit sie Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist. Das heißt, dass sie für Lieferungen und sonstige Leistungen, die sie im Inland gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens ausführt, Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19 % zu entrichten hat. Der Steuersatz ermäßigt sich auf 7 % für bestimmte Lieferungen und Leistungen, wie z.B. die Lieferung von Lebensmittel oder Bücher (vgl. § 12 Abs. 1, 2 UStG). Bestimmte Lieferungen und Leistungen, insbesondere innergemeinschaftliche, können von der Umsatzsteuer befreit sein (vgl. § 4 ff. UStG).
Hinweis: Informationen zur vorübergehenden Senkung der Umsatzsteuersätze ab dem 1. Juli 2020 finden Sie auf unserem Merkblatt.
Bei geringen Umsätzen kann die Anwendung der sog. umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG in Betracht kommen. Danach wird bei Unternehmern, deren Umsatz im Jahr der Gründung voraussichtlich 22.000 Euro (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) nicht übersteigt, keine Umsatzsteuer erhoben. Sie dürfen keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen und haben keinen Vorsteuerabzug aus der ihnen in Rechnung gestellten Umsatzsteuer. Sie müssen die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen. Soweit das Unternehmen erst Mitte des Jahres gegründet wird, ist der Betrag von 22.000 Euro (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) anteilig auf die restlichen Monate umzurechnen. Entsprechendes gilt für die Jahre nach der Gründung, soweit der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht über 22.000 Euro (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) lag und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht 50.000 Euro überschreiten wird. Der Umsatz berechnet sich aus den vereinnahmten Entgelten einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer.
Hinweis: Weitere Informationen zur Umsatzsteuer finden Sie im Dokument "Umsatzsteuer/ Mehrwertsteuer für Existenzgründer".

10.5 Übersicht - GbR und Steuern

Steuerart
Hinweise
Einkommen-/
Körperschaftsteuer
Die GbR unterliegt selber weder der Einkommen- noch der Körperschaftsteuer.
Für ihre Steuererklärung hat sie bei dem zuständigen Finanzamt ein Formular zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung abzugeben, welches die jeweiligen Gewinnanteile der Gesellschafter enthält. Die einzelnen Gesellschafter haben je nach Rechtsform ihren Gewinnanteil als Einkünfte bei der Einkommensteuer oder bei der Körperschaftsteuer zu versteuern.
Gewerbesteuer
Die GbR ist selbst gewerbesteuerpflichtig, wenn sie gewerblich tätig wird. Der Gewerbeertrag ist um einen Freibetrag von 24.500 Euro zu kürzen (vgl. § 11 Abs. 1 GewStG).
Umsatzsteuer
Die GbR ist bei entsprechender Tätigkeit Unternehmer i.S.d. UStG und somit umsatzsteuerpflichtig (Ausnahme: Umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung).
Grunderwerbsteuer
Bei der Übernahme von Grundstücken in das bzw. Veräußerung aus dem Gesellschaftsvermögen entsteht Grunderwerbsteuer. Dasselbe gilt, wenn ein Grundstück der GbR in das Alleineigentum eines Gesellschafters übergeht. Jedoch sind die Bestimmungen der §§ 5 und 6 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) zur anteilige Befreiung zu beachten.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie dem IHK-Finder entnehmen.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2020
Steuern

Bewirtungskosten: Steuerliche Behandlung

Bei Essenseinladungen, die mit einer unternehmerischen Tätigkeit zusammenhängen, kann der Bewirtende unter bestimmten Umständen die Kosten für die Bewirtung als Betriebsausgaben steuerlich gewinnmindernd berücksichtigen. Für Erwerbstätige besteht unter bestimmten Umständen ein Werbungskostenabzug bei der Einkommensteuer. Des Weiteren kann die hierauf entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige vorsteuerabzugsberechtigt ist. Besondere Nachweis- und Aufzeichnungsregeln sind zu beachten.

Ertragsteuerliche Behandlung aus Sicht des Bewirtenden

Für einen Unternehmer können die Bewirtungsaufwendungen gewinnmindernde Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz - EStG) sein. Dies gilt auch für körperschaftssteuerpflichtige Kapitalgesellschaften, da sich die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer nach den Gewinnermittlungsvorschriften im Einkommensteuergesetz (§§ 4 ff. EStG) richtet. Bei einer „Privatperson”, die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bezieht, können die Kosten für eine Bewirtung gegebenenfalls Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG darstellen.

Was sind Bewirtungskosten?

Bewirtungskosten sind nach R 4.10 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) Aufwendungen für den Verzehr von Speisen, Getränken und sonstigen Genussmitteln und können entweder in voller Höhe, nur zum Teil oder überhaupt nicht abzugsfähig sein. Zu den Bewirtungskosten gehören auch Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Bewirtung stehen und im Rahmen des insgesamt geforderten Preises von untergeordneter Bedeutung sind, wie zum Beispiel Trinkgelder und Garderobengebühren.
Keine Bewirtungen sind aber nach den Einkommensteuerrichtlinien die üblichen Gesten der Höflichkeit, wie z.B. Kaffee und Kekse bei einer betrieblichen Besprechung. Ebenfalls keine Bewirtungskosten sind Produkt-/Warenverkostungen im Herstellungsbetrieb, beim Kunden, beim Zwischenhändler oder bei Messeveranstaltungen; hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Verkauf der Produkte und Waren. Diese Aufwendungen können als Werbeaufwand unbeschränkt als Betriebsausgaben abgezogen werden. Dabei darf aber nur das zu veräußernde Produkt und ggf. Aufmerksamkeiten, z. B. Brot anlässlich einer Weinprobe gereicht werden. Ansonsten handelt es sich um geschäftlich veranlasste Bewirtungskosten.
Bewirtungskosten können steuermindernd berücksichtigt werden, wenn sie betrieblich veranlasst und nach der allgemeinen Verkehrsauffassung in ihrer Höhe angemessen sind. Die Angemessenheit der Bewirtungskosten richtet sich nach den jeweiligen Branchenverhältnissen. Neben der Größe des Unternehmens, der Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwandes für den Geschäftserfolg und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben als Beurteilungskriterien heranzuführen (H 4.10 EStR). Bei den Bewirtungskosten für Geschäftsfreunde dürfen steuerlich als Betriebsausgaben abgezogen werden 70 Prozent der durch Belege ordnungsgemäß nachgewiesenen Aufwendungen, soweit sie angemessenen sind. Überschussrechner müssen in der Anlage EÜR in einer eigenen Zeile den abziehbaren Teil (70 %) und den nicht abziehbaren Teil (30 %) getrennt eintragen.
Geschäftsfreunde sind Personen, mit denen der Steuerpflichtige in geschäftlicher Verbindung steht oder diese anstrebt; dazu zählen auch Arbeitnehmer dieser Personen, nicht aber Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen selbst. Die besonderen Vorschriften für den Nachweis und die Aufzeichnungen hinsichtlich der Kosten müssen beachtet werden.

Betrieblich veranlasste Bewirtungskosten

Sind die Bewirtungskosten betrieblich veranlasst, kommt es darauf an, ob sie auch geschäftlich veranlasst sind. Ein geschäftlicher Anlass besteht insbesondere bei der Bewirtung von Geschäftsfreunden bzw. potentiellen Geschäftsfreunden. Als Geschäftsfreunde gelten Personen, mit denen Geschäfte abgeschlossen oder angebahnt werden sollen, einschließlich deren teilnehmende Arbeitnehmer, also z.B. Kunden, steuerliche und rechtliche Berater und Lieferanten. Auch die Bewirtung von Besuchern des Betriebs zum Beispiel im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit ist geschäftlich veranlasst. Von geschäftlich veranlassten Bewirtungskosten können nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG nur 70 Prozent der durch Belege ordnungsgemäß nachgewiesenen Bewirtungskosten, die angemessen sein müssen, steuermindernd berücksichtigt werden. Da den Bewirtungskosten auch Trinkgelder zuzurechnen sind, gilt hierfür auch die Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs.
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 18.9.2007 (Aktenzeichen I R 75/06) zum Abzug von Kosten einer Bewirtung bei Schulungsveranstaltung sind Aufwendungen für eine geschäftlich veranlasste Bewirtung nach § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich nicht abziehbar, soweit sie 70 Prozent des angemessenen Betrags übersteigen und ein Unternehmen im Rahmen einer Schulungsveranstaltung Personen bewirtet, die nicht seine Arbeitnehmer sind. Im konkreten Fall setzte ein Hersteller von Metallwaren zum Vertrieb seiner Produkte Fachberater und Handelsvertreter ein, die freiberuflich für ihn tätig wurden. Für diesen Personenkreis führte er ganztägige Schulungsveranstaltungen durch, bei denen die Teilnehmer auf seine Kosten verpflegt wurden. Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzamts, das die Aufwendungen für die Verpflegung als von § 4 Abs. 5 EStG erfasste Bewirtungskosten angesehen und den Betriebsausgabenabzug entsprechend gekürzt hatte. Er entschied, dass Bewirtungsaufwand nur dann unbeschränkt abziehbar sein könne, wenn ein Unternehmer seine Arbeitnehmer bewirte. Die Bewirtung selbständig tätiger Geschäftspartner werde hingegen von der gesetzlichen Abzugsbeschränkung erfasst.
Nach R 4.10 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) sind betrieblich veranlasste Bewirtungsaufwendungen, die nicht geschäftlich bedingt sind, die Kosten für die Bewirtung eigener Arbeitnehmer. Diese können als Betriebsausgaben zu 100 Prozent steuermindernd berücksichtigt werden, ebenso wie die hiermit verbundenen Nebenkosten (Trinkgelder, Garderobengebühr).

Private Veranlassung der Bewirtungskosten

Rein privat veranlasste Bewirtungskosten sind Kosten der allgemeinen Lebensführung und werden nicht steuermindernd berücksichtigt (§ 12 Nr.1 EStG). Wann Bewirtungskosten dagegen betrieblich veranlasst sind, ist eine Frage des Einzelfalles. Nach R 4.10 und R 12.1 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) liegen grundsätzlich keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten vor, wenn der Steuerpflichtige Geschäftsfreunde in seiner Wohnung bewirtet oder anlässlich seines Geburtstages in einer Gaststätte.
Die neuere Rechtsprechung sieht im Anlass der Bewirtung allerdings nicht mehr das allein ausschlaggebende Kriterium für die Einordnung als Werbungskosten/Betriebsausgaben. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 11. Januar 2007 (VI R 52/03) die Kosten für die Abschiedsfeier eines pensionierten Berufssoldaten als Werbungskosten eingeordnet. An der Feier, die in einem Offiziersheim stattfand, nahmen Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer des Dienstherrn des Berufssoldaten sowie geladene Gäste teil. In einem anderen Urteil vom 1. Februar 2007 sah der BFH (VI R 25/03) in den Kosten für ein Gartenfest Werbungskosten eines angestellten Geschäftsführers. Das Fest fand anlässlich seines 25jährigen Dienstjubiläums nur für seine Mitarbeiter und in seinem eigenen Garten statt. Die Entlohnung des Geschäftführers bestand neben einem festen Gehalt zu zwei Drittel aus variablen Tantiemen und seine Mitarbeiter sollten durch das Fest motiviert werden, was der Sicherung der Tantiemen des Geschäftsführers diente.
Als weitere Kriterien neben dem Anlass der Bewirtung hat der BFH zur grundsätzlichen Einordnung von Bewirtungskosten als Werbungskosten und damit zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung in diesen Urteilen folgende Kriterien aufgestellt:
  • Als Gastgeber tritt das Unternehmen oder der steuerpflichtige Arbeitnehmer/Unternehmer auf.
  • Die Gästeliste bestimmt das Unternehmer bzw. der Vorgesetzter oder der Arbeitnehmer.
  • Die Gästen sind Kollegen, Mitarbeiter, Presse und Verbandvertreter oder private Bekannte bzw. Angehörige des Bewirtenden.
  • Der Ort der Veranstaltung ist im Unternehmen/Restaurant oder im Haus des Steuerpflichtigen.
  • Der Charakter der Veranstaltung ist insgesamt eher betrieblicher bzw. privater Natur.
Achtung: Übernimmt eine Kapitalgesellschaft die Kosten für eine nicht betrieblich anerkannte, sondern rein private Bewirtung (z.B. Geburtstagsfeier) eines Gesellschaftergeschäftsführers, so sieht die Rechtsprechung hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung. Sowohl bei der Kapitalgesellschaft als auch entsprechend bei einem Personenunternehmen werden die Kosten für die Bewirtung in diesem Fall nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Da sie den Gewinn des Unternehmens nicht mindern dürfen, werden sie den Einkünften außerhalb der Bilanz wieder hinzugerechnet.

Umsatzsteuerliche Behandlung von Bewirtungskosten

Der bewirtende, zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) die in den Bewirtungsaufwendungen enthaltene Umsatzsteuer in voller Höhe von der Vorsteuer abziehen und nicht nur die nach § 4 Abs.1 Nr.2 EStG abzugsfähigen 70%. Nach der alten Fassung des § 15 Abs.1a UStG konnte nur die Umsatzsteuer von der Vorsteuer abgezogen werden, die auf diese abzugsfähigen 70 Prozent entfiel. Das hielt der Bundesfinanzhof (Urteil v. 10.2.2005, V R 76/03) für einen Verstoß gegen die europäische Richtlinie 77/388/EWG. Daher hat der Gesetzgeber den § 15 Abs.1a UStG neugefasst (siehe auch BMF-Schreiben vom 23.Juni 2005).
Für das freiwillig gezahlte Trinkgeld ist der Vorsteuerabzug allerdings nicht möglich. Hierzu führt Abschnitt 10.1 Abs. 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) (früher: Abschn. 149 Abs. 5 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)) aus: „Zum Entgelt gehören auch freiwillig an den Unternehmer gezahlte Beträge, z. B. Trinkgelder, wenn zwischen der Zahlung und der Leistung des Unternehmers eine innere Verknüpfung besteht. Der im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe erhobene Bedienungszuschlag ist Teil des vom Unternehmer vereinnahmten Entgelts, auch wenn das Bedienungspersonal den Zuschlag nicht abführt, sondern vereinbarungsgemäß als Entlohung für seine Dienste zurückbehält. Dagegen rechnen die an das Bedienungspersonal gezahlten freiwilligen Trinkgelder nicht zum Entgelt für die Leistungen des Unternehmers. Achtung: Ertragsteuerlich sind den Bewirtungskosten auch Trinkgelder zuzurechnen sind (siehe unter 1.1 Was sind Bewirtungskosten).
Beispiel: Bei angemessenen und ordnungsgemäß nachgewiesenen Bewirtungskosten in Höhe von 119,00 – inklusive 19 Euro Umsatzsteuer kann der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer die gesamte Vorsteuer in Höhe von 19 Euro (19 % USt von 119 Euro) abziehen. Von dem Nettobetrag in Höhe von 100 Euro sind bei geschäftlich veranlassten Bewirtungskosten 70 Euro als Betriebsausgaben abzugsfähig, während 30 Euro nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Nachweis und besondere Aufzeichnung

Bei Bewirtungen in Restaurants hat der Steuerpflichtige einen besonderen Belegnachweis zu erfüllen. Der Nachweis kann auf einem Vordruck erfolgen, der häufig bereits auf der Rückseite der Restaurantrechnungen entsprechend vorbereitet ist, oder auf einem gesonderten Dokument, das mit der Rechnung zusammengeführt wird, zum Beispiel durch Aneinanderheften. Dieser Nachweis muss folgende Angaben enthalten:
  • Anlass der Bewirtung (möglichst genau, allgemeine Angaben wie "Arbeitsgespräch" genügen nicht)
  • Namen der bewirteten Personen
  • Unterschrift des Bewirtenden, also des Gastgebers.
Diesem selbst erstellten Nachweis ist die ebenfalls formal korrekte Rechnung des Restaurants (Umsatzsteuer: Pflichtangaben in Rechnungen) beizufügen. Handschriftliche Rechnungen oder Quittungen genügen nicht. Eine vom Finanzamt zu akzeptierende Rechnung muss stets maschinell erstellt und mit einer Registriernummer (zugleich Rechnungsnummer) versehen sein.
Weiter muss sie folgende Angaben enthalten:
  • Name und Anschrift der Gaststätte
  • Tag der Bewirtung (maschinell eingedruckt)
  • Genaue Bezeichnung der verzehrten Speisen, z.B. "Menü 1", "Tagesgericht 2", "Lunch-Buffet". Allgemeine Angaben wie "Speisen und Getränke" genügen nicht.
  • Rechnungsbetrag in einer Summe inklusive Mehrwertsteuer sowie anzuwendender Steuersatz
  • Ausstellungsdatum der Rechnung (auch wenn identisch mit Bewirtungsdatum)
  • Betrieblicher Anlass der Bewirtung (möglichst genau, allgemeine Angaben wie "Arbeitsgespräch, Infogespräch, Hintergrundgespräch" genügen nicht)
  • Namen der bewirteten Personen
  • Unterschrift des Bewirtenden, also des Gastgebers
  • Diesem (selbst erstellten) Nachweis ist die ebenfalls formal korrekte Rechnung der Gaststätte beizufügen. Unabhängig von der Größe des Restaurants ist es dabei manchmal schwieriger als erwartet, den korrekten Beleg zu bekommen. Handschriftliche Rechnungen oder Quittungen genügen jedoch in keinem Fall. Eine vom Finanzamt zu akzeptierende Rechnung muss stets maschinell erstellt und mit einer Registriernummer (zugleich Rechnungsnummer) versehen sein. Weiter muss sie folgende Angaben enthalten:Name und Anschrift der Gaststätte
  • Tag der Bewirtung (maschinell eingedruckt)
  • Genaue Bezeichnung der verzehrten Artikel, z.B. "Menü 1", "Tagesgericht 2", "Lunch-Buffet". Allgemeine Angaben wie "Speisen und Getränke" genügen nicht.
  • Rechnungsbetrag in einer Summe inkl. Mehrwertsteuer sowie anzuwendender Steuersatz (für Beträge über 150 Euro s. jedoch die gesonderten Angaben zum Steuerausweis u.)
  • Ausstellungsdatum der Rechnung (auch wenn identisch mit Bewirtungsdatum)
  • Bei Beträgen von über 150 Euro muss zusätzlich enthalten sein:
  • Name und Anschrift des Bewirtenden, d.h. des Gastgebers
  • Gesonderter Ausweis von Rechnungsbetrag aufgeschlüsselt nach Steuersätzen sowie Mehrwertsteuersatz und -betrag in Euro
  • Steuer- oder Umsatzsteueridentifikationsnummer der Gaststätte
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch Trinkgelder geltend gemacht werden können. Da diese nicht kassenmäßig ausgewiesen werden, können und sollten diese direkt auf der Rechnung vermerkt und vom Empfänger abgezeichnet werden.
Bei Beträgen von über 100 Euro muss nach Richtlinie 4.10 Abs. 8 EStR zusätzlich enthalten sein:
  • Name des bewirtenden Steuerpflichtigen
Bei Beträgen von über 150 Euro müssen zusätzlich zu den oben genannten Angaben nach §14 Umsatzteuergesetz (UStG) mit Blick auf den Vorsteuerabzug folgende Angaben enthalten sein:
  • Gesonderter Ausweis von Rechnungsbetrag aufgeschlüsselt nach Steuersätzen sowie Mehrwertsteuersatz und -betrag in Euro
  • Anschrift des Bewirtenden (gegebenenfalls handschriftliche Ergänzung durch Gastwirt ausreichend)
  • Steuer- oder Umsatzsteueridentifikationsnummer des Restaurants.
Trinkgelder sollten direkt auf der Rechnung vermerkt und vom Empfänger abgezeichnet werden. Für alle Bewirtungen gilt, dass die entsprechenden Aufwendungen zeitnah, einzeln und gesondert von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen sind.
Zur Bezeichnung der Teilnehmer ist grundsätzlich die Angabe ihrer Namen erforderlich, es sei denn, dies ist dem Bewirtenden nicht zuzumuten. Das ist insbesondere der Fall bei Betriebsbesichtigung durch eine größere Personenzahl und bei vergleichbaren Anlässen. Dann ist nur die Zahl der Teilnehmer und eine diese Personengruppe kennzeichnende Sammelbezeichnung ( z. B. „100 Mitarbeiter der Firma „Müllerelektronik”) anzugeben.
Die Angaben zum Anlass der Bewirtung müssen erkennen lassen, mit was für einem geschäftlichen Vorgang oder welcher Geschäftsbeziehung sie zusammenhängt (z.B.: „Lieferung von Bauteilen an die Firma „Müllerelektronik”).
Darüber hinaus sind Bewirtungsaufwendungen nach § 4 Abs.7 EStG nur abzugsfähig, wenn sie besonders aufgezeichnet sind. Hierbei geht es um besondere Voraussetzungen für die Buchführung bei Bewirtungskosten. Bei einer Gewinnermittlung durch Betriebvermögensvergleich müssen die Aufwendungen auf besonderen Konten im Rahmen der Buchführung gebucht werden. Im Fall der Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) sind die Aufwendungen von Anfang an getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben einzeln aufzuzeichnen (R 4.11 EStR). In jedem Fall sind die Aufwendung fortlaufend und zeitnah aufzuzeichnen bzw. zu verbuchen. Allerdings müssen die Aufwendungen nicht auch noch nach Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass und die Bewirtung von Personen aus sonstigen betrieblichen Anlass getrennt aufgezeichnet werden.
Beispiel: Von 170,00 – Bewirtungsaufwendungen für Geschäftsfreunde sind nur 120 – angemessen. Von diesen können nur 100,00 – in der erforderlichen Form nachgewiesen werden. Daher können nur 70,00 – (70%) steuermindernd berücksichtigt werden.

Ertragsteuerliche Behandlung beim Bewirteten

Bei dem Bewirteten kann es sich bei einer Bewirtung im beruflichen Umfeld entweder um einen anderen Unternehmer oder einen Arbeitnehmer handeln. Dabei kann der Wert der Bewirtungsaufwendungen eine ertragssteuerpflichtige Einnahme sein.

Bewirteter Unternehmer

Für einen bewirteten anderen Unternehmer sehen die Finanzbehörden nach R 4.7 Abs.3 EStR im Wert der Bewirtungsaufwendungen aus Vereinfachungsgründen keine zu versteuernde Betriebseinnahme.

Bewirteter eigener oder fremder Arbeitnehmer

Für den bewirteten Arbeitnehmer kann der Bewirtungsaufwand eine Lohnzuwendung in Form einer Sachzuwendung sein, für die er Lohnsteuer zu zahlen hat (§§ 19 Abs.1 Nr.1, 8 Abs.2 EStG). Dabei ist zunächst festzustellen, wann eine Zuwendung (Bewirtung) Arbeitslohn ist. Nach der Rechtsprechung ist eine Zuwendung nur dann Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer dafür, dass er seine individuelle Arbeitskraft zu Verfügung stellt, eine objektive Bereicherung erhält, die Zuwendung also Entlohnungscharakter hat. Dies muss im Einzelfall entschieden werden.
Stellt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern bei bspw. regelmäßigen Dienstbesprechungen Mahlzeiten zur Verfügung oder gewährt regelmäßig verbilligtes Essen, ist grundsätzlich von Arbeitslohn auszugehen. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn der Arbeitgeber ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse an der Bewirtung seiner Arbeitnehmer hat. Dann zählt der Wert der Bewirtung nicht zum Arbeitslohn der Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung (BFH VI R 55/92, VI R 56/92, VI R 55/92, VI R 56/92 Urteil v. 5.5.1994) reicht es für eine solche Ausnahme aber nicht alleine aus, dass für eine Zuwendung (Bewirtung) allgemeine betriebliche Gründe sprechen und deshalb beim Arbeitgeber Betriebsausgaben entstehen. Die Bewirtung ist grundsätzlich als Lohnzuwendung einzuordnen. Eine Ausnahme, nach der keine Lohnzuwendung vorliegt, wird insbesondere dann gemacht, wenn der Arbeitsablauf einen außergewöhnlichen Arbeitseinsatz nötig macht und der Arbeitgeber dann unentgeltlich Speisen und Getränke zur Verfügung stellt, die pro Mahlzeit einen Wert von 40 – nicht überschreiten. Weitere Beispiele siehe R 31 Abs.8 LStR.
Mahlzeiten, die ein Arbeitnehmer im Rahmen einer geschäftlich veranlassten Bewirtung erhält, zählen nicht zu seinem Lohn, da auch hier das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers überwiegt. Die Angemessenheit der Bewirtungskosten richtet sich auch hier nach den jeweiligen Branchenverhältnissen. Ein höherer Preis bzw. luxuriöses Ambiente sprechen eher für eine Belohnung der Arbeitnehmer und damit für eine Lohnzuwendung.
Hinweis: Für Mahlzeiten, die der Arbeitgeber unentgeltlich oder verbilligt an seine Arbeitnehmer abgibt, kann der Arbeitgeber nach § 40 Abs.2 Nr.1 EStG die Lohnsteuer zu einem Pauschsteuersatz von 25% erheben, wenn die Mahlzeiten nicht als Lohnbestandteile vereinbart sind.

Bewirtung im Rahmen von Festen und im Rahmen einer Betriebsveranstaltung

Problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitgeber ein Fest für einen Arbeitnehmer/Angestellten ausrichtet. Nach der Rechtsprechung ist die Bewirtung von Gästen im Rahmen eines Festes dann kein Arbeitslohn, wenn es sich um ein Fest des Arbeitgebers handelt. Ob ein Fest als Fest des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers einzuordnen ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls. In einem neueren Urteil hat der BFH (Urteil v 28.1.2003 VI R 48/99) auch diese Frage nach den bereits oben genannten Kriterien (Auftritt als Gastgeber, Einfluss des Arbeitgebers auf die Einladungsliste, die Zugehörigkeit der Gäste zur Presse oder zu Geschäftspartnern des Arbeitgebers, etc.) entschieden.
Die Bewirtung im Rahmen einer herkömmlichen Betriebsveranstaltung (z.B. Weihnachtfeier, Betriebsausflug) ist nach den R 31 Abs.8 und R 72 Abs.3 und 4 LStR grundsätzlich kein Einkommen des Arbeitnehmers, solange die Aufwendungen des Unternehmers an den einzelnen Arbeitnehmer die Grenze von 110 – einschl. Umsatzsteuer je Veranstaltung bei zwei Veranstaltungen pro Jahr nicht überschreitet.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt
Steuern

Einkommensteuer für Existenzgründer

Die Einkünfte von Einzelunternehmern und Personengesellschaften werden der Einkommensteuer unterworfen. In diesem Merkblatt sollen grundlegende Fragen zur Einkommensteuer beantwortet werden. Mit der Auswahl der Themen gehen wir insbesondere auf typische Fragen von Existenzgründern kleinerer Unternehmen ein. Im Mittelpunkt stehen gewerblich tätige Unternehmerinnen und Unternehmer.

1. Wer muss Einkommensteuer zahlen?

Der Einkommensteuer werden grundsätzlich die Einkünfte aller natürlichen Personen unterworfen, die ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. [Dazu ist keine feste Wohnung im Inland erforderlich. Es genügt im Grundsatz ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten (183 Tage). Auslandsreisen von kurzer Dauer bleiben unberücksichtigt.]
Wenn Sie Ihr Unternehmen gemeinsam mit anderen in einer Personengesellschaft (beispielsweise in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR bzw. BGB-Gesellschaft), einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG)) betreiben, findet die Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter statt. Dies bedeutet, dass nicht auf der Ebene der Gesellschaft besteuert wird, sondern jedem Mitunternehmer wird sein „Gewinnanteil“ zugerechnet und dieser wird der persönlichen Einkommensteuer unterworfen (transparente Besteuerung - § 179 f. Abgabenordnung (AO)).
Wenn Sie Ihr Unternehmen allerdings in der Form einer juristischen Person betreiben (beispielsweise in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz: GmbH), wird die Gesellschaft zum Steuersubjekt, der Gewinn der GmbH wird mit Körperschaftsteuer belegt und erst bei Gewinnausschüttung auf Ebene des Gesellschafters besteuert. Weiterführende Informationen enthält unser Dokument zur Körperschaftsteuer.

2. Welche Einkunftsarten unterliegen der Einkommensteuer?

Das Einkommensteuergesetz (EStG) unterscheidet die folgenden sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 EStG):
  1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG)
  2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG); gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören hierzu auch Einkünfte aus der Beteiligung an Personengesellschaften und Vergütungen der Gesellschafter für ihre Tätigkeiten im Dienst der Personengesellschaft.
  3. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG); hierzu gehören insbesondere Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, z.B. der Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler, Architekten, Steuerberater, Krankengymnasten, Journalisten, Fahrlehrer und ähnlicher Berufe.
  4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG)
  5. Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
  6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
  7. Sonstige Einkünfte (§ 22 EStG); hierzu zählen z.B. bestimmte Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, Unterhaltsleistungen, Entschädigungen und Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen.

3. Wie wird das zu versteuernde Einkommen ermittelt?

Das zu versteuernde Einkommen wird als Addition bezogen auf die einzelnen Einkunftsarten nach folgendem Schema ermittelt: 
Einkünfte aus Land- und Forstbetrieb
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
abzüglich Freibetrag nach §§ 14, 14a EStG
+ Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
dazu gehört auch ein Veräußerungsgewinn (§§ 16, 17 EStG)
+ Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
Gewinn, der auf das Kalenderjahr entfällt
dazu gehört auch ein Veräußerungsgewinn (§ 18 Abs. 3 EStG)
+ Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn des Kalenderjahres
abzüglich Werbungskosten (ggf. Arbeitnehmerpauschbetrag von derzeit 1.000 Euro)
+ Einkünfte aus Kapitalvermögen,
soweit sie nicht der Abgeltungssteuer unterlegen haben
Kapitalertrag (§ 32 d Abs. 6 EStG) des Kalenderjahres
abzüglich ggf. Sparerpauschbetrag
+ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
abzüglich Werbungskosten
+ Sonstige Einkünfte (z.B. Renten)
abzüglich Werbungskosten
= Summe der Einkünfte
 
Von der Summe der Einkünfte können dann gegebenenfalls folgende Positionen abgesetzt werden:
  • Altersentlastungsbetrag (§ 24 a EStG)
  • Verlustvor- bzw. -rücktrag (§ 10 d EStG, siehe hierzu unten)
  • Sonderausgaben wie Krankenversicherungsbeiträge, Sonderausgabenpauschbetrag, Altersvorsorgebeiträge, Spenden
  • Außergewöhnliche Belastungen (§ 33 bis 33b EStG)
  • ggf. Kinderfreibeträge (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG)
= zu versteuerndes Einkommen
Bei den Überschusseinkünften (den Einkommensarten 4-7) ist der Überschuss der Einkünfte über die hierfür entstandenen Werbungskosten zu ermitteln. Dabei gilt das Zufluss- und Abflussprinzip (Zeitpunkt der Geldzahlungen). Bei den Gewinneinkünften (den Einkommensarten 1-3) sind im Grundsatz zwei verschiedene Methoden der Gewinnermittlung zu unterscheiden (siehe dazu nachfolgend unter Nr. 4 zur Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb).

4. Wie wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelt?

Für die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Methoden möglich:
  1. Die Bilanzierung; bei dieser wird ein Betriebsvermögensvergleich zu Beginn und zum Ende des Wirtschaftsjahres vorgenommen; die Vorgänge werden dabei im Zeitpunkt der Rechnungsstellung bzw. des Rechnungsempfangs erfasst; diese Methode erfolgt im Rahmen der sog. doppelten Buchführung;
  2. Die Einnahmen-Überschussrechnung; bei dieser wird in einer monetären Betrachtungsweise der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (Geldfluss) ermittelt. Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Zur Bilanzierung (Betriebsvermögensvergleich) sind aus steuerlicher Sicht u.a. verpflichtet:
  1. Unternehmer, die aus anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben (§ 140 AO), müssen diese Verpflichtung auch für die Besteuerung erfüllen. Dies gilt insbesondere für
    • a) die im Handelsregister einzutragenden Gesellschaften, wie etwa die offenen Handelsgesellschaften (OHG),  Kommanditgesellschaften (KG) und Gesellschaften mit begrenzter Haftung (GmbH) und
    • b) die im Handelsregister eingetragenen oder einzutragenden Einzelkaufleute, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten: Die Bilanzierungspflicht ergibt sich, wenn sie an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren mehr als 600.000 Euro Umsatzerlöse und mehr als 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen (§ 241 a HGB). Damit sind Einzelkaufleute, die unter diesen Schwellenwerten bleiben, von der Pflicht zur Bilanzierung befreit.
  2. Sonstige gewerbliche Unternehmer, die nach den Feststellungen der Finanzverwaltung für einzelne Betriebe einen Umsatz von mehr als 600.000 Euro oder einen Gewinn von mehr als 60.000 Euro erzielt haben (§ 141 AO); die Finanzbehörde wird Ihnen Ihre Verpflichtung zur Bilanzierung in diesem Fall bekanntgeben. Die Buchführungspflichten sind dann vom Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres an zu erfüllen.
Darüber hinaus gilt für Unternehmer, die freiwillig Bücher führen und Abschlüsse machen, die Gewinnermittlung durch Bilanzaufstellung auch für die Besteuerung.
Alle übrigen Unternehmer können ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb mit einer Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln (§ 4 Abs. 3 EStG).
Die formellen Anforderungen an die Bilanzierung ergeben sich im Grundsatz nicht aus steuerrechtlichen Vorschriften, sondern insbesondere aus dem Handelsgesetzbuch (HGB). Die Einnahmen-Überschussrechnung hingegen muss grundsätzlich unter Verwendung eines amtlichen Vordrucks erfolgen. Bei Unternehmen mit einem Umsatz unter 17.500 Euro im Kalenderjahr genügt eine formlose Gewinnermittlung nicht mehr (BMF-Schreiben vom 9.10.2017 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 42 KB)). Details können Sie unserem Dokument zur Einnahmen-Überschussrechnung entnehmen.

5. Sind Anlauf- und Gründungskosten der Existenzgründung bereits Betriebsausgaben?

Als Betriebsausgaben können Existenzgründer insbesondere auch Anlauf-  und Gründungskosten gewinnmindernd geltend machen. Auch Aufwendungen für den Betrieb, die Ihnen bereits vor der eigentlichen Geschäftseröffnung entstehen, können als vorweggenommene Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt werden (§ 4 EStG). Sie sollten daher auch schon vor der Aufnahme Ihres Betriebes sorgfältig die Belege für die Ihnen entstandenen Kosten aufbewahren (vgl. Sie hierzu auch unser Dokument zu Aufbewahrungspflichten). Beispiele für absetzbare Anlaufkosten sind Planungskosten, Organisationsaufbau, Werbung, Anschaffung von Fachbüchern und Büromaterial, Beratung, Besichtigungen und Entwicklungskosten. Beispiele für Gründungskosten sind Gerichts- und Notarkosten und Kosten der Kapitalbeschaffung.

6. Wie sind Investitionskosten zu berücksichtigen?

Die Anschaffungskosten von Betriebseinrichtungen (Anlagevermögen) sind ebenfalls Betriebsausgaben. Diese Ausgaben sind aber in der Regel nicht in voller Höhe im Jahr der Anschaffung gewinnmindern abzusetzen, sondern nur mit dem Teil des Wertes, der sich aufgrund der Verteilung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer  des Wirtschaftsgutes pro Jahr ergibt (Abschreibung oder auch „Absetzung für Abnutzung“ – kurz: AfA).
Ein Beispiel für eine lineare Abschreibung: Für eine Maschine mit einem Anschaffungs- oder Herstellungspreis von 2.000 Euro und einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von fünf Jahren sind als Betriebsausgabe absetzbar: 400 Euro pro Jahr für die Dauer von fünf Jahren.
Details zu Fragen der steuerlich zulässigen Abschreibung finden Sie in unserem Dokument zu Abschreibungen. Als Existenzgründer könnten Sie dabei besonders die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern interessieren.

7. Wie werden Verluste berücksichtigt?

Bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte ist ein Verlustausgleich im Grundsatz einbezogen. Verluste (sog. „negative Einkünfte“) des laufenden Jahres werden rechnerisch ausgeglichen und zwar zunächst durch weitere positive Einkünfte in derselben Einkunftsart, und sodann durch Verrechnung mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Nicht ausgeglichene Verluste werden im Steuerbescheid festgestellt.
Ein Verlustvor- bzw. -rücktrag erlaubt es, Verluste, die nicht in dem Steuerjahr ihrer Entstehung ausgeglichen werden können, in einem anderen Steuerjahr gewinnmindernd geltend zu machen. Bleibt nach dem Verlustausgleich im Entstehungsjahr (siehe oben) noch ein Verlust bestehen, kann dieser bis zum Betrag von 1.000.000 Euro in das Vorjahr zurückgetragen werden (der Vorjahresbescheid wird dann angepasst und es kann eine Steuerrückzahlung erfolgen). Diesbezüglich besteht hinsichtlich des Rücktrags und des Betrags ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, so dass sich grundsätzlich eine Prüfung durch eine Steuerberaterin, bzw. einem Steuerberater empfiehlt.
Hinweis: Mit dem Corona-Steuerhilfegesetz II wurden die Höchstbetragsgrenzen für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 auf 5 Millionen Euro bei Einzelveranlagung und 10 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung erhöht. Am 3. Februar 2021 beschloss der Koalitionsausschuss eine weitere Erhöhung der Höchstbeträge auf 10 Millionen Euro bei Einzelveranlagung und 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung für die Jahre 2020 und 2021. Mit dem Corona-Steuerhilfegesetz IV wurde die Erhöhung auf die Jahre 2022 und 2023 erweitert.
Darüber hinausgehende Verluste können in die nächsten Jahre vorgetragen werden und werden dann vor den Sonderausgaben berücksichtigt. Ein Verlustvortrag von bis zu 1 Million Euro kann beim Vortrag voll berücksichtigt werden. Ein darüber hinausgehender Verlustvortrag wird nur bis zur Höhe von 60 % der 1 Million Euro übersteigenden Einkünfte berücksichtigt. Die noch nicht berücksichtigten Verluste werden in die nachfolgenden Jahre vorgetragen.

8. Welche persönlichen Aufwendungen können steuerlich geltend gemacht werden?

Mit dem Blick auf den einzelnen Steuerpflichtigen können insbesondere die folgenden Aufwendungen steuermindernd geltend gemacht werden:
Einige Sonderausgaben sind im Grundsatz unbeschränkt abzugsfähig (wie z.B. Aufwendungen für private Renten, Kirchensteuer und Steuerberatungskosten), andere sind nur beschränkt, das heißt bis zu einem Höchstbetrag, abzugsfähig (wie z.B. Kinderbetreuungskosten, Vorsorgeaufwendungen, Unterhaltsleistungen sowie Spenden).
Auch außergewöhnliche Belastungen können geltend gemacht werden. Dies sind solche Belastungen, die neben den üblicherweise anfallenden Ausgaben der privaten Lebensführung bestehen, beispielsweise außerordentliche unabwendbare Krankheitskosten oder Ausgaben aufgrund einer bestehenden Behinderung.
Übersteigen die Sonderausgaben bzw. außergewöhnlichen Belastungen die Summe der Einkünfte, laufen diese Aufwendungen steuerlich in Leere.

9. Wie wird die Höhe der Einkommensteuerschuld ermittelt?

Abhängig von der Einkommenshöhe gelten unterschiedliche Steuertarife (progressiver Einkommensteuertarif), die auf die jeweilige Einkommenshöhe anzuwenden sind. Die folgende Übersicht für das Jahr 2023 gilt für eine kinderlose, einzeln veranlagte Person (Steuerklasse I):
Für das zu versteuernde Einkommen entspricht der Einkommensteuertarif
bis 10.908 Euro
 0 % (Freibetrag)
von 10.909 Euro bis 15.999 Euro
14 bis 23,97 % (Progressionszone I)
von 16.000 Euro bis 62.809 Euro
23,97 bis 41,99 % (Progressionszone II)
von 62.810 Euro bis 277.825 Euro
42 % (Spitzensteuersatz)
ab 277.826 Euro
 45 % (sog. „Reichensteuer“)
Zusätzlich zur Einkommensteuer ist ggf. der Solidaritätszuschlag (5,5 % der Einkommensteuerschuld) und ggf. die Kirchensteuer (in Hamburg: 9 % der Einkommensteuerschuld (Dokument-Nr. 39011)) zu leisten.
Bei Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird das von beiden Partnern erzielte zu versteuernde Einkommen zunächst zusammengerechnet und dann halbiert (Ehegatten-Splitting). Für das gesplittete (halbierte) zu versteuernde Einkommen wird sodann die Einkommensteuer nach dem geltenden Tarif berechnet und das Ergebnis anschließend verdoppelt.
Unternehmer, die Gewinne im Unternehmen belassen (thesaurieren) und nicht entnehmen, können unter Umständen die sog. Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nehmen.
Wenn Sie die für alle Einkommensteile errechnete Einkommensteuer zu Ihrem gesamten zu versteuernden Einkommen ins Verhältnis setzen, so erhalten Sie den effektiven (auch: „durchschnittlichen”) Steuersatz. Dieser liegt naturgemäß niedriger als der Grenzsteuersatz für Ihre jeweiligen Einkommensteile.
Beispiel (Steuerklasse I): Bei einem gesamten zu versteuernden Einkommen von 65.000 Euro sind in Summe 17.327 Euro Einkommensteuer zu entrichten. In der Spitze wird das Einkommen mit 42 % als Grenzsteuersatz besteuert. Der durchschnittliche Steuersatz beträgt aber „nur“ 17.327 / 65.000 = 26,66 %.
Mit dem Abgabenrechner des Bundesministeriums der Finanzen können Sie eine Einschätzung der Höhe der Einkommensteuerschuld und des Solidaritätszuschlags gewinnen.

10. Wie wird die Belastung aus Gewerbesteuer berücksichtigt?

Die Belastung aus Gewerbesteuer ist seit 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe anzusetzen. Bei Personenunternehmen wird die Gewerbesteuerzahlung beim Unternehmer bzw. beim Mitunternehmer auf die anteilige Einkommensteuerschuld für Einkünfte aus Gewerbebetrieb angerechnet (§ 35 EStG). Eine Anrechnung kann nur dann erfolgen, wenn beim Unternehmer bzw. Mitunternehmer eine Einkommensteuerschuld aus Einkünften aus Gewerbebetrieb besteht. Aufgrund der Vielzahl von Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer kann sich trotz eines Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb eine Gewerbesteuerzahlung ergeben, die nicht mit einer Einkommensteuerschuld verrechnet werden kann. Es wird höchstens die 4,0 fache Gewerbesteuermesszahl angerechnet. Dies entspricht der Gewerbesteuer bei einem Hebesatz von 400%. In Hamburg beträgt der Gewerbesteuerhebesatz allerdings 470%, so dass auch nach der Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld noch eine steuerliche Mehrbelastung durch die Gewerbesteuer verbleibt. Einzelheiten und Beispielrechnungen können Sie unserem Dokument zur Gewerbesteuer entnehmen.

11. Welche Steuertermine sind zu beachten?

Den Beginn Ihrer unternehmerischen Tätigkeit müssen Sie in Hamburg dem Verbraucherschutzamt anzeigen. Ab dem 1. Januar 2021 gilt, dass natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften innerhalb eines Monats nach der Eröffnung eines Gewerbebetriebes, bzw. einer Betriebsstätte, den „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“ bei ihrem zuständigen Finanzamt abzugeben haben. Dieser Fragebogen ist dann ohne Aufforderung des Finanzamtes auf elektronischem Weg nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz zu übermitteln. Die bisherige Pflicht der Finanzämter zur Anforderung des Fragebogens entfällt damit und die Unternehmer werden zur elektronischen Abgabe verpflichtet. Zum Ausfüllen und Übermitteln des Fragebogens soll das Dienstleistungsportal der Steuerverwaltung ELSTER genutzt werden, sofern die Übermittlung nicht über einen Steuerberater erfolgt.
In dem Fragebogen müssen Sie eine Prognose zu Ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb  im Gründungsjahr abgeben, die Sie mit aller kaufmännisch gebotenen Vorsicht aufstellen sollten. Denn auf der Grundlage Ihrer Angaben wird das Finanzamt erstmalig Ihre Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer festsetzen. Die Vorauszahlungen sind von Ihnen vierteljährlich (am 10. März/Juni/September/Dezember) zu leisten. Es ist wichtig, dass Sie diese Vorauszahlungstermine bei der Planung Ihrer Zahlungsströme im Auge behalten. Außerdem ist es wichtig, dass Sie aus Ihren tatsächlich erzielten Einkünften rechtzeitig Rücklagen bilden, um die Vorauszahlungen und eventuell spätere Nachzahlungen leisten zu können.
Nach Ablauf des Gründungsjahres sind Sie verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Die Erklärung ist bei Gewinneinkünften grundsätzlich elektronisch zu übermitteln (ELSTER-Verfahren). Welche Software dafür in Frage kommt, können Sie einer von der Steuerverwaltung gepflegten Liste entnehmen. Die Erklärung ist regulär spätestens am 31.07. des Folgejahres abzugeben; bei Beauftragung eines Steuerberaters bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Fristverlängerungen sind auf Antrag möglich.
Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz sind die Abgabefristen jedoch zunächst verlängert worden. Dadurch ergeben sich folgende Abgabefristen:
Veranlagungszeitraum (VZ)
Nicht-beratene Fälle
beratene Fälle
2022
30.09.2023
31.07.2024
2023
31.08.2024
31.05.2025
2024
31.07.2025
30.04.2026
Das Finanzamt wird auf der Grundlage der Steuererklärung den Jahressteuerbescheid erlassen. Aus der Differenz zu den bereits geleisteten Vorauszahlungen kann sich eine Steuernachforderung oder eine -erstattung ergeben. Sie sollten daher laufend Ihre tatsächlich erzielten Einkünfte mit dem von Ihnen angegebenen Erwartungswert vergleichen, da Sie bei höheren Einkünften mit einer Steuernachforderung rechnen müssen. Der Jahressteuerbescheid ist zugleich die Grundlage für die Festsetzung Ihrer künftigen Steuervorauszahlungen.

12. Wie lange müssen Unterlagen aufbewahrt werden?

Die Unterlagen, auf denen Ihre Steuerklärungen beruhen und die steuerlich von Bedeutung sind, müssen von Ihnen im Grundsatz 10 Jahre aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungspflicht betrifft insbesondere die Belege für die Ihnen entstandenen Kosten, für die von Ihnen erzielten Einnahmen, Ihre Kontoauszüge sowie Ihr Kassenbuch. Zu den Einzelheiten vergleichen Sie bitte unser Dokument zu Aufbewahrungspflichten.

13. Welche Bedeutung hat die Lohnsteuer für Existenzgründer, die Arbeitnehmer beschäftigen?

Die Lohnsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Wenn Sie als Existenzgründer zum Arbeitgeber werden, haben Sie die Lohnsteuer für Ihre Arbeitnehmer beim Finanzamt Ihrer Betriebsstätte anzumelden und die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene Lohnsteuer abzuführen. Hier ist besondere Sorgfalt nötig, da Sie als Arbeitgeber für die abzuführende Lohnsteuer haften.
Dies gilt auch, wenn Sie eine Kapitalgesellschaft gründen und bei dieser selbst angestellt sind. Unser Dokument zur Körperschaftsteuer enthält weiterführende Informationen zur Anstellung eines Geschäftsführers, der zugleich Gesellschafter ist.
Die Anmeldezeiträume und -termine sind davon abhängig, wie hoch die gesamte im Vorjahr vereinnahmte Lohnsteuer war. Anstelle dieses Erfahrungswertes tritt bei Ihnen im Gründungsjahr eine Hochrechnung. Die im ersten vollen Monat nach der Eröffnung Ihrer Betriebsstätte einbehaltene Lohnsteuer wird dazu auf das Jahr hochgerechnet.
einbehaltene Lohnsteuer im Vorjahr
bzw. Hochrechnung im Gründungsjahr  
Anmeldungszeitraum und  -termin
bis 1.080 Euro
 jährlich; 10. Januar des Folgejahres
über 1.080 bis 5.000 Euro
quartalsweise; 10. Januar, April, Juni u. September
über 5.000 Euro
monatsweise; 10. Tag des folgenden Kalendermonats
Die Lohnsteuer-Anmeldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg zu übermitteln. Auf Antrag kann das Finanzamt in Härtefällen auf eine elektronische Übermittlung verzichten.
Neben der Lohnsteuer müssen ggf. auch der Solidaritätszuschlag (5,5 % der Lohnsteuerschuld) und gegebenenfalls die Kirchensteuer (in Hamburg: 9 % der Lohnsteuerschuld) für den Arbeitnehmer einbehalten und abgeführt werden. Besonderheiten gelten für kurzfristige und geringfügige Arbeitsverhältnisse (sog. Minijobs). Vergleichen Sie hierzu unser Merkblatt zu Regelungen zu den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (Dokument-Nr. 22623).
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2023

Weitere Informationen

Steuern

Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer für Existenzgründer

Jede Warenlieferung und Dienstleistung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, unterliegt der Umsatzsteuer. Ebenso sind die Einfuhr bzw. der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Inland gegen Entgelt sowie die Entnahme von Waren und Dienstleistungen aus dem Unternehmen für nicht unternehmerische Zwecke der Umsatzsteuer (USt; Mehrwertsteuer) zu unterwerfen, soweit nicht besondere Befreiungsvorschriften anzuwenden sind. Einzelheiten regelt das Umsatzsteuergesetz (UStG).

1. Wie hoch ist der Steuersatz/Bemessungsgrundlage der Steuer?

Der Regelsteuersatz ist in § 12 UStG geregelt und beträgt seit dem 1.1.2007 19 Prozent. 
Der ermäßigte Umsatzsteuersatz beträgt 7 Prozent (Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände). Er gilt für die Lieferung, Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb praktisch aller Lebensmittel – ausgenommen Getränke und Gaststättenumsätze - , für die meisten land- und forstwirtschaftlichen Produkte, Bücher, Broschüren, Kunstgegenstände und eine Reihe weiterer Waren und bestimmte Dienstleistungen, wie zum Beispiel Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte, Kinos und Museen.
Hinweis: Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurden für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.2020 der Regelsteuersatz auf 16 Prozent und der ermäßigte Umsatzsteuersatz auf 5 Prozent reduziert. Für Speisen in der Gastronomie gilt ab dem 1.7.2020 befristet bis zum 31.12.2022 (durch das Corona-Steuerhilfegesetz III und erneut durch das Achte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen verlängert) der ermäßigte Umsatzsteuersatz, also bis zum 31.12.2020 i.H.v. 5 Prozent und vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2023 i.H.v. 7 Prozent. Ab dem 1.1.2024 gilt in der Gastronomie auch für die Abgabe von Speisen wider der Regelsteuersatz in Höhe von 19 Prozent.
Werden Gegenstände geliefert, die in der obengenannten Liste nicht enthalten sind, ist grundsätzlich der Regelsteuersatz anzuwenden. Das BMF-Schreiben vom 5. August 2004 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1379 KB) (Dokument-Nr. 47025) führt auf 140 Seiten Einzelheiten zu der Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände aus.
Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist der Netto-Rechnungsbetrag. Abweichend davon kann unter den Voraussetzungen des § 25a UStG für die Umsatzsteuer die Differenzbesteuerung angewandt werden: In diesem Fall ist Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer der Unterschiedsbetrag zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis der Ware. Die Differenzbesteuerung kommt in Betracht für Wederverkäufer (gewerbsmäßiger Handel mit körperlichen Gegenständen) in Bezug auf Gegenstände, die an den Widerverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert werden, wenn für die Lieferung an den Wiederverkäufer keine Umsatzsteuer geschuldet war oder die Differenzbesteuerung vorgenommen  worden ist (praktische Relevanz insbesondere für den Handel mit Second Hand-Waren).   

2. Die Rechnung

Werden für einen anderen Unternehmer im Inland steuerpflichtige Lieferungen oder Leistungen erbracht, so wird darüber eine Rechnung (Dokument-Nr. 27020) erstellt, die nach § 14 Abs. 4 UStG in Verbindung mit § 14a UStG folgende Angaben enthalten muss:
Rechnungsangaben
Vollständiger Name und Anschrift von Leistendem und Leistungsempfänger
Steuernummer oder Umsatzsteueridentifikationsnummer des leistenden Unternehmers
Ausstellungsdatum
Fortlaufende Rechnungsnummer
Menge und Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung
Zeitpunkt der Lieferung bzw. Leistung
Nach Steuersätzen und -befreiungen aufgeschlüsseltes Entgelt
Im Voraus vereinbarte Minderungen des Entgelts
Entgelt und hierauf entfallenden Steuerbetrag sowie Hinweis auf Steuerbefreiung
Bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ein Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht von 2 Jahren, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist oder Unternehmer ist, aber die Leistung für seinen nicht-unternehmerischen Bereich verwendet.
Bei Kleinbetragsrechnungen bis brutto Euro 250 müssen der Steuerbetrag, das Nettoentgelt und die Steuernummer nicht gesondert in der Rechnung ausgewiesen werden; es genügt die Angabe des Steuersatzes und des Bruttoentgelts.

3. Der Vorsteuer-Abzug

Gegenüber dem Finanzamt kann der Unternehmer die Umsatzsteuerbeträge, die ihm von anderen Unternehmen in Rechnung gestellt wurden, von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld als sogenannte Vorsteuer abziehen, wenn er die Voraussetzungen für den Vorsteuer-Abzug erfüllt.
Beispiel:
Monatliche Angabe
Umsatz in Euro
Umsatzsteuer in Euro
Umsatz des
Unternehmens
100.000,00
19.000,00
Wareneingang
75.000,00
./. 14.250,00
Zahllast Finanzamt
4.750,00
Der Unternehmer hat den Umsatzsteuer-Betrag, den er an das Finanzamt abzuführen hat (Zahllast), selbst zu berechnen sowie dem Finanzamt bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung auf elektronischem Weg zu übermitteln und durch Zahlung auszugleichen.

4. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung 

Je nach Steuerschuld gelten - außer für Existenzgründer - seit dem 1.1.2009 folgende Erklärungs- und Zahlungsfristen:
Fristen zu entrichtende Umsatzsteuer im Vorjahr  Euro
vierteljährlich
bei Steuerschuld nicht mehr als
7.500,00
monatlich
bei Steuerschuld über
7.500,00
monatlich
bei Vorsteuer-Überschuss für das vergangene Kalenderjahr  von über (Wahlrecht des  Steuerpflichtigen zur Vermeidung von finanziellen Härten, die aus  einer vierteljährlichen (also späteren) Erstattung von Vorsteuern resultieren könnten
7.500,00
jährlich
bei Steuerschuld nicht mehr als
1.000,00
Seit 2002 müssen Unternehmensgründer, soweit sie nicht Kleinunternehmer sind, in den ersten zwei Kalenderjahren die Umsatzsteuer-Voranmeldungen monatlich abgeben und durch Zahlung begleichen. Die Erstattung von Vorsteuerüberhängen kann die Finanzverwaltung von einer Sicherheitsleistung (Dokument-Nr. 18762) abhängig machen.
Beispiel:
Gründung im Februar 2018
monatliche Voranmeldung bis einschließlich Dezember 2019
Gründung im Dezember 2018
monatliche Voranmeldung bis einschließlich Dezember 2019
Hinweis: Die Verpflichtung zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Neugründer
ist gemäß § 18 Abs. 2 S. 6 UStG vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2026 ausgesetzt. Der Voranmeldungszeitraum wird in diesen Kalenderjahren nach den allgemeinen Regelungen ermittelt. Dabei ist im Jahr des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit die voraussichtliche Umsatzsteuer entscheidend. Im Folgejahr wird die im Vorjahr zu entrichtende Umsatzsteuer in eine Jahressteuer umgerechnet (hochgerechnet), wenn der Unternehmer nur in einem Teil des Vorjahres tätig war.  
Elektronische Umsatzsteuervoranmeldung:
Die Umsatzsteuervoranmeldung muss nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck auf elektronischem Weg (ELSTER) nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung übermittelt werden. Seit 1. Januar 2013 muss die elektronische Übermittlung authentifiziert sein. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Merkblatt "Elektronische Übermittlung der Lohnsteuer-Anmeldung und Umsatzsteuervoranmeldung", Dokument-Nr. 28399.
Fristverlängerung für die Umsatzsteuer-Voranmeldung
Auf Antrag kann das Finanzamt für die Abgabe der monatlichen und vierteljährlichen Voranmeldungen eine Dauerfristverlängerung von einem Monat gewähren. Bei der monatlichen (nicht jedoch der vierteljährlichen) Fristverlängerung ist eine Sondervorauszahlung zu leisten, die jährlich mit der Umsatzsteuerschuld verrechnet wird. Die Sonderzahlung beträgt 1/11 der Umsatzsteuer-Vorauszahlung des Vorjahres. 

5. Vereinbarte oder vereinnahmte Entgelte? 

Die Umsatzsteuer-Zahllast gegenüber dem Finanzamt hat der Unternehmer im Regelfall nach vereinbarten Entgelten (Sollversteuerung) zu berechnen. Danach entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Dies kann vor Rechnungserteilung und der Bezahlung sein. Vorsteuern werden grundsätzlich für den Voranmeldungszeitraum berücksichtigt, in dem die Eingangsrechnung vorliegt.
Auf Antrag kann das Finanzamt jedoch gestatten, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) nach § 20 UStG abführt. Hier entsteht die Umsatzsteuer regelmäßig mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Bezahlung. Vorsteuern werden grundsätzlich für den Voranmeldungszeitraum berücksichtigt, in dem die Eingangsrechnung vorliegt, auch wenn die Bezahlung noch nicht erfolgt ist. Voraussetzungen für die Ist-Besteuerung sind alternativ:
  • Der Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG hat im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen oder
  • der Steuerpflichtige ist nach § 148 Abgabenordnung von der Verpflichtung zur Führung von Büchern und der Aufstellung von Abschlüssen befreit oder
  • der Steuerpflichtige führt Umsätze als Angehörige eines freien Berufs im Sinne von § 18 EStG aus.

6. Der Kleinunternehmer

Von Kleinunternehmern wird die Umsatzsteuer nicht erhoben. Der Kleinunternehmerstatus setzt voraus, dass der Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Lieferungen und Leistungen im Inland im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro (bis 31.12.2019: 17.500 Euro) nicht überstiegen hat und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen wird. Im Jahr des Tätigkeitsbeginn ist der Kleinunternehmerstatus gegeben, wenn der Umsatz in diesem Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 22.000 Euro betragen wird. Hat der Unternehmer seine Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt (z.B. im Jahr des Tätigkeitsbeginns), ist der Umsatz in einen Jahresumsatz umzurechnen und der so ermittelte Jahresumsatz für die Beurteilung zugrunde zu legen. 
Zur Ermittlung des Umsatzes hat das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Schreiben vom 16. Juni 2009 und in Ziffer 19.3 Abs. 1 UStAE (Dokument-Nr. 53929) festgelegt, dass bei der Ermittlung des Umsatzes in den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG sowie der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht länger auf den Differenzbetrag, sondern auf die vereinnahmten Entgelte abgestellt wird.
Kleinunternehmer dürfen keinen gesonderten Steuerausweis in der Rechnung vornehmen. Kleinunternehmer haben jedoch auch keinen Vorsteuerabzug.
Der Steuerpflichtige kann nach § 19 Abs. 2 UStG auf die Besteuerung als Kleinunternehmer verzichten. Die Erklärung bindet den Unternehmen für fünf Jahre. Diese Entscheidung kann sich anbieten bei relevanten Vorsteuerbeträgen oder -überhängen und wenn der Markt bzw. die Wettbewerbssituation es erlaubt, Umsatzsteuern in Rechnung zu stellen.    
Die Steuer für die Einfuhr von Gegenständen aus Drittländern und für den innergemeinschaftlichen Erwerb aus EU-Ländern hat der Kleinunternehmer hingegen stets abzuführen.
Eine Beispielsrechnung eines umsatzsteuerlichen Kleinunternehmers (Dokument-Nr. 27174) ist hier verlinkt.
Auch ein Kleinmunternehmer muss für die von ihm ausgeführten steuerbaren Umsätze Rechnungen auszustellen. In der Rechnung eines umsatzsteuerlichen Kleinunternehmers nach § 19 UStG, die einen Gesamtbetrag von mehr als 250,00 Euro (Grenze der Kleinbetragsrechnung) ausweist, sind nach § 14 Abs. 4 UStG folgende Rechnungsangaben verpflichtend.
  • vollständiger Name und Anschrift des leistenden Unternehmers
  • vollständiger Name und Anschrift des Leistungsempfängers
  • Steuernummer
  • fortlaufende Rechnungsnummer
  • Rechnungsdatum
  • Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Umfang und Art der sonstigen Leistung
  • Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung
  • Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung
  • Bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ein Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht von 2 Jahren, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist oder Unternehmer ist, aber die Leistung für seinen nicht-unternehmerischen Bereich verwendet
Bei Kleinunternehmern ist ein Hinweis „Umsatzsteuer wird nicht erhoben, da Kleinunternehmer nach § 19 UStG Abs. 1” nicht erforderlich, aber empfehlenswert.
Beispiele für die Beurteilung des Kleinunternehmerstatus anhand des Umsatzes: 
Im Gründungsjahr wird, wie bereits eingangs dargestellt, der tatsächliche Gesamtumsatz, soweit der Unternehmer nur in einem Teil des Kalenderjahres tätig war, in einen Jahresgesamtumsatz umgerechnet; entscheidend ist im Gründungsjahr/Jahr des Beginns der Tätigkeit jedoch die Umsatzgrenze von 22.000 Euro und nicht die von 50.000,00 €. 
Beispiel:
Ein Existenzgründer gründet am 1.2.2020 sein Unternehmen und erzielt einen Umsatz (incl, der darauf entfallenden Umsatzsteuer) von 18.000 Euro im Jahr 2020. Damit hat er 19.635 Euro für das Kalenderjahr 2020 (umgerechnet auf 12 Monate) erzielt und liegt damit unter der Grenze von 22.000 Euro im Jahr des Tätigkeitsbeginns. Im Jahr 2021 erzielt er einen Umsatz von 32.000 Euro, also nicht über 50.000 Euro. Damit ist er umsatzsteuerlich weiterhin Kleinunternehmer. Im Jahr 2022 erzielt er einen Umsatz von 38.000 Euro. Damit liegt er zwar unter der Grenze von 50.000 Euro, aber er hatte bereits im Vorjahr (2021) die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschritten und  seine Umsätze werden nunmehr im Jahr 2022 besteuert (Verlust des Kleinunternehmer-Status).
Überschreitet der Unternehmer während des Kalenderjahres die Kleinunternehmergrenze von 22.000 Euro, so muss er im darauf folgenden Kalenderjahr die Regelbesteuerung anwenden.
Beispiel:
Ein Existenzgründer, der im Kalenderjahr 2020 die Kleinunternehmergrenze von 22.000 Euro nicht überschreitet und im Kalenderjahr 2021 beispielsweise einen Umsatz von 40.000 Euro erzielt und damit die Umsatzsteuergrenze von 50.000 Euro nicht überschreitet, ist in den Jahr 2020 und 2021 Kleinunternehmer. Da er aber in 2021 (Vorjahr) die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschreitet, verliert er im Jahr 2022 den Status als Kleinunternehmer und muss in 2022 die Regelbesteuerung anwenden.
Der Unternehmer kann, wie bereits eingangs erwähnt, nach § 19 Abs. 2 UStG auf die Steuerbefreiung als Kleinunternehmer auf Antrag gegenüber dem Finanzamt verzichten. Er unterliegt damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Die Erklärung kann er bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung abgeben. Die Erklärung gilt vom Beginn des Kalenderjahres an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat. Beginnt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit während des Kalenderjahres, gilt die Erklärung von Beginn dieser Tätigkeit an. Für die Erklärung gegenüber dem Finanzamt ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Berechnet der Unternehmer in den Voranmeldungen oder in der Steuererklärung für das Kalenderjahr die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, liegt darin grundsätzlich eine entsprechende Verzichtserklärung.
Der Unternehmer ist dann jedoch 5 Kalenderjahre an den Verzicht auf die Steuerbefreiung gebunden. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist kann der Unternehmer die Erklärung jederzeit mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung kann z.B. dann sinnvoll sein,
  • wenn es sich bei dem Kundenkreis überwiegend um Unternehmer handelt, die Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis verlangen oder
  • wenn aufgrund erheblicher Gründungsinvestitionen der Vorsteuer-Abzug genutzt werden soll.
Für Kleinunternehmer gibt es gemäß § 1a Abs. 4 UStG die Möglichkeit, bei Erwerben aus EU-Mitgliedstaaten die Erwerbsbesteuerung zu wählen, auch wenn sie unter der Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 Nr.2 UStG (12.500 Euro im Kalenderjahr) bleiben und daher grundsätzlich nicht der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs unterliegen. Dabei können Sie den Kleinunternehmerstatus behalten. Sie müssen nur ihr Finanzamt hierüber informieren und eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (§ 27 a Abs. 1 UStG) beantragen. Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer, die über eine Umsatzsteueridentifikationsnummer verfügen und in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung innergemeinschaftliche Erwerbe erklären, erklären damit in der Regel schlüssig, die Erwerbsbesteuerung zu nutzen; eine vorherige Rücksprache mit dem zuständigen Finanzamt ist jedoch empfehlenswert. Für die innergemeinschaftlichen Erwerbe sind sie dann 2 Jahre an die eigene Erwerbsbesteuerung gebunden. Die Umsatzsteuererklärung für die innergemeinschaftlichen Erwerbe muss nach § 18 Abs. 4a UStG (Voranmeldung und Steuererklärung) vorgenommen werden. Entsprechend beantragen Kleinunternehmer eine Umsatzsteueridentifikationsnummer, wenn sie Leistungen von ausländischen Unternehmen (Dokument-Nr. 48236) beziehen und hierfür die Steuerschuldnerschaft auf sie als Leistungsempfänger (§ 13b UStG) übergeht. Hinweis: Der Kleinunternehmer ist für Umsatzsteuern, die er für einen innergemeinschaftlichen Erwerb oder im Rahmen eines Reverse Charge nach § 13b UStG entrichtet, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Für Lieferungen durch Kleinunternehmer  an Kunden in anderen EU-Mitgliedstaaten ist zu beachten:
B2B-Lieferungen: Kleinunternehmen weise keine keine Umsatzsteuer in ihren Rechnungen aus. Innergemeinschaftliche Lieferungen von Kleinunternehmern sind nicht steuerbefreit nach § 4 Nr. 1b) UStG, vgl. § 19 Abs. 1 UStG, mit der Folge, dass der Erwerber im anderen Mitgliedstaat keinen innergemeinschaftlichen Erwerb realisiert. Der Kleinunternehmer führt daher im gesamten Gemeinschaftsgebiet seine Leistungen ohne Umsatzsteuer aus. Etwas anderes gilt nur bei der Lieferung von  Neuwagen: Hier wird grundsätzlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland besteuert, auch wenn die Lieferung durch einen Kleinunternehmen (oder eine Privatperson) erfolgt.
B2C-Lieferungen: Es handelt sich um innergemeinschaftlichen Fernverkauf, bei dem der Leistungsort im Bestimmungsland liegt. Dementsprechend wird kein umsatzsteuerbarer Tatbestand im Inland bewirkt und im Inland keine Umsatzsteuer geschuldet. Diese Umsätze werden daher auch nicht bei der Berechnung der in § 19 Abs. 1 UStG genannten Umsatzschwellen für Kleinunternehmer angesetzt. Der Kleinunternehmer ist mit der Lieferung grundsätzlich im Bestimmungsland steuerpflichtig und muss prüfen, ob er dort ebenfalls Kleinunternehmer ist und die Umsatzsteuer nicht von ihm erhoben wird. Die vorstehenden Ausführungen gelten indes nur, wenn der Kleinunternehmer mit Umsätzen im Rahmen des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs die Lieferschwelle von 10.000 Euro im (vorangegangenen und laufenden) Kalenderjahr nicht überschreitet. Überschreiten seine Umsätze die Lieferschwelle nicht, liegt eine Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Inland vor, für die dieselben Regelungen wie bei einem reinen Inlandssachverhalt (ohne Berührung mit einem anderen EU-Mitgliedstaat) gelten.
Hinweis: Weitere Informationen hierzu finden Sie auf unserem Merkblatt “Kleinunternehmerregelung in den EU-Mitgliedstaaten”.

7. Umsatzsteuerheft für das Ambulante Gewerbe 

Unternehmer, die ihre Waren in Deutschland auf Märkten, auf öffentlichen Straßen oder von Haus zu Haus verkaufen, also ein Reisegewerbe bzw. ein sogenanntes Ambulantes Gewerbe (vgl. § 22 Abs. 5 Umsatzsteuergesetz - UStG) betreiben, sind in der Regel verpflichtet, ein Umsatzsteuerheft (Dokument-Nr. 28802) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen und darin Ihre Umsätze und Vorsteuern aufzuzeichnen.

8. Aufzeichnungspflichten

Für Umsatzsteuerzwecke sind vorgeschriebene laufende Aufzeichnungen zu führen. Die einzelnen Unterlagen sowie die geltenden Aufbewahrungsfristen finden Sie in dem Merkblatt "Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen". Insbesondere Rechnungen bzw. Rechnungskopien sind als Buchungsbelege zehn Jahre aufzubewahren (§ 147 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Abgabenordnung). Die Zehnjahresfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Rechnung ausgestellt wurde. Darüber hinaus sind vor allem für den Waren- und Dienstleistungsverkehr mit den EU-Staaten und Drittstaaten (d.h. nicht EU-Staaten) zahlreiche besondere Vorschriften, auch hinsichtlich der Ausfuhrnachweise zu beachten.

9. Handelsumsätze innerhalb der EU 

Bei Verkäufen innerhalb der EU wird unterschieden zwischen Verkäufen an Privatpersonen und gewerblichem Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen Unternehmern:
  • Bei grenzüberschreitenden Verkäufen an Privatpersonen innerhalb der EU gilt das „Ursprungslandprinzip”. EU-Kunden, die in Deutschland Produkte kaufen (ausgenommen neue Kraftfahrzeuge und verbrauchssteuerpflichtige Waren) werden mit deutscher Umsatzsteuer belastet. Eine Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Lieferungen an Privatpersonen ist nur noch bei der Ausfuhr von Gegenständen in Drittstaaten möglich. Dies gilt nicht für Fernverkäufe (Bis zum 31.6.2021 “Versandhandel”). Überschreiten hier die Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Lieferanten an Privatpersonen in die EU die Lieferschwelle von 10.000 Euro, so muss sich der Lieferer in dem anderen EU-Staat umsatzsteuerlich registrieren lassen und in seinen Fernverkaufsrechnungen den Steuersatz des anderen EU-Mitgliedsstaates angeben. Die umsatzsteuerliche Registrierung kann jedoch unterbleiben, wenn der Lieferer den sog. One-Stop-Shop (= Bundeszentralamt für Steuern, BzSt) nutzt und seine Umsätze mit Privatpersonen innerhalb der EU dort zentral erklärt und die sich aus der Erklärung ergebende Umsatzsteuer abführt. Weitere Informationen zur seit dem 1.7.2021 möglichen Nutzung des One-Stop-Shops (OSS) finden Sie auf unserem Merkblatt “Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie für Fernverkäufe und Online-Marktplätze”.
  • Im grenzüberschreitenden gewerblichen Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen Unternehmern gilt weiterhin das „Bestimmungslandprinzip”. Lieferungen eines deutschen Unternehmers an einen Unternehmer in einem anderen EU-Mitgliedsstaat sind von der deutschen Umsatzsteuer befreit. Für den empfangenden Unternehmer fällt die in seinem Land geltende Umsatzsteuer (sog. Erwerbssteuer) an. In der Rechnung müssen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Dokument-Nr. 5209) des leistenden und des empfangenden Unternehmers angegeben werden. Der Vorsteuerabzug ergibt sich wie bisher nach den jeweils geltenden steuerlichen Regelungen. Die Lieferung von Waren eines deutschen Unternehmers in einen anderen EU-Mitgliedsstaat wird damit vollständig von deutscher Umsatzsteuer entlastet. Ist der deutsche Unternehmer beispielsweise Empfänger einer Lieferung aus einem anderen EU-Land, so muss er die Umsatzsteuer auf diesen innergemeinschaftlichen Erwerb in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung gesondert ausweisen und abführen; er darf den Betrag jedoch gleichzeitig gesondert als Vorsteuer geltend machen, d.h. verrechnen, wenn er vorsteuerabzugsberechtigt ist.

10. Außenhandel mit Unternehmen in Drittstaaten 

Bei der Wareneinfuhr aus Drittstaaten wird in Deutschland Einfuhr-Umsatzsteuer erhoben; es gelten die deutschen Steuersätze von 19% bzw. 7%. Die Einfuhr-Umsatzsteuer hat der deutsche Unternehmer an die zuständigen Zollbehörden zu zahlen, wenn er und nicht der Lieferer die Freimachung der Ware für den inländischen Verkehr übernimmt; er kann die Einfuhrumsatzsteuer danach, Vorsteuerabzugsberechtigung vorausgesetzt, wie eine Vorsteuer von seiner Umsatzsteuerschuld abziehen. Lieferungen an Unternehmer in Drittländer sind im Regelfall in Deutschland steuerfrei; es sind vom deutschen Unternehmer jedoch besondere Vorschriften zu Ausfuhrnachweisen und sonstige buchmäßige Nachweise bei Ausfuhrlieferungen zu beachten. Dem deutschen Unternehmer steht in diesem Fall, soweit er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, der deutsche Vorsteuerabzug aus Vorleistungen zu. Auch Ausfuhren werden damit vollständig von der deutschen Umsatzsteuer entlastet.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Ihr Unternehmen zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: November 2023
Betriebsstätte in Deutschland

Expansion ausländischer Unternehmen im Inland

Will ein ausländisches Unternehmen nach Deutschland expandieren, kann es eine inländische Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung, Betriebsstätte bzw. Repräsentanz gründen. Zur Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit durch die Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung und Betriebsstätte bedarf es grundsätzlich einer Gewerbeanmeldung und gegebenenfalls einer gesonderten staatlichen Genehmigung.


Welche Industrie- und Handelskammer örtlich für Sie zuständig ist, erfahren Sie hier.


Soll die deutsche Niederlassung von ausländischen Staatsangehörigen im Inland geleitet werden, ist bei EU-Bürgern aus allen 27 Mitgliedsstaaten ein gültiger Pass für die Gewerbeanmeldung und ggf. eine Meldebestätigung für die Gewerbeanmeldung ausreichend. Denn sie genießen hinsichtlich der selbständigen bzw. der vergleichbaren unselbständigen Erwerbstätigkeit Niederlassungsfreiheit nach den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzt (FreizügG/EU).
Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten (Drittstaaten), die für die Aufnahme der Tätigkeit nach Deutschland einreisen wollen, bedürfen einer zweckgebundenen Aufenthaltserlaubnis (AE), die i.d.R. im Heimatland bei der deutschen Auslandsvertretung zu beantragen ist. Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne ausländerrechtliche Genehmigung ist nicht gestattet. Die Vorschriften des deutschen Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sind unbedingt zu beachten.
Staatsangehörige aus Drittstaaten, die bereits ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsberechtigung oder aber einer Niederlassungserlaubnis sind, sind dagegen einem deutschen bzw. EU-Staatsangehörigen gleichzustellen.

I. Organisationsformen und Gründungsvoraussetzungen

Für die Expansion eines im Ausland ansässigen Unternehmens stehen rechtlich vier Organisationsformen zur Verfügung: Die Gründung einer inländischen Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung, Betriebsstätte oder Repräsentanz.

1. Die Tochtergesellschaft

Bei einer Tochtergesellschaft handelt es sich um ein rechtlich selbstständiges Unternehmen, an dem die Muttergesellschaft mehrheitlich die Anteile hält. Eine inländische Tochtergesellschaft hat demnach unabhängig von der Muttergesellschaft im Ausland eine eigene Rechtspersönlichkeit. Inländische Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen sind dabei Gesellschaften deutschen Rechts.
Für Ihre Gründung gelten die deutschen Gesetzesvorschriften. Genutzt werden insbesondere die Rechtsformen der offenen Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaft (AG). Für diese Rechtsformen ist eine Eintragung in das Handelsregister notwendig.
Tipp: Weitere Informationen zu den Rechtsformen finden Sie in dem Dokument "Welche Rechtsform ist die zweckmäßigste". Zudem können Sie Musterverträge und -registeranmeldungen in den Handbüchern zur Vertrags- und Registerpraxis in der Commerzbibliothek der Handelskammer Hamburg eingesehen werden. Der Leseausweis ist für Unternehmen der Handelskammer Hamburg kostenfrei.

2. Die Zweigniederlassung (selbständige Niederlassung)

Bei der Zweigniederlassung handelt es sich um einen Teil des Gesamtunternehmens, der zwar räumlich und organisatorisch, nicht aber rechtlich verselbständigt ist. Sie besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und unterliegt deshalb grundsätzlich dem ausländischen Hauptniederlassungsrecht. Entscheidend ist das Vorliegen einer inländischen Organisationseinheit, die auch ohne die Hauptniederlassung im Ausland als eigenständiges Unternehmen fortführbar ist.
Kriterien einer Zweigniederlassung sind:
  • Geschäfte der Zweigniederlassung (d.h. es muss sich um eine Tätigkeit von gewisser Dauer handeln und die Geschäfte müssen im Wesentlichen denen der Hauptniederlassung entsprechen, insbesondere darf es sich nicht um nur untergeordnete Hilfs- und Ausführungsgeschäfte handelt);
  • Räumliche Selbständigkeit der Zweigniederlassung (z.B. eigenes Bankkonto, gesonderte Buchführung, nicht aber unbedingt ein eigenes Vermögen);
  • Personelle Selbständigkeit der Zweigniederlassung (d.h. der Leiter der Zweigniederlassung muss grundsätzlich befugt sein, diese im Rechtsverkehr selbständig zu vertreten).
Die Gründung einer Zweigniederlassung erfolgt durch den tatsächlichen Vorgang ihrer Errichtung entsprechend den genannten Kriterien. Eine Gewerbeanmeldebescheinigung sowie die Eintragung in das deutsche Handelsregister ist erforderlich. Auf das Registerverfahren findet dabei deutsches Recht Anwendung.
Hinweis: Die Gewerbeanmeldebescheinigung wird auf den Leiter der Zweigniederlassung ausgestellt.

3. Betriebsstätte

Bei einer Betriebsstätte handelt es sich um weitere Niederlassungen oder Filialen des Gesamtunternehmens, die als Geschäftslokale eingerichtet werden, aber von der Zentrale im Ausland abhängig sind. Sie stellen daher eine unselbständige Niederlassung dar, die keine, von der Hauptniederlassung abweichende Firma führen dürfen. Die Betriebsstätte führt Hilfsgeschäfte aus, die der Vorbereitung, Vermittlung oder Ausführung der Hauptgeschäfte des Auslandsunternehmens dienen.
Beispiele sind:
  • Fabrikationsbetriebe ohne Verkauf,
  • Lager-, Empfangs- und Versandstellen,
  • Bloße Vermittlungsstelen oder
  • Verkaufsstellen ohne eigenen Einkauf
Eine Eintragung in das Handelsregister erfolgt nicht. Allerdings muss für jede Betriebsstätte eine gesonderte Gewerbeanmeldung erfolgen.

4. Repräsentanz

Vielfach fällt im Zusammenhang mit der Errichtung von Niederlassungen insbesondere ausländischer Unternehmen der Begriff "Repräsentanz". Diesen Begriff kennt das deutsche Gewerbe- bzw. Handelsrecht nicht.
Entweder wird das Büro des betreffenden Unternehmens in Deutschland selbst als Bestandteil der eigenen Organisation gewerblich tätig, dann handelt es sich um eine Betriebsstätte. Diese ist gewerberechtlich anzumelden.
Oder es wird ein Büro eröffnet, das von einem externen und entsprechend beauftragten selbständigen Gewerbetreibenden (bspw. Handelsvertreter) geleitet wird. In diesem Fall erfolgt keine eigenständige gewerbliche Betätigung des ausländischen Unternehmens in Deutschland.
Hinweis : Staatsangehörige aus Drittstaaten, die für die Aufnahme der Tätigkeit als Repräsentant (Leiter der Betriebsstätte) eines ausländischen Unternehmens die Einreise nach Deutschland begehren, erhalten von der zuständigen Ausländerbehörde eine zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis (AE) für max. 12 Monate. Voraussetzung hierfür ist die schriftliche, beglaubigte Entsendungserklärung der ausländischen Hauptgesellschaft und die Sicherstellung des Lebensunterhaltes für den Repräsentanten für 1 Jahr. Hierfür ist z.Zt. ein Betrag von 30.000,- Euro auf einem Konto eines hiesigen Kreditinstitutes nachzuweisen. Die AE kann nach Ablauf im begründeten Einzelfall um max. 6 Monate im Ermessen der Ausländerbehörde verlängert werden. Spätestens nach Ablauf von insgesamt 18 Monaten muss sich das ausländische Haupthaus gegenüber der hiesigen Ausländerbehörde erklären, ob es mit allen Rechten und Pflichten am hiesigen Wirtschaftsleben teilnehmen möchte oder nicht. Wird die Umwandlung der Repräsentanz (Betriebsstätte) in eine Gesellschaft nach deutschem oder ausländischen Recht nicht gewünscht, wird der Aufenthaltstitel für den Repräsentanten nicht verlängert; dieser ist dann ausreisepflichtig. Wird die Umwandlung der Repräsentanz (Betriebsstätte) in eine andere Rechtsform gewünscht, ist über den Zweckwechsel des bisherigen Aufenthaltstitels des Repräsentanten, nach Bestimmungen des Aufenthaltsgesetztes zu entscheiden.

II. Gewerbeanmeldung und besondere Genehmigungen

Für die gewerbliche Betätigung in Deutschland ist eine Gewerbeanmeldung und unter Umständen zusätzlich eine gesonderte staatliche Genehmigung erforderlich.

1. Gewerbeanmeldung

Die gewerbliche Betätigung der Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung bzw. Betriebsstätte in Deutschland müssen nach dem deutschen Gewerberecht beim zuständigen Verbraucherschutzamt angemeldet werden.
Dem Verbraucherschutzamt sind dabei folgende Unterlagen vorzulegen:
a) für den Antragsteller
  • Identitätsnachweis (Personalausweis oder Reisepass)
  • ggf. Nachweis der Bevollmächtigung zum Handeln für Dritte (evtl. Registerauszug)
  • ggf. staatliche Genehmigungen (z.B. Handwerkskarte, Maklererlaubnis)
  • ggf. polizeiliches Führungszeugnis oder Auskunft aus dem Gewerbezentralregister (bei Vertrauensgewerbe wie z.B. Detektei, Schlüsseldienst)
  • ggf. Aufenthaltstitel bei Drittstaatsangehörigen
b) für das Unternehmen:
  • bei Tochtergesellschaften ein Registerauszug
  • bei Zweigniederlassungen und Betriebsstätten
  • Nachweis des Bestehens der ausländischen Hauptniederlassung / Gesellschaft
  • Nachweis des Bestehens der Zweigniederlassung / Betriebsstätte im Inland
Tipp: Grundsätzlich können Sie ihr Gewerbe auch im Service-Center der Handelskammer Hamburg anmelden. Wir empfehlen Ihnen, sich vorher mit dem Service-Center in Verbindung zu setzen.

2. Besondere Genehmigungen

Die Gewerbeanmeldung als solche berechtigt nach dem deutschen Recht noch nicht zur Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit, sofern eine besondere Erlaubnis (z.B. Gaststättenkonzession) oder die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist. Vor Beginn der Tätigkeit ist deshalb gegebenenfalls die entsprechende Genehmigung bei der zuständigen Behörde oder einer öffentlich rechtlichen Berufsvertretung zu beantragen.
Tipp: Klären Sie mögliche Genehmigungspflichten vorher mit der Handelskammer ab.

III. Zuwanderungsrechtliche Anforderungen bei ausländischen Geschäftsvorstehern

1. Geschäftsleitung im Inland

Soll die inländische Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung, Betriebsstätte bzw. Repräsentanz von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland geleitet werden, so sind die geltenden zuwanderungsrechtlichen Bestimmungen über Einreise und Aufenthalt einzuhalten.
1.1 Unionsbürger
Unionsbürger benötigen zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen gültigen Personalausweis oder Reisepass. Das Erfordernis einer EG-Aufenthaltserlaubnis wurde abgeschafft. Unionsbürgern wird nunmehr von Amts wegen eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ausgestellt. Sie sind deshalb zunächst nicht verpflichtet, mit der Ausländerbehörde Kontakt aufzunehmen. Es bestehen insoweit lediglich die allgemeinen melderechtlichen Pflichten.
1.2 Staatsangehörige aus Drittstaaten
Staatsangehörige aus Drittstaaten benötigen für die Einreise und den Aufenthalt einen gültigen und anerkannten Nationalpass sowie einen Aufenthaltstitel in Form einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit. Sie wird von der Ausländerbehörde für eine Dauer von längstens drei Jahren und nur auf Antrag bei Erfüllung folgender Voraussetzungen erteilt:
  • übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis
  • Aussicht auf positive Auswirkungen auf die Wirtschaft
  • Gesicherte Finanzierung
Dabei wird auch berücksichtigt, welche Auswirkungen auf die Ausbildungs- und Beschäftigungssituation in Deutschland zu erwarten sind, ob die zugrunde liegende Geschäftsidee tragfähig und wie hoch der Kapitaleinsatz ist, sowie die berufliche Qualifikation des Geschäftsvorstehers / Antragstellers. Bei einem Alter von über 45 Jahren soll der Bewerber zudem eine angemessene Altersversorgung nachweisen.
Tipp: Angesichts dieser mitunter komplexen Zusammenhänge sollten Sie zur Vorbereitung der Entscheidung auf den Sachverstand der regionalen Gewerbebehörden, der öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen, der Handelskammer und gegebenenfalls der auf die Berufszulassung zuständigen Behörde zurückgreifen.

2. Geschäftsleitung vom Ausland aus

Das deutsche Recht stellt i.d.R. als Eignungsvoraussetzung für Gesellschafter, Geschäftsführer, ständige Vertreter bzw. Leiter nicht auf deren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort ab. Zu Vorstehern von deutschen Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen, Betriebsstätten oder Repräsentanzen können daher auch ausländische Staatsangehörige bestellt werden, die im Ausland sesshaft sind bzw. verweilen.
Bei der Ernennung eines Drittstaatsangehörigen zum Geschäftsführer ist jedoch zu beachten, dass gegebenenfalls die derzeit mögliche Einreise in die Bundesrepublik mittels Pass und Visum nachzuweisen ist.
Tipp: Weitere Auskünfte erteilen die deutschen Auslandsvertretungen
EU-Binnenmarkt

Territoriale Besonderheiten bei umsatzsteuerlicher und zollrechtlicher Behandlung

Nach § 1 Abs. 2a Umsatzsteuergesetz (UStG) umfasst das sogenannte Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union (EU) das Inland der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der Insel Helgoland, dem Gebiet von Büsingen und der Freihäfen Bremerhaven und Cuxhaven (Freizonen des Kontrolltyps 1) sowie die EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern) mit einigen territorialen Besonderheiten, die in der folgenden Tabelle aufgeführt sind (Abschnitte 1.9 und 1.10 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)).
Nach Abschnitt 1.10 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) umfasst das sogenannte Drittlandsgebiet die Gebiete, die nicht zum Gemeinschaftsgebiet gehören, u.a. auch Andorra, San Marino und der Vatikan. Als Drittlandsgebiet werden auch die Teile der Insel Zypern behandelt, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt.
Bei Warenlieferungen in diese Gebiete sind sowohl die umsatzsteuerlichen als auch die zollrechtlichen Zuordnungen und gegebenenfalls spezielle Nachweispflichten zu beachten.
Wird beispielsweise eine Ware nach Martinique (umsatzsteuerlich Drittlandgebiet von Frankreich) geliefert, ist diese Warenlieferung nach § 6 UStG eine Ausfuhrlieferung und nach § 4 Nr. 1 UStG steuerbefreit. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass der Unternehmer die Beförderung oder Versendung der Lieferung durch Belege (Ausfuhrnachweis) nachweist:
EU-
Mitgliedstaat

Territorien
Umsatzsteuer- und
Verbrauchsteuer-
rechtliche
Behandlung
Zollrechtliche Behandlung
Andorra
Drittlandsgebiet
Zollunion mit EU für gewerbliche Ware
Dänemark
Faröer
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Dänemark
Grönland
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Deutschland
Insel Helgoland,
Gebiet von Büsingen
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Finnland
Åland-Inseln
Drittlandsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Frankreich
überseeische französische Departements Guadeloupe, Martinique, Guyana, La Réunion
Drittlandsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Fürstentum Monaco
Gemeinschaftsgebiet
(wie Umsätze mit Herkunft Frankreich zu behandeln)
Gemeinschaftsgebiet
Griechenland
Berg Athos
Drittlandsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Italien
Livigno, Campione d'Italia, der zum ital. Hoheitsgebiet gehörende Teil des Luganer Sees
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
San Marino
Drittlandsgebiet
Verbrauchsteuer: Gemeinschaftsgebiet
Zollunion
Vatikan
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Niederlande
Aruba und Niederländische Antillen
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Portugal
Madeira und Azoren
Gemeinschaftsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Spanien
Balearen
Gemeinschaftsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Spanien
Ceuta, Melilla
Drittlandsgebiet
Drittlandsgebiet
Spanien
Kanarische Inseln
Drittlandsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Zypern
Akrotiri, Dhekalia
Gemeinschaftsgebiet
Gemeinschaftsgebiet
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Juli 2021
Rechnungsangaben

Hinweis auf "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung" in EU-Sprachen

Deutsche Unternehmen, die innergemeinschaftlich steuerfreie Lieferungen im Binnenmarkt tätigen, müssen nach den geltenden Rechnungsvorschriften auf ihre Rechnungen einen Hinweis auf die Steuerfreiheit und deren Grund setzen; vergleiche § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG) in Verbindung mit Abschnitt 14.5 Abs. 20 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Einzelheiten hierzu finden Sie im Dokument Pflichtangaben in Rechnungen.
Da sich die Hinweispflicht nach deutschem Recht richtet, ist es nicht erforderlich, dass sich der entsprechende Vermerk auf der Rechnung auch in der Landessprache des Empfängers befindet. Dennoch sind Unternehmen teilweise daran interessiert, den Hinweis zusätzlich auch in der Landessprache des Rechnungsempfängers bzw. in englischer Sprache aufzunehmen.

Übersetzungen in EU-Sprachen für "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung"

  • Belgien: livraison intracommunautaire exonérée TVA
  • Bulgarien: Neoblagaema vatreshnoobshtnostna dostavka
  • Dänemark: momsfri EU levering
  • Deutschland: steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
  • Estland: käibemaksuvaba ühendusesisene kättetoimetamine
  • Finnland: veroton yhteisömyynti
  • Frankreich: livraison intracommunautaire exonérée TVA
  • Griechenland: tax free intracommunity delivery
  • Großbritannien: tax free intracommunity delivery
  • Irland: tax free intracommunity despatch
  • Italien: cessioni intracomunitarie esenti
  • Lettland: Ar 0% apliekamas precu piegades ES ietvaros, PVN likuma 28. pants*)
  • Litauen: pridétinés vertés mokesciu neapmokestinamas tiekimas Europos Sajungos viduje
  • Luxemburg: livraison intracommunautaire exonérée TVA.
  • Malta: tax free intracommunity delivery
  • Niederlande: intracommunautaire levering
  • Österreich: steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
  • Polen: wewnatrzwspólnotowa dostawa towarów opodatkowana wg. stawki podatku 0% (Art.42 Ust. 0 pod. od tow.il usl.*)
  • Portugal: fornecimento inter-comunitário isento de IVA
  • Rumänien: Livrare intracomunitara scutita de TVA.
  • Schweden: skattefri gemenskapsintern leverans
  • Slowakei: od dane oslobodené intrakomunitárne dodávky
  • Slowenien: oproscena dobava znotraj skupnosti
  • Spanien: entrega intracomunitaria libre de impuesto
  • Tschechische Republik: dodání zbozí do jiného clenského státu, osvobozené od DPH
  • Ungarn: forgalmiadó-mentes, Közösségenbelülrol történo áruszállítás
  • Zypern: tax free intracommunity delivery
*) nach den derzeit vorliegenden Informationen besteht keine Steuerbefreiung, sondern eine "Null-Prozent-Besteuerung".
Zu den umsatzsteuerlichen Regelungen des Warenhandels in der EU siehe Dokument Warenhandel in der EU: Umsatzsteueridentifikationsnummer, Musterrechnung, Liefernachweis.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder recherchieren.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2017
Umsatzsteuerbefreiung

Export im Einzelhandel

Ausfuhrlieferungen von Unternehmern sind bei Erfüllung der Nachweispflichten grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Das gilt unter bestimmten Voraussetzungen (§ 6 Abs. 3a Umsatzsteuergesetz) auch für Verkäufe von Einzelhandelsunternehmern an Kunden aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU). Man spricht vom „Export über den Ladentisch" oder "Ausfuhrlieferungen im nicht kommerziellen Reiseverkehr". Dabei erwirbt der Abnehmer Waren zu nichtunternehmerischen Zwecken und verbringt sie im persönlichen Reisegepäck in das Drittlandgebiet.
Zum „persönlichem Gepäck“ gehören diejenigen Gegenstände, die der Abnehmer bei einem Grenzübertritt mit sich führt, z.B.  das Handgepäck. Ein Fahrzeug, seine Bestandteile und sein Zubehör sind kein persönliches Reisegepäck. Als Reise gelten dabei auch Einkaufsfahrten und der Berufsverkehr.
Tipp: Detaillierte Informationen zum "Export über den Ladentisch" finden außerdem auf zoll.de
Die Umsatzsteuerbefreiung wird dem Einzelhändler/Unternehmer gewährt, die er im vollen oder reduzierten Umfang an seinen Kunden aus dem Drittland weitergeben kann, wenn:
  • sein Kunde im Drittlandsgebiet ansässig ist,
  • die Waren vor Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Lieferung (Kauf) folgt, im persönlichen Reisegepäck in das Drittlandgebiet mitnimmt und
  • der Gesamtwert der Lieferung einschließlich Umsatzsteuer übersteigt 50 Euro.
Hinweis: Per Post oder Spediteur vor- oder nachgeschicktes Gepäck erfüllt die Bedingungen für eine steuerfreie Ausfuhr im nicht kommerziellen Reiseverkehr nicht!
Dafür muss der Einzelhändler folgendes beachten:
  • Der deutsche Einzelhändler/Unternehmer darf die Umsatzsteuer nicht in seiner Rechnung gesondert ausweisen. In der Rechnung wird nur der Bruttobetrag ohne Nennung des Steuersatzes angegeben. Bei Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro dürfen die Steuersätze nicht in der Rechnung aufgeführt sein, da allein aus der Nennung des Steuersatzes der Vorsteuerabzug hergeleitet werden kann.
  • Die Umsatzsteuerbefreiung gilt nicht für Lieferungen zur Ausrüstung und Versorgung von privaten Beförderungsmitteln (PKW, Sportboot, Segelyacht, Flugzeug).
  • Der Unternehmer muss gegenüber seinem Finanzamt für die Steuerbefreiung Nachweise (Ausfuhrnachweis, Abnehmernachweis, Buchnachweis) erbringen, die er nur durch Mitwirkung des Käufers im Anschluss an die Lieferung erhalten kann.
  • Alle Ausfuhrbelege, die mit Dienststempelabdrucken versehen sind, ob die Stempelfarben Pigmentierungen enthalten oder nicht, müssen stets im Original im Inland aufbewahrt werden, selbst dann, wenn die Belege elektronisch archiviert werden. Soweit bislang Ausfuhrbelege mit Dienststempelabdrucken ohne Farbpigmentierungen digitalisiert und vernichtet wurden, wird dies nicht beanstandet, soweit die Digitalisierung und Vernichtung vor dem 1.5.2007 erfolgt ist.
Hinweis: Ein Verkäufer ist nicht verpflichtet seinen Kunden eine steuerfreie Ausfuhr beim "Verkauf über den Ladentisch" anzubieten. Ein Verkäufer kann für seinen Service außerdem eine Bearbeitungsgebühr nehmen.
Der Auslandskunde, der in Deutschland eine Ware kauft und von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren möchte, sollte folgendes beachten:
  • Die Ware muss innerhalb von 3 Monaten nach Kauf ausgeführt werden, Kaufmonat wird nicht mitgerechnet (Beispiel: Verkauf am 6. März (Tag der Übergabe der Ware durch den liefernden Unternehmer), Ausfuhr dann spätestens am 30. Juni desselben Jahres).
  • Die Ware muss bei der Ausreise aus der EU dem Zoll vorgelegt werden, um einen gültigen Zollstempel zu erhalten. Dafür ist ausreichend Zeit einzuplanen. Der Zollstempel ist unbedingt erforderlich für die Rückerstattung. In Ausnahmefällen können hilfsweise Ausfuhr- und/oder Abnehmernachweis durch eine deutsche Auslandsvertretung im Wohnortland des Käufers erteilt werden, soweit es dem Abnehmer nicht möglich war, die Bestätigungen der Grenzzollstelle zu erlangen (vgl. Teil C der Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 247 KB)).
  • Die Ausfuhrbelege sind an den Einzelhändler zu senden, bevor dieser die Umsatzsteuer beispielsweise als Gutschrift oder Überweisung rückvergüten kann.
Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 10. Januar 2020 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 239 KB) das "Merkblatt zur Umsatzbesteuerung für Ausfuhrlieferungen im nicht kommerziellen Reiseverkehr (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 424 KB)" veröffentlicht, das Unternehmen und Käufer über die Einzelheiten dieser Umsatzsteuerbefreiung informiert. Es enthält eine Übersicht über die umsatzsteuerrechtliche Abgrenzung der EU-Gebiete von den Drittlandsgebieten und einen Vordruck für die Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigung bei Ausfuhren im nicht kommerziellen Reiseverkehr zur Bestätigung durch die Grenzzollstelle bzw. hilfsweise durch die deutsche Auslandsvertretung.
Das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung für Ausfuhrlieferungen im nicht kommerziellen Reiseverkehr (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 424 KB) enthält weitere Details zu diesem Thema und beantwortet u.a. die folgenden Fragen:
  • Wer ist Drittlandkäufer?
  • Was ist "Drittlandsgebiet"?
  • Was ist "Ausfuhr im nicht kommerziellen Reiseverkehr"?
  • Wie muss die Rechnung aussehen?
  • Welche notwendigen Nachweise sind für die Steuerbefreiung erforderlich?
  • Welche Verfahrensschritte an der Grenzzollstelle sind zu beachten?
  • Wie kann der Ausfuhr- und Abnehmernachweis durch eine deutsche Auslandsvertretung erbracht werden?
  • Welche Gegenstände sind von der Steuerbefreiung ausgeschlossen?
Mit Schreiben vom 12. Mai 2011 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 28 KB) stellt das Bundesfinanzministerium klar, dass die Abnehmerbestätigung nicht versagt wird, wenn der Ausführer einen in einem Drittland ausgestellten Pass vorweist, in dem ein Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes durch eine Auslandsvertretung eines anderen EU-Mitgliedstaates für die Dauer von 180 Tagen eingetragen ist und mit dem kein Titel für einen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in diesem anderen EU-Mitgliedstaat erworben wurde.
Einige Einzelhandelsunternehmen/Geschäfte in Deutschland arbeiten mit Dienstleistern zusammen, die den Auslandskunden bereits an den Flughäfen Umsatzsteuer bzw. einen Teil davon zurückerstatten. Diese Dienstleister lassen sich die von ihnen an den Käufer erstattete Umsatzsteuer wiederum von den jeweiligen Einzelhandelsunternehmen/Geschäften erstatten und geben die für die Steuerbefreiung erforderlichen Nachweise an diese weiter.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Dezember 2020

Warenverkehr

Export in Drittländer

Der Begriff Warenverkehr umfasst den gesamten grenzüberschreitenden Warenverkehr, den in Deutschland ansässige Unternehmen und sonstige Personen mit dem Ausland tätigen. Als Ware definiert das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) alle bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können (ausgenommen Wertpapiere und Zahlungsmittel) und Elektrizität. Waren, ergänzt um (Software) und Technologie (z. B. Unterlagen zur Fertigung von Waren) bezeichnet das AWG als Güter.
Der Warenverkehr kann wie folgt klassifiziert werden:
  • Wareneinfuhr
  • Warenausfuhr
  • Binnenmarktverkehr
  • Warendurchfuhr sowie
  • Handels- und Vermittlungsgeschäfte
Unter den Begriff Warenausfuhr (Warenexport) fallen alle Warentransporte, bei denen Gebietsansässige Waren in Drittländer aber auch in andere EG-Mitgliedstaaten exportieren. Zur Unterscheidung der Warenbewegungen in andere EG-Mitgliedstaaten von denen in Drittländer werden diese im Außenwirtschaftsrecht als Verbringen bezeichnet.

Unter welchen Voraussetzungen darf man ein Exportgeschäft betreiben?

Für die dauerhafte Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Export ist eine Gewerbeanzeige bei der zuständigen Gewerbebehörde erforderlich. Grundsätzlich ist die Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit ohne eine besondere Genehmigung zulässig. Jedoch gibt es einige Ausnahmen, wie z.B. der Export von Arzneimitteln. Je nach Rechtsform und Art und Umfang der gewerblichen Tätigkeit ist zusätzlich eine Eintragung ins Handelsregister erforderlich. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in unserem Merkblatt "Gewerbeanmeldung und Eintragung ins Handelsregister".
Angehörige von Nicht-EU-Staaten oder Staaten, mit den die Bundesrepublik Deutschland keine besonderen Vereinbarungen getroffen hat, müssen, sofern sie sich noch in ihrem Heimatland aufhalten, einen Antrag auf Erteilung eines Visums zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bei der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung stellen. Schon in Deutschland ansässige Ausländer müssen bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit stellen. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie von den Ausländerbehörden oder in unserem Artikel zum Aufenthaltsrecht.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Warenausfzuhr zu beachten?

Der Warenexport ist nach § 1 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) grundsätzlich frei. Jedoch müssen für das Ausfuhrverfahren selbst Regeln beachtet werden. In einigen Fällen ist der Export genehmigungsbedürftig oder sogar verboten. Beschränkungen bestehen vor allem bei Waffen, Munition, Rüstungsgütern und Gütern, die sowohl zu militärischen als auch zu zivilen Zwecken verwendet werden können (sog. Dual use-Güter). Weiterhin sind sogenannte Verbote und Beschränkungen zu beachten, die u.a. zum Schutz der menschlichen Gesundheit, zum Schutz des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen oder aus sonstigen ordnungsrechtlichen Gründen erlassen wurden.
Die wichtigsten die Ausfuhr betreffenden Rechtsvorschriften sind:
  • Unionszollkodex (UZK) - Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union
  • UZK-DA - Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präsizierung von Bestimmungen des Zolkodex der Union
  • UZK-IA – Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. Novermber 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union
  • das Außenwirtschaftsgesetz,
  • die Außenwirtschaftsverordnung,
  • sonstige Verbote und Beschränkungen,
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist in der Bundesrepublik Deutschland die zentrale Genehmigungsbehörde für die Exportkontrolle. Für Newcomer emfehlen wir die BAFA-Broschüre "Exportkontrolle und das BAFA", die einen guten Überblick über die Regelungen des deutschen und europäischen Exportkontrollrechts gibt.

Zweck des Ausfuhrverfahrens

Mit der Vollendung des Europäischen Binnenmarktes ist ein Verkauf von Waren in andere Länder, die zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehören, grundsätzlich ohne besondere Formalitäten möglich. Beim Verbringen von Waren in einen anderen EG-Mitgliedstaat sind lediglich gemeinschaftsrechtliche und nationale Beschränkungen - sei es für die Ausfuhr aus Deutschland oder für die Einfuhr in den anderen EG-Mitgliedstaat - zu beachten, weitere Zollformalitäten sind hier nicht zu erfüllen. Besonderheiten gibt es beim Verbringen von Waren in andere EG-Mitgliedstaaten bei der Umsatzsteuer. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Lieferungen in andere EG-Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer befreit.
Wird eine Ware aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt, sind besondere Formalitäten zu erfüllen. Hierzu müssen die Waren in das sogenannte Ausfuhrverfahren übergeführt werden. Beim Ausfuhrverfahren handelt es sich um ein Zollverfahren im Sinne des Zollkodex. Dort und in den dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen (Zollkodex-DVO) sind die wichtigsten Regelungen für den Ablauf des Ausfuhrverfahrens zu finden. Diese unmittelbar geltenden Vorschriften des EG-Zollrechts werden ergänzt durch die nationalen Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Das Ausfuhrverfahren dient der Überwachung des Warenverkehrs mit Drittländern.
Hierbei sollen zum einen die Einhaltung und die Durchsetzung von Ausfuhrbeschränkungen gewährleistet werden, die sich aus außenwirtschaftsrechtlicher Sicht nach dem nationalen Recht oder nach dem EG-Recht (z. B.aus der EG-Dual-Use-Verordnung) ergeben können:
  • Außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen (Embargos, Genehmigungspflichten)
  • Marktordnungsrechtliche Beschränkungen (Vorlage einer Ausfuhrlizenz)
  • sonstige Verbote und Beschränkungen (z.B. Artenschutz, Abfallrecht)
Zum anderen basiert die vom Statistischen Bundesamt erstellte Außenhandelsstatistik auf Daten, die im Rahmen des Ausfuhrverfahrens erfasst werden.

Wie funktioniert das Ausfuhrverfahren?

Zur Überführung von Waren in das Ausfuhrverfahren bedarf es - wie bei jedem anderen Zollverfahren - einer schriftlichen Zollanmeldung, der Ausfuhranmeldung. Seit dem 1. Juli 2009 besteht nach dem geltenden Zollrecht der Gemeinschaft die Pflicht zur Abgabe der Ausfuhranmeldungen in elektronischer Form. Ausnahmen sind grundsätzlich nur noch dann möglich, wenn die Systeme aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht zur Verfügung stehen. In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt die elektronische Ausfuhranmeldung über das IT-Verfahren ATLAS-Ausfuhr.
Im Normalverfahren ist dieAusfuhranmeldung bei der - Ausfuhrzollstelle - abzugeben. Die Ausfuhrzollstelle ist die Zollstelle, in deren Bezirk der Ausführer seinen Sitz hat oder in deren Bezirk die Ware verladen oder verpackt wird. Die Zollstelle prüft die Anmeldung und die dazugehörige Ware und fertigt die Ware zum Ausfuhrverfahren ab. Mit einer Bestätigung der Prüfung auf einem Exemplar der Anmeldung gelangt die Ware zur Außengrenze der Gemeinschaft. Dort überwacht eine weitere Zollstelle - die Ausgangszollstelle - den körperlichen Ausgang der Ware. Unter bestimmten Voraussetzungen sind - abweichend von diesen Verfahrensablauf - sowohl im Gemeinschafts- als auch im deutschen Recht Vereinfachungen vorgesehen. Hierbei handelt es sich:
  • um die sog. "Vereinfachten Verfahren" bei der Abgabe von Zollanmeldungen
  • um Vereinfachungen bei Waren mit einem Wert unter 3.000 Euro und
  • um das sog. "Vorausanmeldeverfahren" als nationale Vereinfachungen im Verfahrensablauf (§ 13 AWV).
Über den Ablauf des Ausfuhrverfahrens sowie die möglichen Verfahrensvereinfachungen informiert die deutsche Zollverwaltung im Detail auf Ihrer Website www.zoll.de.

Welche Einfuhrvorschriften gelten im Empfangsland?

Aus der Gemeinschaft ausgeführte Waren müssen anschließend im Empfangsland eingeführt werden. Je nach Bestimmungsland können die Einfuhrvorschriften sehr unterschiedlich und sehr schwer von Deutschland aus zu ermitteln sein. Daher empfielt sich in der Regel die Vereinbarung einer Lieferbedinung (siehe unten), nach der der Importeur für die Einfuhrverzollung im Empfangsland verantwortlich ist. Nach Möglichkeit sollte der Importeur im Bestimmungsland vorgeben, welche Dokumente er für die Zollabfertigung benötigt.
Einen Überblick über die Einfuhrvorschriften aller Länder der Welt gibt das von unserer Handelskammer herausgegebene Export-Nachschlagewerk "K und M" - Konsulats- und Mustervorschriften. Dort findet man unter anderem Hinweise auf folgende bei der Einfuhrabfertigung erforderliche Dokumente:
  • Handelsrechnungen (ggf. mit Bescheinigung durch die Handelskammer bzw. zusätzlicher konsularischer Legalisierung)
  • Ursprungszeugnisse (auszustellen von der Kammer, ggf. mit zusätzlicher konsularischer Legalisierung)
  • Warenverkehrsbescheinigungen (Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Zollpräferenzen im Warenverkehr mit bestimmten Ländern erfüllt sind).
  • Gesundheitszeugnisse, Analysenzertifikate, Inspektionszeugnisse
  • Verpackungsvorschriften

Welche Einfuhrabgaben fallen im Bestimmungsland an?

Die Höhe der Einfuhrzölle und -steuern sowie sonstiger Einfuhrabgaben kann von Land zu Land stark variieren. Zollsätze in Drittländern können über die Market Access Database der EU-Kommission (madb.europa.eu) ermittelt werden. Auch unserer Handelskammer liegen Zolltarife beinahe aller Länder vor. Unverbindliche Zolltarifinformationen erteilen wir Ihnen gerne bei Vorlage der Zolltarifnummern. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, Lieferbedingungen zu wählen, nach denen die Zahlung der Einfuhrabgaben vom Importeur im Bestimmungsland der Ware übernommen wird.

Welche Lieferbedingungen sollten gewählt werden?

Die Vereinbarung einer Lieferbedingung ist Verhandlungssache zwischen Käufer und Verkäufer. Empfehlenswert ist die Verwendung einer INCOTERMS-Klausel.
Die INCOTERMS sind das offizielle Regelwerk der "International Chamber of Commerce" (ICC), Paris, zur Auslegung der in internationalen Lieferverträgen hauptsächlich verwendeten Vertragsformeln. Seit der Schaffung der INCOTERMS durch die ICC im Jahre 1936 wurde dieses weltweit unumstrittene Standardwerk regelmäßig überarbeitet, um mit den Entwicklungen im internationalen Handel Schritt zu halten.
Zweck der INCOTERMS ist die Schaffung einheitlicher Regelungen für die wesentlichen Käufer- und Verkäuferpflichten in internationalen Lieferverträgen. Die Verteilung der Transportkosten oder auch der Übergang der Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware auf dem Transport werden neben vielen anderen Fragen anhand einfacher Bedingungen für die technische Durchführung des Transportes einheitlich und branchenunabhängig geregelt. Aus den unterschiedlichen Handelsgewohnheiten in den jeweiligen Ländern resultierende Mißverständnisse und Auseinandersetzungen und der damit verbundene Aufwand an Zeit und Kosten lassen sich auf diese Weise vermeiden.
Einen ersten Überblick können Sie sich mit unserem Artikel "Incoterms - International Commercial Terms " verschaffen. Die Broschüre "Incoterms 2020" der internationalen Handelskammer können Sie über den buchhandel oder direkt bei der ICC Germany beziehen.

Welche Zahlungsbedingungen kommen in Betracht?

Dies ist letztlich Verhandlungssache zwischen dem ex- und dem importierenden Unternehmen, wobei die Bandbreite von der Vorkasse bis hin zur Zahlung gegen Rechnung binnen x Tagen reicht. Vor allem bei Geschäften mit noch unbekannten Kunden bzw. mit entfernten oder "schwierigen" Ländern sollte das exportierende Unternehmen auf Sicherheit bedacht sein. Oft kann ein unwiderrufliches, (von der Bank des Exporteurs) bestätigtes Dokumentenakkreditiv, das vom Importeur bei seiner Bank zugunsten des Exporteurs eröffnet wird, den Interessen beider Parteien gerecht werden, wenn dieses Verfahren auch relativ (kosten-)aufwändig ist.
Literaturhinweise:
Hinweis: Dieses Merkblatt kann nur eine grobe Orientierungshilfe ohne Anspruch auf Vollständigkeit sein. Wenn Sie genauere Informationen benötigen, lassen Sie sich bitte nach vorheriger Terminabsprache persönlich beraten.
Recht und Steuern

Veranstaltungen, Vorträge und Broschüren

Sie wollen sich über die Schiedsgerichtsbarkeit informieren? Hier finden Sie aktuelle Veranstaltungen zum Thema und verschiedene andere Informationen.

 

Event “ARBITRATION IN AFRICA – Opportunities and Risks for German Companies” am 15.02.2023

The Hamburg Chamber of Commerce and the LawCom.Institute are pleased to invite you to the event "ARBITRATION IN AFRICA – Opportunities and Risks for German Companies” on 15 February from 10 a.m. to 5 p.m. at the Hamburg Chamber of Commerce. You could talk to the most important African representatives of arbitration! 

Informationsbroschüre zum Schiedsgerichts- und Mediationsstandort Hamburg

Die Publikation aus der Reihe "Tipps" enthält auf 54 Seiten eine Vielzahl von Informationen rund um das Thema außergerichtliche Streitbeilegung plus wichtige Adressen.
Das außergerichtliche Konfliktmanagement hat in Hamburg eine lange Tradition. Der Gedanke, Streitigkeiten ohne Einschaltung der Gerichte zu lösen, ist aber nach wie vor aktuell. In Hamburg gibt es eine ganze Reihe von Schiedsgerichten, die branchenübergreifend oder aber auch branchenbezogen tätig sind und Unternehmern bei der Beilegung von Auseinandersetzungen zur Seite stehen. Auch im Bereich von Mediation und Schlichtung hat sich in Hamburg in den letzten Jahren viel getan. Ein guter Grund, den Schiedsgerichts- und Mediationsstandort Hamburg unter die Lupe zu nehmen und zu evaluieren. In der Broschüre "Schiedsgerichtbarkeit und Wirtschaftsmediation in Hamburg" (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1247 KB) aus dem Jahr 2007 finden Sie Informationen über die Angebote in Hamburg, Kostenübersichten, Kontaktdaten und vieles mehr. 
Steuerliche Behandlung

Geschäfts- bzw. Firmenwagen

Bei der steuerlichen Behandlung von Geschäfts- und Firmenwagen müssen ertrags- und lohnsteuerliche Regelungen ebenso wie das Umsatzsteuerrecht beachtet werden. Dabei gibt es immer wieder Regeländerungen durch den Gesetzgeber und durch die Rechtsprechung. So hatte das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Dezember 2008 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 646 KB) die Einschränkung der steuerlichen Berücksichtigung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer für verfassungswidrig erklärt.
Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung wird die Entfernungspauschale für Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte auch bei Firmenwagen ab 1. Januar 2007 mit 0,30 Euro ab dem ersten Entfernungskilometer steuerlich anerkannt. Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. 2011 Teil I Seite 2131) haben sich Änderungen zu den Entfernungspauschalen ergeben, die in dem BMF-Schreiben vom 3. Januar 2013 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 102 KB) dargestellt sind. Das BMF-Schreiben vom 31. August 2009 (BStBl. 2009 Teil I Seite 891) ist damit überholt.
Mit gleichlautendem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. November 2012 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 17 KB) wird die steuerliche Behandlung von (Elektro-)Fahrrädern, die ein Arbeitgeber oder auf Grund eines Dienstverhältnisses ein Dritter dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlässt, wie folgt geregelt: Nach § 8 Absatz 2 Satz 8 Einkommensteuergesetz ist hierfür als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (einschließlich Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und Heimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung) 1 % der auf volle 100 Euro abgerundeten unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt. Die Freigrenze für Sachbezüge nach § 8 Absatz 2 Satz 9 EStG ist nicht anzuwenden. Gehört die Nutzungsüberlassung von Fahrrädern zur Angebotspalette des Arbeitgebers an fremde Dritte (z. B. Fahrradverleihfirmen), ist der geldwerte Vorteil nach § 8 Absatz 3 EStG zu ermitteln, wenn die Lohnsteuer nicht nach § 40 EStG pauschal erhoben wird. Bei Personalrabatten ist der Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro zu berücksichtigen.
Zur ertragssteuerlichen Erfassung der Privatnutzung von betrieblichen Kraftfahrzeugen, zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zu Familienheimfahrten nimmt das BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB) ausführlich Stellung. Am 1. April 2011 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 59 KB) hat das BMF ein Schreiben zur lohnsteuerlichen Behandlung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 59 KB) veröffentlicht, das die BMF-Schreiben vom 23. Oktober 2008 und vom 12. März 2009 aufhebt. Mit Schreiben vom 3. April 2012 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 37 KB) hat das Bundesfinanzministerium zur verdeckten Gewinnausschüttung bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs (KfZ) durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft Stellung genommen. Danach ist nur diejenige Nutzung eines betrieblichen KfZ durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer betrieblich veranlasst, die durch eine Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung abgedeckt wird. Sie kann auch durch eine mündliche Vereinbarung erfolgen, wenn entsprechend tatsächlich verfahren wird. Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, ist die Nutzung hingegen durch das Gesellschaftsverhältnis mit veranlasst und führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Grundsätzlich kann es zwei unterschiedliche Varianten hinsichtlich einer privaten und einer geschäftlichen Nutzung eines Pkw geben, die steuerlich zu berücksichtigen sind:
  1. Die betriebliche Nutzung eines privaten Pkw des Arbeitnehmers oder des Unternehmers (R 9.5 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG)): Hier kann sich der Arbeitnehmer bzw. der Unternehmer vom Unternehmen einen Kilometersatz von bis zu 0,30 € für betrieblich veranlasste Fahrten steuerfrei erstatten lassen oder als Werbungskosten bei seiner individuellen Einkommensteuererklärung geltend machen.
  2. Die private Nutzung von firmeneigenen Geschäftswagen durch den Arbeitnehmer oder Unternehmer: Wird ein Geschäftswagen ausschließlich betrieblich genutzt, sind sämtliche dadurch veranlasste Kosten Betriebsausgaben und grundsätzlich auch steuerlich beim Unternehmen zu berücksichtigen. Wird der Dienstwagen vom Arbeitnehmer auch privat genutzt, gehört diese Nutzung zu den lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteilen (§ 8 EStG, R 8.1 Abs. 9, 10 LStR). Werden Geschäftswagen vom Unternehmer privat genutzt, muss der private Teil der Pkw-Nutzung durch den Unternehmer als Nutzungsentnahme wie Einkommen versteuert werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG), § 8 EStG).
Die Berechnung des privaten Nutzungsanteils kann in beiden Fällen grundsätzlich entweder 
  • pauschal nach der 1 %-Methode (siehe 2.1 bzw. 3.1) oder 
  • anhand eines Fahrtenbuchs (siehe 2.2 bzw. 3.2) erfolgen.  

1. Nutzung von Privatfahrzeugen für betriebliche Zwecke und für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Werden Geschäftsfahrten mit dem Privatfahrzeug des Arbeitnehmers oder des Unternehmers durchgeführt, sind sämtliche Aufwendungen für die betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privatfahrzeug Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Dies gilt auch für den freiberuflich Tätigen.
Die Finanzverwaltung erkennt dabei für Geschäftsfahrten mit Privatfahrzeugen nach den Regeln der Lohnsteuerrichtlinien, die auf Unternehmer übertragen werden können (R 4.12 Abs. 1, 2, 3 Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)), an: entweder
  • bei Einzelnachweis die tatsächlichen Aufwendungen für betrieblich veranlasste Fahrten, die sich aus den Unterlagen ergeben müssen, welche der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber vorzulegen hat, (R 9.5 Abs. 1 S. 3 LStR) oder 
  • ohne Einzelnachweise pauschal folgende Kilometersätze
Fahrzeug
Kilometersatz
(€ pro gefahrenem km)
ab VAZ 2002
Pkw
0,30
Motorrad oder Motorroller
0,13
Moped bzw. Mofa
0,08
Fahrrad
0,05
Der Arbeitnehmer kann für Fahrten mit dem Privatwagen in der persönlichen Einkommensteuererklärung anrechenbare Werbungskosten geltend machen, jedoch nur soweit der Arbeitgeber keinen oder einen geringeren Kostenersatz als steuerfrei anerkannt gewährt. Ein Kostenersatz durch den Arbeitgeber nach der vorstehenden Tabelle bzw. nach den tatsächlichen Kosten ist gemäß § 3 Nr. 13 oder Nr. 16 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei. Wird die Pauschale nicht voll ausgeschöpft oder kein (voller) Kostenersatz seitens des Arbeitgebers gewährt, kann der Arbeitnehmer (Unternehmer) die Differenz zwischen Erstattung und tatsächlichen Kosten in seiner persönlichen Einkommensteuererklärung geltend machen. Dazu hat er die Mehraufwendungen durch lückenlose Belege nachzuweisen (die Gesamtkosten werden wohl nur durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen werden können). 

1.1 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Privatwagen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 646 KB) die Einschränkung der Gewährung der steuerlichen Entfernungspauschale erst ab dem 21. Entfernungskilometer für verfassungswidrig erklärt. Rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 kann daher die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr.4 EStG) unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel wieder entsprechend dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Recht, also in Höhe von 0,30 € vom ersten Entfernungskilometer an, steuerlich geltend gemacht werden. Entsprechendes gilt für Fahrten des Personenunternehmers zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch eine gesetzliche Neuregelung in Aussicht gestellt.

1.2 Unfallkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für Familienheimfahrten

Durch das Steueränderungsgesetz 2007 sollte die Entfernungspauschale sämtliche Kosten abdecken und somit Unfallkosten auf der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten nicht mehr als Werbungskosten abziehbar sein. Durch das Urteil des BVerfG vom 9. Dezember 2008 wurde auch diese Regelung für verfassungswidrig erklärt. Daher gilt bis zu einer Neuregelung zunächst wieder die Rechtslage von vor dem 1. Januar 2007, wonach bei Benutzung eines Pkw zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Werbungskosten neben der Entfernungspauschale auch angefallene Unfallkosten berücksichtigt werden können. Dies gilt für Aufwendungen für die Beseitigung von Unfallschäden bei einem Verkehrsunfall auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, auf einer Fahrt zur Einnahme des Mittagsessens in einer Gaststätte in der Nähe der Einsatzstelle oder auf einer Umwegfahrt zum Betanken des Pkw. Nicht absetzungsfähig sind jedoch solche Reparaturkosten, die durch einen Unfall, der auf einem Umweg aus privaten Gründen stattgefunden hat, anfallen (FG München-Urteil vom 29. November 2002, 13 K 61/02). Unfallkosten können auch dann nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Unfall durch Alkoholgenuss herbeigeführt wurde (BFH-Urteil vom 24. Mai 2007, VI R 73/05).

2. Nutzung von Firmen-Pkws aus Arbeitnehmersicht

Bei der Überlassung eines Firmen-Pkws an einen Arbeitnehmer gehört der Pkw grundsätzlich zum Betriebsvermögen des Unternehmens. Dabei wird im Grundsatz der Geschäftsführer einer GmbH, auch wenn er Gesellschafter-Geschäftsführer ist, als Arbeitnehmer eingestuft (BFH-Urteil vom 23. April 2009, VI R 81/06). Im Einzelfall kann es zu einer abweichenden Einschätzung kommen, da es hierzu noch keine gesicherte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) gibt. 
Privatfahrten eines Arbeitnehmers mit dem Geschäftswagen
Die private Nutzung eines Geschäftswagens stellt eine Sachzuwendung dar, die beim Arbeitnehmer der Lohnsteuer zu unterwerfen ist. Bei der unentgeltlichen Überlassung des Wagens zur privaten Nutzung ist der darin liegende Sachbezug als geldwerter Vorteil bei der Lohnsteuer zu berücksichtigen. Zur Ermittlung des geldwerten Vorteils sind die beiden folgenden Methoden zugelassen, wobei der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber für jedes Kraftfahrzeug pro Kalenderjahr an das einmal gewählte Verfahren gebunden ist:
  • 1 %-Methode
  • Fahrtenbuchmethode.
Grundsätzlich findet die 1 %-Methode Anwendung, wenn nicht der Arbeitnehmer durch ein Fahrtenbuch etwas anderes nachweist. Für die Veranlagung bei der eigenen Einkommensteuer ist der Arbeitnehmer jedoch nicht an das mit seinem Arbeitgeber für die Erhebung der Lohnsteuer vereinbarte Verfahren gebunden (vgl. R 8.1 Abs. 9 Nr. 3 S. 4 LStR). Um sich diese Option offen zu halten, müsste vorsorglich ein Fahrtenbuch geführt werden.

2.1 Pauschale Ermittlung des privaten Nutzungswertes durch 1 %-Methode

2.1.1 Allgemeine Regelungen

Nutzt ein Arbeitnehmer den Dienstwagen auch für private Zwecke, besteht die Möglichkeit, die private Kraftfahrzeugnutzung pauschal durch die 1 %-Methode zu ermitteln. Die bloße Behauptung des Arbeitnehmers, das Kraftfahrzeug werde nicht für Privatfahrten genutzt und Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Kraftfahrzeugen durchgeführt, reicht nicht aus, um von einer Ermittlung des privaten Nutzungsanteils abzusehen (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)). Wird dem Arbeitnehmer ein Firmenwagen überlassen und ihm vom Arbeitgeber ein Nutzungsverbot für Privatfahrten erteilt, kann von einer pauschalen Ermittlung des privaten Nutzungsanteils jedoch abgesehen werden (BFH-Urteil vom 21. April 2010, VI R 46/08), wenn beispielsweise der Arbeitgeber das Nutzungsverbot für Privatfahrten überwacht oder wenn die private Nutzung so gut wie ausgeschlossen ist, z.B. wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach seiner Arbeitszeit und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abstellt und den Schlüssel abgibt (H 8.1 Abs. 9, 10 – Nutzungsverbot - LStR).  
Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs auch zur privaten Nutzung an einen Arbeitnehmer stellt für das Unternehmen des Arbeitgebers eine vollumfängliche betriebliche Nutzung dar. Der private Nutzungswert darf pauschal mit monatlich 1 % des inländischen Bruttolistenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung angesetzt werden. Die Monatswerte sind nicht zu kürzen, auch wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nur zeitanteilig (z.B. einen Tag im Monat) nutzt (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 S. 4 LStR). Sollte eine private Nutzung in einem Kalendermonat jedoch ausgeschlossen sein, ist für diesen vollen Kalendermonat der Monatswert nicht anzusetzen (BMF-Schreiben vom 18. November 2009) (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB). Weitere Aspekte sind mit der pauschalen 1 % -Methode abgedeckt und können nicht gesondert individuell berücksichtigt werden. Der Bruttolistenpreis ist zzgl. der Kosten für Sonderausstattung inkl. der Umsatzsteuer zu ermitteln. Zum Listenpreis und zur Sonderausstattung ist die Umsatzsteuer auch dann hinzuzurechnen, wenn beim tatsächlichen Erwerb keine Umsatzsteuer angefallen ist. Dies gilt insbesondere für Gebrauchtwagen. Der Listenpreis ist auf volle 100,- € abzurunden. Die 1 %-Methode ist auf alle Kraftfahrzeuge anwendbar, die typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003, X R 23/01). Neben Pkw sind z.B. auch Geländewagen (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003, X R 23/01), variable Kleinbusse (FG BBG, EFG 08, 681) oder Wohnmobile (BFH-Urteil vom 06. November 2001, VI R 62/96) erfasst. Kraftfahrzeuge wie z.B. Zugmaschinen oder LKW sind von der Regelung nicht mit umfasst. Sie sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich "andere Kraftfahrzeuge" (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)). Geleaste oder gemietete Pkw fallen jedoch ebenfalls unter die 1 %-Methode (vgl. BMF-Schreiben vom 21. Januar 2002 und BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)) und sind mit dem Bruttolistenpreis anzusetzen.  
Beispielrechnung:
Bruttolistenpreis eines Geschäfts-Pkw, ´
den der Arbeitnehmer auch für Privatfahrten nutzen kann
(ohne Nutzung des Geschäftswagens für Wege
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte):
40.973 €
Listenpreis auf volle € 100 abgerundet:
40.900 €
Geldwerter Vorteil für Privatfahrten 1 % pro Monat:
  409 €
Ermittlung des Bruttolistenpreises: Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung ist die an diesem Stichtag auf volle hundert Euro abgerundete, unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 S. 6 LStR; BFH-Urteil vom 16. Februar 2005, VI R 37/04). Die Kfz-Zulassungsgebühren und die Überführungskosten für das Fahrzeug werden nicht in den Bruttolistenpreis einberechnet. 
Bei Sonderausstattungen gilt es zu differenzieren:
  • Aufpreise für werkseitig eingebaute Sonderausstattungen (z.B. fest installierte, sattelitengestützte Navigationssysteme, Diebstahlsicherungssysteme), die bereits zur Anfangsausstattung des Pkw gehören, sind grundsätzlich dem Listenpreis hinzuzurechnen (BFH-Urteil vom 16. Februar 2005, VI R 37/04). Sie sind mit den Werten anzusetzen, die sich aus der Preisliste des Herstellers ergeben.
  • Wird die Sonderausstattung (z.B. Navigationsgeräte, Diebstahlsicherungssysteme) nachträglich eingebaut, führen die Kosten hierfür ab dem Monat des Einbaus zu einer Erhöhung des Bruttolistenpreises und damit auch zu einem höheren geldwerten Vorteil aus der Firmenwagengestellung.
  • Variable nicht fest eingebaute Ausstattungen, die nicht einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet werden können, sind als eigene Wirtschaftsgüter anzusehen und führen nicht zu einer Erhöhung des Bruttolistenpreises. Hierzu zählen beispielsweise ein weiterer Satz Reifen einschließlich Felgen, ein Autotelefon einschließlich Freisprechanlage oder transportable Navigationssysteme (R 8.1 Abs. 9 Nr.1 S. 6 LStR).
Durch die 1 %-Methode sind alle durch die Kfz-Nutzung anfallenden Aufwendungen abgegolten. Unter Aufwendungen sind diejenigen Kosten zu verstehen, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen bestimmt sind und im Zusammenhang mit seiner Nutzung anfallen.
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 14. September 2005 (VI R 37/03) zur Abgeltungswirkung der 1 %-Bruttolistenpreisregelung für nichtbetriebliche Zwecke entschieden, dass Erstattungen des Arbeitgebers beispielsweise für Straßennutzungsgebühren (wie private und öffentliche Parkgebühren, Mautgebühren oder Straßenvignetten), Aufwendungen für den Transport des Kraftfahrzeugs (z.B. Autoreisezug, Fähren) oder auch Kosten für die ADAC-Plusmitgliedschaft inklusive ADAC-Euro-Schutzbrief für nicht betriebliche Fahrten nicht zu den "Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs" gehören und folglich auch nicht mit dem Anwenden der 1 %-Bruttolistenpreisregelung abgegolten sind.
Erstattet der Arbeitgeber bei Firmenwagengestellung die vorgenannten Aufwendungen ganz allgemein auch anlässlich von Privatfahrten, handelt es sich im vollen Umfang um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Dagegen handelt es sich bei einer beruflich veranlassten Reisetätigkeit des Arbeitnehmers (Dienstreise) um steuerfreien Reisekostenersatz (R 3.16 LStR).  
Beteiligt sich ein Arbeitnehmer durch eine Zuzahlung an den Anschaffungskosten des Arbeitgebers für den Dienstwagen, führt dies nach Auffassung der Finanzverwaltung zu einer Minderung des privaten Nutzungswertes für den Arbeitnehmer (BMF-Schreiben vom 06. Februar 2009 und BMF-Schreiben vom 19. April 2013 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 45 KB)). In Höhe der Zuzahlung können die ermittelten Sachbezüge für den Dienstwagen im Jahr der Zuzahlung und in den Folgejahren mit den ermittelten geldwerten Vorteilen verrechnet werden. Die Anrechnung und Kürzung des geldwerten Vorteils dürfen auf maximal 0 Euro erfolgen. Ist der Zuschuss im Jahr der Zahlung größer als der geldwerte Vorteil der Kfz-Überlassung in dem entsprechenden Jahr, kann der übersteigende Betrag in den Folgejahren angerechnet werden, bis der Zuzahlungsbetrag verbraucht ist. Für den Fall, dass der Arbeitgeber den Zuschuss zurückzahlt, ist in Höhe der zuvor angenommenen Anrechnung beim Nutzungswert von lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn auszugehen. Trägt der Arbeitnehmer laufende Zahlungen an den Arbeitgeber (z.B. monatliche Beträge), kann der Nutzungswert durch Anrechnung und Kürzung maximal auf 0 Euro gesenkt werden.
Die Regelungen für Zuzahlungen durch den Arbeitnehmer gelten auch bei der Fahrtenbuchmethode. 
Beispiel: Der Arbeitgeber überlässt seinem Arbeitnehmer ein betriebliches Kraftfahrzeug (Bruttolistenpreis inkl. Sonderausstattung = 40.000 EUR) auch zur Privatnutzung. Den geldwerten Vorteil daraus berechnet er mit der 1 %-Regelung (40.000 mal 1 % = 400 EUR). In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer für privat gefahrene Kilometer ein Nutzungsentgelt von 0,10 EUR zu zahlen hat. Der Arbeitnehmer fährt monatlich durchschnittlich 300 km privat.
Der geldwerte monatliche Vorteil von 400 EUR reduziert sich um 300 mal 0,10 EUR = 30 EUR. Folglich erhöht sich das monatliche Einkommen durch die Überlassung des Pkw um „nur“ 370 EUR. Dasselbe Ergebnis bestünde bei einer vereinbarten Monatspauschale des Arbeitnehmers für die private Nutzung von 30 EUR.
Beispiel: Der Arbeitnehmer kann das Fahrzeug mittels einer Tankkarte seines Arbeitgebers betanken. In der Nutzungsüberlassungsvereinbarung ist geregelt, dass der Arbeitnehmer ein Entgelt in Höhe der privat veranlassten Treibstoffkosten zu zahlen hat. Der Arbeitnehmer tankt monatlich für 480 EUR (300 km mal 1,60 EUR). Diesen Betrag hat der Arbeitgeber ermittelt und behält ihn vom Gehalt des Folgemonats ein.
Die Übernahme von Treibstoffkosten durch den Arbeitnehmer ist kein an der tatsächlichen Nutzung bemessenes Nutzungsentgelt (vgl. R 8.1 Absatz 9 Nr. 1 S. 5 LStR 2011). Auch wenn dem Arbeitnehmer somit nachträglich 480 EUR abgezogen werden, erhält er einen geldwerten Vorteil i.H. der vollen 400 EUR (s. auch vorheriges Beispiel).

2.1.2 Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Familienheimfahrten

Einzelheiten zur ertragsteuerlichen Erfassung der Nutzung eines Kraftfahrzeugs zu Privatfahrten, zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zu Familienheimfahrten sind im BMF-Schreiben vom 31. August 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 129 KB) ausgeführt.
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Wird das Kraftfahrzeug auch zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, erhöht sich der pauschale Wert des geldwerten Vorteils für jeden Entfernungskilometer um 0,03 % des inländischen Bruttolistenpreises. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung kann der Arbeitnehmer im Gegenzug die Entfernungspauschale von 0,30 € vom ersten Entfernungskilometer an geltend machen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr.4 EStG).
Bemessungsgrundlage für die Entfernungspauschale ist jeder volle Kilometer (angefangene km zählen nicht, also Abrundung auf den nächsten vollen Kilometerbetrag, H 8.1 Abs. 9, 10 - Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - LStR) der kürzesten Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der pauschale Wert des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vervielfacht sich nicht dadurch, dass täglich mehrere Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt werden (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)).
Nutzt der Arbeitnehmer das Fahrzeug lediglich für eine Teilstrecke der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und legt den restlichen Fahrtweg per Bahn zurück, so ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 4. April 2008 (VI R 68/05) der Zuschlag von 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer nur auf die tatsächlich mit dem Dienstwagen zurückgelegte Teilstrecke zu beschränken. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass der Arbeitnehmer eine auf ihn ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte für die per Bahn zurückgelegte Strecke vorlegt, um den Anscheinsbeweis, dass er den Dienstwagen für die Gesamtstrecke nutzt, zu entkräften. 
In einem weiteren Urteil vom 4. April 2008 (VI R 85/04) verwies der Bundesfinanzhof die Klage eines Außendienstmitarbeiters, der einen vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen für nur eine wöchentliche Fahrt zum Betrieb nutzte, an das Finanzgericht zurück, da der Nutzungswert für den Weg zur Arbeit nach den tatsächlichen Verhältnissen zu bemessen ist. Die Vorinstanz wird zu prüfen haben, in wieweit für die Ermittlung des Zuschlags auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen sei und wie dies nachgewiesen werden müsse. Diese Entscheidung erkennt die Finanzverwaltung nicht an und hat einen entsprechenden Nichtanwendungserlass veröffentlicht. Der betroffenen Steuerpflichtige musste daher erneut klagen und hat beim Finanzgericht Niedersachsen Recht bekommen (Az. 14 K 60/09). Die Entscheidung hat das Finanzamt nicht akzeptiert und den Bundesfinanzhof angerufen. Das Verfahren ist dort unter Aktenzeichen (VI R 67/10) geführt.
Beispielrechnung:
Ein Arbeitnehmer nutzt einen Geschäfts-Pkw für Privatfahrten
sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
(20 Entfernungskilometer)
Bruttolistenpreis: 40.973 €
Listenpreis auf volle 100 € abgerundet:
 40.900 €
Monatlicher geldwerter Vorteil für Privatfahrten 1 % des Bruttolistenpreises:
      409 €
Monatlicher geldwerter Vorteil für Arbeitswegfahrten
0,03 % von 40.900 €  = 12,27 € x 20 Entfernungskilometer :
      245,40 €
Monatlicher geldwerter Vorteil für Privatfahrten unter Berücksichtigung
der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte insgesamt:
      654,40 €
Familienheimfahrten
Grundsätzlich erhöhen Familienheimfahrten den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung beim Arbeitnehmer. Sie führen zu einem Zuschlag von 0,002 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer, zugleich ist jedoch ein Werbungskostenabzug möglich. Wird das Kraftfahrzeug vom Arbeitnehmer auch zu Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt, entfällt der Ansatz des geldwerten Vorteils, wenn dem Arbeitnehmer für diese Fahrten mit einem eigenen Fahrzeug ein Abzug als Werbungskosten zustehen würde (§ 8 Abs. 2 S. 5 EStG). Für die wöchentlichen Familienheimfahrten des Arbeitnehmers mit dem Firmenfahrzeug wird somit auf die steuerliche Erfassung eines geldwerten Vorteils verzichtet. Im Gegenzug kann der Arbeitnehmer für diese Fahrten keinen Werbungskostenabzug vornehmen. Eine doppelte Haushaltsführung haben nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG Arbeitnehmer, die beruflich außerhalb des Ortes, an dem sie einen eigenen Hausstand unterhalten, beschäftigt sind und am Beschäftigungsort wohnen.
Hinsichtlich der Besonderheiten bei einer Fahrergestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für Familienheimfahrten siehe 2.3.3
Kostendeckelung
Übersteigt der nach der 1 %-Methode ermittelte pauschale Nutzungswert für Privatfahrten einschließlich des pauschalen Wertes des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte plus des Wertes für Familienheimfahrten die für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen, ist nur der Betrag der tatsächlichen Kosten für den Firmenwagen der Besteuerung als geldwerter Vorteil zugrunde zu legen (sog. Kostendeckelung). Die tatsächlichen Fahrzeugkosten des Arbeitgebers müssen jedoch nachgewiesen werden und setzen sich aus AfA (Absetzung für Abnutzung), Versicherung, Steuern, laufenden Unterhaltskosten für das Kfz etc. (siehe Gliederungspunkt 2.2) zusammen.
Die Kostendeckelung kommt häufig dann zum Tragen, wenn ein älterer Pkw bereits vollständig abgeschrieben ist und insofern die laufenden Gesamtkosten durch den Wegfall der AfA relativ niedrig ausfallen können. 

2.1.3 Anwendung der 1 %-Methode bei Nutzung mehrerer Kraftfahrzeuge und bei Nutzung eines Kraftfahrzeugs durch mehrere Nutzungsberechtigte 

Stehen einem Arbeitnehmer gleichzeitig mehrere Kraftfahrzeuge zur alleinigen Nutzung zur Verfügung, so ist grundsätzlich bei der pauschalen Ermittlung des geldwerten Vorteils für jedes Fahrzeug die 1%-Methode anzusetzen und die jeweiligen geldwerten Vorteile sind zu addieren (H 8.1 Abs. 9, 10 LStR). Von diesem Grundsatz kann jedoch abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer glaubhaft machen kann, dass eine Nutzung der Fahrzeuge durch andere zu seiner Privatsphäre gehörende Personen so gut wie ausgeschlossen ist (H 8.1 Abs. 9, 10 – Überlassung mehrerer Kraftfahrzeuge- LStR). In diesem Fall kann der Listenpreis des überwiegend genutzten Kraftfahrzeug zugrunde gelegt werden (H 8.1 Abs. 9, 10 LStR). 
Wird hingegen ein betriebliches Kraftfahrzeug von mehreren Arbeitnehmern genutzt (sog. Car-Sharing), ist der sich aufgrund der 1 %-Methode ergebende pauschale Nutzungswert für Privatfahrten unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Nutzung durch die einzelnen Arbeitnehmer durch die Anzahl der Nutzungsberechtigten zu teilen (H 8.1 Abs. 9, 10 – Nutzung durch mehrere Arbeitnehmer- LStR; BFH-Urteil vom 15. Mai 2002, VI R 132/00). 
Zur Problematik der gemeinsamen Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs durch den Unternehmer und mehreren Arbeitnehmern siehe 3.1.2

2.2 Einzelnachweis mit Fahrtenbuch

Abweichend von der 1 %-Methode kann der private Nutzungswert erfasst werden, indem die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den dienstlichen Fahrten durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.  

2.2.1 Anforderungen an das Fahrtenbuch

Das Fahrtenbuch muss zeitnah und fortlaufend in einer geordneten und in sich geschlossenen Form geführt werden (BFH-Urteil vom 09. November 2005, VI R 27/05). Nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen müssen ausgeschlossen sein oder zumindest deutlich als solche erkennbar sein (BFH-Urteil vom 09. November 2005, VI R 27/05). Die zu erfassenden Daten müssen vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes wiedergegeben werden (BFH-Urteil vom 09. November 2005, VI R 27/05). Die Führung des Fahrtenbuchs kann dabei nicht auf einen repräsentativen Zeitraum beschränkt werden, selbst wenn die Nutzungsverhältnisse keinen größeren Schwankungen unterliegen (vgl. R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 S. 6 LStR). Auch das Erstellen eines Fahrtenbuchs im Nachhinein anhand einer Terminübersicht oder loser Terminzettel ist nicht ausreichend (BFH-Urteil vom 09. November 2005, VI R 27/05). Gebundene Formularbücher sind im Bürobedarfshandel erhältlich. 
Grundsätzlich sind auch elektronische Fahrtenbücher zulässig, wenn sich daraus dieselben Erkenntnisse wie aus einem manuell geführten Fahrtenbuch gewinnen lassen. Dazu gehört insbesondere, dass nachträgliche Änderungen der eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen oder zumindest in der Datei selbst dokumentiert und offengelegt werden. Das Tabellen-Kalkulationsprogramm Microsoft-Excel erfüllt diese Anforderungen nicht (BFH-Urteil vom 16.11.2005, VI R 64/04). Im Zweifelsfall sollte die Nutzung eines elektronischen Fahrtenbuchs mit dem Finanzamt besprochen werden.  
Die dienstlich und privat zurück gelegten Fahrtstrecken sowie die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die wöchentlichen Familienheimfahrten sind gesondert und laufend im Fahrtenbuch zu vermerken. Dabei unterscheiden sich jedoch die erforderlichen Mindestangaben je nachdem, ob es sich um dienstliche oder private Fahrten handelt. 
Für dienstliche Fahrten sind nach der Richtlinie R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 LStR mindestens die folgenden Angaben in einem Fahrtenbuch erforderlich: 
  • Datum und genauer Kilometerstand zu Beginn und am Ende jeder einzelnen Auswärtstätigkeit sowie der am Ende der Fahrt erreichte KfZ-Gesamtkilometerstand; ein Fahrtenbuch mit auch nur geringfügig auf- oder abgerundeten Kilometerangaben ist nicht ordnungsgemäß (BFH-Beschluss vom 31.Mai 2005 – VI B 65/04). 
  • Reiseziel und Route 
  • Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner; bloße Ortsangaben reichen nur aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Geschäftsunterlagen ermitteln lässt, die nicht ergänzt werden müssen. Mehrere Teilabschnitte einer einheitlichen betrieblichen oder beruflichen Reise können miteinander zu einer zusammengefassten Eintragung verbunden werden, wenn die einzelnen aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden (BFH-Urteil vom 16. März 2006, VI R 87/04). 
  • Der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner ist auch dann genau zu bezeichnen, wenn diese Angabe in bestimmten Einzelfällen dem Datenschutz unterliegt (z.B. Rechtsanwälte, Ärzte). 
Für private Fahrten genügen jeweils Kilometerangaben.  
Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genügt ein kurzer entsprechender Vermerk im Fahrtenbuch mit Kilometerangaben. 
Bei der Fahrtenbuchmethode beinhalten die Aufwendungen sämtliche mit dem Betrieb des Pkw zusammenhängenden (fixen und variablen) Kosten.
Zu den Aufwendungen (Gesamtkosten) gehören insbesondere: 
  • Betriebskosten, z.B. Kraftstoffkosten oder Wagenwäsche
  • Wartungs- und Reparaturkosten
  • Garagenkosten
  • Kfz-Steuer
  • Beiträge zur Halterhaftpflicht- und Fahrzeugversicherungen
  • Abschreibungen (AfA) (ohne Sonder-Abschreibung für Abnutzung)
  • Zinsen für Anschaffungskredite
  • Unfallkosten
  • Leasingraten
Entgegen der in der amtlichen AfA-Tabelle für ertragssteuerliche Zwecke des Unternehmers aufgeführten Abschreibungszeit von sechs Jahren für Pkw ist bei der lohnsteuerrechtlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Pkw für Arbeitnehmer von einer Abschreibungszeit von acht Jahren auszugehen (H 8.1 Abs. 9, 10 – Gesamtkosten- LStR; BFH-Urteil vom 29. März 2005, IX B 174/03). Die Absetzung für Abnutzung (AfA) beträgt somit 12,5 % der Anschaffungskosten. Bei Pkw, die im Zeitpunkt der Anschaffung nicht neu gewesen sind, ist die entsprechende Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung von Alter und Beschaffenheit zu schätzen. Die Abschreibungszeit kann für dasselbe Kraftfahrzeug für den Arbeitnehmer im Rahmen der Fahrtenbuchmethode für die Berechnung des geldwerten Vorteils und für das Unternehmen für die Berechnung der Betriebsausgaben für einen Dienstwagen unterschiedlich lang sein (BFH-Urteil vom 29. März 2005, IX B 174/03).
Beispielrechnung:
Gesamtlaufleistung des Firmen-Pkw:
 24.000 km
Privatfahrten mit Pkw:
(inkl. Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte)
  3.600 km
Gesamtaufwendungen für Firmen-Pkw pro Jahr:
  6.000 €
Gesamtkosten pro Kilometer
(6.000 €/24.000 km):
         0,25 €
Kosten für Privatfahrten und Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
(0,25 € x 3.600 km):

     900 €
 Lohnsteuerlich müssen dem Einkommen des Arbeitnehmers
als geldwerter Vorteil pro Jahr hinzugerechnet werden:
     900 €
Dieser hinzuzurechnende Betrag wird in der Regel mit monatlichen Abschlägen lohnsteuerlich berücksichtigt. Zum Jahresende ist eine Gesamtabrechnung vorzunehmen. 

2.2.2 Rechtsfolgen bei nicht ordnungsgemäß geführtem Fahrtenbuch

Wird das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten nicht durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachgewiesen (§ 8 Abs. 2 S. 2 - 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG), so ist der zu versteuernde geldwerte Vorteil zwingend nach der 1 %-Methode zu berechnen (BFH-Urteil vom 15. März 2007, VI R 94/04). Eine abweichende Schätzung des Privatanteils anhand anderer Aufzeichnungen kommt nicht in Betracht (H 8.1 Abs. 9, 10 - Schätzung des Privatanteils - LStR; BFH-Urteil vom 16.11.2005, VI R 64/04).
Allerdings müssen kleinere Mängel bei den Einzelaufzeichnungen, sofern die Angaben insgesamt plausibel sind, noch nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und damit zur Anwendung der 1 %-Methode führen (BFH-Urteil vom 10. April 2008, VI R 38/06).

2.3 Sonderfragen

2.3.1 Nachträglicher Wechsel der Methode zur Ermittlung des privaten Nutzungswertes

Es ist zulässig, die Privatnutzung des Firmenwagens mit dem Arbeitgeber zunächst nach der 1 %-Methode abzurechnen und am Jahresende bei der persönlichen Einkommensteuererklärung die tatsächlichen Aufwendungen anhand eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs sowie von Einzelbelegen für die Kfz-Kosten beim Arbeitgeber bei der Besteuerung anzusetzen. Die endgültige Methodenwahl kann bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt oder geändert werden, muss aber vom Steuerpflichtigen für das Wirtschaftsjahr bei demselben Pkw einheitlich getroffen werden (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)). Das Wahlrecht kann für jedes von mehreren gleichzeitig genutzten Pkws verschieden ausgeübt werden. Im Fall des Kraftfahrzeugwechsels ist auch während eines Wirtschaftsjahres der Übergang zu einer anderen Ermittlungsmethode zulässig. 

2.3.2 Sonderregelung bei Vorliegen anerkannter Behinderungen

Behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung amtlich festgestellt mindestens 70 % beträgt oder deren Grad der Behinderung weniger als 70 %, aber mindestens 50 % beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können die tatsächlichen Kosten für die Benutzung des eigenen Wagens oder des Geschäftswagens für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie für Familienheimfahrten in vollem Umfang als Werbungskosten oder aber 0,30 € je gefahrenem Kilometer bei ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung geltend machen (§ 9 Abs. 2 S. 3, 4 EStG). 

2.3.3 Fahrergestellung

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Kraftfahrzeug mit Fahrer zur Verfügung, so erhöht sich der für diese Fahrten ermittelte Nutzungswert des Kraftfahrzeugs um 50 % (R 8.1 Abs. 10 LStR). Entsprechendes gilt auch bei Fahrergestellung für Familienheimfahrten (H 8.1 Abs. 9, 10 - Fahrergestellung bei Familienheimfahrten - LStR). 
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für andere Privatfahrten ein Kraftfahrzeug mit Fahrer zur Verfügung, so ist der entsprechende Nutzungswert des Kraftfahrzeugs wie folgt zu erhöhen:
  • um 50 %, wenn der Fahrer überwiegend in Anspruch genommen wird,
  • um 40 %, wenn der Arbeitnehmer das Kraftfahrzeug häufig selbst steuert,
  • um 25 %, wenn der Arbeitnehmer das Kraftfahrzeug weit überwiegend selbst steuert.
 Beispielrechnung:
Ein Arbeitnehmer nutzt einen Firmen-Pkw auch für Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
(einfache Entfernung 20 km).
Bruttolistenpreis auf volle 100 € abgerundet: 20.000 €
Monatlicher geldwerter Vorteil nach § 8 Absatz 2 Satz 3 EStG
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte):
(20.000 € x 0,03 % x 20 km) =
           
       120 €
Dem Arbeitnehmer wird zusätzlich ein Fahrer
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte überlassen.
Monatlich geldwerter Vorteil der Fahrergestellung:
50 % von 120 €=
  

        60 €
Lohnsteuerlich zu erfassender
geldwerter Vorteil insgesamt:
      180 €

2.3.4 Pauschalbesteuerung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber 

Siehe hierzu die Ausführungen unter Gliederungspunkt 4.1

3. Nutzung des Geschäftswagens durch den Personenunternehmer

Die Nutzungsentnahme eines Unternehmers durch die private Nutzung des Geschäftswagens darf den Gewinn des Unternehmens nicht mindern. Der nach der 1 %- oder Fahrtenbuchmethode ermittelte Vorteil muss somit dem Unternehmensgewinn wieder hinzugerechnet werden. 

3.1 Pauschale Ermittlung des privaten Nutzungswertes durch 1 %-Methode

3.1.1 Allgemeine Regeln

Mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 202 KB) wurde die pauschale Ermittlungsmethode für die private Kraftfahrzeugnutzung (1 %-Regelung) durch Unternehmer rückwirkend zum 1. Januar 2006 (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) geändert. Die Anwendung der 1 %-Methode für Personenunternehmer wurde auf Fahrzeuge des notwendigen Betriebsvermögens beschränkt. Ein Kraftfahrzeug gehört dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn es gemessen an der Gesamtfahrleistung eines Jahres, zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird. Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen der anerkannten doppelten Haushaltsführung sind dabei der betrieblichen Nutzung hinzuzurechnen (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)). Nutzt der Unternehmer den zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw für Privatfahrten, hat er für die Berechnung des privaten Nutzungswertes die Wahl zwischen der Fahrtenbuchmethode oder der 1 %-Methode, wenn das Kraftfahrzeug zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird (siehe Beispiel unter Gliederungspunkt 2.1.1). Liegt die betriebliche Nutzung des Geschäftswagens unter 50 %, steht dem Personenunternehmer zur Berechnung des privaten Nutzungsanteils nur die Fahrtenbuchmethode zu.
Hinsichtlich der Berechnung des geldwerten Vorteils im Rahmen der 1 %-Methode wird auf die Ausführungen zum Gliederungspunkt 2.1 verwiesen.
Für Fahrten des Unternehmers zwischen Wohnung und Betriebsstätte ist wie beim Arbeitnehmer auf Grund der Regelung in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG zusätzlich zur 1 %-Methode für jeden Kalendermonat 0,03 % des inländischen Listenpreises für jeden Entfernungskilometer hinzuzurechnen.
Nutzt der Unternehmer das Kraftfahrzeug auch für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, ist zusätzlich für jeden Entfernungskilometer (wie beim Arbeitnehmer, siehe hierzu Gliederungspunkt 2.1.2) zwischen dem Beschäftigungsort und dem Ort des eigenen Hausstandes ein Betrag in Höhe von 0,002 % des inländischen Listenpreises hinzuzurechnen, für die der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 2 S. 7 EStG ausgeschlossen ist (R 8.1. Abs. 9 Nr. 1 S. 3 LStR). 
Nachweis betrieblicher Nutzung
Das BMF-Schreiben vom 7. Juli 2006 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 44 KB) zur Begrenzung der Anwendung der 1 %-Regelung nimmt insbesondere zu der Frage des Nachweises der betrieblichen Nutzung Stellung. Danach kann der Nachweis der betrieblichen Nutzung in jeder geeigneten Form erfolgen. Es können z.B. Eintragungen in Terminkalendern oder Reisekostenaufstellungen sowie andere Abrechnungsunterlagen zur Glaubhaftmachung herangezogen werden. Sind entsprechende Unterlagen nicht vorhanden, kann die überwiegende betriebliche Nutzung durch formlose Aufzeichnungen über einen repräsentativen zusammenhängenden Zeitraum (i.d.R. 3 Monate) glaubhaft gemacht werden. Dabei ist es ausreichend, wenn die betrieblich veranlassten Fahrten mit dem jeweiligen Anlass und der zurückgelegten Strecke sowie die Kilometerstände zu Beginn und am Ende der betrieblichen Fahrt oder des betrieblichen Abrechnungszeitraums aufgezeichnet werden. Auf einen Nachweis der betrieblichen Nutzung kann verzichtet werden, wenn sich bereits aus Art und Umfang der Tätigkeit der Steuerpflichtigen ergibt, dass das Kfz zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird. Als Beispiele sind genannt Taxiunternehmer, Handelsvertreter, Handwerker der Bau- und Baunebengewerbe, Landtierärzte. Hat der Steuerpflichtige den betrieblichen Nutzungsumfang des Kraftfahrzeugs einmal dargelegt, so ist, wenn sich keine wesentlichen Veränderungen in Art oder Umfang der Tätigkeit oder bei den Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte ergeben, grundsätzlich auch für die folgenden Veranlagungszeiträume von diesem Nutzungsumfang auszugehen. Bei Fahrzeugwechsel ist dieser Nachweis erneut zu erbringen. Hält ein Steuerpflichtiger mehrere Kraftfahrzeuge im Betriebsvermögen, die auch privat genutzt werden, gilt die Vermutung der überwiegenden betrieblichen Nutzung nur für das Kraftfahrzeug mit der höchsten Jahreskilometerleistung. Für jedes weitere Fahrzeug ist die betriebliche Nutzung nachzuweisen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ff. EStG).
Den Steuerpflichtigen trifft die objektive Beweislast, dass ein betriebliches Kraftfahrzeug ausschließlich betrieblich genutzt wird. Die bloße Behauptung, das Kraftfahrzeug werde nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Kraftfahrzeugen durchgeführt, reicht nicht aus (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)). 
Beispielrechnung:
Der Unternehmer nutzt einen betrieblichen Pkw auch
zu Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte
Bruttolistenpreis: 40.900 €
 
 
Zzgl. 1 % von 40.900 €
           409,00 €
Nicht als Betriebsausgabe abziehbarer Teil der Fahrtkosten:
0,03 % von 40.900 €  pro Kalendermonat je Entfernungskilometer =

12,27 €
Bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte von 20 km
beträgt die Hinzurechnung
je Kalendermonat 12,27 € x 20 km =
 
           245,40 €
Abzüglich Kilometerpauschale bei nachweislich 15 Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Monat
(dieser Wert ist erst bei der persönlichen Einkommensteuer
des Unternehmers zu berücksichtigen)
[(0,30 € x 20 km) x 15 Tage] =

           - 90 €
Es ergibt sich somit eine monatliche Hinzurechnung
zu den Einkünften in Höhe von
           564,40 €
Es gilt auch hier, dass die Höhe des pauschalen Nutzungswertes durch die Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen begrenzt werden kann (sog. Kostendeckelung; siehe oben 2.1.2).
Beispiel mit Rechnung: Einem Unternehmen mit einem Geschäftswagen zu einem auf volle 100 € abgerundeten Bruttolistenpreis von 30.000 € entstehen Kfz-Kosten einschließlich AfA in Höhe von jährlich 10.000 €. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch wird nicht geführt. Folgende Nutzung ergibt sich, wenn der Pkw zum notwendigen Betriebsvermögen (betrieblich Nutzung über 50 %) gehört:
Gesamtfahrleistung:
25.000 km
davon Fahrten Wohnung-Betriebsstätte:
10.000 km
(200 Tage à 50 gefahrene km,
25 Entfernungskilometer)
davon weitere betriebliche Fahrten:
5.000 km
damit verbleiben private Fahrten:
10.000 km
Der betriebliche Nutzungsanteil beträgt 60 % und der Unternehmer kann somit die 1 %-Methode anwenden.
Jährliche Kfz-Kosten
10.000 €
Nutzungsentnahme – Privatnutzung:
12 Monate x 1% x 30.000 €
3.600 €
Fahrten Wohnung-Betriebsstätte:
12 Monate x 0,03 % von 30.000 € x 25 km:



+ 2.700 €
Private Pkw-Nutzung erhöht den jährlichen Unternehmensgewinn
durch nicht abzugsfähige Betriebsausgaben im Ergebnis um:

6.300,00 €
Abzüglich Entfernungspauschale des Personenunternehmers
für Wege zwischen Wohnung und Betriebstätte (200 Tage x 25 km x 0,30 €):

    - 1.500 €
Der Unternehmer kann Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte geltend machen (Tage x Entfernungskilometer x 0,30 €). Siehe obiges Beispiel

3.1.2 Anwendung der 1 %-Methode bei Nutzung mehrerer Kraftfahrzeuge und bei Nutzung eines Kraftfahrzeugs durch mehrere Nutzungsberechtigte

Gehören gleichzeitig mehrere Kraftfahrzeuge zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens, so ist der pauschale Nutzungswert grundsätzlich für jedes Kraftfahrzeug anzusetzen, das vom Unternehmer oder von zu seiner Privatsphäre gehörenden Personen für Privatfahrten genutzt wird. Sofern der Unternehmer jedoch glaubhaft macht, dass bestimmte betriebliche Kraftfahrzeuge nicht privat genutzt werden, so sind für diese keine pauschalen Nutzungswerte zu ermitteln (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB)).
Wird ein Fahrzeug gemeinsam von dem Unternehmer und mehreren Arbeitnehmern genutzt, so ist bei pauschaler Nutzungswertermittlung nach der 1 %-Methode der Nutzungswert für Privatfahrten entsprechend der Zahl der Nutzungsberechtigten aufzuteilen. Dabei gilt die widerlegbare Vermutung, dass für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten das Kraftfahrzeug mit dem höchsten Listenpreis genutzt wird (BMF-Schreiben vom 18. November 2009).
Befinden sich mehrere Kraftfahrzeuge im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft mit mehreren Gesellschaftern, so ist ein pauschaler Nutzungswert für den Gesellschafter anzusetzen, dem die Nutzung des Kraftfahrzeugs zuzurechnen ist.

3.2 Einzelnachweis des privaten Nutzungswertes durch ein Fahrtenbuch

Liegt die betriebliche Nutzung des betriebseigenen Pkw durch den Unternehmer unter 50 %, so muss er die private Nutzung durch entsprechende Belege und ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen. Die Höhe des geldwerten Vorteils bestimmt sich dann nach den tatsächlich anfallenden Aufwendungen für das Fahrzeug und den Anteil der privaten Fahrten zzgl. der Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte.
Bezüglich der Anforderungen an das Fahrtenbuch wird auf die entsprechenden Ausführungen beim Arbeitnehmer unter 2.2 verwiesen.
Wird das Fahrtenbuch aufgrund nicht ordnungsgemäßer Führung von der Finanzverwaltung nicht anerkannt, erfolgt im Falle einer betrieblichen Nutzung unter 50 % eine Schätzung durch die Finanzverwaltung (die 1 %-Methode darf hier nicht angewandt werden, da die betriebliche Nutzung unter 50 % liegt). Umgekehrt ist für die Ermittlung des privaten Nutzungswertes die 1 %-Methode heranzuziehen, wenn die betriebliche Nutzung mehr als 50 % beträgt. Für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bzw. für Familienheimfahrten ist die Ermittlung der nicht abziehbaren Betriebsausgaben in diesem Fall durch Berechnung des positiven Unterschiedsbetrages zwischen 0,03 % (bzw. 0,002 %) des inländischen Listenpreises und der Kilometerpauschale vorzunehmen.
Beispiel mit Rechnung: Einem Unternehmer mit einem Geschäftswagen zu einem Bruttolistenpreis von 30.000 € entstehen Kfz-Kosten einschließlich AfA in Höhe von 15.000 € im Kalenderjahr. Folgende Nutzung ergibt sich, wenn der Pkw zum gewillkürten Betriebsvermögen (betriebliche Nutzung zwischen 10 % und 50 %) gehört:
Gesamtfahrleistung
20.000 km
Fahrten Wohnung-Betriebsstätte
5.000 km
(250 Tage à 20 gefahrene km,
10 Entfernungskilometer)
davon weitere betriebliche Fahrten
2.500 km
betriebliche Fahrten insgesamt: 
7.500 km
Privatfahrten:
12.500 km
betriebliche Fahrten im Verhältnis
zu gesamten Fahrten:

37,5 %
Privatfahrten im Verhältnis
zu gesamten Fahrten:

62,5 %
Da der Pkw nur zu 37,5 % betrieblich genutzt wird, darf der Unternehmer nicht die 1 %-Methode anwenden, sondern muss der Wert der Nutzungsentnahme über ein Fahrtenbuch feststellen.
Nutzungsentnahme – Privatfahrten:
62,5 % von 15.000 €

9.375 €
Fahrten Wohnung-Betriebsstätte:
5.000 km (25 % der Gesamtnutzung des Pkw.
Dieser Wert darf den Gewinn nicht mindern.)
Gesamtkosten:
15.000 € x 5.000 €/20.000 (km):


3.750 €
Werbungskostenabzug des Unternehmers:
(250 Tage x 10 km x 0,30 €)
 
      - 750 €
Gewinnerhöhung im Ergebnis:
12.375 €
Nicht abziehbare Betriebsausgaben:
              3.000 €

3.3 Sonderfragen

3.3.1 Nachträglicher Wechsel der Methode der Ermittlung des privaten Nutzungswertes

Der Unternehmer kann bis zur Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides die Methode für die Ermittlung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung des Pkw wechseln.

3.3.2 Sonderregelung bei Vorliegen anerkannter Behinderungen

Zu den hier geltenden Sonderregelungen wird auf die entsprechenden Ausführungen beim Arbeitnehmer zu 2.3.2 verwiesen.

3.3.3 Nutzung des Pkw für weitere Tätigkeiten

Nutzt der Unternehmer den Pkw auch für andere Einkunftsarten (z.B. freiberufliche Tätigkeit), ist dieser Nutzungsanteil mit dem nach der 1 %-Methode ermittelten Betrag nicht abgegolten. Vielmehr stellt diese andere, betriebsfremde Nutzung einen zu hohen Betriebsausgabenabzug dar, der dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden muss. Die Finanzverwaltung beanstandet nicht, wenn diese Entnahme mit 0,001 % des inländischen Listenpreises des Kraftfahrzeugs je gefahrenem Kilometer bewertet wird. Dieser Entnahmewert stellt wiederum die abziehbaren Betriebsausgaben im Rahmen der anderen, betriebsfremden Tätigkeit dar. Dies gilt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 (BMF-Schreiben vom 18. November 2009 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 72 KB); BFH-Urteil vom 26. April 2006, X R 35/05). 

4. Behandlung von Firmen-Pkws im Unternehmen

Es bestehen verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung eines Geschäftswagens im Unternehmen zum Betriebsvermögen und der sich daraus ergebenen ertrags- und umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Diese richten sich grundsätzlich danach, durch wen (Arbeitnehmer oder Personenunternehmer) der Dienst- oder Geschäftswagen genutzt wird und in welchem Maße die Nutzung zu betrieblichen oder privaten Zwecken erfolgt. 

4.1 Ertragssteuerliche Behandlung von Firmen-Pkws im Unternehmen

Werden Dienstwagen von einem Arbeitnehmer oder einem angestellten Geschäftsführer einer GmbH genutzt, sind sie jeweils zu 100 % dem Betriebsvermögen zuzuordnen.
Ausschlaggebend für die Behandlung eines Pkw als Firmen-Pkw bei der Nutzung durch den Personenunternehmer (= Inhaber einer Personengesellschaft) ist, dass der Pkw zum Betriebsvermögen gehört. Dies ist der Fall, wenn der Pkw vom Unternehmer zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird.
Insgesamt werden anknüpfend an den Umfang der Nutzung drei Kategorien unterschieden:
  • Notwendiges Betriebsvermögen: Pkw wird zu mehr als 50 % betrieblich genutzt
  • Gewillkürtes Betriebsvermögen
    (mit Wahlrecht des Unternehmers, ob er Pkw in Betrieb einlegt oder nicht) liegt vor, wenn
    Pkw wird zu mehr ab 10 % und bis zu 50 % betrieblich genutzt wird.
  • Notwendiges Privatvermögen: Pkw wird zu weniger als 10 % betrieblich genutzt.
Hinweis: Auch Selbstständige und Gewerbetreibende, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) ermitteln, haben die Möglichkeit, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden.
Die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen muss unmissverständlich dokumentiert werden. Als Nachweis ist erforderlich, dass die Aufnahme des Gegenstandes in das Betriebsvermögen zeitnah in einem laufend zu führenden Bestandsverzeichnis festgehalten oder vergleichbar aufgezeichnet wird. Die Aufzeichnung hat dabei in einer Form zu erfolgen, die Zweifel in Bezug auf die Zuordnung des Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen sowie deren Zeitpunkt ausschließt. Alternativ kann auch eine zeitnahe Erklärung schriftlich gegenüber dem zuständigen Finanzamt abgegeben werden. Werden hingegen mit der EÜR keine Unterlagen beim Finanzamt eingereicht, aus denen sich der Nachweis sowie der Zeitpunkt der Zuführung zum Betriebsvermögen ergibt, so wird das Wirtschaftsgut erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der EÜR beim Finanzamt als Betriebsvermögen anerkannt (BMF-Schreiben vom 17. November 2004). 

4.2 Anschaffungskosten eines Geschäftswagens

Die Anschaffungskosten eines Geschäftswagens umfassen alle Aufwendungen, die bei der Anschaffung getätigt werden, inklusive Nebenkosten. Zu den Anschaffungskosten gehören somit auch die Aufwendungen für alle Ausstattungs- und Ausrüstungsteile, die nur zusammen mit dem Pkw genutzt werden können. Diese Anschaffungskosten müssen aktiviert werden. In Höhe der Abschreibung für Abnutzung (AfA) wird der zu versteuernde Gewinn (bzw. den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben) im Laufe der Nutzungszeit anteilig gemindert. Die Abschreibungsdauer nach der aktuell geltenden AfA-Tabelle beträgt für Anschaffungen von Pkw und Kombiwagen sechs Jahre. Bei einem Fahrzeug mit einer überdurchschnittlich hohen Fahrleistung kann auch eine kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden, wobei diese hohe Fahrleistung entsprechend nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen ist. Bei Gebrauchtwagen ist die Abschreibung nach der jeweiligen Restnutzungsdauer zu schätzen. Dabei sind Alter, Beschaffenheit und Einsatz des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Eine rein rechnerische Kürzung der 8-Jahresfrist um die bisherige Nutzungsdauer ist nicht zulässig.

4.3 Verkauf eines Geschäftswagens

Wird ein dem Unternehmen zugeordnetes Fahrzeug veräußert, so führt dies zu Betriebseinnahmen, die den Gewinn des Unternehmens erhöhen und damit der Besteuerung unterliegen. 

4.4 Pauschalbesteuerung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber

Durch die Entscheidung der Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2008 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 646 KB) kann der Arbeitgeber für die nach dem 31. Dezember 2007 beginnenden Lohnzahlungszeiträume die Lohnsteuer nun wieder ab dem ersten Entfernungskilometer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % für Fahrtkostenzuschüsse und geldwerte Vorteile aus Sachleistungen für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte für seine Arbeitnehmer abgelten (§ 40 Abs. 2 S. 2 EStG). Es ist hierbei unerheblich, ob der private Nutzungswert mit der 1 %-Methode oder mithilfe eines Fahrtenbuches berechnet wurde. Obergrenze ist der Betrag, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 S.3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden. Wenn der Betrag, bis zu dem eine Pauschalversteuerung möglich ist, den nach § 8 Abs. 2 Satz 3, 4 EStG durch die 1 %-Methode oder nach Fahrtenbuch ermittelten geldwerten Vorteil übersteigt, kann dieser geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen Überlassung des Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in vollem Umfang pauschal versteuert werden.
Übersteigen die Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die anzusetzende Entfernungspauschale, so ist eine steuerliche Geltendmachung dieser übersteigenden Aufwendungen rückwirkend ab 2007 wieder möglich (Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale BGBl. I 2009 S. 774, BStBl. I 2009 S. 536).
Beipielrechnung:
Ein Arbeitnehmer nutzt einen Firmenwagen auch zu
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (einfache Entfernung 10 km)
Bruttolistenpreis: 12.700 €
Monatlicher geldwerter Vorteil nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG:
(12.700 € x 0,03 % x 10 km) =
      
       38,10 €
Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S.3 Nr. 4 EStG und damit
zu pauschalierender geldwerter Vorteil nach § 40 Abs. 2 S. 2 EStG
bei nachweislich 15 Fahrten im Monat:
(0,30 € x 10 km x 15 Fahrten) =

       45,00 €
Differenzbetrag
         6,90 €
In diesem Beispielsfall ist eine pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils für den gesamten Betrag des nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG anzusetzenden geldwerten Vorteils nur in Höhe von 38,10 € möglich. Die pauschal besteuerten Bezüge mindern jedoch die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG beim Arbeitnehmer abziehbaren Werbungskosten. Nur der Differenzbetrag von 6,90 € pro Monat kann in diesem Beispiel vom Arbeitnehmer als Werbungskosten geltend gemacht werden. Ist dagegen (z.B. bei teureren Bruttolistenpreisen) der geldwerte Vorteil aus der Pkw-Gestellung (nach § 8 Abs. 2 S.2 EStG) höher als der zu pauschalierende geldwerte Vorteil gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 EStG, so ist der Differenzbetrag dem normalen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen. Wenn der Arbeitgeber pauschal lohnversteuert, dann steht dem Arbeitnehmer kein Werbungskostenabzug zu.

4.5 Umsatzsteuerliche Behandlung von Firmen-Pkws 

4.5.1 Vorsteuerabzug für ein dem Unternehmen zugeordnetes Fahrzeug

Der Unternehmer kann ein in Deutschland gekauftes, ein aus dem Drittland eingeführtes oder innerhalb der europäischen Union erworbenes Fahrzeug gemäß der ursprünglichen Nutzungsabsicht dem Unternehmen zuordnen und dann die auf die Anschaffungskosten eines Fahrzeugs entfallenden Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als Vorsteuer geltend machen. Dabei gilt für die Anschaffung von Kraftfahrzeugen nach dem 1. Januar 2004 der volle Vorsteuerabzug für die Anschaffungskosten und die laufenden Kosten. Im Gegenzug wird die private Nutzung des Pkw der Umsatzsteuer unterworfen (bei Nutzung des Pkw durch den Arbeitnehmer in der Regel als tauschähnlicher Umsatz, bei Nutzung durch den Unternehmer als unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG).
Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG ist, dass das Fahrzeug dem Unternehmen zugeordnet ist. Eine Zuordnung zum Unternehmen ist dann möglich, wenn das Fahrzeug zu mindestens 10 % für das Unternehmen genutzt wird (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG). Die Vorsteuer kann folglich auch bei Fahrzeugen geltend gemacht werden, die sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische (private) Zwecke genutzt werden (sog. gemischt-genutzte Fahrzeuge). In Zweifelsfällen muss der Unternehmer dem Finanzamt die mindestens 10 %ige unternehmerische Nutzung glaubhaft machen. Dies kann z.B. durch Aufzeichnung der Jahreskilometer des betreffenden Fahrzeugs und der unternehmerischen Fahrten (mit Fahrziel und gefahrenen Kilometern/ Fahrtenbuch) erfolgen (vgl. BMF-Schreiben vom 27. August 2004 sowie vom 30. März 2004).
Ist ein Fahrzeug dem Unternehmen nicht zuordnen, weil es zu weniger als 10 % für das Unternehmen genutzt wird, steht dem Unternehmen aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten kein Vorsteuerabzug zu. Diese Zuordnungsbeschränkung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG gilt nicht für Leistungen und laufende Kosten im Rahmen der unternehmerischer Nutzung des Pkw, die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Ein Vorsteuerabzug beispielsweise für Benzin- und Wartungskosten im Verhältnis der unternehmerischen zur nichtunternehmerischen Nutzung bleibt damit möglich. 
Sonderregelung bei Leasing oder Miete von Fahrzeuge
Der Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Miete / Leasingraten sowie für die laufenden Unterhaltskosten ist für das Unternehmen grundsätzlich möglich. Die nichtunternehmerische Nutzung ist jedoch der Umsatzsteuer zu unterwerfen (BMF-Schreiben vom 27. August 2004). 

4.5.2 Umsatzsteuerliche Behandlung der Überlassung von Firmen-Pkws an Arbeitnehmer

Überlässt das Unternehmen einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen, den dieser auch zu privaten Zwecken nutzt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich um eine entgeltliche Überlassung des Fahrzeugs an den Arbeitnehmer handelt, die der Umsatzsteuer unterliegt. 
Besteuerung bei Entgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung
Von einer entgeltlichen Fahrzeugüberlassung ist stets dann auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer das Fahrzeug für eine gewisse Dauer und nicht nur gelegentlich zur privaten Nutzung überlassen wird. Die Gegenleistung des Arbeitnehmers ist in dessen anteiliger Arbeitsleistung für die private Nutzungsmöglichkeit des gestellten Fahrzeugs zu sehen.
Das BMF-Schreiben vom 27. August 2004 trifft hierzu folgende Regelung:
Bei einer entgeltlichen Fahrzeugüberlassung zu Privatzwecken des Personals liegt ein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 S. 2 UStG) vor. Die Bemessungsgrundlage ist hierfür nach § 10 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 UStG der Wert der nicht durch den Barlohn abgegoltenen Arbeitsleistung. Es bestehen keine Bedenken, den Wert anhand der Gesamtkosten des Arbeitgebers für die Überlassung des Fahrzeugs zu schätzen. Aus den Gesamtkosten dürfen daher jedoch keine Kosten ausgeschieden werden, bei denen ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist. Sie sind sonstige Leistungen im Sinne des Art. 25 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Der so ermittelte Wert (1 %-Methode/ Fahrtenbuch) ist die Bemessungsgrundlage für die geschuldete Umsatzsteuer aus der Fahrzeugüberlassung.
Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage anhand der 1 %-Methode
Es ist zunächst der sich aufgrund der lohnsteuerrechtlichen Vorgaben ergebende geldwerte Vorteil der privaten Nutzung zu ermitteln. Hinsichtlich dessen Berechnung wird insoweit auf die entsprechenden Ausführungen zum Gliederungspunkt 2.1 verwiesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf die Familienheimfahrten entfallenden Kosten auch dann der Umsatzsteuer unterliegen, wenn ein lohnsteuerlicher Wert nach § 8 Abs. 2 S. 5 EStG nicht anzusetzen ist (Einzelheiten hierzu unter Gliederungspunkt 2.1.2 Familienheimfahrten). Anschließend ist aus dem ermittelten Wert des geldwerten Vorteils die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 % herauszurechnen. Eine pauschale Herausrechnung der nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten ist nicht zulässig.
Beispiel mit Rechnung: Ein Arbeitnehmer nutzt einen Firmenwagen mit einem Bruttolistenpreis einschließlich Umsatzsteuer von 30.000 € im gesamten Kalenderjahr 2010 zu Privatfahrten für die Strecke von 10 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zu 20 Familienheimfahrten pro Jahr zum 150 km entfernten Wohnsitz der Familie.
Geldwerter Vorteil für die pauschal ermittelte Privatnutzung
1 % von 30.000 €  x 12 Monate
         3.600 €
+ für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
    0,03 % von 30.000 € x 10 km x 12 Monate
         1.080 €
+ für Familienheimfahrten
 0,002 % von 30.000 € x 150 km x 20 Fahrten =
        1.800 €
Lohnsteuerlicher geldwerter Vorteil insgesamt =
         6.480 €
In dem Bruttowert 6.480 € sind 19 % Umsatzsteuer enthalten,
die das Unternehmen bei der Umsatzsteuererklärung deklarieren muss. 

          1.034,62 €
Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage anhand eines Fahrtenbuchs
Wird der private Nutzungswert mit Hilfe eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nachgewiesen, sind die auf die Privatfahrten entfallenden Gesamtkosten auch bei der Umsatzsteuer zu Grunde zu legen. Dabei sind Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie die Familienheimfahrten aus Anlass einer doppelten Haushaltsführung umsatzsteuerlich den Privatfahrten des Arbeitnehmers zuzurechnen. Aus dem ermittelten Wert des geldwerten Vorteils ist die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 % herauszurechnen. Eine pauschale Herausrechnung der nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten ist nicht zulässig.
Hinsichtlich der Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch wird auf die entsprechenden Ausführungen und Beispiele zum Gliederungspunkt 2.2 verwiesen.
Beispiel mit Rechnung: Ein Firmenwagen mit einer Jahresfahrleistung von 20.000 km wird von einem Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß geführtem Fahrtenbuch an 200 Tagen jährlich für Fahrten zu 10 km für die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt. Die gesamten Kraftfahrzeugkosten betragen 9.203,25 €.
Von den Privatfahrten des Arbeitnehmers entfallen 4.000 km auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (200 Tage x 20 km) und 3.400 km auf sonstige private Fahrten. Dies entspricht einer Privatnutzung von insgesamt 37 % (7.400 km von 20.000 km). Für die umsatzsteuerlich zu berücksichtigende Bemessungsgrundlage ist von einem Anteil von 37 % der Gesamtkosten von 9.203,25 € = 3.405,20 € auszugehen. Die Umsatzsteuer, die vom Arbeitgeber geschuldet wird, beträgt somit 19% aus 3.405,20 € = 543,69 €. 
Umsatzsteuerliche Besteuerung bei Unentgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung
Ausnahmsweise kann eine unentgeltliche Fahrzeugüberlassung im umsatzsteuerlichen Sinne angenommen werden, wenn die vereinbarte private Nutzung so gering ist, dass sie für die Gehaltsbemessung keine wirtschaftliche Rolle spielt und nach den objektiven Gegebenheiten eine private Nutzungsmöglichkeit weitestgehend ausscheidet (BMF-Schreiben vom 27. August 2004). Voraussetzung ist, dass dem Arbeitnehmer das Fahrzeug lediglich aus besonderem Anlass oder zu einem besonderen Zweck an nicht mehr als fünf Tagen im Monat für private Zwecke überlassen wird.
Im Grundsatz sind als Bemessungsgrundlage für den privaten Nutzungswert der unentgeltlichen Fahrzeugüberlassung nur die Kosten anzusetzen, die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigen.
Auch im Falle der unentgeltlichen Fahrzeugüberlassung wird es nicht beanstandet, wenn aus Vereinfachungsgründen für die umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage von den nach der pauschalen Ermittlung berechneten lohnsteuerlichen Werten ausgegangen wird.
Pauschale Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei unentgeltlicher Fahrzeugüberlassung
Nutzt der Arbeitnehmer den Pkw an nicht mehr als fünf Tagen im Monat, so ist nach der Regelung im BMF-Schreiben vom 28. Mai 1996 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 473 KB) der monatliche pauschale Nutzungswert der unentgeltlichen Fahrzeugüberlassung nach § 8 Abs. 2 S. 2, 3 EStG nicht anzusetzen. In diesem Fall ist die Nutzung des Pkw zu Privatfahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte je Fahrtkilometer mit lediglich 0,001 v.H. des inländischen Listenpreises des Kraftfahrzeugs zu bewerten. Von dem so ermittelten Betrag des geldwerten Nutzungsvorteil ist ein Abschlag von 20 % für die nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten vorzunehmen. Dieser Wert (geldwerter Vorteil abzüglich 20 % nicht mit Vorsteuer belasteter Kosten) bildet sodann die Bemessungsgrundlage für die geschuldete Umsatzsteuer.
Beispiel mit Rechnung: Ein Arbeitnehmer nutzt ein dem Unternehmen zugeordnetes Fahrzeug mit einem Bruttolistenpreis von 30.000 € im Kalenderjahr 2010 an monatlich fünf Arbeitstagen zu privaten Zwecken. Die im Rahmen der privaten Nutzung gefahrenen Kilometer des Arbeitnehmers betragen im Kalenderjahr 2010 1.100 km.
Der lohnsteuerliche Wert der privaten Nutzung beträgt (Bruttolistenpreis 30.000 € x 0,001 % x 1.100 km =) 330 €. Von den 330 € sind als Pauschalabschlag 20 % also 66 € (330 € x 20 %) abzuziehen. Als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage verbleiben somit (330,00 € - 66,00 € =) 264,00 €. Die vom Arbeitgeber geschuldete UStG beträgt (264 €/ 119 x 19 =) 42,15 €. 

4.5.3 Umsatzsteuerliche Behandlung der Nutzung von Geschäftswagen durch den Personenunternehmer

Nutzt der Personenunternehmer ein dem Unternehmen zugeordnetes Fahrzeug auch zu privaten Zwecken, so stellt dies eine nichtunternehmerische Nutzung des Fahrzeug dar, die unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG als unentgeltliche Wertabgabe (Nutzungsentnahme) der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist. Dabei sind Fahrten des Unternehmers zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung keine privaten Fahrten, sondern sind ertragssteuerlich der unternehmerischen Nutzung des Fahrzeugs zuzurechnen.
Als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer können, wie auch im Falle der Nutzungsüberlassung zu privaten Zwecken an den Arbeitnehmer, die nach den ertragsteuerlichen Regelungen ermittelten Werte für den privaten Nutzungsanteil herangezogen werden.
Dem Personenunternehmer stehen abhängig vom Umfang der betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs folgende Methoden auch zur Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zur Verfügung: 
Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage anhand der 1 %-Methode
Die Berechnung des Wertes der privaten Nutzung erfolgt zunächst nach der ertragssteuerlichen 1 %-Methode (hierzu wird auf die entsprechenden Erläuterungen zu Punkt 3.1 verwiesen). Von diesem Wert können aus Vereinfachungsgründen pauschal 20 % für die nicht mit Vorsteuer belasteten Aufwendungen (z.B. für Kfz-Versicherung) abgezogen werden (BMF-Schreiben vom 27. August 2004 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 206 KB)). 
Beispiel mit Rechnung: Bei einem Fahrzeugwert von 59.500,00 € beträgt der monatliche Wert der privaten Nutzung nach der 1 %-Methode 595 €. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 20 % zulässig. Es verbleiben somit 476 €. Dieser Betrag gilt als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung: 19 % auf 476 € =  90,44 €. Das Unternehmen muss also monatlich 90,44 € Umsatzsteuer für die Privatnutzung des Pkw durch den Personenunternehmer als Nutzungsentnahme abführen.
Allerdings ist die 1 %-Methode zur Ermittlung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung im Falle des Personenunternehmers nur anwendbar, wenn der Pkw zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird (ansonsten ist nur die Fahrtenbuchmethode oder eine Schätzung durch das Finanzamt möglich, siehe hierzu Gliederungspunkt 3.1.1).                                                                                        
Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage anhand eines Fahrtenbuches
Der Personenunternehmer hat unter Heranziehung des Fahrtenbuchs die für das Fahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten zu ermitteln. Von den Gesamtaufwendungen sind die nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten herauszurechnen. Dieser so ermittelte Betrag ist die Bemessungsgrundlage für die abzuführende Umsatzsteuer. 
Beispiel mit Rechnung: Ein dem Unternehmen zugeordnetes Fahrzeug wird beispielsweise 3.000 km pro Monat gefahren, davon 500 km von dem Personenunternehmer privat. Die Gesamtaufwendungen für das Fahrzeug (inkl. AfA, inkl. Umsatzsteuer) betragen pro Monat 1.000 €. Aus den Gesamtaufwendungen sind zunächst die tatsächlich nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten (z.B. Kfz-Versicherung) herauszurechnen. Diese werden im Beispiel mit 75 € angesetzt.
Es ergibt sich folgende Rechnung: Maßgebliche monatliche Gesamtaufwendungen sind 925 € (1.000 € Gesamtaufwendungen - 75 € nicht mit Vorsteuer belastete Kosten). Daraus ergeben sich Gesamtkosten pro Kilometer von 0,31 € (925 € / 3000 km), also Kosten von 155 € für die Privatnutzung des Personenunternehmers (0,31 € x 500 km). Dieser Betrag gilt nun als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung: 19 % auf 155 € = 29,45 €. Das Unternehmen hat dementsprechend 29,45 € Umsatzsteuer für die unentgeltliche Wertabgabe abzuführen. 
Schätzung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage
Ist die Anwendung der 1 %-Methode wegen einer betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs von bis zu 50 % ausgeschlossen und werden die tatsächlichen Aufwendungen für die private Nutzung nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen, ist der private Nutzungsanteil im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 18. November 2009, VIII B 16/08). Liegen geeignete Unterlagen für eine Schätzung nicht vor, ist der bezüglich des privaten Nutzungsanteils zu ermittelnde Prozentsatz, mit mindestens 50 % anzusetzen, soweit sich nicht aus den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls Gegenteiliges ergibt. Dies gilt auch für umsatzsteuerliche Zwecke. 

4.5.4 Sonderfall: Private Nutzung der Firmen-Pkws durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

Überlässt eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer einen Pkw, den dieser sowohl für Zwecke der Gesellschaft als auch für seine eigenen privaten Zwecke nutzt, hängt die umsatzsteuerliche Beurteilung davon ab, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Arbeitsvertrag hat und somit auch Arbeitnehmer ist. 
4.5.4.1 Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer
Häufig ist der Gesellschafter-Geschäftsführer Arbeitnehmer der GmbH und wird umsatzsteuerlich wie ein Arbeitnehmer behandelt (siehe hierzu Gliederungspunkt 4.5.2).
Ist dem Gesellschafter-Geschäftsführer die private Nutzung des Dienstwagens ausdrücklich durch Vereinbarung gestattet, ist die Überlassung des Fahrzeugs als zum Arbeitslohn gehörender geldwerter Vorteil, der nach den lohnsteuerlichen Bewertungsregelungen zu berechnen ist, und damit umsatzsteuerrechtlich als entgeltliche Leistung der GmbH an den Gesellschafter-Geschäftsführer zu qualifizieren.
Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 3. April 2012 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 37 KB) zur verdeckten Gewinnausschüttung bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs (KfZ) durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft Stellung genommen. Danach ist nur diejenige Nutzung eines betrieblichen KfZ durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer betrieblich veranlasst, die durch eine Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung abgedeckt wird. Sie kann auch durch eine mündliche Vereinbarung erfolgen, wenn dementsprechend auch tatsächlich verfahren wird. Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, ist die Nutzung hingegen durch das Gesellschaftsverhältnis mit veranlasst und führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Sofern keine klaren und eindeutigen Vereinbarungen hinsichtlich der privaten Nutzung der Geschäftswagen getroffen wurden oder der Gesellschafter-Geschäftsführer Fahrzeuge der Gesellschaft vertragswidrig zu privaten Zwecken nutzt (BFH-Urteil vom 23. Januar 2008, I R 8/06), liegt umsatzsteuerlich eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a S. 2 UStG vor (siehe hierzu Gliederungspunkt 4.5.2.2). 
4.5.4.2 Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Arbeitsvertrag mit der GmbH
Haben der Gesellschafter-Geschäftsführer und die GmbH keinen Arbeitsvertrag geschlossen, ist die Geschäftsführung des Gesellschafter-Geschäftsführers eine selbständig, sonstige Leistung gegen Entgelt an die GmbH (BMF vom 23. Dezember 2003). Umsatzsteuerlich handelt er dann als Unternehmer.
Entrichtet der Gesellschafter-Geschäftsführer für die private Nutzung des Pkw ein Entgelt an die GmbH, liegt hinsichtlich der Privatfahrten umsatzsteuerlich eine Vermietung des Pkw durch die GmbH an ihn vor. Ist das Entgelt niedriger als die Mindest-Bemessungsgrundlage (tatsächlich angefallenen Aufwendungen des Unternehmens für den privaten Nutzungsanteil durch den Gesellschafter-Geschäftsführer), ist diese anzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 UStG). Die GmbH kann die Vorsteuer aus der Anschaffung des Pkw jedoch regelmäßig geltend machen. 

4.5.5 Veräußerung und Entnahme von Firmen-Pkws

Die Veräußerung eines Fahrzeugs, das dem Unternehmen zugeordnet wurde, unterliegt insgesamt der Umsatzsteuer. Die Entnahme eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs für private Zwecke muss als unentgeltliche Wertabgabe in Höhe der Mindest-Bemessungsgrundlage (gemeiner Wert) der Umsatzsteuer unterworfen werden (§ 3 Abs. 1b S. 1 und 2 UStG).
Wird ein dem Unternehmen zugeordneter Geschäftswagen später veräußert oder entnommen, unterliegt die Lieferung bzw. die Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG (unentgeltliche Lieferungen) zu 100 % der Umsatzsteuer.
Auch wenn bei einem dem Unternehmen zugeordneten Geschäftswagen aus der Anschaffung kein Vorsteuerabzug möglich war (da z. B. von privat erworben), ist der spätere Verkauf voll der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Derartige Fahrzeuge können aber vor der Veräußerung in das Privatvermögen entnommen werden. Die dann vorliegende Wertabgabe vom Geschäfts- ins Privatvermögen unterliegt nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG nicht der Umsatzsteuer (unentgeltliche Lieferungen), da der PKW nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt hatte.
Ist ein Pkw ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug (z.B. Differenzbesteuerung) erworben worden und sind nach dem Erwerb zusätzlich Bestandteile eingebaut worden, für die das Unternehmen zum Vorsteuerabzug berechtigt war, unterliegen bei der Entnahme des Pkw aus dem Unternehmen nur die nachträglich eingebauten Bestandteile der Umsatzbesteuerung.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt. 
Stand: April 2013 
Abmahnungsgefahr

Fehlerhafte Belehrung über die Widerrufsfrist bei Internet-Angeboten

Der Gesetzgeber hatte es gut gemeint, als er den am Fernabsatz beteiligten Unternehmen( etwa bei e-bay u.a.) eine Formulierungshilfe in Musterform veröffentlichte, um einen rechtssicheren Auftritt zu ermöglichen.
Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Verbraucher klar und verständlich bestimmte Informationen, so unter anderem auch das Widerrufsrecht , zur Verfügung zu stellen(§ 312c Abs.1 Satz1 BGB, Art.240 EGBGB). Aus diesem Grund erfolgte die Aufnahme als Muster in das EGBGB( Anlage 1 zu Art. 246a §1 Abs.2 EGBGB).
Nach Auffassung der Gerichte hat der Widerruf bei Verbraucherbverträgen "innerhalb von zwei Wochen" zu erfolgen (§ 312g, § 355Abs.2 Satz 2 BGB). Erhält der Verbraucher die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsabschluss, auf vielen Plattformen für Fernabsatzhandel ist dies gängige Praxis, beginnt die Widerrufsfrist erst ab Erhalt der Belehrung, frühestens jedoch ab Erhalt der Ware, zu laufen. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem Vertragsabschluss (§ 356 Abs.3 Satz 2 BGB).
Dieser Verstoß gegen die Vorschriften zu den Unterrichtungspflichten bezüglich der Widerrufsrechte stellt zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß gem. §§ 3,4 Nr.11 UWG dar, weil die genannten Regeln zu den Unterrichtungspflichten über Widerrufsrechte dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ein möglicher Einwand hiergegen unter Berufung auf das Vorliegen eines vermeintlichen Bagatellverstoßes kommt nach Auffassung der Gerichte nicht in Betracht, weil es hier um die Beachtung wichtiger Verbraucherinteressen gehe.
So unverständlich die Position der Gerichte in dieser Frage vor dem Hintergrund des Musters der Widerrufsbelehrung durch den Gesetzgeber für den Unternehmer erscheinen mag, so kommt es für die Geschäftspraxis doch auf den richtigen Umgang mit dieser Situation an.
Dies kann der Unternehmer wie folgt erreichen:
Belehrung auch in Textform: Die Belehrung muss zusätzlich zum Internetauftritt auch in Textform (per Brief, Telefax oder E-Mail) erfolgen. Das bloße Einstellen in den Internetshop reicht nicht aus. Wenn die Belehrung unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform erteilt wird, gilt eine 14-tägige Widerrufsfrist. Eine Belehrung ist unverzüglich erteilt, wenn sie einen Tag nach der Bestellung in Textform erfolgt. Es ist aber besser, die Belehrung bereits unmittelbar im Anschluss an eine Bestellung in einer Bestätigungsmail zu versenden.

Abgrenzungskriterien

Gewerbebetrieb oder Freiberufler?

Für Unternehmer ist es nicht immer leicht festzustellen, ob sie einen Gewerbebetrieb oder einen sogenannten Freien Beruf ausüben. Im Endeffekt entscheidet hierüber das zuständige Finanzamt. Dieses Merkblatt soll Hinweise auf die Kriterien für die Einordnung der selbständigen Tätigkeiten geben, die insbesondere auch über die Gewerbesteuerpflicht entscheidet. Dabei sind auch Hinweise auf die Abgrenzung zu Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) enthalten, wie zum Beispiel Land- und Forstwirtschaft oder Vermietung und Verpachtung.
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder Gewerbebetrieb, der in Deutschland tätig ist. Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag. Der Gewerbeertrag ergibt sich aus dem einkommen- und körperschaftsteuerlichen Gewinn, der um gesetzlich bestimmte Kürzungen und Hinzurechnungen ergänzt wird. Die Gewerbesteuer ist seit Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 am 1. 1. 2008 nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig. Gleichzeitig hat sich seit 1.1.2008 für die Personenunternehmen der Faktor für die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld für gewerbliche Gewinne von ehemals 1,8 auf 3,8 erhöht.
Die Abgrenzung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb, Freiem Beruf und den anderen Einkunftsarten kann aber trotz Gewerbesteueranrechnung nach § 35 Einkommensteuergesetz (EStG) noch steuerliche Auswirkungen haben, in Abhängigkeit von der Höhe des örtlichen Gewerbesteuerhebesatzes und des individuellen Einkommensteuersatzes. An die zutreffende Einordnung konkreter Tätigkeiten knüpft sich auch eine Reihe von Konsequenzen nicht steuerlicher Art, etwa die organisationsrechtliche Zuordnung zu einer berufsständischen Organisation. Alle gewerblich Tätigen werden, sofern sie nicht zur Handwerks- oder zur Land- und Forstwirtschaftskammer gehören, Mitglieder in der (Industrie- und) Handelskammer. Die Finanzrechtsprechung hat sich wiederholt mit Abgrenzungsfragen auseinandergesetzt und Einordnungsentscheidungen getroffen, die in den folgenden Ausführungen berücksichtigt werden.

Was bedeutet "Selbstständiger" bzw. Scheinselbstständigkeit?

Ein "beruflich Selbstständiger" ist entweder als Gewerbetreibender, als Freiberufler oder in der Land- und Forstwirtschaft tätig.
Dabei ist zu beachten, ob es sich im Einzelfall wirklich um eine selbstständige Unternehmertätigkeit handelt oder ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt mit entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen. Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko können Anzeichen für eine selbstständige Tätigkeit sein.
Das Unternehmerrisiko drückt sich vor allem dadurch aus, dass der Einsatz der eigenen Mittel und Arbeitskraft ungewiss ist. Führt der Beschäftigte typische Arbeitnehmertätigkeiten ohne eigene Betriebsmittel aus, spricht eine Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Ob ein Gewerbe angemeldet wurde oder eine Rechnung mit Umsatzsteuer gestellt wurde, ist dabei unerheblich. Auch ist ein ausdrücklicher Vertragstext unerheblich, wenn die tatsächlichen Umstände davon abweichen.

Beispiele für Scheinselbstständigkeit:

  1. Eine Promotion-Tätigkeit, also verkaufsfördernde Maßnahmen ist als scheinselbstständig zu beurteilen, wenn der Beschäftigte nach einem vorgegebenen Plan arbeitet, per Stundenlohn und nicht erfolgsabhängig vergütet wird und in die betrieblichen Abläufe eingegliedert ist (Hessisches Landessozialgericht (LSG), L 8 KR 37/07). Ein Indiz für Selbstständigkeit kann jedoch sein, wenn der Beschäftige eigene Hilfskräfte beschäftigt (Hessisches LSG, L 8 KR 37/07) oder eigene Werbemaßnahmen vornimmt.
    Beachte: Die Frage der Selbstständigkeit von Promotion-Tätigkeit wird zurzeit besonders sorgfältig auch durch die Finanzämter in Hamburg geprüft.
     
  2. Nach dem Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 11.8.2009 ist keine selbstständige Fahrtätigkeit im Sinne des § 2 Abs.1 Umsatzsteuergesetz (UStG) anzunehmen, wenn die den größten Teil des Arbeitstages einnehmenden Fahrten mit dem Kfz des diesbezüglich sämtliche Kosten tragenden Auftraggebers nach vorgegebenen Einsatzplan zu bestimmten Zeiten zu absolvieren sind und die gleiche Tätigkeit in den Vorjahren im Rahmen eines nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnisses für andere Arbeitgeber ausgeübt wurde. In diesem Fall wird von einer scheinselbständigen Fahrtätigkeit ausgegangen.
In diesem Zusammenhang wird auch häufig die Bezeichnung "freier Mitarbeiter" verwendet. Der "freie Mitarbeiter" ist eine Person, die aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages für andere Personen / Unternehmen tätig ist, ohne im Rahmen eines festen, dauernden Beschäftigungsverhältnisses zu arbeiten. Er ist nicht in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert und erbringt die geschuldeten Leistungen persönlich. Je nach Tätigkeit kann der "freie Mitarbeiter" Gewerbetreibender oder Freiberufler sein.
Es besteht auch hier die oben beschriebene Gefahr, dass das Finanzamt die Beschäftigung als Scheinselbstständigkeit ansieht.

Welche Merkmale zeichnen den „Gewerbetreibenden“ aus?

Die Gewerbeordnung definiert den Begriff des Gewerbebetriebs nicht. Eine nähere Beschreibung findet sich aber in §15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Eine
  • selbstständige,
  • nachhaltige Betätigung,
  • die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und
  • die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt
    ist danach Gewerbe, wenn diese Betätigung nicht nach § 13 oder §18 Einkommensteuergesetz (EStG) als Ausübung
  • von Land- und Forstwirtschaft (§13 EStG)
  • eines freien Berufs (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG)
  • einer sonstigen selbstständigen Arbeit (z.B. Verwaltung eigenen Vermögens - §18 Abs.1 Nr. 3 EStG)) anzusehen ist.
Gewerblich sind zum Beispiel:
  • Betriebe des Handwerks und der Industrie
  • Handelsbetriebe
  • Vermittlungstätigkeiten (z.B. des Maklers oder Handelsvertreters)
  • Gaststättenbetriebe.
Außerdem sind Gewerbebetrieb kraft Rechtsform:
  • Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) (§ 2 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz - GewStG).
Beachte: Jeder Gewerbebetrieb muss beim zuständigen Gewerbeamt (Bezirksamt, Gemeinde) angezeigt werden. Gewerbebetriebe unterliegen der Gewerbesteuer.
Hinweis: Gewerbeanzeigen (bzw. Gewerbeanmeldungen) werden schriftlich auch von unserem Bescheinigerteam entgegen genommen. Davon ausgenommen ist die Anzeige erlaubnispflichtiger Gewerbe

Wer ist "Freiberufler"?

In § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind einige Beispiele dafür aufgeführt, welche Tätigkeiten im Einzelnen freiberuflich sind.
Freiberufler ist, wer
  • selbstständig und eigenverantwortlich tätig ist
  • und eine wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit ausübt.
Einen einheitlichen Oberbegriff der freien Berufe gibt es nicht, so dass der in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aufgeführte Katalog freier Berufe (selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnliche Berufe) nicht abschließend ist. Bei vergleichbaren Berufen ist jeweils im Einzelnen zu entscheiden.
Eine Liste der freien Berufe finden Sie unter 9. ABC der freien Berufe/ selbstständigen Arbeit.
Freie Berufe setzen eine Tätigkeit voraus, der nicht unbedingt ein Hochschulstudium vorangegangen sein muss. Es muss sich nur um eine Ausbildung wissenschaftlicher Art handeln. Darunter fallen auch das Selbststudium oder durch Berufstätigkeit erworbene Kenntnisse. Die Kenntnisse müssen dem Niveau eines Hochschulstudiums entsprechen. So definiert der Europäische Gerichtshof (EuGH) die freien Berufe (i.S. der 6. EG-Richtlinie) als "Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung, und diese Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbstständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraus".
Beachte: Freiberufler unterliegen nicht der Pflicht zur Anmeldung beim Gewerbeamt. Sie beantragen die Vergabe einer Steuernummer direkt beim Finanzamt. Sie unterliegen nicht der Gewerbesteuer.

Wie grenzen sich der "Gewerbetreibende" und der "Freiberufler" voneinander ab?

Die Abgrenzung ist oftmals schwierig, da zum Beispiel auch der freiberuflichen Tätigkeit in der Regel die Erwerbsabsicht nicht fehlt. Viele Tätigkeiten fallen also sowohl unter die Merkmale der freiberuflichen Tätigkeit als auch unter die des Gewerbes.
In diesen Fällen ist das ausschlaggebende Entscheidungskriterium die geistige, schöpferische Arbeit, die bei einer freiberuflichen Tätigkeit im Vordergrund steht.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören insbesondere zu der freiberuflichen Tätigkeit
  • die selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit,
  • die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Künstler, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigten Bücherrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen (sogenannte Katalogberufe) und
  • den Katalogberufen ähnliche Berufe.
    Damit ein Beruf dem Katalogberuf ähnlich ist, muss er in wesentlichen Punkten mit diesem übereinstimmen. Dazu gehört, dass Ausbildung und die berufliche Tätigkeit selbst mit dem Katalogberuf vergleichbar sind.
Alle anderen Tätigkeiten, die nicht in § 18 Abs. 1 EStG aufgeführt sind oder zu den "ähnlichen Tätigkeiten" zählen, sind in der Regel gewerblich, wenn sie nicht zur Land- und Forstwirtschaft gehören.

Wie sind Heil- und Heilhilfsberufe einzuordnen?

Die Heilberufe gehören zu den Katalogberufen nach § 18 Abs. 1 EStG. Für die Einordnung der Einkünfte aus Heil- oder Heilhilfsberufen kommt es nach Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.8.2003 für die Zuordnung zur freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit grundsätzlich auf die Zulassung des Steuerpflichtigen durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen an. Sind solche Berufe nach der ausgeübten Tätigkeit und der Art der Ausbildung den Katalogberufen des Heilpraktikers oder Krankengymnasten vergleichbar, liegt freiberufliche und keine gewerbliche Tätigkeit vor.
  • Ein selbständig tätiger Krankengymnast ist bei der Beschäftigung qualifizierter Arbeitskräfte nur dann leitend und eigenverantwortlich tätig, wenn er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt, sodass die Leistung den "Stempel der Persönlichkeit" trägt und dann eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt (BFH-Urteil vom 14.3.2007).
  • Die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene ist dem Katalogberuf eines Krankengymnasten ähnlich und führt daher zu freiberuflichen Einkünften (BFH-Urteil vom 6.9.2006).
  • Eine Logopädin, die eine Praxis für Logopädie, Krankengymnastik und Ergotherapie betreibt und die Bereiche der Ergotherapie und Krankengymnastik durch angestellte Mitarbeiter erbringen lässt, übt nicht ausschließlich einen freien Beruf aus und unterliegt deshalb der IHK-Beitragspflicht (Urteil des Verwaltungsgerichtes Gießen vom 28.2.2007).

Welche Abgrenzung gibt es bei unterrichtender und erzieherischer Tätigkeit?

Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (Bundesfinanzhof-BFH XI R 2/95 BStBl II 1997, Seite 687). Für eine spezifisch individuelle Leistung, wie es die Lehrtätigkeit ist, gelten dabei besonders enge Maßstäbe. Selbständige Arbeit in Form unterrichtender Tätigkeit setzt voraus, dass der Steuerpflichtige durch persönliche und eigenverantwortliche Lehrtätigkeit Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln sucht. Danach ist ein für einen institutionalisierten Unterricht typisches Lehrprogramm und auf eine persönliche Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler erforderlich. Der Unterrichtscharakter muss durchgängig gewährleistet sein, eine punktuelle Anleitung genügt nicht (Fitnessstudio siehe BFH-Urteil IV R 79/92in BStBl II 94 Seite 362). Der Unterricht erfordert ein schulmäßiges allgemeingültiges Programm eines bestimmten Fachgebietes. Dies schließt Individualunterricht nicht aus. Die Vermittlung von "Know-how-Mix" ist jedoch nicht unterrichtend, sondern beratend (siehe BFH XI R 2/95). Der Gegenstand der Lehrveranstaltung (z. B. Reiten, Tanzen, Gymnastik, Fußball, Kfz-Fahren etc.) ist für die Frage der unterrichtenden Tätigkeit unerheblich. Bei nebenberuflicher Unterrichtstätigkeit ist in der Regel von Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1Nr. 1 EStG auszugehen, insbesondere wenn die Arbeit nur wenige Wochenstunden umfasst. Dies gilt beispielsweise bei einer Vortragstätigkeit eines Beamten an einer Hochschule, Volkshochschule, Verwaltungsakademie oder bei Vortragsreihen ohne festen Lehrplan. Unterricht an Tieren ist keine unterrichtende Tätigkeit in diesem Sinn. Wenn der unterrichtsorganisatorische und verwaltende Anteil einer gewerblichen Betätigung vergleichbar die Gesamttätigkeit prägt, liegt keine unterrichtende Tätigkeit vor.
Erziehung ist (Bundesfinanzhof-BFH XI R 2/95 BStBl II 1997, Seite 688) die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung von jungen Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen. Unter Mündigkeit wird die Fähigkeit verstanden, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Hierfür ist die Formung der gesamten Persönlichkeit erforderlich, die Schulung in Teilbereichen zwischenmenschlicher Beziehungen reicht nicht aus. Erwachsenenerziehung fällt bisher nicht in den Bereich des erzieherisch Tätigen nach §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Kindertagespflege hat das BMF-Schreiben vom 24. Mai 2007 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 53 KB) u.a. festgestellt, dass laufende Geldleistungen nach § 23 SGB VIII, die neben der Erstattung des Sachaufwands die Förderungsleistung der Tagespflegeperson anerkennen soll, als steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz zu qualifizieren sind.

Wie sind Personengesellschaften einzuordnen?

Eine Personengesellschaft kann nur dann eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, wenn sämtliche Gesellschafter-Mitunternehmer mit ihrer Tätigkeit, die zur Umsatzleistung der Gesellschaft beiträgt, Freiberufler im Sinne des § 18 EStG bzw. Berufsträger sind. Mitunternehmer ist dabei derjenige Gesellschafter, der selbst Unternehmerrisiko trägt und auch Unternehmerinitiative hat.
Dasselbe gilt auch, wenn sich eine Personengesellschaft im Sinne einer Obergesellschaft an einer anderen beteiligt. In diesem Fall müssen auch sämtliche Gesellschafter der Obergesellschaft Freiberufler sein, damit die Untergesellschaft unter § 18 EStG fallen kann.
Beteiligt sich die Personengesellschaft als Mitunternehmerin an einer Kapitalgesellschaft, ist ihre Tätigkeit wie die der Kapitalgesellschaft grundsätzlich als gewerblich einzustufen.

Welche Probleme können bei "gemischten Tätigkeiten" entstehen?

Abgrenzungsschwierigkeiten können sich bei einer gleichzeitigen freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeit ergeben.
Übt eine natürliche Person sowohl eine gewerbliche als auch eine freiberufliche Tätigkeit aus, so sind diese steuerlich getrennt zu beurteilen, wenn zwischen beiden Tätigkeiten kein Zusammenhang besteht, so dass die Erzielung sowohl freiberuflicher als auch gewerblicher Einkünfte durch ein und dieselbe Person möglich ist. Besteht zwischen beiden Tätigkeiten ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang ("gemischte Tätigkeit"), kann aber eine einheitliche Beurteilung, d.h. die Annahme eines die gesamte Tätigkeit umfassenden Gewerbebetriebes geboten sein. Dann besteht für den Freiberufler die Gefahr, durch seine gleichzeitige gewerbliche Tätigkeit insgesamt als Gewerbetreibender eingestuft zu werden.
Übt ein Einzelfreiberufler eine gemischte Tätigkeit aus, sind die freiberuflichen und die gewerblichen Einkünfte ungeachtet wirtschaftlicher und sachlicher Bezugspunkte nach der jüngeren Rechtsprechung getrennt zu ermitteln, sofern dies nach Verkehrsauffassung möglich ist. Einheitliche Einkünfte liegen nur vor, wenn die Tätigkeiten derart miteinander verbunden sind, dass sie sich gegenseitig unauflösbar bedingen. Trennbarkeit ist zum Beispiel nicht gegeben, wenn Software implementiert zusammen mit zugekaufter Hardware vertrieben wird. Trennbarkeit ist beispielsweise zu bejahen, wenn ein Schriftsteller für PC-Lernprogramme fremde Programme anderer Firmen testet oder wenn ein Rechtsanwalt PC-Programme entwickelt. Allerdings sollten dann die Einkünfte aus beiden Einkunftsarten - Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit - getrennt ermittelt und getrennt erfasst werden. Dem Finanzamt gegenüber ist glaubhaft zu machen, dass zwischen beiden Tätigkeiten kein sich gegenseitig unauflösbarer sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
Tipp: Lassen Sie sich steuerlich beraten und suchen Sie den Dialog mit den Finanzbehörden, damit Sie in Abgrenzungsfragen Rechtsklarheit gewinnen.

Welche Abgrenzung gibt es zwischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft?

Die Betriebe der sogenannten Urproduktion werden ebenfalls nicht als „Gewerbebetriebe“ angesehen. Dazu gehören Land- und Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, Fischerei und Bergbau. Betriebe der Urproduktion können ihre Erzeugnisse verkaufen, ohne dies als Handelsgewerbe nach § 14 der Gewerbeordnung (GewO) anzeigen zu müssen. Auch können Waren zugekauft werden, wenn diese als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe im Erzeugungsprozess des Hauptbetriebes verwendet werden. Hierzu zählen zum Beispiel Saatgut, Verpackungsmaterial und Düngemittel.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 zeigt das Bundesfinanzministerium neue Grenzen der Abgrenzungsregelungen der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe auf: in sogenannten Mischfällen, in denen neben eigenen Erzeugnissen auch zugekaufte Waren abgesetzt werden, kann neben einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch ein selbständiger Gewerbebetrieb entstehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Betriebseinnahmen (ohne Umsatzsteuer) aus den zugekauften Waren ein Drittel des Gesamtumsatzes des Betriebes (Summe der Betriebseinnahmen ohne Umsatzsteuer) oder 51.500 Euro (ohne Umsatzsteuer) im Wirtschaftsjahr nachhaltig übersteigen. Werden die Werte drei Jahre lang überschritten, führt dies im vierten Jahr dazu, dass auch die Einnahmen aus dem Verkauf selbst hergestellter Produkte gewerbesteuerpflichtig werden.
Zugekaufte Waren sind dabei solche, die nicht im Erzeugungsprozess des Betriebes verwendet werden.
Für die Gewerbesteuer ist zu beachten, dass der Steuerpflichtige für die Abgrenzung von Zukaufswaren und Rohstoffen etc. die Beweislast trägt.
Im Falle des Betreibens von Viehzucht kann ein Betrieb jedoch in die Gewerblichkeit hineinwachsen, nämlich immer dann, wenn die bewirtschaftete Landfläche dem Grundsatz nach nicht mehr ausreicht, um genügend Futtermittel für das Vieh zu produzieren. (Für Einzelheiten siehe § 13 Abs. 1 EStG sowie BFH IV R 18/06).
Zur Abholung und Ausbringung von Klärschlamm durch einen Landwirt siehe BFH IV R 24/05.

Wie unterscheiden sich gewerbliche Einkünfte von privater Vermögensverwaltung

Abzugrenzen von gewerblichen Einkünften sind auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als sogenannte sonstige Einkünfte gem. § 23 EStG.

Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz

Die Vermietung und Verpachtung von Grundbesitz (selbst, wenn sehr umfangreich und arbeitsaufwendig) ist in der Regel kein Gewerbebetrieb, weil allgemein übliche Ausnutzung des Eigentums. Einkünfte hieraus sind grundsätzlich solche aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG. Die Einkünfte können gewerblich werden,  wenn zu der bloßen Gebrauchsüberlassung besondere Umstände hinzukommen.
Die Vermietung von Wohnraum ist grundsätzlich nicht gewerblich, sofern es sich nicht um eine "hotelmäßige" Vermietung handelt. Dies ist der Fall, wenn zusätzlich zur Bereitstellung des Raumes persönliche und sachliche Dienstleistungen angeboten werden, die dem Beherbergungsgewerbe ähneln. Die Vermietung kann zum Beispiel gewerblich sein, wenn es sich um eine kurzfristig vermietete Ferienwohnung mit ständigem Mieterwechsel in einer Anlage von ähnlichen Wohnungen handelt und die Verwaltung von einer Feriendienstorganisation übernommen wird (BFH X B 42/10).

Private Veräußerungsgeschäfte

Private Veräußerungsgeschäfte sind grundsätzlich sonstige Einkünfte im Sinne von §§ 2, 23 EStG.

Immobilienhandel

Bei dem Handel mit Immobilien ist die Abgrenzung schwieriger. Hier gilt im Grundsatz, dass die Erlöse aus dem Verkauf nur dann sonstige Einkünfte sind, wenn nach dem Erwerb oder der Errichtung des Objektes in einem Zeitraum von ca. fünf Jahren nicht mehr als drei Objekte verkauft werden (sog. "drei Objekte Grenze") (BFH GrS 1/98). Objekt in diesem Sinne ist jedes veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt, Grundstück, grundstücksgleiche Recht und Recht nach dem Wohnungseigentumsgesetz (BFH IV R 62/07).
Siehe hierzu auch (BFH IV R 77/06). (BFH X R 36/06).

Internetauktionen

Ob der Verkauf von Waren auf elektronischen Plattformen wie Ebay.de gewerblich ist, oder ein privates Veräußerungsgeschäft und damit „sonstige Einkünfte“ im Sinne von § 23 EStG darstellt, ist im Einzelfall anhand von Indizien festzumachen.
Wenn über einen längeren Zeitraum regelmäßig ähnliche Waren verkauft werden, kann der Verkauf als gewerblich einzuordnen sein, besonders wenn gleichartige Ware in verschiedenen Farben oder Größen angeboten werden.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Sachen schon mit der Absicht gekauft wurden, sie gewinnbringend weiter zu veräußern.
Indizien für die Gewerblichkeit sind auch Bezeichnungen wie "Powerseller" oder das Betreiben eines "Ebay-Shops". Andersherum ist die Gewerblichkeit nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Verkauf als "von Privat" bezeichnet wird.
Auch kann die Anzahl der Verkäufe für eine gewerbliche Tätigkeit sprechen. Die Rechtsprechung hat in entsprechenden Fällen entschieden, dass - je nach nach Ware - 27 Verkäufe innerhalb eines Monats, 168 Verkäufe innerhalb eines Jahres, 484 innerhalb eines Jahres, oder auch 242 Verkäufe binnen zwei Jahren Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit sind, da bei einer derartigen Anzahl von Transaktionen ein nicht unerheblicher Aufwand zu deren Abwicklung nötig ist. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass ein Gewerbe eine planmäßige und auf Dauer eingerichtete Tätigkeit erfordert. Daher sind einmalige große Verkaufsaufkommen privat. Hierzu zählt beispielsweise die Auflösung eines Haushaltes aufgrund eines Erbfalles. Es bedarf neben der Verkaufsanzahl in jedem Fall noch anderer Indizien.
Auch die durchschnittliche Höhe des Entgeltes kann dabei eine Rolle spielen. So wurde vom BFH bei einem durchschnittlichen Erlös von 80 € bei 663 Verkäufen über drei Jahre gewerblichen Handel angenommen (BFH V R 2/11).
Indizien können auch in der Verwendung von professionell wirkender Werbung, der Verwendung von Widerrufsklauseln oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) liegen.
(siehe dazu: BFH, Urteil vom 26.04.2012, V R 2/11, OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 21.3.2007, 6 W 27/07 sowie LG Berlin, Urteil vom 5.9.2006 - 103 O 75/06 und AG Radolfzell, Urteil vom 29. 7. 2004 - 3 C 553/03)

Veräußerung eines Geschäftsbereichs einer Gesellschaft

Wenn ein Teil einer Personengesellschaft veräußert wird und der verbleibende Teil für sich genommen nur der Verwaltung eigenen Vermögens dient, ist der Veräußerungsgewinn dennoch gewerblich zu veranlagen, wenn die verbleibende Betriebsgrundlage in dem veräußerten Teil fortgeführt wird. Beispielsweise ist der Verkauf des Betriebes gewerblich, wenn das Betriebsgrundstück zurückbehalten und sodann an den Erwerber zur Fortführung des Betriebes vermietet wird. In diesem Fall handelt es sich nicht etwa um eine steuerbegünstigte (Teil-)Veräußerung. (BFH IV R 41/07 und FG Schleswig Holstein 4 K 216/03)

ABC der gewerblichen Berufe (§ 15 Einkommensteuergesetz)

Zu den gewerblichen Tätigkeiten gehören nach den Einkommensteuerrichtlinien H 15.6 b)  in der Regel folgende selbstständig ausgeübte Berufe (in Zweifelsfällen fragen Sie bitte Ihr Finanzamt):
  • Altenpfleger, jedoch nur solche mit hauswirtschaftlicher Versorgung (BMF vom 22.04.2004)
  • Anlageberater/ Finanzanalyst (BFH vom 2.9.1988)
  • Apotheker
  • Astrologe gewerblich nach FG Düsseldorf/Köln vom 20.1.1976 (Umsatzsteuerkommentar "Herrmann, Heuer, Raupach"); siehe auch Hellseher (BFH am 30.3.1976, BStBl. II 1976 Seite 464) sowie Kartenleger/in (Finanzgericht Düsseldorf vom 25.1.2005);
  • Auditor, gewerblich (FG Hessen DStRE 2005, Seite 943)
  • Auktionator (BFH IV 696/54)
  • Baubetreuer bzw. Bauberater, die sich lediglich mit der wirtschaftlichen (finanziellen)Betreuung von Bauvorhaben befassen Bundessteuerblatt Teil II 19974 Seite 447)
  • Berufssportler, sofern nicht Arbeitnehmer
  • Bezirksschornsteinfegermeister (BFH-Urteil XI R 53/95 Bundessteuerblatt Teil II1997 Seite295)
  • Bodybuilding, keine unterrichtende Tätigkeit siehe Fitness-Studio
  • Buchführungshelfer
  • Buchhalter (BFH IV R 10/00)
  • Coach, selbständig tätige Coach-Spezialisten, sogenannten "Nur-Coacher", fallen nicht unter den Katalogberuf des beratenen Betriebswirts, da sie sich auf die spezifische Beratung des mentalen Bereichs in kommunikativer Weise konzentrieren; vgl. Betriebs-Berater (BB), 1996 Heft 30 Seite 1529. Coachs von Spitzensportlern sind Gewerbetreibende, es sei denn, sie sind medizinisch (Ärzte) qualifiziert. Aber Coach kann freiberuflich, da unterrichtend tätig sein. Bsp: Wenn selbständige Unternehmensberater sich darauf beschränkend spezialisieren, seminarmäßig für Unternehmen tätig zu werden, um deren Mitarbeitern, soweit sie Vorgesetzte sind, die Fähigkeit des Coachings zu vermitteln, werden sie unterrichtend tätig (FG Nürnberg, Urteil vom 15.1.2003, DStREE 10/2003).
  • Datenschutzbeauftragter
  • Designer, wenn nicht künstlerisch
  • Detektiv
  • Ehevermittler
  • Erbensucher
  • Energieberater, jedenfalls bei erfolgsabhängiger Absatzberatung gewerblich (BFH-Urteil IV B 20/01); ansonsten technisch wirtschaftliche Beratung durch Ingenieure kann freiberuflich sein.
  • Ernährungsberater, gewerblich (BMF Der Betrieb 2000, Seite 1001: keine Kassenzulassung)
  • Exportberater
  • Factoring, wenn es wie beim unechten Factoring über die reine Forderungseinziehung hinausgeht
  • Filmhersteller, sofern nicht insgesamt künstlerisch
  • Finanz- und Kreditberater, gewerblich tätig (vom Bundesfinanzhof entschieden in: BFHE 153, S.222).
  • Fitness-Studio, sofern nicht Sportunterricht, sondern Einweisung in Gerätebenutzung prägend. Freiberuflich, wenn der Studioinhaber für jeden Kursteilnehmer individuelle Programme entwirft (FG Düsseldorf, Urteil 7K6425/04 vom 8.11.2006)
  • Fotograf, sofern nicht künstlerisch (z.B. Fotodesign (BFH VIII R 76/75)) oder Bildberichterstattung
  • Fotomodell, für den Fall, in dem ein bekannter Schauspieler als Werbemodell aufgetreten ist (BFH-Urteil vom 15.10.1998)
  • Fotovoltaikstrom-Einspeisung , vom Einzelfall abhängig in Abhängigkeit von einer Totalgewinnprognose (Verfügung OFD Berlin vom 27.4.2004; Finanz Verwaltung StEK EStG § 15 Nr 358)
  • Fremdenführer, (BFH I R 85/83)
  • Friedhofsgärtner
  • Fußpfleger, jedenfalls soweit keine Überwachung durch die staatlichen Gesundheitsämter vorgesehen ist (BFH-Urteil vom 29.11.2001 (IV R 65/00)); medizinischer Fußpfleger: wohl dem Heilberuf ähnlich und daher freiberuflich (BMF BStBl I 02, 962)
  • Gärtner, nicht freiberuflich, da keine künstlerische Tätigkeit (VG Freiburg vom 10.8.2005 - 7 K 760/05)
  • Grafiker, soweit er Gebrauchsgrafiker ist, z.B. Perspektivgrafiker und Retuscheur (BFH V R 130/84); freiberuflich allerdings dann, wenn er künstlerisch tätig ist
  • Handelsvertreter, gewerblich, auch wenn die Tätigkeit teilweise der eines Ingenieurs entspricht
  • Hausverwalter (vgl. § 18 Abs 1 Nr. 3) bei ständiger Beschäftigung von Mitarbeiteren
  • Hellseher gewerblich (BFH am 30.3.1976, BStBl. II 1976 Seite 464) ebenso wie Kartenleger/in (Finanzgericht Düsseldorf vom 25.1.2005) und Astrologe/in nach Urteil des FG Düsseldorf/Köln vom 20.1.1976 (Umsatzsteuerkommentar "Herrmann, Heuer, Raupach")
  • Inkassobüro, (BverfG BB 02/744)
  • Kartenleger/in (Finanzgericht Düsseldorf vom 25.1.2005) ebenso wie Astrologin und Hellseher
  • Klavierstimmer, (BFH IV R 145/88)
  • Kosmetikerin (FG Düsseldorf EFG 65, 567)
  • Kreditberater (BFH I 237/54)
  • Künstler-Agent
  • Künstler-Manager(BFH IV B 2/90)
  • Kursmakler
  • Landschaftsgärtner, sofern nicht Land- und Forstwirtschaft
  • Makler Management-Trainer/Management-Berater (siehe Coach), dessen Beratungstätigkeit auf die Lösung von Problemen in einem bestimmten Teilbereich zwischenmenschlicher Beziehungen gerichtet ist, ist nicht erzieherisch tätig (BFH 11. Juni 1997 XI R 2/95, BStBl II 1997, Seite 687).
  • Moderator, in der Regel gewerblich( BFH XI B 15/07 BFH/NV 08, 370: Verkaufssender)
  • Outplacement-Berater
  • Partnervermittlung
  • Parapsychologe, Hellseher, Rutengänger
  • Personalberater, der Stellenbewerber ausfindig macht und eine Vorauswahl trifft; freiberufliche Tätigkeit nur hinsichtlich typischer Beratungsleistungen (z.B. Gutachten und Markstudien), die die notwendige beruflichen Qualifikation eines beratenden Betriebswirts erfordern (BFH-Urteil vom 19.09.2002 (IV R/ 70/00))
    Personalvermittler, (seit 27. März 2002 nicht mehr erlaubnispflichtig)
  • Pharmaberater
  • Pilot, nur dann freiberuflich, wenn er einen ingenieurähnlichen Beruf ausübt, d.h. wenn er zuvor ein Studium abgeschlossen hat oder entsprechende Kenntnisse im Selbststudium erworben hat.
  • Projektierer, sofern nicht Ingenieur
  • Projektmanager
  • Promotionsberater (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008): Voraussetzungen für eine eigene wissenschaftliche Tätigkeit sind nicht erfüllt, wenn dieser Promotionsberater aufgrund selbst entwickelter Testverfahren und von Gesprächen sogenannte Begabtenanalysen der Klienten erstellt und beim Finden eines Dissertationsthemas, der Vermittlung eines Doktorvaters und der Gliederung behilflich ist.
  • Propagandist
  • Public-Relations-(PR-)Berater, in der Regel weder künstlerisch noch einem beratenden Betriebswirts ähnlich. Umfasst sie neben journalistischen Elementen auch organisatorische Aufgaben, ist dies auch Gewerbebetrieb.
  • Sachverständiger, gewerblich tätig, wenn der Gutachter bei seiner Tätigkeit an seine Marktkenntnisse oder an seine gewerblichen oder handwerklichen Erfahrung anknüpft oder wenn kommerzielle Gesichtspunkte in den Vordergrund treten. Eine freiberufliche Tätigkeit liegt dagegen vor, wenn der Gutachter auf der Grundlage von Disziplinen, die an Hochschulen gelehrt werden, und nach sachlichen und objektiven Gesichtspunkten eine qualifizierte Tätigkeit ausübt, die der Lösung schwieriger Streitfragen dient.
  • KfZ-Sachverständiger als Gutachter für Unfallschäden ist freiberuflich tätig, sofern er Ingenieur ist, ansonsten gewerblich (BFH I R 109/77)
  • Schönheitssalon
  • Schriftsteller im Selbstverlag ist Gewerbetreibender (BFH IV B 15/00, BFH/NV 01 Seite 1280); ansonsten siehe selbständige Tätigkeit.
  • Sprachheilpädagoge, soweit keine Zulassung nach dem Logopäden- oder Heilpraktikergesetz; unter Umständen kann er aber auch eine unterrichtende (freiberufliche) Tätigkeit ausüben.
  • Stuntman, i.d.R. nicht freiberuflich (FG München EFG 04, Seite 333)
  • Übersetzungsbüro-Inhaber , der selbst nicht über Kenntnisse der Sprachen verfügt, in die oder aus denen innerhalb des Geschäftsbetriebs (durch Angestellte) übersetzt wird
  • Unternehmensberater: Vgl. Anmerkungen zum Betriebs- und Volkswirt. Gewerbliche Tätigkeit liegt dann bei weitergehender Spezialisierung vor. Es gibt zahlreiche Rechtsprechungsbeispiele für gewerbliche Einkünfte: Marktforscherberater, Berater für Dienstleistungsproduktion, Outplacement-Berater, Projektmanager etc. Freiberuflich, wenn als beratender Betriebs- oder Volkswirt aufgrund Ausbildung oder Selbststudium.
  • Vermittlungsberatung, Vermittlung von Arbeitnehmern an den jeweiligen Auftraggeber nach Erstellung eines Anforderungsprofils für die jeweils zu besetzende Stelle (BFH-Urteil vom 19.09.2002), Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen durch gesetzliche Krankenkassen, wenn die Tätigkeit mit einem Aufwendungsersatz für die Krankenkasse verbunden ist.
  • Versicherungsberater (BFH IV R 19/97)
  • Versicherungsmakler (VG Greifswald vom 27.2.2006 - 4 D 177/06)
  • Werbeberater wie PR-Berater, die Tätigkeit ist in der Regel weder künstlerisch noch diejenige eines beratenden Betriebswirtes
  • Werbefotografie, i.d.R. gewerblich; zur gewerblichen Mitwirkung siehe BFH IVR 1/97 XI R 71/97
  • Werbeträger, Fußballer, der aufgrund eines Sportvertrages an Promotionstätigkeiten des DFB teilnimmt, auch wenn er über seinen Verein Arbeitslohn erhält (BFH X R 14/10)
  • Yogaschule
  • Zahntechnisches Labor
  • Zolldeklarant.

ABC der freien Berufe / selbstständigen Arbeit (§ 18 Einkommensteuergesetz)

Folgende Tätigkeiten zählen in der Regel zu den freien Berufen (Einkommensteuerrichtlinien H 15.6 a)):
  • Altenpfleger, soweit nie hauswirtschaftliche Versorgung der Patienten erfolgt (BMF vom 22.10.2004)
  • Architekt, aber Gewerbe, wenn ein Architekt als Ingenieur schlüsselfertige Gebäude errichten lässt. Dann sind seine Einkünfte auch insoweit gewerblich, als er Ingenieur- oder Architektenleistungen erbringt (BFH-Urteil vom 18.10.2006 - IX R 10/06). Der Betrieb eines Planungs- und Bauleitungsbüro begründet eine freiberufliche, architekturähnliche Tätigkeit nur dann, wenn sie in ihren wesentlichen Elementen dem Architektenberuf gleichwertig ist (BFH-Urteil vom 11.08.1999 (XI R 47/98)).
  • Arzt, betreibt dieser eine Privatklinik, liegt in diesem Bereich eine gewerbliche Tätigkeit vor, soweit die Klinikleistung einerseits und die ärztlichen Leistungen andererseits getrennt abgerechnet werden (BFH-Urteil vom 02.10.2003 (IV R 48/01))
  • Bauingenieur, soweit beratend tätig
  • Baustatiker(BFH IV R 185/71)
  • Beratender Volks- und Betriebswirt: der beratende Volks- und Betriebswirt muss Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre erworben haben, diese fachliche Breite auch in seiner praktischen Tätigkeit einzusetzen in der Lage sein und davon auch tatsächlich Gebrauch machen. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob die Kenntnisse durch ein Hochschul-Studium erworben wurden oder auf Selbst-Studium beruhen. Eine gewisse Spezialisierung in der Berufstätigkeit ist unschädlich, solange diese sich wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich erstreckt, wie z.B. Produktion, Absatz, Investition und Finanzierung oder betriebliches Rechnungswesen. Bei weitergehender Spezialisierung, z.B. auf Werbeberatung, liegt gewerbliche Tätigkeit vor. Betriebs- und Unternehmensberater, die auch das Coaching in ihrer breit gefächerten Allgemeinpraxis mit abdecken, sind beratend und damit freiberuflich tätig. Zur Abgenzung mit gewerblich tätigen Unternehmensberatern gibt es zahlreiche Urteile des Bundesfinanzhofs. Die EDV-Beratung ist ein eigenständiger Beruf und damit auch bei Ausübung durch einen Diplom-Kaufmann nicht der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts ähnlich (vgl. Einzelheiten unter EDV-Berater).
  • Berufsbetreuer, Betreuer im Sinne des § 1856 BGB, hauptberuflich: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinen Urteilen vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09 und VIII R 14/09 Einkünfte von berufsmäßigen Betreuern und Verfahrenspflegern als nicht gewerblich behandelt. Berufsbetreuer sind von Amts wegen bestellte Betreuer zur Besorgung der Angelegenheiten von psychisch Kranken oder geistig, körperlich oder seelisch Behinderten. In seiner Pressemitteilung weist der BFH daraufhin, dass er mit diesen Urteilen seine bisherige Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 4. November 2004 IV R 26/03) zur Qualifikation der Einkünfte von berufsmäßigen Betreuern und Verfahrenspflegern als gewerbliche Einkünfte geändert hat und daran nicht mehr festhält. Achtung: Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. Februar 2013 entschieden, dass Rechtsanwälte, die sich neben ihrem Anwaltsberuf als Berufsbetreuer betätigen, verpflichtet sind, die Betreuertätigkeit als Gewerbe anzumelden. Wie sich dieses Urteil auf die Gewerbesteuerpflicht der Berufsbetreuer auswirkt, ist noch nicht geklärt.
  • Bildberichterstatter
  • Biologe
  • Buchprüfer, vereidigt
  • Bücherrevisor, vereidigt
  • Coach, wenn selbständige Unternehmensberater sich darauf - beschränkend - spezialisieren, seminarmäßig für Unternehmen tätig zu werden, um deren Mitarbeitern, soweit sie Vorgesetzte sind, die Fähigkeit des Coachings zu vermitteln, können sie unterrichtend tätig sein (FG Nürnberg, Urteil vom 15.1.2003, DStREE 10/2003). Aber siehe auch unter gewerblichen Tätigkeiten.
  • Consultant, soweit er mit der Überwachung der Geschäftsführung einer Gesellschaft ähnlich einem Aufsichtsratsmitglied betraut ist; nimmt er dagegen im Wesentlichen Aufgaben der Geschäftsführung selbst wahr, erzielt er gewerbliche Einkünfte (BFH-Urteil vom 28.08.2003 (IV R 1/03))
  • Designer
  • Dolmetscher
  • EDV-Berater, die Rechtsprechung hat sich in diesem Bereich geändert, so dass jetzt folgendes gilt: soweit er Hardware, Systemsoftware oder Anwendersoftware (siehe BFH Urteil vom 04.05.2004 – Az. XI R 9/03) entwickelt, ist er freiberuflich tätig. Dies ist ein dem Ingenieur (Katalogberuf der freien Berufe) ähnlicher Beruf. Dies gilt sowohl für den Hochschulabsolventen (Dipl.-Informatiker oder vergleichbare naturwissenschaftliche Ausbildung) als auch für den Autodidakten, der den Nachweis entsprechender theoretischer Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeiten erbringt; aber gewerblich: selbständige EDV-Beratung in Form der Anwenderbetreuung (BFH-Urteil vom 24.08.1995 (IV R 60,61/91))
  • EDV-Consulting und Software Engineering und Systemadministration: Nach zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. September 2009 können EDV-Consulting und Software Engineering (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 44 KB) sowie Systemadministration (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 38 KB) als freiberufliche Tätigkeiten nach § 18 Abs. 1. Einkommensteuergesetz angesehen werden. Im ersten Fall handelt es sich mit Vorinstanz des Finanzgerichts Münster um einen Autodidakten, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, und der Betriebs- und Datenübertragungssysteme einrichtet und betreut. Im zweiten Fall hat der BFH im Hinblick auf ein Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zugunsten eines als Systemadministrator tätigen Diplom-Ingenieur für technische Informatik entschieden.
  • Ergotherapeut (BMF BStBl I 04, 1030)
  • Fahrschule, grundsätzlich unterrichtende Tätigkeit, wenn eigenverantwortlich; gewerblich: wenn der Inhaber einer Fahrschule keinen Fahrlehrerschein besitzt.
  • Fremdenführer (BFH BSTBl II 1986, Seite 851)
  • Hebamme
  • Heilpraktiker, sofern darüber hinaus Waren (z.B. Pflegemittel o.ä.) an die Patienten oder Dritte entgeltlich abgegeben werden, liegt in diesem Bereich gewerbliche Tätigkeit vor.
  • Handelschemiker
  • Ingenieur, aber Gewerbe: Herstellung, Bearbeitung oder Vertrieb von Waren
  • Innenarchitekt, aber Gewerbe: Absatzvermittlung, z.B. Vermittlung des Absatzes von Möbeln (BFH I R 204/81)
  • Insolvenzverwalter, auch wenn dieser seine Aufgaben von Mitarbeitern erledigen lässt. Voraussetzung ist jedoch, dass er die zentralen Aufgaben des Insolvenzverfahrens selbst erledigt, sowie die zentralen Entscheidungen selbst trifft (BFH 15.10.2010)
  • Interviewer, bei statistischen Erhebungen sonstige selbständige Tätigkeit nach Finanzministerium Niedersachsen StEK LStDV § 4 Nr 172)
  • Journalist, wenn er Urheberrechte an seinen Werken erlangt und diese verwertet
  • Kameramann bei eigenverantwortlicher Erstellung des Bildmaterials im Sinne des Bildberichterstatters (BFH-Urteil XI R 8/00 BStBl II 2002, Seite 478); beim Film mitwirkender Kameramann kann künstlerisch tätig sein (BFH-Urteil IV R 196/72 BStBl II 1974, Seite 383).
  • Kindertagespflege (Familienhelferin, Tagesmutter): Einzelheiten siehe BMF-Schreiben vom 24. 5. 2007; nicht dem Heilberuf ähnlich, aber erzieherische Tätigkeit
  • Krankengymnast, sofern Waren oder Erzeugnisse (z.B. Massageöl, Prothesen) über den Rahmen der eigenen Heilbehandlung hinaus an Patienten oder Dritte entgeltlich abgegeben werden, liegt jedenfalls diesbezüglich gewerbliche Tätigkeit vor.
  • Krankenpfleger, dieser ist freiberuflich tätig, wenn er Leistungen der häuslichen Kranken-/Altenpflege erbringt und dabei selbst gegenüber jedem Patienten pflegerisch tätig wird; Leistungen der häuslichen Pflegehilfe führen zu gewerblichen Einkünften (BFH-Urteil vom 22.01.2004 (IV R 51/01)); Betreiber eines häuslichen Pflegedienstes sind gewerblich tätig, wenn sie ihren Auftraggebern eine einheitliche Leistung schulden, die nicht nur die eigentliche medizinische Betreuung umfasst, sondern auch die hauswirtschaftliche Versorgung der Patienten (BFH-Urteil vom 18.05.2000 (IV R 89/99)); eine Körperschaft, die ein Alten- und Pflegeheim betreibt ist nicht gewerbesteuerpflichtig, wenn die Überschüsse ausschließlich aus entgeltlichen Leistungen resultieren, die gegenüber den Benutzern bzw. Bewohnern erbracht wurden (FG Bremen 3 K 51/09). Das gilt jedoch nicht für die Gewinnabführung einer Tochtergesellschaft, wenn diese ausschließlich Dienstleistungen für den Heimbetrieb erbringt (BFH I R 41/09).
  • Künstler, bei der Beurteilung der Tätigkeit eines Steuerpflichtigen ist nicht auf ein einzelnes Werk abzustellen, sondern auf die Tätigkeit während des ganzen Veranlagungszeitraumes. Veräußert ein Künstler (Maler) seine eigenen Werke, erzielt er in der Regel Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Aber Veräußerung fremder Werke wird als Kunsthandel und Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt. Unterscheidung zweckfreie Kunst und Gebrauchskunst: Haben die Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchszweck (freie Kunst), wie diejenige der Maler, Musiker oder Komponisten, wird auf Prüfung (Gutachter) der ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet, wenn den Werken nach allgemeiner Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann. Künstlerische Tätigkeiten, deren Arbeitsergebnisse einen praktischen Nützlichkeits- bzw. Gebrauchszweck (z.B. Gebrauchsgraphiker, Modezeichner, Werbefotograf, Redner) haben, sind als selbständige Tätigkeiten anzusehen, wenn sie auf einer eigenschöpferischen Leistung beruhen, das heißt auf Leistungen, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise widerspiegelt und wenn die Arbeitsergebnisse eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Ein gewerblicher Verwendungszweck schließt die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit nicht aus, wenn der Kunstwert den Gebrauchswert übersteigt, z.B. bei Design von Beleuchtungskörpern, Entwurf von Modellkleidern. Eine gewerbliche Tätigkeit liegt vor bei Serienprodukten des Künstlers oder bei eigenem Vertrieb der Serienprodukte; ebenso: werbeaktiv, z.B. Mitwirkung an Werbefilm ohne eigenschöpferische Leistung, Überlassen von Fotos u.ä.; ebenso erzielen Schauspieler, die ihre Bekanntheit zur Produktwerbung einsetzen, insoweit gewerbliche Einkünfte.
  • Ladungssachverständiger (Schiffssachverständiger): freiberuflich tätig, soweit sie einem Schffbauingenieur vergleichbare Fachkenntnisse beisitzen und und überwiegend eine diese Kenntnisse erfordernde Tätigkeit (Gutachten, Besichtigungsberichte) ausüben; überwiegt die Erstellung von Schaenstaxen, ist die Tätigkeit gewerblich.
  • Lehrer, Musikunterricht und Privatunterricht im Sinne der Privatschulgesetze. Gewerblich: z.B. bei Reitlehrern, die einen Reiterhof (mit Beherbergung und Beköstigung) betreiben, sowie Tanzlehrer, die in der Tanzschule z.B. auch Getränke verkaufen.
  • Logopäde, wenn er seine Tätigkeit mit Erlaubnis nach dem Logopädengesetz ausübt.
  • Lotse
  • Maler (Kunstmaler)
  • Marketingberater, ob er als beratender Betriebswirt (siehe oben) und damit freiberuflich tätig ist, ist im Einzelfall zu prüfen (siehe verschiedene Urteile, z. B. BFH XI B 205/95); Marketing- und Unternehmensberater sowie Managementtrainer mit einer Ausbildung als Industriekaufmann ist dem beratenden Betriebswirt nicht ähnlich (BFH XI B 205/95).
  • Marktforscher, ist zwar nicht dem beratenden Betriebswirt ähnlich, jedoch unter Umständen wissenschaftlich tätig (BFH IV R 61/92)
  • Masseur: die Tätigkeit eines Heilmasseurs, der staatlich geprüft bzw. anerkannt ist, zu den Krankenkassen zugelassen ist und der amtsärztlichen Aufsicht untersteht, wird als freiberufliche Tätigkeit anzusehen sein. gewerblich: Pflegerische und vorbeugende Behandlung von Gesunden (z.B. Sport-, Schönheitsmassagen; Fußreflexzonenmassage)
  • Moderator bei Fortbildungsveranstaltungen (FG München EFG 2000, Seite 130)
  • Musiker/ Musikkapelle, soweit künstlerisch; ausschlaggebend ist die jeweilige Gestaltungshöhe (BFH Urteil von 1983; BStBl II 1983, Seite 7)
  • Notar
  • Patentanwalt
  • Psychotherapeut/Psychologe mit ärztlicher Ausbildung
  • Rechtsanwalt, Rechtsbeistand: kann freiberuflich sein, wird dieser als Verfahrenspfleger oder Insolvenzverwalter tätig, ist dies nach neuer, geänderter Rechtsprechung des BFH als freiberufliche Tätigkeit einzustufen (VIII R 14/06 und VIII B 179/07)
  • Restaurator, freiberuflich tätig bei Gemälden usw., nicht jedoch bei Gebrauchsgegenständen (strittig), wissenschaftlich, wenn Hochschulausbildung und Erstellen von Gutachten und Veröffentlichungen
  • Rettungsassistent (BMF BStBl I 04, 1030)
  • Schriftsteller; aber Schriftsteller im Selbstverlag Gewerbetreibender
  • Statist
  • Steuerberater
  • Steuerbevollmächtigter
  • Tierarzt
  • Tontechniker, der aus Darbietungen einzelner Musiker ein bestimmtes Klangbild herstellen soll
  • Trainer, grundsätzlich unterrichtende Tätigkeit, jedoch nicht bei Unterricht an Tieren
  • Übersetzer
  • Umweltberater, nur dann einem beratenden Betriebswirt ähnlich, wenn bei ausreichender Vorbildung zumindest ein Hauptbereich der BWL den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bildet; Umwelt-Auditor dem Handelschemiker ähnlich
  • Unternehmensberater, freiberuflich wenn beratender Betriebs- oder Volkswirt auf Grund Ausbildung oder Selbststudium (Nachweis der Vorbildung - Gutachten/Wissensprüfung)
  • Verfahrenspfleger, siehe Rechtsanwalt
  • Vermessungsingenieur
  • Versicherungsmathematiker
  • Visagist, kann künstlerische Tätigkeit ausüben (FG Hamburg Urteil vom 19.08.1992 - III 374/88): Eine Visagistin, die für Modejournale oder gewerbliche Auftraggeber Fotomodelle für Fotoaufnahmen schminkt und frisiert, dabei im Team bestehend aus Fotograf und Modestylisten zusammenwirkt, ohne bei ihrer Arbeit konkreten Weisungen bezüglich Schmink- und Frisierstylings zu unterliegen, kann eine künstlerische Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben. Für die Einstufung der Tätigkeit als künstlerisch ist erforderlich, dass die Arbeit nicht bloß das Produkt handwerksmäßig erlernt bzw. erlernbarer Tätigkeiten darstellt, dass der Visagistin im Rahmen des von den Auftraggebern vorgegebenen Rahmens Raum für eine eigenschöpferische Tätigkeit verbleibt und die Werke den Stempel ihrer Persönlichkeit tragen.
  • Webdesigner, kann freiberuflich sein; evtl. künstlerisch
  • Werbeschriftsteller (-texter). Schriftsteller, wenn Text Produkt origineller eigener Gedankenarbeit
  • Wirtschaftsprüfer
  • Wissenschaftler
  • Zahnarzt, sofern darüber hinaus Waren (z.B. Zahnprothesen) an Patienten oder Dritte entgeltlich abgegeben werden, liegt jedenfalls diesbezüglich gewerbliche Tätigkeit vor.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: März 2013
Arbeitsrecht

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

1. Wer muss das Gesetz beachten?

Das Gesetz verpflichtet die Arbeitsgeber und Arbeitgeberinnen. Bei der Arbeitnehmerüberlassung gelten auch die Entleiher als Arbeitgeber (§ 6 Abs.2 AGG). Allerdings kann auch eine Benachteiligung durch andere Beschäftigte eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen, die unter Umständen Schadens- oder Entschädigungersatzpflichten auslöst (§ 7 Abs.3 GG).

2. Ziel und Schutzbereich des AGG

Durch das Gesetz werden die Beschäftigten geschützt (§ 6AGG). Danach ist es verboten, Menschen aufgrund von bestimmten Merkmalen, die in Ihrer Person liegen, zu benachteiligen. Bereits in Artikel 3 des Grundgesetzes ist die Gleichheit der Menschen festgestellt und insbesondere die Gleichheit von Männern und Frauen hervorgehoben. Der Gesetzgeber wollte mit dem AGG diesen Gleichheitssatz ausweiten. Das AGG normiert, dass niemand wegen
  • Rasse oder ethnischer Herkunft,
  • Geschlecht,
  • Religion oder Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter oder
  • sexueller Identität
  • diskriminiert werden darf.
Zu dem geschützten Personenkreis im Sinne von § 6 AGG gehören:
  • Arbeitnehmer/innen
  • Auszubildende
  • Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, einschließlich Heimarbeiter/innen und disen Gleichgestellte
  • Bewerber/innen für ein Beschäftigungsverhältnis
  • ehemalige Beschäftigte
  • selbstständige und Organmitglieder, inbesondere Geschäftsführer/innen und Vorstände,soweit es um den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg geht.
Der Schutzbereich des Gesetzes erfasst im Bereich des Arbeitsrechtes vor allem die Arbeitnehmer. Sie sollen vor Benachteiligungen im Arbeitsalltag durch ihren Arbeitgeber geschützt werden. Aber auch diskriminierendes Verhalten der Arbeitnehmer untereinander ist verboten. Gleiches gilt für diskriminierendes Verhalten von Kunden und sonstigen Dritten.
In den Schutzbereich sind ausdrücklich auch Bewerber im Auswahlverfahren für eine ausgeschriebene Stelle einbezogen. Für sie gelten dieselben Regelungen wie für bereits eingestellte Mitarbeiter.

3. Benachteiligungsmerkmale

Entscheidend ist das Verständnis für die im Gesetz verwendeten Begriffe. Dabei lassen sich folgende Definitionen festhalten:
  • Rasse und ethnische Herkunft bezeichnen fremdländische Herkunft oder Abstammung. Trotz der (historisch bedingten) negativen Besetzung des Begriffes „Rasse” hat dieser Ausdruck Eingang in das Gesetz gefunden, da hier die Umsetzung der Brüsseler Anti-Rassismus-Richtlinie deutlich werden sollte.
  • Bei dem Begriff Geschlecht ist die Diskriminierung von Frauen und / oder Männern aufgrund deren Geschlechtszugehörigkeit gemeint
  • Religion oder Weltanschauung bezeichnen die Freiheit des Glaubens und des weltanschaulichen Bekenntnisses. Hierbei ist zu beachten, dass es keine Pflicht zur Offenbarung der religiösen Weltanschauung gibt.
  • Behinderung liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder seelischen Gesundheit – nicht bloß vorübergehend, d.h. länger als sechs Monate - von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Bedingt dadurch muss die Teilnahme des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein. Der Begriff der Behinderung erfasst auch Behinderte mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50%, die nicht Schwerbehinderten gleichgestellt sind.
  • Alter bezeichnet das Lebensalter und soll eine Gleichbehandlung von Alt und Jung bezwecken. Dabei steht der Schutz von Älteren gegenüber Jüngeren dem Schutz von Jüngeren gegenüber Älteren gleichwertig gegenüber.
  • unter dem Begriff der sexuellen Identität bezieht sich der Gesetzgeber auf homosexuelle, bi- und transsexuelle , sowie zwischengeschlechtliche Menschen (Hermaphroditen).

4. Geltungsbereich

Das AGG gilt damit für alle Beschäftigten von der Einstellung über die Durchführung des Arbeitsverhältnisses, z.B. Vergütung, Arbeitsbedingungen bis zur Beendigung und darüber hinaus.
Das AGG stellt fest, dass für Kündigungen die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften gelten ( § 2 Abs. 4 AGG). Dies sind zum einen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - für Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern - und das von der Rechtsprechung anerkannte Willkürverbot (§ 242, 138 BGB) für Betriebe, die nicht unter das KSchG fallen. § 2 Abs. 4 AGG steht allerdings in Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 und ist wohl ein Verstoß gegen die dem Gesetz zugrundeliegende EU-Richtlinie.
Das bedeutet, dass eine sozial gerechtfertigte Kündigung oder eine nicht willkürliche Kündigung grundsätzlich keine verbotene Ungleichbehandlung im Sinne des AGG darstellen. Bei Kündigungen kann ohnehin meist schwerlich eine Ungleichbehandlung vorliegen, da es regelmäßig an einem Vergleichsfall fehlt. Dennoch sollten Kündigungen daraufhin untersucht werden, ob in den Kündigungsgründen durch das AGG verbotene Benachteiligungen enthalten sind. Drängt sich nämlich der Verdacht auf, dass sich hinter einer an sich sozial gerechtfertigten Kündigung tatsächlich eine verbotene Benachteiligung verbirgt, kann dass AGG wieder eingreifen.
Dies sind zum einen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) - für Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern - und das von der Rechtsprechung anerkannte Willkürverbot (§ 242, 138 BGB) für Betriebe, die nicht unter das KSchG fallen. § 2 Abs. 4 AGG steht allerdings in Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 und ist wohl ein Verstoß gegen die dem Gesetz zugrundeliegende EU-Richtlinie.
Nach § 2 Abs. 2 S. 2 AGG gilt für die betriebliche Altersvorsorge das Betriebsrentengesetz. Nach einer Entscheidung des BAG von Dezember 2007 gilt das AGG auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält.

5. Benachteiligung und Benachteiligungsverbot

Das Gesetz erstreckt die Ungleichbehandlung auf vier Verhaltensweisen, die mit den Begriffen unmittelbare Benachteiligung, mittelbare Benachteiligung, Belästigung und sexuelle Belästigung bezeichnet werden.
Dabei versteht der Gesetzgeber unter der unmittelbaren Benachteiligung die weniger günstige Behandlung im Vergleich zu einer anderen Person. Dazu kann beispielsweise die Ungleichbehandlung einer Frau wegen ihrer Schwangerschaft zählen.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn anscheinend neutrale Vorschriften geeignet sind, eine weniger günstige Behandlung für eine Person herbeizuführen, es sei denn, der Vorschrift liegt ein rechtmäßiges Ziel als sachliche Rechtfertigung zu Grunde. Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts ist beispielsweise die Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten, da es überwiegend Frauen sind, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.
Die Belästigung ist eine unerwünschte Verhaltensweise, die bezweckt, dass die Würde einer Person verletzt wird. Belästigungen können zum Beispiel durch Beleidigungen, Verleumdungen oder körperliche Übergriffe geschehen. Neben dem AGG können – je nach Intensität der Belästigung - auch noch andere Gesetze einschlägig sein. Das Allgemeine Zivilrecht für Schadenersatzansprüche und das Strafrecht für die Ahndung solchen Verhaltens bieten beispielsweise weiteren Schutz.
Die sexuelle Belästigung ist dem Sinne nach eine Belästigung, die sich auf der geschlechtlichen Ebene abspielt, sei es durch Bemerkungen sexuellen Inhaltes, Berührungen oder die Zurschaustellung von Pornographie. Ein Beispiel ist das in der Werkstatt gut sichtbar angebrachte Centre-Fold eines Herren-Magazins.
Diesen vier Verhaltensweisen stellt der Gesetzgeber die Anweisung zur Benachteiligung gleich. Nachfolgend wird - zur Vereinfachung - nur noch von Benachteiligungen die Rede sein.

6. Pflichten des Arbeitgebers

Nicht bloß aktives Handeln kann einen Benachteiligungstatbestand erfüllen. Benachteiligungen können auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Arbeitgeber und Vorgesetzte haben deshalb die Pflicht, einzuschreiten, wenn sie von benachteiligendem Verhalten Kenntnis erlangen.
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, diskriminierendes Verhalten seiner Mitarbeiter unter einander zu unterbinden. Darüber hinaus trifft ihn auch die Pflicht, bei Benachteiligungen durch Dritte geeignete Maßnahmen hiergegen zu treffen. Im Einzelnen bedeutet das:
  • Einrichtung einer Beschwerdestelle im Betrieb (§ 13 AGG) z.B Personalchef oder Betriebsratvorsitzender
  • Bekanntmachung der Gesetzestexte (AGG, § 61b ArbGG sowie der Beschwerdestelle durch Aushang, Auslegen oder durch den Einsatz der im Betrieb üblichen Kommunikationsrechnik ( § 12 Abs. 5 AGG)
  • Treffen dvorbeugender Maßnahmen. Mit der Durchführung einer Mitarbeiterschulung gilt die Vorbeugepflicht als erfüllt (§ 12 Abs.1, 2 AGG)
  • bei Benachteiligungen durch andere Beschäftigte oder Dritte die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriffen werden (§ 12 Abs. 3  und 4 AGG), z.B. Abmahnung, Umsetzung oder Kündigung

7. Ausnahmen zu dem Verbot der Ungleichbehandlung - Rechtfertigung

Das AGG sieht Ausnahmetatbestände für die allgemeine Gleichbehandlung vor.
Solche Ausnahmen können sich aus den beruflichen Anforderungen, der Religion(§ 8 AGG), der Religion oder der Weltanschauung (§ 9 AGG) oder dem Alter (§ 10 AGG) ergeben. Ausnahmetatbestände dieser Art sind stets von einer sachlichen Rechtfertigung abhängig.
Lautet etwa eine Stellenanzeige: „Sichere Deutschkenntnisse in Wort und Schrift werden vorausgesetzt”, kann dies bei der Ausschreibung für die Stelle als Redakteur einer Zeitung ein zulässiges Auswahlkriterium sein. Die Notwendigkeit ergibt sich vorliegend aus den beruflichen Anforderungen, § 8 AGG. Für einen Verkaufshelfer oder einen Packer dürfte die Anforderung dagegen eine unzulässige Benachteiligung wegen rassischer oder ethnischer Zugehörigkeit darstellen.
Ebenso dürfte ein gehbehinderter Mensch für die Anstellung als Dachdecker ausgeschlossen werden, da dort die Fähigkeit, sich sicher und zügig auf Gerüsten oder Dächern zu bewegen, für die Ausübung seiner Berufstätigkeit zwingend erforderlich ist.
Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften ist es erlaubt über die Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selber zu entscheiden. Aus diesem Grund darf zum Beispiel ein evangelisch-lutherischer Kindergarten bei der Einstellung eines neuen Erziehers einen römisch-katholischen Bewerber ablehnen. Etwas anderes gilt etwa für die Einstellung eines buddhistischen Gärtners, da dessen religiös-weltanschauliche Ausrichtung für seine Arbeit ohne Belang ist.
Beim Abschluss von Versicherungsverträgen ist eine unterschiedliche Behandlung der Versicherungsnehmer bei Prämien und Leistungen nur zulässig, wenn diese Ungleichbehandlung auf einer aufgrund relevanter und genauer versicherungsmathematischer und statistischer Daten ermittelter Risikobewertung beruht. Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen allerdings auf keinen Fall zu unterschiedlichen Leistungen oder Prämien führen.
Weiterhin hat das BAG entschieden, dass der Ausschluss eines männlichen Bewerbers für eine Tätigkeit in einem Mädcheninternat, die auch mit Nachtdiensten verbunden ist, zulässig ist. 2010 hat das BAG geurteilt, dass ein männlicher Bewerber, der aufgrund seines Geschlechts nicht in die Bewerberauswahl für die zu besetzende Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten einbezogen wurde, nicht unzulässig wegen seines Geschlechts benachteiligt wird, wenn zur Erbringung eines Tels der Tätigkeit das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist (Integrations mit zugewanderten muslimischen Frauen).

8. Rechtsfolgen einer unzulässigen Benachteiligung

Beweislast: Abweichend von den allgemeinen Beweislastregeln muss der Beschäftigte oder die Beschäftigte lediglich Indizien darlegen, die eine Benachteiligung wegen eines der genannten Benachteiligungsmerkmale vermuten lassen (z.B. diskriminierende Stellenausschreibung, entsprechende Bemerkungen im Vorstellungsgespräch). Der Arbeitsgeber trägt sodann die volle Beweislast dafür, dass entweder keine Benachteiligung nach dem AGG vorliegt oder diese wegen der §§ 8-10 AGG gerechtfertigt ist.
Beschwerderecht: Benachteilige können sich bei der zuständigen Stelle des Betriebes formlos beschweren. Welche Stelle im Betrieb zuständig ist, kann der Arbeitgeber festlegen. Er muss die Beschäftigten davon in Kenntnis setzen. Der Arbeitgeber darf selbstverständlich den Beschäftigten nicht wegen der Inanspruchnahme des Beschwerderechts benachteiligen.
Leistungsverweigerungsrecht: Im Falle iner Belästigung oder sexuellen Belästigung hat der oder die Beschäftigte das Recht zur Arbeitsverweigerung unter Entgelfortzahlung, sodern der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Belästigung ergriffen hat.
Schadensersatz bzw. Entschädigung: Weiterhin steht dem Anspruchssteller ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vetreten hat. Vertrten müssen ist gegeben, bei:
  • eigenem Verschulden, d.h. bei Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB),
  • Verschulden von Organmitgliedern, z.B. des Geschäftsfürhrers ( § 31 BGB),
  • Verschulden von Erfüllungsgehilfen, z.B. Vorgesetzen (§ 278 BGB)
Zu den materiellen Schäden gehören hierbei alle Vermögensschäden, z.B. ein durch die Diskriminierung entgangener Lohn oder die Rechtsanwaltskosten. Der Schadensersatzanspruch ist der Höhe nach nicht begrenzt.  Für Schäden die einen immateriellen Schaden darstellen, also keine Vermögensschäden sind, kann der oder die Benachteiligte ebenfalls eine angemessene Entschädigung verlangen. Dieser Anspruch besteht neben einem evtl. Schadensersatzanspruch. Die Entschädigung darf bspw. bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Ansonsten gibt es keine Höchstgrenzen. Schadensersatz und Entschädigung müssen binnen zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn es liegen tarifvertraglich andere Vereinbarungen vor. Die Frist beginnt bei einer Bewerbung oder Beförderung mit dem Zugang der Ablehnung. In allen anderen Fällen gilt Sie mit der Kenntniserlangung von der Benachteilgigung. Die Klagefrist für die Geltendmachung der Entschädigung beträgt grundsätzlich drei Monate nach schriftlicher Geltendmachung, § 61b  Abs. 1 ArbGG. Werden die Fristen versäumt, entfällt der Anspruch.
Als Rechtsfolgen drohen weiterhin  Unterlassungs- und Verpflichtungsansprüche, die von dem angerufenen Gericht festgestellt werden können.Unternehmen müssen deswegen Ihre Arbeitsweise umstellen und bereits vor künftigen unternehmerischen Entscheidung umdenken.
Keine Pflicht zum Vertragsabschluss: Ein Verstoß gegen das Benachtieiigungsverbot begründet keinen Kontrahierungszwang. Der Anspruchssteller hat also keinen Anspruch auf eine Begründung eines Beschäftigtenverhältnisses. Nach dem AGG kann sich daher kein abgelehnter Bewerber auf eine Stelle im Betrieb einklagen, für die ein anderer ausgewählt wurde.

9. Umdenken bei der Einstellung von Bewerbern

Um im gerichtlichen Verfahren eine Chance zu haben, sollten Unternehmen rechtzeitig vorsorgen.
Der Arbeitgeber sollte sich vor einem Einstellungsgespräch einen genau ausgearbeiteten Fragenkatalog zusammenstellen, der ausschließlich Fragen beinhaltet, die für die unternehmerische Entscheidung über Zusage oder Absage erforderlich sind. Die Fragen dürfen weder zu detailliert, noch zu intim sein. So vermeiden Sie, dass im Bewerbungsgespräch Tatsachen erfragt werden, die Rückschlüsse auf bestimmte geschützte Merkmale der Person zulassen. Haben sie von vornherein keine Kenntnis von diesen Tatsachen, kann Ihnen später nicht der Vorwurf gemacht werden, Sie hätte einen Bewerber aufgrund eines solchen Merkmales abgelehnt. Es empfiehlt sich weiter, bei Bewerbungsgesprächen Zeugen hinzuzuziehen und ein Protokoll über den Gesprächsverlauf anzufertigen. Dies erleichtert später auch die Rekonstruktion des Gesprächsverlaufes.
Bei der Absage sollten Sie darauf achten, dass durch deren Formulierung nicht der Verdacht aufkommt, sie hätten sich aufgrund von geschützten Merkmalen des Bewerbers gegen dessen Einstellung entschieden.
Genauso wichtig wie die Beseitigung von Diskriminierung im Bewerbungsverfahren, ist der Schutz von Arbeitgebern vor "Trittbrettfahrern", die sich auf diskriminierende Stellenanzeigen nur zum Schein bewerben, um anschließend den Arbeitgeber auf Schadensersatz zu verklagen.

10. Auswirkungen auf das allgemeine Zivilrecht

Auch außerhalb des Arbeitsrechtes wird das AGG Wirkung entfalten und Diskriminierungsverbote schaffen. So darf zum Beispiel im „Massengeschäft” niemand benachteiligt werden. Als „Massengeschäft” versteht man Geschäfte, die von der Person des Vertragspartners unabhängig sind. Daher darf etwa ein Taxifahrer einen Fahrgast nicht wegen dessen Hautfarbe von der Beförderung ausschließen. Ein Ladenbesitzer darf einen alten oder einen körperbehinderten Menschen nicht wegen dessen Alter oder Behinderung aus seinem Geschäft weisen. Auch Miet- und Versicherungsverträge werden vom AGG betroffen sein, obwohl sie keine „Massengeschäfte” sind.
Ungleichbehandlungen sind nur dort erlaubt, wo sie sozial erwünscht sind und kein Schutzbedarf besteht. Das bedeutet, dass zum Beispiel Schüler – und Seniorenermäßigungen bei Eintrittsgeldern weiterhin erlaubt sind, obwohl sie an sich eine Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellen.

11. Weitere Informationen

Sollten Sie darüber hinausgehende Informationen benötigen, steht Ihnen in unserer Commerzbibliothek die gängige Rechtsliteratur (Gesetzestexte, Kommentare, Entscheidungssammlungen, Periodika) zur Verfügung. Die Commerzbibliothek finden Sie im Erdgeschoß unserer Handelskammer, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg.

12. Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Freitag von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr).
Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Internationales Steuerrecht

Ansässigkeitsbescheinigung

Für was benötigt man eine Ansässigkeitsbescheinigung?

Erzielt ein deutsches Unternehmen Einnahmen im Ausland, stellt sich regelmäßig die Frage, ob diese Einkünfte im Inland oder in dem jeweiligen Ausland zu versteuern sind.
Um eine mehrfache Besteuerung dieser Einkünfte durch die deutschen und die ausländischen Steuerverwaltungen (Doppelbesteuerung) zu vermeiden, hat die Bundesrepublik Deutschland mit einer Reihe anderer Staaten sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen.
Diese sehen besondere Verfahren zur Entlastung (Freistellung bzw. Erstattung) von bestimmten Abzugsteuern auf das erzielte Einkommen einer Person oder einer Gesellschaft vor. Bei diesen Abzugsteuern handelt es sich um eine Quellensteuer, die durch Abzüge von dem erzielten Einkommen unmittelbar bei Erzielen der Einnahmen von dem Staat erhoben werden, in dem diese erzielt werden (Quellenstaat).
In Deutschland hat der Schuldner der Vergütung, die in einem Kalendervierteljahr einbehaltene Steuer, bis zum zehnten Tag des folgenden Monats anzumelden und an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abzuführen.
Besondere Relevanz haben die DBAs hinsichtlich der Quellensteuerbegrenzungen oder -befreiungen bei vereinnahmten Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren oder sonstigen Einkünften.
Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nimmt der Quellenstaat auf der einen Seite die Besteuerung zugunsten des Staates, in welchem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat, zurück oder schränkt die Besteuerung ein. Auf der anderen Seite stellt der Staat, in welchem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat, von seiner Besteuerung frei oder rechnet die auf die Einkünfte entfallende ausländische Steuer auf die von ihm erhobene Steuer an.
Zur Entlastung von der im jeweils anderen Staat erhobenen Quellensteuer haben Steuerpflichtige den dortigen Behörden nachzuweisen, dass die betreffenden Steuern in dem Staat, in dem sie wohnhaft bzw. ansässig sind, abgeführt wurden. Die Voraussetzungen hierfür variieren in den einzelnen Ländern.

Wer bekommt eine Ansässigkeitsbescheinigung?

In Deutschland ansässige Unternehmen

Ausländische Behörden verlangen von in Deutschland ansässigen Unternehmen, die auf Grundlage des jeweiligen DBA die Freistellung bzw. Erstattung von Abzugsteuern beantragen oder auch sonst Umsätze im Ausland erzielen, als Nachweis der Steuerpflicht in Deutschland häufig Ansässigkeitsbescheinigungen. Diese werden von dem zuständigen (Wohnsitz-) Finanzamt ausgestellt.
Sowohl die gängigsten Vordrucke als auch das bundeseinheitliche Muster können auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) abgerufen werden:
Die Ansässigkeitsbescheinigung eines deutschen Finanzamts dient regelmäßig der Anwendung der in den Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Quellensteuerbegrenzungen oder -befreiungen im Rahmen eines Freistellungs- bzw. Erstattungsverfahrens im Ausland, in dem die Abzugsteuer erhoben wird.
Da mit der Erteilung einer Ansässigkeitsbescheinigung aber auch Deutschland als Ansässigkeitsstaat über ausländische Einkunftsquellen informiert wird und dadurch sein Besteuerungsrecht wahrnehmen kann, erwartet das Finanzamt einen Hinweis, für welche Erträge die Bescheinigung benötigt wird.
Teilweise wird von ausländischen Behörden die Erteilung einer Apostille nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden verlangt. Eine Apostille bestätigt die Echtheit einer öffentlichen Urkunde. Diese öffentliche Urkunde muss für die Erteilung der Apostille im Original vorgelegt werden.
Wird von den ausländischen Behörden eine Beglaubigung (Apostille) der vom Finanzamt ausgefertigten Ansässigkeitsbescheinigung verlangt, ist für die von Hamburger Behörden ausgestellten Bescheinigungen das Einwohner-Zentralamt in Hamburg zuständig.

Im Ausland ansässige Unternehmen

Die Feststellung, ob Einkünfte eines ausländischen Unternehmens in Deutschland gemäß § 50a Abs. 1 EStG beschränkt steuerpflichtig sind und ob hierfür Abzugsteuer einzubehalten bzw. abzuführen ist, trifft das für den Vergütungsschuldner (in der Regel der Leistungsempfänger) zuständige Finanzamt. Zuständig für die Abzugsteuerentlastung zugunsten ausländischer Steuerpflichtiger in Deutschland ist hingegen das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Die Entlastung vom deutschen Steuerabzug für im Ausland ansässige Unternehmen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen erfolgt auf Antrag entweder durch Erstattung der bereits abgeführten Steuerbeträge gemäß § 50d Abs. 1 EStG oder – vor Zahlung der Vergütung an den Gläubiger der Vergütung – durch Freistellung vom Steuerabzug gemäß § 50d Abs. 2 EStG.
Für die Antragsstellung sind die auf der Internetseite des BZSt abrufbaren, amtlich vorgeschriebenen Vordrucke zu verwenden. Auch das BZSt verlangt von den ausländischen Unternehmen die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde (§ 50d Abs. 4 EStG).
Weitere Informationen zum Entlastungsverfahren bei Lizenzgebühren und ähnlichen Vergütungen, insbesondere zu den für einzelne Berufsgruppen geltenden Besonderheiten, finden Sie in den Artikeln zur Entlastung von deutscher Abzugsteuer gem. § 50a Abs. 4 EStG sowie Freistellungs- und/oder Erstattungsantrag von deutscher Abzugsteuer gem. § 50d EStG des BZSt.

Wie erhalte ich eine Ansässigkeitsbescheinigung?

Unternehmen beantragen die Ansässigkeitsbescheinigung mit Hilfe folgender Vordrucke beziehungsweise folgenden Mustern des Bundeszentralamt für Steuern.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: November 2023
Umsatzsteuer

Warenlieferungen in der Europäischen Union

Bei Warenlieferungen von einem Mitgliedstaat in der Europäischen Union (EU) in einen anderen Mitgliedstaat der EU ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung zu unterscheiden, ob die Lieferung an einen steuerpflichtigen Unternehmer getätigt wird oder an eine Privatperson bzw. an einen dieser gleichgestellten umsatzsteuerlichen Letztverbraucher.


Lieferungen an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) - hierfür werden die eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und diejenige des Kunden im anderen EU-Mitgliedstaat benötigt - sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei im Herkunftsland und unterliegen im Bestimmungsland beim Empfänger der Lieferung der Erwerbsbesteuerung.
Lieferungen an Privatpersonen sind dagegen umsatzsteuerlich nach anderen Regelungen zu behandeln, da Privatpersonen von der Erwerbsbesteuerung regelmäßig ausgeschlossen sind. Insofern müssen Unternehmen in Deutschland Warenlieferungen an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten in der Regel mit deutscher Umsatzsteuer abrechnen. Allerdings muss sich der Unternehmer beim Überschreiten der länderweise unterschiedlichen Lieferschwelle im Bestimmungsland umsatzsteuerlich registrieren lassen und mit der Umsatzsteuer dieses Staates abrechnen (sogenannte Versandhandelsregelung).
Nach langen Diskussionen um die sogenannte Gelangensbestätigung hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 22. März 2013 die Elfte Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 31 KB) verabschiedet. Hierdurch werden die Nachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen zwischen Unternehmern ab dem 1. Oktober 2013 neu geregelt.

1. Voraussetzungen für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung

Die innergemeinschaftliche (Waren-)Lieferung ist nach § 4 Nr. 1b Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit und wird in § 6a UStG definiert. Danach liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn bei einer Lieferung der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet und der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb des Gegenstandes beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat der Umsatzbesteuerung unterliegt.
Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Sachsen vom 24.05.2011 (Az. 6 K 2176/09) liegt auch in den Fällen des sog. „gebrochenen Transports“, also dann wenn eine arbeitsteilige Lieferung vorliegt, eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor. Dies ergebe sich daraus, dass es keinen Unterschied machen könne, ob der Lieferer den vollständigen Transport übernehme, der Empfänger die Ware abhole oder die Parteien sich den Transport teilten und der Lieferer nur ein Teilstück des Transports innerhalb Deutschlands übernehme.
Tipp: Weitere Informationen entnehmen Sie bitte auch dem Dokument "Umsatzsteuer: Finanzämter für im Ausland ansässige Unternehmen“.
Ein Unternehmer in Deutschland, der Waren von der Bundesrepublik Deutschland aus an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union liefert, ist damit regelmäßig von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Im Einzelnen müssen hierzu folgende Voraussetzungen vorliegen:
  • die gelieferte Ware gelangt in einen anderen EU-Mitgliedstaat und
  • der Abnehmer ist ein Unternehmer (diese Voraussetzung wird durch die Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) eines anderen Mitgliedstaates dokumentiert) und
  • der Abnehmer hat den Gegenstand für sein Unternehmen erworben und
  • der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung, d. h. der Abnehmer ist verpflichtet, in einem anderen EU-Staat die Erwerbsbesteuerung durchzuführen (diese Verpflichtung des Abnehmers wird durch Verwendung der USt-IdNr. eines anderen Mitgliedstaates dokumentiert).
Um die korrekte Anwendung dieser umsatzsteuerrechtlichen Regelung zu gewährleisten, sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, allen betroffenen Beteiligten eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) zu erteilen.
Demnach erhalten Unternehmer, die am innergemeinschaftlichen Handel teilnehmen, für umsatzsteuerliche Zwecke neben ihrer vom zuständigen Finanzamt erteilten Steuernummer zusätzlich eine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.  
Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern für Unternehmer in Deutschland.
Führt ein ausländisches Unternehmen in Deutschland Umsätze aus, unterliegen diese Umsätze ebenso wie bei inländischen Unternehmen der Umsatzbesteuerung in Deutschland. Grundsätzlich muss ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz im Inland für Umsätze, die in Deutschland steuerpflichtig sind, die Umsatzsteuer beim deutschen Finanzamt anmelden, die Steuer abführen und eine Steuererklärung abgeben. Hierfür muss sich das Unternehmen beim zuständigen Finanzamt umsatzsteuerlich registrieren, vgl. dazu das Dokument "Umsatzsteuer: Finanzämter für im Ausland ansässige Unternehmen".
Achtung: Warenlieferungen von Unternehmen in Deutschland an Privatpersonen in anderen EU-Mitgliedstaaten sind in der Regel mit deutscher Umsatzsteuer abzurechnen. Dabei sind allerdings die Lieferschwellen zu beachten.

2. Die Aufgaben der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.)

Anders als die derzeit von den Finanzämtern verwandten Steuernummern ist die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) kein reines Ordnungsmerkmal. Sie hat vielmehr Bedeutung für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels. Das Bundeszentralamt für Steuern kann eine USt-IdNr. deshalb nur an Personen und Personenvereinigungen erteilen, die bei den zuständigen Landesfinanzbehörden umsatzsteuerpflichtig geführt werden.
Die USt-IdNr. dient vorrangig als Hinweis darauf, dass ihr Inhaber Bezüge aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) als innergemeinschaftlichen Erwerb in dem Mitgliedstaat versteuern muss, der ihm diese Nummer erteilt hat.
Unternehmen in Deutschland benötigen die USt-IdNr. ihres Leistungsempfängers, um u.a.
  • zu erkennen, ob sie umsatzsteuerfrei an den Leistungsempfänger liefern können.
  • Ferner müssen sie ihre USt-IdNr. und die des Leistungsempfängers in ihrer Rechnung für eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angeben, um den Pflichten für eine ordnungsgemäße Rechnung nach § 14 und § 14a Umsatzsteuergesetz (UStG) nachzukommen.
  • Schließlich müssen sie die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an einen Leistungsempfänger unter dessen USt-IdNr. in ihren Zusammenfassenden Meldungen angeben.
  • Steuerliche Bedeutung hat die USt-IdNr. des Leistungsempfängers auch als Tatbestandsmerkmal der Regelung des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c und Nr. 4 UStG sowie des § 3b Abs. 3 bis 6 UStG über den Ort bestimmter sonstiger Leistungen.
  • Darüber hinaus kann der Unternehmer anstatt der finanzamtsbezogenen Steuernummer die USt-Idnr. in seinen Rechnungen angeben.
Tipp: Mehr Informationen zum Thema "Rechnungen" bieten wir Ihnen im Dokument "Pflichtangaben in Rechnungen".

2.1 Wie erhält ein Unternehmer eine USt-IdNr.?

Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) kann bei der erstmaligen Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit (Neugründung) schriftlich beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Sofern Sie bereits eine Steuernummer haben, ist der Antrag direkt an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten. Bei einer Neugründung kann die Erteilung der USt-IdNr. beschleunigt werden, wenn dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), Dienstsitz Saarlouis, eine schriftliche Bestätigung des Finanzamtes über die umsatzsteuerliche Erfassung des Antragstellers vorgelegt wird. In eiligen Fällen sollte man das BZSt vorab anrufen und dann schriftlich (Post, Fax, E-Mail) die USt-IdNr. beantragen.
Adresse:
Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)
Dienstsitz Saarlouis
Ahornweg 1-3
66740 Saarlouis
Referat Q 6
Tel.: +49 228 406-1222
Fax: +49 228 406-3801 und -3753

In dem formlosen Antrag sind Name und Anschrift des Antragstellers sowie die Steuernummer, unter der der Antragsteller umsatzsteuerlich geführt wird, anzugeben und das für die Umsatzbesteuerung zuständige Finanzamt zu bezeichnen (§ 27a Abs. 1 Sätze 5 und 6 UStG).
Die Beantragungsdauer hängt davon ab, ob das antragstellende Unternehmen bereits umsatzsteuerrechtlich registriert ist. In diesen Fällen wird eine USt-IdNr. umgehend zugeteilt (max. drei Tage). Sofern eine Neuregistrierung über das Finanzamt erfolgt, kann die Beantragung ab Eingang des Fragebogens unter Beifügung sämtlicher Anhänge vier bis acht Wochen dauern. Um das Verfahren abzukürzen, sollte sich ein Existenzgründer in eiligen Fällen von seinem zuständigen Finanzamt Name, Anschrift, Firmierung sowie die aktuelle Steuernummer, die für die Umsatzsteuer gültig ist, auf einem Schreiben bestätigen lassen und mit diesem Schreiben die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer per Fax (0228/ 406-3801) beim Bundeszentralamt für Steuern, Dienstsitz Saarlouis, beantragen.
Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kann auch online beim BZSt beantragt werden. Hierbei wird über das Formular-Management-System (FMS) des Bundes ein entsprechendes Internet-Formular zur Verfügung gestellt, über das eine vollautomatisierte Beantragung ermöglicht wird. Dazu muss der Antragsteller - je nach Rechtsform des Unternehmens - unterschiedliche Identifikationsmerkmale in das Formular eingeben. Diese werden nach der Übermittlung sofort mit dem vorliegenden Datenbestand des BZSt verglichen und auf Übereinstimmung geprüft. Im Ergebnis erhält der berechtigte Antragsteller unmittelbar und ohne Medienbruch einen entsprechenden Online-Bescheid hinsichtlich der automatisierten Bearbeitung.
Die Bekanntgabe einer neu zugeteilten oder der bereits bestehenden, gültigen USt-IdNr. erfolgt auch bei elektronischer Beantragung jedoch ausschließlich auf dem Postweg an die Anschrift des jeweils betroffenen Unternehmers, die dem Bundeszentralamt für Steuern zur Verfügung steht. Dadurch soll Missbrauch mit der USt-IdNr. vermieden werden. Steuerliche Vertreter können die USt-IdNr. für ihre Mandanten beantragen. Die schriftliche Bekanntgabe der zugeteilten USt-IdNr. erfolgt jedoch auch in diesen Fällen unmittelbar an den Unternehmensinhaber bzw. das Unternehmen selbst. Achtung: Der Online-Dienst steht in der Zeit von 23:00 Uhr bis 05.00 Uhr nicht zur Verfügung. Für die Online-Beantragung sind folgende Daten anzugeben (bitte bereithalten):
  • Finanzamt, das für die Umsatzbesteuerung des Unternehmens zuständig ist.
  • Steuernummer, unter der das Unternehmen umsatzsteuerlich geführt wird (bei Organgesellschaften die Körperschaftsteuernummer)
  • bei Einzelunternehmen sind Name, Vorname und Geburtsdatum des steuerpflichtigen Unternehmensinhabers anzugeben.
  • bei allen anderen Rechtsformen sind Namen des Unternehmens (Firma, ohne Rechtsformbezeichnung), Postleitzahl und Ort (Unternehmenssitz) anzugeben.
Bitte beachten Sie, dass das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zur Verhinderung von missbräuchlicher Beantragung einer USt-IdNr. verpflichtet ist, die in das Formular eingegebenen Daten nach dem Absenden mit dem vorhandenen Adressdatenbestand auf Übereinstimmung zu vergleichen. Das BZSt erhält gemäß § 27a Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes von den zuständigen Landesfinanzbehörden (Finanzämter) die für die Erteilung der USt-IdNr. erforderlichen Daten über die bei ihnen umsatzsteuerlich geführten natürlichen und juristischen Personen und Personenvereinigungen. Um einen größtmöglichen Erfolg bei der Übereinstimmungsprüfung zu erzielen, sollten Sie daher Ihren letzten Steuerbescheid oder die Mitteilung der Steuernummer vom zuständigen Finanzamt hinzunehmen und die dortigen Adressdaten vergleichen.

2.2 Haftungsrisiko und Bestätigung der Gültigkeit von im Ausland erteilten USt-IdNr.

Bestellt ein Unternehmer mit einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat registrierten USt-IdNr. eine Ware von einem Unternehmen in Deutschland, so signalisiert er damit, dass er
  • in dem anderen EU-Mitgliedstaat der Erwerbsteuerpflicht unterliegt und somit Anspruch auf eine steuerfreie Lieferung hat und
  • als Unternehmer die Gegenstände im Rahmen seines Unternehmens erwerben will.
Folglich kann der liefernde Unternehmer in Deutschland durch die Dokumentation der USt-IdNr. des Erwerbers seinen Status (Steuerpflichtiger im Sinne der Erwerbssteuer) sowie die Verwendung des Gegenstandes im Rahmen des Unternehmens des Erwerbers belegen. Das liefernde Unternehmen ist gemäß § 6a Abs. 4 UStG verpflichtet, die Angaben des Abnehmers mit der "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" zu prüfen. Kommt der liefernde Unternehmer seiner Sorgfaltspflicht bezüglich der Überprüfung der Richtigkeit der USt-IdNr. nicht nach und stellt sich später heraus, dass die von dem liefernden Unternehmen angegebene USt-IdNr. des Empfängers der Lieferung nicht korrekt war, muss das liefernde Unternehmen mit empfindlichen Steuernachzahlungen rechnen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied per Urteil vom 14.11.2012 (Az. XI R 17/12), dass der Unternehmer bei auffälligen Unterschieden zwischen der Unterschrift des Abholers unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung und der Unterschrift auf dem vorgelegten Personalausweis besondere Sorgfalt walten lassen und die Identität seines angeblichen Vertragspartners und des Abholers hinterfragen muss. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei der innergemeinschaftlichen Lieferung um den Barkauf eines hochwertigen Pkws handelt, der von einem Beauftragten abgeholt wird, da in diesem Bereich eine hohe umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr bestehe. Der BFH legt durch dieses Urteil die Schwelle für die Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG sehr hoch. Damit muss bei begründeten Zweifeln stets eine (nachweisbare!) kritische Überprüfung des Abnehmers erfolgen, wenn eine Haftung für die Umsatzsteuerschuld vermieden werden soll.
Um dieses Risiko zu vermeiden und der "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmann" nachzukommen, empfiehlt sich vor allem eine Überprüfung der USt-IdNr. des Empfängers der Lieferung. Dies ist möglich beim
Bundeszentralamt für Steuern
Dienstsitz Saarlouis
Ahornweg 1-3
66740 Saarlouis
Referat St I 3
Tel.: +49 228 4061222
Fax: +49 228 4063801
Telefonisches Vergabe und Bestätigungsverfahren: montags bis freitags 7 - 18 Uhr
Internet-Bestätigungsverfahren: täglich 5 bis 23 Uhr.
Hinweis: Unternehmen haben die Möglichkeit, sich in der Zeit von 5:00 Uhr bis 23:00 Uhr auch auf der Website des Bundeszentralamtes für Steuern die Gültigkeit einer ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einfach und qualifiziert bestätigen zu lassen.
Die einfache Bestätigungsabfrage ist aber im Rahmen der nach § 6a Abs. 4 UStG obliegenden Sorgfaltspflichten nicht ausreichend.
Die qualifizierte Anfrage nach der Korrektheit der Adressdaten und ihrer Übereinstimmung mit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kann auch weiterhin schriftlich (Adresse siehe unter 1.2), telefonisch oder online an das Bundeszentralamt für Steuern gestellt werden. Dabei muss der Unternehmer gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern seine eigene USt-IdNr. (oder ggf. Steuernummer, unter der er umsatzsteuerlich geführt wird) und die zu überprüfende, von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. angeben (einfache Bestätigung). Das Bundeszentralamt für Steuern teilt ihm daraufhin mit, ob die angegeben USt-IdNr. zum Zeitpunkt der Anfrage in dem Mitgliedstaat, der sie erteilt hat, gültig ist oder nicht (einfaches Bestätigungsverfahren). Der anfragende Unternehmer kann zusätzlich zu der zu überprüfenden USt-IdNr. auch den Namen und die Anschrift des Inhabers der ausländischen USt-IdNr. überprüfen lassen (qualifiziertes Bestätigungsverfahren).
Einem Unternehmer steht bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 3d Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG nur dann zu, wenn ihm eine korrekte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer übermittelt wurde. Diese muss von dem EU-Mitgliedsstaat ausgestellt worden sein, in dem sich der erworbene Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes haben sich der Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 1. und 8. September 2010 sowie das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Schreiben vom 7. Juli 2011 angeschlossen. Damit wird der Vorsteuerabzug aus fiktiv besteuerten innergemeinschaftlichen Erwerben in allen offenen Fällen versagt – mit weitreichenden Folgen für Altfälle. Die Rechtsprechung findet allerdings keine Anwendung auf die Vereinfachungsregelung für bestimmte innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte nach § 25b UStG, bei denen ein deutscher Unternehmer in der Mitte steht und die Besteuerung im Reverse-Charge-Verfahren an den letzten Abnehmer abgegeben wird.

2.3 Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in den EU-Mitgliedstaaten

Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern bestehen aus dem Länderkennzeichen und den weiteren Stellen. Auf der Website des BZSt finden Sie eine Länderübersicht des Bundeszentralamtes für Steuern.
Mitgliedstaat + Länderkennzeichen
Bezeichnung der USt-IdNr. in
Landessprache
weitere Stellen
Belgien
(BE)
Le numéro d'identification à la taxe sur la valeur ajoutée BTW - Identificatienummer
Abk.: No.TVA BTW-Nr.
zehn Ziffern (alte neunstellige USt-IdNrn. werden durch Voranstellen der Ziffer 0 ergänzt)
Bulgarien
(BG)
Dank dobaweha stoinost
Abk.: DDS
neun oder zehn (nur Ziffern)
Dänemark
(DK)
Varemodtagers moms-nr - momsregistreringsnummer
Abk.: SE-Nr.
acht (nur Ziffern)
Deutschland
(DE)
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Abk.: USt-IdNr.
neun (nur Ziffern)
Estland
(EE)
Käibemaksukohustuslase registreerimisnumber
Abk.: KMKR number
neun (nur Ziffern)
Finnland
(FI)
Arvonlisäverorekisterointinumero
Abk.: ALV-NRO
acht (nur Ziffern)
Frankreich
(FR)
Le numéro d'identification à la taxe sur la valeur ajoutée
Abk.. keine
elf (nur Ziffern bzw. die erste und/oder die zweite Stelle kann ein Buchstabe sein)
Griechenland
(EL)
Arithmos Forologikou Mitroou FPA
Abk.: A.o.M.
neun (nur Ziffern)
Irland
(IE)
Value added tax identification number
Abk.: VAT No
acht (die zweite Stelle kann und die letzte Stelle muss ein
Buchstabe sein) oder neun Stellen
(ab 01.01.2013, 1. - 7. Stelle Ziffern, 8. Stelle Buchstaben von A bis W, 9. Stelle Buchstaben von A bis I
Italien
(IT)
il numero di registrazione IVA
Abk.: P.IVA
elf (nur Ziffern)
Kroatien
(HR)
elf (nur Ziffern)
Lettland
(LV)
pievienotasvertibas nodokla registracijas numurs
Abk.: PVN registracijas numurs
elf (nur Ziffern)
Litauen
(LT)
Pridetines vertes mo-kescio moketojo kodas
Abk.: PVM moketojo kodas
neun oder zwölf (nur Ziffern)
Luxemburg
(LU)
Le numéro d'identification à la taxe sur la valeur ajoutée
Abk.: keine
acht (nur Ziffern)
Malta
(MT)
value added tax identification number
Abk.: VAT No
acht (nur Ziffern)
Niederlande
(NL)
BTW-identifcatienummer
Abk.: OB-Nummer
zwölf (die drittletzte Stelle muss der Buchstabe "B" sein)
Österreich
(AT)
Umsatzsteueridentifikationsnummer
Abk.: UID-Nr.
neun (die erste Stelle muss der Buchstabe "U" sein)
Polen
(PL)
Numer identyfikacji podatkowej
Abk.: NIP
zehn (nur Ziffern)
Portugal
(PT)
o número de identificacao para efeitos do imposto sobre o valor acrescentado
Abk.: NIPC
neun (nur Ziffern)
Rumänien
(RO)
cod de înregistrare n scopuri de TVA
Abk.: TVA
maximal zehn, nur Ziffern Ziffernfolge nicht mit Ø beginnend
Schweden
(SE)
Registreringsnummer för mervärdesskatt (Momsnummer)
Abk.: Moms No.
zwölf (nur Ziffern, die beiden letzten Stellen bestehen immer aus der Ziffernkombination "Ø1")
Slowakei
(SK)
Identifikacné cislo pre dan z pridanej hodnoty
Abk.: IC DPH
zehn (nur Ziffern)
Slowenien
(SI)
davcna stevilka
Abk.: DDV
acht (nur Ziffern)
Spanien
(ES)
El número de identificación a efectos del Impuesto sobre el Valor Anadido
Abk.: N.IVA
neun (die erste und die letzte Stelle bzw. die erste oder die letzte Stelle kann ein Buchstabe sein)
Tschechien
(CZ)
Danove identifikacni
cislo
Abk.: DIC
acht, neun oder zehn
(nur Ziffern)
Ungarn
(HU)
Közösségi adószám
Abk.:
acht (nur Ziffern)
Zypern (nur griechischer Teil; inkl. Akrotiri und Dhekalia)
(CY)
Arithmos Egrafis
Abk.: FPA
neun (letzte Stelle ein Buchstabe)
(Stand: 01.07.2013)
Die USt-IdNr. wird in das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS), eine EU-Datenbank für umsatzsteuerpflichtige Unternehmen der EU, eingefügt und kann von jeder Person aus der EU eingesehen und überprüft werden. MIAS ist ein System zur elektronischen Übermittlung von Informationen über die MwSt-Registrierung (= Gültigkeit von MwSt-Nummern) von in der EU registrierten Unternehmen. Über das MIAS tauschen außerdem die Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten Informationen über (befreite) innergemeinschaftliche Lieferungen aus.
Hinweis: In der Bundesrepublik Deutschland wird Unternehmen die USt-IdNr in einem besonderen Verfahren als zusätzliche besondere Nummer erteilt. In mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten setzt sich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus der Steuernummer, unter der ein Unternehmer für umsatzsteuerliche Zwecke von den Finanzbehörden registriert wird, und dem entsprechenden Ländercode, der vorangesetzt wird, zusammen. In diesen EU-Mitgliedstaaten kann es erforderlich sein, dass das Unternehmen, das eine solche USt-IdNr. benötigt, dort einen Antrag an die - dem BZSt entsprechende – staatliche Institution stellen muss, damit seine Daten und seine USt-IdNr. in die Datenbank für die Umsatzsteueridentifikationsnummern seines Landes aufgenommen werden. Nur dann kann das Bundeszentralamt für Steuern dem deutschen Unternehmer auf Anfrage in dem Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG Bestätigungen über den in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer erteilen.

3. Rechnungserteilung

Der liefernde Unternehmer hat gemäß § 14a UStG eine Rechnung auszustellen, die neben den allgemeinen Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG folgende zusätzliche Angaben enthalten muss:
  • Die USt-IdNr. des leistenden Unternehmers (Rechnungsausstellers) und die USt-IdNr. des Leistungsempfängers (Rechnungsempfängers) sowie
  • einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung, z.B. "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung" oder "steuerfrei nach § 4 Nr.1b in Verbindung mit § 6a UStG". Nach Abschnitt 14.5 Abs. 20 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) - (früher Umsatzsteuerrichtlinie 185 Abs. 20 UStR) - ist es bei dem notwendigen Hinweis auf die Steuerbefreiung (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG) nicht erforderlich, die genauen Paragraphen zu nennen. Es reicht aus, umgangssprachlich auf den Grund der Steuerbefreiung hinzuweisen, wie zum Beispiel "innergemeinschaftliche Lieferung", "Ausfuhr", "steuerfreie Vermietung", "Krankentransport". Da sich die Hinweispflicht nach deutschem Recht richtet, ist es nicht erforderlich, dass sich der entsprechende Vermerk auf der Rechnung auch in der Landessprache des Empfängers befindet. Sollten Sie Interesse daran haben, einen entsprechenden Hinweis in der Landessprache des Rechnungsempfängers aufzunehmen, weisen wir auf das Dokument „Hinweis auf ’steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung’ in EU-Sprachen“ hin.
Hinweis: Von allen Rechnungen ist ein Doppel 10 Jahre aufzubewahren (§ 14 Abs. 1 UStG). Nähere Informationen dazu halten die Dokumente "Pflichtangaben in Rechnungen“ und "Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen" bereit.

3.1 Musterrechnung

Firma Eden GmbH & Co. KG
Gärtnerstraße 90
20253 Hamburg
USt-IdNr.: DE 123456789
Green Garden Ltd.
Park avenue 1
Bristol
VAT REg.No.: GB 123456789
Hamburg 3. April 2013
Für die Lieferung von 100 Rasenmähern im März 2013 berechnen wir Ihnen 30.000 Euro (steuerfrei nach § 4 Nr. 1 b Umsatzsteuergesetz (UStG); innergemeinschaftliche Lieferung/Intra-Community Delivery).
Nach deutschem Recht ist es nicht erforderlich, den Rechnungshinweis "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung" auch in die Landessprache des Leistungsempfängers zu übersetzten. Allerdings sind Unternehmen oft an einem solchen Zusatz in den entsprechenden EU-Sprachen interessiert.
Besonderheit: Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bei unmittelbar an Einfuhr aus Drittstaat anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist die Einfuhr derjenigen Gegenstände von der Umsatzsteuer befreit, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b, § 6a) verwendet werden. Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer hat zum Zeitpunkt der Einfuhr nachzuweisen
  • a) seine im Geltungsbereich dieses Gesetzes erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die im Geltungsbereich dieses Gesetzes erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Fiskalvertreters und
  • b) die im anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers sowie
  • c) dass die Gegenstände zur Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestimmt sind.
Einfuhrumsatzsteuerfrei sind Gegenstände, die im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden.
Beispiel: Der deutsche Unternehmer D kauft Tennisschläger des Unternehmens C aus China, um diese umgehend an das Unternehmen F in Frankreich zu liefern. Eigentlich müsste D auf den Import der Tennisschläger aus einem Drittstaat Einfuhrumsatzsteuer bezahlen. Sofern er jedoch zum Zeitpunkt der Einfuhr seine deutsche und die USt-IdNr. des F mitteilt und nachweist, dass die Tennisschläger unmittelbar nach Frankreich geliefert werden sollen, ist er von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Noch offen und äußerst problematisch ist, ob er hierbei die neue Gelangensbestätigung vorlegen muss. Siehe auch "4. Nachweispflichten für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen"
Anmelder und Lieferer der Gegenstände müssen personengleich sein.
Die Freistellung der Gegenstände muss mit der Zollanmeldung auf Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr besonders beantragt werden.
Die Einfuhrumsatzsteuer-Freiheit hängt davon ab, dass der Anmelder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 bis 3 für eine innergemeinschaftliche Lieferung nachweist. Diese Voraussetzungen müssen demnach bereits im Zeitpunkt der Abfertigung der Gegenstände zum zollrechtlich freien Verkehr erfüllt sein. Dazu gehört insbesondere, dass die Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet werden und der Abnehmer eine in § 6a Abs. 1 Nr. 2 genannte Person ist oder dass ein Fall der gleichgestellten Verbringung gemäß § 6a Abs. 2 vorliegt sowie dass der Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat der EU der Umsatzsteuer unterliegt.
Wird Einfuhrumsatzsteuer-Freiheit beantragt, so muss der Anmelder in der Zollanmeldung zusätzlich
  • seine USt-Identifikationsnummer (§ 27a) und
  • sein zuständiges Finanzamt sowie
  • Name, Anschrift und USt-Identifikationsnummer des Erwerbers in dem anderen Mitgliedstaat der EG angeben.
Kann er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 bis 2 nicht nachweisen oder macht er nicht die zusätzlichen Angaben der USt-Identifikationsnummern und des Erwerbers in dem anderen Mitgliedstaat, wird die Einfuhrumsatzsteuer erhoben.

4. Nachweispflichten für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen

 Der Gesetzgeber hat in § 6a UStG festgelegt, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung (siehe Übersicht unten) vom Unternehmer nachgewiesen werden müssen. Einzelheiten dazu werden in §§ 17a-17c Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) geregelt.
Der neu gefasste § 17a UStDV sieht ab dem 1. Oktober 2013 als Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferungen eine obligatorische Gelangensbestätigung“ vor.
Für alle genannten Transportvarianten, also Beförderung wie Versendung, ist der Nachweis der Steuerfreiheit neben dem Vorhandensein eines Doppels der Rechnung durch eine Gelangensbestätigung zu führen. Hierbei handelt es sich um ein Dokument mit folgenden Angaben:
  • Name und Anschrift des Abnehmers;
  • Menge des Gegenstands der Lieferung und die handelsübliche Bezeichnung einschließlich der Fahrzeug-Identifikationsnummer, wenn der Liefergegenstand ein Fahrzeug ist;
  • Angabe von Ort und Monat (nicht Tag) des Endes der Beförderung oder Versendung, d.h. des Erhalts des Gegenstands im Gemeinschaftsgebiet. Dies gilt auch, soweit der Abnehmer die Ware selbst abholt und befördert. D.h., in dem Fall muss er im Nachhinein nicht nur - wie jetzt - bei Abholung die Bestätigung abgeben;
  • Ausstellungsdatum der Bestätigung sowie
  • Unterschrift des Abnehmers oder eines von ihm zur Abnahme Beauftragten.
Wichtig: Die elektronische Übermittlung ist zulässig, in dem Fall kann auf die handschriftliche Unterzeichnung verzichtet werden, soweit erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Abnehmers oder des Beauftragten begonnen wurde, z.B. über den verwendeten E-Mail-Account des Abnehmers. Vgl. zu den Einzelheiten das Dokument "Gelangensbestätigung“.
Neben den belegmäßigen Nachweisen ist der Unternehmer auch noch zu buchmäßigen Nachweise nach § 17c UStDV verpflichtet. Aus seiner Buchführung müssen die Voraussetzungen für umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen eindeutig und leicht nachprüfbar sein.
Hinweis: Bei den umsatzsteuerrechtlich bzw. zollrechtlich besonders zu behandelnden Gebieten in einigen EU-Mitgliedstaaten gelten teilweise besondere Nachweispflichten, so zum Beispiel das Präferenz-Versandbegleitpapier T2LF bzw. T2F für die Kanarischen Inseln. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie im Artikel "Territoriale Besonderheiten bei umsatzsteuer- und zollrechtlicher Behandlung" sowie auf der Website des Zolls.

4.1 Übersicht: Nachweispflichten ab 1. Oktober 2013

Voraussetzungen Nachweispflichten
§ 6a Abs. 1 UStG
§§ 17a bis 17c UStDV
Innergemeinschaftliche Lieferung
Ware gelangt körperlich von einem in einen anderen EU-Mitgliedstaat
Beförderung/Abholung
  •  Doppel der Rechnung sowie
  • Gelangensbestätigung gem. § 17a UStDV. Elektronische Übermittlung ist zulässig.
  • Bei Abhollieferungen gilt die bisherige Verbringensversicherung infolge der Änderung von § 17a UStDV ab dem 1. Oktober 2013 nicht mehr. Auch hier ist künftig eine Gelangensbestätigung
    erforderlich. 

Versendungsfall




  • Doppel der Rechnung sowie
  • Gelangensbestätigung oder:
    • Bei Versendung durch Kurierdienst/Post: Schriftliche oder elektronische Auftragserteilung sowie ein vom Kurierdienst erstelltes „Tracking and Tracing“-Protokoll, das den Transport lückenlos bis zur Ablieferung beim Empfänger nachweist bzw. der Einlieferungsschein für Postdienstleistungen.
    • Bei Versendung durch Spediteur: Spediteursbescheinigung/Konossement/handelsrechtlicher Frachtbrief: Sie müssen allerdings nunmehr eine Bestätigung der erfolgten, nicht nur der beabsichtigten Verbringung enthalten. Neu ist, dass auch die Spediteursbescheinigung elektronisch übermittelt werden und vom Spediteur archiviert werden kann. Es reicht eine Sammelbescheinigung für das jeweilige Kalenderquartal, aus der sich die Lieferungen einem Monat zuordnen lassen. Wenn der Spediteur vom Abnehmer beauftragt wird, reicht Bescheinigung über beabsichtigte Versicherung, wenn parallel der Nachweis der Bezahlung des Liefergegenstandes überein Bankkonto erfolgt.
Erwerber (Vertragspartner, in der Regel auch Rechnungsempfänger)
= steuerpflichtiger Unternehmer
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers

4.2 Übersicht: Nachweispflichten bis 1. Oktober 2013

Voraussetzungen Nachweispflichten
§ 6a Abs. 1 UStG
§§ 17a bis 17c UStDV
Innergemeinschaftliche
Lieferung
Ware gelangt körperlich von einem in einen anderen EU-Mitgliedstaat
Beförderung/Abholung

  • Doppel der Rechnung
  • Handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, z. B. Lieferschein
  • Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten
  • Bei Abhollieferungen durch den Abnehmer/Kunden: Nach Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18. Juli 2002 muss bereits bei Abholung der Ware eine schriftliche Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorliegen, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen. Der Lieferer kann ein entsprechendes Schreiben vorbereiten, das er sich durch Unterschrift vom Abnehmer bzw. von seinem Beauftragten (z.B. LKW-Fahrer) bestätigen lässt, in dem zum Beispiel folgender Satz enthalten ist: "Die übernommenen Liefergegenstände werden in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht und unterliegen dort der Erwerbsbesteuerung." Diese schriftliche Versicherung muss nach dem BMF-Schreiben vom 6. Januar 2009 in deutscher Sprache abgefasst sein und eine - mit Datum versehene - Unterschrift des Abnehmers bzw. dessen Vertretungsberechtigten enthalten oder mit der Unterschrift eines unselbständigen Beauftragten versehen sein. Die Unterschrift muss ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen. In den Fällen, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV oder der Empfangsbestätigung nach § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV ergeben, dass dieser tatsächlich Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. zu dem Liefergegenstand, für den die Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. Die Identität des Beauftragten muss belegt werden, z. B. durch eine Passkopie.
  • Bei Abholung eines neuen PKWs sollte darüber hinaus in der schriftlichen Versicherung vermerkt sein "Der Abnehmer wird den PKW, Fahrgestellnummer xyz, im EU-Bestimmungsland ABC zum Verkehr zulassen." Neue Fahrzeuge nach § 1b UStG sind motorbetriebene Landfahrzeuge, die nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt haben oder deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht länger als sechs Monate zurückliegt; unabhängig vom Status des Erwerbers (natürliche Person, nichtsteuerpflichtige juristische Person oder steuerpflichtiges Unternehmen mit Umsatzsteueridentifikationsnummer) Rechnung ohne Umsatzsteuer und Besteuerung im Bestimmungsland,
    wo das Fahrzeug zugelassen wird. Wenn beide oben genannten Kriterien nicht erfüllt sind, gelten die PKWs als alte Fahrzeuge bzw. Gebrauchtfahrzeuge. Die Rechnung für diese sind in der Regel bei Lieferungen an Privatpersonen mit der Umsatzsteuer des Ursprungslandes (Achtung: Liefer- und Erwerbsschwellen beachten) bzw. bei Lieferungen an steuerpflichtige Unternehmen ohne Umsatzsteuer zu stellen, da dann anschließend die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland vorgenommen wird.
Versendungsfall
  • Doppel der Rechnung
  • Versendungsbeleg, insbesondere Luftfrachtbrief, Eisenbahnfrachtbrief, Konossement, Posteinlieferungsbescheinigung, Auftragserteilung an einen Kurierdienst, Ladeschein oder deren Doppelstücke oder einen sonstigen handelsüblichen Beleg, der folgende Angaben enthält
    • Name und Anschrift des Ausstellers sowie Tag der Ausstellung,
    • Name und Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,
    • handelsübliche Bezeichnung und Menge des verbrachten Gegenstandes,
    • Ort und Tag der Grenzüberschreitung oder Ort und Tag der Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
    • Empfänger und Bestimmungsort
    • Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg aufgrund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind
    • Unterschrift des Ausstellers.

      In der Praxis wird dieser Nachweis häufig durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs geführt („weiße Speditionsbescheinigung”). In den Fällen, in denen es dem Unternehmer nicht zumutbar ist einen Versendungsbeleg zu erbringen kann der Nachweis auch wie in den Beförderungsfällen geführt werden.
Erwerber
(Vertragspartner, in
der Regel auch Rechnungsempfänger)
= steuerpflichtiger Unternehmer
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers

5. Sonstige Erklärungs- und Meldepflichten

Der Lieferant muss die Bemessungsgrundlagen seiner steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung jeweils in der Umsatzsteuervoranmeldung und in der Umsatzsteuererklärung gesondert anführen. Bei innergemeinschaftliche Lieferungen ist außerdem eine Zusammenfassende Meldung (siehe § 18a Umsatzsteuergesetz) zu erstellen, die zur Kontrolle der Umsatzbesteuerung beim innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr dient.

5.1 Zusammenfassende Meldung (ZM)

Die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (ZM) hat nach § 18a Abs. 1 UStG auf elektronischem Weg zu erfolgen. Die Übermittlung auf elektronischem Weg hat nach Maßgabe der Steuerdatenübermittlungsverordnung (StDÜV) in der Fassung vom 20.12.2006 zu erfolgen.
Zur Vermeidung von unbilligen Härten kann das zuständige Finanzamt auf Antrag eine Ausnahme von der elektronischen Übermittlung gestatten. Soweit das Finanzamt nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG auf eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung verzichtet hat, gilt dies auch für die Zusammenfassende Meldung (ZM).
Hinweis: Die Zusammenfassende Meldung in Papierform ist im Original (nicht per Fax oder E-Mail) an das Bundeszentralamt (BZSt), Dienstsitz Saarlouis, 66738 Saarlouis, zu senden. Sollten Sie Fragen zu dem Verfahren haben, können Sie sich unter der Tel.-Nr. 0 228-4061222 oder Telefax 0 228/ 4063801an das BZSt, Dienstsitz Saarlouis, wenden.
In der ZM gibt der Lieferer vierteljährlich beim Bundeszentralamt für Steuern - Dienststelle Saarlouis - für jeden Kunden separat alle innergemeinschaftlichen Lieferungen unter Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers und des Warenwertes in Euro auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck an. Das Bundeszentralamt für Steuern sammelt die von den Unternehmen abzugebenden Meldungen und speichert sie in einer Datenbank, von der sie durch die zuständigen zentralen Behörden der Mitgliedstaaten jederzeit abgerufen werden können. Damit kann im Bestimmungsland geprüft werden, ob der Erwerber seiner Steuerpflicht nachgekommen ist.

5.2 Intrastat-Meldung

Der Unternehmer muss seine innergemeinschaftlichen Lieferungen monatlich im Rahmen der Intrastat-Meldungen dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden mitteilen, sofern der Wert der Lieferungen oder der Wert der Erwerbe jeweils 500.000 Euro (seit 1.1.2012, davor: 400.000 Euro) im Vorjahr überschritten hat. Wird diese Wertgrenze im laufenden Kalenderjahr überschritten, sind statistische Meldungen in dem Monat anzugeben, der auf den Monat der erstmaligen Überschreitung folgt. Zweck der Intrastat-Meldung ist die statistische Erfassung der Warenströme zwischen den EU-Mitgliedstaaten.
Tipp: Einzelheiten zu den statistischen Meldepflichten bei innergemeinschaftlichen Warenbewegungen finden Sie im Dokument "Intrastat-Meldungen".
Die Intrastat-Meldungen müssen beim Statistischen Bundesamt abgegeben werden. Dies kann erfolgen als
Die Meldungen sind spätestens am 10. Arbeitstag nach Ablauf des Bezugsmonats unmittelbar an das Statistische Bundesamt abzugeben. Eine Fristverlängerung über den 10. Arbeitstag hinaus ist nicht möglich, auch dann nicht, wenn beispielsweise für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Dauerfristverlängerung vom Finanzamt gewährt wurde.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige IHK.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: August 2013
Steuern

Vorsteuervergütung in der Europäischen Union und in Drittstaaten

Der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr dürfte heute für zahlreiche Unternehmer zum Tagesgeschäft gehören. Unternehmer übernachten oder speisen geschäftlich im Ausland, mieten dort kurzfristig Fahrzeuge an oder tanken Kraftstoff. In diesen Fällen muss ein Unternehmer die Umsatzsteuer des entsprechenden Staates zahlen. Die gezahlte Umsatzsteuer kann er sich allerdings nicht im Zuge seiner inländischen Umsatzsteuervoranmeldung oder -erklärung erstatten lassen. Vielmehr muss die Vorsteuervergütung gegenüber dem Staat geltend gemacht werden, von dem die Umsatzsteuer erhoben wurde. Je nachdem ob der Staat innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union (EU) liegt, gelten unterschiedliche Regeln.
Am Vorsteuervergütungsverfahren teilnehmen kann grundsätzlich nur, wer vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist. Zudem darf der Unternehmer nicht bereits in dem Staat umsatzsteuerrechtlich registriert sein, von dem er die Vorsteuer erstattet bekommen möchte. Sollte er bereits registriert sein, muss er den Vorsteuerabzug im Rahmen der gewöhnlichen Umsatzsteuervoranmeldung oder -erklärung geltend machen. Für alle nichtregistrierten Unternehmer gilt das Folgende.

I. Vorsteuervergütung an inländische Unternehmer

1. Vergütungsverfahren innerhalb der Europäischen Union

Damit einem inländischen Unternehmer die in einem Mitgliedstaat der EU belastete Umsatzsteuer vergütet werden kann, muss zunächst ein elektronischer Antrag an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gestellt werden. In den einzelnen Mitgliedstaaten gibt es unterschiedliche Regeln für das Vorsteuervergütungsverfahren (Präferenzen). Zu diesen Präferenzen gehört unter anderem die Sprache, in der Angaben im Erstattungsantrag gemacht werden müssen. So können beispielsweise Angaben in Anträgen für Polen, Rumänien und der Slowakei nur in deren Landessprache abgefasst werden. Des Weiteren machen die Mitgliedstaaten Unterschiede, die das Mitsenden von elektronischen Kopien der Originalrechnungen betreffen. In den meisten Fällen müssen Kopien erst mit dem Erreichen eines Schwellenwertes beigefügt werden. Staaten wie Bulgarien oder Dänemark benötigen gar keine Kopien beim Stellen des Antrags. Eine Übersicht über die Präferenzen finden Sie in diesem Dokument (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 137 KB).
Das BZSt ist wie folgt erreichbar:
Dienstsitz Schwedt
Passower Chaussee 3 b
16303 Schwedt/Oder
Deutschland
Telefon: +49 228 406-1200
Fax:        +49 228 406-3200
Der Antrag muss elektronisch über das Portal des BZSt übermittelt werden (§ 18g Umsatzsteuergesetz (UStG)). Es ist eine vorherige Authentifizierung erforderlich. 
Der Vergütungsantrag ist bis zum 30. September des auf das Jahr der Ausstellung der Rechnung folgenden Kalenderjahres zu stellen. Um die Frist zu wahren, ist der Eingang beim BZSt ausschlaggebend. Rückerstattungsanträge für 2020 müssen also bis zum 30. September 2021 beim BZSt eingehen.
Die Höhe des Erstattungsbetrags ist selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag ist in der Regel auf das gesamte Kalenderjahr gerichtet und muss mindestens einen Betrag von 50 € umfassen oder einem in der jeweiligen Landeswährung umgerechneten Betrag entsprechen. Der Unternehmer kann auch einen Antrag für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten stellen. Dann muss der Vergütungsbetrag mindestens 400 € betragen oder einem in der jeweiligen Landeswährung umgerechneten Betrag entsprechen.
Für die Mehrheit der Mitgliedstaaten sind Rechnungen in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250 € beträgt (Art. 10 Richtlinie 2008/9/EG (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 56 KB))*. Andere Mitgliedstaaten fordern Rechnungen individuell an. Einzelheiten können der anhängenden Präferenzenliste (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 137 KB)entnommen werden.
Daneben muss der Antrag noch weiteren Anforderungen in inhaltlicher Hinsicht genügen.

Unter anderem müssen folgende Angaben gemacht werden:
  • Mitgliedstaat der Erstattung
  • Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Unternehmers, für den die Leistungen bezogen wurden
  • Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer
  • Anschrift des leistenden Unternehmers
  • Datum und Nummer der Rechnung
  • Art der erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen aufgeschlüsselt nach Kennziffern.
Das BZSt prüft die folgenden Punkte:
  • Ist die vom Unternehmer angegebene USt-IdNr. zutreffend und kann sie ihm zugeordnet werden?
  • Ist der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt?
  • Enthält der Antrag alle erforderlichen Angaben?
Hinweis: Diese Prüfung soll das BZSt innerhalb von 15 Tagen abschließen und den Antrag an die entsprechende Behörde des Mitgliedstaates weiterleiten.
Nach Weiterleitung des Antrags an die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten kann es zu Rückfragen von diesen kommen, welche regelmäßig in der jeweiligen Landessprache verfasst sein werden. In diesem Zusammenhang bieten die Deutschen Auslandshandelskammern (AHK) Unterstützung an.
Die nationale Behörde hat dann vier Monate Zeit, um über den Antrag zu entscheiden (Art. 19 Abs. 2 RL 2008/9/EG (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 56 KB)) und weitere zehn Werktage, um den Erstattungsbeitrag auszuzahlen (Art. 22 Abs. 1 RL 2008/9/EG (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 56 KB)). Leistet der Mitgliedstaat die Zahlung nicht innerhalb der Frist, schuldet er dem Antragssteller Zinsen (Art. 26 RL 2008/9/EG (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 56 KB)).
* Richtlinie zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige

2. Vergütungsverfahren außerhalb der Europäischen Union (Drittstaaten)

Wenn einem inländischen Unternehmer von einem Unternehmer eines Drittstaates Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde, kann der inländische Unternehmer ebenfalls eine Erstattung der Umsatzsteuer beantragen, sofern der andere Staat ausländischen Unternehmern die Umsatzsteuer erstattet. Eine Aufstellung des BMF (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 51 KB) über Staaten, die deutschen Unternehmern die geleistete Umsatzsteuer erstatten, können Sie hier herunterladen.
Voraussetzung ist weiterhin, dass der Unternehmer seine Unternehmereigenschaft gegenüber dem Drittstaat nachweist. Hierfür ist regelmäßig eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts erforderlich. Das von deutschen Behörden verwendete Muster USt 1 TN (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 223 KB) können Sie hier herunterladen.
Ein Antrag auf Vergütung der Vorsteuer ist direkt bei der ausländischen Erstattungsbehörde zu stellen. Ein Verzeichnis mit Adressen (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 344 KB) ausgewählter ausländischer Behörden (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 344 KB) hat das BZSt zusammengetragen.
Der Vergütungsantrag ist in der Regel bis zum 30. Juni des Jahres zu stellen, welches auf das Kalenderjahr der Ausstellung der Rechnung folgt. Rückerstattungsanträge für 2016 müssen also bis zum 30. Juni 2017 bei der nationalen Behörde eingehen. Diese Frist ist kürzer als die Frist für Anträge innerhalb der EU.
Da die Antragsformulare oft in der Landessprache des Drittstaates abgefasst sind und der Unternehmer regelmäßig über nur geringe Kenntnisse des jeweiligen Erstattungsverfahrens verfügt, kann es empfehlenswert sein, sich Unterstützung für die Erstattung der Vorsteuer zu nehmen. In diesem Zusammenhang bieten die Deutschen Auslandshandelskammern (AHK) Hilfestellung an. Diese unterstützen gegen ein Bearbeitungshonorar bei der Überprüfung der Voraussetzung der Erstattung, der Antragsstellung und der Kontaktaufnahme mit den Behörden vor Ort.

II. Vorsteuervergütung an ausländische Unternehmer

Ein Unternehmer mit Sitz außerhalb Deutschlands kann eine Erstattung der deutschen Umsatzsteuer beantragen, sofern er nicht bereits umsatzsteuerlich in Deutschland registriert ist. Sollte er bereits umsatzsteuerlich in Deutschland registriert sein, macht er die Erstattung im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung geltend. Der nicht-registrierte Unternehmer aus einem Mitgliedstaat der EU kann das Vergütungsverfahren in seinem Heimatstaat nutzen. Unternehmer aus Drittstaaten wenden sich an das BZSt.  

1. Vergütungsverfahren an Unternehmer der Europäischen Union

Der Unternehmer eines anderen Mitgliedstaates der EU muss zunächst einen Vergütungsantrag über  das elektronische Portal seines Mitgliedstaats stellen (§ 61 Abs. 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung, UStDV). Dieser wird dann an das BZSt weitergeleitet und ausschließlich durch dieses bearbeitet.
Die Höhe des Erstattungsbetrags ist selbst zu berechnen. Der Antrag ist im Heimatstaat bis zum 30. September des auf das Jahr der Ausstellung der Rechnung folgenden Kalenderjahres zu stellen. Der Vergütungsbetrag muss mindestens 50 € für 1 Jahr entsprechen, beziehungsweise 400 €, wenn der Antrag quartalsweise gestellt wird.  
Zudem sind die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250 € beträgt.
Das BZSt soll den Vergütungsantrag grundsätzlich innerhalb von vier Monaten und zehn Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen bearbeiten und den Vergütungsbetrag auszahlen. Die Bearbeitungszeit kann sich verlängern, darf jedoch nicht mehr als acht Monate betragen. Der Betrag der Umsatzsteuervergütung ist nach Ablauf der vier Monate und zehn Tage zu verzinsen (§ 61 Abs. 5 UStDV).
Das BZSt ist wie folgt erreichbar:
Dienstsitz Schwedt
Passower Chaussee 3 b
16303 Schwedt/Oder
Deutschland
Telefon: +49 228 406-1200
Fax:        +49 228 406-3200

2. Vergütungsverfahren an Unternehmer außerhalb der Europäischen Union (Drittstaaten)

Unternehmer aus Drittstaaten können sich die in Deutschland gezahlte Umsatzsteuer rückerstatten lassen, wenn der Drittstaat keine Umsatzsteuer erhebt oder deutschen Unternehmern die dort gezahlte Umsatzsteuer erstattet (Gegenseitigkeit). Eine Übersicht kann dem BMF-Schreiben 17. Oktober 2014 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 51 KB) entnommen werden.
Anträge dürfen nur auf elektronischem Weg über das Online-Portal des BZSt eingereicht werden. Hierzu ist eine vorherige Registrierung erforderlich. Zur Vermeidung von unbilligen Härten, kann das BZSt in Ausnahmefällen auf diese Form verzichten (§ 61a Abs. 1 UStDV). Der Erstattungsantrag ist bis zum 30. Juni des auf das Jahr der Ausstellung der Rechnung folgenden Kalenderjahres zu stellen (§ 61a Abs. 2 UStDV).
Der Unternehmer hat den Vergütungszeitraum zu wählen. Eine Antragstellung ist nur für zurückliegende Zeiträume zulässig. Der Vergütungszeitraum muss mindestens drei aufeinander folgende Kalendermonate umfassen und darf höchstens ein Kalenderjahr betragen. Eine Ausnahme gilt für die letzten Monate eines Kalenderjahres. Hier können die Monate November und Dezember oder auch nur der Monat Dezember der Vergütungszeitraum sein.
Unternehmer aus Drittstaaten können einen Antrag auf Vorsteuervergütung erst stellen, wenn die Umsatzsteuer 500 € beträgt. Ist der Vergütungszeitraum geringer als das Kalenderjahr, muss der zu erstattende Betrag mindestens 1000 € entsprechen (§ 61a Abs. 3 UStDV).
Anträge zur Vermeidung unbilliger Härten und sonstige Fragen sind zu richten an:
Dienstsitz Schwedt
Passower Chaussee 3 b
16303 Schwedt/Oder
Deutschland
Telefon:  +49 228 406-1200
Fax:        +49 228 406-3200
Sollte beim Antragssteller ein Fall unbilliger Härte festgestellt werden, muss er den Vordruck USt 1T (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1123 KB) für die Rückerstattung der Umsatzsteuer verwenden, welcher ebenfalls über unserer Webseite heruntergeladen werden.
Hinweis: Bei Fragen und zur weiteren Hilfestellung kann der Unternehmer des Drittstaates sich an die Repräsentanz der AHK in seinem Land wenden.
Stand: Juli 2016
Recht und Steuern

Informationsblatt Bodenschutz und Altlasten Sachverständige

Informationen der Handelskammern/Industrie- und Handelskammern der Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, zur Anerkennung / Zulassung von Sachverständigen nach § 18 BBodSchG und zur öffentlichen Bestellung von Sachverständigen für Bodenschutz und Altlasten.
Diese Informationen geben Ihnen einen gerafften Überblick über den Verfahrensinhalt und -ablauf. Sie wiederholen jedoch nicht die Rechtsgrundlagen mit anderen Worten. Bitte greifen Sie auf diese Quellen unmittelbar zu. Das gewährleistet einen vollständigen, ungefilterten Überblick. Die Fundstellen haben wir im Folgenden aufgeführt.

Rechtsgrundlagen

a) Das BBodSchG berechtigt die zuständigen Behörden, von den so genannten Pflichtigen zu verlangen, für bestimmte Sachverständigentätigkeiten ausschließlich anerkannte / zugelassene Sachverständige nach § 18 BBodSchG zu beauftragen. Zur Umsetzung dieses Bundesrechts haben die Bundesländer Ausführungsgesetze erlassen. Diese Ausführungsgesetze erhalten Verordnungsermächtigungen zu den Anforderungen und den Verfahren auf Anerkennung / Zulassung von Sachverständigen.
Im Einzelnen sind dies:
Bundesland
Ausführungsgesetz
Berlin
Berliner Bodenschutzgesetz,
GVGBl für Berlin 2006, Seite 961 § 7;
Berliner Verordnung über Sachverständige und Untersuchungsstellen im Sinne von § 18 des BBodSchG (BlnBodSUV)
Bremen
Bremisches Bodenschutzgesetz,
GBl 2002, Seite 385, § 15;
Bremische Verordnung über Sachverständige für Bodenschutz und Altlasten, GBl 2003, Seite 117
Hamburg
Hamburgisches Bodenschutzgesetz
HmbGVBl 2001, Seite 27, § 9;
Hamburgische Verordnung über Sachverständige und Untersuchungsstellen nach § 18 BBodSchG
HmbGVBl 2003, Seite 499
Mecklenburg-
Vorpommern
Landesbodenschutzgesetz - LBodSchG M-V
GVOBl. M-V S. 759, 764
Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz für Mecklenburg- Vorpommern
(Abfallwirtschaftsgesetz - AbfAlG M-V), i.d.F. d. Bek. v. 15.1.1997 (GVOBl. M-V S. 43)
Niedersachsen
Niedersächsische GVBl. 2005,
Seite 86, § 14;
Niedersächsische Verordnung über Sachverständige und Untersuchungsstellen für Bodenschutz und Altlasten
Schleswig-
Holstein
Landesbodenschutzgesetz,
GVoBl 2002, Seite 60, § 11;
Landesverordnung zur Anerkennung von Sachverständigen für Bodenschutz und Altlasten,
GVoBl 2003, Seite 519
Die letztlich maßgeblichen Verordnungen beruhen für Norddeutschland auf einer Muster-Verordnung der Umweltminister-Konferenz der norddeutschen Bundesländer, die in enger Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern erstellt worden ist.
Einheitlich zuständig für die Durchführung der Anerkennungs- / Zulassungsverfahren sind die Handelskammern/Industrie- und Handelskammern, in deren Bezirk die an einer Anerkennung / Zulassung interessierten Sachverständigen ihren beruflichen Mittelpunkt als Sachverständige haben.
Die Anforderungen zur Anerkennung / Zulassung ergeben sich unmittelbar aus den Verordnungen und sind über das Internet einsehbar (z. T. kostenpflichtig).
b) Neben der Anerkennung / Zulassung als Sachverständiger nach § 18 BBodSchG besteht die Möglichkeit einer öffentlichen Bestellung und Vereidigung für Bodenschutz- und Altlastensachgebiete. Rechtsgrundlage dafür sind § 36 GewO und das dazu ergangene Satzungsrecht der zuständigen IHKs (Sachverständigenordnung). Diese Texte finden Sie auf den Websites der HK´s/IHKs; die Adressen finden Sie unter VII Nr. 4 bei Ihren Ansprechpartnern.

Sachgebietseinteilung

Die Sachverständigenverordnungen sehen eine einheitliche Sachgebietseinteilung in 6 Teilgebiete vor. Bei der Antragstellung sind Kombinationen von zwei oder mehreren Sachgebieten durchaus zulässig. Bitte berücksichtigen Sie aber, dass für jedes Sachgebiet einzeln die erforderliche Sachkunde, für den Fall der öffentlichen Bestellung die sogenannte besondere Sachkunde nach­zuweisen ist (dazu unter III); dies spiegelt sich auch in den Verfahrenskosten bei der Qualifikationsüberprüfung wider. Es besteht keine Möglichkeit, von diesen Sachgebietsbezeichnungen abzuweichen, Unter- /Teilgebiete zum Gegenstand eines Anerkennungs- / Zulassungsverfahrens zu machen oder etwa gänzlich neue Sachgebiete zu definieren. Das gilt gleichermaßen auch für ein Verfahren auf öffentliche Bestellung zum Sachverständigen. Die einzelnen Sachgebiete lauten:
  1. Flächenhafte und standortbezogene Erfassung/historische Erkundung
  2. Gefährdungsabschätzung für den Wirkungspfad Boden-Gewässer
  3. Gefährdungsabschätzung für den Wirkungspfad Boden-Pflanze, Vorsorge zur Begrenzung von Stoffeinträgen in den Boden und beim Auf- und Einbringen von Materialien
  4. Gefährdungsabschätzung für den Wirkungspfad Boden-Mensch
  5. Sanierung
  6. Gefahrenermittlung, -beurteilung und –abwehr von schädlichen Bodenveränderungen aufgrund von Bodenerosion durch Wasser

Anerkennung / Zulassung und öffentliche Bestellung

Die Verfahren zur Erlangung beider öffentlich rechtlicher Qualifikationsausweise laufen gleich ab, wie sich schon aus den (einheitlichen) Antragsunterlagen zeigt: Gegenstand des Verfahrens sind die eingereichten Unterlagen der Ausbildung und zum weiteren beruflichen Werdegang, zum Um­fang und Inhalt der beruflichen Tätigkeit, die Prüfung von Gutachten und anderen so genannten Arbeitsproben – dazu gehören wissenschaftliche Veröffentlichungen, Manuskripte von Fachvorträ­gen und ähnliches; in einem zweiten Schritt wird regelmäßig die Überprüfung der Qualifikationen vor einem Fachgremium erfolgen.
Inhaltlich betrachtet sind die Anforderungen an die persönliche Eignung (im Wesentlichen Unab­hängigkeit und Unparteilichkeit) identisch, hinsichtlich der Qualifikation verweist die Anerkennung nach § 18 BBodSchG auf die erforderliche Sachkunde, die öffentliche Bestellung nach § 36 GewO auf die besondere Sachkunde. Die Anforderungen an die Qualifikationsnachweise sind also höher, wenn Sie eine öffentliche Bestellung beantragen. Das entspricht dem Vorverständnis am Markt.
Eine Abspaltung und Verselbständigung der öffentlichen Bestellung von den Verfahren zur Aner­kennung nach § 18 BBodSchG ist nicht sinnvoll, weil der Sachverständige trotz einer öffentlichen Bestellung kein Sachverständiger nach § 18 BBodSchG wäre; dies würde seinen Wirkungskreis umso mehr einschränken, weil er verpflichtet wäre, Auftraggeber darauf hinzuweisen. Aus diesem Grunde ist die Nomenklatur für diese Gebietsbezeichnungen für beide Verfahren einheitlich.

Das vereinfachte Verfahren

Die Möglichkeit einer Anerkennung in einem vereinfachten Verfahren besteht für Sachverständige, die bereits öffentlich bestellt oder von einer Behörde eines anderen EU-Staates anerkannt worden sind. Mit dem vereinfachten Verfahren sollten unnötige Doppelprüfungen vermieden werden.
Das vereinfachte Verfahren ist aber nur möglich, wenn und soweit die Anforderungen nach der Sachverständigenverordnung in vergleichbarer Weise nachgewiesen worden sind. Anerkennungen oder öffentliche Bestellungen, denen eine nicht vergleichbare Sachgebietsbezeichnung zugrunde liegt oder die ohne formalisierte Überprüfung der erforderlichen Sachkunde oder besonderen Sachkunde vorgenommen wurden, reichen nicht aus, um ein vereinfachtes Verfahren durchführen zu können. Ein Beispiel:
Besteht eine Anerkennung oder öffentliche Bestellung zum Beispiel eines anderen Bundeslandes nur für eines der genannten sechs Sachgebiete, richtet sich der neue Antrag auf Anerkennung jetzt aber auf zwei oder mehrere Sachgebiete, kommt ein vereinfachtes Verfahren nicht in Frage; für das eine Sachgebiet gilt der Sachverständige ja bereits als anerkannt, für die weiteren ist ein vollständiges Überprüfungsverfahren durchzuführen.
Sachverständige, die bereits in einem anderen Bundesland mit vergleichbaren Anforderungen anerkannt worden sind, gelten nach den Ausführungsgesetzen der norddeutschen Bundesländer ohne weiteres auch hier als anerkannt (vergleiche etwa § 14 HmbBodSchG; § 11 Abs. 3 LBodSchG SH). Für diese Sachverständigen bedarf es also keiner weiteren Anerkennung, sofern die Anforderungen vergleichbar waren.
Das wird nach den vielfältigen Abstimmungen der Bundesländer zuerst einmal zu vermuten sein. Insoweit ist auch ein vereinfachtes Verfahren nicht mehr nötig, auch wenn die Verordnungen der norddeutschen Bundesländer, die das vereinfachte Verfahren regeln, zum Teil anderes nahe legen.
Für das vereinfachte Verfahren gibt es einen gesonderten Antragsbogen.

Qualifikationsnachweise

Die Sachverständigenverordnungen schreiben vor, dass für jedes einzelne Sachgebiet mindestens drei selbst verfasste Gutachten oder gleichwertige Arbeitsproben mit entsprechendem Eigenanteil aus dem jeweiligen Sachgebiet zur Überprüfung vorzulegen sind. Diese Gutachten müssen das Sachgebiet treffen, sonst sind sie zum Nachweis nicht geeignet (dazu auch noch unter VII.) Handelt es sich um Gemeinschaftsgutachten, muss erkennbar sein, welcher Teil von Ihnen stammt. Sie bilden die Grundlage für den ersten Teil der Überprüfung. Gleiches gilt für die öffentliche Bestellung.
Bitte prüfen Sie sorgfältig, welche Gutachten oder Arbeitsproben Sie zur Überprüfung vorlegen. Es bestehen keine Bedenken, wenn Sie sie nach nochmaliger sorgfältiger Durchsicht nacharbeiten oder ergänzen. Mit den Gutachten weisen Sie eine bestimmte Qualifikation im Zeitpunkt Ihrer Antragstellung nach; deshalb ist eine kritische Überprüfung durchaus zulässig. Aus eben diesem Grunde sollen die Gutachten in Hamburg jedoch auch nicht älter als 2 Jahre sein. Bitte berücksichtigen Sie insgesamt, dass Sie an den vorgelegten Gutachten festgehalten werden; ein späterer Wechsel dieser Gutachten gegen „bessere” ist nicht möglich.
Sofern das Fachgremium die eingereichten Gutachten nicht für eindeutig unzureichend erkennt, findet eine schriftliche Überprüfung anhand von Aufgaben statt, die vom Fachgremium vorher ausgearbeitet und festgelegt werden. Das Fachgremium legt vor einer Prüfung die Dauer der schriftlichen Überprüfung fest. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass Bewerber, die eine Anerkennung nach § 18 auf einem der Gebiete 2.1 bis 2.3 sowie 2.5 und 2.6 beantragen, mit einer dreistündigen Überprüfung zu rechnen haben. Die Bewerber, die neben dem Gebiet 2.2 oder 2.3 auch das Gebiet 2.4 beantragen, müssen davon ausgehen, dass sie nach einer angemessenen Pause am gleichen Tage eine zusätzliche schriftliche Überprüfung für das Gebiet 2.4 von zwei Stunden ablegen müssen. Bewerber, die eine öffentliche Bestellung nach § 36 beantragen, müssen sich darauf einstellen, dass die Überprüfungsdauer sich je nach Sachgebiet um eine Stunde verlängert. Im Rahmen der schriftlichen Überprüfung werden regelmäßig alternativ oder kumulativ Multiple-Choice-Aufgaben, Antworten, die eine Ja/Nein-Antwort erfordern und Fragen, die eine mehr oder weniger umfangreiche Textantwort erfordern, gestellt werden.
Der schriftlichen Überprüfung schließt sich regelmäßig ein Fachgespräch an, von dem ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn das Ergebnis bereits nach der schriftlichen Überprüfung feststeht.

Kosten

Die Kosten setzen sich grundsätzlich aus der allgemeinen Verfahrensgebühr Ihrer HK/IHK und den Auslagen für die Überprüfung der erforderlichen Sachkunde (bei der Anerkennung) oder der besonderen Sachkunde (bei der öffentlichen Bestellung) zusammen.
Schließlich noch ein Hinweis: Wenn Sie eine öffentliche Bestellung beantragen, auf die ausdrückliche Anerkennung nach § 18 BBodSchG aber keinen Wert legen, ändert das nichts an den Kosten, da der Aufwand für die Überprüfung identisch ist.

Tipps und Hinweise zum Ablauf des Verfahrens

1. Schon oben unter III haben wir betont: Bitte prüfen Sie genau, welche Gutachten Sie zum Nachweis der Qualifikation für jedes Sachgebiet vorlegen. Das Gutachten muss das Sachgebiet treffen, also zumindest den ganz eindeutigen Schwerpunkt in dem Sachgebiet haben; dass das Gutachten in Randbereichen Fragen aus dem Sachgebiet streift, reicht in keinem Falle. Was Sie uns einreichen, muss ? auch anonymisiert – überprüfbar sein. Dabei geht es immer um zweierlei: Ist das Gutachten von der Thematik, von der Fragestellung her grundsätzlich geeignet, den Qualifikationsnachweis auf dem genannten Niveau zu erbringen? Und zweitens: Erbringt es in der konkreten Ausarbeitung und Beantwortung der Fragestellungen (also nach Form und Inhalt) diesen Nachweis? Vermeiden Sie also bitte eine Situation, in der eingereichte Gutachten nach der Überprüfung zwar als fehlerfrei bewertet werden, leider aber von der Fragestellung her so einfach gelagert sind, dass Rückschlüsse auf die erforderliche oder besondere Sachkunde letztlich nicht möglich sind.
Ob zu Ihren einzureichenden Gutachten und Arbeitsproben auch ordnerweise Datenmaterial gehört, entscheiden Sie selbst mit der Beantwortung der Frage, ob es in sich nachvollziehbar ist. Bitte berücksichtigen Sie, dass der Aufwand bei diesen Überprüfungen sich auch in den Kosten abbilden kann. Gegebenenfalls sollten Sie einen Hinweis geben, dass Datenmaterial zu den Feststellungen – selbstverständlich vorliegt und bei Ihnen jederzeit nachgefordert werden kann.
2. Bitte beschreiben Sie bei der Angabe potentieller Referenzgeber nicht nur Namen und Anschrift, sondern auch Funktion der jeweiligen Person. Grundsätzlich gilt: je qualifizierter der Referenzgeber auf dem Sachgebiet selbst, desto wertvoller seine Referenz.

Gutachtencheckliste

Mit den unten beigefügten Checklisten möchten wir es Ihnen erleichtern, einschlägige und hinreichend breit angelegte Gutachten einzureichen. Die in den Checklisten aufgeführten Punkte orientieren sich an den Spiegelstrichen, wie sie in der Anlage zur Hamburgischen Verordnung für Sachverständige und Untersuchungsstellen nach § 18 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und den Bestellungsvoraussetzungen Bodenschutz & Altlasten vorgesehen sind. Die Checklisten werden wir mit Ihren Unterlagen an das Fachgremium weiterreichen, um diesen einen zügigen ersten Überblick über Ihre Gutachten zu ermöglichen.
Bitte reichen Sie diese Checkliste zusammen mit Ihrem Antrag bei Ihrer IHK ein.
FAQs

Schiedsgerichtsbarkeit

Die Schiedsgerichtsbarkeit wurde von der Kaufmannschaft als ein Ihren Interessen besonders entsprechendes Streitklärungs­instrument erfunden. Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema "Schiedsgerichtsbarkeit".

Was ist Schiedsgerichtsbarkeit?

Die Schiedsgerichtsbarkeit wurde von der Kaufmannschaft als ein Ihren Interessen besonders entsprechendes Streitklärungsinstrument erfunden. Schiedsgerichte sind private, d.h. nichtstaatliche Gerichte, die über Streitigkeiten abschließend und rechtsverbindlich entscheiden. Da der privaten Schiedsgerichtsbarkeit anders als der ordentlichen Gerichtsbarkeit keine staatliche Macht zukommt, kann ein Schiedsgericht nur dann über eine Streitigkeit richten, wenn sich die Parteien des Streits zuvor darauf geeinigt haben. Solche Einigungen sind zwischen Kaufleuten nicht unüblich.
Ein Schiedsverfahren ähnelt im Ablauf einem “normalen” Gerichtsverfahren: Die Parteien fertigen Schriftsätze, es findet in der Regel eine mündliche Verhandlung statt. Auch können Beweisaufnahmen durchgeführt werden. Am Ende des Verfahrens steht ein verbindlicher Schiedsspruch, der für die Parteien die gleichen Wirkungen hat wie ein Urteil.
Bei aller Ähnlichkeit zum Gerichtsverfahren: Die Schiedsrichter sind in der Verfahrensgestaltung wesentlich freier und flexibler als die Richter eines staatlichen Gerichtes. Auch können die Parteien stärker Einfluss auf das Verfahren nehmen. Zum Beispiel werden sie bei der Auswahl der Schiedsrichter beteiligt oder sie können den Verhandlungsort und die Verfahrenssprache einvernehmlich regeln. Diese Flexibilität kann zu schnellen und preisgünstigen Lösungen führen, die vor einem staatlichen Gericht nicht zu erzielen wären.

Welche Arten von Schiedsgerichten gibt es?

Es gibt zwei Arten von Schiedsgerichten: die sogenannten institutionellen Schiedsgerichte und ad-hoc Schiedsgerichte. Institutionelle Schiedsgerichte sind mit einer Institution, häufig einer Handelskammer oder einem Unternehmensverband, verbunden. Diese stellen eine Verfahrens- und meistens auch eine Kostenordnung bereit und unterstützt die Parteien bei der Einleitung und zum Teil auch während des gesamten Schiedsverfahrens. Ein ad-hoc Verfahren findet ohne die Ünterstützung einer Institution statt, die Parteien und die Schiedsrichter führen das Verfahren dann in Eigenregie.

Welche institutionellen Schiedsgerichte gibt es?

Internationale Schiedsgerichte mit Sitz in Hamburg

In Hamburg, Deutschlands „Hauptstadt” der Schiedsgerichtsbarkeit, gibt es über ein Dutzend Schiedsgerichte. Die meisten der Schiedsgerichte sind einem Verband angeschlossen und ausschließlich branchenspezifisch tätig (z.B. das Schiedsgericht des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V.). Das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg und die Hamburger freundschaftliche Arbitrage sind dagegen "Allrounder", die für nationale und internationale Wirtschaftsstreitigkeiten aller Art vereinbart werden können. Dabei gilt: Keine der Parteien muss aus Hamburg oder auch nur aus Deutschland stammen. Die Hamburger Unternehmerschaft und auch unsere Handelskammer fördern und schätzen die Schiedsgerichtsbarkeit. Auf Wunsch der Branche wurde im Jahr 2006 das "Logistikschiedsgericht an der Handelskammer Hamburg" gegründet. Ebenfalls seit dem Jahr 2006 ist die Geschäftsstelle des "Schiedsgerichts des Deutschen Kaffeeverband e.V." bei unserer Handelskammer angesiedelt.
Die Handelskammer Hamburg sowie der Rechtsstandort Hamburg eV sind institutionelle Mitglieder des Asian European Arbitration Association eV (ASEAA). Der Verein ASEAA (vormals CEAA) ist alleiniger Gesellschafter des im Jahr 2008 in Hamburg gegründeten "Chinese European Arbitration Centre" ( CEAC), das seit Mai 2023 „Asian European Arbitration Centre“ (ASEAC) heißt. Das Asian European Arbitration Centre bietet als Schiedsinstitution auf der Grundlage der ASEAC Schiedsordnung eine maßgeschneiderte Streitbeilegungslösung für die Ansprüche des Wirtschaftsverkehrs mit Asien. Alle Gremien des ASEAC sind international besetzt. Dadurch ist sichergestellt, dass die Gremien neutral sind und keine Partei benachteiligt wird. Das ist ein wichtiges Argument für Unternehmen aus Asien, Europa und anderen Ländern, Streitigkeiten nach den Regeln des ASEAC zu klären und Hamburg als Schiedsgerichtsstandort zu vereinbaren.
Für Streitigkeiten mit lateinamerikanischen Geschäftspartnern gibt es in Hamburg das Arbitration Center der European-Latinamerican Arbitration Association (kurz: ELArb). Der gemeinnützige Verein wurde 2014 vom Lateinamerika Verein (LAV) und Rechtsstandort Hamburg e.V. gemeinsam mit anderen Institutionen und Personen gegründet. Das ELArb Arbitration Center arbeitet auf administrativer Ebene zusammen mit der Handelskammer Hamburg, deren Gründung auf das Jahr 1665 zurückgeht, anderen Handelskammern sowie weiteren Organisationen, insbesondere aus den lateinamerikanischen Staaten.

Internationale Schiedsgerichte im Ausland

Neben den Hamburger Schiedsgerichten ist in Deutschland vor allem das der DIS also Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (Köln) zu nennen. Das wohl bekannteste Schiedsgericht in Europa ist das der ICC International Chamber of Commerce (Paris). Bekannte europäische Schiedsgerichte gibt es zum Beispiel auch in der Schweiz, in England, Schweden und Österreich. Den Parteien steht es grundsätzlich frei, sich durch die Aufnahme einer entsprechenden Schiedsklausel in ihrem Vertrag für das Schiedsgericht ihrer Wahl zu entscheiden.

Worin besteht der Unterschied zwischen dem Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg und der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage?

Das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, das seit 1884 existiert, administriert Schiedsverfahren nach seiner Schiedsgerichtsordnung (Regulativ der Handelskammer Hamburg). Einigen sich die Parteien eines Vertrages durch eine entsprechende Schiedsklausel darauf, dass das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg im Streitfall über den Konflikt entscheiden soll, so nimmt dieses den Schiedsrichtern und den Parteien die Administration des Verfahrens ab. Beratende Unterstützung erhalten die Schiedsrichter durch den Justiziar unserer Handelskammer, der sich in den Fall einarbeitet und bei kaufmännisch besetzten Schiedsgerichten juristisches Know-how, bei mit Juristen besetzten Schiedsgerichten kaufmännisches und branchenspezifisches Know-how einbringt. Dadurch wird gewährleistet, dass das Verfahren in Übereinstimmung mit Gesetz und Schiedsgerichtsordnung durchgeführt wird und die Entscheidung formell und materiell überzeugt. Ein Stimmrecht kommt ihm allerdings nicht zu.
Entscheiden sich die Parteien dagegen für die Durchführung eines Schiedsverfahrens nach den Regeln der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage, so müssen sie und die Schiedsrichter das Verfahren selbst administrieren. Denn die Hamburger freundschaftliche Arbitrage gehört nicht zu unserer Handelskammer oder einer anderen Institution. Es handelt sich dabei um einen Fall eines sogenannten Ad-hoc-Schiedsgerichtes. Dieses wird jeweils neu gebildet, wenn die Parteien Personen als Schiedsrichter für die Klärung ihrer Streitigkeit bestimmen. Für die Hamburger freundschaftliche Arbitrage gibt es keine ausführliche Schiedsordnung, die im einzelnen festlegt, wie das Verfahren auszusehen hat. Es gelten die Regeln der ZPO (§§ 1025 - 1066 ZPO).
Allerdings enthält § 20 der Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel einige wenige Sonderregeln zu Benennung und Ablehnung von Schiedsrichtern. Im Zusammenhang mit der Benennung von Zwangsschiedsrichtern kann es zur Mitwirkung unserer Handelskammer kommen. Ein weiterer Bezug dieser Verfahren zu unserer Handelskammer besteht aber nicht! Daher obliegt die Festlegung und Durchführung des Verfahrens den Parteien und Schiedsrichtern nach den Regeln des 10. Buchs der Zivilprozessordnung (§§ 1025-1066).

Worin besteht der Unterschied zu Schlichtung und Mediation?

Anders als bei der Schlichtung und der Mediation entscheidet das Schiedsgericht am Ende des Verfahrens verbindlich über die geltend gemachten Ansprüche. Diese Entscheidung hat für die Parteien die Wirkung eines staatlichen Urteils. Die Schiedsrichter können sich also nicht darauf beschränken, allein oder mit den Parteien eine mögliche Lösung auszuarbeiten und den Parteien vorzuschlagen, sich auf deren Umsetzung zu einigen. Allerdings werden auch die Schiedsrichter ausloten, ob die Chance zu einer gütlichen Einigung besteht.
Bei einer Mediation unterstützt ein neutraler Dritter quasi als Moderator die Parteien dabei, geeignete Konfliktlösungen zu erarbeiten. Weitere Informationen über Mediation und unsere Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte finden Sie hier. Im Falle einer Schichtung machen die Schlichter, falls sich die Parteien nicht einigen können, am Ende der verhandlung einen Einigungsvorschlag, der allerdings nicht verbindlich ist. Falls Sie sich für Schlichtung interessieren, können Sie hier weitere Informationen über unsere Schlichtungsangebote abrufen.

Worin bestehen die Vorteile eines Schiedsverfahrens gegenüber einem Verfahren vor den staatlichen Gerichten?

Die Schiedsgerichtsbarkeit wurde von der Kaufmannschaft als Alternative zu den Verfahren vor den staatlichen Gerichten entwickelt, um die damit mitunter verbundenen Unzulänglichkeiten zu vermeiden.

Schiedsgerichtsbarkeit ist schnell

Die Schiedsrichter sind private Dienstleister, die als solche sofort für die Bearbeitung zur Verfügung stehen (andernfalls sollten sie nicht ausgewählt werden). Daher können Zeitverluste vermieden werden, die bei der Einschaltung der überlasteten staatlichen Gerichte in der Regel unumgänglich sind. Auch das Verfahren selbst kann flexibler und unbürokratischer und daher häufig schneller geführt werden als ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. Schließlich gibt es bei den meisten Schiedsgerichten weder Berufungs- noch Revisionsinstanz. Mit dem Schiedsspruch der ersten und einzigen Instanz ist der Streit endgültig und verbindlich entschieden. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten sind daher in der Schiedsgerichtsbarkeit sehr selten.

Schiedsgerichtsbarkeit ist vertraulich

Das Verfahren ist von Schiedsrichtern und Parteien streng vertraulich zu behandeln. Anders als beim öffentlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten können vertrauliche Details daher nicht nach außen dringen. Viele Unternehmen sehen dies als einen ganz wesentlichen Vorteil.

Schiedsgerichtsbarkeit kann Geschäftsbeziehungen bewahren

Die Führung eines Schiedsverfahrens wird wegen der kaufmännischen Wurzeln der Schiedsgerichtsbarkeit von vielen Unternehmern als eine adäquate Form der Streitbeilegung angesehen. Nach Abschluss des Schiedsverfahrens, das im übrigen sehr häufig mit einer einvernehmlichen Einigung endet, können die Geschäfte häufig unbelasteter weitergeführt werden, als dies nach Führung eines Gerichtsprozesses der Fall ist.

Schiedsgerichte schaffen im Ausland vollstreckbare Titel

Schiedssprüche sind nach einer Vollstreckbarkeitserklärung durch das zuständige Oberlandesgericht vollstreckbar. Im internationalen Bereich sind Schiedssprüche sehr häufig wesentlich leichter zu vollstrecken als deutsche Urteile. Das liegt daran, dass mehr als 140 Staaten dem sogenannten New Yorker Abkommen von 1958 beigetreten sind, das die Vollstreckung von Schiedssprüchen im Ausland regelt. Hinzukommen weitere entsprechende Abkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten. Deutsche Urteile sind dagegen nicht überall auf der Welt vollstreckbar. In China oder Russland zum Beispiel kann grundsätzlich aus einem deutschen Schiedsspruch vollstreckt werden, nicht aber aus einem deutschen Gerichtsurteil.

Nach welchen Regeln bestimmt sich das Schiedsverfahren?

Die Schiedsrichter und Parteien haben stets die §§ 1025-1066 der Zivilprozessordnung zu beachten, die das Recht des Schiedsverfahrens regeln. Die meisten dieser Regelungen können aber einvernehmlich abbedungen, abgeändert oder ergänzt werden. Dies kann entweder durch die Schiedsordnung der jeweiligen Institution geschehen, vor dessen Schiedsgericht der Fall verhandelt wird oder aber durch Vereinbarungen der Parteien.

Was ist eine Schiedsklausel und wie sollte sie formuliert werden?

Ein Schiedsgericht kann nur dann über einen geltend gemachten Anspruch entscheiden, wenn seine Zuständigkeit von den Parteien vereinbart wurde. In aller Regel vereinbaren die Parteien dies bereits bei Abschluss des Vertrages durch die Aufnahme einer Schiedsklausel. Es kommt vor, dass den Parteien bei der Formulierung von Schiedsklauseln Formfehler unterlaufen. Oft wird aus ihnen nicht hinreichend klar, welches Schiedsgericht zuständig sein soll oder es gibt andere rechtliche Probleme. Wir empfehlen deshalb, die von den jeweiligen Institutionen entworfenen Musterklauseln zu verwenden. Dann besteht keine Gefahr, dass die Klausel unwirksam ist und dass Sie sich doch noch an das staatliche Gericht wenden müssen.
Die Musterklausel des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg lautet:
"Alle Streitigkeiten, die sich in Zusammenhang mit diesem Vertrag (genaue Bezeichnung des Vertrages) oder über seine Gültigkeit ergeben, werden durch das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte endgültig entschieden. Auf den Inhalt des Rechtsstreits ist ...... Recht anzuwenden."
Die englische Fassung lautet: "Any dispute arising in connection with the present contract [exact description of the Contract] or with respect to its validity shall be finally settled by the Court of Arbitration of the Hamburg Chamber of Commerce, to the exclusion of the ordinary courts of law. The substantive law of ––– shall be applicable to such dispute."

Was kostet ein Schiedsverfahren?

Was ein Schiedsverfahren kostet, ist je nach Schiedsgerichtsinstitution sehr unterschiedlich geregelt. § 25 der Schiedsgerichtsordnung der Handelskammer Hamburg enthält die entsprechenden Regeln für dieses Schiedsgericht. Die Kosten setzen sich aus Verfahrensgebühren, die zwischen den Schiedsrichtern und unserer Handelskammer verteilt werden und einer Verwaltungspauschale für die durch die Administration verursachten Kosten zusammen. Das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg ist, wenn man es mit den Schiedsgerichten der DIS und der ICC vergleicht, ausgesprochen preiswert. Die voraussichtlichen Kosten eines Schiedsverfahrens vor dem Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg können Sie mit unserem Gebührenrechner feststellen.
Hinsichtlich der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage gibt es keine verbindlichen Gebührensätze. Bei entsprechenden Verfahren sollte daher unbedingt im Vorfeld eine entsprechende Vereinbarung mit den Schiedsrichtern getroffen werden. Das gleiche gilt für andere Ad-hoc Schiedsgerichtsverfahren.
Wenn man die Gesamtkosten eines Schiedsverfahrens mit den Gesamtkosten eines Gerichtsprozesses (inklusive der Anwaltsgebühren), der durch mehrere Instanzen geführt wird, vergleicht, so rechnet sich die Anrufung des Schiedsgerichtes häufig. Insbesondere bei Verfahren mit geringen Streitwerten, die meistens nicht in die 2. Instanz gehen, kann ein Gerichtsverfahren eventuell günstiger sein.

Wo kann ich nach bestimmten Schiedssprüchen recherchieren?

Unsere Handelskammer gibt seit 1974 eine Sammlung von Schiedssprüchen heraus, in der anonymisierte Schiedssprüche der norddeutschen Schiedsgerichte enthalten sind. Mittlerweile sind sechs Bände in Buchform erschienen, die über unsere Handelskammer bestellt werden können. Seit 2002 sind wir dabei, eine Datenbank aufzubauen, die auf unserer Website kostenlos zur Recherche verwendet werden kann. Wir sind dazu auch weiterhin auf die Zusendung von Schiedssprüchen angewiesen und sind daher für die Übermittlung entsprechender Schiedssprüche dankbar.
Arbeitsrecht

Gesetzliche Kündigungsfrist

Form der Kündigung

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag bedarf zu ihrer Wirksamkeit stets der Schriftform, § 623 BGB. Die Missachtung der Schriftform führt somit zur Unwirksamkeit der Erklärung. Das Schriftformerfordernis gilt sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer.
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Zu unterscheiden ist zwischen der ordentlichen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung (fristlose Kündigung). Letztere ist nur bei einem wichtigen Grund zulässig, der – vereinfacht gesagt - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die kündigende Partei unzumutbar macht.

Zugang der Kündigung

Die Kündigung wird wirksam, wenn sie dem Kündigungsgegner zugeht. Die schriftliche Kündigung gilt als zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Kündigungsgegners gelangt ist, so dass damit zu rechnen ist, dass dieser von ihr Kenntnis nehmen konnte. Wird das Kündigungsschreiben bei der Übersendung durch die Post, in den Briefkasten eingeworfen, so geht es in dem Zeitpunkt zu, in dem mit einer Leerung zu rechnen ist. Übergibt hingegen der Postbote die Kündigung einem Familienangehörigen oder dem/der Lebensgefährten/in, so geht die Kündigung mit der Annahme des Briefes durch diese Person zu, auch wenn sie im Einzelfall nicht an den Arbeitnehmer weitergeleitet wird.
Die Kündigung gilt auch dann als zugegangen, wenn sich der Arbeitnehmer wegen Urlaubs, Umzugs, Krankheit oder Kur nicht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort befindet.
Wird die Kündigung per Einschreiben übersandt, geht sie erst mit der Aushändigung durch die Post zu, nicht schon mit der Hinterlassung eines Benachrichtigungszettels. Holt der Adressat die Kündigung absichtlich nicht von dem Postamt ab, so wird fingiert, dass ihm die Kündigung im Zeitpunkt der Annahmeverweigerung zugegangen sei.

Kündigungsarten

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung (fristlose Kündigung).  Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung sind unterschiedliche Kündigungsfristen einzuhalten, die sich aus
ergeben können.
Wichtig! Bei der Ermittlung der Kündigungsfrist ist zunächst zu klären, ob auf das Arbeitsverhältnis, das gekündigt werden soll, ein Tarifvertrag Anwendung findet. Die darin geregelten Kündigungsfristen, die kürzer oder länger als die gesetzlichen Kündigungs­fristen sein können, sind vorrangig zu beachten. Nur wenn im Arbeitsvertrag eine für den Arbeitnehmer günstigere Kündigungsfrist vereinbart ist, gilt diese (sogenanntes Günstigkeitsprinzip).

Gesetzliche Kündigungsfristen

Ist im Arbeitsvertrag (ohne Tarifbindung) keine Kündigungsfrist vereinbart worden oder wird auf die gesetzliche Kündigungsfrist verwiesen, gilt § 622 BGB.
Hinweis: Für Arbeiter und Angestellte gilt eine einheitliche gesetzliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

Ausnahmen

  • In Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass die vierwöchige Kündigungsfrist ohne festen Kündigungstermin ausgesprochen werden kann. Bei der Feststellung der Anzahl der Beschäftigten sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und Arbeitnehmer mit nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
  • Einzelvertraglich kann eine kürzere als die Kündigungsfrist nur vereinbart werden, wenn es sich lediglich um eine bis zu dreimonatige Aushilfstätigkeit handelt.
Bei längerer Betriebszugehörigkeit gelten für die Kündigung durch den Arbeitgeber verlängerte gesetzliche Kündigungsfristen, die sich an der Dauer des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses orientieren:
Betriebszugehörigkeit Kündigungsfrist
2 Jahre
1 Monat zum Monatsende
5 Jahre
2 Monate zum Monatsende
8 Jahre
3 Monate zum Monatsende
10 Jahre
4 Monate zum Monatsende
12 Jahre
5 Monate zum Monatsende
15 Jahre
6 Monate zum Monatsende
20 Jahre
7 Monate zum Monatsende
Für die Berechnung der Beschäftigungsdauer bleiben nach dem Wortlaut des Gesetzes die Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers außer Betracht. Diese Regelung stellt allerdings einen Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar und ist daher nicht mehr anzuwenden. Das entschied auch der EuGH in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 (Az: C-555/07).
Die verlängerten Kündigungsfristen gelten nur für die Kündigung durch den Arbeitgeber, so dass für die Kündigung durch den Arbeitnehmer immer die Grundkündigungsfrist von vier Wochen gilt. Während einer vereinbarten Probezeit (bis sechs Monate) beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen, es sei denn es wurde eine längere Kündigungsfrist vereinbart. Dies gilt für eine Kündigung sowohl durch den Arbeitnehmer als auch durch den Arbeitgeber. Eine Verlängerung der Kündigungsfristen ist stets möglich. Es dürfen allerdings für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Fristen vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Die außerordentliche (fristlose) Kündigung

Die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB) aus wichtigem Grund löst das Arbeitsverhältnis in der Regel mit sofortiger Wirkung auf, die vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen brauchen nicht eingehalten zu werden. Allerdings kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erklärt werden. 
Hat zum Beispiel der Arbeitgeber am Dienstag, den 19. September von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, beginnt die Frist am Mittwoch, den 20. September und endet am Dienstag, den 3.Oktober um 24 Uhr. Bei eigenmächtigem Urlaubsantritt beginnt die 2-Wochen-Frist mit der Rückkehr des Arbeitnehmers aus dem Urlaub. Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer innerhalb der 2-Wochen Frist zugehen.
Tipp: Informationen zum Urlaubsanspruch bei Kündigung entnehmen Sie bitte dem Artikel "Urlaubsrecht".
Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen.
Kündigungsgründe für eine Kündigung aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber:
  • Arbeitsverweigerung
  • unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes
  • eigenmächtiger Urlaubsantritt
  • grobe Beleidigung gegenüber dem Arbeitgeber, einem Vorgesetzten oder anderen Mitarbeitern
  • Drohung des Arbeitnehmers, er werde krank, wenn der Arbeitgeber ein unberechtigtes Verlangen des Arbeitnehmers nicht erfüllt
  • Straftaten gegen den Arbeitgeber (Untreue, Betrug, Diebstahl, Körperverletzung)
  • tätliche Auseinandersetzung im Betrieb
Kein wichtiger Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber:
  • Betriebsveräußerung
  • Betriebsstilllegung
Hinweis: Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich. Die Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich bei besonders schweren Verstößen gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (zum Beispiel Diebstahl, Tätlichkeiten, ca. einmonatiges unentschuldigtes Fehlen).
Weitere Informationen dazu erhalten Sie im Dokument "Grundlegendes zu Abmahnung und Kündigung".
Die Angabe des wichtigen Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben ist nicht erforderlich, um der Kündigung Wirksamkeit zu verleihen (Ausnahme: Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag regeln, dass die Angabe des Kündigungsgrundes Wirksamkeitsvoraussetzung ist). Allerdings hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe schriftlich mitzuteilen, die zu der Kündigung geführt haben, § 626 Abs. 2 S.3 BGB.

Kündigungsgründe

Der Kündigungsgrund im Rahmen einer ordentlichen Kündigung bei Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern ist stets sorgfältig zu hinterfragen, denn ein fehlender oder nicht anerkannter Kündigungsgrund macht eine Kündigung im Rahmen des gerichtlichen Überprüfung unwirksam. In Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern (seit dem 01.01.2004) greift das Kündigungsschutzgesetz (KschG). Ordentliche Kündigungen im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes bedürfen eines betriebs-, personen- oder verhaltensbedingten Grundes, der die Kündigung sozial rechtfertigt.

Personenbedingte Gründe

Not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung ist, dass ein Kündi­gungs­grund in der Per­son des Arbeit­neh­mers vor­liegt. Die­se Vor­aus­set­zung ist dann ge­ge­ben, wenn der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­ner in­di­vi­du­el­len Eigen­schaf­ten und Fähig­kei­ten sei­ne Ar­beits­leis­tung nicht mehr er­brin­gen kann.
Nach der Recht­spre­chung müssen die fol­gen­den vier Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen, da­mit ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung wirk­sam ist (fehlt auch nur ei­ne die­ser Vor­aus­set­zun­gen, ist die Kündi­gung un­wirk­sam).
  1. Es muss fest­ste­hen, dass der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­ner persönli­chen Fähig­kei­ten und Ei­gen­schaf­ten künf­tig nicht in der La­ge, sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten zu erfüllen (ne­ga­ti­ve Pro­gno­se).
  2. Es muss fest­ste­hen, dass es da­durch zu ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen oder wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers kommt.
  3. Es darf kei­ne Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit des Ar­beit­neh­mers auf ei­nem an­de­ren frei­en Ar­beits­platz in dem Be­trieb oder dem Un­ter­neh­men ge­ben.
  4. Es muss eine In­ter­es­sen­abwägung vor­ge­nom­men wer­den. Sie muß zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers aus­ge­hen, d.h. aus einer um­fas­sen­den Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen un­ter Berück­sich­ti­gung der Dau­er und des bis­he­ri­gen Ver­laufs des Ar­beits­verhält­nis­ses müssen die Be­ein­träch­ti­gung nicht mehr wei­ter zu­ge­mu­tet wer­den können
Beispiele:
  • mangelnde körperliche und geistige Eignung
  • fortgeschrittenes Alter und dadurch bedingte Abnahme der Leistungsfähigkeit
  • Krankheit
Hinweis: Krankheit berechtigt nur bei Vorliegen folgender Voraussetzungen zur Kündigung:
1. der Arbeitnehmer war langanhaltend erkrankt oder häufig über kurze Zeiträume hinweg erkrankt
2. negative Gesundheitsprognose: die Wiederherstellung des langanhaltend erkrankten Arbeitnehmers ist nicht abzusehen bzw. es ist bei dem oft kurzerkrankten Arbeitnehmer auch zukünftig mit häufigen Fehlzeiten zu rechnen
Verhaltensbedingte Gründe
Hier handelt es sich um Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen.
Beispiele:
  • Nichtleistung oder mangelhafte Arbeitsleistung
  • Straftaten des Arbeitnehmers
  • Nichtbeachtung betrieblicher Rauch-und Alkoholverbote
  • Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten

Betriebsbedingte Gründe

Betriebsbedingte Kündigungsgründe sind solche, die durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt sind.
Beispiele:
  • Umsatz- und Produktionsrückgang wegen Auftragsmangels
  • Rationalisierungsmaßnahmen
  • Betriebseinschränkung
  • Betriebsstilllegung
  • Änderung des Produktionsablaufs bzw. der Arbeitsmethoden
  • keine Versetzungs-und Umschulungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer
  • ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte seitens des Arbeitgebers bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers (Treffen einer sozialen Auswahl, § 1 Abs. 3 KschG)

Kündigungsschutz besonderer Personengruppe

Mutterschutz

Eine Frau darf während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung weder ordentlich noch außerordentlich gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Dies gilt auch für die Probezeit. Das Kündigungsverbot kann nur in ganz besonderen Fällen mit einer entsprechenden Zulässigkeitserklärung des Amtes für Arbeitsschutz durchbrochen werden (§ 9 Absatz 3 Satz 1 MuSchG).
Weitere Informationen, Übersichten und Anträge finden Sie auf folgender Seite: www.hamburg.de
Tipp: Informationen zum Kündigungsschutz während der Elternzeit finden Sie im Artikel "Elternzeit".

Schwerbehinderte

Der Arbeitgeber, der das bestehende Arbeitsverhältnis mit einem Schwerbehinderten kündigen oder eine Änderungskündigung aussprechen möchte, muss zunächst einen Antrag  beim Integrationsamt stellen, da auch hier ein besonderer Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX greift. Von dem besonderen Kündigungsschutz werden in § 90 SGB IX Ausnahmen gemacht.
Tipp: Umfassende Informationen zum Thema Kündigung von Schwerbehinderten erhalten Sie im Artikel "Beschäftigung von Schwerbehinderten".
Gesetzesänderung zum 1. Januar 2017: Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erfordert vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung
Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes sind zum 1. Januar 2017 Änderungen im SGB IX vorgenommen worden. Von Unternehmen zwingend zu beachten ist die geänderte Regelung zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Die getroffene Entscheidung ist unverzüglich mitzuteilen. Wird die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vom Arbeitgeber unterlassen, ist die Kündigung unwirksam.
Weitere Informationen, Übersichten und Anträge finden Sie auf folgender Seite: www.hamburg.de
Tipp: Welche Richtlinien bei der Kündigung von Auszubildenden während und nach der Probezeit gelten, erfahren Sie in den FAQs der Berufsbildung unter K wie Kündigung.

Klagefrist bei Kündigungsschutzklage

Seit dem 1. Januar 2004 gilt jede Kündigung - ordentliche und außerordentliche, auch in Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Arbeitnehmern bzw. bei Arbeitnehmern, deren (Probe-) Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate besteht - als rechtswirksam, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung gerichtlich angefochten wird. Zudem ist unerheblich, auf welchen Grund die behauptete Unwirksamkeit der Kündigung gestützt wird.

Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Damit eine Vermittlung in eine neue Arbeit schon frühzeitig beginnen kann, müssen sich Arbeitnehmer frühzeitig arbeitssuchend melden. Ein Verstoß gegen die Meldepflicht nach § 38 SGB III vermindert das spätere Arbeitslosengeld des Arbeitnehmers. Daher hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber aufzuklären, dass dieser seinen Meldepflichten unverzüglich nachzukommen hat.

Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

 In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten.
Hinweis: Sie können sich auch jederzeit an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessensschwerpunkt (Telefon: +4940 3574410, Montag bis Freitag von 9.30 bis 14 Uhr).
Tipp: Sollten Sie darüber hinausgehende Informationen benötigen, finden Sie Unterstützung durch unsere Commerzbibliothek, die Ihnen vor Ort gängige Rechtsliteratur (Gesetzestexte, Kommentare, Entscheidungssammlungen, Periodika) zur Verfügung stellt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat außerdem ein Bürgertelefon für arbeitsrechtliche Fragen eingerichtet, dass Sie montags bis donnerstags von 8 bis 20 Uhr erreichen können.
Hinweis: Diese Informationen sollen unseren Mitgliedsunternehmen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Insbesondere ersetzt sie nicht eine umfassende Prüfung und Beratung durch einen Rechtsanwalt/Steuerberater.